Spenglers
... Prophezeiung einer kommenden globalpolitischen Konfrontation, die sich vor
allem an der Linie der kulturellen Diffenrenz abspielen werde, keineswegs abwegig
gewesen ist - im Gegenteil. Zuerst einmal hat er darin recht behalten, daß
sich - sogar nach dem Ende der Ost-West-Spaltung und des Kalten Krieges - eben
keine »einheitliche« Welt, kein Weltstaat, kein »ewiger Frieden«,
auch keine kulturell nivellierte, »amerikanisierte« Einheitswelt herausgebildet
hat, trotz aller ökonomischen »Globalisierung«. Das »Ende
der Geschichte« die Auflösung historischer Existenz im Zuge eines universal
agierenden Liberalismus, ist bis heute tatsächlich ausgeblieben. Die von
Nietzsche prophezeiten »letzten Menschen«, die »in der Sonne
blinzeln« und sagen »Wir haben das Glück erfunden«, sind
- obwohl dieser Typus sich in den 1990er Jahren hier und da bereits anzukündigen
schien - noch nicht auf der Bildfläche der Gegenwart erschienen. Die fundamentalen
kulturellen Differenzen zwischen den verschiedenen Kulturkreisen bestehen weiterhin
mit unverminderter Schärfe fort, vor allem zwischen der europäisch geprägten
und der islamischen Welt. Und es sieht nicht so aus, als ob sich daran in absehbarer
Zukunft etwas ändern sollte. Das bedeutet aber: Der entscheidende Faktor
der heutigen Weltpolitik ist und bleibt vorerst die Tatsache der kulturellen Fragmentierung
der Welt und der sich daran anschließenden politischen Konflikte. Wie immer
man die Ursachen dieser Konflikte auch deuten mag: als Konfrontation eines religiös-kulturellen
»Fundamentalismus« mit der »aufgeklärten Welt« des
Westens oder doch wohl treffender (und zugleich neutraler) als »Zusammenstoß
der Kulturen« - es handelt sich um ein Faktum, das Spengler ... bereits
präzise vorausgesehen und wenigstens in seinen Umrissen beschrieben hat,
freilich mit den Begriffen seiner damaligen Gegenwart und unter Bezugnahme auf
die seinerzeit unmittelbar drängenden Zeitprobleme. Was man von Spengler
auch heute noch lernen kann, was also von seinem politisch-publizistischen Werk
bleibt, das ist die Einsicht in die Unhintergehbarkeit und auch in die Unüberwindbarkeit
der Konflikthaltigkeit der politischen Existenz des Menschen. Solange Menschen
unterschiedlichen Kulturen angehören und sich dessen auch bewußt sind,
so lange wird es keine Einheitswelt geben, so lange wird es Konkurrenzkämpfe
und in der Regel auch gewaltsame Konflikte zwischen den Angehörigen der verschiedenen,
miteinander konkurrierenden Kulturkreise geben. Denn auch das hat Spengler gelehrt:
Zwei Kulturen mögen sich noch so sehr annähern - eine letzte, unüberwindbare
Schranke bleibt immer bestehen. Das vermeintlich allen gemeinsame »Menschliche«
kommt nur dort zum Tragen, wo es um die »Natürlichkeit« des Menschen
geht. Kommt die »Kultur« ins Spiel, dann beginnt der Konflikt, weil
Kulturen jeweils zeitlich und räumlich gebunden, daher grundsätzlich
verschieden sind und letztlich fundamental voneinander differieren. Daraus folgt
nun keineswegs zwingend, daß es für alle Zukunft eine agonale, eine
»kriegerische« Welt geben muß, daß die Menschen, so lange
sie existieren werden, sich immer wieder gegenseitig zu vernichten trachten. Aber
daraus folgt, daß es Frieden und Eintracht, wenn überhaupt, nur in
der von allen gemeinsam erkannten und bewußt ausgehaltenen, bewußt
akzeptierten Differenz geben wird. Hierin liegen die Grenzen des Universalismus
und erst recht diejenigen der »Globalisierung«. Und darin liegt auch
die Unmöglichkeit des Verzichts auf »Politik«, auch des Verzichts
auf »Weltpolitik« in einem durchaus traditionell gemeinten Sinn. Noch
für unsere Gegenwart gilt unverändert - vielleicht mehr denn jemals
zuvor - die Warnung, die Spengler in ... formulierte: »Der Verzicht
auf Weltpolitik schützt nicht vor ihren Folgen«. (Ebd., Mai 2005,
S. 18). |