WWW.HUBERT-BRUNE.DE
Tagesschau Wochenschau
Lehre Geschichte ZivilbarbarenVarus im Museum

Fremdreferenz als Selbstreferenz

? Fremdreferenz als Selbstreferenz ist fast wie Fremdausbeutung als Selbstausbeutung ?
Byung-Chul Han

Der aus Korea stammende Byung-Chul Han meint zu wissen, worin die Ethik der Ausbeutung besteht:

„Das Problem ist, daß sie so listig ist und dadurch so verheerend effizient. Ich will Ihnen erzählen, worin diese List besteht. Karl Marx hat eine Gesellschaft kritisiert, die durch eine Fremdherrschaft regiert wurde. Im Kapitalismus wird der Arbeiter ausgebeutet, und diese Fremdausbeutung stößt ab einem bestimmten Produktionsniveau an ihre Grenzen. Ganz anders die Selbstausbeutung, der wir uns heute freiwillig unterwerfen. Die Selbstausbeutung ist grenzenlos! Wir beuten uns freiwillig aus, bis wir zusammenbrechen. Wenn ich scheitere, mache ich mich selbst für dieses Scheitern verantwortlich. Wenn ich leide, wenn ich pleitegehe, dann bin nur ich selbst schuld. Selbstausbeutung ist eine Ausbeutung ohne Herrschaft, denn sie geschieht völlig freiwillig. Und weil sie unter dem Zeichen der Freiheit steht, ist sie so effektiv. Niemals bildet sich ein Kollektiv, ein »Wir«, das sich gegen das System erheben könnte.“ Han

„Die Negativität ist etwas, das eine immunologische Abwehrreaktion hervorruft. So ist der Andere das Negative, das in das Eigene eindringt und dies zu negieren, zu zerstören sucht. Ich habe behauptet, daß wir heute in einem postimmunologischen Zeitalter leben. Die psychischen Erkrankungen von heute wie Depression, ADHS oder Burnout sind keine Infektionen, die durch eine virale oder bakterielle Negativität verursacht werden, sondern Infarkte, für die das Übermaß an Positivität verantwortlich ist. Die Gewalt geht nicht nur von der Negativität, sondern auch von der Positivität aus, nicht nur vom Anderen, sondern auch vom Gleichen. Die Gewalt der Positivität oder des Gleichen ist eine postimmunologische Gewalt. Krank macht die Fettleibigkeit des Systems. Es gibt bekanntlich keine Immunreaktion auf das Fett.“ Han

„Wir leben in einer Gesellschaft, die ganz auf Produktion, ganz auf Positivität gerichtet ist. Sie schafft die Negativität des Anderen oder des Fremden ab, um die Kreisläufe der Produktion und des Konsums zu beschleunigen. Zulässig sind nur konsumierbare Differenzen. Den Anderen, dem die Andersheit genommen worden ist, kann man nicht lieben, sondern nur konsumieren. Vielleicht deshalb wächst heute wieder das Interesse für die Apokalypse. Man spürt eine Hölle des Gleichen, der man entkommen möchte. “ Han

„Der Andere, das ist auch der Gegenstand, ja der Anstand. Wir haben die Fähigkeit, die Anständigkeit verloren, den Anderen in seiner Andersheit zu sehen, weil wir alles mit unserer Intimität überfluten. Der Andere ist etwas, das mich in Frage stellt, das mich aus meiner narzißtischen Innerlichkeit herausreißt.“ Han

„Eine Gesellschaft ohne den Anderen ist eine Gesellschaft ohne Eros. .... Der Eros richtet sich auf den ganz Anderen. .... Das Begehren wird vom Unmöglichen genährt. Wenn es aber, etwa in der Werbung, ständig heißt: »du kannst« und »alles ist möglich«, dann ist das das Ende des erotischen Begehrens. Es gibt keine Liebe mehr, weil wir uns zu frei wähnen, weil wir zwischen zu vielen Optionen wählen. .... Die Transzendenz ist auch eine Negativität, während die Immanenz eine Positivität darstellt. So äußert sich das Übermaß an Positivität als ein Terror der Immanenz. Die Transparenzgesellschaft ist eine Positivgesellschaft.“ Han