Auf
die Frage, ob es auch eine genetische Identität gibt, antwortete Thilo Sarrazin,
indem er auf die Basken und die Juden verwies. Mit Recht, denn beides sind Völker
mit einem sehr ausgeprägten eigenen anthropologisch-genetischen Profil.Die
Basken haben eine Sonderstellung gegenüber den anderen Europäern und
unterscheiden sich insbesondere von ihren französischen und spanischen Nachbarn,
während sie vor allem den Bretonen, Iren und Walisern näher stehen.Auch
die Juden unterscheiden sich genetisch deutlich von den nicht-jüdischen Völkern
Europas. Sie weisen auch nach 2000 Jahren immer noch die genetischen Eigenschaften
auf, wie sie für die Völker im Nahen Osten charakteristisch sind.Wenn
Thilo Sarrazin allerdings von einem (bestimmten) Gen sprach, das alle Juden gemeinsam
hätten, hat er sich unglücklich ausgedrückt. Denn ein Gen, das
alle Juden haben und das bei Nichtjuden nicht vorkommt, gibt es nicht.Dennoch
gibt es viele Gene, die für Juden typisch sind und die bei anderen Völkern
nur selten vorkommen. So weisen die europäischen jüdischen Männer
zu etwa 50% eine Y-DNS auf, die zur Haplogruppe J gehört, die für nahöstliche
Bevölkerungen charakteristisch ist und in Mitteleuropa nur bei 2 bis 4% der
Männer vorkommt.In den letzten zehn Jahren haben vor allem jüdische
Genetiker versucht, mit statistischen Methoden den Umfang des nichtjüdischen
Beitrags zum Genpool der (aschkenasischen [jiddisch sprechenden;
HB]) europäischen Juden zu berechnen. Sie kamen je nach den untersuchten
Merkmalen und Bevölkerungsstichproben zu einem Ergebnis zwischen 8,1 und
23% (siehe die Belege in meiner Anthropologie Europas, S. 357 **).Anders
ausgedrückt heißt das, daß die europäischen Juden noch immer
genetisch zu etwa 80 bis 90% die Eigenschaften ihrer ursprünglichen Ausgangspopulation
in ihrem Herkunftsgebiet im Nahen Osten aufweisen. Übrigens werden die humangenetischen
Forschungen zur genetischen Identität der Juden gerade auch von vielen Juden
und Israelis mit großem Interesse verfolgt und sind alles andere als ein
Zeichen von Antisemitismus.Überhaupt wird die Behauptung, daß
die modernen Völker »Erfindungen« und »Konstrukte«
ohne nennenswerte genetische Gemeinsamkeiten seien, durch die Humangenetik Lügen
gestraft. So lassen sich z.B. nach einer genomweiten Untersuchung, die die gesamte
menschliche DNS umfaßt, Norweger zu 99%, Spanier und Russen zu jeweils 94%,
Polen zu 80% und Deutsche und Österreicher (die sind in der Untersuchung
nicht unterschieden worden) immerhin noch zu 64,4% genetisch identifizieren. Die
übrigen 35,6% bilden eine Schnittmenge ausschließlich zu uns nah verwandten
oder eng benachbarten mitteleuropäischen Völkern wie den Niederländern
und Tschechen (siehe S. C. Heath u.a., Investigation of the fine structure
of European populations, Eur.J. Hum.Gen. 16, 2008, S.1413-1429).
(Ebd., 30. August 2010).Sind
Verhalten und Intelligenz genetisch begründbar? (Präzisierung zu Sarrazins
Äußerung) (Andreas Vonderach) |
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unterschwellig spielt in der Sarrazin-Debatte auch die Frage nach genetisch begründeten
Unterschieden des Verhaltens und der Intelligenz zwischen den verschiedenen Völkern
eine Rolle. Wie zu seiner ungenauen Aussage zum »jüdischen Gen«
sollte man auch hier das Angedeutete präzisieren:Die empirische
Verteilung des IQ zeigt bekanntlich erhebliche Unterschiede. Der durchschnittliche
IQ beträgt in Ostasien 105, in Europa 100, in Südostasien 90, in Nordafrika,
dem Mittleren Osten, Südasien und Amerika 85 und in Schwarzafrika 67. Die
Tatsache, daß Zwillings- und Adoptionsstudien eine hohe genetische Beteiligung
(etwa 50-80%) an den Unterschieden des IQs innerhalb von Bevölkerungen ermittelt
haben, läßt sich aber nicht so ohne weiteres auf die Unterschiede zwischen
Bevölkerungen übertragen.Inzwischen mehren sich mit der Erforschung
der DNS aber die Hinweise, daß die Gene eine wichtige Rolle für das
Temperament und die Begabung eines Volkes spielen. Es gibt deutliche ethnische
Unterschiede bei Genen, die für die Bildung von Neurotransmittern, Botenstoffe
im Gehirn, eine Rolle spielen. So besteht ein Zusammenhang zwischen dem Dopamin-Rezeptor-Gen
4 (DRD4) und dem Bedürfnis nach Neuem (novelity seeking). Menschen mit einer
bestimmten Variante dieses Gens bedürfen größerer Reize und einer
abenteuerlicheren Lebensgestaltung, um dieselbe Befriedigung zu finden wie andere
Menschen. Diese neugierig und abenteuerlustig machende Variante kommt nun bei
20% der Europäer vor, während sie bei Ostasiaten völlig fehlt.
Ein anderes Neurotransmitter-Gen ist das Serotonin-Transporter-Gen (SERT). Bei
einer Variante dieses Gens neigen die betroffenen Menschen in stärkerem Maße
zu Depressionen, neurotischem Verhalten und Schadensvermeidung. Sie sind ängstlicher
und leichter verletzbar. Die Weltverteilung dieser Genvariante zeigt einen deutlichen
Zusammenhang mit der Zivilisationshöhe (vor Ausbreitung der Europäer).
Sie ist bei Naturvölkern wie Pygmäen oder Schwarzafrikanern mit Werten
um 20% relativ selten, kommt bei 40 bis 50% der Europäer vor und bei 70%
der Ostasiaten. Die Verteilung des DRD4- und des SERT-Gens passen gut zu den von
Daniel Freedman schon in den 1970er Jahren nachgewiesenen Verhaltensunterschieden
zwischen den Neugeborenen europäischer, afrikanischer und asiatischer Herkunft.
Sie zeigen auch eine bemerkenswerte Übereinstimmung mit den kulturellen Besonderheiten
Europas und Ostasiens, dem Individualismus und stärkeren Aktivismus der Europäer
und der ausgeprägten Sozialdisziplin der Asiaten.Nachdem besonders
Geisteswissenschaftler lange Zeit geglaubt haben, der Mensch habe sich biologisch
seit der Altsteinzeit nicht mehr verändert, fanden genetische Untersuchungen
in den letzten Jahren im menschlichen Genom Belege dafür, daß sich
die Selektion in den letzten 40000 Jahren und vor allem seit der letzten Eiszeit
vor etwa 10000 Jahren sogar erheblich verstärkt hat. Es gibt weiterhin Hinweise
darauf, daß die Veränderungen bei Europäern und Ostasiaten stärker
waren als bei Afrikanern. Dabei sind vier Fünftel der evoluierten Gene rassenspezifisch,
und nur ein Fünftel findet sich bei allen Menschen. Ein großer Anteil
der durch die Selektion veränderten Gene betrifft das Gehirn und das Nervensystem.
So z.B. das Mikrocephalin-Gen und das ASPM-Gen, die beide die Hirnentwicklung
steuern. Beide zeigen eine deutliche geographische Korrelation mit der Gehirngröße
und dem IQ. So findet sich z.B. das progressive Mikrocephalin-Allel bei Negriden
mit nur 22% erheblich seltener als bei Europäern und Ostasiaten, von denen
es mehr als 80% aufweisen. (Einzelheiten und Belege in meiner Anthropologie
Europas, S. 39-45 und S. 26, Anm. 10 **).Die
Forschung ist im Fluß, und abschließende Aussagen sind noch nicht
möglich. Es wäre aber fahrlässig, bei dem derzeitigen Stand der
Forschung weiterhin die Möglichkeit, die inzwischen eine ziemlich große
Wahrscheinlichkeit ist, zu leugnen, daß die Begabungs- und Temperamentsunterschiede
der Völker auch genetische Ursachen haben, die sozialtechnischen Förderungsprogrammen
nicht zugänglich sind.Auch für die seit dem Mittelalter immer
wieder von Reisenden und Völkerkundlern beschriebene Neigung der arabischen
Völker zu kriegerischem und religiösem Fanatismus ist eine genetische
Grundlage denkbar. In patriarchalisch-kriegerischen Gesellschaften haben entsprechend
veranlagte Männer möglicherweise einen Fortpflanzungsvorteil, und über
die Jahrtausende hinweg kann auch ein nur geringer Fortpflanzungsvorteil zu starken
Verschiebungen im Genpool einer Population führen.
(Ebd., 2. September 2010). |