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Karlheinz Weißmann

- „Gibt es Juden? -

 

„Gibt es Juden?“ (Karlheinz Weißmann)

„Seit Sonnabend brachten es die Nachrichtenagenturen: Sarrazin behaupte, daß es ein »jüdisches Gen« gebe. Zeitgleich setzte der Entrüstungssturm ein. Selbst die, die wie Roland Koch Sarrazin bisher verteidigt hätten (wann eigentlich?), gingen auf Distanz. Die Wortkombination »Jude« und »Gene« funktionierte mit der Sicherheit des Pawlowschen Reflexes.

Auch in diesem Blog (**) wurde gemutmaßt, da habe Sarrazin der Teufel geritten und seine Neigung zu Selbstdarstellung und Provokation um jeden Preis verführt. Dagegen muß auf den Kontext hingewiesen werden, in dem die Äußerung fiel, das heißt die Entwicklung des Gesprächsgangs, der Sarrazin vor die Wahl stellte, entweder den üblichen Kulturalismus zu akzeptieren, oder in der Konsequenz seines Ansatzes die Alternative hinreichend deutlich hervorzuheben. »Schon der Begriff `Volk´ ist heute vielen peinlich«, sagte Sarrazin, »und daß über dem Eingang zum Reichstag `Dem Deutschen Volke´ steht, empfinden manche als ärgerlich. Ich empfinde solch eine Einschätzung als unhistorisch und teile sie nicht.«

Wenn »Völker« keine Konstruktionen oder Erfindungen sind, sondern objektivierbare Größen, dann ist wichtig, ob es so etwas wie eine ethnische Identität gibt. Daß diese Frage in den letzten drei Jahrzehnten konsequent tabuiert wurde (ein Erfolg dieser Strategie war die Änderung unseres »völkischen« Staatsbürgerrechts, das den Vätern des Grundgesetzes noch gut vereinbar schien mit der Verfassung), ist unbestreitbar, aber auch, daß es an diesem Punkt um etwas Entscheidendes geht, nicht um eine Nebensache. Denn warum soll nur legitim sein, die genetischen Eigenarten von »Indigenen« zu schützen (wie es die UNO verlangt)? Warum sollen moderne Nationen kein Recht haben, über ihr kollektives So-Sein zu entscheiden?

Wenn Sarrazin in dem Zusammenhang auf das Judentum abhebt, so hat das in der Sache gute Gründe, weil es sich tatsächlich um ein relativ leicht abgrenzbares Volk handelt, dessen genetische Besonderheiten – sogar die taz mutmaßte schon ein jüdisches »Intelligenz-Gen« – gut untersucht sind, dessen Ethnogenese kaum zufällig als Modell für das nation building in Mitteleuropa diente und das sich bis heute beharrlich weigert, seine Besonderheit aufzugeben. Die israelische Diskussion zu dieser genetisch untermauerten Identität ist jedenfalls lebhaft.

Das gilt nicht nur für den Staat Israel, dem es nicht genügt, »demokratisch« zu sein, sondern der sich explizit als »jüdisch« bezeichnet und das über die Abstammung definiert, sondern auch für die außerhalb Israels lebenden Juden. Bezeichnenderweise nahm Michael Wolffsohn bei der vorletzten Sarrazin-Debatte gegen die Polemik Stephan Kramers Stellung, unter Bezugnahme darauf, daß er selbst »Alt-Jude«, der Sprecher des Zentralrats der Juden aber bloß »Konvertit« sei.“ (Ebd., August 2010).

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