WWW.HUBERT-BRUNE.DE Heimseite

© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  http://www.Junge Freiheit.de/        11. Juli 2008

 

 

Warnung vor neuer Bürokratie
Europäische Union: Antidiskriminierungsrichtlinie soll nach den Plänen von EU-Kommissar Vladimir Spidla auch auf das Zivilrecht ausgedehnt werden
Josef Hämmerling

Die EU-Kommission plant eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie, die Deutschland eine Verschärfung des vielfach kritisierten Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bescheren könnte. Während das Europäische Parlament mit der Mehrheit aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen diese von EU-Kommissar Vladimír Špidla vorangetriebene weitreichende Richtlinie unterstützt, lehnen die konservativen Parteien und die Wirtschaftsverbände sie kategorisch ab.

Der größte Widerstand kommt aus der Industrie. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHT) warnt davor, die finanziellen und bürokratischen Hürden zu überziehen. Auch gehe die EU eindeutig zu weit, die Vorschriften zur Antidiskriminierung nun auch noch auf das Zivilrecht, das Baurecht sowie den Gesundheits- und Sozialschutz auszuweiten. Vor weiteren kaum noch stemmbaren Belastungen warnte der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hanns-Eberhard Schleyer. So hätten die deutschen Unternehmen alleine im ersten Jahr nach der 2006 erfolgten Einführung des AGG (JF 29/07) über 1,73 Milliarden Euro aufwenden müssen, ihre Mitarbeiter vorschriftsmäßig zu schulen und ihre Personalpolitik entsprechend des AGG zu betreiben.

Schleyer warnte davor, daß die Ausweitung der Antidiskriminierungsvorschriften auf die Bereiche Alter, Behinderung und sexuelle Ausrichtung Konsequenzen auf den betrieblichen Alltag haben werde. Alleine die zu erwartende Anpassung der Konditionen der Banken und Versicherungen, um die gestiegenen Risiken und damit verbundenen Kosten wieder aufzufangen, werde viele Unternehmen stark belasten und unter Umständen sogar negative Auswirkungen auf die Auftragslage haben. Die Rechnung werde am Ende der Verbraucher und damit auch das Handwerk und der Mittelstand zu tragen haben.

Den Wirtschaftsverbänden machen vor allem die nicht genau spezifizierten Vorschriften Sorgen. So etwa, ob der Handel nunmehr gezwungen sei, künftig alle Preise auch in Blindenschrift auszuzeichnen - alleine das würde einen riesigen Kostenfaktor bedeuten.

Oder ob auch kleine Einzelhändler und Gastronomen gezwungen würden, Rollstuhlfahrern einen barrierefreien Zugang zu ihren Räumen zu ermöglichen. Auch werde es eine große Rechtsunsicherheit geben. So befürchtet etwa die Zeitung Das Parlament, daß wohl mit einiger Sicherheit vor Gericht geklärt werden müsse, ob die Stellenanzeige "Junger dynamischer Mitarbeiter gesucht" gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoße oder nicht. Andere Unternehmensverbände befürchten eine Klagewut älterer Personen, die sich auf Stellen bewerben, die schon alleine aufgrund ihrer Anforderungen nur für jüngere Personen geeignet sind.

Schleyer wies darauf hin, die EU-Kommission habe schon 2004 festgestellt, daß die EU weltweit über den am weitesten fortgeschrittenen Rechtsrahmen bezüglich der Antidiskriminierung verfüge. "Warum soll dann nur vier Jahre später ein weiterer Regelungsbedarf bestehen? Anstatt alle Lebensbereiche zu bürokratisieren, sollten zunächst die Ausgänge der derzeit in den elf Mitgliedsstaaten laufenden Vertragsverletzungsverfahren bezüglich der ersten EU-Antidiskriminierungsrichtline abgewartet werden, bevor neue und unnötige Vorschriften in Angriff genommen werden", erklärte der ZDH-Generalsekretär.

Zudem zeigte der jüngste Bericht "Beschäftigungsausblick" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), daß trotz der Antidiskriminierungsvorschriften die Praxis anders aussieht. So verdienen zum Beispiel Frauen in Deutschland fast ein Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen. Größer ist der Abstand in den 20 untersuchten Staaten nur noch in Japan und Südkorea. Und auch die Beschäftigungsquote bei jungen Ausländern habe rund 15 Prozent niedriger als bei vergleichbaren Deutschen gelegen. Doch selbst die Gewerkschaften wehren sich gegen weitere Gesetze: "Diese würden kaum etwas erreichen, vielmehr muß sich in den Köpfen etwas ändern", sagte die Leiterin des Ressorts Migration bei der IG Metall, Nafiz Özbek.

Junge Freiheit vom 11. Juli 2008


 

Zur benutzten und empfohlenen Literatur von:

WWW.HUBERT-BRUNE.DE