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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  http://www.Junge Freiheit.de/        3. September 2011

 


Freiwild im Mutterbauch
(von Anni Mursula)

Erst vor wenigen Wochen wurde eine heftige Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik (PID) beendet: Der Bundestag entschied sich, die Selektion gesunder Embryonen bei der künstlichen Befruchtung in Ausnahmefällen zuzulassen. Und das, obwohl es erheblichen Protest gab. Dabei sprachen sich dieses Mal nicht nur die Kirchen und die konservativsten Köpfe des Bundestags für den Schutz des Lebens aus, sondern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und sogar Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU).

Doch kaum ist diese Frage entschieden, steht schon die nächste Diskussion zum Thema Lebensschutz vor der Tür: Ende des Jahres soll ein neuartiger Gentest auf den Markt kommen, mit dem sich das sogenannte Down-Syndrom mit beinahe hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit ermitteln läßt.

Diese Untersuchung – ein Bluttest, der bei der werdenden Mutter bereits ab der zehnten Schwangerschaftswoche durchgeführt werden kann – gilt als eine große Errungenschaft. Denn sie soll die bislang risikoreiche Fruchtwasseruntersuchung ersetzen, die erst in einer späteren Phase der Schwangerschaft vorgenommen werden kann und nicht selten zu einer Fehlgeburt des Ungeborenen führt.

Über neunzig Prozent der betroffenen Frauen treiben ab

So ist es kein Wunder, daß der neue Gentest als ethisch positiv und vor allem als etwas Heilsames gepriesen wird. Schließlich würden durch ihn in Zukunft viele Fehlgeburten vermieden und Leben letztlich damit geschützt. Doch die Kurzsichtigkeit dieser Argumentation liegt auf der Hand: Schließlich entscheiden sich bereits heute über neunzig Prozent der Frauen, bei denen ein Kind mit Down-Syndrom diagnostiziert wird, für eine Abtreibung. Dabei gilt die Diagnose mit den heutigen Methoden nicht mal als besonders zuverlässig.

Wie wird es also dann erst sein, wenn das Ergebnis fast wasserdicht ist und die Diagnose bereits in einem so frühen Stadium der Schwangerschaft gestellt wird? Wenn die Mutter vielleicht noch keine Beziehung zum Kind aufgebaut hat, die Umwelt nicht zwangsläufig von der Schwangerschaft und der möglichen Abtreibung erfahren muß und die Tötung des ungeborenen Kindes noch vergleichsweise unkompliziert durchgeführt werden kann?

Zumindest steht fest, daß mit dem neuen Gentest der Druck auf die Schwangeren, sich testen zu lassen, steigen wird. Nicht zuletzt, weil Ärzte diese Untersuchung noch leichter empfehlen werden, „zur Sicherheit“ und, weil sie nur Vorteile zu bieten scheint. Doch um wessen Sicherheit und Vorteile es hier geht, ist klar. Zumindest nicht um die der ungeborenen Kinder oder die der Eltern, die zu schwierigsten ethischen Entscheidungen gedrängt werden, sondern um die der Ärzte. Schließlich gilt in Deutschland immer noch das Arzthaftungsrecht, nach dem Ärzte verurteilt werden können, wenn sie vor der Geburt eines Kindes nicht eindringlich genug vor dem Down-Syndrom gewarnt haben.

Bundesforschungsministerium fördert den Test mit 230.000 Euro

Das Skandalöse am neuen Gentest ist nicht mal die Tatsache, daß das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) dessen Entwicklung mit rund 230.000 Euro fördert. Sprich, daß ein Bundesministerium eine Art „Rasterfahndung“ finanziell unterstützt „mit dem einzigen Ziel, Menschen mit Behinderung auszusortieren und zu töten“, wie der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), dem Tagesspiegel sagte.

Nein, das Bedauerliche ist, daß der Bundestag über diese ethisch hoch komplizierte Frage erst gar nicht entscheiden muß, wie es bei der PID der Fall war. Der Grund: Dieses Mal handelt es sich um Embryonen innerhalb der Gebärmutter, und nicht um welche, die sich im Reagenzglas befinden. Dadurch stehen sie nicht unter demselben Schutz, und die Rechte und das Befinden der Mütter gehen vor. Die Gesetzeslage ist in diesem Fall klar.

Was absurd klingt, ist in Deutschland Normalität: Denn ungeborenes Leben ist hierzulande nirgendwo so schlecht geschützt wie im Mutterleib. Was im Reagenzglas als unantastbares Leben gilt, darf bis zum Einsetzen der Wehen im Mutterbauch abgetrieben werden. Da wagt sich keine Angela Merkel oder Annette Schavan ran. Denn auch diese beiden kinderlosen Karrierefrauen sehen das Recht der Frau am eigenen Körper vermutlich höher an, als das Recht des ungeborenen Kindes auf Leben.

Junge Freiheit vom 3. September 2011


 

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