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Harald Lesch (*1960)
- Kosmologie für Fußgänger (2001) -
- Physik für die Westentasche (2003) -
- Big Bang, zweiter Akt. Auf den Spuren des Lebens im All (2003) -
- Kosmologie für helle Köpfe. Die dunklen Seiten des Universums (2006) -
- Quantenmechanik für die Westentasche (2007) -
- Denker des Abendlandes (2007) -
- Die kürzeste Geschichte allen Lebens (2008) -
- Weißt du, wieviel Sterne stehen?  Wie das Licht in die Welt kommt (2008) -
Lesch-Zitate. Da Harald Lesch ein didaktisch und naturphilosophisch wertvoller Physiker ist, möchte ich ihm eine               separate Seite widmen und aus einem seiner naturwissenschaftlichen Werke zitieren:
- Big Bang, zweiter Akt (2003) -

 

 

 

Big Bang, zweiter Akt. Auf den Spuren des Lebens im All (2003)

  –  Einleitung (S. 11-14)
  1. Das Handwerkszeug (S. 17-28)
  2. Was ist Leben?  (S. 29-68)
  3. Die Bausteine des Lebens (S- 69-88)
  4. Die Entstehung der Materie (S. 89-98)
  5. Die Sterne entstehen (S. 99-104)
  6. Die schweren Elemente (S. 105-123)
  7. Biochemie und Ursprung des Lebens (S. 124-174)
  8. Leben im Sonnensystem (S. 175-221)
  9. Gesucht: Ein idealer Platz für das Leben (S. 222-263)
10. Extrasolare Planeten (S. 264-289)
11. Die Suche nach außerirdischem Leben (S. 290-337)
12. Raumfahrt (S. 338-378)
13. Warum ist die Welt so, wie sie ist?  (S. 379-403)
 –  Ausblick (S. 404-408)
     Anhang:
 –  Anhang A) Eine kurze Geschichte des Lebens auf der Erde (S. 409-418)
 –  Anhang B) Internet-Adressen (S. 419-420)
 –  Anhang C) Literaturverzeichnis (S. 421-427)
 –  Anhang D) Boxenverzeichnis und Dank (S. 428-429)
 –  Register (S. 431-440)
 –  Abbildungsverzeichnis (S. 441-443)

2. Was ist Leben?  (S. 29-68)

„Das Leben auf der Erde ist geronnenes Sonnenlicht, ist Manifestation kosmischer Energie. Auch eventuelles Leben anderswo im Universum braucht Sterne als Energiespender ....“ (Ebd., S. 31).

Versuchen wir es mal aus der Sicht eines Physikers. Für ihn ist das Leben ein sich selbst organisierendes, dissipatives Nichtgleichgewichtssystem. Besser kann man es kaum formulieren. Jede Art von Leben, auch außerirdisches, muß ein sich selbst organisierendes, dissipatives Nichtgleichgewichtssystem sein.“ (Ebd., S. 34).

„Im Gleichgewicht ist alles gleich, das sagt ja schon das Wort.“ (Ebd., S. 35).

„In der Physik ist der einfachste Zustand, den ein System erreichen kann, ein Gleichgewichtszustand. Ist das Gleichgewicht hergestellt, so geht nichts mehr, denn es ist ja alles ausgeglichen. .... Prinzipiell gilt: Je näher ein System am Gleichgewicht ist, desto weniger tut sich in ihm. Ist das Gleichgewicht schließlich erreicht, so sind alle treibenden Kräfte erlahmt, und das System ist tot. Daß alle Systeme einem Gleichgewicht zustreben, ist eine der wichtigsten Grundregeln der Physik. .... Die unterschiedlichen Energieformen haben unterschiedliche Auswirkungen. Ein Körper mit kinetischer Energie ist in Bewegung. Ein Körper mit potentieller Energie kann von einem Tisch herabfallen und dabei Bewegungsenergie gewinnen. Doch letztendlich haben alle Energieformen das Bestreben, sich in Wärmeenergie umzuwandeln. .... Materie versucht immer ins Gleichgewicht mit ihrer Umgebung zu kommen, indem sie alle Energieformen letztlich in Wärme verwandelt. Dieses Bestreben, sich so unordentlich wie möglich zu strukturieren, begegnet uns im Alltag ständig. Eine vom Tisch heruntergefallene Tasse, nun in tausend Scherben, bleibt zersprungen. .... Alle Prozesse im Universum haben die Tendenz, die Unordnung zu erhöhen, indem sie Wärme austauschen. Diese erstaunliche Erkenntnis ist als zweiter Hauptsatz der Thermodynamik bekannt geworden. Sie muß uns als Lebewesen unweigerlich beschäftigen, denn offenkundig zeichnen sich Lebewesen ja gerade dadurch aus, daß sie nicht im Gleichgewicht mit ihrer Umgebung sind. Oder anders ausgedrückt: Wenn sie sich im Gleichgewicht mit ihrer Umgebung befinden, sind sie tot. Irgendetwas in einem Lebewesen sorgt also dafür, daß das Ungleichgewicht aufrechterhalten wird, sich andauernd erneuert, ja sich sogar verstärkt. Lebende Organismen bauen Ordnung auf. Der Mensch zum Beispiel repariert sich ständig selbst. .... Wir bekommen alle fünf Tage eine neue Magenschleimhaut, die Leber wird alle zwei Monate komplett erneuert. Unser größtes Organ, die Haut, regeneriert sich alle sechs Wochen. In jedem Jahr werden 98 Prozent der Atome in unserem Körper durch andere ersetzt. Dieser ununterbrochene chemische Austausch, Stoffwechsel genannt, ist das Zeichen von Leben. Alle Lebewesen sind gewissermaßen Inseln der Ordnung in einem Meer von Unordnung. Sie sind in der Lage, sich selbst zu strukturieren, obwohl die Erfahrung zeigt, daß sich die Materie im allgemeinen nicht selbst ordnet. Wie kann das sein?  Ist das nicht ein Verstoß gegen die Regeln der Physik, gegen die Theorien über den Ablauf der Welt?  Auf diese Frage kann man mit einem entschiedenen »Nein« antworten!“  (Ebd., S. 35-38).

„Alles zerfällt, sogar Gebirge sind nicht sicher vor dem Zerfall. Insbesondere Lebewesen sind irreversible Systeme, weil sie ständig Wärme abgeben. Überhaupt ist das ganze Universum irreversibel, denn überall im All wird Wärme ausgetauscht. Die thermodynamische Theorie besagt, daß in einem abgeschlossenen System die Prozesse ausschließlich in Richtung eines Zustands geringerer Ordnung ablaufen, was gleichbedeutend ist mit der Zunahme an Entropie.“ (Ebd., S. 39).

„Das Leben ist ein sich selbst organisierendes, dissipatives Nichtgleichgewichtssystem ....“ (Ebd., S. 42).

Universum, Sonne, Erde
Die Erde zwischen der Energiequelle Sonne und der Energiesenke des kalten Weltraums. Damit Leben entstehen kann, muß ein steter Fluß von Energie durch ein biologisches System gewährleistet sein.

„Der wesentliche Unterschied zwischen belebter und unbelebter Materie zeigt sich in den Verbindungen der Elemente. Unbelebte Materie bevorzugt einfache, um nicht zu sagen simpelste chemische Verbindungen, auch wenn sie scheinbar so kompliziert strukturiert sind wie in einem Kristall. Beispielsweise setzt sich das Sauerstoffmolekül der Luft aus nur zwei Sauerstoffatomen zusammen. Kochsalz besteht aus einem Natriumatom und einem Chloratom, Wasser aus einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen. Ganz anders in Lebewesen: Belebte Materie zeigt eine schier unglaubliche Vielfalt an Bindungsmöglichkeiten und besteht immer aus hoch komplizierten Molekülen, die so groß sind, daß sie sogar unter dem Mikroskop zu erkennen sind: gewaltige Komplexe von Tausenden von Wasserstoff-, Sauerstoff- und Stickstoffatomen, eingebunden in Gerüsten aus Kohlenstoffketten, die das Ganze zusammenhalten. Gerade das Element Kohlenstoff ist der Schlüssel zum Geheimnis des Lebens auf der Erde. Kohlenstoff ist nämlich in der Lage, mit praktisch jedem Element Verbindungen einzugehen. Aber auch mit seinesgleichen kann es sich in unterschiedlichen Bindungsformen zusammentun, denn nur die langen makromolekularen Ketten aneinander gereihter Kohlenstoffatome sowie die Kohlenstoffringmoleküle öffnen der organischen Welt die Tür zum Leben. Wie aber konnte es zu diesen komplexen Molekülen kommen?  Offenbar haben sich bei der Entstehung von Leben zunächst recht einfache Moleküle zu stetig komplizierteren Verbindungen bis hin zu den Makromolekülen der Eiweißbausteine zusammengefunden. Dabei ist die Ordnung immer mehr gewachsen, und die Entropie der Biosphäre, also der lebenden Welt, hat sich ständig verringert! Das scheint im Widerspruch zu stehen zu den Gesetzen der Thermodynamik, die doch für geschlossene Systeme eine stete Zunahme der Entropie fordern. Die Erde und ihre Biosphäre sind aber alles andere als abgeschlossene Systeme. Sie sind offen, und in einem offenen System kann die Entropie an bestimmten Orten auch abnehmen. Die Erde ist ein solcher Ort im Universum, ihr wird fortwährend von außen Energie zugeführt, hauptsächlich in Form von Sonnenlicht. Andererseits verliert sie auch wieder Energie durch Abstrahlung von Wärme in die kalte Umgebung des Universums. Prozesse, die dem Drang nach Unordnung entgegenwirken und aus Unordnung Ordnung schaffen wie beim Aufbau komplexer Moleküle aus einzelnen Atombausteinen, laufen nur ab, wenn ein permanenter Fluß von Energie durch das System garantiert ist. Das hört auch nicht auf, wenn das Leben erst einmal entstanden ist, denn nun beginnt es sich unaufhaltsam zu vermehren, und die Ordnung erfaßt immer größere Bereiche. Aus Ordnung wird wieder Ordnung. Immer dann, wenn sich ein biologischer Organismus verdoppelt, wird aus einem bereits sehr geordneten chemischen System ein weiteres, ebenfalls sehr geordnetes System, und auch das geht nicht ohne eine äußere Energiequelle. Für Physiker ist also das Leben ein sehr geordneter, aber auch ein äußerts unwahrscheinlicher Zustand der Materie. Es kann sich nur deshalb gegen den allgemeinen natürlichen Trend zur Unordnung behaupten, weil es ständig Energie aus seiner Umgebung aufnimmt und zum Aufbau und Erhalt von Ordnung verwendet. .... Erst nachdem einfache, einzellige Lebewesen (Einzeller) auf der Erde die Verwendung von Sonnenenergie zum Aufbau von Kohlenhydraten entdeckten, stieg der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre. Diese einfachen Lebensformen haben die Atmosphäre der Erde so umgebaut, daß sich für späteres Leben günstigere Umstände ergaben. Die Einzeller waren und sind die Architekten einer Atmosphäre, die das Leben schützt. Aus der Erde wurde auf diese Weise ein planetares biologisches System - das Biosystem Erde. Um bestehen zu können, benötigt das Leben gleichmäßig sprudelnde Energiequellen. Große Energiebeträge in kurzer Zeit zerstören eher das Leben und erhöhen somit wieder den Grad der Unordnung. Als Energiequellen besonders geeignet sind Sterne, für uns auf der Erde ist das die Sonne. Letztlich müssen die Lebewesen aber die aufgenommene Energie, wenn auch in veränderter Form, wieder loswerden können, da sie ansonsten an Überhitzung zugrunde gehen würden. Zumeist geschieht dies durch Abgabe von Wärme an die Umgebung: Der Mensch schwitzt, die Pflanze verdunstet Wasser. Die Energiesenke ist der eiskalte Raum des Universums. Die Drehung um ihre Achse erleichtert es der Erde, die aufgenommene Energie wieder an das Universum abzugeben und so ihre Temperatur zu regeln. Würde die Erde alle Energie in ihrer Atmosphäre speichern, so wäre es hier ähnlich heiß wie auf dem Planeten Venus: etwa 400 bis 500 Grad Celsius. Würde sie dagegen alle Energie, die sie von der Sonne erhält, komplett abstrahlen, so wäre es auf unserem Planeten dermaßen kalt, daß sogar vierzigprozentiger Wodka gefrieren würde: nämlich minus 30 Grad Celsius. Damit haben wir ein weiteres Kriterium für Leben gefunden: Leben kann nur entstehen und sich fortentwickeln, wenn es in ein größeres System eingebettet ist, das sich im Zustand des thermodynamischen Ungleichgewichts befindet. Das übergeordnete System, zu dem unsere Erde gehört, ist das Sonnensystem, ein System weitab vom thermodynamischen Gleichgewicht. Die Biosphäre der Erde konnte und kann sich nur organisieren, weil sie sich genau zwischen der heißen Sonne und dem kalten Weltraum befindet. Diese fundamentale Regel gilt für alle Lebensvorgänge im gesamten Universum! Anders ausgedrückt heißt das: Wo immer sich auf einem Himmelskörper Leben entwickeln soll, darf es nicht so heiß sein wie auf einem Stern und nicht so kalt wie im Weltraum. Gleichgültig wo immer im Universum es Lebewesen gibt, sie müssen Energie aufnehmen und abgeben können, und die zum System gehörenden Quellen müssen einen gleichmäßigen Strom passender Energie liefern. Dabei spielen die Formen der Lebewesen und ihre inneren biochemischen Vorgänge keine Rolle. Ohne Energiezufuhr gibt es kein Leben! Da die Energie des Universums in den Sternen steckt, muß man folglich davon ausgehen, daß Leben auch nur auf solchen Planeten existieren kann, die einen Stern umkreisen, und zwar so, daß die vom Stern abgestrahlte Energie vom Planeten aufgenommen und wieder abgegeben werden kann. Man sieht, das Leben stellt ganz schön hohe Anforderungen an seine Umgebung. Doch selbst wenn alle Bedingungen erfüllt sind, wird Leben erst dann entstehen können, wenn das System auch zu einer höheren Ordnung fähig ist. Ein Kristall bleibt stets ein Kristall, auch wenn er noch so viele Bausteine anlagert und immer weiter wächst. Bei der Verbindung von zwei Molekülen jedoch entsteht bereits etwas Neues, etwas mit höherer Ordnung. Wenn also aus Unordnung Ordnung geworden ist, dann besteht der nächste Schritt darin, aus der Ordnung eine noch höhere Ordnung herzustellen. Selbstorganisation, also die Erschaffung von Ordnung aus Unordnung, ist der entscheidende Weg, der vom unbelebten Zustand ins Reich des Lebens führt. Der Schritt, aus Ordnung höhere Ordnung zu schaffen, bedeutet Differenzierung und weitergehende Strukturierung eines biologischen Systems. Nun haben wir endlich auch den dritten Begriff aus der allgemeinen Definition von Leben geklärt, und weil die Definition so außerordentlich wichtig für unser Thema ist, wiederholen wir sie hier noch einmal: Jede Art von Leben, auch außerirdisches, muß ein dissipatives, sich selbst organisierendes Nichtgleichgewichtssystem sein.“ (Ebd., S. 42-47).

Stoffe
In einem Kreisprozeß reagiert ein Stoff A mit
mehreren Partnern zu unterschiedlichen Partnern zu unterschiedlichen Verbindungen, wird aber am Ende der Raektionskette wieder als Ausgangsstoff für einen neuen Kreislauf freigesetzt. Die durchgezogene Linie symbolisiert den Kreisprozeß.

„Die nahezu unbegrenzten Möglichkeiten des Kohlenstoffs, sich mit allen möglichen Elementen zu den unterschiedlichsten Verbindungen zusammenzutun, eröffneten ein schier unendliches Experimentierfeld für immer kompliziertere Vorstufen des Lebens. .... – Alles dreht sich im Kreis – .... Im Meer der Unwahrscheinlichkeit experimentierte die Natur in stets neuen Versuchsreihen mit den zur Verfügung stehenden Bausteinen. Dabei entstanden Ketten aus Kohlenstoff-, Sauerstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff- und Phosphoratomen, die sich immer mehr falteten, umbauten, neu strukturierten und somit zunehmend komplexere Verbindungen errichteten. Mit jeder neuen Faltung dieser riesigen, dreidimensionalen Molekülverbände entfernten sich die »Noch-nicht-Lebewesen« vom Gleichgewicht in ihrer Umgebung. .... Die Vorgänge sind Kreisprozesse. Kreisprozesse sind gekennzeichnet durch eine Abfolge von chemischen Reaktionen, die mit dem Verbrauch eines Reaktionspartners beginnen und diesen am Ende wieder freisetzen. Entsteht beispielsweise durch Zufuhr von Energie aus zwei Molekülen ein anderes Molekül, so wird die Energie im neuen Molekül in den gegenseitigen Bindungen der beteiligten Atome als so genannte Bindungsenergie gespeichert. .... Wird in einer späteren chemischen Reaktion das Molekül in seine Auzsgangskomponenten aufgebrochen, so wird die Bindungsenergie wieder frei, und die Komponenten, aus denen das Molekül zusammengesetzt war, stehen für den Aufbau neuer Moleküle zur Verfügung. Damit ist der Kreis geschlossen. Mithilfe von Molekülen läßt sich also Energie transportieren, denn wie Speditionsunternehmen wandern Moleküle mit ihrer Bindungsenergie durch ein bilologisches System, werden dort in komplexen chemischen Reaktionen umgebaut und zerlegt und geben dabei ihre Bindungenergie an das System ab.“ (Ebd., S. 48-50).

Sauerstoff in der Atmosphäre

„Diese »Urviecher«, die man auch als Prokaryonten bezeichnet, sind nur wenig strukturiert, sie besitzen noch keinen klar umrissenen Zellkern. Die nächst höhere Entwicklungsstufe stellen die so genannten Eukaryonten dar, Zellen mit mehreren inneren Membransystemen und einer Reihe von Zellbestandtteilen wie dem Zellkern, den Chloroplasten, dem Golgi-Apparat und schließlich den Mitochondrien. Eukaryonten ... sind ... die Prototypen irdischen Lebens, der gesamten Flora und Fauna. Durch ihre halb durchlässigen Grenzmembranen wird die Zelle zu einer teilweise abgeschlossenen System- und Funktionseinheit mit einer gewissen Eigenständigkeit. Physikalisch gesprochen ermöglicht diese Abgrenzung der Zelle die Aufrechterhaltung eines Zustands weitab vom thermodynamischen Gleichgewicht. Damit gleicht die Zelle einer sehr kompakten und sehr effizienten chemischen Fabrik, in der die notwendigen Kreisprozesse, von äußeren Einflüssen mehr oder weniger ungestört, ablaufen können. .... Man unterscheidet zwei Arten von Zellen: einfache Zellen ohne Zellkern, die Prokaryonten, und komplexe Zellen, die Eukaryonten. Bakterien sind prokaryontische Zellen, während sich Pflanzen und Tiere aus eukaryontischen Zellen zusammensetzen. Alle Zellen bestehen in erster Linie aus dem Zellplasma, umgeben von einer Zellmembran oder einer Zellwand. Bei den Prokaryonten schwimmt die Erbinformation tragende DNS frei in diesem Plasma. Eukaryontische Zellen sind komplizierter aufgebaut. Man findet zahlreiche, mit speziellen Aufgaben betraute Zellorganellen wie beispielsweise den Zellkern, die Mitochondrien, den Golgi-Apparat, die Ribosomen und das endoplasmatische Reticulum.“ (Ebd., S. 57-60).

3. Die Bausteine des Lebens (S. 69-89)

„Protonen und Neutronen sind keine Elementarteilchen, sondern besitzen eine innere Struktur. Beide sind aus je drei Quarks aufgebaut: das Proton aus zwei Up-Quarks und einem Down-Quark, das Neutron aus einem Up-Quark und zwei Down-Quarks. .... Bezeichnet man die Elementarladung eines Elektrons mit e0, so besitzt das Up-Quark die Ladung + 2/3e0, das Down-Quark die Ladung - 2/3e0. Die Ladungssumme der im jeweiligen Nukleon vereinigten Quarks ergibt für das Proton den Wert + e0 und für das Neutron den Wert Null, so wie es sein muß, damit das Proton nach außen als Ganzes elektrisch positiv erscheint und das Neutron elektrisch neutral. Aus der Tatsache, daß das Down-Quark geringfügig schwerer ist als das Up-Quark, erklärt sich auch die gegenüber dem Proton etwas größere Masse des Neutrons. Mittels der schwachen Kernkraft können sich Neutronen in Protronen umwandeln, ein Vorgang, der insbesondere beim so genannten b-Zerfall radioaktiver Elemente zu beobachten ist. Dabei entsteht aus einem Kernneutron ein Proton, und ein Elektron und ein Antineutrino verlassen den Kern. Bei diesem Prozeß wandelt sich ein Down-Quark des Neutrons in ein Up-Quark um, so daß ein Proton mit zwei Up-Quark und einem Down-Quark entsteht. Die Massendifferenz zwischen Neutron und Proton steckt in dem Elektron und dem Antineutrino. .... Das derzeit gültige Standardmodell der Teilchenphysik ... umfaßt insgesamt sechs verschiedene Quarks mit der Bezeichnung up, down, strange, charme, top und bottom, welche die Symmetrieeigenschaften der Teilchen beschreiben. .... Vervollständigt werden die Elementarteilchen durch sechs Leptonen: dem Elektron e, dem Elektron-Neutrino ve, dem Myon m-, dem Myon-Neutrino, dem Tau t- und dem Tau-Neutrino vt. .... Neutrinos entstehen sowohl bei radioaktiven Zerfalls- als auch bei Kernfusionsprozessen, wie sie beispielsweise in der Sonne ablaufen. .... Man teilt die Elementarteilchen in drei Familien auf (I: Elektron, Elektron-Neutrino, Up-Quark, Down-Quark; II: Myon, Myon-Neutrinoi, Charm-Quark, Strange-Quark; III: Tau, Tau-Neutrino, Top-Quark, Bottom-Quark). Eigenartigerweise benutzt die Natur jedoch nur die Teilchen der ersten Familie, um die gesamte baryonische Materie des Universums aufzubauen, aus der die Planeten, die Sterne und die Galaxien bestehen. Warum und zu welchem Zweck sich die Natur den Luxus zweier weiter Teilchenfamilien leistet, ist bis heute nicht geklärt.“ (Ebd., S. 85-87).

6. Die schweren Elemente (S. 105-123)

„Die Entwicklungsphasen von Sternen, deren Anfangsmassen größer sind als acht Sonnenmassen, laufen anders ab, wobei sich insbesondere das Ende weitaus dramatischer gestaltet. Am Beispiel eines 20-Sonnenmassen-Sterns läßt sich das gut studieren: Im Anfangsstadium verlaufen die Lebenswege massereicher und massearmer Sterne noch parallel. Beide Arten beginnen in der Kernzone mit dem Wasserstoffbrennen, gefolgt vom Heliumbrennen. Was die Dauer der Brennphasen betrifft, so besteht allerdings ein wesentlicher Unterschied. Während ein Stern wie unsere Sonne rund zehn Milliarden Jahre von seinem Wasserstoffvorrat lebt, verheizt ein 20-Sonnenmassen-Stern seinen Brennstoff in wenigen Millionen Jahren. Das Heliumbrennen läuft noch schneller ab, es ist bereits nach einigen hunderttausend Jahren beendet. Jetzt trennen sich die Lebenswege der massereichen und der massearmen Sterne. Während das Kernbrennen bei den massearmen Sternen mit dem Heliumbrennen beendet ist, kollabiert der Kern der schweren Sterne weiter, bis die Temperatur im Inneren den für das nun folgende Kohlenstoffbrennen nötigen Wert von etwa 700 Millionen Kelvin erreicht. Das funktioniert, weil die ursprüngliche Sternmasse so groß war, daß trotz der Sternwinde noch ein ausreichend schwerer Kern verbleibt, dessen Masse für entsprechend starke Gravitationskräfte sorgt. Für das Kohlenstoffbrennen, bei dem nun in großem Umfang Natrium, Neon und Magnesium fusioniert werden, braucht der Stern nur noch etwa 1000 Jahre. Es bereitet jetzt keine Probleme mehr, den weiteren Fortgang der Ereignisse zu erraten: Ist auch der Kohlenstoffvorrat verbrannt, so laufen wieder die gleichen Prozesse ab, die wir schon kennen. Der Kern verdichtet sich weiter, und Druck und Temperatur steigen nochmals an. Bei etwa einer Milliarde Grad startet das so genannte Neonbrennen, wobei Magnesium, Silizium und Schwefel erzeugt werden. Ab zwei Milliarden Grad beginnt das Sauerstoffbrennen mit Silizium und Schwefel als Fusionsprodukt, und schließlich, bei drei Milliarden Grad, wird Silizium zu Eisen und Nickel verbrannt. Die Brennphasen dauern von Stufe zu Stufe immer kürzer. Das Neonbrennen ist nach etwa zehn Jahren beendet, das Sauerstoffbrennen in einem Jahr, und für die Fusion von Silizium zu Eisen und Nickel benötigt der Stern nur noch wenige Stunden. Mit dem Siliziumbrennen bricht die Kernreaktionskette ab. Eine Fusion der Eisenatome würde keine Energie mehr liefern, vielmehr müßte Energie von außen zugeführt werden, um ein Verschmelzen in Gang zu setzen. Das nukleare Feuer ist also endgültig erloschen. Was nun folgt, gehört mit zu den spektakulärsten Ereignissen, die das Universum zu bieten hat.“ (Ebd., S. 109-111).

„Da weder in den massereichen noch in den massearmen Sternen während der verschiedenen Brennphasen Elemente, die schwerer sind als Eisen, entstehen, muß es andere Prozesse zu deren Synthese geben, die parallel zu den einzelnen Brennstufen ablaufen. Die entscheidende Rolle spielen dabei die Neutronen, welche in großer Zahl bei den Verschmelzungsvorgängen anfallen. Kollidiert eines dieser Neutronen mit einem Atomkern, so kann es im Kern stecken bleiben. Bei diesem Prozeß wird die Anzahl der Kernbausteine um ein Nukleon erhöht. Als Ergebnis erhält man ein Isotop des ursprünglichen Elements, also einen Kern mit einem überschüssigen Neutron. Viele dieser Isotope sind jedoch nicht stabil, sie zerfallen radioaktiv. Dabei verwandelt sich eines der elektrisch ungeladenen Kernneutronen in ein positiv geladenes Proton, und ein Elektron und ein Antineutrino verlassen den Kern. Zwar ändert dieser Vorgang nichts an der Anzahl der Kernbausteine, aber die Ladung des Kerns ist jetzt um eine Einheit größer, so daß der Kern zum nächsthöheren Element im Periodensystem aufsteigt. Dieser Vorgang kann mehrmals hintereinander ablaufen, wobei die Kerne des neuen Elements nun ihrerseits Neutronen einfangen und neue Isotope bilden, die sich dann beim anschließenden Zerfall in noch schwerere Elemente umwandeln. Auf diese Weise entsteht ein ganzes Netzwerk aus Neutroneneinfang und Isotopenzerfall, das Ergebnis sind zunehmend schwerere Elemente. Ausgehend von Eisen wird auf diese Weise ein Großteil der Elemente wie Silber, Gold und Platin bis hinauf zum Blei aufgebaut. Diesen Vorgang bezeichnen die Astrophysiker auch als »s-Prozeß«  (wobei das »s« für das englische Wort »slow« = langsam steht). Der Prozeß muß langsam ablaufen, damit den instabilen Isotopen genügend Zeit bleibt, durch den Zerfall eines Neutrons in das nächsthöhere Element überzugehen, noch bevor ein weiteres Neutron eingefangen wird. In sehr heißen und dichten Teilchengasen wie beispielsweise der explodierenden Hülle einer Supernova läuft dagegen eine Turboversion der Atombildung ab, der so genannte »r-Prozeß« (»r« hier steht für das englische Wort »rapide« und bedeutet »schnell«). Das Einfangen von Neutronen erfolgt nun wesentlich schneller, so daß für den konkurrierenden Neutronenzerfall kaum Zeit bleibt. Durch »r-Prozesse« werden insbesondere die neutronenreichen Kerne der schweren Elemente wie Uran und Thorium gebildet.“ (Ebd., S. 112-113).

„Der Kern des anfänglich 20 Sonnenmassen schweren Sterns ist nach all den vorausgegangenen Brennphasen und vor allem durch die verlustreichen Sternwinde schließlich auf etwa 1,5 Sonnenmassen geschrumpft. Nun regiert erneut die Schwerkraft, und zum wiederholten male kontrahiert der kern. Jetzt beginnen Prozesse, in deren Verlauf eine große Menge Neutrinos freigesetzt wird, die den Stern nahezu ungehindert verlassen und damit in enormen Umfang Energie abführen. Dadurch kühlt die Kernregion rasch ab, der Druck im Inneren sinkt rapide, und die Schwerkraft preßt den Kern noch weiter zusammen. Schließlich verschmelzen sogar die vorhandenen Elektronen mit den Protonen, so daß ein superdichter Neutronenstern sowie eine Unmenge weiterer Neutrinos entstehen. Da nun auch der stabilisierende Druck der Elektronen wegfällt - der Druck kommt dadurch zustande, daß die Elektronen unterschiedliche Energieniveaus besetzen und somit beliebig eng zusammenrücken können -, bricht der Stern im Bruchteil einer Sekunde unter seiner eigenen Schwerkraft zusammen. Die jetzt auf den Neutronenkern niederprasselnden äußeren Sternschichten verursachen gewaltige Druckwellen, die vom harten Kern zurückprallen und gemeinsam mit den Neutrinos nach außen rasen. Dabei wird die Sternhülle schlagartig so stark aufgeheizt, daß der gesamte Stern in einer gewaltigen Explosion zerrissen und seine Hülle weit in den Raum hinausgeschleudert wird. Die frei werdende Menge an Energie ist so gigantisch, daß bereits ein Prozent davon den Sternrest für kurze Zeit heller leuchten läßt als alle 100 Milliarden Sterne einer Galaxie zusammen. Dieses Schauspiel, welches das Leben eines Sterns endgültig beschließt, bezeichnen die Astrophysiker recht nüchtern als Supernova-Explosion vom Typ II. Am Ende dieses spektakulären Vorgangs bleibt im Zentrum ein nur einige zig Kilometer großer, so genannter Neutronenstern übrig. Er ist so dicht, daß ein Kubikzentimeter davon ungefähr so viel wiegt wie alle Menschen dieser Erde zusammen. In der Folge breitet sich um den Neutronenstern eine riesige, leuchtende Gaswolke aus, die man auch als Supernova-Überrest bezeichnet. Neben Wasserstoff und Helium enthält sie alle die in den Brennphasen erbrüteten und in den s- und r-Prozessen erzeugten schweren Elemente, die nun in das All hinauskatapultiert werden und das interstellare Gas mit mehreren Sonnenmassen an schweren Elementen anreichern. Bilden sich hieraus wieder Sterne, so werden sie metallreicher sein als die der vorhergegangenen Generation.“ (Ebd., S. 113-114).

7. Biochemie und Ursprung des Lebens (S. 124-174)

„Die Zusammensetzung der belebten Materie ähnelt also weit mehr der in den Sternen und kosmischen Gaswolken als der unseres Planeten. Das ist in der Tat überraschend. Anscheinend ist es den Lebewesen ziemlich egal, was sich an chemischen Elementen auf einem Planeten im »Angebot« befindet. Läßt sich das irgendwie verstehen?“ (Ebd., S. 125).

„Beginnen wir beim Kohlenstoff. Daß dieses Element in der Lage ist, komplexe Ketten- und Ringmoleküle zu bilden, und mit fast allen anderen Elementen Bindungen eingehen kann, wissen wir bereits. Deshalb gibt es auch weit mehr Verbindungen mit Kohlenstoff als ohne ihn. Für das Leben ist das außerordentlich wichtig, denn für die Speicherung von Information, wie beispielsweise des genetischen Codes, sind komplexe Moleküle unverzichtbar. Deshalb steht der Kohlenstoff auch im Mittelpunkt unserer Betrachtungen, und wir müssen erklären, woher die beneidenswerte Bindungsfähigkeit der Kohlenstoffatome kommt. .... Ein Element mit weniger als vier Außenelektronen in der zweiten Schale wird seine Elektronen eher abgeben, um nur noch eine Schale mit zwei Elektronen zu besitzen, während ein Element mit mehr als vier Außenelektronen dazu tendiert, seine Außenschale auf acht Elektronen aufzufüllen. In beiden Fällen aber wird ein Zustand erreicht, den man als gesättigt bezeichnet. .... Beim Kohlenstoff mit seinen vier Außenelektronen wird die Sache etwas komplizierter. Der kann sich zunächst nicht entscheiden, ob er Elektronen abgeben oder aufnehmen soll, und zieht andere Wege vor. Eine Möglichkeit, eine Verbindung einzugehen, besteht darin, sich mit vier anderen Atomen je ein Elektron zu teilen. Auf diese Weise entstehen vier so genannte Einfachbindungen. Es kann aber auch vorkommen, daß ein Kohlenstoffatom zwei oder sogar drei Elektronen mit nur einem anderen Atom oder auch mit seinesgleichen gemeinsam hat. Dann spricht man von einer Doppel- oder Dreifachbindung. Moleküle, deren Atome sich über Doppel- oder Dreifachbindungen miteinander vereinigen, sind stabiler als solche mit Einfachbindungen. Mit Sauerstoff zum Beispiel bildet Kohlenstoff Kohlendioxid, ein sehr stabiles Gas mit je einer Doppelbindung zwischen dem Kohlenstoffatom und den beiden Sauerstoffatomen. Diese Fähigkeit des Kohlenstoffs sowohl zu Einfach- als auch zu Mehrfachbindungen ist es, die einerseits die universelle Verwendungsfähigkeit dieses Elements begründet und andererseits für die biochemische Dynamik und die Stabilität der Verbindungen verantwortlich ist. Letzteres ist besonders wichtig, denn auch die komplexesten Moleküle sind für das Leben wertlos, wenn sie entweder schnell wieder zerfallen oder so stabil sind, daß sie nicht mehr aufgebrochen werden können, um mit anderen Molekülen oder Atomen neue Verbindungen einzugehen. Das Leben ist ja keine statische Angelegenheit, sondern es »lebt« davon, daß es Energie in Form von Molekülen aufnimmt, diese Moleküle über chemische Prozesse in andere Moleküle überführt und die dabei frei werdende Energie für das eigene Sein verwendet. Leben ist also ein hoch dynamischer Prozeß der Energieumwandlung auf molekularer Ebene mit Molekülen, die auch mal »loslassen« können. »Stabilität« und »Flexibilität« sind die Zauberworte der biochemischen Welt. Während die Ketten- und Ringverbindungen der Kohlenstoffchemie die »Wirbelsäule« der organischen Welt bilden, sind die Elemente Sauerstoff und Stickstoff für Kraft und Stabilität zuständig. Ihre Fähigkeit, sich über mehr als ein Elektronenpaar mit dem Kohlenstoff zu verbinden, führt zu dauerhaften und doch wieder lösbaren Komplexen. Weil bei der Reaktion des Sauerstoffs mit anderen Atomen, der so genannten Oxidation, Energie frei wird, bezeichnen die Chemiker Oxidationsreaktionen auch als exotherme Prozesse. Derartige Verbindungen stellen Zustände niedrigster Energie dar und sind deshalb stabiler. Im allgemeinen laufen chemische Reaktionen ohne äußere Einflüsse immer in Richtung geringerer Energie ab, so wie Wasser ohne äußere Einflüsse eben nur den Berg hinunter fließt und nicht hinauf. Übrigens rührt der Name »Stickstoff« daher, daß dieses Gas in der Lage ist, ein Feuer zu ersticken. Der aggressive Sauerstoff hingegen fördert die Verbrennung. Ein zu hoher Gehalt an Sauerstoff in der Erdatmosphäre hätte Flächenbrände globalen Ausmaßes zur Folge. Das würde zu einer Zerstörung des Sauerstoff erzeugenden Biomaterials führen, was wiederum den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre absenken und so die Feuer allmählich zum Verlöschen bringen würde. Doch zu wenig Sauerstoff ist für das Leben auch nicht förderlich, man denke nur an die Bergsteiger auf den Gipfeln des Himalaja. Der gegenwärtige Sauerstoffgehalt der irdischen Atmosphäre ist das Resultat eines sich selbst regelnden, eng verzahnten Biosystems. - Allein mit Kohlenstoff und den Gasen Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff ist die Elementarpalette des Lebens noch nicht komplett.“ (Ebd., S. 127-128).

„Aminosäuren ... bilden eine Gruppe ähnlich strukturierter Moleküle aus etwa 10 bis 30 Atomen, die in den Kohlenstoffketten verbunden sind: An einem stets gleichen Grundgerüst einer Amin- (NH2) und einer Karboxylgruppe (CO2H) sind über eine freie Einfachbindung die unterschiedlichsten Molekülkomplexe angedockt. Da sich Aminosäuren auch unter den unwirtlichsten Bedingungen im Weltall bilden, könnte es sein, daß sich das Leben im ganzen Universum aus Aminosäuren aufbaut. Man findet sie in Kometen und Meteoriten, in der Atmosphäre des Jupiter und in interstellaren Gaswolken. Die Unwirtlichkeit des Universums beruht hauptsächlich auf der enormen Kälte und der fehlenden Abschirmung der Moleküle gegen hoch energetische, hochgradig zerstörerische Ultraviolettstrahlung. Trotz allem bilden sich vielfach Kohlenstoffverbindungen bis hin zu Aminosäuren. Im Zentrum unserer Milchstraße hat man beispielsweise Glycin entdeckt,d ie einfachste aller Aminosäuren. .... Es muß also gelungen sein, das Molekül zu erzeugen, es dann aber vor weiter UV-Strahlung zu schützen. Die Strahlung durfte folglich nur einmal wirksam werden. .... Die Bindungsfähigkeit von Kohlenstoff beweist sich eben auch unter den ungünstigen Umständen im Weltraum, die sich gänzlich von den Bedingungen im Labor oder in der irdischen Natur unterscheiden. Kommen wir zurück zu den Aminosäuren. Weshalb sind sie so wichtig für das Leben auf der Erde?  Aminosäuren bauen Eiweiße, auch Proteine genannt, auf. Doch Aminosäuren sind Monomere, also kleine Moleküle, und von ihnen ist es noch ein langer Weg bis zu den einfachsten Lebewesen. Das Leben fordert weit höher entwickelte Moleküle, von denen manche mehr als 10 000 Atome umfassen, so genannte Makromoleküle. Damit aus den monomeren Aminosäuren derartige Riesenmoleküle werden wie die Proteine entstehen, bedarf es eines Prozesses, den die Chemiker als Polymerisation bezeichnen. Bei diesem Vorgang reiht sich eine Vielzahl unterschiedlicher Aminosäuren zu langen Ketten aneinander, wobei die einzelnen Aminosäuren durch so genannte Peptidbindungen (H-C-N-O) miteinander verknüpft sind. Diese spezielle Methode, aus unterscheidlichen einfachen Molekülen größere, ja sogar riesige Moleküle aufzubauen, unterscheidet die belebte von der unbelebten Materie. Lebende Materie besteht hauptsächlich aus langen kettenförmigen Molekülen, den Polymeren, in denen sich ein bestimmtes Muster mit kleinen Änderungen immer wiederholt, wogegen sich die unbelebte Natur mit relativ simplen Molekülen zufrieden gibt. Auf der Erde kommen vier Arten von organischen Polymeren vor: nämlich die bereits erwähnten Proteine, die Kohlenhydrate, Lipide und Nukleinsäuren. Die Proteine (griechisch »Proteion« = das Erste), die Eiweißkörper, sind makromolekulare hochpolymere Substanzen und die wichtigsten Baustoffe biologischer Organismen. Aus den Aminosären baut sich die ganze Vielfalt dieser Eiweißkörper auf. Proteine sind die Alleskönner, die das Leben erst möglich machen. Sie sind universell verwendbar .... - Die mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate werden im Organismus abgebaut und liefern dabei die für Biosynthese, Körperwärme und Muskelarbeit nötige Energie, Lipide sind Fette und Öle. Von besonderer Bedeutung sind noch die Nukleinsäuren, die sich aus Zucker, Phosphorsäure und einem Nukleinsäürebasenrest aufbauen. Die wichtigste unter ihnen ist die Desoxyribonukleinsäure (DNS) .... - Aus den verfügbaren Monomeren kann theoretisch eine Vielzahl an Polymeren entstehen, die sich zu noch komplexeren Molekülen miteinander verbinden. Eigenartigerweise nimmt das Leben aber gar nicht alle diese vielen Möglichkeiten biochemischer Verbindungen wahr. Beispielsweise besteht ein typisches Proteinmolekül aus einigen hundert Aminosäuren. Proteine unterscheiden sich nur in der Auswahl der Aminosäuren und der Reihenfolge, in der diese zu einer Polymerkette verknüpft sind. Und jetzt kommt die Überraschung: Theoretisch sind Hunderte verschiedener Aminosäuren möglich, aber von den über 260 bekannten Aminosäuren verwendet das Leben nur ganze 20. Hier zeigt sich ein ausgeprägtes Auswahlverfahren, dessen Grund uns völlig unbekannt ist. Ein Eiweißmolekül, das aus 100 dieser 20 verschiedenen Aminosäuren besteht, könnte auf 20100 unterschiedliche Arten und Weisen zusammengesetzt sein. Das ist eine so große Zahl, daß man noch nicht einmal einen Namen dafür hat. Im Vergleich dazu beträgt die Anzahl aller Teilchen im gesamten Universum nur 1080. Die Zahl der möglichen Variationen unter den Eiweißmolekülen ist also um viele Größenordnungen größer als die Anzahl der Teilchen im Universum. Doch ungeachtet dieser astronomischen Vielfalt produzieren und verwenden die meisten Lebewesen auf diesem Planeten nur knapp 100 000 Arten von Proteinmolekülen. Diese Besonderheit, hoch spezialisierte, chemische Verbindungen aufzubauen und eine weitaus größere Zahl von Molekülarten gewissermaßen abzulehnen, gehört zu den bezeichnenden Eigenheiten des uns bekannten Lebens. Extraterrestrisches Leben auf Kohlenstoffbasis könnte ohne weiteres andere Aminosäurestrukturen verwenden und damit die Zahl der Möglichkeiten noch einmal erheblich vergrößern. Aber auch dort werden nur bestimmte Molekülarten in Betracht kommen, aber eben Molekülarten mit anderer Zusammensetzung. Fassen wir kurz zusammen: Leben ist einerseits sehr anpruchslos, denn es begnügt sich mit den einfachsten Atomsorten wie Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff - alles Elemente, die im Kosmos weit verbreitet sind. Andererseits ist das Leben aber ausgesprochen wählerisch, wenn es darum geht, diese Atome miteinander zu kombinieren. Möglicherweise ist das Leben auf der Erde das Ergebnis ungezählter chemischer Versuchsreihen. Das, was erfolgreich getestet wurde, ist erhalten geblieben, und alle erfolglosen Experimente sind längst in Vergessenheit geraten. Auf anderen Planeten herrschen sicherlich andere Spielregeln, aber die betreffen nicht die Grundausstattung mit Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff, sondern nur deren Kombinationsmöglichkeiten.“ (Ebd., S. 130-136).

„Obwohl DNS und RNS Erstaunliches leisten, sind sie nicht allmächtig. Vor allem sind sie imstrengen Sinne nicht lebendig. Die beiden Partner im Spiel des Lebens brauchen sehr spezielle Voraussetzungen, um sich zu reproduzieren, und die finden sich nur in belebteb Wesen. In den Viren, die man früher für die einfachsten Lebewesen hielt, sind diese Bedingungen nicht gegeben. Da Viren nur aus Nukleinsäuure und einer Proteinhülle bestehen, können sie sich nicht außerhalb lebender Zellen vermehren. Wenn sie dazu fähig wären, würden uns viele Krankheiten erspart bleiben.“ (Ebd., S. 141-142).

„Die kleinste Einheit eigenständigen Lebens auf der Erde ist die Zelle., eine winzige biochemische Planungs- und Fabrikationseinheit, deren Durchmesser oft nicht mehr als ein Tausendstel Zentimeter beträgt. Die ersten zellen, die sogenannten Prokaryonten (griechisch: vor dem Kern) bestanden lediglich aus einer Membran als Hülle für das Zytoplasma, in dem DNS, RNS und andere Moleküle schwammen. Prokaryonten weisen noch keinen besonderen Mittelpunkt oder gar Zellkern auf. Doch im Gegensatz zu Viren sind sie wirklich lebendige Wesen mit etwa 10000-mal mehr DNS-Molekülen. Mit dem Aufkommen der Prokaryonten setzt gewissermaßen ein biologischer Abnabelungsprozeß ein. Wie gelingt es einem biologischen Organismus, sich von den allgemeinen physikalischen Umständen unabhängig zu machen?“  (Ebd., S.143-144 ).

„Prokaryonten sind Lebewesen, die sich vermehren und Proteine aufbauen können, ohne auf einen Wirt angewiesen zu sein.“ (Ebd., S. 144).

PhotosyntheseDer anfänglich von Cyanobakterien erzeuge Sauerstoff wurde sofort wieder durch die Oxidation von zweiwertigem zu dreiwertigem Eisen gebunden und als eisenhaltiger Schlamm am Grund der Meere abgelagert. Erst nachdem die Deponien des zweiwertigen Eisens erschöpft waren, führte die Photosynthese in den Pflanzen zu dem heutigen Gehalt an freiem Sauerstoff in der Erdatmosphäre.

„Der erste Sauerstoff gelangte nicht infolge der Einwirkung von Lebewesen in unsere Atmosphäre, sondern entstand bei der Spaltung von Wasserdampfmolekülen durch den ultravioletten Strahlungsanteil der Sonne. Damit bekamen die Organismen auf der Erde schon mal einen Vorgeschmack von diesem Gas. Sauerstoff war nämlich für die damaligen Einzeller ein ausgesprochen starkes Zellgift, an dem sie schnell zugrunde gingen. Er muß daher anfänglich als intensiver Auslesefaktor zugunsten solcher Organismen gewirkt haben, die Sauerstoff zunächst ertragen und später sogar ausnutzen konnten. Auf der nächsten Stufe biologischer Entwicklung, bei den Zellen mit Zellkern, den Eukaryonten, finden wir kaum noch Arten, die ohne gasförmigen Sauerstoff auskommen können. .... Trotz dieser neuen Quelle stieg der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre zunächst nur geringfügig an. Das im Meerwasser gelöste zweiwertige Eisen verband sich nämlich umgehend mit dem Sauerstoff zu dreiwertigen, schwer löslichem Eisenoxid, das sich als eisenreicher Schlamm in mächtigen Schichten auf den Meeresboden ablagerte. Erst nachdem die Ozeane von zweiwertigem Eisen befreit waren, konnte endlich der gasförmige Sauerstoff in nennenswerten Mengen in die Atmosphäre entweichen. Mit dem Überschreiten der Sauerstoffkonzentration von einem Prozent des heutigen Wertes war nun eine Konzentration erreicht, welche die Existenz von Sauerstoff atmenden Organismen erlaubte. Jetzt tauchten neue Organismen auf, die einen gewaltigen Entwicklungsschritt darstellten: Zellen mit Zellkernen. Diese neuen Bewohner der Erde sollten den ganzen Planeten unter ihre Herrschaft bringen - sie sollten die Welt verändern. Schlagen wir also ein neues Kapitel auf: betrachten wir die neuen Organismen, die Zellen mit Zellkern, die so genannten Eukaryonten. Niemand weiß genau, wie aus einer Vielzahl von Zellen ohne klar umrissenen Kern die Zellen mit einem echten Zellkern hervorgegangen sind. Wie wurden aus Prokaryonten Eukaryonten?  Zweifellos gab es in dieser Entwicklung ... jede Menge Zwischenschritte. Letztlich war der Sprung in der Zellentwicklung jedoch gewaltig, denn in den Eukaryonten zeigt sich der höchste Grad an Kompliziertheit, zu dem sich Zellen auf der Erde entwickelt haben.“ (Ebd., S. 145-148).

„Das Leben auf der Erdebrauchte zwei (eher: drei! Anm. HB) Milliarden Jahre, um den entscheidenden Baustein, eine Zelle mit Zellkern, zu realisieren. So lange Zeit war nötig, obwohl auf unserem Planeten die Zellen ohne Zellkern bereits weitgehend für die entsprechenden Bedingungen gesorgt hatten. Die Eukaryonten legten sich sozusagen in das von den Prokaryonten gemachte Bett.“ (Ebd., S. 148).

„In den Eukaryonten steckt die Information über den Aufbau der Zelle und die Funktionsweise ihrer Bestandteile in den ... Chromosomen, die ihrerseits geschützt im Zellkern untergebracht sind. Die Chromosomen enthalten die DNS-Moleküle, in denen der Bauplan des betreffenden Lebewesens verschlüsselt ist. Ein typisches Chromosom einer eukaryontischen Zelle enthält Tausende von Genen, das sind genau definierte DNS-Abschnitte, die den Code zum Aufbau eines bestimmten Proteins enthalten. Die Menge an DNS in einer Eukaryonten-Zelle ist zehn- bis tausendmal größer als in einer Prokaryonten-Zelle. Folglich können Eukaryonten in ihrer Erbmasse sehr viel mehr Informationen unterbringen als Prokaryonten, was sich in der immensen Vielfalt der Strukturen und Funktionen dieser Zellen widerspiegelt. Eine Welt aus Prokaryonten ist langweilig und ohne große Entwicklungsmöglichkeit - die Einzeller bleiben Einzeller. Der Sprung des Lebens zu vielzelligen Organismen gelingt nur mit eukaryontischen Zellen. Ohne diesen entscheidenden Entwicklungsschritt hätte es auf diesem Planeten kein höher entwickeltes Leben gegeben. Zellen mit Kern sind die entscheidende Weggabelung in der biologischen Entwicklung.“ (Ebd., S. 148-150).

„Die entwicklungsgeschichtlich älteste und somit einfachste, aber auch schnellste Art für einen Organismus, sich zu vermehren, ist die Zellteilung. Dabei entstehen zwei genetisch identische Tochterzellen. Viele einzellige Organismen, darunter die meisten Bakterien, aber auch eukaryontische Einzeller wie die Amöben und viele Grünalgen, vermehren sich auf diese Weise. Sogar verschiedene Tiere haben die Fähigkeit, sich ungeschlechtlich zu vermehren, zum Beispiel die Blattläuse. Doch erst die geschlechtliche Fortpflanzung, der Sex, brachte den entscheidenden Fortschritt bei der Vermehrung der Organismen. Offenbar bietet die sexuelle Fortpflanzung so große Vorteile, daß die am höchsten organisierten eukaryontischen Organismen sich ganz darauf verlassen. Da bei der geschlechtlichen Fortpflanzung beide Eltern ihren Teil zur Erbmasse beitragen, erhält der Nachkomme von jedem Elternteil einen kompletten Satz Chromosomen. In der neuen Kombination der beiden Elternchromosomen werden die Eigenschaften der beiden Ausgangszellen willkürlich ausgewählt und neu zusammengesetzt. Diese Revolution in der Fortpflanzung hatte eine unbegrenzte Erweiterung der Entwicklungsmöglichkeiten biologischer Systeme zur Folge. Wahrscheinlich ermöglicht dieser Vorgang gegenüber der ungeschlechtlichen Vermehrung auch eine drastische Beschleunigung der natürlichen Auslese. Durch die ständige Weitergabe der Eigenschaften beider Eltern entstehen für die nachfolgenden Generationen erheblich mehr Kombinationsmöglichkeiten, die sich, je nach äußeren Bedingungen, erfolgreich durchsetzen oder als erfolgloser Versuch wieder aussterben. Sex ist die unabdingbare Voraussetzung für die offenbar unbegrenzte Flexibilität der Organismen bei der Anpassung an sich verändernde äußere Umstände. Ohne diesen entscheidenden Schritt in der Entwicklungsgeschichte wäre unser Planet nur von Einzellern bewohnt.“ (Ebd., S. 152).

8. Leben im Sonnensystem (S. 175-221)

Sonne, Mond und andere Körper des Sonnensystems (aber eben besonders der Mond, weil er der Erde so nahe ist) versuchen die um 23,5 Grad gegen die Erdbahnebene geneigte Erdachse aufzurichten. Wie bei einem Kreisel reagiert die Erde darauf mit einer Rotation der Erdachse um eine Senkrechte, so daß die Erde dabei einen Präzessionskegel beschreibt. Ein Umlauf Dauert rund 25800 Jahre.

„Aber wieso hat sich die Rotation der Erde verlangsamt?  Schuld daran ist hauptsächlich der Begleiter der Erde, der Mond. Die Anziehungskraft dieses Trabanten wirkt sich auf die Erde in Form der Gezeiten aus. Dabei bilden sich zwei gewaltige Flutberge: der eine auf der dem Mond zugewandten Seite, der andere auf der abgewandten Seite. Während sich der Mond um die Erde dreht, bleiben diese Wasserberge immer auf der Linie Erde-Mond ausgerichtet. Nun dreht sich aber die Erde viel schneller um ihre Achse als der Mond um die Erde, so daß sich die Erde unter den Flutbergen hindurch dreht. Dabei wird Reibungsenergie verbraucht, und die geht der Rotationsenergie der Erde verloren. Die Erde dreht sich also immer langsamer. Natürlich übt auch die Erde auf den Mond eine Anziehungskraft aus, so daß der Mond ebenfalls in seiner Eigendrehung verlangsamt wurde, und zwar so weit, daß er sich heute während eines Umlaufs um die Erde nur noch einmal um seine Achse dreht. Das ist auch der Grund, warum wir immer nur dieselbe Seite des Mondes sehen. Daß der Erdtag tatsächlich länger geworden ist, kann man an den Sedimenten der Meere ablesen. Meeresalgen reagieren besonders empfindlich auf die Sonneneinstrahlung. Solange die Sonne scheint, erzeugen sie einen Stoff, der sich in den Meeresablagerungen als sehr dünne Schicht von weniger als einem tausendstel Millimeter Dicke nachweisen läßt. Ähnlich wie bei den Jahresringen der Bäume ist es möglich, aus der Schichtung der Gesteine die Tageslängen zu ermitteln. Dabei hat sich gezeigt, daß vor 500 Millionen Jahren ein Jahr mehr als 400 Tage hatte, ein Tag also nur rund 21 Stunden lang war. Rechnet man von der heutigen Tageslänge zurück, so erhält man als Ergebnis, daß sich die Erde ursprünglich in knapp sieben Stunden einmal um ihre Achse gedreht haben muß. Gäbe es den Mond nicht, so hätte sich nur die Sonne auf die Umdrehung der Erde ausgewirkt. Zwar ist die Sonne wesentlich schwerer als der Mond, da sie aber viel weiter entfernt ist, fällt ihre Gezeitenkraft nur etwa halb so stark aus wie die des Mondes. Die Sonne allein hätte die Erde bis heute nur auf etwa zehn Stunden pro Umdrehung abgebremst. Die Tage wären also um mehr als die Hälfte kürzer.“ (Ebd., S. 178-179).

„Die Umdrehungsgeschwindigkeit eines Planeten bestimmt wesentlich das Wettergeschehen. Die Bewegungen der Hoch- und Tiefdruckgebiete hängen direkt mit der Umdrehungsgeschwindigkeit des Planeten zusammen. Dreht sich ein Planet zu langsam, so wird eine Seite stärker erwärmt als die andere, es kommt zu Luftmassenverschiebungen in großem Umfang, starke Stürme sind die Folge. Dreht sich ein Planet zu schnell, so gibt es ebenfalls andauernde starke Windbewegungen, weil sich die Lufthülle mit dem Planeten mitdreht. Eine Erde mit einer Tageslänge von zehn Stunden wäre deshalb eine äußerst stürmische Welt, die Windgeschwindigkeiten betrügen mindestens 400 Kilometer pro Stunde. Fortwährend würden Hurrikane, Tornados und Wirbelstürme über die Erde hinwegfegen. Die Meere wären ständig aufgewühlt, Sturmfluten würden an den Küsten die Kontinente abtragen, gewaltige Überflutungen und Wasserlawinen würden die Entwicklung von Leben stark behindern, wenn nicht sogar völlig verhindern. Auf einem Planeten mit derartigen Windverhältnissen müßten Lebewesen in jeder Hinsicht »platt« sein, damit sie nicht weggeweht werden. Uns Menschen gäbe es in unserer jetzigen Gestalt sehr wahrscheinlich nicht.“ (Ebd., S. 179-180).

„Interessant ist, daß die Stabilisierung der Erdachse durch den Mond nur funktioniert, weil zwei Eigenschaften der Erde zusammentreffen: Die Erde dreht sich, und ihre Achse ist gegen eine Senkrechte zur Bahnebene des Mondes geneigt. Aufgrund der Rotation erfährt die Erde eine Abplanung, der Erdball wird zu einem Rotationsellipsoid deformiert, er verändert sich zu einer Kugel mit einem ausgeprägten Wulst längs des Äquators. Da die Anziehungskraft des Mondes den Wulst auf der ihm zugewandten Erdhälfte stärker anzieht als den auf der abgewandten Hälfte, entsteht ein Drehmoment, das die Erdachse aufzurichten versucht. Würde sich bei geneigter Erdachse die Erde nicht drehen oder würde sie sich bei senkrecht stehender Achse drehen, so hätte der Trabant keinerlei Wirkung auf den Kreisel Erde. Nur bei gleichzeitiger Rotation und einer Neigung der Achse stellt sich ein Effekt ein.“ (Ebd., S. 182).

„Wie aber reagieren die Kontinente auf die sich ausbreitende ozeanische Kruste?  Wie reagieren die alten Kontinente auf den Druck der Ozeanböden ?  Dazu muß man wissen, daß die gesamte Lithosphäre, die ozeanische und die kontinentale, in ungefähr ein Dutzend einzelne Platten zerbrochen ist. Diese schwimmen regelrecht auf einer teilweise geschmolzenen, zähflüssigen Schicht, der so genannten Asthenosphäre. Getrieben durch die Konvektion von heißem, flüssigem Material aus dem Erdinneren, bewegen sich einige der Platten aufeinander zu, andere driften voneinander weg. Die Wärmequellen im Inneren der Erde liefern die hierfür benötigte Energie. Wo die Platten auseinander driften, kommt es zu einem regen Vulkanismus. Geschmolzenes Material steigt in den Spalten zwischen den Platten auf, kühlt ab und bildet eine neue Kruste. Im Laufe der Jahrmilliarden sind so riesige Becken entstanden, die späteren Ozeane. Doch da die Erde eine Kugel mit endlicher Oberfläche ist, müssen die Platten woanders auch wieder aufeinander zutreiben. Wo das der Fall ist, spricht man von so genannten Subduktionszonen, in denen eine Platte unter der anderen wegtaucht und in der Tiefe wieder aufgeschmolzen wird. Der Rand der aufgleitenden Platte wird gestaucht, so daß es zur Auffaltung von Gebirgen und häufigen Erdbeben kommt. Auf diese Weise bildet sich ein regelrechter Gesteinskreislauf, indem aus dem Erdinneren aufsteigendes Material an anderer Stelle wieder abtaucht. Heute kann man aus den unterschiedlichen Gesteinsfunden Bilderreihen von einem regelrechten Tanz der Kontinente anfertigen. Afrika treibt gegenwärtig auf Europa zu und wölbt die Alpen auf. Indien schiebt sich unter den eurasischen Kontinent und hebt das Himalaja-Gebirge an. Auch der südliche Teil von Afrika wird zur Zeit angehoben, während der nördliche Teil sich unter Europa schiebt. Amerika driftet von Europa weg in Richtung Asien, und in schätzungsweise 20 Millionen Jahren werden Teile Ostafrikas vom afrikanischen Kontinent abbrechen. Da also alle Kontinente im Fluß sind, muß die Erde früher ganz anders ausgesehen haben.“ (Ebd., S. 185).

„Gleichschaltung erlebt jeder Körper, der sich im Schwerefeld eines anderen massereicheren Körpers bewegt. Es sind die Gezeitenkräfte, die den kleineren Körper in seiner Eigendrehung abbremsen, und zwar umso schneller, je enger die beiden Körper einandern umkreisen und je größer der Massenunteschied ist. Zwar spürt auch der größere Körper den kleinen Begleiter, jedoch entsprechend dem Verhältnis der beiden Massen viel schwächer.“ (Ebd., S. 193-194).

„Doch wieso ist die Venus der Erde so ähnlich und dennoch ganz anders?  Liegt es an der Nähe zur Sonne, machen 45 Millionen Kilometer so viel aus?  Hat es mit der fehlenden Eigendrehung zu tun?  Berechnungen haben ergeben, daß dort ein uns nur zu bekanntes Phänomen, der Treibhauseffekt, die entscheidende Rolle gespielt hat. Auf der Venus hat er einen katastrophalen Verlauf genommen, weil die Atmosphäre so viel Kohlendioxid enthält. Auf den ersten Blick war dieser Befund überraschend, denn ursprünglich enthielten sowohl die Venus als auch die Erde die gleichen Gase mit annähernd gleichen Häufigkeiten. Beide Planeten hatten ja eine Uratmosphäre aus Wasserdampf, Kohlendioxid und Stickstoff, freigesetzt im Wesentlichen durch vulkanische Aktivität. Auf der Erde aber wurde ein Großteil des Kohlendioxids in den Wassern der Meere gelöst, zur Bildung der Karbonatgesteine verbraucht und durch die Photosynthese der Pflanzen der Atmosphäre entzogen. Könnte man den gesamten in den Karbonatgesteinen und organischen Bestandteilen gebundenen Kohlenstoff in Kohlendioxid rückverwandeln, so würde man das Hunderttausendfache von dem erhalten, was heute in der Erdatmosphäre vorhanden ist. Diese Menge entspricht ungefähr dem Kohlendioxidgehalt der Venus. Erde und Venus unterscheiden sich also nicht hinsichtlich des Gesamtgehalts an Kohlendioxid, sondern nur bezüglich seiner Verteilung. Bei der Venus sind die Prozesse unglücklicherweise anders abgelaufen als auf der Erde. Ohne den Treibhauseffekt läge die Lufttemperatur der Venus bei höchstens 70 Grad Celsius.“ (Ebd., S. 197).

9. Gesucht: Ein idealer Platz für das Leben (S. 222-263)

Leben ist ein sich selbst organisierendes Nichtgleichgewichtssystem, das mit seiner Umgebung Energie und Materie austauscht. Dies ist die physikalische Definition von Leben“ (Ebd., S. 225).

Lebensgürtel
Die bewohnbare sogenannte habitale Zone um einen Stern wird im wesentlichen ausschließlich von der Masse des Sterns bestimmt. In unserem Sonnensystem liegt die Erde inmitten dieses Bereichs.

Lebensgürtel
Ähnlich wie unser Sonnensystem weist auch unsere Milchstraße eine bewohnbare Zone auf, außerhalb der es vermutlich keine belebten Planeten oder Monde gibt. Natürlich liegt unsere Sonne, unser Sonnensystem in diesem Lebensgürtel.

„»Gute« Sterne sind G-Sterne, und das ist nicht einmal falsch, denn unsere Sonne ist ein G-Stern - und daß sich unter ihr relativ gut leben läßt, davon können wir uns jeden Tag aufs Neue überzeugen. Doch dieses »G« steht für etwas anderes: Die Astronomen teilen die Sterne in Klassen ein, die sie mit O, B, A, F, G, K und M bezeichnen. O-Sterne gehören zu den massereichen und sehr heißen Sternen, wogegen die M-Sterne das andere Ende der Skala bilden, also eine sehr kleine Masse besitzen und relativ kühl sind. Im Vergleich zur Sonne haben O-Sterne bis etwa 100-mal mehr Masse, wogegen sich M-Sterne mit rund einem Zehntel der Sonnenmasse begnügen.“ (Ebd., S. 227).

„Als in unserer Sonne das Wasserstoffbrennen einsetzte, da begann ihre habitable Zone in einer Entfernung von 0,8 AE und reichte bis 1,2 AE in den Raum hinaus. Unsere Erde liegt gegenwärtig genau in diesem Bereich (siehe Abb.). Doch mit fortschreitendem Alter eines Sterns dehnt sich die ursprünglich nur auf das Sternzentrum beschränkte Waserstoffbrennzone aus, die Leuchtkraft nimmt zu, und der Durchmesser des Sterns schwillt an. Damit dehnt sich auch die habitable Zone, sie wird breiter und entfernt sich vom Stern. Je größer die Masse des Sterns, desto schneller entfernt sich die bewohnbare Zone.“ (Harald Lesch, Ebd., S. 228).

„Zur Erinnerung: Bei der Drehung der Erde unter den vom Mond aufgetürmten Flutbergen wird Reibungsenergie verbraucht, so daß sich ihre Umdrehungsgeschwindigkeit zunehmend verlangsamt. Erst wenn die Erde für eine Umdrehung genauso lange braucht wie der Mond für eine Umrundung der Erde, ist das Spiel beendet. Von da ab wendet die Erde dem Mond immer dieselbe Seite zu, Diesen als Korotation bezeichneten Zustand hat der Mond schon vor langer Zeit erreicht, denn so wie die Gravitationskraft des Mondes auf die Erde wirkt, wirkt auch die Gravitationskraft der Erde auf den Mond. Erde und Mond zwingen sich also gegenseitig zur Korotation, wobei dieses Schicksal den masseärmeren Partner zuerst ereilt.“ (Ebd., S. 235).

„Da sich die Gezeitenkräfte umgekehrt proportional zur dritten Potenz des Abstands Stern-Planet verändern - eine Halbierung des Abstands hat achtmal so große Gezeitenkräfte zur Folge -, wirkt sich eine Verringerung der Entfernung zwischen Stern und Planet ziemlich drastisch aus. Bei einem 0,2-Sonnemassenstern, den ein Planet mit der Masse unserer Erde in der Entfernung von 0,1 AE umkreist, dauert es nur etwa 25 bis 30 Millionen Jahre, bis der Stern die Korotaion des Planeten erzwungen hat. Aber Korotation ist nicht gut für das Leben. Wenn ein Planet seinem Stern stets dieselbe Seite zuwendet, heizt sich diese so stark auf, daß das Leben dort praktisch gegrillt wird, wogegen die abgewandte Seite durch Wärmeabstrahlung in den Weltraum abkühlt und das Leben dort zu Eis erstarrt. In einem sehr schmalen Übergangsbereich kann sich vielleicht eine für das Leben noch akzeptable Temperatur einstellen. Wenn der Planet aber eine Atmosphäre besitzt, entwickeln sich aufgrund der hohen Temperaturdifferenz zwischen den beiden Hemisphären extrem starke Winde, die mit Geschwindigkeiten von 1000 Kilometern pro Stunde und mehr über den Planeten fegen. Daß weder das eine noch das andere eine gute Voraussetzung für die Enststehung von Leben ist, liegt auf der Hand.“ (Ebd., S. 235-236).

„auf der Verteilung des Metallgehalts, der vom Scheibenzentrum zum Rand hin abnimmt. Bei einem zu geringen Metallgehalt in den Randbereichen der Scheibe wird die Bildung gesteins- und eisenhaltiger Planeten immer unwahrscheinlicher. Nahe der Scheibenmitte ist der Metallgehalt dagegen überproportional hoch und ausreichend Material für erdähnliche Planeten vorhanden. Dafür taucht dort ein anderes Problem auf, das mit den Spiralarmen zusammenhängt ...: Spiralarme entstehen aufgrund von Dichtewellen und sind im Prinzip Zonen, in denen das Scheibengas im Vergleich zu den Bereichen zwischen den Armen dichter ist. Die Spiralarme rotieren mehr oder weniger starr mit konstanter Winkelgeschwindigkeit um das Zentrum. Das Scheibengas und die Sterne rotieren dagegen differenziell, schneller in Zentrumsnähe und langsamer am Rand der Scheibe. Insgesamt betrachtet dreht sich das System der Spiralarme jedoch langsamer als das Scheibengas mit den Sternen. Das führt dazu, daß das Scheibengas die Spiralarme überholt und der Reihe nach durchläuft. Die Verdichtung, die das Scheibengas dabei in jedem Spiralarm erfährt, führt zu einer Neubildung von Sternen. Das erklärt auch, warum die Spiralarme so hell leuchten: Sie sind die Orte, an denen die jungen, gleißend hellen, blau strahlenden Sterne geboren werden. In den Spiralarmen sterben aber auch viele Sterne, vor allem die massereichen. Das hängt damit zusammen, daß massereiche Sterne eine vergleichsweise kurze Lebenserwartung haben und sich trotz ihrer Bewegung relativ zu den Spiralarmen in der kurzen Spanne ihres Lebens nicht weit von ihrem Geburtsort entfernen. Wie wir schon wissen, enden massereiche Sterne in einer Supernova mit den bekannten negativen Auswirkungen für Leben auf benachbarten Planeten. Soweit die Fakten. Doch was hat das mit dem Leben zu tun?  Wie es scheint, kann man auch unserer Milchstraße eine habitable Zone (bewohnbare Zone, d.h. Lebenszone; Anm. HB; vgl. Lebensgürtel) zuweisen. Sie liegt etwa auf halber Entfernung zwischen dem Bulge und dem Rand der Scheibe und scheint ziemlich schmal zu sein. Dort ist die Metallhäufigkeit für erdähnliche Planeten ausreichend hoch und die Differenzgeschwindigkeit von Spiralarmen und Scheibengas gering. Ein Stern, der hier gerade zwischen zwei Spiralarmen liegt, verbleibt auch relativ lange in diesem von astronomischen Katastrophen weniger bedrohten Bereich, so daß dem Leben viel Zeit bleibt, sich zu etablieren. Was bedeutet das für uns?  Die Sonne rotiert mit einer Geschwindigkeit von 220 Kilometern pro Sekunde in einer Entfernung von 26 000 Lichtjahren um das Zentrum der Milchstraße, also ziemlich genau in der habitablen Zone der Galaxis. Da die Spiralarme am Ort der Sonne nur etwa halb so schnell rotieren, dauert es rund 500 Millionen Jahre, bis alle Spiralarme einmal durchlaufen sind. Außerdem steht unsere Sonne gegenwärtig ziemlich genau zwischen zwei Spiralarmen: in einem Bereich, in dem die Gefahr einer Supernova gering ist. Vielleicht haben wir es nicht zuletzt diesen glücklichen Konstellationen zu verdanken, daß das Leben auf der Erde Fuß fassen konnte. Inwieweit sich die Verhältnisse in unserer Milchstraße auch auf andere Spiralgalaxien übertragen lassen, ist schwer zu sagen. Im Allgemeinen sind sich Spiralgalaxien, was ihren Aufbau und ihre Struktur betrifft, jedoch sehr ähnlich.“ (Ebd., S. 260-262).

10. Die Suche nach außerirdischem Leben (S. 264-289)

„Daß unter den 105 gefundenen Riesenplaneten ein belebter sein könnte, mag sich kein Wissenschaftler so recht vorstellen, handelt es sich doch mit großer Wahrscheinlichkeit bei allen um Gasplaneten, die, wie mittlerweile schon mehrmals erwähnt, für das Leben keine guten Orte sind. Doch wie kann man einen belebten von einem unbelebten Planeten aus einer Entfernung von mmdestens 4,3 Lichtjahren - so welt ist der nächste Stern von der Sonne entfernt - unterscheiden? Dazu müssen wir uns nochmals vor Augen führen, wie das Leben einen Planeten verändert - genauer gesagt: seine Atmosphäre -und wie man über deren Zusammensetzung mithilfe der Spektroskopie Aufschluß erhält. Grundvoraussetzung für Leben ist das Vorhandensein größerer Mengen Wasser und Kohlendioxid. Auch wenn auf dem Planeten kein Leben entstanden ist, so wird dennoch ein mehr oder weniger großer Anteil Wasserdampf und Kohlendioxid in semer Atmosphäre zu finden sem, da alle Planeten diese Gase aus der protoplanetaren Gasscheibe, aus der sie entstanden, mitbekommen haben. Doch wenn es Leben gibt, kommen drei weitere atmosphärische Bestandteile hinzu: nämlich Sauerstoff, Ozon und größere Mengen Methan. Daß Sauerstoff von Bakterien und Pflanzen bei der Photosynthese erzeugt wird und daß sich Ozon aus freiem Sauerstoff durch die Einwirkung der ultravioletten Strahlung in den oberen Atmosphärenschichten bildet, wissen wir bereits. Gibt es kein Leben, so gibt es auch keine nennenswerten Mengen an freiem Sauerstoff, denn dieses Element ist so reaktionsfreudig, daß es bereits nach kurzer Zeit, beispielsweise in den Gesteinen des Planeten, gebunden wird. Das Leben muß also fortwährend neuen Sauerstoff nachliefern. Und das Methan, woher kommt das? Methan ist ein Stoffwechselprodukt, das von primitiven Lebensformen wie Bakterien ausgeschieden wird, das aber auch in großen Mengen in den Verdauungsorganen höherer Lebewesen entsteht, beispielsweise den Mägen von Rindern. Vermag man also bei der Spektralanalyse der Atmosphäre eines Planeten alle fünf Komponenten gleichzeitig und in größerer Menge nachzuweisen, so darf man ziemlich sicher sein, daß sich dort Leben ausgebreitet hat.“ (Ebd., S. 285-286).

Stern-Planet-Spektrum
Das vom Stern ausgehende Licht wird beim Durchgang durch die Atmosphäre des Planeten von den dort vorhandenen Molekülen abbiert. Mithilfe der Spektralanalyse kann man aus der Lage und Intensität der Absorptlonslinien Art und Konzentration der Atmosphärenbestandteile bestimmen.

Absorptionsspektren von Venus, Erde, Mars
Die Absorptionsspektren von Venus, Erde und Mars zeigen nur auf unserem Planeten die für das Leben notwendigen Moleküle Wasser und Ozon an.

„Die Spektralanalyse eines femen Planeten ist jedoch ein schwieriges Unterfangen. Zum einen braucht man eine Lichtquelle, beispielsweise einen Stern, der den Planeten von hinten beleuchtet, zum anderen muß das System Stern/Planet so zum Beobachter orientiert sein, daß der Planet auf seinem Weg um den Stern die Verbindungslinie Beobachter-Stern kreuzt und das Licht zuerst die Atmosphäre des Planeten durchdringen muß, bevor es den Beobachter auf der Erde erreicht. Sind diese Bedingungen erfüllt, so läßt sich ein Absorptionsspektrum aufzeichlen (siehe Abbildung) ...: Je nach Art der in der Gashülle vorhandenen Moleküle werden bestimmte Wellenlängen der Lichtquelle absorbiert. Auf diese Weise gibt uns ein Absorptionsspektrum Auskunft über die Zusammensetzung der Planetenatmosphäre. Beispielsweise unterscheiden sich die Absorptionsspektren von Venus, Erde und Mars insbesondere dort, wo Wasser und Ozon ihre Absorptionslinien haben (siehe nächste Abbildung). Während diese Linien bei der Erde deutlich auszumachen sind, fehlen sie bei Venus und Mars nahezu völlig.“ (Ebd., S. 286).

„Aussagekräftige Absorptionsspektren erhält man jedoch nur, wenn sichergestellt ist, daß die Linien des Absorptionsspektrums von der Atmosphäre des Planeten und nicht von der Atmosphäre des Sterns stammen. Man muß also zuerst das Sternspektrum aufnehmen und ein zweites dann, wenn der Planet gerade vor dem Stern vorbeiläuft. Darauf muß der Beobachter allerdings unter Umständen viele Jahre warten. Sind schließlich beim Vergleich der beiden Spektren neue Linien hinzugekommen beziehungsweise haben sich bereits vorhandene Linien verstärkt, so stammen sie vom Planeten. Einen Unterschied wird man jedoch nur feststellen können, wenn die Atmosphäre des Planeten hinreichend dicht und ausgedehnt und die Konzentration der Komponenten in der Atmosphäre hoch ist. Ansonsten sind die Absorptionslinien so schwach, daß man sie auch mit den feinsten Geräten nicht mehr feststellen kann.“ (Ebd., S. 286-287).

„In den seltensten Fällen passen alle Faktoren so glücklich zusammen, daß man tatsächlich eine Aussage machen kann. Bisher ist das nur ein einziges Mal gelungen: Im November 2001 konnte mit dem Hubble-Space-Teleskop von dem sonnenähnlichen Stern HD 209458, der etwa 150 Lichtjahre von uns entfernt in der Konstellation Pegasus beheimatet ist und bei dem 1999 ein Planet von etwa 0,7 Jupitermassen entdeckt wurde, erstmals ein Absorptionsspektrum aufgenommen werden. Was man fand, war jedoch ziemlich ernüchternd: eine Atmosphäre, bestehend aus Natriumdampf - also nicht unbedingt das, was sich das Leben wünscht. Man muß jedoch erwähnen, daß das Hubble-Space-Teleskop gar keine anderen Bestandteile entdecken konnte, weil seine Geräte in den Wellenlängenbereichen, in denen Wasser, Sauerstoff, Ozon, Kohlendioxid und Methan ihre Fingerabdrücke hinterlassen, nicht empfindlich sind. Die Astronomen wollen daher die Justierung ändern und nochmals das Licht dieses Sterns analysieren. Allerdings besteht wenig Hoffnung auf Spektakuläres. Mittlerweile weiß man nämlich, daß es sich bei dem Planeten um einen Gasriesen handelt, auf dem a priori nicht mit Leben zu rechnen ist.“ (Ebd., S. 287-289).

„Aber auch wenn sich demnächst ein Kandidat finden sollte, dessen Atmosphäre alle Anzeichen von Leben widerspiegelt - es ist dennoch sehr unwahrscheinlich, daß sich das Leben dort nach dem gleichen Muster, hin zu den gleichen Lebewesen entwickelt hat wie auf der Erde. Allein unsere Erde belegt eine schier unglaubliche Vielfalt an Lebensformen, darunter zahlreiche, die wir erst bei genauerer Betrachtung überhaupt als Lebewesen erkennen. Wer sagt uns denn, daß die Natur, auch wenn wir nur Leben auf der Grundlage der Kohlenstoffchemie betrachten wollen, nicht noch ganz andere Möglichkeiten hat?“ (Ebd., S. 289).

11. Die Suche nach außerirdischem Leben (S. 290-337)

„Wenn Leben auf Kohlenstoffbasis der universelle Normalfall sein sollte, dann kann das Vorhandensein der Photosynthese nicht auf einem Zufall beruhen, sondern sie muß aus einem Wettbewerb unterschiedlicher Verfahren hervorgegangen sein mit dem Ziel, den Fortbestand des Lebens sicherzustellen. Die ultimative, über lange Zeiträume dauerhaft stabile Energiequelle eines Planeten ist nun mal die elektromagnetische Strahlung seines Zentralgestirns. Die Photosynthese, also die Energiegewinnung aus Sternenlicht, ist folglich der konsequenteste Weg aus einer drohenden Energiekrise, wenn die ursprünglich vom Leben genutzten Ressourcen erschöpft sind. Und wie schon mehrmals erwähnt, entsteht bei der Photosynthese der unvermeidbare Sauerstoff.“ (Ebd., S. 292).

„Nur eine Kultur, nämlich die abendländische, hat sich die Fähigkeit zur weltweiten Kommunikation angeeignet und darüber hinaus Entdeckungsreisen ins nahe Weltall unternommen. Europa wurde nie entdeckt, aber es waren Europäer, die die anderen Kontinente entdeckten und die ganze Welt umsegelten und erforschten.“ (Ebd., S. 302).

12. Raumfahrt (S. 338-378)

„Bewegt sich ein Raumschiff mit nahezu Lichtgeschwindigkeit, so ist die Zeit, wie sie für ein Besatzungsmitgleid an Bord des Schiffes vergeht, bedeutend kürzer als die für die auf der Erde zurückgebliebenen Menschen. Daß das durchaus mit rechten Dingen zugeht, konnte Einstein anhand seiner »speziellen Relativitätstheorie« zeigen. Demnach vergeht für einen Beobachter die Zeit in einem relativ zu ihm bewegten Bezugssystem langsamer. Daß das tatsächlich stimmt, läßt sich an den Satelliten des Global Position System (GPS) beobachten, deren Zeitsignale gegenüber einer Uhr auf der Erde verspätet aufeinander folgen. Bei großen Relativgeschwindigkeiten ist der Effekt drastischer. .... Drammatischer wird die Sache, wenn der Astronaut fast mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs ist, sagen wir: mit 99,9999995 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Wenn er nach zehnjähriger Reise wieder auf der Erde landet, sind dort sag und schreibe 100 000 Jahre vergangen ! Vorausgesetzt, die Menschheit hat diese lange Zeit ohne große Veränderungen überdauert, wird sich vermutlich niemand mehr an die 100 000 Jahre zuvor gestartete Mission erinnern. In 100 000 Jahren kann die Technik gewaltige Fortschritte gemacht haben; vielleicht sind neue Raumantriebe entwickelt worden, mit denen die Menschheit die Erde mittlerweile verlassen hat, um eine bessere Heimat zu finden. Doch auch wenn die Astronauten auf der Erde erwartet würden, so wären sich Raumfahrer und Zurückgebliebene vermutlich ziemlich fremd. Andererseits ermöglicht diese Diskrepanz in der Zeit aber auch Reisen zu entfernten Galaxien in der den Menschen zugedachten Lebenszeit. Würde im Raumschiff die Zeit gleich schnell vergehen wie auf der Erde, so wären die Astronauten schon lange vor Erreichen ihres Ziels gestorben. So aber altern die Astronauten auf einer Reise zur Andromeda-Galaxie nur um 28 Jahre - vorausgesetzt, sie fliegen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit.“ (Ebd., S. 369-371).

„Interessant ist auch, wie ein Astronaut in seinem Raumschiff eine Reise mit Beinahe-Lichtgeschwindigkeit erlebt. Selbst erfahren hat es ja noch niemand, doch glaubt man der Theorie, so müßte sich etwa Folgendes abspielen: Solange das Raumschiff nicht schneller als 0,5c (halbe Lichtgeschwindigkeit) fliegt, bemerkt der Astronaut bei einem Blick aus der Kanzel seines Raumschiffs nichts Auffälliges. Vielleicht erscheinen ihm die Sterne in gerader Richtung vor ihm ein wenig heller. Doch ab 0,9c ändert sich das Bild. Während die Sterne unmittelbar vor ihm ihre Position unverändert beibehalten, scheinen die seitlichen Sterne langsam nach vorne zu wandern. Mit wachsender Geschwindigkeit konzentrieren sich die Sterne mehr und mehr um einen Punkt, der in Flugrichtung vor dem Raumschiff liegt. Außerhalb dieser Sternkonzentration ist nichts als pure Schwärze. Ein Blick nach hinten zeigt, daß auch hier alle Sterne auf einen Punkt zuzulaufen scheinen und nur noch sehr schwach und tiefrot leuchten. Steigert der Astronaut die Geschwindigkeit noch weiter, so verändern die vorher gelblich schimmernden Sterne ihre Farbe in bläuliches Weiß, die vorher blau-weiß leuchtenden verschwinden ganz, und neue, vorher gar nicht wahrgenommene Sterne tauchen auf und beginnen rötlich zu leuchten. Fliegt das Schiff schließlich fast mit Lichtgeschwindigkeit, so hat sich das Gesichtsfeld des Astronauten auf einen Bruchteil des Winkels von einem Grad verengt - auf einen Punkt, der so hell ist wie die Sonne. In allen anderen Richtungen herrscht dagegen völlige Dunkelheit. An diesem spektakulären Anblick ändert sich nichts, solange das Raumschiff seine Geschwindigkeit beibehält. Wird es jedoch abgebremst, so beginnen die Ereignisse rückwärts zu laufen, und die Sterne gewinnen wieder ihr ursprüngliches Aussehen und ihre angestammten Plätze zurück. Mithilfe des Dopplereffekts und der Relativitätstheorie lassen sich diese Erscheinungen erklären. Das Licht einer Quelle, die auf den Beobachter zukommt, wird für den Beobachter zu kürzeren Wellenlängen verschoben, es wird also immer blauer. Da blaues Licht energiereicher ist als rotes, erscheinen diese Sterne zunehmend heller. Das Licht einer Infrarotquelle verschiebt sich in den sichtbaren roten Bereich und die Strahlung einer Ultraviolettquelle in den Bereich der Röntgenstrahlung. Folglich werden die ursprünglich nicht sichtbaren, im Infrarot leuchtenden Sterne plötzlich sichtbar, und die ursprünglich blau leuchtenden Sterne verschwinden, da ihr Licht jetzt in den für das Auge unsichtbaren Bereich der UV-Strahlung verschoben ist. Diese Frequenzverschiebung wird umso drastischer, je schneller das Raumschiff fliegt. Für einen Raumfahrer, der sich mit Beinahe-Lichtgeschwindigkeit durch den Weltraum bewegt, wird quasi jede vor ihm liegende Lichtquelle zu einer Röntgenquelle. Der Effekt der Gesichtsfeldverengung beruht auf der bei Beinahe-Lichtgeschwindigkeiten eintretenden Lichtablenkung. Man kann den Vorgang vereinfacht mit einem Auto vergleichen, das durch senkrecht herabfallenden Regen fährt. Beim stehenden Auto zeichnen die Regentropfen, die auf die Seitenscheiben des Autos treffen, senkrechte Wasserspuren auf das Glas. Beginnt das Auto zu fahren, so werden mit wachsender Geschwindigkeit die Spuren immer schräger und verlaufen schließlich fast von vorne nach hinten parallel zur Fahrtrichtung. Es hat also den Anschein, als würden die Tropfen nicht senkrecht von oben, sondern direkt von vorne kommen.“ (Ebd., S. 371-372).

„Lassen wir die einzelnen Raumfahrtkonzepte nochmals Revue passieren, so scheint es nicht ausgeschlossen, daß es der Menschheit in ferner Zukunft gelingen könnte, bis zu den Strenen in den Weiten des Alls vorzudringen. .... Einige Pessimisten haben mit der Planung bewohnbarer Oasen im Universum schon begonnen und denken darüber nach, wie man einen fernen Planeten in eine »Neue Heimat« verwandeln könnte. Die ersten Stützpunkte auf diesem langen Weg werden zunächst Kolonien in der Erdumlaufbahn und später im interplanetaren Raum sein, künstliche Welten auf relativ kleinem Raum mit künstlicher Schwerkraft und künstlicher Atmosphäre - in jeder Hinsicht unabhängig, aber einsam .... Wie werden die Menschen dort leben, wie die soziologischen Probleme bewältigen, wie werden sie damit zurechtkommen, gefangen zu sein in einer Nußschale im All?  Und schlimmer noch: Wie fühlen sich die Passagiere bei Reisen, die in der einem Menschen zugedachten Lebenszeit nicht zu bewältigen sind?  Müssen sie sich nicht wie Sklaven einer späteren Generation vorkommen, benutzt als eine Art Brücke in die Zukunft, die man letztlich nicht mehr braucht und hinter sich abreißen kann?  Es müssen außergewöhnliche Menschen mit außergewöhnlichen Eigenschaften sein, die all das einmal auf sich nehmen wollen. Aber egal wie lange die Reise auch dauert, einmal wird man einen Ort, einen Planeten finden, der unserer Erde ähnlich ist, der zumindest unserer Erde ähnlich gemacht werden könnte - und dann?  Dann stehen die Flüchtlinge vor völlig neuen, noch größeren Herausforderungen. Die Menschen, die auf einem fernen Planeten landen, können nicht damit rechnen, ein gemachtes Bett vorzufinden, einen Planeten, der exakt ihren Bedürfnissen entspricht. Vielleicht ist es dort viel zu kalt oder zu heiß, vielleicht fehlt eine Atmosphäre, oder sie ist dem Menschen nicht zuträglich, vielleicht gibt es dort Wasser nur in Form von Eis. Wollen die Menschen hier leben, so gilt es, dem Planeten eine Kur angedeihen zu lassen, an den Schrauben für Temperatur und Atmosphäre zu drehen, die neue Heimat einer Metamorphose, einem » Terraforming«, zu unterziehen, sie erdähnlich zu machen. Das hat natürlich nur Aussicht auf Erfolg, wenn der Planet die Ressourcen für ein derartiges Unterfangen auch bereithält .... Tatsächlich hat man bereits ganz konkrete Vorstellungen, wie man den Mars für Menschen bewohnbar machen könnte. Nach allem, was wir bisher wissen, scheint sich dieser Planet heute gegenüber jeglichem erdähnlichen Leben feindlich zu verhalten. Seine Atmosphäre ist zu dünn, zu kalt, nicht atembar, und seine Oberfläche ist schutzlos den zerstörerischen Photonen des ultravioletten Sonnenlichts ausgeliefert. Aber Wasser in gefrorener Form scheint es in größerer Menge in den eisigen Polkappen und vermutlich auch in oberflächennahen Schichten zu geben. Und da der Mars zu den terrestrischen Planeten in unserem Sonnensystem gehört, mangelt es auch nicht an jenen Elementen, welche das Leben und der Mensch für ihren Unterhalt benötigen. Was also könnte man unternehmen, um den Mars in einen bewohnbaren Planeten zu verwandeln ?  Experten bei der NASA zerbrechen sich schon seit einiger Zeit darüber die Köpfe. Ihre Pläne sehen vor, zunächst einige Dutzend Milliarden Tonnen des Treibhausgases Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW) in die Marsatmosphäre einzubringen, um so die Temperatur innerhalb von etwa 20 Jahren um 20 Grad Celsius zu erhöhen. Das FCKW müßte man nicht von der Erde herbeitransportieren, es könnte direkt auf dem Mars produziert werden, vorausgesetzt die Elemente Fluor, Chlor und Kohlenstoff sind ausreichend und leicht zugänglich vorhanden. Sollte das nicht der Fall sein, so empfiehlt eine spektakuläre Variante des Konzepts, einen passenden Asteroiden einzufangen und auf den Mars prallen zu lassen, um die Atmosphäre mit den entsprechenden Komponenten anzureichern. Ist die Temperatur nach einer Anwärmphase erst einmal auf minus 35 Grad Celsius gestiegen, so würden in der Folgezeit die Polkappen zu schmelzen beginnen, und das frei werdende Kohlendioxid könnte den Treibhauseffekt weiter ankurbeln. Allerdings befürchten die Wissenschaftler, daß das in den Polkappen gespeicherte Kohlendioxid nicht ausreichen könnte, um den Permafrostboden völlig aufzutauen und das dort vermutete Wasser in flüssiger Form freizusetzen. Um dieses Problem zu lösen, sollten, so die NASA, Bakterien auf dem Mars ausgesetzt werden. Bakterien können bei einem Atmosphärendruck überleben, der zehnmal geringer ist als der auf unserer Erde. Ihre Aufgabe soll es sein, den Stickstoff aus der Planeten-Kruste zu verdauen und ihn in Ammoniak, ein ebenfalls sehr effizientes Treibhausgas, umzuwandeln. Wenn das funktionieren würde, hätte der Mars in kurzer Zeit eine Atmosphäre, die so dicht wäre wie die der Erde. Bei einer mittleren Temperatur von etwa null Grad Celsius würden zumindest die oberen Bodenschichten anfangen aufzutauen. Nach den Vorstellungen der Wissenschaftler könnte dieser Zustand bereits 100 Jahre nach Beginn der ersten Einflußnahme erreicht sein. Zu diesem Zeitpunkt wird der Mars aber noch einer trockenen Wüste ähneln, denn das Wasser ist vornehmlich im Boden gespeichert, und die Atmosphäre ist weder Pflanzen noch Tieren zuträglich. Jetzt muß der Kreislauf des Wassers zwischen Boden und Atmosphäre in Gang gebracht werden. Dazu soll nach den Plänen der NASA eine spiegelnde Platte mit einem Durchmesser von etwa 100 Kilometern im Marsorbit stationiert werden. Dieser Spiegel lenkt Sonnenenergie auf die Marspole, um das Wassereis völlig zum Schmilzen zu bringen. Das Wasser, so glauben die Wissenschaftler, verdampft, steigt in die Atmosphäre auf und verstärkt somit nochmals den Treibhauseffekt. Als Folge davon erhöht sich die Marstemperatur weiter, und der Permafrostboden taut bis hinab zu einer Tiefe von etlichen Dutzend Metern auf. Der in die höheren Schichten der Atmosphäre aufgestiegene Wasserdampf kondensiert, fällt als Regen zu Boden und füllt die Becken und Flußtäler wieder mit Wasser. Was für eine lebensfreundliche Umwelt jetzt noch fehlt, ist Sauerstoff in genügender Menge. Die einzige uns bekannte Möglichkeit, mit der man die Zusammensetzung der Atmosphäre grundlegend verändern kann, ist die Photosynthese von Kohlenhydraten durch Pflanzen. Folglich sieht der letzte Schritt des »Terraforming«-Prozesses vor, den ganzen Planeten mit einer widerstandsfähigen Flora zu besiedeln. Sie produziert aus Kohlendioxid, Wasser und Sonnenlicht ausreichende Mengen des lebenswichtigen Sauerstoffs. Aber dieser Prozeß geht sehr langsam voran. Nach Schätzung der Wissenschaftler dürften wohl 100 000 Jahre vergehen, bis die Bewohner des Mars endlich die Sauerstoffmasken abnehmen können. Rückblickend scheint »Terraforming« zwar ein spektakuläres und zeitaufwendiges, aber kein unmögliches Unterfangen zu sein, um einen Planeten den Bedürfnissen seiner Eroberer anzupassen. Sollte es die Menschheit jemals wagen, dieses Experiment an einem unserer nächsten Planeten auszuprobieren, so könnte das dabei gewonnene Know-how als eine Art »Kochrezept« für die Weltraumpioniere der fernen Zukunft dienen.“ (Ebd., S. 373-378).

13. Warum ist die Welt so, wie sie ist?  (S. 379-403)

„Doch was wäre, wenn die Massenverhältnisse anders wären?  Wenn beispielsweise das Elektron schon bei seiner Entstehung nach dem Urknall geringfügig schwerer ausgefallen wäre, auf alle Fälle aber schwerer als der Massenunterschied zwischen Neutron und Proton?  Hätte sich das Universum unverändert entwickeln können?  Ganz im Gegenteil! Dann wären nicht die Protonen, sondern die Neutronen die stabilen Teilchen geworden, weil die Protonen sofort nach ihrer Entstehung die freien Elektronen eingefangen und sich in Neutronen und Neutrinos verwandelt hätten. Aus diesen Elementarteilchen lassen sich jedoch keine Atome, keine Elemente aufbauen. Entstanden wäre eine elektrisch neutrale Welt ohne Ladungen, nur Neutronen und Neutrinos, eine Welt ohne Planeten und natürlich auch ohne Leben. Das Universum wäre sehr eintönig geblieben. Vielleicht wären Sterne entstanden, allerdings nur Neutronensterne, kleine, einige zig Kilometer große, immens kompakte Materiekugeln, von denen ein Teelöffel voll etwa einige hundert Millionen Tonnen wiegt. Doch diese Sterne würden das Universum in völliger Dunkelheit belassen, da sie nicht im sichtbaren Bereich des Spektrums leuchten. Daß all das nicht geschehen ist, daß wir vielmehr in einem so vielfältig strukturierten Universum leben, verdanken wir der Tatsache, daß in unserer Welt die Elektronenmasse eben kleiner ist als die sowieso schon sehr geringe Massendifferenz zwischen Neutron und Proton.“ (Ebd., S. 388).

„Als Nächstes wollen wir die Neutronen- und Protonenmasse ein wenig verändern. Da der Massenunterschied zwischen diesen beiden Teilchen so klein ist, sind etwa eine Sekunde nach dem Urknall rund sechsmal so viele Protonen vorhanden wie Neutronen, so daß nach der Entstehung der ersten Elemente (primordiale Nukleosynthese) die Materie in unserem Universum im Wesentlichen zu 75 Prozent aus Wasserstoff und zu 25 Prozent aus Helium besteht. Wäre das Neutron nur zehn Prozent schwerer, so hätten sich fast nur Protonen, also Wasserstoffkerne gebildet. Wäre dagegen das Neutron genauso schwer wie das Proton, so hätte es gleich viele Neutronen und Protonen gegeben, und am Ende der primordialen Nukleosynthese wäre lediglich Helium übrig geblieben. Sterne hätten sich aber in jedem Fall bilden können. Bei nur aus Wasserstoff bestehenden Sternen wäre Helium eben etwas später beim Wasserstoffbrennen entstanden. Dagegen hätte bei reinen Heliumsternen das für das Leben so wichtige, lang andauernde Wasserstoffbrennen gar nicht stattgefunden. Die Sterne hätten sich bedeutend schneller entwickelt, und ihre dramatisch verkürzte Lebenszeit hätte nicht ausgereicht, um das Leben während seiner langen Entwicklungsphase kontinuierlich mit Energie zu versorgen. Und nicht zu vergessen: Es gäbe kein Wasser, denn ohne Protonen können keine Wassermoleküle gebildet werden, und ohne Wasser ist Leben nicht möglich. Somit verbleibt noch die Frage: Was wäre, wenn sich das Massenverhältnis von Neutron und Proton genau umgekehrt verhielte, wenn das Proton schwerer wäre als das Neutron?  Alles hätte sich mit genau entgegengesetztem Vorzeichen abgespielt. Eine Sekunde nach dem Urknall wären sechsmal mehr Neutronen als Protonen vorhanden gewesen, und die primordiale Nukleosynthese hätte zu einem Universum mit 25 Prozent Helium und 75 Prozent Neutronen geführt. Im Prinzip hätte sich das Universum gar nicht so sehr verändert. An die Stelle der Protonen wären Neutronen getreten und umgekehrt. Auch Sterne hätten sich bilden können, in denen statt Wasserstoff eben Neutronen zu Helium verbrannt würden. Der wesentliche Unterschied ist jedoch bei den Prozeßzeiten der Kernfusionreaktionen zu suchen: Da die Neutronen elektrisch neutral sind, fänden sie wesentlich schneller zusammen als die sich abstoßenden Protonen. Wie bei reinen Heliumsternen wären auch diese Sterne bereits verlöscht, noch ehe das Leben sich hätte aufrappeln können.“ (Ebd., S. 388-389).

„Bisher haben wir nur mit den Teilchenmassen gespielt. Wären die Auswirkungen ähnlich dramatisch, wenn wir die Skalen der vier Grundkräfte verstellen?“  (Ebd., S. 389-390).

Beginnen wir mit der schwächsten, der Gravitation. Diese Kraft besitzt eine unendliche Reichweite, ihre Stärke nimmt jedoch mit dem Quadrat der Entfernung ab. Die Gravitation bewirkt, daß sich zwei Körper gegenseitig stets anziehen, und zwar mit einer Kraft, die proportional ist zum Produkt der beiden Massen. Der Parameter, der die Gravitation bestimmt, ist die so genannte Gravitationskonstante G, eine der Naturkonstanten. Daß die Gravitation die schwächste unter den vier Grundkräften ist, liegt in erster Linie an der Kleinheit dieser Konstanten. Sie ist dafür verantwortlich, daß die Sterne so riesengroß sind. Unsere Sonne, ein absoluter Durchschnittsstern, hat eine Masse von rund 2 x 1030 Kilogramm und einen Durchmesser von gerundet 1,4 Millionen Kilometern. Da sie aufgrund dieser gewaltigen Masse über einen entsprechend großen Vorrat an Wasserstoff verfügt, dauert das Wasserstoffbrennen auch entsprechend lange. Sterne dieser Größenordnung verharren etwa zehn Milliarden Jahre in der Phase des Wasserstoffbrennens. Wäre die Gravitationskonstante größer, so würde bereits eine geringere Sternmasse ausreichen, um den Druck und die Temperatur im Sterninneren auf die Werte ansteigen zu lassen, die für das Wasserstoffbrennen nötig sind. Der Stern wäre folglich kleiner und seine Lebensdauer entsprechend kürzer. Eine um den Faktor zehn größere Gravitationskonstante würde die Lebensdauer unserer Sonne auf etwa zehn Millionen Jahre verkürzen! .... Mit einem Muttergestirn, das bereits nach etlichen zig Millionen Jahren das Wasserstoffbrennen einstellt, wäre die Erde, vorausgesetzt sie hätte sich überhaupt entwickeln können, mit Sicherheit ein toter Planet geworden. Natürlich können wir die Skala für die Gravitationskraft auch in die andere Richtung drehen und G noch kleiner machen, als es ohnehin schon ist. Zunächst würden die Sterne noch größer und massereicher. Aber die Planeten würden vermutlich - je nachdem wie stark die Masse des Sterns im Verhältnis zur Verringerung von G zunähme - in immer geringerem Abstand um die Sterne kreisen und wären somit in einem viel höheren Maße der Strahlung der Sterne ausgesetzt. Verringert man G noch weiter, so kommt man schnell an einen Wendepunkt, an dem es im gesamten Universum überhaupt keine Sterne, keine Planeten und keine Galaxien mehr geben würde. Schuld daran ist die Ausdehnung des Universums. Ab einer gewissen unteren Schwelle für G wäre die ausdünnende Wirkung der Expansion auf die Materie dem Bestreben der Gravitation, die Materie zu Sternen und Galaxien zusammenzuballen, überlegen, und das Universum bliebe auf ewig strukturlos.“ (Ebd., S. 390-391).

„Im Gegensatz zur Gravitation ist die Reichweite der schwachen Kernkraft außerordentlich klein und hauptsächlich auf den Bereich des Atomkerns beschränkt. Diese Kraft ist verantwortlich dafür, daß sich Quarks, die Bausteine der Nukleonen, untereinander umwandeln können. Ein Beispiel ist der so genannte b-Zerfall, wobei ein Neutron in ein Proton, ein Elektron und ein Antineutrino zerfällt. Das Wesentliche ereignet sich dabei im Inneren des Neutrons, wo sich eines der beiden Down-Quarks spontan in ein Up-Quark umwandelt. Erinnern wir uns: Dieser Prozeß war verantwortlich dafür, daß im frühen Universum das anfängliche Verhältnis von sechs Protonen auf je ein Neutron binnen weniger Minuten auf sieben zu eins verschoben wurde. Heute ist der Beta-Zerfall die Ursache für die Umwandlung der radioaktiven Elemente in stabile Atome. Im Zusammenhang mit unseren Betrachtungen zur speziellen Einstellung der Parameter unseres Universums ist jedoch der so genannte inverse Beta-Zerfall von Bedeutung, bei dem die Vorgänge in umgekehrter Richtung ablaufen: Aus einem Proton und einem Elektron entstehen ein Neutron und ein Neutrino. Besonderen Einfluß hat diese Reaktion auf das Geschehen in massereichen Sternen. Wie wir schon wissen, brechen diese Sterne am Ende ihres Lebens unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammen, wobei die Elektronen in die Protonen hineingepreßt werden und der Stern in einer Supernova vom Typ II explodiert. Die dabei entstehenden Neutronen formen im Zentrum einen Neutronenstern, und eine ungeheure Menge Neutrinos rast durch den Sternrest nach außen. Insbesondere diese Neutrinos sind es, die den Stern so stark aufheizen, daß er bei der Explosion nahezu seine gesamte Masse mit all den erbrüteten schweren Elementen ins All hinausschleudert. Bei einer veränderten schwachen Kernkraft gäbe es keine Supernovae und somit auch keine schweren Elemente zum Aufbau von Planeten und den komplexen Molekülen, aus denen sich die belebte Materie zusammensetzt. Die besondere Rolle der Neutrinos beruht darauf, daß sie nur über die schwache Kernkraft mit Materie wechselwirken. Diese Wechselwirkung ist so gering, daß eine etwa ein Lichtjahr dicke Bleimauer nötig wäre, um sie zu stoppen. Aber genau das ist der entscheidende Punkt bei einer Supernova-Explosion. Das Ausmaß der Neutrino-Wechselwirkung mit Materie ist exakt so eingestellt, daß es in den engen Spielraum paßt, in dem es zu einer Supernova-Explosion kommen kann. Bei einer etwas geringeren Wechselwirkung gäben die Neutrinos bei ihrem Weg aus dem Stern zu wenig Energie an die Sternhülle ab, so daß die Materie nicht entsprechend aufgeheizt und der Stern folglich nicht explodieren würde. Wäre die Wechselwirkung etwas stärker, so könnten die Neutrinos den Stern gar nicht verlassen, sondern würden gleich bei ihrer Entstehung im Kern stecken bleiben. Dabei würde zwar der Kern erhitzt, aber aufgrund der hohen Kerndichte käme es zu keiner Explosion. Auch hier zeigt sich wieder, daß scheinbar geringfügige Nuancen das Universum zu dem haben werden lassen, was es heute ist.“ (Ebd., S. 391-392).

„Analysieren wir nun noch die starke Kernkraft. Wie bei der schwachen Kernkraft reicht ihr Einfluß nicht über den Radius der Atomkerne hinaus. Wäre die Reichweite auch nur um wenige Millimeter größer, so würde die gesamte Materie im Universum zu riesigen Atomkernen zusammengezogen, die keine Ähnlichkeit mehr hätten mit den Elementen, aus denen unsere Welt aufgebaut ist. Doch das ist noch nicht alles! Daß es überhaupt Leben geben kann, beruht unter anderem auch darauf, daß die starke Kernkraft nur auf die Nukleonen, die Protonen und Neutronen, wirkt, nicht aber auf Elektronen. Das ist ein Glücksfall, denn andernfalls würden die Elektronen mit hineingezogen in den Strudel der Bildung riesiger Atomkerne, und alle Chemielaboratorien könnten von heute auf morgen zusperren, weil es nämlich gar keine Chemie mehr gäbe. Die chemische Wechselwirkung unter den Atomen, der Aufbau von Molekülen aus den Elementen, beruht ja gerade auf dem gegenseitigen Austausch von Elektronen beziehungsweise darauf, daß sich zwei an der Bindung beteiligte Atome ein oder mehrere Elektronen teilen. Doch wenn es gar keine Elektronen mehr gäbe, wäre auch der »Leim« verschwunden, der die Atome zu Molekülen zusammenfügt.“ (Ebd., S. 392-393).

„Die elektromagnetische Kraft ist für das Aussehen des Universums von ähnlicher Bedeutung. Wie auch bei der Gravitation ist deren Reichweite im Prinzip unendlich groß. Da sie jedoch nur auf elektrisch geladene Teilchen wirkt, eine Ansammlung gleich vieler positiver und negativer Ladungen nach außen aber elektrisch neutral ist, ist ihre Wirkung in der alltäglichen Welt auf geringe Entfernungen beschränkt. Im Gegensatz zur Gravitation, die alle Massen nur zusammenziehen will, wirkt sie sowohl anziehend als auch abstoßend. Im Atom ist sie für die Bindung der negativ geladenen Elektronen an den positiv geladenen Kern zuständig. Im Atomkern scheint sich jedoch ihre Wirkung zu einem Problem auszuwachsen. Denn mit Ausnahme des Wasserstoffs vereinigen alle Elemente mehrere positiv geladene Protonen in ihren Kernen, die sich eigentlich abstoßen und zum Auseinanderfallen des Atoms führen müßten. Doch die Kerne fallen nicht auseinander, weil die starke Kernkraft dem entgegenwirkt und die Nukleonen zusammenhält. Damit Atomkerne stabil bleiben, muß also die starke Kernkraft der elektromagnetischen Kraft überlegen sein, aber wiederum nicht so sehr, daß die Kerne nicht doch noch, beispielsweise bei der Kernspaltung, aufgebrochen werden können. Wieder kommt es auf die richtige Balance der Kräfte an. Schon bei einer auf die Hälfte verringerten starken Kernkraft würden nahezu alle Kerne instabil, und bei einer Einschränkung auf ein Viertel der aktuellen Kraft fielen sie spontan auseinander. Das Gleiche würde passieren, wenn die starke Kernkraft unverändert bliebe, dafür aber die elektromagnetische Kraft ungefähr um den Faktor 10 stärker wäre. Die elektromagnetische Kraft findet sich aber auch auf einem Gebiet, wo man ihren Einfluß auf den ersten Blick nicht vermuten würde: nämlich dem Licht. Licht ist eine elektromagnetische Welle und transportiert somit Energie. Das trifft natürlich nicht nur für den Bereich des sichtbaren Lichts zu, sondern ganz allgemein für das gesamte elektromagnetische Spektrum. Dem Transport von Energie durch Strahlung begegnen wir überall im Universum, beispielsweise bei den Kühlprozessen der interstellaren Gas-, Staub- und Molekülwolken. Bevor dort Sterne entstehen können, muß die Temperatur der Wolken erst auf einen Wert abfallen, bei dem der Gasdruck in der Wolke der Gravitation nicht mehr die Waage halten kann. Ohne die Strahlungskühlung gäbe es keine Sterne. Doch auch nach seiner Geburt kann ein Stern auf den Mechanismus des Energietransports durch Strahlung nicht verzichten, denn er muß die in seinem Inneren frei werdende Fusionsenergie in Form von Licht wieder loswerden. Wenn das nicht möglich wäre, würde es den Stern zerreißen, sobald die ersten Kernreaktionen stattfänden. Auch bei Sternen, die ihre Energie nicht durch Strahlung, sondern wie in einem Topf mit kochendem Wasser durch das Aufsteigen heißer Blasen, die so genannte Konvektion, nach außen leiten, kann die Energie von der äußersten Sternhülle, der Photosphäre, nur durch Strahlung abgegeben werden.“ (Ebd., S. 393-394).

„Vielleicht hat sich der eine oder andere schon einmal die Frage gestellt, warum das Universum so riesengroß ist und so unvorstellbar alt: so groß, daß darin hunderte Milliarden von Galaxien Platz haben und in jeder Galaxie wieder hunderte Milliarden von Sternen vorkommen, und so alt, daß die Sterne genügend Zeit hatten, die für das Leben unverzichtbaren Elemente auszubrüten. Im Wesentlichen sind zwei Größen dafür verantwortlich: zum einen die Masse in unserem Universum in Form von Sternen, Galaxien, Wolken und »Dunkler Materie« und zum anderen die so genannte kosmologische Konstante. Bleiben wir zunächst bei der Masse. Massen ziehen sich gegenseitig an, und zwar mit umso größerer Kraft, je mehr davon vorhanden ist. Andererseits expandiert unser Universum seit dem Urknall. Anziehung und Expansion zerren also beide in unterschiedlicher Richtung an den Massen. Die Gravitationskraft arbeitet gegen eine Ausdehnung des Universums beziehungsweise sie versucht, das bereits expandierte Universum wieder zusammenschnurren zu lassen, während die allgemeine Expansion zu einer stetigen Vergrößerung und zu einer Verringerung der Massendichte führt. Das Universum darf also nicht zu viel Masse enthalten, so daß die Gravitation nicht die Oberhand gewinnt und alles wieder in sich zusammenfällt. Zu wenig Masse hätte die umgekehrte Folge: Die Materie würde so sehr auseinander gezerrt, daß sie nicht mehr zu Sternen und Galaxien zusammenklumpen könnte. Und ein Universum ohne Sterne ist ein Universum ohne Leben. In diesem Konzert spielt die kosmologische Konstante eine nicht zu unterschätzende Rolle. Als Einstein seine Gleichungen zur allgemeinen Relativitätstheorie aufgestellt hatte, war ein Ergebnis seiner Berechnungen, daß das Universum instabil sei. Für Einstein war dieser Gedanke unerträglich, da er sich ein expandierendes oder sich zusammenziehendes Universum nicht vorstellen mochte. Trickreich wie er war, führte er einen Parameter in seine Gleichungen ein - die bereits erwähnte kosmologische Konstante - und machte ihren Wert gerade so groß, daß die zusammenziehende Wirkung der Gravitation zu null ausgeglichen wurde. Später konnte der Astronom Edwin Hubble jedoch zweifelsfrei belegen, daß das Universum tatsächlich instabil ist und sich ausdehnt. Als Folge dieser Erkenntnis sah sich Einstein genötigt, seinen Trick als die größte Eselei seines Lebens zu bezeichnen. Heute hat dieser Parameter, dem die Kosmologen den griechischen Buchstaben L (Lambda) gegeben haben, wieder an Bedeutung für die weitere Entwicklung des Universums gewonnen. L ist nämlich ein Maß für die Energiedichte des Vakuums, also des leeren Raumes, dem jegliche Masse und Strahlung fehlen, so daß nur noch die so genannte Vakuumenergie zurückbleibt. Nach den Gesetzen der Quantenmechanik bilden sich aus diesem Energievorrat fortwährend extrem kurzlebige Teilchen-Antiteilchen-Paare, die sich sofort wieder gegenseitig vernichten und dabei die zu ihrer Entstehung vom Vakuum entliehene Energie erneut an das Vakuum zurückgeben. Doch wie wirkt sich diese Vakuumenergie auf das Universum aus?  Mithilfe der Einsteinschen Gleichung »Energie ist gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat« könnte man der Vakuumenergie eine Masse zuordnen und vermuten, daß diese einen Beitrag zur Gravitation leistet, daß sie, je nach dem Vorzeichen von L, entweder anziehend oder abstoßend auf die Masse der Sterne und Galaxien wirkt. Doch das ist zu kurz gedacht. Der Kosmologe Gerhard Börner vom Max-Planck-lnstitut für Astrophysik macht denn auch deutlich, daß L verblüffenderweise keinerlei Wirkung auf gewöhnliche Massen hat. Vielmehr ist L als ein Beitrag zur Krümmung der Raumzeit zu verstehen, als eine Art innerer Druck im Kosmos, der das Universum und die darin enthaltene Materie auseinander treibt. Dummerweise gibt es keine Möglichkeit, den Wert von L direkt zu messen, man kann ihn nur auf Umwegen abschätzen. Heraus kommt, daß L außerordentlich klein ist. Die Theorie der Quantenmechanik fordert jedoch für L einen Wert, der mindestens um 120 Größenordnungen größer ist. Damit klar ist, was das bedeutet: 120 Größenordnungen besagen nicht, daß das theoretische L lediglich 120-mal größer ist als der geschätzte Wert der Kosmologen, sondern daß es mindestens um den gigantischen Faktor 10120 größer sein sollte. Wenn das richtig wäre, dann müßte das Universum aufgrund des starken inneren Drucks schon längst auseinander geflogen sein. Da das jedoch nicht der Fall ist, kann das nur heißen, daß die quantenmechanische Vakuumenergie sich nicht gravitativ im Universum auswirkt. - Neben anderen Ungereimtheiten gehört insbesondere diese Diskrepanz zu den großen Rätseln, die es zu lösen gilt, wenn wir das Universum verstehen wollen. Nun, wie groß auch immer L letztlich sein mag - fest steht jedenfalls, daß die zu unserem Universum vereinte Masse und L so perfekt zusammenwirken, daß ein Kosmos mit Sternen entstehen konnte. Glücklicherweise hat es dabei für seine Ausdehnung zur heutigen Größe so lange gebraucht, daß den Sternen genügend Zeit blieb, sich in Ruhe zu entwickeln und die Elemente zu produzieren, die das Leben für den Aufbau seiner Strukturen benötigt.“ (Ebd., S. 396-399).

„Fassen wir zusammen: Die eingangs geäußerte Vermutung, es könnte für die Entstehung von Leben nicht ausreichen, lediglich einen geeigneten Stern und einen passenden Planeten auszusuchen, hat sich mehrfach bestätigt. Tatsächlich hängen die Entwicklung des Universums und die Bildung von Sternen und Planeten davon ab, wie die Werte einer Reihe fundamentaler Größen ausfallen und wie sie aufeinander abgestimmt sind. Daß das Universum so geworden ist, wie es sich uns heute präsentiert, verdanken wir der Tatsache, daß sowohl die einzelnen Teilchenparameter als auch die Reichweite und die Stärke der Grundkräfte genau die Werte aufweisen, die wir vorfinden. Hätten die Parameter von Beginn an anders ausgesehen, so wäre daraus ein anderes Universum geworden, in den meisten Fällen sogar ein Universum ganz ohne Atome. Geringfüge Änderungen dieser »Grundeinstellung« würden unser heutiges Universum sofort zerstören beziehungsweise hätten es gar nicht erst entstehen lassen. Es ist schon beeindruckend, wie im Wechselspiel der Kräfte und Massen nur Nuancen darüber entschieden haben, daß aus dem Urknall ein Universum hervorgegangen ist, in dem zumindest auf unserer Erde eine Flora und Fauna und natürlich wir selbst entstehen konnten.“  (Ebd., S. 399).

„Aber warum die Natur so ist, wie sie ist, warum die Naturkonstanten und die Kräfte, welche die Entwicklungsprozesse steuern, genau die Werte und Größen haben, die wir messen, und keine anderen, ist nach wie vor eines der größten Rätsel der Physik. Wäre es anders gekommen, so gäbe es niemanden, der sich darüber wundern und rätseln könnte. Der Physiker Hans Joachim Blome vergleicht diese Situation mit der des Überlebenden beim russischen Roulette. Seine Freude, in diesem Spiel gewonnen zu haben, wird gedämpft, sobald ihm klar wird, daß er keine Gelegenheit gehabt hätte sich zu ärgern, wenn er nicht gewonnen hätte - weil es ihn dann nämlich nicht mehr gäbe. Eine allerdings ziemlich lapidare Antwort auf die Frage nach dem Warum könnte lauten: Eben weil es in unserem Universum Leben gibt, können die Parameter nur die Werte besitzen, welche die Existenz von Leben möglich machen. Diesen logischen Schluß bezeichnet man auch als Anthropisches Prinzip. Anders formuliert heißt das: Die beobachtbaren Werte der Naturkonstanten und die Anfangsbedingungen unseres Universums erfüllen gerade die Bedingungen, welche für die Evolution intelligenten Lebens notwendig sind. Geht man noch einen Schritt weiter und unterstellt, daß der Entstehung des Universums die Absicht zugrunde liegt, ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, so verschärft sich das Anthropische Prinzip zu der Aussage, daß die Parameter so eingestellt sein mußten, damit die Entwicklung von Leben möglich wurde. Hinter dieser auch als teleologisch bezeichneten Auslegung des Anthropischen Prinzips steht das Wirken eines allem übergeordneten Willens - eines Gottes, dessen Ziel von Anfang an die Erschaffung von Leben war. Damit verlassen wir jedoch die Erklärungsebene der Physik und müssen uns über die Prozesse, die zur Abstimmung der fundamentalen Größen geführt haben, keine Gedanken mehr machen. Eine naturwissenschaftliche Antwort auf die Frage, warum die Einstellungen so und nicht anders sind, muß natürlich anders aussehen - aber um es nochmals zu betonen: Die Naturwissenschaften haben keine Erklärung dafür! Wir können nur spekulieren.“ (Ebd., S. 399-400).

„Es könnte doch sein, daß alles auf einem puren Zufall beruht, daß aus der Menge der im Rahmen der Naturgesetze zulässigen Werte zufällig die in unserem Universum gültigen Bedingungen zum Zuge kamen. Doch wie wahrscheinlich ist das?  Der Quantenphysiker Lee Smolin rechnet uns vor, daß die Wahrscheinlichkeit, bei einer dem Zufall überlassenen Einstellung der Parameter exakt die Wertekombination zu finden, die unser Universum bestimmen, bei 10-229 liegt. Nach Roger Penrose, Physiker an der Universität Oxford, ist der Satz der für unser Universum grundlegenden Konstanten sogar nur einer von 101200 möglichen Kombinationen. Mit anderen Worten: Daß auf zufällige Art und Weise unser Universum zustande kam, erscheint - nahezu - ausgeschlossen. Spätestens an diesem Punkt bleibt für manche Naturwissenschaftler nur Gott als Antwort.“ (Ebd., S. 400-401).

„Welche Antworten könnte es sonst noch geben? Nehmen wir einmal an, es existiert eine eindeutige, selbstkonsistente Theorie für das gesamte Universum, ein in jeder Hinsicht widerspruchsfreies mathematisches Modell. Das hieße: Aufgrund mathematischer Gesetzmäßigkeiten konnte das Universum nur so und nicht anders werden. Gäbe es eine derartige Theorie, so müßten wir sie als Erklärung für unsere Welt hinnehmen. Aber was wäre das für eine schreckliche Erklärung! Der Mensch müßte sich dann als das Ergebnis einer mathematischen, seelenlosen Logik betrachten, und sein Dasein hätte nicht mehr Sinn als eine mathematische Operation.“ (Ebd., S. 401).

„Eine andere Erklärung beruht auf der Möglichkeit multipler Universen, von ... deren Existenz Kosmologen wie Andrei Linde felsenfest überzegt sind. Es widerspricht nicht den gängigen Theorien über die Entstehung des Universums, daß sich aus dem Quantenschaum des Vakuums fortwährend Blasen abschnüren, die zu neuen Universen expandieren. Jedem dieser Universen liegen vermutlich andere Anfangsbedingungen zugrunde, und in jedem bestimmen andere Gesetzmäßigkeiten und Naturkonstanten die Entwicklungsgeschichte. Bei einer riesigen, vielleicht sogar unendlichen Anzahl von Paralleluniversen muß zwangsläufig auch eines dabei sein, dessen Feinabstimmung der Parameter genau der unseren entspricht. Da wir jedoch prinzipiell nicht über den Rand unserer Blase hinaussehen können - und in Anbetracht der andersartigen Gesetzmäßigkeiten -, werden wir über diese Universen leider nie etwas in Erfahrung bringen.“ (Ebd., S. 401-402).

„Vielleicht muß man analog zur biologischen Evolution die spezielle Einstellung der Parameter unseres Universums als das Ergebnis einer Evolution der Naturkonstanten betrachten: Aus einem Universum könnten »Tochteruniversen« hervorgehen, wobei sich die Naturkonstanten leicht verändert vererben. Universen mit »schlechten Genen«, zum Beispiel einer zu großen Gravitationskonstante, würden schnell wieder kollabieren, von der Bühne verschwinden und aussterben. Andere mit »besseren Genen« würden sich weiter »fortpflanzen«. Wie in der Biologie würden schließlich die Arten dominieren, welche die größte Anzahl von Nachkommen hervorbringen. Doch wie soll man sich den Mechanismus der Fortpflanzung bei einem Universum vorstellen?  Der Quantenphysiker Lee Smolin glaubt die Lösung in der Entstehung Schwarzer Löcher am Ende des Lebens massereicher Sterne gefunden zu haben. Seiner Meinung nach sind die Zustände in einem Schwarzen Loch nicht von denen des Urknalls zu unterscheiden. In beiden Fällen handelt es sich um eine Singularität, einen Zustand extremer Dichte, Temperatur und Energie. Könnte es aufgrund dieser Analogie nicht sein, daß hinter dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs ein neues Universum entsteht?  Smolin hält es für möglich. Wenn die Parameter des neuen Universums die Bildung von Sternen begünstigen, wird es viele neue Schwarze Löcher hervorbringen und sich weiter fortpflanzen, andernfalls aber aussterben. Anders ausgedrückt: Nur Parameterkombinationen, die zahlreiche Sterne hervorbringen, werden auch zahlreiche Nachkommen haben. Das entspricht dem Prinzip der Evolution und Auslese, wie wir es aus der Biologie kennen, nur daß hier die Naturkonstanten die Rolle der Gene übernehmen.“ (Ebd., S. 402).

„Laut dieser Hypothese wäre eine Vielfalt von Universen möglich, die unentwegt neue Sterne hervorbringt, welche sich weiterentwickeln, zu Schwarzen Löchern kollabieren und wiederum neue Universen entstehen lassen. Die Sternentwicklung wird zwar aufgrund der jeweiligen Parameterwerte jedesmal etwas anders verlaufen, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis irgendwann einmal ein Universum auftaucht, dessen Naturkonstanten die Bildung von Elementen, Molekülen und schließlich auch die Existenz von Leben ermöglichen, ein Universum mit »unseren« Naturkonstanten. Damit wäre die Entstehung von Leben auch auf der kosmischen Ebene das zwangsläufige Ergebnis einer langen natürlichen Entwicklungsreihe. Weder der Zufall noch eine übergeordnete Macht hätten dem Leben auf die Beine geholfen, sondern dies wäre einer Reihe physikalisch bedingter Ausleseprozesse zu verdanken gewesen. Und was ist mit den vielen anderen Universen?  Unter ihnen gäbe es sicher einige, die unserem Universum sehr ähnlich wären, vielleicht auch mit einer gleichartigen Form von Leben. Leider werden wir nie erfahren, wie das »Parallel-Leben« aussieht, geschweige denn, was sich wirklich in einem Schwarzen Loch abspielt oder beim Urknall geschah.“ (Ebd., S. 402-403).

Ausblick (S. 404-408)

„Nicht alle Sterne sterben zur gleichen Zeit. Unzählige sind bereits erloschen, unzählige werden im Laufe von Milliarden Jahren noch folgen. Unsere Sonne erleidet dieses Schicksal in etwa vier bis fünf (wahrscheinlich fünf; Anm. HB) Milliarden Jahren. Sie wird sich zu einem Roten Riesen aufblähen und den Planeten Merkur und sehr wahrscheinlich auch die Venus verschlingen - ein lokales Ereignis, das zwar das Leben auf der Erde bedroht, das aber ohne spürbare Auswirkung auf das übrige Universum sein wird. Doch wenn wir es bis dahin nicht schaffen, auf einen anderen Planeten auszuweichen, vielleicht auf einen Planeten in einem anderen Sonnensystem, dann ist das Schicksal der Spezies Mensch besiegelt. Doch auch nach einem derartigen Exodus wären wir noch nicht auf der sicheren Seite. Es wird der Moment kommen, da keine neuen Sterne mehr entstehen, weil der Gasvorrat der Galaxien erschöpft ist. Dann werden alle Sterne unserer Galaxis und auch die aller anderen Galaxien ausgebrannt sein, und es wird nirgendwo mehr eine Supernova explodieren und frisches Material für neue Sterne in das All schleudern. Von da an wird es finster sein im Universum, zumindest was das für unsere Augen sichtbare Licht anbelangt, und es wird auf ewig finster bleiben. Anstelle von Sternen wird es dann nur noch Braune Zwerge und Weiße Zwerge geben, Neutronensterne und Schwarze Löcher. Die Kosmologen schätzen, daß das in etwa 100 Billionen Jahren der Fall sein wird. Spätestens dann wird es kein Leben mehr geben, zumindest keines der uns bekannten Art. Wir wollen nicht behaupten, daß das Universum von da ab für alle Zeiten tot sein wird; vielleicht schafft es das Leben ja, sich im Laufe der unvorstellbar langen Zeit von 100 Billionen Jahren zu völlig anderen, für uns unvorstellbaren Entwicklungsstufen aufzuschwingen, sich zu wandeln und anzupassen an die neuen Verhältnisse. Aber die neuen Verhältnisse werden sehr, sehr fremdartig sein, und dieses Leben wird keine Ähnlichkeit mehr haben mit jenem, wie wir es kennen. Die Galaxien werden auch im Dunkeln noch für geraume Zeit als zusammengehörige Systeme weiterbestehen, und längst ausgeglühte Planeten werden um ausgebrannte Sternreste kreisen. Aber diese Bindungen halten nicht ewig, Galaxien werden auf ihren Wegen durch das All einander nahe kommen und miteinander kollidieren. Unsere Milchstraße und die Andromeda-Galaxie sind gegenwärtig schon auf Kollisionskurs. In etwa sechs Milliarden Jahren könnte es zu einem Zusammenstoß kommen. Doch auch wenn das zu diesem Zeitpunkt gerade noch einmal gut gehen sollte - langfristig ist eine Kollision unvermeidbar, da die beiden Systeme durch die Gravitation aneinander gebunden sind. Sie umkreisen sich, und weil dabei durch Reibung Energie verloren geht, verschmelzen sie schließlich zu einem riesigen Haufen ungeordneter Sterne. Für die Sonnensysteme einer Galaxie hat das einschneidende Konsequenzen. Aufgrund der Schwerkraft aneinander vorbeiziehender Sterne werden die Planeten allmählich aus ihren Bahnen geworfen und in das All geschleudert. Wissenschaftler schätzen, daß in rund 100 Billiarden Jahren alle Planetensysteme zerfallen sind. Schließlich bleiben auch die ausgebrannten Sonnen nicht von diesen Auflösungserscheinungen verschont. Wie bei den Planeten kann bei der Begegnung dreier Sterne der masseärmste aus der Galaxie katapultiert werden. Derartige Drei-Körper-Begegnungen sind zwar relativ selten - sie kommen in einer Galaxie etwa nur ein halbes Dutzend mal pro einer Milliarde Jahre vor -, aber im Universum spielt Zeit keine Rolle, und auf lange Sicht ist das Ergebnis dramatisch. Irgendwann zwischen einer Trillion (1018) und einer Quatrilliarde (1027) Jahre werden die Galaxien etwa 99 Prozent ihrer Masse verloren und sich somit praktisch aufgelöst haben. Der jeweils verbleibende Rest wird dann zu einem einzigen supermassiven Schwarzen Loch kollabieren. Jetzt geht es ans Eingemachte, an die eigentliche Substanz. Wenn die Theorien der Elementarteilchenphysiker stimmen, dann löst sich auch die Materie insgesamt auf. Nach etwa 1032 Jahren zerfallen nämlich selbst die Protonen, die elementaren Bausteine der Materie, in Positronen und Photonen. Treffen die Positronen auf ein Elektron, so vernichten sich die Teilchen gegenseitig, und es bleiben nur noch Photonen übrig. Letztlich wird also die gesamte feste Materie, werden alle Stern- und Planetenreste in Strahlung verwandelt sein. Dann gibt es im Universum nur noch gigantische Schwarze Löcher, die in einem allumfassenden Meer von Photonen und Neutrinos schwimmen. Sieht so die Ewigkeit aus? Sie ahnen es schon, verehrte Leserinnen und Leser, die Kosmologen haben noch einen weiteren Trumpf im Ärmel. Sie behaupten, daß auch die Schwarzen Löcher einmal ihr Dasein beenden, indem sie verdampfen. In etwa 1080 Jahren sollen diese Prozesse beginnen und erst in 10130 Jahren beendet sein. Dann soll es wirklich nichts mehr geben außer Neutrinos und Photonen in Form von extrem langwelliger elektromagnetischer Strahlung in einem extrem kalten, leeren Universum. Obwohl die Kosmologen auch an diesem Punkt mit ihren Spekulationen noch nicht zu Ende sind, ist es doch für uns an der Zeit, die Gedankenreise in die Zukunft abzubrechen.“ (Ebd., S. 405-407).

Universum Ewig ist nur die Energie!
„Obwohl die Kosmologen auch an diesem Punkt mit ihren Spekulationen noch nicht zu Ende sind, ist es doch für uns an der Zeit, die Gedankenreise in die Zukunft abzubrechen. Schon längst überschreitet das alles unser Vorstellungsvermögen. Was bleiben soll, ist die Erkenntnis, daß dem Leben, wo und wann auch immer es im Universum entstanden sein mag, nur eine zeitlich begrenzte Spanne vergönnt ist. Nur in der gegenwärtigen, glücklicherweise zig Milliarden Jahre andauernden Epoche der Sterne konnte und kann es entstehen, kann es sich entwickeln und gedeihen. Zu keiner Zeit vorher noch irgendwann nachher waren und sind die Verhältnisse geeignet, um Leben zu unterstützen. In den Epochen davor fehlte es an den entsprechenden Bausteinen und Energiequellen, danach gewinnen die destruktiven Kräfte die Oberhand.“ (Ebd., S. 407-408).

„Sollen wir über diese Erkenntnis nun in Trübsal verfallen und angesichts der scheinbaren Sinnlosigkeit des Lebens verzagen?  Für viele kann hier sicherlich der Glaube an einen Gott hilfreich sein. Aber müssen wir uns wirklich schon heute ängstigen vor einem Szenario, das voraussichtlich erst in etwa zwei Milliarden Jahren Realität wird, wenn es auf der Erde so heiß wird wie auf der Venus und die Meere verdampfen?  Zwei Milliarden Jahre, das ist eine Zeitspanne, die rund 10000 mal länger ist als die Zeit, die seit dem Erscheinen des ersten hoch entwickelten menschenähnlichen Wesens, des Homo sapiens, vergangen ist. Anstatt die Flinte ins Korn zu werfen, sollten wir lieber alle Kraft darauf verwenden, das Überleben der Spezies Mensch wenigstens für die nächsten 100000 Jahre sicherzustellen. Daß allein dieses Minimalziel von einer Dimension ist, welche die gesamte Menschheit fordert, zeigt uns der tägliche Blick in die Medien. Wie es scheint, sind wir gerade dabei, unsere Lebensgrundlagen zu zerstören, und weit davon entfernt, einander in friedlicher Koexistenz zu begegnen. Soll sich daran etwas ändern, so muß sich der Mensch endlich seines selbstverliehenen Titels »intelligentes Lebewesen« besinnen und alles unterlassen, was seine Existenz und die der anderen bedrohen könnte. Wenn das gelingt, brauchen wir uns vor der Zukunft nicht zu fürchten!“  (Ebd., S. 408).

Zitate: Hubert Brune, 2003 (zuletzt aktualisiert: 2009).

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- Literaturverzeichnis -