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Giovanni Battista (Giambattista) Vico
(23. Juni 1668 – 23. Januar 1744)

 

Der Geschichts- und Rechtsphilosoph Vico war ab 1697 Professor der Rhetorik in Neapel und ab 1734 Historiograph des Königs Karl von Neapel. Das von ihm entworfene „Drei-Stadien-Gesetz“, die Aufeinanderfolge der drei Zeitalter - der Götter, der Heroen, der Menschen -, hat Ähnlichkeit mit vielen später entwickelten Modellen oder Theorien, z.B. mit den später von Auguste Comte (1798-1857) behaupteten drei Stadien: der Theologie, der Metaphysik, des Positiven (Positivistischen, Erfahrungswissenschaftlichen). Die von Vico behauptete „Parallele“ zwischen Völkern spiegelt sich auch in der später von Comte angenommenen „Parallele“ zwischen den „Gesellschaften“ und den „Erkenntnissen“ wider, noch mehr jedoch in der von Oswald Spengler (1880-1936) behaupteten „Parallele“ zwischen den Kulturen. (**). Man könnte auch ein „Drei-Stadien-Gesetz“ annehmen (wie ich es vorschlage), das die Entwicklung zum Leben meint und etwa aus den folgenden drei Zeitaltern besteht: Universum ohne Leben (meinetwegen auch Zeitalter der Götter genannt), Leben ohne Menschen (meinetwegen auch Zeitalter der Heroen genannt) und Leben mit Menschen (das einem „Vier-Stadien-Gesetz“ folgt: Prähominisierung bzw. Vor-/Urmenschen; Hominisierung bzw. Frühmenschen; Sapientisierung bzw. Altmenschen; Historisierung bzw. Jetztmenschen). Was die Zukunft bringen wird, ist nicht gewiß, aber es wird in Zusammenhang stehen mit der Frage, ob die Menschwerdung, die ja noch nicht beendet ist, auch zukünftig in verschiedenen Kulturen (ich nenne sie „Historienkulturen“) gespalten sein wird oder nicht. (**). Was Vico wohl dazu gesagt hätte?  Vier Vorbilder bestimmten sein Denken: „Mit Plato erkennt er in der Idee den Maßstab. Mit Tacitus schildert er in den beschränkten Zwecken des menschlichen Eigennutzes die Wirklichkeit. Mit Francis Bacon (1561-1626) besinnt er sich auf die Einheit der wissenschaftlichen Welt. Mit Grotius faßt er die gesamte Philosophie und Theologie in das System eines allgemeinen Rechtes, in eine Überphilosophie, in die »Neue Wissenschaft«: d.h. Bestand der reinen Idee und geschichtlicher Wandel verbunden im Ziel der Wahrheit und begriffen in einem System.“ (Richard Wisser). Vico beeinflußte auch Johann Gottfried Herder (1744-1803), seinen Entdecker, Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) und überhaupt die weitere Geschichtsphilosophie. Schon um 1600, also lange vor Vico, hatte schon Bacon festgestellt, daß Kulturen altern wie Menschen und Phasen bzw. Auf-und-Ab-Stufen durchleben: „In der Jugend der Völker und Staaten blühen die Waffen und die Künste des Krieges; im reifen männlichen Alter der Völker und Staaten Künste und Wissenschaften; dann eine Zeit lang beide zusammen, Waffenkunst und Musenkünste; endlich im Greisenalter der Völker und Staaten Handel und Industrie, Luxus und Mode.“ (Francis Bacon, De dignitate et augmentis scientiarum, 1605; IV, 2, 114).

Vico soll die ganze Universalgeschichte des Rechtes und die Ethnologie vorausgeahnt haben. Er führte die vergleichende Methode in die abendländische Geschichtswissenschaft bzw. Geschichtsphilosophie ein und nahm an, daß alle Völker sich „parallel“ entwickeln, daß der „corso“ (Lauf, Kurs als Aufstieg) der Völker drei Zeitalter durchläuft: das der Götter, das der Heroen, das der Menschen; die Aufeinanderfolge eines göttlichen, eines heroischen und eines menschlichen Zeitalters kann man also als ein Drei-Stadien-Gesetz auffassen. Vico war seiner Zeit sehr weit voraus und lehnte den Cartesianismus ab, genauer: er setzte gegen Descartes' an Mathematik und Physik orientierten naturalistischen Rationalismus in De antiquissima Italorum sapienta ... (1710) den erkenntnistheoretischen Grundsatz: „Nur das kann erkannt werden, was einer selbst hervorgebracht hat“. Deshalb ist eine universale Erkenntnis nur Gott möglich, der in seiner Schöpfung alles geschaffen hat; weil die Geschichte aber andererseits das ist, was der Mensch in der Welt geschaffen hat, ist die Geschichte sein vornehmliches Erkenntnisobjekt. Ausgehend von diesem Grundsatz entdeckte Vico in seinem Werk Von dem einen Ursprung und Ziel allen Rechtes (1720) die Geschichtlichkeit des Rechts und entwickelte das für die gesamte Menschheitsgeschichte als gültig erachtete geschichtsphilosophische Modell der gesetzmäßigen Wiederkehr je eines theokratischen, heroischen und menschlichen Zeitalters in einem Zyklus von Aufstieg, Verfall und ständiger Wiederkehr. Wie gesagt: Vico erklärte die Geschichte zum eigentlichen Feld der menschlichen Erkenntnis, weil der menschliche Geist am besten das verstehen könne, was er selbst gemacht habe: „Tat-Sachen“. Daß Vico seiner Zeit weit voraus war, läßt sich schon allein daran erkennen, daß er als Wegbereiter des Historismus und als Systematiker der Geschichtswissenschaften gilt. Und das sind gerade nicht die „positiv“ erkennbaren physikalischen Phänomene, denn sie können nur von außen erklärt werden und nicht, wie in der Geschichtswissenschaft, von innen verstanden werden. Das ist im wesentlichen schon die These der Hermeneutik, denn die Gegenüberstellung von Erklären und Verstehen ist typisch für diese Denkrichtung, und zu Vicos Zeiten gab es die Hermeneutik als wissenschaftliche Disziplin noch gar nicht: Vico war eben seiner Zeit weit voraus.

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- Literaturverzeichnis -