Zwei Menschen mit den gleichen Krankheitssyptomen können verschiedene
homöopathische Mittel brauchen. Dazu ein Beispiel:Ein Patient kommt
in meine Praxis, weil er ständig unter Magenschmerzen leidet. Durch meine
Befragung finde ich heraus, daß er meistens gegen 11 Uhr morgens einen regelrechten
Heißhunger hat; wenn er dann nichts isst, fühlt er sich schwach, bekommt
eventuell Kopfschmerzen und sein Allgemeinbefinden verschlechtert sich deutlich.
Ihm ist im allgemeinen warm, besonders nachts an Händen und Fußsohlen;
außerdem liebt er Süßigkeiten. Während des Gesprächs
bekomme ich den Eindruck, daß er sehr gerne über sich redet und sich
auch gern selbst reden hört.Dies wären nun alles Symptome,die
typisch für eine Vergiftung mit Sulfur (Schwefel) sind, d.h. Sulfur kann
solche Symptome auslösen, wenn er in großer Dosis eingenommen wird.
Sollte sich das Sulfur-Bild während des Gespräches noch verstärken,
werde ich dem Patienten Sulfur in einer homöopathischen, stark verdünnten
Dosis verschreiben.Ein anderer Patient kommt in meine Praxis mit der
gleichen Art von Magenschmerzen wie der Patient aus dem ersten Beispiel. Während
des Erstgesprächs bekomme ich einen Eindruck von seiner psychischen Situation,
die sich deutlich von der des ersten Patienten unterscheidet: Es handelt sich
hier vielleicht um eine Frau, die nah ans Wasser gebaut hat, d.h.
sie weint oft und fühlt sich danach auch besser. Sie ist etwas melancholisch,
sehr gefühlsbetont, manchmal kindisch und hängt sehr an ihrer Familie.
Ihre Launen wechseln ständig. Ich erfahre von ihr, daß sie fettes Essen
nicht mag und auch nicht verträgt und daß sie oft ein großes
Bedürfnis nach frischer Luft hat.Nun gebe ich dieser Frau nicht
das gleiche Mittel wie dem ersten Patienten. Sie ist von Charakter und Gewohnheiten
her ein ganz anderer Typ. Ich ziehe Pulsatilla als mögliches Mittel in Betracht,
die Küchenschelle in homöopathischer Aufbereitung, die oft bei Frauen
dieses Typs Anwendung findet.Die meisten Fälle, die der homöopathisch
arbeitende Therapeut bekommt, sind jedoch nicht so leicht zu lösen wie die
beiden hier beschriebenen, denn diese zeigen sehr typische Symptome der beiden
gewählten Medikamente. Mittlerweile gibt es über 1500 geprüfte
homöopathische Medikamente, und bei den meisten Patienten ist es nicht so
einfach, ein klares Bild ihrer Symptome zu erhalten. Der Homöopath muß
bei jeder Krankheitsschilderung eine Menge zwischen den Zeilen lesen können
und auf jede Kleinigkeit achten, um wirklich typische Symptome für ein bestimmtes
Mittel zu erkennen.Alle möglichen Krankheitssymptome plus der Information
200-jähriger klinischer Erfahrung werden in zwei Arten von Nachschlagewerken
festgehalten: a) in der MATERIA MEDICA, in der die Arzneimittelbilder
fast aller homöopathischen Mittel beschrieben sind und b) im REPERTORIUM,
in dem alle Symptome, die Menschen je an sich beobachtet haben bis ins kleinste
Detail aufgeführt sind - und die Mittel, die die jeweiligen Symptome hervorbringen.ein
weiteres Beispiel:Ein Patient kommt mit einem sehr trockenen Husten zu
mir. Ich sehe im Repertorium unter dem Symptom trockener Husten nach
und finde dort etwa 250 verschiedene Mittel, die einen solchen Husten auslösen
können (und ihn somit auch in homöopathischer Dosis heilen können).
Welches ist nun das richtige Mittel für meinen Patienten? Bei der weiteren
Befragung stellt sich heraus, daß der Patient sich in jeder Beziehung besser
fühlt, wenn er im Auto fährt....Wenn ich nun wiederum im Repertorium
das Symptom besser beim Fahren im Wagen nachschlage, dann finde ich
nur fünf Mittel, die diese Eigenschaft haben bzw. auslösen. Nun sehe
ich wieder nach, welches dieser fünf Mittel auch bei den Mitteln auftaucht,
die den trockenen Husten heilen können. Dann muß ich herausfinden,
ob dieses (diese) Mittel auch zur persönlichen Krankengeschichte des Patienten
paßt, zu seinem Charakter, seiner Erscheinung und seinen anderen physischen
und psychischen Merkmalen. Ich verschreibe dann das Mittel, dessen Eigenschaften
(Arzneimittelbild) dem Krankenbild des Patienten am ähnlichsten ist.Das
grenzt ein bißchen an Detektivarbeit. Das Besondere, was der Homöopath
dabei zu leisten hat, besteht darin, unter allen Symptomen, die der Kranke ihm
erzählt, die herauszufinden, die wirklich außergewöhnlich sind.
Lange Zeit waren die beiden oben genannten Nachschlagewerke die Hauptwerkzeuge
des klassischen Homöopathen. Heute kann die Kombination aller genannten Symptome
zu einem vollständigen Bild natürlich von Computern geleistet werden.
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