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Prägnant und möglichst knapp formulierte Gedanken

von

Arthur Schopenhauer (1788-1860)

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„Der Mensch kann wohl tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“
Arthur Schopenhauer

„Aber das Leben ist kurz und die Wahrheit wirkt ferne und lebt lange: sagen wir die Wahrheit.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, Vorrede, S. 13

„Der Welt als Vorstellung erste Betrachtung: Die Vorstellung unterworfen dem Satz vom Grunde: das Objekt der Erfahrung und Wissenschaft.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, S. 27 (§ 1-16, S. 27-116)

„»Die Welt ist meine Vorstellung« - dies ist die Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt; wiewohl der Mensch allein sie in das reflektierte abstrakte Bewußtseyn bringen kann: und thut er dies wirklich, so ist die philosophische Besonnenheit bei ihm eingetreten.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 1, S. 27

„Es wird ihm dann deutlich und gewiß, daß er keine Sonne kennt und keine Erde; sondern immer nur ein Auge, das eine Sonne sieht, eine Hand, die eine Erde fühlt; daß die Welt, welche ihn umgiebt, nur als Vorstellung da ist, d.h. durchweg nur in Beziehung auf ein Anderes, das Vorstellende, welches er selbst ist. – Wenn irgendeine Wahrheit a priori ausgesprochen werden kann, so ist es diese: denn sie ist die Aussage derjenigen Form aller möglichen und erdenklichen Erfahrung, welche allgemeiner, als alle andern, als Zeit, Raum und Kausalität ist: denn alle diese setzen jene eben schon voraus, und wenn jede dieser Formen, welche alle wir als so viele besondere Gestaltungen des Satzes vom Grunde erkannt haben, nur für eine besondere Klasse von Vorstellungen gilt; so ist dagegen das Zerfallen in Objekt und Subjekt die gemeinsame Form aller jener Klassen, ist diejenige Form, unter welcher allein irgend eine Vorstellung, welcher Art sie auch sei, abstrakt oder intuitiv, rein oder empirisch, nur überhaupt möglich und denkbar ist. Keine Wahrheit ist also gewisser, von allen andern unabhängiger und eines Beweises weniger bedürftig, als diese, daß Alles, was für die Erkenntniß da ist, also die ganze Welt, nur Objekt in Beziehung auf das Subjekt ist, Anschauung des Anschauenden, mit Einem Wort, Vorstellung. Natürlich gilt Dieses, wie von der Gegenwart, so auch von jeder Vergangenheit und jeder Zukunft, vom Fernsten, wie vom Nahen: denn es gilt von Zeit und Raum selbst, in welchen allein sich dieses alles unterscheidet. Alles, was irgend zur Welt gehört und gehören kann, ist unausweichbar mit diesem Bedingtseyn durch das Subjekt behaftet, und ist nur für das Subjekt da. Die Welt ist Vorstellung.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 1, S. 27-28

„Der Welt als Wille erste Betrachtung: Die Objektivation des Willens.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, S. 117 (§ 17-29, S. 117-186)

„Wenn von den Erscheinungen des Willens, auf den niedrigeren Stufen seiner Objektivation, also im Unorganischen, mehrere unter einander in Konflikt gerathen, indem jede, am Leitfaden der Kausalität, sich der vorhandenen Materie bemächtigen will; so geht aus diesem Streit die Erscheinung einer hohem Idee hervor, welche die vorhin dagewesenen unvollkommeneren alle überwältigt, jedoch so, daß sie das Wesen derselben auf eine untergeordnete Weise bestehn läßt, indem sie ein Analogon davon in sich aufnimmt; welcher Vorgang eben nur aus der Identität des erscheinenden Willens in allen Ideen und aus seinem Streben zu immer höherer Objektivation begreiflich ist. Wir sehn daher z.B. im Festwerden der Knochen ein unverkennbares Analogen der Krystallisation, als welche ursprünglich den Kalk beherrschte, obgleich die Ossifikation nie auf Krystallisation zurückzuführen ist. Schwächer zeigt sich diese Analogie im Festwerden des Fleisches. So auch ist die Mischung der Säfte im thierischen Körper und die Sekretion ein Analogen der chemischen Mischung und Abscheidung, sogar wirken die Gesetze dieser dabei noch fort, aber untergeordnet, sehr modificirt, von einer hohem Idee überwältigt; daher bloß chemische Kräfte, außerhalb des Organismus, nie solche Säfte liefern werden; sondern
Encheiresin naturae nennt es die Chemie, //
Spottet ihrer selbst und weiß nicht wie.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 27, S. 166

„Der Welt als Vorstellung zweite Betrachtung: Die Vorstellung unabhängig vom Satz vom Grunde: die Platonische Idee: das Objekt der Kunst.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, S. 187 (§ 30-52, S. 187-285)

„Alles Wollen entspringt aus Bedürfnis, also aus Mangel, also aus Leiden.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 38, S. 213

„Der Welt als Wille zweite Betrachtung: Bei erreichter Selbsterkenntniß Bejahung und Verneinung des Willens zum Leben.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, S. 287 (§ 53-71, S. 287-426)

„Auf jeder Stufe, welche die Erkenntniß beleuchtet, erscheint sich der Wille als Individuum. Im unendlichen Raum und unendlicher Zeit findet das menschliche Individuum sich als endliche, folglich als eine gegen Jene verschwindende Größe, in sie hineingeworfen und hat, wegen ihrer Unbegränztheit, immer nur ein relatives, nie ein absolutes Wann und Wo seines Daseyns: denn sein Ort und seine Dauer sind endliche Theile eines Unendlichen und Gränzenlosen.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 57, S. 326-327

„Das Leben der Allermeisten ist auch nur ein steter Kampf um diese Existenz selbst, mit der Gewißheit ihn zuletzt zu verlieren. Was sie aber in diesem so mühsäligen Kampfe ausdauern läßt, ist nicht sowohl die Liebe zum Leben, als die Furcht vor dem Tode, der jedoch als unausweichbar im Hintergrunde steht und jeden Augenblick herantreten kann. – Das Leben selbst ist ein Meer voller Klippen und Strudel, die der Mensch mit der größten Behutsamkeit und Sorgfalt vermeidet, obwohl er weiß, daß, wenn es ihm auch gelingt, mit aller Anstrengung und Kunst sich durchzuwinden, er eben dadurch mit jedem Schritt dem größten, dem totalen, dem unvermeidlichen und unheilbaren Schiffbruch näher kommt, ja gerade auf ihn zusteuert, – dem Tode: dieser ist das endliche Ziel der mühsäligen Fahrt und für ihn schlimmer als alle Klippen, denen er auswich.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 57, S. 328

„Nun ist es aber sogleich sehr bemerkenswerth, daß einerseits die Leiden und Quaalen des Lebens leicht so anwachsen können, daß selbst der Tod, in der Flucht vor welchem das ganze Leben besteht, wünschenswerth wird und man freiwillig zu ihm eilt; und andererseits wieder, daß sobald Noth und Leiden dem Menschen eine Rast vergönnen, die Langeweile gleich so nahe ist, daß er des Zeitvertreibes nothwendig bedarf. Was alle Lebenden beschäftigt und in Bewegung erhält, ist das Streben nach Daseyn. Mit dem Daseyn aber, wenn es ihnen gesichert ist, wissen sie nichts anzufangen: daher ist das Zweite, was sie in Bewegung setzt, das Streben, die Last des Daseyns los zu werden, es unfühlbar zu machen, »die Zeit zu tödten«, d.h. der Langenweile zu entgehn. Demgemäß sehn wir, daß fast alle vor Noth und Sorgen geborgene Menschen, nachdem sie nun endlich alle andern Lasten abgewälzt haben, jetzt sich selbst zur Last sind und nun jede durchgebrachte Stunde für Gewinn achten, also jeden Abzug von eben jenem Leben, zu dessen möglichst langer Erhaltung sie bis dahin alle Kräfte aufboten.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 57, S. 328-329

„Alle Befriedigung, oder was man gemeinhin Glück nennt, ist eigentlich und wesentlich immer nur negativ und durchaus nie positiv. Es ist nicht eine ursprünglich und von selbst auf uns kommende Beglückung, sondern muß immer die Befriedigung eines Wunsches seyn. Denn Wunsch, d.h. Mangel, ist die vorhergehende Bedingung jedes Genusses. Mit der Befriedigung hört aber der Wunsch und folglich der Genuß auf. Daher kann die Befriedigung oder Beglückung nie mehr seyn, als die Befreiung von einem Schmerz, von einer Noth: denn dahin gehört nicht nur jedes wirkliche, offenbare Leiden, sondern auch jeder Wunsch, dessen Importunität unsere Ruhe stört, ja sogar auch die ertödtende Langeweile, die uns das Daseyn zur Last macht.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 58, S. 335

„Wie auf dem tobenden Meere, das, nach allen Seiten unbegränzt, heulend Wellenberge erhebt und senkt, auf einem Kahn ein Schiffer sitzt, dem schwachen Fahrzeug vertrauend; so sitzt, mitten in einer Welt von Qualen, ruhig der einzelne Mensch, gestützt und vertrauend auf das principium individuationis.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 63, S. 368-369

„Aus dieser Ahndung stammt jenes so unvertilgbare und allen Menschen (ja vielleicht selbst den klügeren Thieren) gemeinsame Grausen, das sie plötzlich ergreift, wenn sie, durch irgend einen Zufall, irre werden am principio individuationis, indem der Satz vom Grunde, in irgend einer seiner Gestaltungen, eine Ausnahme zu erleiden scheint: z.B. wenn es scheint, daß irgend eine Veränderung ohne Ursache vor sich gienge, oder ein Gestorbener wieder dawäre, oder sonst irgendwie das Vergangene oder das Zukünftige gegenwärtig, oder das Ferne nah wäre. Das ungeheure Entsetzen über so etwas gründet sich darauf, daß sie plötzlich irre werden an den Erkenntnißformen der Erscheinungen, welche allein ihr eigenes Individuum von der übrigen Welt gesondert halten. Diese Sonderung aber eben liegt nur in der Erscheinung und nicht im Dinge an sich: eben darauf beruht die ewige Gerechtigkeit.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 63, S. 369

Wir bekennen es vielmehr frei: was nach gänzlicher Aufhebung des Willens übrig bleibt, ist für alle Die, welche noch des Willens voll sind, allerdings Nichts. Aber auch umgekehrt ist Denen, in welchen der Wille sich gewendet und verneint hat, diese unsere so sehr reale Welt mit all ihren Sonnen und Milchstraßen - Nichts.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 71, S. 426

Kants größtes Verdienst ist die Unterscheidung der Erscheinung vom Dinge an sich, – auf Grund der Nachweisung, daß zwischen den Dingen und uns immer noch der Intellekt steht, weshalb sie nicht nach dem, was sie an sich selbst seyn mögen, erkannt werden können.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, Anhang - Kritik der Kantischen Philosophie, S. 450

„Was im individuellen Bewußtseyn sich kund giebt als Geschlechtstrieb überhaupt und ohne die Richtung auf ein bestimmtes Individuum des andern Geschlechts, das ist an sich selbst und außer der Erscheinung der Wille zum Leben schlechthin. Was aber im Bewußtseyn erscheint als auf ein bestimmtes Individuum gerichteter Geschlechtstrieb, das ist an sich selbst der Wille, als ein genau bestimmtes Individuum zu leben. In diesem Falle nun weiß der Geschlechtstrieb, obwohl an sich ein subjektives Bedürfniß, sehr geschickt die Maske einer objektiven Bewunderung anzunehmen und so das Bewußtseyn zu täuschen: denn die Natur bedarf dieses Stratagems zu ihren Zwecken. Daß es aber, so objektiv und von erhabenem Anstrich jene Bewunderung auch erscheinen mag, bei jedem Verliebtseyn doch allein abgesehn ist auf die Erzeugung eines Individuums von bestimmter Beschaffenheit, wird zunächst dadurch bestätigt, daß nicht etwan die Gegenliebe, sondern der Besitz, d.h. der physische Genuß, das Wesentliche ist. Die Gewißheit jener kann daher über den Mangel dieses keineswegs trösten: vielmehr hat in solcher Lage schon Mancher sich erschossen. Hingegen nehmen stark Verliebte, wenn sie keine Gegenliebe erlangen können, mit dem Besitz, d.i. dem physischen Genuß, vorlieb. Dies belegen alle gezwungenen Heirathen, imgleichen die so oft, ihrer Abneigung zum Trotz, mit großen Geschenken, oder sonstigen Opfern, erkaufte Gunst eines Weibes, ja auch die Fälle der Nothzucht. Daß dieses bestimmte Kind erzeugt werde, ist der wahre, wenn gleich den Theilnehmern unbewußte Zweck des ganzen Liebesromans: die Art und Weise, wie er erreicht wird, ist Nebensache. – Wie laut auch hier die hohen und empfindsamen, zumal aber die verliebten Seelen aufschreien mögen, über den derben Realismus meiner Ansicht; so sind sie doch im Irrthum. Denn, ist nicht die genaue Bestimmung der Individualitäten der nächsten Generation ein viel höherer und würdigerer Zweck, als Jener ihre überschwänglichen Gefühle und übersinnlichen Seifenblasen? Ja, kann es, unter Irdischen Zwecken, einen wichtigeren und größeren geben? Er allein entspricht der Tiefe, mit welcher die leidenschaftliche Liebe gefühlt wird, dem Ernst, mit welchem sie auftritt, und der Wichtigkeit, die sie sogar den Kleinigkeiten ihres Bereiches und ihres Anlasses beilegt. Nur sofern man diesen Zweck als den wahren unterlegt, erscheinen die Weitläuftigkeiten, die endlosen Bemühungen und Plagen zur Erlangung des geliebten Gegenstandes, der Sache angemessen. Denn die künftige Generation, in ihrer ganzen individuellen Bestimmtheit, ist es, die sich mittelst jenes Treibens und Mühens ins Daseyn drängt. Ja, sie selbst regt sich schon in der so umsichtigen, bestimmten und eigensinnigen Auswahl zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, die man Liebe nennt. Die wachsende Zuneigung zweier Liebenden ist eigentlich schon der Lebenswille des neuen Individuums, welches sie zeugen können und möchten; ja, schon im Zusammentreffen ihrer sehnsuchtsvollen Blicke entzündet sich sein neues Leben, und giebt sich kund als eine künftig harmonische, wohl zusammengesetzte Individualität. Sie fühlen die Sehnsucht nach einer wirklichen Vereinigung und Verschmelzung zu einem einzigen Wesen, um alsdann nur noch als dieses fortzuleben; und diese erhält ihre Erfüllung in dem von ihnen Erzeugten, als in welchem die sich vererbenden Eigenschaften Beider, zu Einem Wesen verschmolzen und vereinigt, fortleben. Umgekehrt, ist die gegenseitige, entschiedene und beharrliche Abneigung zwischen einem Mann und einem Mädchen die Anzeige, daß was sie zeugen könnten nur ein übel organisirtes, in sich disharmonisches, unglückliches Wesen seyn würde. Deshalb liegt ein tiefer Sinn darin, daß Calderon die entsetzliche Semiramis zwar die Tochter der Luft benennt, sie jedoch als die Tochter der Nothzucht, auf welche der Gattenmord folgte, einführt.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, Kapitel 44, S. 1045-1046

„Was nun aber zuletzt zwei Individuen verschiedenen Geschlechts mit solcher Gewalt ausschließlich zu einander zieht, ist der in der ganzen Gattung sich darstellende Wille zum Leben, der hier eine seinen Zwecken entsprechende Objektivation seines Wesens anticipirt in dem Individuo, welches jene Beiden zeugen können.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, Kapitel 44, S. 1046

„Der Egoismus ist eine so tief wurzelnde Eigenschaft aller Individualität überhaupt, daß, um die Thätigkeit eines individuellen Wesens zu erregen, egoistische Zwecke die einzigen sind, auf welche man mit Sicherheit rechnen kann. Zwar hat die Gattung auf das Individuum ein früheres, näheres und größeres Recht, als die hinfällige Individualität selbst: jedoch kann, wann das Individuum für den Bestand und die Beschaffenheit der Gattung thätig seyn und sogar Opfer bringen soll, seinem Intellekt, als welcher bloß auf individuelle Zwecke berechnet ist, die Wichtigkeit der Angelegenheit nicht so faßlich gemacht werden, daß sie derselben gemäß wirkte. Daher kann, in solchem Fall, die Natur ihren Zweck nur dadurch erreichen, daß sie dem Individuo einen gewissen Wahn einpflanzt, vermöge dessen ihm als ein Gut für sich selbst erscheint, was in Wahrheit bloß eines für die Gattung ist, so daß dasselbe dieser dient, während es sich selber zu dienen wähnt; bei welchem Hergang eine bloße, gleich darauf verschwindende Chimäre ihm vorschwebt und als Motiv die Stelle einer Wirklichkeit vertritt. Dieser Wahn ist der Instinkt. Derselbe ist, in den allermeisten Fällen, anzusehn als der Sinn der Gattung, welcher das ihr Frommende dem Willen darstellt. Weil aber der Wille hier individuell geworden; so muß er dergestalt getäuscht werden, daß er Das, was der Sinn der Gattung ihm vorhält, durch den Sinn des Individui wahrnimmt, also individuellen Zwecken nachzugehn wähnt, während er in Wahrheit bloß generelle (dies Wort hier im eigentlichsten Sinn genommen) verfolgt.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, Kapitel 44, S. 1048-1049

„Jener Auftrag des in der Gattung sich objektivirenden Willens stellt, im Bewußtseyn des Verliebten, sich dar unter der Maske der Anticipation einer unendlichen Säligkeit, welche für ihn in der Vereinigung mit diesem weiblichen Individuo zu finden wäre.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, Kapitel 44, S. 1064-1065

„Dieserhalb stellten die Alten den Amor blind dar. Ja, ein Verliebter kann sogar die unerträglichen Temperaments- und Charakterfehler seiner Braut, welche ihm ein gequältes Leben verheißen, deutlich erkennen und bitter empfinden, und doch nicht abgeschreckt werden: I ask not, I care not, // If guilt's in thy heart; // I know that I love thee, // Whatever thou art. (Ich frag' nicht, ich sorg' nicht, //Ob Schuld in dir ist: // Ich lieb' dich, das weiß ich, // Was immer du bist.).“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, Kapitel 44, S. 1065-1066

„Dies Alles beruht darauf, daß die Gattung, als in welcher die Wurzel unsers Wesens liegt, ein näheres und früheres Recht auf uns hat, als das Individuum; daher ihre Angelegenheiten vorgehn.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, Kapitel 44, S. 1067

„Weil nämlich die Leidenschaft auf einem Wahn beruhte, der Das, was nur für die Gattung Werth hat, vorspiegelte als für das Individuum werthvoll, muß, nach erlangtem Zwecke der Gattung, die Täuschung verschwinden. Der Geist der Gattung, welcher das Individuum in Besitz genommen hatte, läßt es wieder frei. Von ihm verlassen fällt es zurück in seine ursprüngliche Beschränkung und Armuth, und sieht mit Verwunderung, daß nach so hohem, heroischen und unendlichen Streben, für seinen Genuß nichts abgefallen ist, als was jede Geschlechtsbefriedigung leistet: es findet sich, wider Erwarten, nicht glücklicher als zuvor. Es merkt, daß es der Betrogene des Willens der Gattung gewesen ist.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, Kapitel 44, S. 1067

„Die ganze hier abgehandelte Metaphysik der Liebe steht mit meiner Metaphysik überhaupt in genauer Verbindung, und das Licht, welches sie auf diese zurückwirft, läßt sich in Folgendem resumiren.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, Kapitel 44, S. 1069

„Es hat sich ergeben, daß die sorgfältige und durch unzählige Stufen bis zur leidenschaftlichen Liebe steigende Auswahl bei der Befriedigung des Geschlechtstriebes auf dem höchst ernsten Antheil beruht, welchen der Mensch an der speciellen persönlichen Beschaffenheit des kommenden Geschlechts nimmt. Dieser überaus merkwürdige Antheil nun bestätigt zwei in den vorhergegangenen Kapiteln dargethane Wahrheiten: 1) Die Unzerstörbarkeit des Wesens an sich des Menschen, als welches in jenem kommenden Geschlechte fortlebt. Denn jener so lebhafte und eifrige, nicht aus Reflexion und Vorsatz, sondern aus dem Innersten Zuge und Triebe unsers Wesens entspringende Antheil könnte nicht so unvertilgbar vorhanden seyn und so große Macht über den Menschen ausüben, wenn dieser absolut vergänglich wäre und ein von ihm wirklich und durchaus verschiedenes Geschlecht bloß der Zeit nach auf ihn folgte. 2) Daß sein Wesen an sich mehr in der Gattung als im Individuo liegt. Denn jenes Interesse an der speciellen Beschaffenheit der Gattung, welches die Wurzel aller Liebeshändel, von der flüchtigsten Neigung bis zur ernstlichsten Leidenschaft, ausmacht, ist Jedem eigentlich die höchste Angelegenheit, nämlich die, deren Gelingen oder Mißlingen ihn am empfindlichsten berührt; daher sie vorzugsweise die Herzensangelegenheit genannt wird: auch wird diesem Interesse, wann es sich stark und entschieden ausgesprochen hat, jedes bloß die eigene Person betreffende nachgesetzt und nöthigenfalls aufgeopfert. Dadurch also bezeugt der Mensch, daß ihm die Gattung näher liegt, als das Individuum, und er unmittelbarer in Jener, als in Diesem lebt. – Warum demnach hängt der Verliebte, mit gänzlicher Hingebung, an den Augen seiner Auserkorenen und ist bereit, ihr jedes Opfer zu bringen? – Weil sein unsterblicher Theil es ist, der nach ihr verlangt; nach allem Sonstigen immer nur der sterbliche. – Jenes lebhafte, oder gar inbrünstige, auf ein bestimmtes Weib gerichtete Verlangen ist sonach ein unmittelbares Unterpfand der Unzerstörbarkeit des Kerns unsers Wesens und seines Fortbestandes in der Gattung. Diesen Fortbestand nun aber für etwas Geringfügiges und Ungenügendes zu halten, ist ein Irrthum, der daraus entspringt, daß man unter dem Fortleben der Gattung sich nichts weiter denkt, als das künftige Daseyn uns ähnlicher, jedoch in keinem Betracht mit uns identischer Wesen, und dies wieder, weil man, von der nach außen gerichteten Erkenntniß ausgehend, nur die äußere Gestalt der Gattung, wie wir diese anschaulich auffassen, und nicht ihr inneres Wesen in Betracht zieht. Dieses innere Wesen aber gerade ist es, was unserm eigenen Bewußtseyn, als dessen Kern, zum Grunde liegt, daher sogar unmittelbarer, als dieses selbst ist und, als Ding an sich, frei vom principio individuationis, eigentlich das Selbe und Identische ist in allen Individuen, sie mögen neben, oder nach einander daseyn. Dieses nun ist der Wille zum Leben, also gerade Das, was Leben und Fortdauer so dringend verlangt. Dies eben bleibt demnach vom Tode verschont und unangefochten. Aber auch: es kann es zu keinem bessern Zustande bringen, als sein gegenwärtiger ist: mithin ist ihm, mit dem Leben, das beständige Leiden und Sterben der Individuen gewiß. Von diesem es zu befreien, ist der Verneinung des Willens zum Leben vorbehalten, als durch welche der individuelle Wille sich vom Stamm der Gattung losreißt und jenes Daseyn in derselben aufgiebt. Für Das, was er sodann ist, fehlt es uns an Begriffen, ja, an allen Datis zu solchen. Wir können es nur bezeichnen als Dasjenige, welches die Freiheit hat, Wille zum Leben zu seyn, oder nicht. Für den letztern Fall bezeichnet der Buddhaismus es mit dem Worte Nirwana, dessen Etymologie in der Anmerkung zum Schlusse des 41. Kapitels gegeben worden. Es ist der Punkt, welcher aller menschlichen Erkenntniß, eben als solcher, auf immer unzugänglich bleibt.“
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, Kapitel 44, S. 1069-1070

„Der Neid ... ist die Seele des überall florierenden, stillschweigend und ohne Verabredung zusammenkommenden Bundes aller Mittelmäßigen gegen den einzelnen Ausgezeichneten.“
Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena, 1851

„Versuche nur einmal, ganz Natur zu sein - es ist nicht auszuhalten.“
Arthur Schopenhauer, Tagebuch

 

 

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