Das Liberale
System ist laut Ernst Nolte u.a. dadurch charakterisiert, daß zu ihm
wie selbstverständlich auch der Links-Sozialismus (z.B. Kommunismus, Marximus
u.ä.) und der Rechts-Sozialismus (z.B. Faschismus, Nationalsozialismus [Radikalfaschismus,
so Nolte] u.ä.) gehören. Erst viel später wurde mir der Begriff
des »Liberalen Systems« geläufíg, welches in seinem Ursprung
das »europäische System« des Neben- und Miteinanders geschichtlicher
Kräfte ist, die zunächst den Gegner vernichten wollen und sich doch
damit begnügen müssen, ihn zu schwächen und zurückzudrängen,
um dann an seiner Seite einen Platz einzunehmen, der den eigenen Erwartungen nicht
entsprach, der aber das Ganze reicher und vielfältiger sein läßt,
als der Teil es mit seinem Abolutheitsanspruch je hätte sein können.
So erging es dem Protestantismus, der Aufklärung, dem Positivismus und der
Lebensphilosophie, und schon in der Einheit des »mittelalterlichen«
Katholizismus gab es eine Spaltung oder - besser - eine Differenzierung zwischen
Staat und Kirche, zwischen Monarchie und Adel, zwischen Bürgerstädten
und Landbevölkerung. Bis in die jüngste Zeit ist keiner dieser Faktoren
völlig untergegangen .... (Ernst Nolte, Der kausale Nexus, 2002,
S. 340-341 **).
Vgl. auch die im Liberalen System enthaltenen Liberalismus
und Liberismus.Der
Begriff Liberismus sucht ein bestimmtes Entwicklungsstadium
dessen zu fassen, was ich das »Liberale
System« genannte habe. »Liberismus« ist ein Entwicklungsmoment
dieser vielpoligen Gesellschaft, mit dem der Liberalismus in gewisser Weise totalitär
wird. Aber der totalitäre Liberalismus weist grundsätzlich andere Merkmale
auf als andere Totalitarismen: er ist hedonistischer Individualismus und damit
die Verneinung des Begriffs der Pflicht. Insofern ist der liberale Totalitarismus
von präzendenzloser Art. (Ernst Nolte, in: JF,
03.07.1998 **).
Der Liberalismus ist ja schon von seinem Anfang an
verknüpft mit dem Glauben an den Individualismus und tendiert zum Anarchismus
(**);
darum verwundert es nicht, daß er, indem er immer totalitärer wird
- als Liberismus, so Nolte -, den endgültigen Untergang der Gemeinschaft
bedeutet. Darüber hinaus ist der Liberalismus der Grund für sein eigenes
Verschwinden, denn er muß ja gemäß seines Selbstverständnisses
auch tolerant gegenüber denjenigen sein, die ihn abschaffen. Von
der sowjetischen Besatzungspolitik in Ostpolen und Weißrußland sowie
- dem Sinne nach - in den baltischen Staaten schreibt Thomas Sandkühler,
ihr seien zwischen 1939 und 1941 wahrscheinlich mehr Menschen zum Opfer gefallen
als der deutschen in West- und Zentralpolen (vgl. Thomas Sandkühler, Endlösung,
1996, S. 53). Wie genau die deutsche Führung die Vorgänge im sowjetischen
Besatzungsgebiet beobachtete, geht auch aus einem Satz hervor, den Hitler im Dezember
1940 zu dem bulgarischen Gesandten Draganoff sagte: »Er schildert in starker
Form die terroristischen Zustände, die Erschießungen und Abtransporte
von Intelligenz in Zügen, die niemals angekommen sind. Der Zustand dort sei
für europäische Begriffe einfach grauenhaft.« (Andreas Hillgruber
[Hrsg.]: Staatsmänner und Diplomaten bei Hitler, Band 1, 1967, S.
385). Zu dieser Zeit konnte Hitler von »Katyn« noch nichts wissen,
das bereits acht Monate zuvor in Weißrußland stattgefunden hatte.
Wäre ihm dieses extrem völkerrechtswidrige Großverbrechen bekannt
gewesen, würde er für seine »völkerrechtswidrigen Befehle«
vermutlich noch schärfere Formulierungen gewählt haben. (In der deutschen
Kriegsgefangenschaft wurden auch die polnischen Offiziere jüdischer Abkunft
im großen und ganzen korrekt behandelt.). (Ernst Nolte, Der kausale
Nexus, 2002, S. 197, Anmerkung 10).Vgl.
Ernst Nolte, Der kausale Nexus, 2002, S. 198, Anmerkung 17.Aller
Vermutung nach wäre der »Holocaust« ohne den »Antisemitismus«
der polnischen, ukrainischen und baltischen Bevölkerung gar nicht realisierbar
gewesen .... (Ernst Nolte, Der kausale Nexus, 2002, S. 237-238, Anmerkung
19).»Sie (die Bourgeoisie) ist
durch den Bolschewismus in Schrecken versetzt und ist fast bis zum
Irrsinn gegen ihn erbittert.« (W. I. Lenin,Der Linke Radikalismus,
in: Ausgewählte Werke, II, S. 743). »Nur die ... Rote Fahne
... schlug die wütenden Attacken der aus Haß und Angst wie irrsinnigen
Konterrevolutionäre zurück.« (G. Sinovjew, Zwölf Tage
in Deutschland, 1921, S. 62). (Ernst Nolte, Der kausale Nexus,
2002, S. 240, Anmerkung 26).Wenn man
bedenkt, daß auch Frauen von längst verstorbenen »Ehemaligen«
wie etwa Popen keine Lebensmittelkarten erhielten, daß »Bourgeois«
aus ihren Wohnungen exmittiert, zu Zwangsarbeiten herangezogen und auf jede vorstellbare
Weise gedemütigt wurden, dann wird das Urteil zum moralischen Zwangsgebot,
die »Judenverfolgung« im nationalsozialistischen Deutschland sei bis
zum November 1938 (Attentat des Juden Herschel Grünspan
auf den deutschen Legationssekretär Ernst von Blath in Paris am 07. November
und als Reaktion darauf das Judenpogrom [die »Kristallnacht«] in Großdeutschland
am 9. November; Anm. HB) weitaus weniger brutal als die »Verfolgung
der burschui« in Sowjtrußland. (Ernst Nolte, Der kausale
Nexus, 2002, S. 240, Anmerkung 32).Für
Juden wie Chaim Weizmann war es immer ganz selbstverständlich, daß
die Juden die entschiedensten Feinde Hitlers waren, ... und jede kriegerische
Nation der Welt hätte einen Appell wie denjenigen des »Jüdischen
Antifaschistischen Komitees« in Moskau vom 24. August 1941 (»Dringt
in die Hitler-Henker ein und lähmt sie auf jede Weise«), auf die Weizmann
im Namen aller Juden der Welt eine enthusiastische Antwort gab, mit der sofortigen
Internierung eines so offensichtlichen »Feindvolkes« beantwortet.
Die meist eher vorausgesetzte als ausdrücklich entwickelte Behauptung, »deutsche
Mörderbanden« seien über eine freundlich oder doch neutral gesinnte
jüdische Bevölkerung hergefallen, schließt so etwas wie eine »unwahre
Richtigkeit« ein, denn sie kann nicht erklären, wieso die Einsatzgruppen
von »Erbitterung« erfüllt waren und weshalb sich riesige Menschenmassen
versammelten, wenn sie einen ergriffenen »Tschekisten« öffentlich
hängten. Der qualitative Unterschied wird erst sichtbar, wenn im Anschluß
Hunderte von Juden erschossen wurden, gegen die keine individuelle Anklage erhoben
worden war. (Ernst Nolte, Der kausale Nexus, 2002, S. 241, Anmerkung
34).Immanuel Kant, Beantwortung
der Frage »Was ist Aufklärung?«, 1784, a.a.O., S. 112f..Immanuel
Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, 1784,
a.a.O., S. 302.Immanuel Kant, Grundlegung
zur Metaphysik der Sitten, 1785, a.a.O., S. 20.Max
Horkheimer, Autoritärer Staat, in: Gesellschaft im Übergang
- Aufsätze, Reden und Vorträge 1940-1970, 1972, S. 28.Max
Horkheimer / Theodor Wiesengrund Adorno, Dialektik der Aufklärung,
1969, S. 202. Wenn laut Horkheimer und Adorno der Faschismus ein Spezialfall
paranoischen Wahns sein sollte, welcher die Natur entvölkert
und am Ende die Völker selbst, dann braucht man nur Faschismus
gegen Judentumauszutauschen, um gleich zu erkennen, daß hier
Gleiches mit Gleichem vergolten werden soll, denn die Juden Horkheimer und Adorno
sagen über den Faschismus das, was Jahrzehnte vor ihnen der Faschist Hitler
über die Juden gesagt hat: »Siegt der Jude mithilfe seines marxistischen
Glaubensbekenntnisses über die Völker dieser Welt, dann wird seine Krone
der Totenkranz der Menschheit sein, dann wird dieser Planet wieder wie einst vor
Jahrmillionen menschenleer durch den Äther ziehen. Die ewige Natur rächt
unerbittlich die Übertretung ihrer Gebote. So glaube ich heute im Sinne des
allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich der Juden erwehre,
kämpfe ich für das Werk des Herrn.« (Adolf Hitler, Mein Kampf,
1925, Band I, S. 69-70). Also ist entweder keiner von beiden oder jeder von beiden
ein Spezialfall paranoischen Wahns, aber niemals nur einer von beiden.Theodor
Wiesengrund Adorno, Studien zum autoritären Charakter,
1950.Theodor Wiesengrund Adorno, Studien
zum autoritären Charakter, 1950, S. 45.Jürgen
Habermas, Theorie und Praxis - Sozialphilosophische Studien, 1963,
S. 137.Jürgen Habermas, Erkenntnis
und Interesse, 1968, S. 386.Jürgen
Habermas, Technik und Wissenschaft als Ideologie, 1968, S. 164.Jürgen
Habermas, Protestbewegung und Hochschulreform, 1969, S. 245.Jürgen
Habermas, Philosophisch-politische Profile, 1971, S. 65-72.Jürgen
Habermas, Philosophisch-politische Profile, 1971, S. 444.Jürgen
Habermas, Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, 1976, S. 111.Jürgen
Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 1981, Band II, S. 401.Jürgen
Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 1981, Band II, S. 490.Jürgen
Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 1981, Band II, S. 520.Jürgen
Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne, 1985, S. 253, 256.Jürgen
Habermas, Erläuterungen zur Diskursethik, 1991, S. 12.Jürgen
Habermas, Erläuterungen zur Diskursethik, 1991, S. 12f..Jürgen
Habermas, Erläuterungen zur Diskursethik, 1991, S. 18.Karl
Otto Apel, Diskurs und Verantwortung - Das Problem des Übergangs zur postkonventionellen
Moral, 1990, S. 255f..Karl
Otto Apel / Matthias Kettner, Zur Anwendung der Diskursethik in Politik, Recht
und Wissenschaft, 1992, S. 36.Wolfgang
Kuhlmann, Sprachphilosophie, Hermeneutik, Ethik - Studien zur Transzendentalpragmatik,
1992, S. 231.Wolfgang Kuhlmann, Zur Begründung
der Diskursethik, in: Sprachphilosophie, Hermeneutik, Ethik - Studien
zur Transzendentalpragmatik, 1992, S. 243.Detlef
Horster, Habermas zur Einführung, 1980, S.70ff..Tjati
ist der altägyptische Beamtentitel des Wesirs (die Urform des Wortes Wesir
ist das persische Wazir), der bereits seit dem Alten Reich bezeugt ist. Es handelt
sich hierbei um den ersten und obersten Beamten, der nach dem Pharao der zweite
Mann im Staat war. Der Historikerstreitwurde
ausgelöst durch einen von Ernst Nolte (1923-2016) für die Frankfurter Allgemeine
Zeitung (FAZ) vom 06.06.1986 geschriebenen Artikel. Dem Text lagen Gedanken zu
Grunde, die er bereits am 24. Juli 1980 in einem Artikel der FAZ geäußert
hatte. Wer die Hitlersche Judenvernichtung nicht in einem bestimmten
Zusammenhang sehe, so schrieb Nolte, verfälscht die Geschichte,
denn Auschwitz resultiert nicht in erster Linie aus dem überlieferten
Antisemitismus und war im Kern nicht ein bloßer »Völkermord«,
sondern es handelte sich vor allem um die aus Angst geborene Reaktion auf die
Vernichtungsvorgänge der Russischen Revolution. Außerdem meinte
Nolte: Es wird sich kaum leugnen lassen, daß Hitler gute Gründe
hatte, von dem Vernichtungswillen seiner Gegner sehr viel früher überzeugt
zu sein als zu dem Zeitpunkt, wo die ersten Nachrichten über die Vorgänge
in Auschwitz zur Kenntnis der Welt gelangt waren. Denn
bereits vor dem 1. September 1939 - also: vor Kriegsausbruch - hat Chaim
Weizmann als Präsident des jüdischen Weltkongresses und der Jewish Agency
for Palestine offiziell geäußert, daß: die Juden in aller
Welt in diesem Krieg auf der Seite Englands kämpfen würden. Dies
begründe nach Noltes Meinung die These, daß Hitler die Juden
als Kriegsgefangene
behandeln und internieren durfte. (Rudolf Augstein
u.a.: Historikerstreit, 1987, S. 24). Einen weiteren Anstoß der Debatte
bedeutete für die Kritiker das Buch Zweierlei Untergang des Historikers
Andreas Hillgruber (1925-1989). In dem Buch parallelisierte Hillgruber den Holocaust
mit dem Zusammenbruch der Ostfront und der danach erfolgten Flucht und Vertreibung.
Der Historikerstreit wurde also zweimal, d.h. durch zwei Artikel von Nolte
in der FAZ (24.07.1980, 06.06.1986) ausgelöst, obwohl ihm ja Gedanken aus
dem Artikel vom 06.06.1986 zugrunde liegen. Der Wissenschaftler behauptet darin,
der Archipel Gulag habe das logische und faktische Prius vor Auschwitz,
das heißt, der Rassenmord der Nationalsozialisten sei nur aus
Furcht vor dem älteren Klassenmord der Bolschewisten entstanden.
Der Mord an den Juden, der schon in seinen älteren Thesen nicht zum Wesenskern
des Faschismus gerechnet wurde, sei nur eine überschießende Reaktion
auf die Gräuel der Oktoberrevolution und habe damit einen rationalen
Kern. Diese These erweiterte er zur Behauptung eines europäischen
Bürgerkriegs von 1917 bis 1945. Nolte rückt hier Kommunismus,
Faschismus und Nationalsozialismus recht eng aneinander, weshalb seine Thesen
nach Meinung der Kritiker auf eine nivellierende Variante der Totalitarismusthese
oder gar Geschichtsrevisionismus hinauslaufen. Auch stilisiert er den von jüdischer
Seite als Reaktion auf antisemitische Ausschreitungen gestarteten Boykott deutscher
Waren im Ausland und die Bekanntgabe einer Kriegserklärung für
einen Finanz- und Wirtschaftskrieg im Daily Express vom 24.03.1933 sowie die Loyalitätsbekundung
Chaim Weizmanns von 1939 für England zur Kriegserklärung der Juden an
das Deutsche Reich und erklärt so die mit Kriegsbeginn eskalierende Judenverfolgung
des NS-Regimes als eine Gegenmaßnahme. - Gerade diejenigen,
die am meisten und mit dem negativsten Akzent von »Interessen« sprechen,
lassen die Frage nicht zu, ob bei jenem Nichtvergehen der Vergangenheit auch Interessen
im Spiel waren oder sind. Etwa die Interessen der Verfolgten und ihrer Nachfahren
an einem permanenten Status des Herausgehoben- und Privilegiertseins. Die Rede
von der »Schuld der Deutschen« übersieht allzu geflissen die
Ähnlichkeit mit der Rede von der »Schuld der Juden«, die ein
Hauptargument der Nationalsozialisten war. Alle Schuldvorwürfe gegen »die
Deutschen«, die von Deutschen kommen, sind unaufrichtig, da die Ankläger
sich selbst oder die Gruppe, die sie vertreten, nicht einbeziehen und im Grunde
bloß den alten Gegnern einen entscheidenden Schlag versetzen wollen.
(Ernst Nolte, Die Vergangenheit, die nicht vergehen will, in: F.A.Z., 06.06.1986
**). |