WWW.HUBERT-BRUNE.DE Heimseite

© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  http://www.Junge Freiheit.de/   04. Juli 2008

 

Lebensrecht
Eine Schwelle ist überschritten
(von Dieter Stein)

Am vergangenen Samstag hat sich eine 79jährige Frau in Würzburg das Leben genommen. Auf einer Pressekonferenz in Hamburg präsentierte sich danach der Hamburger Ex-Justizsenator Roger Kusch als Sterbehelfer und rühmte sich, der Frau »beratend« zur Seite gestanden zu haben: einer Frau, die nicht todeskrank, sondern offenbar nur einsam war und Angst vor dem Altersheim hatte. Es gibt empörte Reaktionen in der Öffentlichkeit, Vertreter der Kirchen und Politik äußern sich entsetzt. Doch der jüngste Vorstoß folgt einer gewissen Logik nach all den Türen, die im Zuge des Vormarsches der »Kultur des Todes« (Papst Bendeikt XVI.) in unserer Gesellschaft bereits aufgestoßen wurden.

Wenn es nicht zu völlig neuen Widerstandsformen gegen diese Aufweichung ethischer Schranken kommt, dann muß man kein Pessimist sein, um vorherzusagen, daß in wenigen Jahren die »Tötung auf verlangen« ebenso zum Alltag unserer Kultur zählt wie die seit afst vierzig Jahren praktizierte massenhafte Tötung von ungeborenen Kindern im Mutterleib. Das Lebensrecht wird in einer Zangenbewegung immer weiter eingeschränkt: Die Mehrheit hat sich offenbar damit abgefunden, daß seit der Liberalisierung des Paragraphen 218 1974 rund neun Millionen Kinder durch Abtreibung nicht das Licht der Welt erblickt haben.

Zu einem fürchterlichen Automatismus ist darüber hinaus die vorgeburtliche Selektion durch die Pränataldiagnostik geworden, so daß bei Indizierung einer möglichen Behinderung des Kindes zur Regel geworden ist, notfalls durch Spätabtreibung (nach der 22. Schwangerschaftswoche) die Geburt eines solchen Kindes zu verhindern. Gerade ist eine Einigung in der Großen Koalition über eine Erschwerung von Spätabtreibungen wieder gescheitert.

Wenn eine Industrienation wie Deutschland jährlich offiziell über 130000 gezeugte Kinder zur sozial unerträglichen Belastung erklärt und tötet, dann kann man ahnen, wie lange es dauern wird, bis es angesichts explodierender Gesundheitskosten und zerfallender Familienstrukturen genauso normal wird, Tausenden alten Menschen »freiwillig« das Leben »abzukürzen«, weil sie einer lebensfeindlichen Gesellschaft nicht länger zur Last fallen wollen.

Auch bei der in den 1970er Jahren von Feministinnen forcierten Liberalisierung des Abtreibungsrechts führte man spektakuläre Einzelfälle von Frauen in Notsituationen an und sang das Hohelied von der selbstbestimmten Entscheidung der Frau. In der Praxis ist daraus ein menschenverachtender gesellschaftlicher Zwang entstanden, so daß das sioziale Umfeld inzwischen häufig bei »unpassenden Schwangerschaften« nichts anderes mehr erwartet als die Abtreibung, die als eine Art Verhütungsmethode betrachtet wird. Nicht anders wird es bei der Sterbehilfe sein: Unter dem wachsenden Kostendruck »für Alte« wird aus dem »Recht zum Selbstmord« dann »unvermeidlich eine Pflicht« (Robert Spaemann). Roger Kusch ist der Prophet dieser Entwicklung.

Junge Freiheit vom 04. Juli 2008


 

Zur benutzten und empfohlenen Literatur von:

WWW.HUBERT-BRUNE.DE