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Informationstheorie

 

 Ist Information eine eigenständige Größe oder eine Essenz des Lebens oder weder noch? 
 Leben, Sprache, Maschinen  Informatik  Kybernetik   Systemtheorie 

 

Die Informationstheorie ist diejenige Theorie, die sich mit den allen Systemen der Nachrichtenformulierung und Nachrichtenübertragung gemeinsamen Gesetzmäßigkeiten der Übermittlung von Informationen befaßt. Der Begriff der Information wird von der Informationstheorie definiert als räumliche oder zeitliche Folge von endlich vielen physikalischen Signalen, die mit mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten oder Häufigkeiten auftreten. Daß diese Signale in irgendeiner Weise als Zeichen, d.h. als Träger von Sinn und Bedeutung fungieren, ist für die Informationstheorie von sekundärer Bedeutung. Der Informationsbegriff der Informationstheorie entsprang dem Bedürfnis der Nachrichtentechnik, zu deren Aufgaben es gehört, eine vorgegebene Menge von Zeichen über einen Informationskanal mit möglichst geringem Aufwand zuverlässig „verstehbar“ zu übermitteln. Dementsprechend arbeitet die Informationstheorie insbesondere an den Problemen, die sich aus der Forderung nach einer optimalen Relation zwischen den zu übertragenden Nachrichtenmengen und den dafür erforderlichen Informationsmengen bzw. Informationswegen ergeben.


Ist Information eine eigenständige Größe oder eine Essenz des Lebens oder weder noch?

„Die Frage, ob es sich bei Information um eine eigenständige physikalische Größe handelt, die so konkret wie Temperatur, Masse oder Energie und damit auch ohne Semantik (gibt es überhaupt etwas ohne Semantik? HB) existent ist, wird in den Wissenschaften konträr diskutiert. Eine eher spekulative These lautet, das Universum könnte eine nicht-materielle Grundlage besitzen und sich aus Daten zusammensetzen (»It from Bit«) oder gar ein Computer sein. Einige Autoren stellen eine enge Beziehung zwischen Entropie und Information her oder setzen sie schlußendlich gleich. Ferner wird angemerkt, daß bei der Informationsverarbeitung Energie verbraucht wird und sogar verbraucht werden muß (bis hin zu der recht präzisen Aussage des Landauer Prinzips, daß bei der Verarbeitung von n Bit Information mindestens eine Energie von E = n • k • T • ln (2) verbraucht wird, beziehungsweise - noch etwas präziser -, daß das Löschen eines Bits an Information zwangsläufig die Abgabe von Energie in Form von Wärme gemäß W = k • T • ln (2), wobei k = Boltzmann-Konstante, T = absolute Temperatur der Umgebung, zur Folge hat), wodurch gewissermaßen eine Verbindung zwischen den Begriffen Energie und Information nachgewiesen sei. Dies sei - so wird ergänzt - bemerkenswert, da die Begriffe Entropie und Energie physikalische Begriffe sind. Und schließlich hat sich längst der Begriff der Quanteninformation (und darauf aufbauend auch der Begriff der Quanteninformatik) etabliert Andere Autoren betonen dem gegenüber, daß die Daten des Lebensraums erst durch die Interpretation und Bedeutungszuordnung eines sich an Interessen orientierenden (lebenden) Systems zu Informationen werden, die es ihnen erlauben, aus kleineren Teilen größere Zusammenhänge zu konstruieren, Prognosen zu erstellen und hierdurch Überlebensvorteile zu erlangen.“ (Peter Mersch, Systemische Evolutionstheorie, 2012, S. 80-81).

Universum
Ewig ist nur die Energie!

Dafür, daß die Information eine Essenz des Lebens ist, spricht, daß ganz wesentlich der genetische Code und das neuronale Netzwerk - abstrakt gesehen - Information(en) speichernde und verarbeitende Systeme sind. Ausgehend von der Überlegung, daß Lebewesen Information(en) speichernde und verarbeitende Systeme sind, kann man folgern, daß Leben und Bewußtsein nicht unbedingt auf eine Verkörperung durch Zellen mit Erbsubstanz in der uns bekannten Form begrenzt sein muß. Es könnte auch unabhängig von Kohlenstoff, Sauerstoff oder Wasserstoff existieren. Weil die Aufnahme, Verarbeitung und Weitergabe von Information stets an Materie und Energie gebunden sind, aber irgendwann alle Materie zerfallen sein wird (Abbildung) und irgendwann alle Differenzen der Energie ausgeglichen sein werden (Abbildung) - mit anderen Worten: ein thermodynamisches Gleichgewicht (ThermodynamikMehr) erreicht sein wird -, wird auch jenes Leben, das möglicherweise ohne Verkörperung durch Zellen mit Erbsubstanz auskommen und ohne Kohlenstoff, Sauerstoff oder Wasserstoff existieren könnte, spätestens dann nicht mehr existenzfähig sein können, wenn alle Materie zerfallen sein wird.

Entsprechend würde in der Abbildung (Abbildung) für den Fall, daß das Leben anders definiert werden würde, nämlich so wie im letzten Absatz beschrieben, die grüne Fläche die Dauer dieses anderen Lebens und die gelbe Fläche (Leben) allein die Dauer des biologischen Lebens darstellen.

 

Leben, Sprache, Maschinen

„Der von der Molekularbiologie freigelegte Grundprozeß allen Lebens verläuft in zwei Richtungen. Nach der einen Richtung kommt es zur Replikation der Sequenz von Nukleotiden, aus denen sich ein Gen aufbaut, indem sich zwei Stränge der Sequenz, auf denen die Nukleotide in streng komplementärer Anordnung aufgereiht sind, spalten, woraufhin die jedem Nukleotid komplementäre Einheit rekonstruiert wird. In dieser Replikation, einer tautologischen Repetition, gründet die oft über Millionen von Jahren reichende Stabilität der Arten. Nach der anderen Richtung kommt es zu einer Übersetzung der genetischen Information, die von der Anordnung der Nukleotide in Gruppen (Wörter) von je drei Einheiten (Buchstaben) gebildet wird, in eine Sequenz von Aminosäuren, den Bausteinen der Proteine, indem jedem Triplett (Wort) der Nuklein-Sequenz eine bestimmte Proteineinheit zugeordnet wird. Die aus drei Einheiten gebildeten Nukleineinheiten, auch Kodone genannt, verbinden sich nach »syntaktischen« Gesetzen der Distribution zu komplexeren Einheiten, Cistronen und Operonen, deren Anfang und Ende durch drei spezielle Kodone, denen keine Aminosäure entspricht, markiert werden und die ein Pendant zu den Grenzsignalen darstellen, von denen man seit Trubetzkoy in der Phonologie spricht (Monod, 1970: 119 f.; Jakobson, 1974: 51).“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 169).

„Der Aufbau des gesamten Organismus wird letztlich von der genetischen Information, die in der Zusammensetzung der Aminosäuren-Sequenzen der Proteine liegt, reguliert. Anders als eine Maschine, die ihre Gestalt der Planung von seiten eines unabhängigen Kopfes und der Einwirkung von äußeren Kräften verdankt, entsteht das Lebewesen über eine autonome, sich selbst regulierende Morphogenese.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 169).

„Über die alles fundierende Regulierung durch die Proteinstruktur hinaus finden sich auf den makroskopischen Ebenen der Biologie immer neue selbstregulierende Prozesse homöostatischer Natur, etwa die physiologische Homöostasie in der Aufrechterhaltung einer konstanten Körpertemperatur oder, auf noch höherer Ebene, die ökologische Homöostasie in der Oszillation der Population von Raub- und Beutetieren. Solche homöostatische Prozesse zerfallen in zwei Teilprozsse bzw. in zwei unterscheidbare Wirkungen. Die Leistung des primären Prozesses besteht in der Produktion von etwas, z.B. von Wärme. Der sekundäre Prozeß kann in isolierter Betrachtung ebenfalls als eine Produktion beschrieben werden, z.B. bei einer homöostatisch regulierten Wärmevorrichtung maschineller Art als thermodynamische Ausdehnung einer chemischen Substanz, die bei einer bestimmten Ausdehnung einen mechanischen Prozeß in Gang bringt, der seinerseits auf den Hauptprozeß einwirkt, ihn anhält oder beschleunigt. Bei einer ganzheitlichen und teleonomischen Betrachtung kann diese selbe Leistung statt als eine thermodynamische und mechanische Produktion als eine Steuerung beschrieben werden, als ein Prozeß, der den Hauptprozeß nach einem funktional mehr oder weniger sinnvollen Programm reguliert.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 169-170).

„Anders als bei einer bewußten Handlung fallen bei biologischen Prozessen homöostatischer Art die Zeichen, in denen sich die Information für den Ablauf eines Prozesses konstituiert, und der Prozeß, der seine Verwirklichung in Gang setzt, nicht auseinander. Die Information ist direkt schon in die Anordnung bzw. den Ablauf eines Prozesses übersetzt - wie bei einer väterlichen Ohrfeige die Mitteilung dessen, was der Sohn verdient hat, und die Verabreichung der verdienten Strafe zusammenfallen. Die »Botschaft«, die der Vater dem Sohn zu vermitteln hatte, kann von diesem nur nachträglich aus der Handlung erschlossen werden. Ebenso kann im Fall einer physiologischen Homöostasie die »Information«, die vom biologischen Prozeß, der als »Thermostat« fungiert, an den Wärmeproduzenten übermittelt wird, von der Wissenschaft erst nachträglich aus der Wirkung des Thermostaten auf den Wärmeproduzenten abgelesen werden.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 170).

„Verstehensprozesse und Lebensprozesse können beide als Übersetzungen expliziert werden. Die Unterschiede sollen jedoch nicht verwischt werden.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 170).

„Das Verstehen ist ein intentionaler Prozeß. Die Übersetzung, als die es definiert werden kann, ist reversibel, unendlich fortsetzbar und nichtwillkürlich. »a ist größer als b« kann in »b ist kleiner als a« übersetzt werden und umgekehrt. Für die möglichen Umschreibungen dieser Sätze ist kein Ende abzusehen. Andererseits ist die Übersetzung doch nicht beliebig, sondern an den semantischen Gehalt des Satzes und seiner Bestandteile gebunden.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 170-171).

„Der molekularbiologische Prozeß, der als Übersetzung definiert ist, ist ein rein mechanischer Prozeß. Die Übersetzung ist nach der vorherrschenden Meinung der Biologen als irreversibel, endlich und willkürlich anzusehen. Es gibt keinen Prozeß, in dem eine bestimmte Anordnung von Proteineinheiten auf die Anordnung der Nukleineinheiten zurückwirkt. Jeder Nukleineinheit entspricht eine einzige Proteineinheit und nicht eine ganze Kette von möglichen alternativen Übersetzungen. Es gibt keinen chemischen Grund in der Form einer sterischen Affinität dafür, daß einer Nukleineinheit gerade diese und keine andere Proteineinheit zugeordnet ist. Als Modell für den molekularbiologischen Übersetzungsprozeß bietet sich daher eher die phonologische Wortbildungslehre und die Wortzuordnungslehre an als die Prozesse, die auf linguistischer Ebene als Übersetzungen und Transformationen thematisiert sind. Die Wortbildung und -zuordnung sind weitgehend willkürlich. Daß die Esche und nicht die Linde mit dem Wort »Esche« bezeichnet wird, ist in keiner Affinität zwischen dem bezeichneten Baum und der Phonemverbindung des Wortes »Esche« begründet.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 171).

„Die homöostatischen Prozesse der Rückoppelung sind ebenfalls mechanische Prozesse, die endlich sind, insofern es sich um in sich geschlossene, bloß repetitive Abläufe handelt, und die willkürlich sind, insofern sie, nach der gleichfalls vorherrschenden Meinung, ihr Entstehen einem bloßen Zufall und nur ihr Weiterbestehen dem funktionalen Vorteil, den sie bieten, verdanken.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 171).

„Das Motiv für die Zuwendung der neuzeitlichen Philosophie zur Semiotik war die Entdeckung der kognitiven, erkenntnisfördernden, -erweiternden und -präzisierenden Funktion der Zeichen. In der gegenwärtigen Wissenschaftstheorie beherrscht eine andere Zeichenfunktion den Vordergrund, die Planung und Steuerung von Handlungsprozessen.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 171).

Systeme gemäß meiner Theorie:
Systeme Systeme
„Seit dem Beginn der Neuzeit hatten die Naturwissenschaften die Führung in der Wissenschaftstheorie übernommen. Sie waren es, die ihre Modelle auch den Geisteswissenschaften aufdrängten. Mit der Planungs- und Steuerungsfunktion der Zeichen ist es einer semiotischen Disziplin als erster Geisteswissenschaft gelungen, das Fundierungsverhältnis umzukehren und einer ganzen Reihe von naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen ein geisteswissenschaftliches Modell zugrundezulegen. Der Umbruch hatte eine befreiende Rückwirkung auf die Geisteswissenschaften selber. Die Überholung des Behaviorismus durch die Kognitive Psychologie erfolgte nicht zuletzt unter dem Einfluß der Computerwissenschaften (Neisser, 1967: 8 f.). Ihre hochdifferenzierte, nichtmechanische Konzeption einer Maschine erwies sich als aufschlußreiches Modell für die Aktionsweise des menschlichen Geistes (ja, des Geistes, aber eben nicht der Psyche; HB), von dem sie in groberer Form ursprünglich übernommen worden war. Computer sind physikalische Systeme, deren Ingangsetzung nicht nur zu Prozessen führt, die als physikalische Leistungen in einer physikalischen Sprache beschrieben werden können. Sie zeitigen auch Prozesse, die als Informationsverarbeitung und als Handlungssteuerung in einer geisteswissenschaftlichen Sprache beschrieben werden können. Analog wie in der Lautlehre zwischen der Phonetik, die sich mit den physikalischen und physiologischen Eigenschaften der Laute befaßt, und der Phonem(at)ik, die es auf ihre linguistische Funktion abgesehen hat, unterschieden wird, muß man auch in den Computerwissenschaften zwischen einer etischen Disziplin, die sich mit den physikalisch-mechanischen Prozessen des Computers befaßt, und einer emischen Disziplin, die es auf seine rechnerischen Leistungen abgesehen hat, unterscheiden.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 171-172).

„Es ist freilich im Auge zu behalten, daß die Informationsübermittlung bei sich selbst regulierenden Systemen mit durch und durch mechanischen Mitteln vorgenommen wird. Revolutionär ist allein die ganzheitliche, teleonomische Konzeption der Funktion dieses, für sich isoliert betrachtet, mechanisch-kausalen Informationsprozesses. Es kommt noch ein zweites »freilich« hinzu. Die teleonomischen Prozesse, soweit sie in der Natur selber gefunden werden können und nicht, wie die automatischen Maschinen, menschlicher Produktion entstammen, sind, wie schon erwähnt, nach der vorherrschenden Meinung unter den Biologen ganz und gar zufälligen Ursprungs. Den Geisteswissenschaftler, der an den Primat von Gestalt (Form) und Sinn (Funktion) gegenüber der mechanischen Kausalität glaubt, sollte immerhin trösten - und noch mehr zu denken geben -, daß offenbar doch auch im Reiche der Natur »Kreationen«, die sich durch vollendete Formen und durch hohe Sinnhaftigkeit auszeichnen, anderen Gebilden, die nichts zur vermehrten Ordnung des Kosmos beitragen, überlegen sind. Das Kriterium der Selektion in der vom Zufall in Gang gebrachten Evolution ist die Funktionalität.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 172-173).

Anhang. - Es bleibt noch die Rolle der bislang zurückgestellten kommunikativen Funktion abzuklären. Die kommunikative Funktion kann als eine eigenständige Funktion auftreten, wenn die Zeichensetzung keinen anderen Zweck verfolgt als die Erstellung oder die Fortsetzung eines Kontaktes zwischen Sender und Empfänger. Sie kann aber auch in den Dienst der anderen Funktionen genommen werden. Sowohl in kognitiver wie in planifikatorisch-kybernetischer Hinsicht bringt die semiotische Kommunikation beachtliche Vorteile mit sich.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 173).

„In kognitiver Hinsicht hatte sich gezeigt, daß höherstufige Erkenntnisse die semiotische Vergegenwärtigung der sie fundierenden Erkenntnisse erfordert. Über die intersubjektive, schriftliche wie mündliche Kommunikation stehen jedem Forscher ganze Wissenschaften in semiotischer Fassung zur Verfügung, auf die er, ohne den langen Weg der wissenschaftlichen Entwicklung selber zuerst finden und gehen zu müssen, unmittelbar aufbauen kann. Wenn er den Weg, den die Wissenschaft gebahnt hat, in eigener Evidenz zu überprüfen wünscht, bietet ihm die semiotisch vermittelte Tradition Anhalt um Anhalt, in welche »Bündel« die unendlichen Mannigfaltigkeiten, auf die er im Wahrnehmen und Denken stößt, mit Gewinn »sortiert« werden.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 173).

„In planifikatorisch-kybernetischer Hinsicht kann eine ursprünglichere Form der Kommunikation einen Hinweis auf die Rolle der semiotisch-sprachlichen Mitteilung geben, die Sexualität. Vor dem Auftreten der Sexualität in der Evolution ist jedes genetische Programm die getreue Kopie eines einzigen Programms, von dem es sich abgespalten und nach dessen Vorbild es sich regeneriert hat. Die Variationsmöglichkeit ist beschränkt auf die Mutationen, die durch die Anhäufung von quantenhaften Störungen bedingt sind. Mit dem Obligatorium der sexuellen Fortpflanzung wird die Variation in die Programmierung integriert. Jedes neue Programm entspringt der Verbindung von zwei älteren Programmen. Mit jeder neuen Generation werden neue Kombinationen nicht nur ermöglicht, sondern auch erzwungen. Die sprachliche Kommunikation ermöglicht gleicherweise eine Fülle von neuen Programmen, die ohne sie faktisch undenkbar wären. Anders als bei der sexuellen Kommunikation steht ihre Realisierung dem Kommunizierenden frei. Nicht jede Realisierung ist auch schon ein Gewinn. Anders als die Natur schreckt der Geist vor unheilvollen Realisationen zurück (nicht jeder; HB).“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 173-174).

„Für den Philosophen kann die Unterordnung der kommunikativen Funktion unter die kognitive und die planifikatorisch-kybernetische Funktion nicht das letzte Wort sein. Der letzte Zweck allen menschlichen Tuns ist das menschliche Subjekt oder vielmehr die menschliche Kommunikationsgemeinschaft. In dieser Hierarchie liegt der Grund für das Zurückschrecken vor zwar realisierbaren, jedoch unheilvollen Handlungsprogrammen. Die Kommunikation ist bei einer solchen Unterordnung der beiden anderen Funktionen sinnvoll und nicht mehr ein bloßer Kontakt um des Kontaktes willen, wie er bei einer rein phatischen Funktion der Sprache vorliegt.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 174).

„In genetischer Hinsicht nimmt die kommunikative Funktion gleichfalls den ersten Rang ein. Das primäre Motiv, die Sprache zu erlernen, ist ihre Eignung als Kontakt- und Verständigungsmittel. Schon sehr früh kommt es jedoch zur Aussonderung einer sich zusehends verselbständigenden kognitiven und planifikatorischen Funktion in der sog. egozentrischen Sprache des Kindes. Der Sprachgebrauch des Kindes zur kognitiven und planifikatorischen Bewältigung einer Aufgabe steigt nachweislich an, wenn bei einer Tätigkeit Schwierigkeiten auftreten, die bewußte Einsicht und Überlegung erfordern. Die egozentrische Sprache ist noch eng mit der kommunikativen Sprache, von der sie sich abspaltet, verknüpft. Sie gleicht ihr in bezug auf Vokalisierung und grammatische Struktur und erfolgt im allgemeinen nur in der Anwesenheit anderer Personen, von denen angenommen wird, daß sie die Äußerungen verstehen. Die egozentrische Sprache wird sukzessive verinnerlicht und macht mit ca. sieben Jahren in der Regel endgültig der inneren Sprache Platz. Im Vergleich zur äußeren Sprache zeigt die innere Sprache in phonologischer und grammatischer Hinsicht eine stark elliptische Struktur.“ (Elmar Holenstein, Linguistik, Semiotik, Hermeneutik, 1976, S. 174-175).

 

Informatik

Diese Wissenschaft von der Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung befaßt sich mit der Automatentheorie, d.h. den theoretischen und praktischen Methoden, die den Rechenmaschinen und ihrer Programmierung zugrunde liegen. Zentraler Begriff ist die Information I (x) einer Nachricht x, die man als den negativen Binärlogarithmus der Wahrscheinlichkeit von x begreift: I (x) = Ib p(x). Diese logarithmischen Wahrscheinlichkeiten gibt amn in „Bit“ (englisches Kürzel für „binary digit“). Besteht nämlich die Nachricht aus x aus lauter Ja-Nein-Informationen, die jeweils mit gleicher Wahrscheinlichkeit 1/2 eintreffen, so ist 1 (x) gleich der Länge dieser Binärzahl, d.h. ihrer Stellenanzahl. Je unwahrscheinlicher eine Nachricht ist, desto mehr Informationsgehalt hat sie.

Neben solchen informationstheoretischen Fragen hat die Informatik aber vor allem praktische Programmierungsmethoden für bestimmte Probleme (sogenannte „Software“) zum Gegenstand.


Kybernetik

Kybernetik ist die Bezeichnung für die Gesamtheit der wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich (im engeren Sinne) mit der Technik von informationsverarbeitenden Maschinen oder (im umfassenden Sinne) mit Theorien über die Funktionsmöglichkeiten von Informationssystemen (unter Abstarktion von spezifischen physikalischen, physiologischen, psychologischen oder soziologischen Besonderheiten) befassen. Weil es sich dabei insbesondere um Probleme der Rückkoppelung und des Regelkreises handelt, wird Kybernetik mitunter auch als Wissenschaft von den sich selbst regulierenden, d.h. ihre eigenen Wirkungen für weitere Aktivitäten auswertenden Systemen bezeichnet. Zur Kybernetik gehören ebenso Probleme der Informationstheorie und der Regelungstechnik. Als formale Wissenschaft steht sie zwischen den Grenzen traditioneller Wissenschaften, für die sie mittel der mathematischen und konstruktiven Behandlung allgemeiner struktureller Beziehungen, Funktionen und Systeme (die verscheidenen Wirklichkeitsbereichen gemeinsam sind) eine wertvolle fachübergreifende Hilfswissenschaft darstellt.

Regelkreis
Regelkreis ist die kybernetische Bezeichnung für ein bestimmtes Strukurthema von Systemen der verschiedensten Bereiche der Wirklichkeit, deren Elemente, Glieder, Einheiten u.a. durch das Prinzip der Rückkoppelung zu einem geschlossenen System, das System dynamisch selbstregulierenden Wirkungskreis verbunden sind. Der Regelkreis besteht aus zwei Hauptteilen: der Regelstrecke bzw. dem zu regelnden Objekt und dem Regler (vgl. Abbildung). Der Regler hat die Aufgabe, eine bestimmte veränderliche Größe, die Regelgröße (vgl. Abbildung), gegenüber störenden Einwirkungen aus der Systemumwelt oder aus dem System selbst gemäß einer ihm vorgegebenen Funktion, der Führungsgröße (vgl. Abbildung) oder dem Zielwert zu variieren. Seine „Maßnahmen“ erfolgen über die Stellgröße (vgl. Abbildung). Auf diese Weise kann der Regler (aufgrund der ihm selbst vorgegebenen Zielwerte) die Regelstrecke mittels der Stellgröße bestimmen, die Ergebnisse der Regelstrecke über die Regelgröße auswerten (z.B. Störungen erkennen) und wiederum regulierende „Maßnahmen“ einleiten.

Ein Beispiel:
Die sekundären Geschlechtsmerkmale entwickeln sich, der kindliche Körper nimmt in den folgenden Jahren durch schnelles Wachstum die Gestalt des Erwachsenen an. Schweiß- und Talgdrüsen arbeiten verstärkt. Auch das seelische Leben erfährt eine Veränderung. Die Veränderungen während der Pubertät werden durch Hormone ausgelöst und vom Gehirn eingeleitet: ein Teil des Zwischenhirns wirkt über die Hormone auf die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) ein. Diese Hypophyse gibt daraufhin verstärkt Hormone ab, die die Keimdrüsen - Hoden und Eierstöcke - zur Bildung von Sexualhormonen anregen. Beim Jungen werden in den Hoden nun vermehrt männliche Geschlechtshormone gebildet, hauptsächlich das Testosteron. Sie bewirken die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale und die Bildung von Samenzellen. Beim Mädchen werden jetzt in den Eierstöcken vermehrt weibliche Geschlechtshormone gebildet, wobei die Östrogene (Follikelhormone) die Ausbildung der sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale bewirken und die Gebärmutterschleimhaut anwachsen lassen. Die Sexualhormone wirken wiederum auf Zwischenhirn und Hypophyse ein und können die Hormonproduktion der Hypophyse hemmen. Schließlich stellt sich eine fein abgestimmte Wechselwirkung zwischen Hypophyse und Keimdrüsen ein. Unter gleich bleibenden äußeren Bedingungen hält der Körper den Stoffwechsel auf konstantem Wert. Auftretende Abweichungen der Außeneinflüsse werden ausgeglichen: geregelt. Diese Regelung wird über Nerven und Hormone vorgenommen. (Vgl. Abbildung).

Rückkoppelung ist ein Begriff aus der Kybernetik und bedeutet dort das allgemeine Steuerungsprinzip kybernetischer Regelkreise, bei dem die Wirkung einer auf ein bestimmtes Reaktionssystem einwirkenden Ursache wieder auf die Ursache zurückwirkt. Negative Rückkoppelung wird ein Effekt genannt, durch den die Stabilität des Funktionensystems im Zeitablauf erhalten und jede störende Einwirkung paralysiert wird. Bei positiver Rückkoppelung verstärkt die Rückwirkung des Systemeffekts die erzeugenden Ursachen.

Der Begriff Kybernetik wurde von Norbert Wiener (1894-1964) geprägt und geht zurück auf das griechische Wort kubernhthV (kybernetes) und umfaßt - mathematisch gesprochen - die Theorie der Algorithmen, der Informatik, befaßt sich aber auch ganz allgmein mit den unterschiedlichsten Themen aus Wissenschaft und Technik, vor allem mit der Medizin, z.B. mit den Mechanismen der Reizleitung und der Gehirnfunktionen, wobei sie versucht, Übereinstimmungen zwischen mechanischen und elektrischen Regelsystemen und den Nervensystemen von Lebewesen festzustellen (vgl. Abbildung). Eines ihrer spektakulärsten Forschungsziele ist die „Denkmaschine“. In Deutschland wurde eine Studie des Philosophen Gotthard Günther (1900-1984) besonders einflußreich: Das Bewußtsein der Maschinen (1960).

Das philosophische Interesse für die Kybernetik rührt daher, daß diese die Möglichkeit eröffnet, den Begriff „Zweck“ rekursiv zu begreifen: Der Zweck eines komplexen Systems, etwa auch eines Lebewesens, ist es selbst. Ein Zweck bräuchte keine vom System getrennte Instanz mehr, die ihn setzt. Wenn das auch für menschliche Zwecke gilt, gewinnt die Autonomie der Person und damit ihre Verantwortung für ihre Handlungen sehr stark an Bedeutung.

 

Systemtheorie

Systemtheorie ist ein interdisziplinäres Erkenntnismodell, in dem Systeme zur Beschreibung und Erklärung unterschiedlich komplexer Phänomene herangezogen werden. Die Analyse von Strukturen und Funktionen soll häufig Vorhersagen über das Systemverhalten erlauben.

Die Begriffe der Systemtheorie werden in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen angewendet, so in der Physik, der Chemie, der Biologie, der Physiologie, der Geographie, der Ethnologie, der Soziologie, der Sozialarbeit, der Politikwissenschaft, der Wirtschaftswissenschaft, der Psychologie, der Semiotik, der Literaturwissenschaft, den Ingenieurwissenschaften, der Pädagogik, der Philosophie, der Logik, der Mathematik, der Informatik u.v.a.. Die Systemtheorie ist somit bisher keine eigenständige Disziplin, sondern ein weitverzweigter und heterogener Rahmen für einen interdisziplinären Diskurs, der den Begriff System als Grundkonzept führt. Es gibt folglich auch nicht eine „Systemtheorie“, sondern eher eine Vielzahl unterschiedlicher, zum Teil widersprüchlicher und konkurrierender Systemdefinitionen und -begriffe. Es hat sich heute jedoch eine relativ stabile Reihe an Begriffen und Theoremen herausgebildet, auf die sich der systemtheoretische Diskurs bezieht.

Systemtheorie als weiterentwickelte strukturell-funktionale Theorie

Niklas Luhmann (1927-1998) Niklas Luhmann (1927-1998) Niklas Luhmann (1927-1998)

Die Systemtheorie ist ja der insbesondere von Niklas Luhmann (1920-1998) als Weiterentwicklung der strukturell-funktionalen Theorie verstandene soziologische Forschungsansatz, der ein System nicht nur nach funktionalen Leistungen der Elemente des Systems zur Erhaltung, Stabilisierung und Reproduktion des Systems analysiert, sondern die grundlegende Frage nach der Funktion der Differenzierung des Systems in Elemente stellt. Gemäß der Luhmannschen Systemtheorie wird das System als eine Identität begriffen, „die sich in einer komplexen und veränderlichen Umwelt durch Stabilisierung einer Innen/Außen-Differenz erhält“. Ein System entsteht durch Grenzziehung und Konstituierung einer Differenz von Außen und Innen, durch die Schaffung von Bereichen unterschiedlicher Komplexität, durch „Reduktion von Komplexität“. Durch Selektion von Möglichkeiten der äußeren Weltkomplexität wird diejenige Innen/Außen-Differenz geschaffen, ohne die Kommunikation nicht möglich wäre. Diese Reduktion der äußeren Weltkomplexität auf ein Format, das z.B. auch das Erleben, das Sichentscheiden und das Handeln überhaupt erst gewährleistet, wird bei allen sozialen Systembildungen durch Sinn gesteuert. Systembildung heißt darum, eine einmal getroffene Sinnentscheidung gegenüber einer komplexen und sich weiterhin verändernden Umwelt durchzuhalten, eine Ordnung gegenüber der Umwelt relativ einfach und konstant zu halten. Die Systemtheorie untersucht die (Selektions- und Entscheidungs-) Prozesse sowie die Zweckprogramme, die ein System innerhalb der Grenzen seiner Autonomie in die Lage versetzen, Umweltkomplexität zu reduzieren, um sich zu erhalten, um sich (systemsinngemäß) in der realen Welt „rational“ zu verhalten. Die Operationen eines sozialen Systems sind Kommunikationen. Die Kommunikationen reproduzieren sich durch andere Kommunikationen und stellen dadurch die Einheit des Systems her. Außerhalb der sozialen (also: kommunikativen [gesellschaftlichen]) gibt es keine Kommunikation.

„Kommunikation ist in unserer Zeit ein Modewort bis an den Rand des Erträglichen. Darin ... verrät sich eine Überschätzung der ... Einstellung der Menschen aufeinander. .... Menschen sind aber wichtig als Medien der Darbietung von etwas, das an un mit ihnen geschieht, dem sie dienen oder sich widersetzen können, nicht dadurch, daß sie sich wichtig nehmen.“ (Hermann Schmitz, System der Philosophie, 10 Bände, 1964-1980, Band 10 **).

Allgemein gilt die Systemtheorie als Teilgebiet der Kybernetik, nämlich als formale Theorie der Beziehungen zwischen untereinander gekoppelten Systemen (bzw. zwischen ihnen und ihrer Umgebung) sowie sowie des Zusammenhangs zwischen Struktur und Funktionsweise (bzw. Verhalten) von Systemen. Im engeren Sinne ist die Systemtheorie eine Theorie über die Beeinflußbarkeit der Ausgangsgrößen bestimmter (kybernetischer) Systeme bei gegebenen Eingangsgrößen durch Verändern der Systemeigenschaften. Was in der Kybernetik die Systeme sind, sind in Luhmanns Systemtheorie die Subsysteme.

S   Y   S   T   E   M   E
ALLOPOIETISCHE SYSTEME A   U   T   O   P   O   I   E   T   I   S   C   H   E       S   Y   S   T   E   M   E
\ / |
N   i   c   h   t   s   i   n   n   s   y   s   t   e   m   e S   i   n   n   s   y   s   t   e   m   e
/ \ | \
Technische Systeme
(Maschinen)
Organische Systeme
(Organismen)
S   o   z   i   a   l   e       S   y   s   t   e   m   e
Psychische Systeme
/ | \
Systeme der
Interaktion
Systeme der
Organisation
Systeme der
Gesellschaft
„Zum Beispiel lassen sich psychische und soziale Systeme, nicht aber Maschinen und Organismen, durch Sinngebrauch charakterisieren.“
(Niklas Luhmann, Soziale Systeme, 1984, S. 18 [Luhmann].)
 
Soziale Systeme
Niklas Luhmann, der sich um die organisations- und verwaltungssoziologische Rezeption der strukturell-funktionalen Theorie und ihre Weiterentwicklung zu einer sozialwissenschaftlichen Systemtheorie bemühte, betrachtete Gesellschaft als Kommunikationssystem mit vielen mehr oder weniger selbständigen Subsystemen. Kommunikation bezieht sich dabei immer nur auf sich selbst. Die Subjekte oder Menschen mit ihrem Körper und ihrer Psyche gehören nicht mit zum System. Sie bilden die Umwelt des Systems oder der Gesellschaft. Luhmann kann sich sogar vorstellen, daß die Kommunikation weiterläuft, auch wenn es längst schon keine Menschen mehr gibt (!). Wissen und Vernunft befinden sich nicht in den Köpfen oder Psychen, sondern in Büchern, Datenspeichern oder im Internet. Das Verschwinden des Subjekts ist im Buddhismus ein religiöses Ideal. Luhmann hat aus seiner Sympathie mit dem Buddhismus keinen Hehl gemacht. (Vgl. Eurobuddhismus). Das eine Auge, das alles sieht, Gott, gibt es nicht mehr, nicht mehr die Wahrheit und den Blick aufs Wirkliche. Statt dessen nur mehr Beobachtung der Beobachtung, selbstreferentielle, rekursive Beobachtung:

Beobachtung der Beobachtung
 
B e o b a c h t u n g   „ n - t e r “   O r d n u n g .

Luhmanns Beobachter des Beobachters ist eine tragische Figur. Ihm ist die Welt abhanden gekommen. Er beobachtet nur, wie ein anderer beobachtet, wie ein anderer beobachtet, wie ein anderer beobachtet, wie ein anderer beobachtet, wie ... u.s.w.; aber er sieht nicht, wie er selbst beobachtet; denn das kann nur ein anderer beobachten, der auch nicht beobachten kann, wie er beobachtet ... u.s.w.: Jeder hat seinen blinden Fleck. Und außer diesem gibt es nichts zu sehen. Beobachtung

Selbst die großen Geister erlagen den Gefahren eines Systemdenkens, d.h. einer Art des Philosophierens, die von vornherein die Gestaltung eines Systems anstrebt und geneigt ist, die Wirklichkeit zu konstruieren und zu stilisiernen, anstatt sie zu erfassen. Nicht so ganz mit Unrecht wird darauf hingewiesen, daß das Beste aus der Philosophie der großen Systematiker oft genug gerade das ist, was in ihre Systeme nicht hineinpaßt. In der wissenschaftlichen Arbeit ist System dagegen ein bewährtes Ordnungsprinzip. Eine Systematik ist demzufolge die Wissenschaft und Kunst der Systembildung.

An die Prästabilisierungstheorie von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) schließt z.B. der Konstruktivismus am Ende des 20. Jahrhunderts an. Leibniz' Monaden heißen jetzt autopoietische Systeme. Diese sich selbst erzeugenden Systeme bestehen aus Kognitionen - allerdings auf physikalischer Basis. Anstelle Gottes besorgt nun die Evolution die strukturelle Kopplung (bei Leibniz die prästabilisierte Harmonie). Nicht den „radikalen“, wohl aber den „gelassenen“ Luhmann kann man somit auch als Konstruktivisten bezeichnen (Luhmann). Vor allem auch Luhmann brachte nämlich den Begriff Autopoiesis in die konstruktivistische Systemtheorie ein.

Luhmanns Systemtheorie gilt gegenwärtig als eines der wohl erfolgreichsten und populärsten Theorieangebote. Es haben sich Strömungen in Deutschland, USA, Japan, Italien, Skandinavien und anderen Ländern herausgebildet. Luhmann bezeichnete sich zwar zeitlebens als Soziologen, doch da hat er sich in seiner typisch bescheidenen Art kleiner gemacht, als er wirklich war, denn er war gleichzeitig auch Philosoph oder doch zumindest Wissenschaftstheoretiker, der die Soziologie sehr angeregt hat und der eine bemerkenswerte soziologische Urteilskraft besaß. In verschiedenen Bereichen der Philosophie werden Ideen Luhmanns rezipiert.

Das Fehlen eines primär normativen Elements in der Systemtheorie Luhmanns hat eine teilweise heftige Debatte nicht nur in der Soziologie entfacht. Aus erkenntnistheoretischer Perspektive wird moniert, die Theorie laufe auf Grund ihres tautologischen, deskriptiven Ansatzes leer und sage uns nicht mehr über die Welt, als was wir aufgrund fachwissenschaftlicher Erkenntnisse ohnehin schon über sie wissen oder wissen könnten. Genau dieser konstruktivistische Ansatz ist allerdings der Kern des Ganzen: Als Beobachter der Welt können wir nach Luhmann nur das beobachten und identifizieren, was wir beobachten können, und nichts, was darüber hinausgeht.

Wie gesagt: Luhmanns Systemtheorie basiert auf der Gleichsetzung von Gesellschaft mit Kommunikation. Er behandelt Evolution von Kommunikation - von Oralität (mündlicher Kommunikation) über Schrift und Buchdruck bis hin zu elektronischen Medien - und parallel auf der Evolution von Gesellschaft durch funktionale Ausdifferenzierung (siehe auch soziale Differenzierung). Daraus ergeben sich drei Stränge: selbstverständlich: auch die innere Seite (Bezeichnendes bzw. System) und auch die äußere Seite (Bezeichnetes bzw. Umwelt) - beinhalten:
1.) Systemtheorie als Gesellschaftstheorie,
2.) Theorie der Interaktion (Kommunikation),
3.) Evolutionstheorie (**),
die sich durch sein gesamtes Werk ziehen. Luhmannn selbst würde eher sagen, daß es in seiner Systemthheorie um die Autopoiesis der Gesellschaft geht, die aus drei Sinndimensionen besteht:
1.) Sozialdimension (Kommunikation),
2.) Zeitdimension (Evolution),
3.) Sachdimension (Differenzierung).
A u t o p o i e s i s   d e r   G e s e l l s c h a f t
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Kommunikation Evolution Differenzierung
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SOZIAL ZEITLICH SACHLICH
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S e l b s t b e s c h r e i b u n g   d e r   G e s e l l s c h a f t
Vgl. Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, S. 1138 (Luhmann).
„In der Sachdimension (traditionell repräsentiert in der Kategorienlehre) gibt es das »Innen« im Unterschied zum »Außen« der Form. Die systemtheoretische Fassung spricht vom System und Umwelt. In der Zeitdimension (traditionell repräsentiert durch den Begriff der Bewegung) geht es um die Unterscheidung von Vergangenheit und Zukunft. In der Sozialdimension (traditionell repräsentiert durch die Lehre vom »animal sociale«) geht es um die Unterscheidung von Ego und Alter, wobei wir als Ego den bezeichnen, der eine Kommunikation versteht, und als Alter den, dem die Mitteilung zugerechnet wird.“ (Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, S. 1136 Luhmann).

Aus der Semiotik und aus der Linguistik wissen wir, daß das Zeichen eine From ist, die zwei Seiten hat: (1) die Seite des Bezeichnenden und (2) die Seite des Bezeichneten. Luhmann zufolge ist das Zeichen „die Differenz zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem“ (Niklas Luhmann, System als Differenz, in: Allgemeine Systemtheorie, Vorlesung, Wintersemester 1991/1992Luhmann). Für ihn ist auch das „System ... eine Form mit zwei Seiten“ (ebd.Luhmann): System und Umwelt. Das System als Form ist dabei zu verstehen als die Differenz von System und Umwelt mit den zwei Seiten System und Umwelt. Die Analogie zwischen dem semiotisch-linguistischen Zeichen und dem systemtheoretischen System als Differenz von System und Umwelt sowie zwischen dem Bezeichnenden und dem System als auch zwischen dem Bezeichneten und der Umwelt ist natürlich nicht zufällig.

„Für Sinnsysteme ist die Welt ... ein unermeßliches Potential für Überraschungen, ist virtuelle Information, die aber Systeme benötigt, um Information zu erzeugen, oder genauer: um ausgewählten Irritationen den Sinn von Information zu geben. Folglich muß jegliche Identität als Resultat von Informationsverarbeitung oder, wenn zukunftsbezogen, als Problem begriffen werden. Identitäten »bestehen« nicht, sie haben nur die Funktion, Rekursionen zu ordnen, so daß man bei allem Prozessieren von Sinn auf etwas wiederholt Verwendbares zurück- und vorgreifen kann. Das erfordert selektives Kondensieren und zugleich konfirmierendes Generalisieren von etwas, was im Unterschied zu anderem als dasselbe bezeichnet werden kann.“ (Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, S. 46-47 Luhmann).

In der Kybernetik dient die Steuerung der Stabilität eines Systems, was bezogen auf Abweichungsverhalten bedeutet, daß jede Abweichung vom Sollzustand im System nur in geringem Umfange toleriert wird und ansonsten abgeschwächt oder gar beseitigt wird. In einem Luhmannschen System wird jedoch das Abweichungsverhalten verstärkt. Dadurch wird das System immer komplexer. Diese Komplexität kann es nur reduzieren auf Kosten der Umwelt. Zu der Umwelt gehören auch andere Systeme. Umweltprobleme sind nicht nur ökologische Probleme, sondern auch andere Probleme, beispielsweise eben gesellschaftliche Probleme.

 

Erster Computer der Welt (von Konrad Zuse, 1940 fertig)

Der erste Computer der Welt, gebaut von Konrad Zuse im Jahre 1940. Auf dem Bild ist ein Nachbau zu sehen.
In drei Jahren, von 1987 bis 1989, baute der damals 77- bis 79-jährige Zuse seine Z1 aus der Erinnerung nach.
Das Original war im Wohnzimmer seiner Eltern aufgebaut und wurde samt den Plänen im Bombenkrieg zerstört.

 

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