WWW.HUBERT-BRUNE.DE Heimseite

Zuerst! -

 

Karsten Neuber

- „Seid umschlungen, Millionen“ -

 

„Seid umschlungen, Millionen“ (Karsten Neuber)

„Eine fragwürdige Personalie nährt den Verdacht, daß die 60 Millionen Euro für die Auschwitz-Stiftung den Gesetzen seriöser Haushaltspolitik widersprechen

Die Nachricht fand sich allenfalls unauffällig in den Meldungsspalten der großen Medien: 60 Millionen Euro Steuergelder aus der Bundesrepublik Deutschland fließen in den kommenden fünf Jahren in eine »Internationale Stiftung Auschwitz-Birkenau«. Die Hälfte davon bringt der Bund auf, den Rest die Länder. Damit ist allerdings erst die halbe Miete eingefahren. Denn die in Warschau ansässige Stiftung benötigt für ihre erfolgreiche Arbeit laut eigenen Angaben die Summe von 120 Millionen Euro. Den fehlenden Betrag erhofft sie, von Polen, der EU, weiteren Staaten und Gesellschaften und von Privatpersonen zu erhalten.

Das Konzept und der Auftrag der Anfang 2009 gegründeten Stiftung lauten, mit den Zinsen des Stiftungskapitals die dauerhafte Erhaltung der über 150 Gebäude und 300 Ruinen des Lagergeländes zu finanzieren. Dabei wurden bereits immer wieder große Summen in den Erhalt oder die Rekonstruktion der weitläufigen Anlagen investiert. In den 1990er Jahren hat die Bundesrepublik Deutschland dafür 30 Millionen Mark bereitgestellt. Derzeit läuft ein von der EU unterstütztes Restaurierungsprojekt einiger Holzbaracken. Renoviert wurden auch schon die Gleise, die ins Lager führen. Der Stacheldraht wird ständig erneuert.

Allein im Museum Auschwitz sind derzeit 200 Personen beschäftigt. Direktor des Museumsbetriebes ist der 1972 geborene, umtriebige Dr. Piotr M. A. Cywinski, eine Personalie, die kaum thematisiert wird. In der Warschauer Stiftung nimmt er den Posten des Vorstandsvorsitzenden ein. Die Stiftung als Mittelgeber wird also ebenso von ihm geleitet wie das Museum als Mittelnehmer. Wäre der Gegenstand nicht emotional so aufgeladen, dann würde man eine solche Ämterkonstellation als unseriös bezeichnen. Der akademische und politische Lebenslauf des gerade mal 37jährigen Historikers ist spektakulär: Cywinski war bereits Vizevorsitzender und Vorsitzender des »Katholischen Warschauer Intellektuellenclubs«, er saß und sitzt in Gremien für den polnisch-jüdischen, den christlich-jüdischen und den ukrainisch-polnischen Dialog, er ist Angehöriger des »Polnischen Rates der Christen und Juden«, 2008 war er gar »Botschafter des internationalen Jahres des interkulturellen Dialoges«, u.s.w., u.s.w. ....

Cywinski ist Mitglied des Internationalen Auschwitz-Rates, stellvertretender Vorsitzender des Internationalen Zentrums für Bildung über Auschwitz und den Holocaust, er arbeitet zudem für das Groß-Rosen-Museum (ebenfalls ein KZ-Museum) und ist stellvertretender Vorsitzender des Unabhängigkeitsmuseums in Lodsch (hier kann der Besucher unter anderem etwas über »Polens heldenhafte Rolle bei der Luftschlacht um England und der Schlacht am Monte Cassino« erfahren). Und seit 2006 ist Cywinski zudem Chef des Auschwitz-Birkenau Museums.

Dabei scheint auf den ersten Blick unklar, weshalb Cywinski dringend noch Finanzhilfe für sein Lagermuseum braucht. Noch am 3. Januar 2010 verkündete er einen Besucherrekord für das Jahr 2009. Insgesamt seien 1,3 Millionen Besucher in das Lager geströmt, so viele wie noch niemals zuvor. Das sind im Schnitt mehr als 3.500 Besucher am Tag. Mehr als die Hälfte seien Kinder und Jugendliche gewesen, so Cywinski, der dies ausgesprochen begrüßt, da diese die »Zukunft der Welt« seien. »Ohne tiefgehendes Wissen über Auschwitz kann das Europa von heute nicht verstanden werden«, führt er gegenüber der Nachrichtenagentur DPA aus. 1,3 Millionen Besucher, die größtenteils die teuren, geführten Touren buchen – und immer noch ein Finanzproblem?

Hat Direktor Cywinski bei seinen vielfältigen Nebenbeschäftigungen überhaupt noch die notwendige Zeit, das Museum zu leiten? Muß man sich wirklich darüber wundern, daß ausgerechnet polnische Medien wie die Nachrichtenseite Polskaweb darüber spekulieren, daß der dubiose Diebstahl des »Arbeit macht frei«-Schildes vom Auschwitzer Eingangsportal Ende 2009 womöglich ein Marketing-Coup gewesen sei, um das Museum mal wieder in die Medien zu bringen? 60 Millionen Euro deutscher Steuergelder in den Händen eines Multifunktionärs und Tausendsassas? Welche Kontrolle behält sich die Bundesregierung über die Verwendung dieser Gelder vor? Was sagt der deutsche Bundesrechnungshof zu diesem Engagement?“

(Ebd., 1. Februar 2010, S. 19).

Zur benutzten und empfohlenen Literatur von:

WWW.HUBERT-BRUNE.DE