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- Technik -
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Kugel Technik bezeichnet von seinem Wortursprung her die handwerkliche Kunstfertigkeit; heute versteht man sie darüber hinaus als die Gesamtheit aller Objekte, Maßnahmen und Verfahren, die vom Menschen durch Ausnutzung von Prozessen und Gesetzen der Natur sowie geeigneter Stoffe hergestellt bzw. entwickelt werden und sich bei der Arbeit sowie in der Produktion anwenden lassen. In einem noch weiteren Sinne bezeichnet Technik die Wissenschaft von der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Einteilung der Technik in bestimmte Sachbereiche erfolgt nach praktischen und organisatorischen Gesichtspunkten. Man kann sagen, daß alles Existierende und vor allem alles Lebende, um da sein zu können, wo das Dasein ganz gewöhnlich im Zuhause ist, von der Technik abhängig ist - so wie z.B. auch die Erde von der Sonne abhängig ist (Erde und Sonne). Die Technik bietet ein „Ge-Häuse“ zur Beherbergung und produziert durch diese Beherbergung unmerklich alles, was zu ihrem Einflußbereich gehört. Wer auf eine Frage nach dem Urheber, dem Kern als der Ursache einer nicht näher definierbaren Entwicklung keine Antwort zu finden weiß, dem sei versichert, daß eine Antwort fast immer richtig ist: Technik. Die Kultur, samt Rechtspolitik und Hausmacht, in der die Wirtschaft die Kultur umkreist, ist abhängig vom Stand der Technik - so wie die Erde, samt Gravitationsfeld und Magnetfeld, in dem der Mond die Erde umkreist, vom Stand der Sonne abhängig ist. Nur die Sonne, die uns existieren und leben läßt, gibt uns Licht, Wärme und Heimat, und nur die Technik, die uns erkennen und wohlfühlen läßt, gibt uns Lichtung, Entbergung und Beherbergung - genau wie die Sonne. Sonne und Technik

Für eine der Technik zu nahekommende Kultur wären die sehr gefährlichen Auswirkungen ähnlich wie für einen der Sonne zu nahekommenden Planeten. Und die abendländische Kultur ist die einzige Kultur, die im Verlauf ihrer Geschichte (das heißt kulturtechnisch gesprochen: im Umlauf um ihre Technik) auf angenehm helle, warme und gefährliche Weise der Technik schon sehr nahe gekommen ist und in Zukunft sogar noch näher kommen wird. (Exzentrizität). Die Vor- und Nachteile sind also einleuchtend. Mehr zum Thema

Die Fortschritte der abendländischen Technik liegen vor allem im „Unendlich-Faustischen“ des Abendlandes selbst begründet. Konkret gewordene Beispiele hierfür sind u.a. die Erfindung der mechanischen Uhren (Uhren) sowie die zunehmende Ersetzung der körperlichen Arbeitskraft durch Naturkräfte und durch tierische Arbeitskraft. Dazu kommt der wohl einzigartige Drang der Abendländer, die Natur derart beherrschen zu wollen, wie es zuvor noch niemand gewagt hatte. Schon seit dem 1. Jahrhundert bekannt, verbreiteten sich Wasserräder (Vgl. Wasserräder) und Windmühlen (Vgl. Windmühlen besonders vom 12. Jahrhundert an, und die Weiterentwicklung des Pflugs trug wesentlich zur Produktionssteigerung in der Landwirtschaft bei. In etwa gleicher Weise wirkte die Einführung des Spinnrads und des Trittwebstuhls in der Textilverarbeitung. Die Kriegstechnik wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts durch das Schießpulver revolutioniert. Die Entwicklung des Hochofens bewirkte einen Aufschwung der eisenverarbeitenden Industrie. Die Baukunst erzielte neue Höhepunkte mit der Errichtung grandioser Dome und Kathedralen, die man als das unendliche Streben zur Vollendung des „Kultursymbolerwerbs“ bezeichnen kann (vgl. Kulturspracherwerb Kulturspracherwerb). Der Gutenberg-Buchdruck (Gutenberg-Buchdruck) hatte nicht zufällig weitreichende Konsequenzen für die gesamte Kultur, so daß seitdem auch der Kulturschrifterwerb (Kulturschrifterwerb), das wissenschaftlich-technische Denken auf hochkulturelle Weise beginnen konnte. Erst die allgemeine „Alphabetisierung“ machte die unteren Schichten frei von Vorurteilen seitens des bevormundenen Adels kirchlicher und weltlicher Art. Zu Beginn des Barock (Barock) wurde die Mechanik zu einer Naturwissenschaft entwickelt und damit, in Verbindung mit dem Experiment, die Grundlage für die technischen Wissenschaften gelegt. Zu dieser Zeit erreichten die „Hochdenker“ (Hochdenker) ihren Höhepunkt. Die Vorreiter der Industrialisierung (Industrialisierung) waren die Textiltechnik, das Berg- und Hüttenwesen und die Eisen verarbeitende Industrie. Zahlreiche neue Maschinen (Maschinen) wurden entwickelt, die die Arbeiten der Menschen (v.a. Sklaven) und Tiere übernahmen, und die Werkzeugmaschinen produzierten immer wieder neue und immer mehr Arbeits- und Kraftmaschinen, so daß sie und das Aufkommen von Verbrennungsmotoren und elektrischen Motoren die Technik des 19. Jahrhunderts bestimmten. Die Eisenbahn (Eisenbahn) ließ z.B. die Entfernungen auf dem Land schrumpfen; das Dampfschiff (Flugzeuge) überwand die Ozeane in kürzerer Zeit als das Segelschiff. Telegraphie (Telegraphie) und Fernsprechverkehr (Telefon) ermöglichten die Kommunikation über große Entfernungen. Das 20. Jahrhundert sah nicht nur eine Vervollkommnung der Technik, sondern durch die Einführung der Fließbandarbeit und die wachsende Automatisierung (etwa seit der Jahrhundertmitte) eine so tiefgehende Umwälzung, daß häufig sogar vor einer zweiten industriellen Revolution gesprochen wird. Die während des 2. Weltkrieges entstandenen programmgesteuerten Rechenautomaten und die Miniatisierung der elektronischen Bauelemente hatte hieran entscheidenden Anteil. Auf dem Gebiet des Verkehrswesens ermöglichte der Kraftwagen (Kraftwagen) eine stetige Zunahme des Individualverkehrs. Das Flugzeug (Flugzeug) eroberte sich den Luftraum für den Personen-, Post- und Güterverkehr, aber auch als Waffenträger im Krieg. Der technische Bereich für Raketen (Raketen) und Weltraumfahrt (WeltraumsatellitenWeltraumfähren) dehnten den der Technik unterworfenen Raum weiter aus. Satelliten wurden für die Nachrichtenübermittluung, für die Wettervorhersage u.a. Aufgaben unentbehrlich (bald auch für die Verkehrsüberwachung und den militärischen Abschirmdienst!). Film (Fim) und Fernsehen (Fernseh-Rundfunk) traten als Medien der Massenkommunikation auf und sind dabei, wie auch die Photographie, in Verbindung mit elektronischen Hilfsmitteln eine vollkommene Umstellung zu bewirken. Überhaupt wurde die Technik im Bereich Computer (Computer), Roboter (Roboter), Mobiltelefon (Handy u.s.w.) und Mikroprozessoren (Mikroprozessoren), die immer kleiner wurden, immer bedeutsamer für die (Volks-) Wirtschaft - ebenso die chemische Industrie. Neben die Rohstoffe (Kohle, Erdöl, Erdgas u.s.w.) trat die Atomenergie (Kernenergie), deren Anwendung wegen der Probleme von Abfallagerung und möglichen Unfällen in den Reaktoren allerdings auch eine Gefahr radioaktiver Verseuchung in sich birgt.

Nanoforscher bedienen sich heute der Fähigkeit zur Selbstorganisation, indem sie sich von der Natur inspirieren lassen: in jeder lebenden Zelle setzen sich effektiv und pausenlos einzelne Moleküle nach einem festgelegten Bauplan zu Proteinen und komplexen Erbgutsträngen zusammen. Die inspirierten Nanoforscher konstruieren mit Hilfe von Strängen aus Erbmaterial DNS und Eiweißstoffen winzige Transistoren. Die halb leitenden Herzstücke dieser Schaltkreise bilden nur ein Nanometer dünne Röhrchen aus Kohlenstoff. Die Forscher knüpfen z.B. ein bestimmtes Protein (RecA) der Escherichia-coli-Bakterie an die Kohlenstoff-Hülle des halb leitenden Hohlkörpers und bringen die Röhrchen in direkten Kontakt mit einem Gerüst aus DNS-Ketten. Sie docken über das Bakterien-Protein biochemisch an den Erbgutstrang an und können so in einer gewünschten Ausrichtung und Position fixiert werden. Weil Schaltkeise auch einen elektrischen Kontakt benötigen, werden die DNS-Moleküle, die das Nano-Röhrchen an beiden Seiten fest halten, z.B. mit einem hauchdünnen, leitenden Goldfilm überzogen. So kann ein Spannungsimpuls bis zum Röhrchen geleitet werden. Diese Kombination aus beschichteten Biomolekül und hohler Kohlenstoff-Röhre kann also wie ein Transistor geschaltet werden. Weil diese Srategie auch auf komplexe Netzwerke von Schaltkreisen anwendbar ist, werden Biomoleküle wohl bald ganze Computerchips zusammenbauen. (Vgl. Nanobots Nanobots).

Der Computerbau zeigt vielleicht schon jetzt an, wie weit wir mit bestimmten Beispielen aus der Technik kommen könnten: Mathematiker haben ausgerechnet, wann die Computerbauer spätestens an ihre Grenzen stoßen werden. Sollten sie mit derselben Geschwindigkeit fortfahren wie bisher, dann wird dieses Limit etwa im Jahre 2230 erreicht sein, dann nämlich, wenn die Computer 5,4 x 1050 Operationen pro Sekunde ausführen und dabei 1031 Bit an Informationen speichern können. Dann tritt ein physikalischer Zustand ein, der unser heutiges Vorstellungsvermögen sprengt: alle Materie des Rechners wird dann in Energie umgewandelt - d.h. er verschwindet!

Bis zum Beginn des 23. Jahrhunderts wird sich die abendländische Kultur auf die anderen Umstände vorbereitet haben - auch weil dann der letzte, vollendende Zivilisationshöhepunkt erreicht sein wird. Globalik / Globalismus

Kugel

„Die erste Kultur mit einer (wirklichen) Wissenschaft - das Abendland, genauer: der von der „nordischen Landschaft“ mit dem „Pathos der dritten Dimension“, dem Streben ins Unendliche, der faustischen Dynamik und dem geschärften Geist ausgestattete Menschenschlag - brauchte nicht viel Masse, sondern viel Energie, um zur größten und letzten Erkenntnis von der Unveränderbarkeit und Endgültigkeit der „Tragödie des Menschen“ zu kommen, „denn die Natur ist stärker. Der Mensch bleibt abhängig von ihr, die trotz allem auch ihn selbst, ihr Geschöpf, umfaßt. Alle großen Kulturen sind ebenso viele Niederlagen. Ganze Rassen bleiben, innerlich zerstört, gebrochen, der Unfruchtbarkeit und geistigen Zerrüttung verfallen, als Opfer auf dem Platze. Der Kampf gegen die Natur ist hoffnungslos, und trotzdem wird er bis zum Ende geführt werden.“ ... „Die faustische, westeuropäische Kultur ist vielleicht nicht die letzte, sicherlich aber die gewaltigste, leidenschaftlichste, durch ihren inneren Gegensatz zwischen umfassender Durchgeistigung und tiefster seelischer Zerissenheit die tragischste von allen. Es ist möglich, daß noch ein matter Nachzügler kommt, etwa irgendwo zwischen Weichsel und Amur und im nächsten Jahrtausend, hier aber ist der Kampf zwischen der Natur und dem Menschen, der sich durch sein historisches Dasein gegen sie aufgelehnt hat, praktisch zu Ende geführt worden.“ ... „Die faustische Naturwissenschaft und diese allein ist Dynamik, gegenüber der Statik der Griechen und der Alchymie der Araber. Nicht auf Stoffe, sondern auf Kräfte kommt es an. Die Masse selbst ist eine Funktion der Energie.“ (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 35-36, 63, 67 Spengler).

Wenn aber der Industrialismus, der die von der Natur akkumulierte Materie in Energie umwandelt (für den sogenannten „Verbrauch“), das Schicksal der Entropie erleiden wird?  „Die Technik insgesamt und der von ihr entwickelte Universalarbeiterplan, der volkommene Technizität erstrebt, dieser Arbeitsplan, der mit einer Universalmaschinerie verbunden ist, untersteht den Gesetzen der Wärmelehre und den von ihr beschriebenen Verlusten nicht weniger als jede beliebige Maschine.“ (Friedrich Georg Jünger, Die Perfektion der Technik, 1946, S. 354). Der 1. Hauptsatz der Wärmelehre sagt noch nichts über die Entropie aus, denn er besagt nur, daß Wärme eine besondere Form der Energie ist, daß sie in festen Verhältnissen in andere Energieformen umgewandelt werden kann und auch umgekehrt. In einem geschlossenen System bleibt die Summe aller Energiearten konstant. Der 2. Hauptsatz der Wärmelehre ist der sogenannte Entropiesatz, denn er betrifft die Entropie: die Zustandsgröße thermodynamischer Systeme und das Maß für die Irreversibilität der in ihnen ablaufenden Prozesse, das Maß für den nicht in mechanische Arbeit umwandelbaren Energiegehalt, das Maß für Unordnung, das Maß für Chaos! Die Gesamt-Entropie kann nie abnehmen, und sie kann bei reversiblen Vorgängen (im Idealfall) konstant bleiben, weil der Entropiesatz ja besagt, daß die Entropie eines abgeschlossenen thermodynamischen Systems sich nur durch Austausch mit der Umgebung ändern oder aber sich nur von selbst vermehren kann (also: Entropie kann nicht vernichtet werden). Damit ist gleichzeitig der Richtungscharakter ausgedrückt: Wärme kann nicht von selbst von einem kälteren auf einen wärmeren Körper übergehen. Mechanische Arbeit kann zwar vollständig in Wärme umgewandelt werden, aber nicht umgekehrt. Aus der im Entropiesatz formulierten Gesetzmäßigkeit folgt, daß in einem abgeschlossenen System die Wahrscheinlichkeit für einen Zustand um so größer ist, je größer seine Unordnung ist. Das Maß für diese Unordnung ist die Entropie. Ein Chaos-Maß! Durch mathematische Formelberechnung, die für jedes System eine entsprechende Zustandsgröße der gebundenen Energie feststellt, läßt sich die Entropie genau bestimmen. Besonders deutlich läßt sich die Entropie an thermodynamischen Vorgängen ablesen, wenn man zwischen umkehrbaren und nichtumkehrbaren Abläufen unterscheidet: bei umkehrbaren Abläufen bleibt die Entropie unverändert, bei nichtumkehrbaren Abläufen nimmt die Entropie zu, und diese Zunahme geht auf Kosten der mechanischen Energie - sie geht verloren, sie verliert, sie ist der „Verlierer“ und die Wärme-Energie der „Gewinner“ -, der Verlust mechanischer Energie ist es also, der einhergeht mit der Zunahme der Entropie. Bei allen nichtumkehrbaren Vorgängen in der Natur nimmt die Energie der thermodynamischen Geschehnisse - also: die Wärme (!) - ständig zu und die Energie der mechanischen Geschehnisse ständig ab, was schließlich zu einem Stillstand, zum „Wärmetod“ (!) führen müßte. Dagegen spricht jedoch die kosmologische Unmöglichkeit einer abgeschlossenen empirischen Erkenntnis von der „Totalität des Weltalls“, womit die Auffassung von der Entropie eine begründete Anwendung finden könnte. Bestimmte Menschen glauben, aus der Entropie auf die Endlichkeit der Welt und dadurch auf die Existenz Gottes schließen zu können. Deshalb folgte auf Jüngers „Technikkritik“ bald eine „Anti-Technikkritik“, z.B. von Max Bense: „Wir haben eine Welt hervorgebracht, und eine außerordentlich weit zurückreichende Tradition bezeugt die Herkunft dieser Welt aus den ältesten Bemühungen unserer Intelligenz. Aber heute sind wir nicht in der Lage, diese Welt theoretisch, geistig, intellektuell, rational zu beherrschen. Ihre Theorie fehlt, und damit fehlt die Klarheit des technischen Ethos, das heißt, die Möglichkeit, seinsgerechte ethische Urteile innerhalb dieser Welt zu fällen. .... Wir perfektionieren vielleicht noch diese Welt, aber wir sind außerstande, den Menschen dieser Welt zu perfektionieren. Das ist die bedrückende Situation unserer technischen Existenz.“ (Max Bense, Technische Existenz, 1949, S. 202). Kann man überhaupt die Frage, ob der Mensch sich an die Technik anpassen soll (wie es z.B. der obige Text von Max Bense fordert) oder die Technik an ein „ursprünglicheres“ Menschenmaß zurückgebunden werden muß (wie es z.B. der obige Text von Friedrich Georg Jünger nahelegt), beantworten, ohne die Technologie oder „Techno-Logie“, ohne das „Wesen des Technik“ (mehr dazu) und das „Wesen des Menschen“ (mehr dazu) zu kennen?  Der Mensch richtet sich doch so oder so nach der Technik - es ist also egal, ob er sich bewußt und ausdrücklich an sie anpassen will oder sich bewußt und ausdrücklich „ursprünglicher“ machen will. Nichts geht ohne die Technik!

Peter Sloterdijk (*1947) unterscheidet zwischen „Allotechnik“ und „Homöotechnik“. (Zwei Seiten der Technik). Nach seiner Definition ist Allotechnik die Technik der Vergangenheit und Gegenwart und die Homöotechnik die Technik der Gegenwart und Zukunft. „Alle Technik ist bisher kontranatural gewesen, weil sie Prinzipien eingesetzt hat, die in der Natur so nicht vorkommen, ... Technik war ... Allotechnik, das heißt auf gegennatürliche Funktionen und abstrakten Geometrien aufgebaute Mechanik. .... Jetzt ist zum ersten Mal die Schwelle erreicht, wo die Technik anfängt, eine natürliche Technik zu werden - Homöotechnik statt Allotechnik.“  (Peter Sloterdijk / Hans-Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod, 2001, S. 134-135). Wir haben es demnach heute mit einem Paradigmenwechsel zu tun, einem „Paradigmenwechsel in den Basisideen der Technik. .... Es scheint, daß wir zum ersten Mal an der Schwelle zu einer Form von Technologie stehen, die weit genug entwickelt sein wird, um radikal auf Naturnachahmung umstellen zu können. Das läßt sich an der Gentechnologie zeigen.“  (Ebd., S. 329). Zwei Seiten der Technik

Heideggers „Lichtung () ist ... nicht ohne ihre technogene Herkunft zu denken. .... Wenn »es« den Menschen »gibt«, dann nur, weil eine Technik ihn aus der Vormenschheit hervorgebracht hat. Sie ist das eigentlich Menschen-Gebende. ... Technik, hat Heidegger doziert, ist eine Weise der Entbergung. Sie holt Ergebnisse ans Licht, die von ihnen selbst her so nicht und nicht zu dieser Zeit an den Tag gekommen wären. .... Auf der Stufe des Satzes »Es gibt Information« verliert das überlieferte Bild von Technik als Heteronomie und Versklavung von Materien und Personen zunehmend seine Plausibilität. Wir werden Zeugen dessen, daß mit den intelligenten Technologien eine nicht-herrische Form von Operativität im Entstehen ist, für die wir den Namen Homöotechnik vorschlagen.“ (Peter Sloterdijk, Nicht gerettet. Versuche nach Heidegger, 2001, S. 224, 225, 227, 228). Heideggers Lichtung

„Das Menschenrecht auf Naturenthüllung und Kulturrekonstruktion wird so selbstverständlich und über-selbstverständlich vorausgesetzt, daß keine Menschenrechtserklärung es explizit zu machen bisher für nötig hielt. Nirgendwo ist das klarer formuliert worden als in Heideggers Diktum: »Technik ist eine Weise des Entbergens« ....“ (Peter Sloterdijk, Sphären III - Schäume, 2004, S. 228).


- Wesen der Technik und Technologie oder: „Techno-Logie“ als Metaphysik-Vollendung -

Die Technologie, genauer: die „Techno-Logie“, wenn man mit Heidegger nach dem „Wesen der Technik“ fragt, ist die sich vollendende Metaphysik, denn nach Heidegger ist Technik nicht dasselbe wie „Wesen der Technik“. Letzteres sei eher gar nichts Technisches: „Wir erfahren darum niemals unsere Beziehung zum Wesen der Technik, solange wir nur das Technische vorstellen und betreiben, uns damit abfinden oder ihm ausweichen. Überall bleiben wir unfrei an die Technik gekettet, ob wir sie leidenschaftlich bejahen oder verneinen. Am ärgsten sind wir jedoch der Technik ausgeliefert, wenn wir sie als etwas Neutrales betrachten.“ (Martin Heidegger, Die Frage nach der Technik, 1953, S. 5). Seit den frühen 1930er Jahren ging Heidegger intensiv dieses Thema an. Er wollte wörtlich verstanden wissen, daß die Technik „herrscht“. In einem von ihm 1956 gehaltenen Vortrag heißt es: „Was jetzt ist, wird durch die Herrschaft des Wesens der modernen Technik geprägt, welche Herrschaft sich bereits auf allen Gebieten des Lebens durch vielfältig benennbare Züge wie Funktionalisierung, Perfektion, Automatisation, Bürokratisierung, Information darstellt. So wie wir die Vorstellung vom Lebendigen Biologie nennen, kann die Darstellung und Ausformung des vom Wesen der Technik durchherrschten Seienden Technologie heißen. Der Ausdruck darf als Bezeichnung für die Metaphysik des Atomzeitalters dienen.“ (Martin Heidegger, Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik, in: Identität und Differenz, 1957, S. 42). Wenn also Technologie auf allen Gebieten des Lebens herrscht, hat dann Heidegger mit der Gegenüberstellung von Technologie und Leben nicht eine aus der Tradition des Humanismus bekannte Kulturkritik aufgegriffen, nach der die Technologie die natürliche Umwelt des Menschen zerstöre und sein Selbst, sein Inneres, seine Seele bedrohe?  Sicher ist, daß Existenzphilosophie (Existenzphilosophie) immer auch Lebensphilosophie (Lebensphilosophie) ist; Heidegger hat hier also denjenigen Teil der Lebensphilosophie aufgegriffen, der noch als unüberwunden oder unvollendet gilt.

In einem Antwortschreiben auf die Fragen eines französischen Heidegger-Schülers (Jean Beaufret), das später als „Brief über den Humanismus“ (1946 ) bekannt wurde, hatte sich Heidegger entschieden von der humanistischen Tradition distanziert, aber nicht um das Inhumane dem Humanen vorzuziehen, sondern: „weil die höchsten humanistischen Bestimmungen des Wesens des Menschen die eigentliche Würde des Menschen noch nicht erfahren. Insofern ist das Denken in »Sein und Zeit« (1927) gegen den Humanismus (...). Gegen den Humanismus wird gedacht, weil er die Humanitas des Menschen nicht hoch genug ansetzt.“  (Martin Heidegger, Über den Humanismus, 1946, S. 327). Und als was setzt der Humanismus das Wesen des Menschen?  Schon dem römischen Humanismus galt der Mensch als ein „animal rationale“. „Diese Bestimmung ist nicht nur die lateinische Übersetzung des griechischen »zoion logon echon«, sondern eine metaphysische Auslegung. Diese Wesensbestimmung des Menschen ist nicht falsch. Aber sie ist durch die Metaphysik bedingt.“ (Martin Heidegger, Über den Humanismus, 1946, S. 319). Das Wort „ratio“ steht ja bekanntlich für sprechendes, denkendes, verstandes- und vernunftbegabtes, beseeltes Seiendes, und das Wort „animal“ für Tier, Geschöpf, Wesen (Lebewesen), womit also eine Auslegung des Lebens gesetzt wurde, notwendig beruhend auf einer Auslegung des Seienden als Vorhandenem. Zwar könnte man den Menschen als ein Seiendes unter anderen Seienden ansetzen, aber damit sei der Mensch nicht in seiner „Humanitas“ zureichend bedacht. Betrachtet man den Menschen als Seiendes unter anderem Seienden und bestimmt ihn von anderem Seienden her auf anderes Seiendes hin, so ist der Schritt vom Menschen zum Tier, also die Erklärung des Menschen durch das Tier, ähnlich wie der vom Menschen zur Maschine. Im 16., 17. und 18. Jahrhundert dachte die naturwissenschaftlich orientierte Philosophie den Menschen als Tier oder Maschine, und erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts führte der Weg von dieser Menschenmaschine zum kybernetischen Menschen (Kybernetik). Doch beide fallen eben nicht zusammen mit jenem Humanismus, der das Menschliche-am-Menschen aufweisen wollte und deshalb gegen den wissenschaftlichen Diskurs jener rationalistischen und mechanistischen Metaphysik aufbegehrte - aber auch diese humanistische Tradition überwindet nicht die Verirrungen der rationalistischen Metaphysik, nur weil sie „dem Leiblichen des Menschen die Seele und der Seele den Geist und dem Geist das Existentielle aufstockt und lauter als bisher die Hochschätzung des Geistes predigt, um dann doch alles in das Erleben des Lebens zurückfallen zu lassen, mit der warnenden Versicherung, das Denken zerstöre durch seine starren Begriffe den Lebensstrom und das Denken verunstalte die Existenz.“ (Martin Heidegger, Über den Humanismus, 1946, S. 322). So problematisch es ist, das Wesen des Menschen als ein animalischen Organismus oder ein kybernetisches System zu bestimmen, so problematisch ist auch der Versuch einer Beseitigung oder eines Ausgleichs dieser Wesensbestimmungen, z.B. auch durch die Ausstattung des Menschen mit einer unsterblichen Seele, mit einem Vernunftvermögen, mit einem Personencharakter. Auch hier sei das Wesen des Menschen aufgrund desselben metaphysischen Entwurfs übergangen - denn für Heidegger war klar, daß jeder Humanismus in einer Metaphysik gründet oder sich selbst zum Grunde einer solchen macht. Der Humanismus ist also demzufolge kein Gegensatz zur Technologie; vielmehr haben beide einen gleichen Ausgangspunkt. Die Metaphysik der Subjektivität waltet selbst dort noch, wo der Wille zu ihrer Überwindung sich kund tut, sei es in der Setzung der Kunst gegen den wissenschaftlich-technischen Geist, dem Einspruch des ästhetischen Subjekts gegen das transzendentale Subjekt, dem Aufbegehren des Irrationalen gegen das Rationale. Die Gegenbewegungen gegen die Metaphysik, so Heidegger, gehören zu ihr und seit Hegels Tod (1831; Hegel) sei alles nur Gegenbewegung. Durch Kant (Kant) erfuhr die Metaphysik eine wissenschaftliche Durchbildung, und ihre Vollendung begann mit Hegels Metaphysik des absoluten Geistes (Hegel). Hegels Dialektik (Hegel) setzte an mit der Kritik der Logik, aber nicht um deren Herrschaft zu beenden, sondern um sie zu erweitern, denn ihrem Wesen nach ist die Dialektik ja selbst Logik! Mit Hegel begann die Vollendung der Metaphysik, weil die unbedingte Gewißheit als die absolute Wirklichkeit zu ihr selbst kommt; aber dies ist erst der Beginn der Vollendung, also noch nicht die Vollendung selbst, denn noch ist die Möglichkeit des unbedingten Eingehens auf sich als dem Willen des Lebens nicht vollzogen; noch ist der Wille nicht als der „Wille zum Willen“ in seiner von ihm bereiteten Wirklichkeit erschienen, weshalb die Metaphysik mit der absoluten Metaphysik des Geistes noch nicht vollendet ist. (Hegel). Die vorletzte Stufe der Willensentfaltung brachte die Metaphysik von Nietzsche (Nietzsche) im „Willen zur Macht“. Obwohl Nietzsche sich selbst als Überwinder der Metaphysik verstand, blieb er ihr verhaftet. Die Umkehrung - z.B. des Platonismus, weil doch für Nietzsche das Sinnliche zur wahren Welt und das Übersinnliche zur unwahren Welt wird - verharrt durchaus innerhalb der Metaphysik; sie ist deshalb keine Überwindung der Metaphysik (obwohl Nietzsche sie beabsichtigte), weil sie eine Verstrickung in die Metaphysik ist, wenngleich in einer höheren Verwandlung, wie Heidegger feststellte. Wahrheit bedeutete für Nietzsche „soviel wie das Wahre, und dieses heißt das in Wahrheit Erkannte. Erkennen ist theoretisch-wissenschaftliches Erfassen des Wirklichen im weitesten Sinn.“ (Martin Heidegger, Nietzsche, Band I, 1960, S. 178). Die Entgegensetzung von Kunst und Wahrheit findet zudem im Willen zur Macht seine Aufhebung, denn für Nietzsche sei Wahrheit als Wert eine notwendige Bedingung des Lebens, die das Leben umwillen seiner selbst zur Bestandsicherung vollzieht, und derer es zum Willen zur Macht ebenso bedarf wie der Übertreibbarkeit der Triebe in der Kunst. Nach Heidegger kommt im Willen zum Willen erst die Technik und die unbedingte Besinnungslosigkeit zur Herrschaft. Beide, die Technik (mit höchster rationaler Bewußtheit) und das Erlebnis (mit unbedingter Besinnungslosigkeit) gehören nicht nur zusammen, sondern sind Heidegger zufolge dasselbe. Vielleicht wird Heideggers Rede verständlicher, daß das Gefährliche nicht die Technik sei, die Bedrohung des Menschen nicht erst von den Apparaturen der Technik ausgehe, sondern vielmehr vom „Ge-stell“ (Ge-stell), dessen Herrschaft dem Menschen etwas für immer verstelle, „in ein ursprüngliches Ent-bergen einzukehren und so den Zuspruch einer anfänglicheren Wahrheit zu erfahren.“ (Martin Heidegger, Die Frage nach der Technik, 1953, S. 28). Laut Heidegger ist das „Ge-stell“ jene Weise des Entbergens, die im Wesen der modernen Technik waltet, also der „vor-stellende“ Wille zur Macht.


Technik ist eine „Weise des Entbergens.“ (Martin Heidegger, Die Technik und die Kehre, 1962, S. 13).
Technische Bemächtigung bezieht sich auf zwei Gegenbegriffe: „Hervorbringen“ versus „Herausfordern“.
Moderne Technik ist vor allem „Herausfordern“: 1) Stellen, 2) Bestellen, 3) Bestand, 4) Bestandssicherung.
Dieses Ganze heißt bei Heidegger: „Ge-stell“. Das „Ge-stell“ ist (historisch) das von Menschen Gemachte.
Und: „Die Industriegesellschaft existiert auf dem Grunde der Eingeschlossenheit in ihr eigenes Gemächte.“
(Martin Heidegger, Die Technik und die Kehre, 1962, S. 19). Dies ist also ein kybernetischer Regelkreis.
Moderne Menschen haben aber kaum noch Freiheit über das von Menschen Gemachte, das „Ge-stell“.
Auf gefährliche Weise wird deshalb also für uns moderne Menschen das „Ge-stell“ zum „Ge-schick“.
„So ist denn das Gestell als ein Geschick der Entbergung zwar das Wesen der Technik, aber niemals
im Sinne der Gattung und der essentia. Beachten wir dies, dann trifft uns etwas Erstaunliches: die
Technik ist es, die von uns verlangt, das was man gewöhnlich unter Wesen versteht, in einem
anderen Sinn zu denken.“ (Martin Heidegger, Die Frage nach der Technik, 1953, S. 30).


Für Sloterdik ist Heideggers „Ge-stell“, als fatales Seinsgeschick verstanden, „zunächst nichts anderes als das Ge-Häuse, das Menschen beherbergt und durch Beherbergung unmerklich herstellt. Heidegger kommt dem Begriff des Ge-Häuses sachlich zur Zeit des Kunstwerk-Aufsatzes, 1935, am nächsten, als er an dem Konzept eines guten Ge-stells (»das Kunstwerk stellt eine Welt auf«) arbeitete. Dies legt den verwirrenden Befund nahe, daß Menschen die Lebe-Wesen sind, die nicht zur Welt, sondern ins Treibhaus kommen - freilich ein Treibhaus, das die Welt bedeutet. (Immerhin läßt sich das, was der späte Heidegger über die »Gegend« und das Wohnen sagt, wie eine Wiederentdeckung des ursprünglichen Ge-Häuses lesen).“ (Peter Sloterdijk, Nicht gerettet. Versuche nach Heidegger, 2001, S. 189). „Wenn »es« den Menschen »gibt«, dann nur, weil eine Technik ihn aus der Vormenschheit hervorgebracht hat. Sie ist das eigentlich Menschen-Gebende .... Technik, hat Heidegger doziert, ist eine Weise der Entbergung. Sie holt Ergebnisse ans Licht, die von ihnen selbst her so nicht und nicht zu dieser Zeit an den Tag gekommen wären. ... Auf der Stufe des Satzes »Es gibt Information« verliert das überlieferte Bild von Technik als Heteronomie und Versklavung von Materien und Personen zunehmend seine Plausibilität. Wir werden Zeugen dessen, daß mit den intelligenten Technologien eine nicht-herrische Form von Operativität im Entstehen ist, für die wir den Namen Homöotechnik (Zwei Seiten der Technik) vorschlagen.“ (Peter Sloterdijk, Nicht gerettet. Versuche nach Heidegger, 2001, S. 225-228). Und: „Zu Recht hatte Heidegger gelehrt, Technik sei eine »Weise des Entbergens«. Das besagte zugleich, daß dem technisch Entborgenen und Veröffentlichten nur noch eine abgeleitete Phänomenalität, eine hybride Öffentlichkeit und eine gebrochene Zugehörigkeit zur Wahrnehmnung zukommen kann. Heideggers Ge-stell-Begriff fängt etwas ein von der Abnormität der zum Erscheinen genötigten, von sich her nicht erscheinenden Sachverhalte. Er bezeugt ein Gespür für das Monströse im Neu-Entborgenen, mithin für die Vergewaltigung des Verborgenen, das sich durch Forschung zu erkennen geben muß und das, sobald es unter Sichtbarkeitszwang bzw. in die Veröffentlichung gerät, etwas ganz anderes bedeutet als die Anwesenheit eines naturwüchsigen »Dings« in der näheren Umgebung oder das Offenstehen einer herkömmlichen Landschaft für ausgreifende Umsichten.“ (Peter Sloterdijk, Sphären III - Schäume, 2004, S. 79). „Der Mensch, sofern er das Wesen ist, das »existiert«, ist das Genie der Nachbarschaft. Heidegger hat das in seiner kreativsten Zeit auf den Begriff gebracht: Sind Existierende zusammen da, halten sie sich »in derselben Sphäre von Offenbarkeit«. Sie sind füreinander erreichbar und doch einander transzendent - eine Beobachtung, die zu unterstreichen die Denker des Dialogs nicht müde werden. Aber nicht nur Personen, auch die Dinge und die Umstände werden auf ihre Weise vom Prinzip Nachbarschaft erfaßt. Deswegen bedeutet »Welt« für uns den Zusammenhang von Zugangsmöglichkeiten. »Dasein bringt schon die Sphäre möglicher Nachbarschaft mit sich; es ist von Hause aus schon Nachbar zu ... « (Martin Heidegger, Einführung in die Metaphysik, 1935, S. 138). Steine, die nebeneinander liegen, kennen das ekstatische Offensein füreinander nicht. Nicht alle geben das zu.“ (Peter Sloterdijk, Sphären III - Schäume, 2004, S. 14-15).

Man kann auch formulieren: Heidegger hat die technische Entwicklung als „Geschick“ des Menschen gedeutet und das Wesen der Technik als „Gestell“ gekennzeichnet, um darauf aufmerksam zu machen, daß die technische Welt, wenn sie vom Menschen gemacht ist, eben auch eine künstliche Welt ist und bleibt. Doch lassen wir Heidegger selbst sprechen:

„Zunächst ist zu sagen, daß ich nicht gegen die Technik bin. Ich habe nie gegen die Technik gesprochen, auch nicht über das sogenannte Dämonische der Technik, sondern ich versuche, das Wesen der Technik zu verstehen. .... Ich sehe in der Technik, in ihrem Wesen nämlich, daß der Mensch unter einer Macht steht, die ihn herausfordert und der gegenüber er nicht mehr frei ist, daß sich hier etwas ankündigt, nämlich ein Bezug des Seins zum Menschen, und daß dieser Bezug, der sich im Wesen der Technik verbirgt, eines Tages vielleicht in seiner Unverborgenheit ans Licht kommt. Ob das geschieht, weiß ich nicht. Ich sehe also im Wesen der Technik den ersten Vorschein eines sehr viel tieferen Geschehnisses, was ich das Ereignis nenne.“  (Martin Heidegger, in: Walter Rüdel & Richard Wisser, Martin Heidgger im Denken unterwegs; Film, 1975).

Das Denken des späten Heidegger ist Danken; ein behutsames Entbergen im Unterschied zu einem rücksichtslosen Entbergen und Gebären, wie Heidegger das im seinsvergessenen technischen, auf Machbarkeit setzenden Denken sah, für das die Natur zum „Gestell“ wird. Für Heideggers höriges Denken ist sie ein Uterus. In seinem Buch „Das Ding“ (1954) ist der Prototyp des Dings ein Krug, ein himmlisch Umschließendes, also: Uterus, Höhle, gefaßte Leere, Lichtung. Lichtung (Heidegger)

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Genau wie Heidegger will auch ich wörtlich verstanden wissen, daß die Technik „herrscht“. Sie herrscht in ihrem System, zu dem wir gehören, und wir gehören zu einem Planetensystem, in dem die Sonne herrscht. Die Sonne gehört zu einem System, in dem ein Schwarzes Loch herrscht. Wenn die Sonne nur annähernd so größenwahnsinnig wäre wie der Mensch, müßte sie sich stets einbilden und einreden, daß ihre Entwicklung immer nur einer exponentiellen Steigung (z.B. y = ex) folge, obwohl sie in Wahrheit immer wieder um das Zentrum der Milchstraße, das Schwarze Loch, kreisen muß. Die Sonne könnte sich ja auch einbilden und einreden, daß das galaktische Zentrum sie und nicht sie das galaktische Zentrum umkreise; in Wirklichkeit kann sie von Glück reden, daß sie nicht vom Schwarzen Loch zerrissen oder aufgefressen, verschluckt oder sonstwie vertilgt wird. Wir bildeten und redeten uns lange Zeit ein, daß die Sonne die Erde und nicht die Erde die Sonne umkreise. Warum?  Wir bilden und reden uns immer noch ein, daß die Technik den Menschen und nicht der Mensch die Technik umkreise. In Wirklichkeit sind wir von der Technik abhängig und nicht die Technik von uns. Da helfen auch keine Ausreden - wie etwa: die Technik sei schuld daran, daß Menschen sich einbilden und einreden, ihre Geschichte folge immer nur einer exponentiellen Steigung -, denn in Wahrheit müssen auch Menschen immer wieder um dasselbe Zentrum kreisen. Technik ist nicht dasselbe wie „Wesen der Technik“, um noch einmal Heidegger zu zitieren. Und nicht die Technologie, sondern die menschenwesentliche „Techno-Logie“ bedeutet die sich vollendende Metaphysik. (Techno-Logie). Was Menschen mit und von ihrer Technik behaupten, ist eine Beleidigung der Technik. Wenn ein Mensch z.B. behauptet, er beherrsche eine bestimmte Technik, spricht er über seine verschwindend geringe Fähigkeit, nämlich jenen verschwindend geringen Teil der in Wahrheit ihn beherrschenden Technik. Richtig müßte die Aussage dieses Menschen also lauten, daß er etwas beherrscht, weil er von der Technik besonders beherrscht wird und sie sich durch ihn mitteilt, etwas explizit macht. Wer mit dem Gleichnis Sonne-Technik sowie mit der Explikation nicht viel anfangen kann, der soll sich nur an seinen letzten Sonnenbrand erinnern. Die These, daß Menschen eines Tages mittels Technik die Natur beherrschen könnten, ist reines Wunschdenken und ebenso falsch wie die These, daß Menschen eine Kultur beherrschen könnten. Auch die Aussage, daß die Technik kompliziert sei, ist falsch. Dieser Satz verrät nichts über die Technik, aber alles über den Menschen, der ihn spricht. Nicht die Technik, sondern das menschliche Gehirn ist kompliziert. Richtig müßte es also heißen, daß jemand ein kompliziertes (komplexes) Gehirn hat, weil er von der Technik besonders beherrscht wird und sie sich durch ihn mitteilt, explizit macht, daß menschliche Gehirne zu komplex sind, um die Technik zu verstehen.

Die Technik ist es auch, die ihren Drehimpuls anteilsmäßig z.B. auf jede Art von Kultur überträgt (Abbildungen): Jede Historienkultur dreht sich um sich selbst und um die Menschen-Kultur, die Menschen-Kultur dreht sich um sich selbst und nur um die reine Natur. Den Drehimpuls für die Eigendrehung und die Umdrehung um ein Zentrum überträgt die Technik der Natur teilweise auf die Menschen-Kultur. Den Drehimpuls für die Eigendrehung und die Umdrehung um die Natur überträgt die Technik der Menschen-Kultur teilweise auf jede Historienkultur. Den Drehimpuls für die Eigendrehung und die Umdrehung um die Menschen-Kultur überträgt jede Historienkulturtechnik jedoch nicht (oder noch nicht) weiter als bis auf die Wirtschaft. Doch die Eigendrehung und die Umdrehung der Wirtschaft um eine Historienkultur ist mit deren Eigendrehung und deren Umdrehung um die Menschen-Kultur synchronisiert. Die Wirtschaft ähnelt also dem Mond (Mond und Wirtschaft). Jede Historienkultur ähnelt einem Planeten. Der Mond ist aber kein Planet, sondern als dessen Trabant nur Teil in dessen System, und die Wirtschaft ist keine Historienkultur, sondern als deren Trabant nur Teil in deren System. Jede Historienkultur verfügt zwar über eine eigene Technik, doch die kann den Drehimpuls (noch) nicht richtig übertragen. Wird das Abendland als die letzte auch die erste Historienkultur sein, die dieses Problem löst?  Die abendländische Kulturtechnik könnte dazu fähig sein! Danach könnte aber auch die abendländische Kultur selbst verschwunden sein.

Um zu verstehen, warum wir Menschen einerseits die Technik direkt und andererseits eine nur für Menschen typische Technik („Anthropotechnik“) und somit die Technik nur indirekt „umkreisen“ (spiralförmig), muß man die Entwicklung der Menschen begreifen als Bewegungen auf mindestens zwei Bahnen („M“ + „H“ Abbildungen). Es gibt einerseits die Menschen-Kultur mit ihrer Evolution (+ Geschichte!) als Bahn („M“) und andererseits die zu ihr gehörenden Historienkulturen als Vertreter der schriftlichen Historiographie-Kultur, die aus der Menschen-Kultur durch deren Historisierung herausbewegt und dadurch auf eine eigene Bahn („H“) gelenkt worden ist. Und diese eigene Bahn oder selbständige Geschichte ist eine nur scheinbar selbständig gefundene oder erfundene Geschichte. Wenn z.B. die abendländische Kultur mit Hilfe ihrer Technik (Kulturtechnik des Abendlandes) aus der nur für Menschen so typischen Technik (Kulturtechnik der Menschen-Kultur) namens Anthropotechnik wieder eine nur für die Natur so typische Technik (Kulturtechnik der Natur) machen will, dann erstrebt sie die direkte Herrschaft durch die Technik, die sie von ihrer eigenen Bahn als ihrer scheinbar selbständigen Geschichte ablenkt, wodurch letztendlich sogar die „H“-Bahn verschwinden und nur noch die „M“-Bahn oder sogar keine von beiden übrig bleiben könnte. (Tabelle). Die Technik hat eben auch zwei Seiten: „Homöotechnik“ und „Allotechnik“.

Wenn man die Technik von ihren zwei Seiten Allotechnik und Homöotechnik her denkt, leuchtet einem doch ziemlich schnell ein, warum alle bisherige menschliche Technik kontranatural bzw. allotechnisch war und nicht (oder: noch nicht) natural bzw. homöotechnisch. Prinzipien nämlich, wie Menschen sie bisher erfanden und auch einsetzten, kommen so in der Natur nicht vor. Die menschliche Technik als die Kulturtechnik der Menschen-Kultur war und ist primär eine Allotechnik; erst die abendländische Technik als die Kulturtechnik einer besonders außergewöhnlichen Historienkultur ist allmählich eine Homöotechnik bzw. Naturaltechnik im Sinne der Kulturtechnik der Natur (selbst!) geworden und wird es in Zukunft noch mehr werden - falls kein Unglück passiert. Auch dieses abendländische Unternehmen wird einen Preis dafür zu bezahlen haben. Ob dies das Ende der Abendland-Kultur, das Ende der Historienkulturen oder vielleicht sogar das Ende der Menschen-Kultur sein wird?

Nur abendländische Menschen konnten mit ihrem „faustischen“ Wissens- und Forschungswillen auf die Idee kommen zu behaupten, daß der „Unendliche Raum“ das biete, mit dem ein „Faust“ alles erklären können müsse: Der Unendlichkeitsraum begann unendlich klein und wird unendlich groß und unendlich alt werden. Das „anthropische Prinzip“ (Anthropisches Prinzip) bestätigt diesen Glauben und verleiht ihm noch mehr Subjektivität: Es muß mindestens einen Beobachter (Menschen) geben, um mit den Mitteln der Wissenschaft zu beweisen, daß es einen Beobachter (Menschen) überhaupt geben kann. Gott ist während der abendländischen Geschichte mehr und mehr dem Subjekt namens Faust gewichen. Für Menschen der magischen Kultur mit ihrem strengen Monotheismus ist so etwas Gotteslästerung. Für sie zählt nur der eine Gott, und für sie ist es eine Sünde, Gott wissenschaftlich erforschen oder erklären zu wollen. Für Morgenländer ist nämlich das, was die Abendländer den „Unendlichen Raum“ nennen, Gottes Gesetz und nicht ein Naturgesetz, hinter dem ja doch nur wieder das Gesetz eines Menschen steht oder eine wie auch immer von ihm naturwissenschaftlich konstruierte Selbstorganisation. Aber alle Menschen scheinen einverstanden zu sein mit der These, daß es so etwas wie ein Baumeister (ob Natur, Gott, Selbst oder einfach nur ein Prinzip u.s.w.) gewesen sein muß, der als Haupt-Techniker nicht nur alle Schrauben, sondern die Technik überhaupt und alle anderen Techniken so eingestellt hat, daß es das Universum, das Leben und uns Menschen überhaupt geben kann.

Kugel

Konsequenzen in Gegenwart und Zukunft  (Beispiel: Nanotechnologie Nanotechnologie)

Unser eigenes Bewußtsein wird wohl lernen müssen, sich als Bewußtsein einer Maschine, als gemachtes und doch in seinem faktischen Sein unhintergehbares, in sich geschlossenes Dasein zu verstehen. Bereits heute werden Organe (auch Gehirne) mit nicht-biologischer Intelligenz aus- und aufgerüstet oder repariert. In Zukunft werden Kleinstcomputer (Nanobots) von der Größe einer Zelle unsere Gehirnfunktionen verbessern. Man wird mit ihnen das Gehirn erkunden, Synapse für Synapse abtasten, Transmitter für Transmitter, und ein Gehirn kopieren können. Ray Kurzweil prognostizierte dies bereits 1999 in seinem Buch Homo S@piens - Leben im 21. Jahrhundert. Mit solchen Kleinstcomputern wird man virtuelle Realität erzeugen. Milliarden von Nanobots werden dann als künstliche Neuronen in unser Gehirn geschickt, die sich an jedem einzelnen, von unseren Sinnesorganen herkommenden Nervenstrang festsetzen. „Wenn wir reale Realität erleben wollen, dann halten die Nanobots still. Für das Erlebnis virtueller Realität unterbrechen sie die Zufuhr realer Reize und setzen künstliche Signale an ihre Stelle“. Wahrscheinlicwird bald schon das World Wide Web () aus virtuellen Begegnungsstätten bestehen, die genauso real sind wie jeder Ort der Welt. Wir sind, ob wir es wollen oder nicht, auf dem Weg zu einer neuen Existenz.

 

 

Vgl. Wissenschaft

 

Kugel
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© Hubert Brune, 2001 ff. (zuletzt aktualisiert: 2014).