Wenn
nun der Mensch Welt hat, nämlich eine deutliche Nichteingegrenztheit
des Wahrnehmbaren auf die Bedingungen des biologischen Sichhaltens, so bedeutet
auch dies zunächst eine negative Tatsache. Der Mensch ist weltoffen heißt:
er entbehrt der tierischen Einpassung in ein Ausschnitt-Milieu.Arnold
Gehlen, Der Mensch - Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 1940,
S. 35 |
Auch die bei uns
schon greifbaren Verfallssymptome gab es in dieser Art noch nie: Lust und Lebensgewinn
sind zum Rechtsanspruch geworden; der echt aristokratische und echt proletarische
Sinn für das Tragische wird verlacht, die geistige und moralische Kraft reichen
nicht mehr zum Abbau des Überflüssigen und Ausformulierten, das nichtgelebte
Leben entwickelt seine eigenen Formen der Diktatur - alle Maßstäbe
verkleinern sich.Arnold
Gehlen, Urmensch und Spätkultur, 1956, S. 106 |
Da
die Menschheit nichts Größeres mehr außer sich sieht, muß
sie sich selbst umarmen und ihr immer schon wahnhaftes Glücksverlangen von
sich selber erwarten.Arnold
Gehlen, Moral und Hypermoral, 1969, S. 141 |
Die
Verpflichtung ..., am Kulte der Menschheit unter dem Namen Humanitarismus teilzunehmen,
hat nur der, der sie haben will.Arnold
Gehlen, Moral und Hypermoral, 1969, S. 142 |
Der
Falke mit schlechtem Gewissen findet sich in der politischen Zoologie in der Nähe
der mörderischen Taube.Arnold
Gehlen, Moral und Hypermoral, 1969, S. 143 |
Da
wird deutlich, wie die Transformation ins Moralisieren als Erkenntnisersatz nützlich
ist.Arnold
Gehlen, Moral und Hypermoral, 1969, S.163 |
Von
der Lüge bis zur Diffamierung geht die Kunst, jemanden geistig wehrlos zu
machen. Die internationale Konvention über die Verhinderung und Unterdrückung
des Verbrechens des Völkermordes vom 09.12.1948 hat daher einen geistigen
Völkermord anerkannt und in Artikel II den Begriff »Genozid«
unter b) wie folgt definiert: ... schwerer Angriff auf die physische oder geistige
Integrität einer Gruppe. Dieser Begriff umfaßt natürlich die Traditionen
und Überlieferungen eines Verbandes ebenso wie seine Ehre, und ein Volk gewaltsam
von seiner Geschichte abzutrennen oder zu entehren bedeutet dasselbe, wie es zu
töten.Arnold
Gehlen, Moral und Hypermoral, 1969, S.185 |
Und
zuletzt: teuflisch ist, wer das Reich der Lüge aufrichtet und andere Menschen
zwingt, in ihm zu leben. Das geht über die Demütigung der geistigen
Abtrennung noch hinaus, dann wird das Reich der verkehrten Welt aufgerichtet,
und der Antichrist trägt die Maske des Erlösers, wie auf Signorellis
Fresco in Orvieto. Der Teufel ist nicht der Töter, er ist Diabolos,
der Verleumder, ist der Gott, in dem die Lüge nicht Feigheit ist, wie im
Menschen, sondern Herrschaft. Er verschüttet den letzten Ausweg der Verzweiflung,
die Erkenntnis, er stiftet das Reich der Verrücktheit, denn es ist Wahnsinn,
sich in der Lüge einzurichten.Arnold
Gehlen, Moral und Hypermoral, 1969, S.185 |
Ist
es denn wirklich nur Zufall, daß ein großer Teil so ostentativer Zivilisation
- im Athen des Perikles ... und im Wien des Mozart - so eng verknüpft war
mit politischem Absolutismus, mit einem streng abgeschlossenen Kastensystem und
der umgebenden Präsenz einer unterjochten Bevölkerung?Arnold
Gehlen, Einblicke, 1975, S. 125f. |
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