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Prägnant und möglichst knapp formulierte Gedanken

von

Johann Wolfgang (von) Goethe (1749-1832)

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„Ich ging durch den Hof nach dem wohlgebauten Hause, und da ich die vorliegenden Treppen hinausgestiegen war und in die Tür trat, fiel mir das reizendste Schauspiel in die Augen, das ich je gesehen habe. In dem Vorsaale wimmelten sechs Kinder von eilf zu zwei Jahren um ein Mädchen von schöner Gestalt, mittlerer Größe, die ein simples weißes Kleid, mit blassroten Schleifen an Arm und Brust, anhatte. Sie hielt ein schwarzes Brot und schnitt ihren Kleinen rings herum jedem sein Stück nach Proportion ihres Alters und Appetits ab, gab's jedem mit solcher Freundlichkeit, und jedes rief so ungekünstelt sein: Danke!“
Johann Wolfgang Goethe, Die Leiden des jungen Werther, 1774, S. 21

„Ich bin nun ganz eingeschifft auf der Woge der Welt – voll entschlossen: zu entdecken, gewinnen, streiten, scheitern, oder mich mit aller Ladung in die Luft zu sprengen.“
Johann Wolfgang von Goethe, in einem Brief an Johann Kaspar Lavater, 1776

„Ein jeglicher wollte als nächster neben dem Sieger sich blähren.“
Johann Wolfgang von Goethe, Reineke Fuchs, 1794

„Ich schreibe nicht um euch zu gefallen, Ihr sollt was lernen.“
Johann Wolfgang von Goethe

„»Ihr folget falscher Spur, // Denkt nicht, wir scherzen! // Ist nicht der kern der Natur // Menschen im Herzen?«“
Johann Wolfgang von Goethe

Der Herr : Kennst du den Faust? // Mephistopheles: Den Doktor? // Der Herr : Meinen Knecht! // Mephistopheles: Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise. // Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise. // Ihn treibt die Gärung in die Ferne, // Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt; // Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne // Und von der Erde jede höchste Lust, // Und alle Näh und alle Ferne // Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 19-20

Der Herr : Es irrt der Mensch, so lang er strebt.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 20

„Habe nun, ach! Philosophie, // Juristerei und Medizin, // Und leider auch Theologie! // Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. // Da steh ich nun, ich armer Tor! // Und bin so klug als wie zuvor.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 27

„Heiße Magister, heiße Doktor gar // Und ziehe schon an die zehen Jahr // Herauf, herab und quer und krumm // Meine Schüler an der Nase herum - // Uns sehe, daß wir nichts wissen können! // Das will mir schier das Herz verbrennen. // Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen, // Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen; // Mich plagen weder Skrupel noch Zweifel, // Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel - // Dafür ist mir auch alle Freud entrissen, // Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen, // Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren, // Die Menschen zu bessern und zu bekehren. Auch hab ich weder Gut noch Geld, // Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt; // Es möcht kein Hund so länger leben! // Drum hab ich mich der Magie ergeben, // Ob mir durch Geistes Kraft und Mund // Nicht manch Geheimnis würde kund, // Daß ich nicht mehr mit saurem Schweiß // Zu sagen brauche, was ich nicht weiß, // Daß ich erkenne, was die Welt // Im Innersten zusammenhält.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 27

Daß ich erkenne, was die Welt // Im Innersten zusammenhält.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 27

Schau alle Wirkenskraft und Samen // Und tu nicht mehr in Worten kramen.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 28

„Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, // Durch die man zu den Quellen steigt! // Und eh' man nur den halben Weg erreicht, // Muß wohl ein armer Teufel sterben.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 33

Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit // Sind nur ein Buch mit sieben Siegeln. // Was ihr den Geist der Zeiten heißt, // Das ist im Grund der Herren eigner Geist, // In dem die Zeiten sich bespiegeln.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 34

Mit Eifer hab ich mich der Studien beflissen; // Zwar weiß ich viel, doch möcht ich alles wissen.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 34

Was Du ererbt von deinen Vätern hast, // Erwirb es, um es zu besitzen.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 39

Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen // Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, // Wenn hinten, weit, in der Türkei, // Die Völker auf einander schlagen. // Man steht am Fenster, trinkt ein Gläschen aus // Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten; // Dann kehrt man abends froh nach Haus // Und segnet Fried und Friedenszeiten.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 45

„Ich höre schon des Dorfs Getümmel, // Hier ist des Volkes wahrer Himmel, // Zufrieden jauchzet groß und klein: // »Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!«“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 48

„O glücklich, wer noch hoffen kann, // Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!// Was man nicht weiß, das eben brauchte man, // Und was man weiß, kann man nicht brauchen.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 51-52

„Du bist dir nur des einen Triebs bewußt; // O lerne nie den den andern kennen! // Zwei Seelen wohnen - ach! - in meiner Brust, // Die eine will sich von der andern trennen; // Die eine hält in derber Liebeslust // Sich an die Welt mit klammernden Organen; // Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust // Zu den Gefilden hoher Ahnen.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 55

„Aber ach! Schon fühl ich, bei dem besten Willen, // Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen. // Aber warum muß der Strom so bald versiegen // Und wir wieder im Durste liegen? // Davon hab’ ich so viel Erfahrung. // Doch dieser Mangel läßt sich ersetzen: // Wir lernen das Überirdische schätzen, // Wir sehnen uns nach Offenbarung, // Die nirgends würdiger und schöner brennt // Als in dem Neuen Testament. // Mich drängt’s, den Grundtext aufzuschlagen, // Mit redlichem Gefühl einmal // Das heilige Original // In mein geliebtes Deutsch zu übertragen. // Geschrieben steht: »Im Anfang war das Wort!« // Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? // Ich kann das »Wort« so hoch unmöglich schätzen, // Ich muß es anders übersetzen, // Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. // Geschrieben steht: »Im Anfang war der Sinn!« // Bedenke wohl die erste Zeile, // Daß deine Feder sich nicht übereile! // Ist es der »Sinn«, der alles wirkt und schafft? // Es sollte steh’n: »Im Anfang war die Kraft!« // Doch auch indem ich dieses niederschreibe, // Schon warnt mich was, daß ich nicht dabei bleibe. // Mir hilft der Geist! Auf einmal seh’ ich Rat // Und schreibe getrost: »Im Anfang war die Tat!«“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 60-61

„Ich bin ein Teil von jener Kraft, // Die stets das Böse will und stets das Gute schafft. // .... Ich bin der Geist, der stets verneint! // Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, // ist wert, daß es zugrunde geht; // Drum besser wärs, daß nichts entstünde. // So ist denn alles, was ihr Sünde, // Zerstörung, kurz das Böse nennt, // Mein eigentliches Element.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 64-67

Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war, // Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar, // Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht // Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht. // Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt, // Verhaftet an den Körpern klebt.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 67

„Werd’ ich zum Augenblicke sagen: // Verweile doch! Du bist so schön! // Dann magst du mich in Fesseln schlagen, // Dann will ich gern zugrunde geh’n! // Dann mag die Totenglocke schallen, // Dann bist du deines Dienstes frei, // Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen, // Es sei die Zeit für mich vorbei!“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 78

„Das kommt nur auf Gewohnheit an. // So nimmt ein Kind der Mutter Brust // Nicht gleich im Anfang willig an, // Doch bald ernährt es sich mit Lust. // So wird’s Euch an der Weisheit Brüsten // Mit jedem tage mehr gelüsten.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 83-84

„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie // Und grün des Lebens gold’ner Baum.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 90

„Das liebe Heilge Römische Reich, // Wie hälts nur noch zusammen?“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 92

„Ich hoffe, Sie läßt mich’s d’rum nicht büßen: // Ihr Mann ist tot und läßt sie grüßen.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 129

„Mein Liebchen, wer darf sagen: // Ich glaub' an Gott? // Magst Priester oder Weise fragen, // Und ihre Antwort scheint nur Spott // Über den Frager zu sein. // .... // Wer darf ihn nennen // Und wer bekennen : Ich glaub' ihn! // Wer empfinden // Und sich unterwinden // Zu sagen: ich glaub' ihn nicht? “
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 149-150

„Ihr seid noch immer da! Nein, das ist unerhört. // Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt! - // Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel. // Wir sind so klug, und dennoch spukt’s in Tegel.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 183

FAUST :  Komm! Komm! Schon weicht die tiefe Nacht. // MARGARETE :  Meine Mutter hab’ ich umgebracht, // Mein Kind hab’ ich ertränkt. // War es nicht dir und mir geschenkt? // Dir auch! - Du bist’s! Ich glaub’ es kaum. // Gib deine Hand! Es ist kein Traum! // Deine liebe Hand! - Ach, aber sie ist feucht! // Wische sie ab! Wie mich deucht, // Ist Blut d’ran! // Ach Gott! Was hast du getan! // Stecke den Degen ein! // Ich bitte dich d’rum. // FAUST :  Laß das Vergangene vergangen sein! // Du bringst mich um. // MARGARETE :  Nein , du mußt übrig bleiben! // Ich will dir die Gräber beschreiben. // Für die mußt du sorgen // Gleich morgen: // Der Mutter den besten Platz geben, // Meinen Bruder sogleich daneben, // Mich ein wenig beiseit’, // Nur nicht gar zu weit! // Und das Kleine mir an die rechte Brust! // Niemand wird sonst bei mir liegen! - // Mich an deine Seite zu schmiegen, // Das war ein süßes, ein holdes Glück! // Aber es will mir nicht mehr gelingen; // Mir ist’s, als müßt’ ich mich zu dir zwingen, // Als stießest du mich von dir zurück, // Und doch bist du’s und blickst so gut, so fromm. // FAUST :  Fühlst du, daß ich es bin, so komm! // MARGARETE :  Da hinaus? // FAUST :  Ins Freie! // MARGARETE :  Ist das Grab da drauß’ // Lauert der Tod, so komm! // Von hier ins ewige Ruhebett // Und weiter keinen Schritt! - // Du gehst nun fort? O Heinrich, könnt’ ich mit! // FAUST :  Du kannst! So wolle nur! Die Tür steht offen. // MARGARETE :  Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen. // Was hilft es flieh’n? Sie lauern doch mir auf. // Es ist so elend, betteln zu müssen, // Und noch dazu mit bösem Gewissen! // Es ist so elend, in der Fremde schweifen - // Und sie werden mich ergreifen!“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (I), 1790 bzw. 1808, S. 203-204

„Der Kreis, den die Menschheit auszulaufen hat, ist bestimmt genug und ungeachtet des großen Stillstandes, den die Barbarei machte, hat sie ihre Laufbahn schon mehr als einmal zurückgelegt. Will man ihr auch eine Spiralbewegung zuschreiben, so kehrt sie doch immer wieder in jene Gegend, wo sie schon einmal durchgegangen. Auf diesem Wege wiederholen sich alle wahren Ansichten und alle Irrtümer.“
Johann Wolfgang von Goethe, Materialien zur Geschichte der Farbenlehre, 1810

„Die Menschen werden durch Gesinnungen vereinigt, durch Meinungen getrennt.“
Johann Wolfgang von Goethe, Brief an Friedrich Heinrich Jacobi, 06.01.1813

„Reichtum und Schnelligkeit ist, was die Welt bewundert und wonach jeder strebt. Eisenbahnen, Schnellposten, Dampfschiffe und alle mögliche Facilitäten der Communication sind es, worauf die gebildete Welt ausgeht, sich zu überbilden und dadurch in der Mittelmäßigkeit zu verharren.“
Johann Wolfgang von Goethe, Brief an Carl Friedrich Zelter, 06.06.1825

„Eigentlich ist es das Jahrhundert für die fähigen Köpfe, für leichtfassende praktische Menschen, die, mit einer gewissen Gewandtheit ausgestattet, ihre Superiorität über die Menge fühlen, wenn sie gleich selbst nicht zum höchsten begabt sind.“
Johann Wolfgang von Goethe, Brief an Carl Friedrich Zelter, 06.06.1825

„Laß uns soviel als möglich an der Gesinnung halten, in der wir herankamen; wir werden, mit vielleicht noch Wenigen, die Letzten seyn einer Epoche, die so bald nicht wiederkehrt.“
Johann Wolfgang von Goethe, Brief an Carl Friedrich Zelter, 06.06.1825

„So wenig nun die Dampfwagen zu dämpfen sind, so wenig ist dies auch im Sittlichen möglich: die Lebhaftigkeit des Handels, das Durchrauschen des Papiergeldes, das Anschwellen der Schulden, um Schulden zu bezahlen, das alles sind die ungeheuern Elemente, auf die gegenwärtig ein junger Mann gesetzt ist ....“
Johann Wolfgang von Goethe, Brief an seinen Großneffen Alfred Nicolovius, November 1825

MEPHISTOPHELES :  Wo fehlts nicht nirgendwo auf dieser Welt?, // Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld. // Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen; // Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen. // In Bergesadern, Mauergründen // Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden, // Und fragt ihr mich, wer es zutage schafft: // Begabten Manns Natur- und Geisteskraft.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 21-22

KANZLER :  Natur und Geist - so spricht man nicht zu Christen. // Deshalb verbrennt man Atheisten, // Weil solche Reden höchst gefährlich sind. // Natur ist Sünde, Geist ist Teufel, // Sie hegen zwischen sich den Zweifel, // Ihr mißgestaltet Zwitterkind. // Uns nicht so! - Kaisers alten Landen // Sind zwei Geschlechter nur entstanden, // Sie stützen würdig seinen Thron: // Die Heiligen sind es und die Ritter; // Sie stehen jedem Ungewitter // Und nehmen Kirch' und Staat zum Lohn. // Dem Pöbelsinn verworrner Geister // Entwickelt sich ein Widerstand: // Die Ketzer sind's! die Hexenmeister! // Und sie verderben Stadt und Land. // Die willst du nun mit frechen Scherzen // In diese hohen Kreise schwärzen; // Ihr hegt euch an verderbtem Herzen, // Dem Narren sind sie nah verwandt.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 22

MEPHISTOPHELES :  Daran erkenn' ich den gelehrten Herrn! // Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern, // Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar,// Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr, // Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht, // Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 22-23

KAISER :  Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt, // Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt? // Ich habe satt das ewige Wie und Wenn; // Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 23

MEPHISTOPHELES :  Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr; // Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer; // Es liegt schon da, doch um es zu erlangen, // Das ist die Kunst, wer weiß es anzufangen? // Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften, // Wo Menschenfluten Land und Volk ersäuften, // Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte, // Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte. // So war's von je in mächtiger Römer Zeit, // Und so fortan, bis gestern, ja bis heut. // Das alles liegt im Boden still begraben, // Der Boden ist des Kaisers, der soll's haben.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 23

SCHATZMEISTER :  Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht, // Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht..“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 23

KANNZLER :  Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen: // Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 23

MARSCHALK :  Schafft' er uns nur zu Hof willkommne Gaben, // Ich wollte gern ein bißchen Unrecht haben.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 23

HEERMEISTER :  Der Narr ist klug, verspricht, was jedem frommt; // Fragt der Soldat doch nicht, woher es kommt.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 23

MEPHISTOPHELES :  Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen, // Hier steht ein Mann! da, fragt den Astrologen! // In Kreis' um Kreise kennt er Stund' und Haus; // So sage denn: wie sieht's am Himmel aus?“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 24

GEMURMEL :  Zwei Schelme sind's - Verstehn sich schon - // Narr und Phantast - So nah dem Thron - // Ein mattgesungen - Alt Gedicht - // Der Tor bläst ein - Der Weise spricht -“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 24

ASTROLOG :  Die Sonne selbst, sie ist ein lautres Gold, // Merkur, der Bote, dient um Gunst und Sold, // Frau Venus hat's euch allen angetan, // So früh als spat blickt sie euch lieblich an; // Die keusche Luna launet grillenhaft; // Mars, trifft er nicht, so dräut euch seine Kraft. // Und Jupiter bleibt doch der schönste Schein, // Saturn ist groß, dem Auge fern und klein. // Ihn als Metall verehren wir nicht sehr, // An Wert gering, doch im Gewichte schwer. // Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt, // Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt; // Das übrige ist alles zu erlangen: // Paläste, Gärten, Brüstlein, rote Wangen, // Das alles schafft der hochgelahrte Mann, // Der das vermag, was unser keiner kann.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 24

MEPHISTOPHELES :  Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt, // Ist so bequem, man weiß doch, was man hat; // Man braucht nicht erst zu markten, noch zu tauschen, // Kann sich nach Lust in Lieb' und Wein berauschen. // Will man Metall, ein Wechsler ist bereit, // Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit. // Pokal und Kette wird verauktioniert, // Und das Papier, sogleich amortisiert, // Beschämt den Zweifler, der uns frech verhöhnt. // Man will nichts anders, ist daran gewöhnt. // So bleibt von nun an allen Kaiserlanden // An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 79

KAISER :  Das hohe Wohl verdankt euch unser Reich; // Wo möglich sei der Lohn dem Dienste gleich. // Vertraut sei euch des Reiches innrer Boden, // Ihr seid der Schätze würdigste Kustoden. // Ihr kennt den weiten, wohlverwahrten Hort, // Und wenn man gräbt, so sei's auf euer Wort. // Vereint euch nun, ihr Meister unsres Schatzes, // Erfüllt mit Lust die Würden eures Platzes, // Wo mit der obern sich die Unterwelt, // In Einigkeit beglückt, zusammenstellt.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 79-80

BACCALAUREUS :  Anmaßend find ich, daß zu schlechtsten Frist // Man etwas sein will, wo man nichts mehr ist // Des Menschen Leben lebt im Blut, und wo // Bewegt das Blut sich wie im Jüngling so? // Das ist lebendig Blut in frischer Kraft, // Das neues Leben sich aus Leben schafft. // Da regt sich alles, da wird was getan, // Das Schwache fällt, das Tüchtige tritt heran. // Indessen wir die halbe Welt gewonnen, // Was habt ihr denn getan? Genickt, gesonnen, // Geträumt, erwogen, Plan und immer Plan! // Gewiß, das Alter ist ein kaltes Fieber // Im Frost von grillenhafter Not. // Hat einer dreißig Jahr vorüber, // So ist er schon so gut wie tot. // Am besten wärs, euch zeitig totzuschlagen. // MEPHISTOPHELES :  Der Teufel hat hier weiter nichts zu sagen.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 111-112

Die Glocke tönt, die fürchterliche, // durchschauert die berußten Mauern. // Nicht länger kann das Ungewisse // der ernstesten Erwartung dauern. // Schon hellen sich die Finsternisse: // Schon in der innersten Phiole // erglüht es wie lebendige Kohle, // ja, wie der herrlichste Karfunkel, // verstrahlend Blitze durch das Dunkel: // Ein helles weiches Licht erscheint! // O daß ich’s diesmal nicht verliere! - // Ach Gott! was rasselt an der Türe?
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 113-114

MEPHISTOPHELES :  Was gibt es denn? // WAGNER (leiser) :  Es wird ein Mensch gemacht.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 114

WAGNER :  So muß der Mensch mit seinen großen Gaben // Doch künftig höher’n, höher’n Ursprung haben.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 114

HOMUNCULUS (in der Phiole zu Wagner) :  Nun, Väterchen! wie steht's? es war kein Scherz // Komm, drücke mich recht zärtlich an dein Herz.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 114

WAGNER (betrübt) :  Am Ende hängen wir doch ab // Von Kreaturen, die wir machten.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 122

LYNKEUS DER TÜRMER :  Zum Sehen geboren, // Zum Schauen bestellt, // Dem Turme geschworen // Gefällt mir die Welt. // Ich blick' in die Ferne,// Ich seh' in der Näh' // Den Mond und die Sterne, // Den Wald und das Reh. // So seh' ich in allen // Die ewige Zier, // Und wie mir's gefallen, // Gefall' ich auch mir. // Ihr glücklichen Augen, // Was je ihr gesehn, // Es sei, wie es wolle, // Es war doch so schön! // – Pause. Nicht allein mich zu ergetzen, // Bin ich hier so hoch gestellt; // Welch ein greuliches Entsetzen // Droht mir aus der finstern Welt! // Funkenblicke seh' ich sprühen // Durch der Linden Doppelnacht, // Immer stärker wühlt ein Glühen, // Von der Zugluft angefacht. // Ach! die innre Hütte lodert, // Die bemoost und feucht gestanden; // Schnelle Hülfe wird gefodert, // Keine Rettung ist vorhanden. // Ach! die guten alten Leute, // Sonst so sorglich um das Feuer, // Werden sie dem Qualm zur Beute! // Welch ein schrecklich Abenteuer! // Flamme flammet, rot in Gluten // Steht das schwarze Moosgestelle; // Retteten sich nur die Guten // Aus der wildentbrannten Hölle! // Züngelnd lichte Blitze steigen // Zwischen Blättern, zwischen Zweigen; // Äste dürr, die flackernd brennen, // Glühen schnell und stürzen ein. // Sollt ihr Augen dies erkennen! // Muß ich so weitsichtig sein! // Das Kapellchen bricht zusammen // Von der Äste Sturz und Last. // Schlängelnd sind, mit spitzen Flammen, // Schon die Gipfel angefaßt. // Bis zur Wurzel glühn die hohlen // Stämme, purpurrot im Glühn. // – Lange Pause, Gesang :Was sich sonst dem Blick empfohlen, // Mit Jahrhunderten ist hin!“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 339-340

FAUST auf dem Balkon, gegen die Dünen :  Von oben welch ein singend Wimmern? // Das Wort ist hier, der Ton zu spat. // Mein Türmer jammert; mich, im Innern,// Verdrießt die ungeduld'ge Tat. // Doch sei der Lindenwuchs vernichtet // Zu halbverkohlter Stämme Graun, // Ein Luginsland ist bald errichtet, // Um ins Unendliche zu schaun. // Da seh' ich auch die neue Wohnung, // Die jenes alte Paar umschließt, // Das, im Gefühl großmütiger Schonung, // Der späten Tage froh genießt.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 342

MEPHISTOPHELES UND DIE DREIE unten :  Da kommen wir mit vollem Trab; // Verzeiht! es ging nicht gütlich ab. // Wir klopften an, wir pochten an, // Und immer ward nicht aufgetan; // Wir rüttelten, wir pochten fort, // Da lag die morsche Türe dort; // Wir riefen laut und drohten schwer, // Allein wir fanden kein Gehör. // Und wie's in solchem Fall geschicht, // Sie hörten nicht, sie wollten nicht! // Wir aber haben nicht gesäumt, // Behende dir sie weggeräumt. // Das Paar hat sich nicht viel gequält, // Vor Schrecken fielen sie entseelt. // Ein Fremder, der sich dort versteckt // Und fechten wollte, ward gestreckt. // In wilden Kampfes kurzer Zeit // Von Kohlen, ringsumher gestreut, // Entflammte Stroh. Nun lodert's frei, // Als Scheiterhaufen dieser drei.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 342-344

FAUST :  Wart ihr für meine Worte taub? // Tausch wollt' ich, wollte keinen Raub. // Dem unbesonnenen wilden Streich, // Ihm fluch' ich; teilt es unter euch!“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 344

CHORUS :  Das alte Wort, das Wort erschallt: // Gehorche willig der Gewalt! // Und bist du kühn und hältst du Stich, // So wage Haus und Hof und – dich.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 344

FAUST auf dem Balkon :  Die Sterne bergen Blick und Schein, // Das Feuer sinkt und lodert klein; // Ein Schauerwindchen fächelt's an, // Bringt Rauch und Dunst zu mir heran. // Geboten schnell, zu schnell getan! – // Was schwebet schattenhaft heran?“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 344

ERSTE :  Ich heiße Mangel. // ZWEITE :  Ich heiße die Schuld. // DRITTE :  Ich heiße die Sorge. // VIERTE :  Ich heiße die Not.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 344-345

ZU DREI :  Die Tür ist verschlossen, wir können nicht ein; // Drin wohnet ein Reicher, wir mögen nicht 'nein.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 345

MANGEL :  Da werd ich zum Schatten. // SCHULD :  Da werd ich zunicht. // NOT :  Man wendet von mir das verwöhnte Gesicht. // SORGE :  Ihr Schwestern, ihr könnt nicht und dürft nicht hinein. Die Sorge, sie schleicht sich durchs Schlüsselloch ein. Sorge verschwindet.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 345

MANGEL :  Ihr, graue Geschwister, entfernt euch von hier. // SCHULD :  Ganz nah an der Seite verbind' ich mich dir. // NOT :  Ganz nah an der Ferse begleitet die Not.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 345

ZU DREI :  Es ziehen die Wolken, es schwinden die Sterne!Dahinten, dahinten! von ferne, von ferne,Da kommt er, der Bruder, da kommt er, der – – – Tod.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 344

FAUST im Palast :  Vier sah ich kommen, drei nur gehn; // Den Sinn der Rede konnt' ich nicht verstehn. // Es klang so nach, als hieß' es – Not, // Ein düstres Reimwort folgte – Tod. // Es tönte hohl, gespensterhaft gedämpft. // Noch hab' ich mich ins Freie nicht gekämpft. // Könnt' ich Magie von meinem Pfad entfernen, // Die Zaubersprüche ganz und gar verlernen, // Stünd' ich, Natur, vor dir ein Mann allein, // Da wär's der Mühe wert, ein Mensch zu sein. // Das war ich sonst, eh' ich's im Düstern suchte, // Mit Frevelwort mich und die Welt verfluchte. // Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll, // Daß niemand weiß, wie er ihn meiden soll. // Wenn auch ein Tag uns klar vernünftig lacht, // In Traumgespinst verwickelt uns die Nacht; // Wir kehren froh von junger Flur zurück, // Ein Vogel krächzt; was krächzt er? Mißgeschick! // Von Aberglauben früh und spat umgarnt: // Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt. // Und so verschüchtert, stehen wir allein. - // Die Pforte knarrt, und niemand kommt herein. // Erschüttert. Ist jemand hier?“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 345-347

SORGE :  Die Frage fordert Ja! // FAUST :  Und du, wer bist denn du? // SORGE :  Bin einmal da. // FAUST :  Entferne dich! //  SORGE :  Ich bin am rechten Ort. // FAUST erst ergrimmt, dann besänftigt, für sich :  Nimm dich in acht und sprich kein Zauberwort. // SORGE :  Würde mich kein Ohr vernehmen, // Müßt' es doch im Herzen dröhnen; // In verwandelter Gestalt // Üb' ich grimmige Gewalt. // Auf den Pfaden, auf der Welle, // Ewig ängstlicher Geselle, // Stets gefunden, nie gesucht, // So geschmeichelt wie verflucht. – // Hast du die Sorge nie gekannt? // FAUST :  Ich bin nur durch die Welt gerannt; // Ein jed' Gelüst ergriff ich bei den Haaren, // Was nicht genügte, ließ ich fahren, // Was mir entwischte, ließ ich ziehn. // Ich habe nur begehrt und nur vollbracht // Und abermals gewünscht und so mit Macht // Mein Leben durchgestürmt; erst groß und mächtig, // Nun aber geht es weise, geht bedächtig. // Der Erdenkreis ist mir genug bekannt, // Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt; // Tor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet, // Sich über Wolken seinesgleichen dichtet! // Er stehe fest und sehe hier sich um; // Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm. // Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen! // Was er erkennt, läßt sich ergreifen. // Er wandle so den Erdentag entlang; // Wenn Geister spuken, geh' er seinen Gang, // Im Weiterschreiten find' er Qual und Glück, // Er, unbefriedigt jeden Augenblick!“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 347-349

SORGE :  Wen ich einmal mir besitze, // Dem ist alle Welt nichts nütze; // Ewiges Düstre steigt herunter, // Sonne geht nicht auf noch unter, // Bei vollkommen äußern Sinnen // Wohnen Finsternisse drinnen, // Und er weiß von allen Schätzen // Sich nicht in Besitz zu setzen. // Glück und Unglück wird zur Grille, // Er verhungert in der Fülle; // Sei es Wonne, sei es Plage, // Schiebt er's zu dem andern Tage, // Ist der Zukunft nur gewärtig, // Und so wird er niemals fertig.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 349

FAUST :  Hör auf! so kommst du mir nicht bei! // Ich mag nicht solchen Unsinn hören. // Fahr hin! die schlechte Litanei, // Sie könnte selbst den klügsten Mann betören.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 349

SORGE :  Soll er gehen, soll er kommen? // Der Entschluß ist ihm genommen; // Auf gebahnten Weges Mitte // Wankt er tastend halbe Schritte. // Er verliert sich immer tiefer, // Siehet alle Dinge schiefer, // Sich und andre lästig drückend, // Atemholend und erstickend; // Nicht erstickt und ohne Leben, // Nicht verzweiflend, nicht ergeben. // So ein unaufhaltsam Rollen, // Schmerzlich Lassen, widrig Sollen // Bald Befreien, bald Erdrücken, // Halber Schlaf und schlecht Erquicken // Heftet ihn an seine Stelle // Und bereitet ihn zur Hölle.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 349-350

FAUST :  Unselige Gespenster! so behandelt ihr // Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen; // Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr // In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen. // Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los, // Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen; // Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß, // Ich werde sie nicht anerkennen!“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 350

SORGE :  Erfahre sie, wie ich geschwind // Mich mit Verwünschung von dir wende! // Die Menschen sind im ganzen Leben blind. // Nun, Fauste, werde du`s am Ende! Sie haucht ihn an.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 350

FAUST erblindet Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen, // Allein im Innern leuchtet helles Licht: // Was ich gedacht, ich eil es zu volbringen; // Des Herren Wort, es gibt allein Gewicht. // Vom Lager auf, ihr Knechte! Mann für Mann!// Laßt glücklich schauen, was ich kühn ersann! // Ergreift das Werkzeug! Schaufel rührt und Spaten! // Das Abgesteckte muß sogleich geraten. // Auf strenges Ordnen, raschen Fleiß // Erfolgt der allerschönste Preis; // Daß sich das größte Werk vollende, // Genügt Ein Geist für tausend Hände.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 350-352

MEPHISTOPHELES als Aufseher voran :  Herbei, herbei! Herein, herein! // Ihr schlotternden Lemuren, // Aus Bändern, Sehnen und Gebein // Geflickte Halbnaturen.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 352

LEMUREN im Chor :  Wir treten dir sogleich zur Hand, // Und wie wir halb vernommen, // Es gilt wohl gar ein weites Land, // Das sollen wir bekommen. // Gespitzte Pfähle, die sind da, // Die Kette lang zum Messen; // Warum an uns der Ruf geschah, // Das haben wir vergessen.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 352

MEPHISTOPHELES :  Hier gilt kein künstlerisch Bemühn; // Verfahret nur nach eignen Maßen! // Der Längste lege längelang sich hin, // Ihr andern lüftet ringsumher den Rasen; // Wie man's für unsre Väter tat, // Vertieft ein längliches Quadrat! // Aus dem Palast ins enge Haus, // So dumm läuft es am Ende doch hinaus.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 352

FAUST :  Ein Sumpf zieht am Gebirge hin. // Verpestet alles schon Errungene; // Den faulen Pfuhl auch abzuziehn, // Das letzte wär das Höchsterrungene. // Eröffn ich Räume vielen Millionen, // Nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen. // Grün das Gefielde, fruchtbar; Mensch und Herde // Sogleich behaglich auf der neuesten Erde, // Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft, // Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft! // Im Innern hier ein paradiesisch Land, // Da rase draußen Flut bis auf zum Rand, // Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschießen, // Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 356

FAUST :  Ja, diesem Sinne bin ich ganz ergeben, // Das ist der Weisheit letzter Schluß: // Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, // Der täglich sie erobern muß.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 356

FAUST :  Und so verbringt, umrungen von Gefahr, // Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr. // Solch ein Gewimmel möcht ich sehn, // Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn!“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 356

FAUST :  Zum Augenblick dürft ich sagen: // »Verweile doch, du bist so schön! // Es kann die Spur von meinen Erdentagen // Nicht in Äonen untergehn.« - // Im Vorgefühl von solchem hohen Glück // Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick..“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 356

ENGEL schwebend in der höheren Atmosphäre :  Faustens Unsterbliches tragend. // Gerettet ist das edle Glied // Der Geisterwelt vom Bösen: // Wer immer strebend sich bemüht, // Den können wir erlösen.“
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 376

CHORUS MYSTICUS :  Alles Vergängliche // Ist nur ein Gleichnis; // Das Unzulängliche, // Hier wirds Ereignis; // Das Unbeschreibliche, // Hier ist es getan; // Das Ewig-Weibliche // Zieht uns hinan. Finis.
Johann Wolfgang von Goethe, Faust (II), 1832, S. 383-384

„Eine tätige Skepsis: welche unablässig bemüht ist, sich selbst zu überwinden, um durch geregelte Erfahrung zu einer Art von bedingter Zuverlässigkeit zu gelangen.“
Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen, postum, 1203

„Immer glaubt ich gutmütig, von anderen etwas zu lernen; / Vierzig Jahr war ich alt, da mich der Irrtum verließ. / Töricht war ich immer, daß andre zu lehren ich glaubte; / Lehre jeden du selbst, Schicksal, wie es bedarf.“
Johann Wolfgang von Goethe, Gedichte aus dem Nachlaß, Epigramme

„Die Gottheit ist wirksam im Lebendigen, aber nicht im Toten; sie ist im Werdenden und sich Verwandelnden, aber nicht im Gewordnen und Erstarrten. Deshalb hat auch die Vernunft in ihrer Tendenz zum Göttlichen es nur mit dem Werdenden, Lebendigen zu tun, der Verstand mit dem Gewordnen, Erstarrten, daß er es nutze.“ (Später sah Oswald Spengler hierin seine „ganze Philosophie“ [vgl. die Anmerkung auf Seite 69 in seinem Hauptwerk].)
Johann Wolfgang von Goethe (zu Eckermann), in: Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens (1822-1832), 1836-1848

 

 

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- Literaturverzeichnis -