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Zum modernen Krieg der Nationen führte, was Napoleon durch das Revolutionsheer der Levée en masse in seiner neuartigen Gliederung ermöglicht wurde: die Durchführung schneller Märsche und überraschendew Truppenkonzentrationen an strategisch entscheidender Stelle. Die zumeist widersprüchlichen Beurteilungen entprechen scheinbar der komplexen Persönlichkeit Napoleons und seiner Stellung zwischen (französischer) Revolution, aufgeklärter Reform und Reaktion.Mit dem Überfall auf Italien - dem sogenannten Italienfeldzug (1796-1797) - innerhalb der 1. Koaltitionskrieges (1792-1797 errang Napoleon nicht nur militärischen Rum, sondern bewies mit der territorialen und republikanischen Umgestaltung Italiens, seinem eigenmächtigen Friedensschluß mit dem Papst (Pius VI.) und mit den Habsburgern seine politische und administrative Begabung und Selbständigkeit. Im Dezember 1797 übertrug ihm das Direktorium den Oberbefehl über die Englandarmee und gestand ihm die die Durchführung der ägyptischen Expedition (1798) zu, es war natürlich ein Ägyptenfeldzug (1798-1799). Militärische Rückschläge in Deutschland und Italien zu Beginn des 2. Koaltionskrieges (1799-1802), der wachsende Mißkredit des Direktoriums und die von Mitverschwörern um Emmanuel Joseph Sieyès (1748-1836) schließlich unterschätzte Beliebtheit Napoleons ermöglichten den Staatsstreich vom 18. Brumaire des Jahre VIII - also: 9. November 1799.18. Brumaire ... 9. November. Sein historischer Inhalt ist der Staatsstreich Napoleon Bonapartes, der im Jahr VIII der neuen Zeitrechnung, an ebenjenem Nebelmonat-Tag, von seiner gescheiterten ägyptischen Expedition über Fréjus nach Paris zurückkehrend, in Frankreich als alleinregierender Erster Konsul die Macht ergriff und in der zivilen Maske des römischen Princeps inter pares damit begann, sein Land in die politische, also die nationalimperialistische Modernität zu führen, die sich nach innen hin als Demokratie vorstellt und nach außen als imperiale Großmacht agiert. In diesem Sinne ist der französische 9. November 1799 ... das Schlüsseldatum der jüngeren europäischen politischen Geschichte (Peter Sloterdijk, Der starke Grund, zusammen zu sein, 1998, S. 13-14):Wir
haben den Roman der Revolution beendet. |
9. November (Beispiele) | |||||||
70 | 1799 | 1918 | 1923 | 1938 | 1939 | 1969 | 1989 |
Römer zerstören Jerusalem (Judenpogrom) | Napoleons Staatsstreich (der 18. Brumaire) | Ende
des 1. Weltkriegs | Hitler-Putsch | Reichs- Kristallnacht (Judenpogrom) | Attentat
auf Hitler (Attentäter: Georg Elser) | Linksextreme bombardieren jüdische Gemeinde in Berlin | Fall
der Mauer |
»Mein geheimster Gedanke ist, daß
das alte Europa am Anfang seines Endes ist. Ich werde, entschlossen mit ihm unterzugehen, meine Pflicht zu tun wissen. Das neue Europa ist anderseits noch im Werden; zwischen Ende und Anfang wird es ein Chaos geben.« |
Anmerkungen: Nach dem Sturz Robespieres 1794 wurde Napoleon aus der Armee entlassen und verhaftet - für kurze Zeit. Er unterstützte das Direktorium bei der Niederschlagung des royalistischen Aufstandes in Paris am 13. Vendémaire des Jahres IV - das heißt also: am 5. Oktober 1795 - und wurde zum Befehlshaber der Armee im Innern und später sogar, nämlich am 2. März 1796, zum Oberbefehlshaber der Italienarmee ernannt. Am 9. März 1796 heiratete Napoleon Joséphine de Beauharnais (Scheidung 1809, weil die Ehe kinderlos geblieben war). - Mit dem Italienfeldzug 1796-1797 innerhalb des 1. Koalitionskrieges errang Napoleon militärischen Ruhm, ja Ruhm überhaupt, denn er bewies seine politische und administrative Begabung und Selbständigkeit mit mit der territorialen und republikanischen Umgestaltung Italiens, seinem eigenmächtigen Friedensschluß mit dem Papst (Pius VI.) und mit Österreich. Im Dezember 1797 übertrug ihm das Direktorium den Oberbefehl über die Englandarmee und gewährte ihm die Durchführung der ägyptischen Expedition (1798). Militärische Rückschläge in Deutschland und Italien zu Beginn des 2. Koalitionskrieges (1799-1802), der wachsende Mißkredit des Direktoriums und die von den Mitverschwörern um Emmanuel Joseph Sieyès schließlich unterschätzte Popularität Napoleons ermöglichten den Staatstreich vom 18. Brumaire des Jahres VIII (9. November 1799). Napoleon diktierte die 1800 von einem Plebiszit gebilligte Konsulatsverfassung vom 22. Frimaire VIII (13. Dezember 1799). Als 1. Konsul besaß er die exekutive Gewalt und die Gesetzesinitiative, das Plebiszit sicherte ihm den Vorrang vor den legislativen Versammlungen; die Herrschaftsformen des Bonapartismus zeichneten sich damit ab. In der Zeit von 1800 bis 1804 sicherte Napoleon innenpolitisch eine stabile Ordnung und schuf die rechtlichen, administrativen und sonstigen Grundlagen für die Herrschaft des Bürgertums. Er ersetzte die miteinander konkurrierenden revolutionären Gremien durch ein straff zentralistisches Verwaltungssystem, schuf ein einheitliches Unterichtswesen und machte 1801 mit dem Abschluß des Konkordats mit Papst Pius VII. () den Klerus durch staatliche Besoldung vom Staat abhängig. Napoleons einheitlicher Code civil von 1804 und seine folgenden Gesetzeswerke sicherten dem Gleichheitsgrundsatz eine Bedeutung über Frankreich hinaus. Napoleon machte sich 1802 zum Konsul auf Lebenszeit, krönte sich selbst am 2. Dezember 1804 zum erblichen Kaiser der Franzosen und am 26. Mai 1805 in Mailand mit der Eisernen Krone der Langobarden zum König von (Ober-) Italien. - Deutschland half Frankreich durch Verrat bzw. Leugnung (genau wie heute), denn: Die Errichtung des Rheinbundes 1806, der die schon drei Jahre zuvor durch den Reichsdeputaionshauptschluß (1803) eingeleitete Neuordnung Deutschlands fortsetzte, die Dekretierung der Kontinentalsperre (1806) und das Bündnis mit Alexander I. von Rußland (1807) bedeuteten für Napoleon den Höhepunkt seiner Macht und für Deutschland ein für alle und jeden Ausländer erbrachtes Opfer: Napoleons Soldaten waren zu einem großen Teil Deutsche, sie kämpften und starben für Frankreich und in Wirklichkeit für England, während ihre Gegner, auch zumeist Deutsche, direkt für England kämpften und starben. - 1810 heiratete Napoleon die österreichische Kaisertochter Marie Louise, die ihm Napoléon, den späteren Herzog von Reichsstadt gebar. Der verlustreiche Rußlandfeldzug 1812-1813 (auch an ihm waren - logisch - zumeist Deutsche beteiligt) brachte den endgültigen Wendepunkt der Napoleonischen Herrschaft; in den Befreiungskriegen 1813-1815 (klar: zumeist waren daran Deutsche beteiligt) wurde seine Herrschaft über Europa beseitigt. Am 31. März 1814 besetzten die Verbündeten Paris; sie zwangen Napoleon zur Abdankung (6. April 1814) und wiesen ihm als Souveraän mit Kaisertitel (!?!) die Insel Elba als Wohnsitz zu. Überschätzte Differenzen der Alliierten auf dem Wiener Kongreß () und die mangelnde Begeisterung der Franzosen für die auf diesem Kongreß beschlossene Restauration () der Bourbonen veranlaßten Napoleon, noch einmal nach der Macht zu greifen. Dieses 1815 erfolgte Intermezzo der 100 Tage endete mit Napoleons Niederlage bei Waterloo (18. Juni 1815).Die Restauration (), die von 1814/15 (Wiener Kongreß ) bis etwa 1848/52 andauerte, wollte zu vorrevolutionären Verhältnissen zurückkehren, aber ohne die sozialen, rechtlichen und territorialen Veränderungen, die die französische Revolution und die Napoleonische Neuordnung Europas hinterlassen hatten, in vollem Umfang rückgängig zu machen. Hinter der Restaurationspolitik stand die Gleichgewichtspolitik - als Ablenkungspolitik eine Politik der Engländer! Metternich (1773-1859 ) wollte mit seiner Politik nicht einfach nur die Gegenwart durch die Vergangenheit sichern, sondern die Zukunft möglichst weit aufschieben, weil er deren Schrecken voraussah,: Mein geheimster Gedanke ist, daß das alte Europa am Anfang seines Endes ist. Ich werde, entschlossen mit ihm unterzugehen, meine Pflicht zu tun wissen. Das neue Europa ist anderseits noch im Werden; zwischen Ende und Anfang wird es ein Chaos geben.Zu Napoleons Ruhm heißt es z.B. bei Karlheinz Weißmann (): Ein großer Teil von Napoleons politischem Erfolg geht darauf zurück, daß er diese neue Form des französischen Nationalismus benutzte und daß es ihm gelang, einen gewissen Ausgleich zwischen dem jakobinischen - er hatte zu den Parteigängern Robespieres gehört - und dem traditionellen Frankreich herzustellen. Der Kompromiß kam sinnfällig im Konkordat mit dem Heiligen Stuhl und der Teilnahme des Papstes an seiner (Selbst-)Krönung zum Ausdruck. Dabei kann gar kein Zweifel bestehen, daß Napoleon die Religion lediglich für ein wirkungsvolles Mittel sozialer Kontrolle hielt und keinesfalls daran dachte, die geistliche Überlieferung Frankreichs wiederzubeleben. Er hatte zu dogmatischen Fragen ein ähnlich instrumentelles, um nicht zu sagen: zynisches, Verhältnis wie zur Nation selbst. Aber er betrachtete beide als nützlich, mehr noch: als notwendig, um Menschen über ihre Grenzen hinauszutreiben. Der neue Cäsar hielt sich wie Robespiere für die Verkörperung der volonté générale (nach: J. J. Rousseau), aber er wußte auch um die Lebenskraft des traditionellen Frankreich, das ihm das »Kanonenfutter« für seine hochfliegenden Pläne lieferte. Die Existenz der Individuen zählte für ihn nicht, sie schuldeten ihr Leben ganz dem Vaterland. - Der Ruhm Napoleons auch nach Niederlage, Verbannung und Tod speiste sich aus der Tatsache, daß er die französische grandeur zu einer nie gekannten Höhe geführt hatte. In seinem Imperialismus mischten sich untrennbar das Sendungsbewußtsein der Revolution ... und neue Herrschaftsansprüche, die er vor allem aus dem römischen Modell ableitete. (Karlheinz Weißmann, Nation?, 2001, S. 64-65).Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1832), Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, § 273Karl Marx (1818-1883), Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, 1852Genau wie der heutige Bund.
© Hubert Brune, 2001 ff. (zuletzt aktualisiert: 2014). |