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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  http://www.Junge Freiheit.de/   04. Juli 2008

 

Plädoyer für ein „negatives Wachstum“: Alain de Benoist fordert in seinem Buch („Ökologie bis zum Ende denken“) ein radikales ökonomisches Umdenken
(von Michael Böhm)

Dieses Buch handelt vom Raubbau an der Natur und was dagegen zu tun wäre - aber für die französischen Ökologisten ist es ein Skandal: weil es einen Angriff auf die in Frankreich traditionell linke Deutungshoheit in dieser Domäne darstellt.. „Die extreme Rechte“, so klagt das Institut der Wirtschafts- und Sozialforschung für ein nachhaltiges Negativwachstum, „unternimmt derzeit einen Versuch, in die antiproduktiven und konsumkritischen Milieus einzudringen“. Von „neofaschistischem Trödel“ ist die Rede und von „Nachahmungsversuchen“, mit denen man nichts zu tun haben wolle.

Die Anwürfe sind lächerlich, infam und dumm: Das Buch enthält kaum etwas, das in der ökologischen Debatte nicht schon von linker Seite diskutiert worden wäre. Dessen ungeachtet bildet es dazu einen unverzichtbaren Beitrag, denn es versucht „die Ökologie bis zum Ende zu denken“.

Hierfür entlehnt sich der französische Philosoph und Rechtsintellektuelle Alain de Benoist die seit den frühen 1970er Jahren bekannte Idee des „negativen Wachstums“ Sie zielt darauf ab, Produktion und Konsumtion zu verringern, um so die verschiedenen Ökosysteme zu respektieren - für Benoist ist es der einzig gangbare Weg zum Schutz und Erhalt der Umwelt: Denn nach dem vom rumänischen Ökonomen Nicholas Georgescu-Roegen entwickelten Konzeptverhält es sich mit den Energiereserven der Erde so wie mit dem zweiten thermodynamischen Prinzip: Mechanische Energie, einmal in Wärme umgewandelt, kann nie wieder mechanische Energie werden - auch natürliche Ressourcen sind insofern endlich. Die mit „ökologischem Wachstum“ oder „nachhaltiger Entwicklung“ umschriebenen Ansätze lösten daher das Problem nicht, sie vertagten es nur. Denn auch sie basierten letztlich auf der entleerenden Logik eines ständig steigenden Bruttoinlandsprodukts.

Für Alain de Benoist zeigt sich das am Beispiel des Erdöls: Sein Energieertrag ist hoch, da es relativ einfach zu produzieren und transportieren ist, nahezu 40 Prozent des weltweiten Energiebedarfs werden mit Erdöl abgedeckt, allein 95 Prozent davon entfallen auf das Verkehrswesen. Allerdings wurden die letzten Erdölfelder in den 1960er Jahren entdeckt, und jene, die man in SaudiArabien um 1950 auszubeuten begann, werden bald erschöpft sein. Schon jetzt zeigten sich daher die Effekte der „Hubert-Spitze“, benannt nach dem Geologen King Hubert: Die Erdölförderung vollzieht sich danach nicht linear, das heißt zu einem konstanten Preis vom ersten bis zum letzten Tropfen: Ist die „Spitze“ der Kurve überschritten, gehen Quantität und Qualität zurück und die Preise beständig nach oben. Experten schätzen, daß die weltweite Spitze bereits im Jahre 2010 erreicht sein wird. Das Barrel Öl, das heute schon über 140 Dollar kostet, könnte dann viermal so teuer sein.

Freilich, bereits jetzt setzt man auf erneuerbare Energiearten: auf Biokraftstoff, auf Wind, Wasser und Sonne. Doch deckt dergleichen nur 5,2 Prozent des weltweiten Bedarfs, ist weniger effizient und schadet oft der Natur: So mußte brasilianischen Zuckerrohrplantagen der amazonische Regenwald weichen - die steigende Nachfrage nach Biosprit verstärkt dadurch den Treibhauseffekt. Das Wichtigste aber ist: Um ökologische Innovationen weiter voranzutreiben, um sie durchzusetzen und um von ihren Effekten zu profitieren, braucht man wiederum Energie - und das heißt nach Lage der Dinge noch immer Öl.

Angesichts der Begrenztheit der natürlichen Ressourcen und des immensen Konsums vor allem in der westlichen Welt, in der immer „mehr“ gleich „besser“ ist, und angesichts der Politik, die ihrerseits beständig Wirtschaftswachstum fordert, zweifelt de Benoist am Fortbestand unserer Zivilisation. „Das Festhalten an der Wachstumsdynamik“, schreibt er, „konfrontiert uns mit der Perspektive, daß die Zivilisation, wie wir sie kennen, verschwindet - nicht in Millionen Jahren, auch nicht in Tausenden, sondern am Ende dieses Jahrhunderts.“

Mit dem Glauben an den Fortschritt brechen

Aber - würde nicht ein negatives Wachstum die globale Nachftage verringern, Arbeitslosigkeit erhöhen und damit die sozialen Probleme? Für Alain de Benoist geht das nicht ohne eine „tiefgreifende Transformation ökonomischer Vorstellungen“. Hier denkt der französische Philosoph weiter als die linken Partisanen des „negativen Wachstums“, denn während diese sich darauf beschränken, einen „anderen Lebensmodus“ zu fordern, zeigt jener die philosophischen Grundlagen dafür auf: Den Raubbau an der Natur zu verhindern und zu einer wirklichen ökologischen Lebensweise zu gelangen, bedeutet für ihn radikal mit dem aufklärerischen Glauben an den Fortschritt zu brechen und das heißt auch mit der liberalen Idee, wonach sich im beständigen Kapitalerwerb die menschliche Vernunft artikuliere - dem eigentlichen Motor der wachstumshörigen Marktgesellschaft.

Es bedeutet aber auch eine Absage an deren religiösen Vorläufer: an das Christentum, dessen Vorstellung von einer Erlösung im Jenseits sich in den Fortschrittsglauben säkularisierte, und an sein objektivierendes Denken, das der Natur ihren sakralen Charakter nahm. Die irdischeWelt wurde durch die christliche Auferstehungssymbolik zu einer bloßen Durchgangstation, zu einem Tal derTränen, ohne Wert an sich.

Für den antiken Menschen dagegen war die Natur voll von Göttern und Mysterien, sie war heilig und besaß einen eigenen Wert, er versuchte in Harmonie mit ihr zu leben - und deshalb war die Ökonomie vor allem darauf ausgerichtet, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, statt sie zu schaffen wie im modernen Kapitalismus. Ausstieg also aus der christlich-aufklärerischen Progressionslogik durch eine Ökologie, die „in den Köpfen beginnt“, und zurück zur antiken Konzeption von Oikos und Nomos? Ein solcher Ansatz wäre freilich zu einfach. Doch zeigt das Buch, daß wirkliche Ökologie wohl nur mit denen zu machen ist, die ihrerseits einen kritischen Blick auf die Aufklärung zu werfen vermögen. Wer gleich mit der Faschismuskeule schwingt, gehört zweifellos nicht dazu.

Junge Freiheit vom 04. Juli 2008


 

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