Wenn das Ganze nicht eine fruchtlose Nörgelei und ein scholastisches
Aufdecken von Widersprüchen werden soll, dann muß das Raum-
und Zeitproblem unter Orientierung an der mathematischen Physik einer
vorläufigen Lösung mindestens nahe gebracht werden.
Martin
Heidegger, Brief an Josef Sauer, 17. März 1912 |
Das geistige Leben muß bei uns wieder ein wahrhaft wirkliches
werden - es muß eine aus dem Persönlichen geborene Wucht bekommen,
die »umwirft« und zum echten Aufstehen zwingt, und diese Wucht
äußert sich als echte nur in der Schlichtheit, nicht im Blasierten,
Dekadenten, Erzwungenen. .... Geistiges Leben kann nur vorgelebt und gestaltet
werden, so daß die, die daran teilhaben sollen, unmittelbar, in
ihrer eigensten Existenz davon ergriffen sind. .... Wo der Glaube an den
Selbstwert der eigenen Bestimmung wahrhaft lebt, da wird alles Unwertige
einer zufälligen Umgebung von innen heraus und für immer überwunden.
Martin
Heidegger, Brief an Elisabeth Blochmann, 15. Juni 1918 |
Es soll Pflicht bei uns sein, was wir in innerster Wahrhaftigkeit
in uns regsam und drängend erleben, den Gleichgesinnten zu äußeren.
Martin
Heidegger, Elisabeth Blochmann, 2. Oktober 1918 |
Glauben an den Geist und seine Macht - wer in ihm und für
ihn lebt, kämpft nie auf verlorenen Posten.
Martin
Heidegger, Brief an Elisabeth Blochmann, 6. November 1918 |
Wie ja das Leben überhaupt sich gestalten wird nach diesem
Ende, das kommen mußte und unsere einzige Rettung ist, ist ungewiß.
- Sicher ist und unerschütterlich der Forderung an die wahrhaft geistigen
Menschen, gerade jetzt nicht schwach zu werden, sondern eine entschlossene
Führung in die Hand zu nehmen und das Volk zur Wahrhaftigkeit und
echten Wertschätzung der echten Güter des Daseins zu erziehen.
Mir ist es in der Tat eine Lust zu leben - wenn auch manche äußere
Entbehrung und mancher Verzicht kommen wird -, nur innerlich arme Ästheten
und Menschen, die bisher als »geistige« mit dem Geist bur
gespielt haben, wie andere mit Geld und Vergnügen, werden jetzt zusammenbrechen
und ratlos verzweifeln - von ihnen wird auch kaum Hilfe und wertvolle
Direktiven zu erwarten sein.
Martin
Heidegger, Brief an Elisabeth Blochmann, 7. November 1918 |
Die vergangenen zwei Jahre, in denen ich mich um prinzipielle Klärung
meiner philosophischen Stellungnahme mühte ..., haben mich zu Resultaten
geführt, für die ich, in einer außerphilosophischen Bindung
stehend, nicht die Freiheit der Überzeugung und der Lehre gewährleistet
haben könnte. Erkenntnistheoretische Einsichten, übergreifend
auf die Theorie des geschichtlichen Erkennens haben mir das System
des Katholizismus problematisch und unannehmbar gemacht - nicht aber
das Christentum und die Metaphysik, diese allerdings in einem neuen Sinne.
Ich glaube zu stark ... empfunden zu haben, was das katholische Mittelalter
an Werten in sich trägt. .... Meine rerligionsphänomenologischen
Untersuchungen, die das Mittelalter stark heranziehen werden, sollen ...
Zeugnis davon ablegen, daß ich mich durch eine Umbildung meiner
prinzipiellen Standpunkte nicht habe dazu treiben lassen, das objektive
vornehme Urteil und die Hochschätzung der katholischen Lebenswelt
einer verärgerten und wüsten Apostatenpolemik hintanzusetzen.
.... Es ist schwer zu leben als Philosoph - die innere Wahrhaftigkeit
sich selber gegenüber und mit Bezug auf die, für die man Lehrer
sein soll, verlangt Opfer und Verzichte und Kämpfe, die dem wissenschaftlichen
Handwerker immer fremd bleiben. Ich glaube, den inneren Beruf zur Philosophie
zu haben und durch seine Erfüllung in Forschung und Lehre für
die ewige Bestimmung des inneren Menschen - und nur dafür
das in meinen Kräften Stehende zu leisten und so mein Dasein und
Wirken selbst vor Gott zu rechtfertigen.
Martin
Heidegger, Brief an Engelbert Krebs, 9. Januar 1919 |
Das neue Leben, das wir wollen, oder das in uns will, hat darauf
verzichtet, universal, d.h. unecht und flächig (über-flächlich)
zu sein - sein Besitztum ist Ursprünglichkeit, nicht das Erkünstelte-Konstruktive,
sondern das Evidente der totalen Intuition.
Martin
Heidegger, Brief an Elisabeth Blochmann, 1. Mai 1919 |
Es ist eine rationalistische Verkennung des Wesens der personalen
Lebensströmung, wenn man meint und fordert, sie müsse in denselben
weiten und klangreichen Amplituden schwingen, wie sie in begnadeten Augenblicken
aufquellen. Solche Ansprüche entwachsen einem Mangel innerer Demut
vor dem Geheimnis und Gnadencharakter alles Lebens. Wir müssen warten
können auf hochgespannte Intensitäten sinnvollen Lebens - und
wir müssen mit diesen Augenblicken in Kontinuität bleiben -
sie nicht so sehr genießen - als vielmehr ins Leben eingestalten
- im Fortgehen des Lebens sie mitnehmen und einbeziehen in die Rhythmik
alles kommenden Lebens. Und in Momenten, wo wir uns
selbst und die Richtung in die wir lebend hoiniengehören unmittelbar
erfühlen, da dürfen wir das Klargehabte nicht nur als solches
konstatieren, einfqach zu Protokoll nehmen - als stünde es uns wie
ein Gegenstand bloß gegen-über - sondern das verstehende Sichselbsthaben
ist nur echtes, wenn es wahrhaft gelebtes d.h. zugleich ein Sein ist.
Martin
Heidegger, Brief an Elisabeth Blochmann, 1. Mai 1919 |
M. lb. S. Vor der Arbeit einen kurzen Gruß.
Ich bin gut im Zuge; ich muß sagen, wenn ich
meine Hüttenmanuskripte (Heideggers Hütte
im Schwarzwald wurde am 9. August 1922 bezogen; HB), die ich mit
habe, ansehe, sind sie alles andere als nicht gelungen.
Trotzdem brauche ich jetzt einmal eine zusammenhängende Zeit, wo
ich die Sache durchreißen kann. Mit Jaspers verstehe
ich mich sehr gut. Ich bekomme neue Einblicke u. lerne viel - Stoffliches.
Er hat eine große Bibliothek, die ich zwar nicht
haben möchte u. durch die ich mich wenig stören lasse.
Möglicherweise habt Ihr jetzt das schönste Wetter; hier ist
es regnerisch und neblig. Wir arbeiten fast immer,
da Jaspers wenig ausgehen kann. In den nächsten
tagen geh ich mal zu Rickert. Herzliche Grüße
Dir u. den Buben (Heideggers Kinder Jörg und
Hermann; HB). Dein M.. Herzlichen
Gruß an Herrn Maaß.
Martin
Heidegger, Brief [Postkarte aus Heidelberg] an seine Frau Elfride,
11.09.1922 |
Mein liebes Seelchen! Es ist Sonntag abend
u. ich möchte ein Weilchen zu Dir kommen und erzählen. ....
Das Städtchen ist ganz entzückend - das paßt
so ganz zu mir. Gestern Nachmittag kam die Sonne u. ich bummelte durch
die buckligen Straßen mit den niedlichen Häuschen - jedes guckt
anders drein u. alle sind sie zusammen gehuschelt wie die Hessenmädchen,
die in ihrem Putz einkaufen gehen. Die Lahn hat viel Wasser u. fließt
zwischen großen Weidenbäumen durch - von einer Brücke
ist ein ähnlicher Blick wie in Heidelberg neckaraufwärts. Ich
habe das Gefühl, das alles gut wird mit meiner Arbeit hier. Aber
trotzdem bin ich noch traurig, daß Du nicht da bist u. wir nicht
uns zusammen freuen können - hoffentlich kann ich Dich bald schon
führen.Vielleicht wirst Du noch mehr sehen. Mein
Dämchen ist sehr nett u. das Trienchen macht seine Sache gut. Ich
bezahle für diese beiden Zimmer 5 markenfreie Brote - z.Zt. 320 Mill.
das Brot - 4 Brote kostet ein Studentenzimmer. Die
Dame bittet aber, daß ich Bettwäsche bringe, das ist jetzt
allgemein üblich - auch Handtücher? Dann hätte ich gern
für morgens Kakao - kannst Du mir schicken? ebenso Tee - Frau Hartmann
hat mir bis jetzt ausgeliehen. Ferner habe ich keine Stehlampe - Gadamer
kann mir nur vorläufig seine ausleihen. Aber ich will möglichst
bei Tag arbeiten, um Licht zu sparen. Dann fehlt mir die Weste zum Schniepel
- die Straßenbahnkarte hab ich trotz eifrigen Suchens nicht gefunden
- sieh mal bitte nach in der äußeren Seitentasche des grauen
Anzugs - oder in der Skijoppe. Die Brotmarken sollen
ja weitergehen; ich brauche also eine Abmeldung - auch muß ich bald
nach Kohlen sehen. Nächsten Sonntag ist Rektoratsübergabe
- am 1. Nov. beginn ich die Vorlesungen. Hartmanns
sind reizend - ich muß jetzt die 3 Tage immer Mittag zu Tisch kommen
- ich glaube, daß ich gut mit ihm fahre - das Töchterchen (Dagmar,
die Tochter von Nicolai und Alice Hartmann; HB) freut sich schon
sehr auf die Buben (Heideggers Kinder Jörg
und Hermann; HB) - ich mußte viel von der Hütte erzählen
u. die Bildchen zeigen. Heute war ich bei Natorp -
morgen gehen wir zusammen spazieren - die Frau ist etwas laut u. überschwänglich
- aber doch lieb - Jaensch ist für einige Tage verreist. Heute Nachmittag
bin ich bei Gadamers - der alte Herr (Johannes Gadamer,
HB) sehr nett - ich lernte gleich dort den neuen Rektor kennen
u. den Prof. Busch (neue Geschichte) - der mal in den 90er Jahren in Freiburg
war - die Leute sind alle sehr herzlich .... Ich habe
jetzt nur noch einen Wunsch, daß es Dir gut geht u. den Buben u.
daß Ihr recht bald kommt. Ich umarme Dich mit
einem lb. Kuß Dir und den Bengelchen. Dein Möhrchen.
Bitte Bettschuh u. Pulswärmer!
Warte mit dem Abschicken der Sachen bis ich nochmal schreibe.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 14.10.1923 |
Seit dem September 1923 lebe ich mit Ihnen aus der Voraussetzung,
daß Sie mein Freund sind. Das ist der alles tragende Glaube in der
Liebe.
Martin
Heidegger, Brief an Karl Jaspers, 27.04.1924 |
Ich fahre am 1.8. auf die Hütte - und freue mich sehr auf
die starke Luft der Berge - dieses weiche leichte Zeug hier unten ruiniert
einen auf die Dauer. Acht Tage Holzarbeit - dann wieder Schreiben.
Martin
Heidegger, Brief an Karl Jaspers, 24.07.1925 |
Hier oben ist es herrlich - am liebsten bleibe ich gleich bis
zum Frühjahr hier oben bei der Arbeit. Nach der Gesellschaft der
Professoren habe ich kein Verlangen. Die Bauern sind viel angenehmer und
sogar interessanter.
Martin
Heidegger, Brief an Karl Jaspers, 23.09.1925 |
Ich habe am 1. April den Druck meiner Abhandlung »Sein und
Zeit« begonnen. .... Ich bin richtig im Zug und ärgere mich
lediglich über das kommende Semester und die spießige Luft,
die einen jetzt wieder umgibt. .... Es ist schon tiefe Nacht - der Sturm
fegt über die Hütte, in der Hütte knarren die Balken, das
Leben liegt rein, einfach und groß vor der Seele. .... Zuweilen
begreife ich nicht mehr, daß man da unten so merkwürdige Rollen
spielen kann.
Martin
Heidegger, Brief an Karl Jaspers, 24.04.1926 |
Die ganze Geschichte (um das zu veröffentlichende und tatsächlich erst 1927 veröffentlichte Werk »Sein und Zeit«; HB) ist ... mir gänzlich gleichgültig ....
Martin
Heidegger, Brief an Karl Jaspers, 24.04.1926 |
Im Ganzen ist es für mich eine Übergangsarbeit (das
zu veröffentlichende und tatsächlich erst 1927 veröffentlichte
Werk »Sein und Zeit«; HB) ....
Martin
Heidegger, Brief an Karl Jaspers, 24.05.1926 |
Die Studenten bieder, ohne besondere Antriebe. Und da ich mich
viel mit dem Problem der Negativität beschäftige, habe ich hier
die beste Gelegenheit zu studieren, wie »das Nichts« ausieht.
Martin
Heidegger, Brief an Karl Jaspers, 02.12.1926 |
Ich schätze die Arbeit (das zu veröffentlichende
und tatsächlich erst 1927 veröffentlichte Werk »Sein und
Zeit«; HB) nicht übermäßig hoch ein, habe
aber auf ihrem Grunde verstehen gelernt ..., was Größere wollten
....
Martin
Heidegger, Brief an Karl Jaspers, 21.12.1926 |
Mehr wird mir die
Arbeit (das
zu veröffentlichende und tatsächlich erst 1927 veröffentlichte
Werk »Sein und Zeit«; HB) überhaupt nicht einbringen, als was ich schon von ihr besitze:
daß ich für mich selbst ins Freie gekommen bin und mit einiger
Sicherheit und Direktion Fragen stellen kann.
Martin
Heidegger, Brief an Karl Jaspers, 26.12.1926 |
Ich bin der Armen (gemeint ist seine Mutter
Johanna Heidegger, geb. Kempf; HB) natürlich eine große
Sorge, und sie meint immer, daß sie wäre verantwortlich für
mich. Ich habe sie darüber beruhigt - aber gleichwohl trägt
sie schwer daran. So stark sind doch die Mächte, daß sie gerade
in solchen Stunden sich besonders geltend machen. Mutter war sehr ernst,
fast sogar hart - und ihr eigentliches Wesen war wie verdeckt. »Beten
kann ich für dich nicht mehr«, sagte sie, »denn ich hab
für mich selbst zu tun.« Ich muß das tragen, und meine
Philosophie soll ja auch nicht nur auf dem Papier stehen. .... Ich spüre
es diesmal noch stärker denn je, daß mich direkt mit dre hiesigen
Welt nichts mehr verbindet; was ich aus dem Elernhaus und der Heimat empfing,
ist in die Arbeit eingegangen. (Todestag seiner
Mutter: 03.05.1927; HB). Ich will auf jeden Fall bis Montag bleiben.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 05.02.1927 |
Daß ich für sie eine schwere Sorge bin und das Sterben schwer
mache, werden Sie ungefähr ermessen. Die letzte Stunde, die ich bei meiner
Mutter verbrachte ... war ein Stück praktischer Philosophie,
das mir bleiben wird. Ich glaube, den meisten Philosophen ist die
Frage Theologie und Philosophe oder besser Glaube und Philosophie - eine reine
Schreibtischfrag.e
Martin Heidegger,
Brief an Karl Jaspers, 01.03.1927 |
Mutter ist in der kurzen Zeit, in der
ich da bin, zusehends schwächer geworden. Auch der Puls läßt
nach. Seit einer Woche lebt die Arme nur noch von Wein und Wasser. Dazu das
Erbrechen alle paar Stunden. Es ist ein Jammerbild, und Mutter selbst wünscht
sich das Ende. Mutter hat sich sehr gefreut, als sie mich
sah - war schon sehr besorgt, ob ich auch abgeholt werde und ein richtiges Zimmer
habe zum Studieren. Sie hat sich nach Dir und den Kindern öfters erkundigt.
Meist dämmert sie so hin - und hat, von der Unleidigkeit des ganzen Zustandes
abgesehen, keine Schmerzen. (Todestag seiner Mutter: 03.05.1927; HB). Ich will auf jeden Fall bis Montag bleiben.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 21.04.1927 |
Wirklich bleibende Philosophie
kann nur die werden, die wahrhaft Philosophie ihrer Zeit, d. h. aber ihrer
Zeit mächtig ist.
Martin
Heidegger, Brief, 10. Mai 1930 |
Heute war die ganze Nebelschlange über der Rütte und schlich sich
bis an die Enge -; jetzt ist es ganz zu, und durch den Nebel läuten die
Glocken der Herde. Ich bin schön in die Arbeit gekommen und lebe mit den
Wäldern und Bergen, Matten und Bächen - die mirs geben. Ganz
weg von allem Zufälligen - in einer tiefen Gleichgültigkeit gegen
das Nichtnotwendige.
Martin
Heidegger, Brief an die Ehefrau Elfride, 14. September 1932 |
Gestern fiel der erste und sogleich zusetzende Reif. In der Früh waren
Matten, Weide und Wald weiß. Die Luft ist hart, die Sonne ist da, aber
der rauchige, dünne Nebel legt sich vor ihre Strahlen. Der Geruch der Kartoffelfeuer
geht durch die Luft - es ist ernsthaft Herbst. In den Alpen muß Neuschnee
liegen. Nachts ist Sturm. Das Hüttendasein hat seine rechte Prägung
bekommen. Ich bin nach vorne umgezogen - da der »hintere Wind« die
Arbeitsstube nicht warm werden läßt. Mit dem Holz komme ich auch
vorwärts und denke dabei an den Goetheschen Vers: »Schleppt ihr Holz
herbei, so tuts mit Wonne, denn ihr tragt den Samen irdscher Sonne.«
Professoren und alles, was dazu gehört, sind mir so
ganz fern gerückt, und ich habe so gar kein Bedürfnis nach deren Sorgen
und Machenschaften. Heute traf ich auf dem Weg vom Dorf den
alten Bender beim Hüten im Hasenloch und lud ihn zu der noch restlichen
Flasche ein. der schwarze Pius geisterte mit seinen zwei Lühen ständig
um die Hütte, und schließlich hab ich ihm bei dem kalten Wind
einen Kirsch verabreicht. Er erzählte dann - offenbar im Jägerlatein
- wie viele Urhähne er früher geschossen. Bei der Unterhaltung über
das Holz fiel der Spruch: »Buchiholz ist zweimal Holz«.
Martin
Heidegger, Brief an die Ehefrau Elfride, 6. Oktober 1932 |
In den letzten Tagen war ein tolles Wetter hier oben. Gestern nachmittags
steigerte sich der Sturm von Stunde zu Stunde. Um 10 Uhr war es am tollsten
- die Hütte krachte in allen Fugen -, ich saß in der Arbeitsstube
und arbeitete - an Schlaf war nicht zu denken - schon in den voriegn Nächten
nicht. Plötzlich, ½11 Uhr war es totenstill,
und dann kam der Schnee. Es ist schön, so bei der Natur zu sein. Heute
früh war alles verschneit. Im Dorf ist er jetzt weggetaut, aber von der
Rütte aufwärts liegt er fest. .... Ich fühle mich ausgezeichnet
und abgehärtet. Das Holz ist - so weit ich es allein schaffen kann - gehackt
und auch z.T. schon oben. Mit meiner Arbeit bin ich diese
Woche unter der Begleitmusik des Sturms sehr gut vorangekommen.
Martin
Heidegger, Brief an die Ehefrau Elfride, 15. Oktober 1932 |
Ich bin jetzt ins Schreiben gekommen und möchte dabei - ohne Rücksicht
auf Kolleg und dgl. Vorbereitungen - durchhalten, solange der Sturm weht. In
den Monaten nach dem Rektorat (das Rektorat dauerte vom
21.04.1933 bis zum 23.04.1934; HB) war ich wie ausgetrocknet und fürchtete
schon eine lange Dürre. Aber jetzt ist es wieder da und noch ganz anders,
wie ich fühle ganz frei, einfach und wesentlich, aber schwer doch festzuhalten,
weil wir eine neue, aber ungekünstelte Sprache brauchen und das Vernutzte
nichts mehr taugt und nur irreleitet. Aber es wird seine Zeit brauchen, bis
dieses einmal zu einer Wirkung kommt; ich bin froh, daß sich niemand um
mich kümmert und daß ich aus dem literarischen Geschwätz heraus
bin und dort andere die Rollen spielen. Es ist schwer, mit
Hölderlin allein zu sein - aber es ist die Schwere alles Großen.
Ob die Deutschen einmal begreifen werden, daß hier nicht ein lebensuntüchtiger
Schwächling in Verse sich rettete, sondern ein Held den kommenden Göttern
standhielt - ohne jede Gefolgschaft »taglang festgewurzelt auf den Bergen«.
Aber wie ich Dir schon sagte, dieses Mal werde ich ihm noch
nicht gewachsen sein im Denken, denn er ist auch über seine Freunde Hegel
und Schelling philosophisch weit hinaus und an einem ganz anderen Ort, der für
uns noch unausgesprochen ist und den zu sagen - nicht zu bereden - unser Auftrag
bleiben wird. .... Ich möchte bis zum 20. Oktober bleiben;
mit dem Proviant reiche ich gut ....
Martin
Heidegger, Brief an die Ehefrau Elfride, 11. Oktober 1934 |
Der Feinste ist Heisenberg - er hätte eigentlich auf die
Hütte gehört: er kommt aus der Jugendbewegung; kalr, einfach,
bescheiden und zurückhaltend, aber doch offen und freundlich. Heisenberg
blieb von sich aus noch länger als die Anderen, und ich habe mit
ihm noch einige schöne Stunden gehabt. Wenn ich von solchen Leuten
und ihrem Arbeitskreis höre, dann kommt mir erst die ganze Trostlosigkeit
in Freiburg zum Bewußtsein. .... Heisenberg ...
wird in nächster Zeit nach Berlin oder München berufen und von
Leipzig weggehen. Aber vielleicht werden die Zusammenkünfte,
die wir fortsetzen und ausbauen, doch ein gewissere Ersatz. Im Grunde
ist jeder doch allein, wenn er etwas Wirkliches will. .... Das Wetter
ist ja schlimm, und ich will Euch nicht zumuten, Samstag/Sonntag heraufzukommen,
wenn es so weitergeht.
Martin
Heidegger, Brief an die Ehefrau Elfride, 3. Oktober 1935 |
So wertvoll immer die bisherige Lehrtätigkeit war, so hat sie doch das
Eigentliche meines Denkens nie recht frei werden lassen - unversehens drängte
sich das Schulmäßige und Gelehrte ein und verhinderte oder verbog
das Einfache und Wesenhafte
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 14.06.1945 |
Solange die Jünglinge fehlen an der Universität, ist alle Arbeit
nur halb und keine Möglichkeit, noch einmal den Versuch zu wagen, eine
wirkliche geistige Überlieferung zu pflanzen. Vielleicht müssen wir
versuchen, im eigenen Haus Menschen zu sammeln, ohne in den üblichen Kulturbetrieb
zu verfallen. Ich denke jetzt oft an die Marburger Zeit, die in ihrer Art etwas
Geschlossenes hatte.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 14.06.1945 |
Jeden zweiten Tag bekomme ich eine Traubenzuckerspritze, was das Gesamtbefinden
wohltätig beeinflußt. Seit gestern habe ich wieder das deutliche Gefühl,
daß ich wieder ins Denken hinein komme und aus neuer Kraft und neuen Erfahrungen
ans Werk gehen werde. Auf den einsamen Gängen habe ich viel an Dich und
an die Kinder gedacht, und ich danke Dir noch besonders für das Bild vom
Haus. Ich finde aber die Wälder bei der Hütte schöner, großartiger
und einfacher; hier erinnert alles zuviel an Kulturbetrieb, und man hängt
gleichsam an einem Abhang des Schwarzwaldes. Wie wenige wissen heute, was »Gegenwart«
ist; wie wenige ahnen, daß alles in abgelebten Formen dahinlebt. Ich freue
mich jetzt schon auf die kommenden Wochen, wo wir auf der Hütte sein können.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 17.02.1946 |
Von wichtigen Franzosen käme vor allem Prof. Beaufret aus
Paris in Betracht, den ich keinesfalls verfehlen möchte. Er kann
gut hierher kommen.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 04.03.1946 |
Hier begegnet mir zum erstenmal ein selbständiger Denker,
der von Grund aus den Bereich erfahren hat, aus dem heraus ich denke.
Ihr Werk ist von einem so unmittelbaren Verstehen meiner Philosophie beherrscht,
wie es mir noch nirgends begegnet ist.
Martin
Heidegger, Brief an Jean-Paul Sartre, 28. Oktober 1945 |
Die Sprache ist das Haus des Seins.
Martin
Heidegger, Brief über den Humanismus [Brief an Jean
Beaufret], 1946, in: Ders., Wegmarken, S. 385 |
Daß diese Leute nach ihren Methoden sich rächen, ist klar; aber
das die Christlichen diesen Herren überall aufs Pferd helfen, das
ist das Üble.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, Pfingsten 1949 |
Ich danke Dir jeden Tag im stillen für die Hütte.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 09.08.1949 |
Unsere schönen Hüttenjahre winken uns nach, und vielleicht ist es
doch das schönste, wenn wir es wieder wagen, um es noch besser zu vermögen,
unser Nichtvoneinanderlassen rein in seine eigenste Wurzel zu bergen. Es ist
beglückend, wie mir in den letzten Jahren auch das Freiburger Haus, trotz
der städtischen Umgebung, im weiteren immer lieber und lieber geworden
ist.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 04.05.1950 |
Schmerzlich ist es, wie sehr doch der Wald gelichtet worden. Auch beim Blick aus dem Fenster merkte ich plötzlich,
wie am Horizont ein ganzer Waldstreifen fehlte.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 04.05.1950 |
Ich verstehe sehr wohl, was Du meinst: Echte, gewachsene Überlieferung
hat in sich die Kraft, das Bleibende auszulesen und in stets erneuerbarer Gestalt
der Zukunft darzubieten. Aber Überlieferung wird nicht durch Historie
(sondern durch Geschichte; HB), durch diese höchstens
verstellt und verwirrt, vollends durch den Forschungs- und Archivbetrieb der
modernen Wissenschaft. Daß die Geisteswissenschaften - auch die Philologien
- keine rechte Überlieferung zu finden und zu bieten vermögen, ist
ein Hauptmangel der Universitätserziehung und ihres ganzen Betriebes. Ich
habe seit je stets wesentliche Denker und von diesen nur wesentliche Schriften
ausgewählt und gegen allen sonstigen Betrieb dargestellt. Freilich
ist die Überlieferung, auch die große und einfache, für sich
nichts, wenn ihr nichts antwortet, wenn sie nicht ... zum Sprechen gebracht
wird. Die heutige Jugend und mittlere Generation spürt das überall
unmittelbar; aber sie kann es nicht aussprechen; niemand hilft ihrdazu; denn
würde es ausgesprochen, dann würde den Professoren ihr weitläufiger
Apparat zusammenbrechen, und sie wären gezwungen, über die Sachen
nachzudenken und auf das Wesentliche nicht nur einzugehen, sonder ständig
dabei zu bleiben. Davor hat man Angst. Und den Einzelgänger läuft
sich in dieser Umgebung tot.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 10.05.1950 |
Wider Erwarten mußte Heisenberg seine Dispositionen wieder ändern
und kam gestern Nachmittag zu einem dreistündigen Gespräch, von dem
ich Dir ausführlicher erzähle. Es stellte sich heraus, daß östlich
von München an einem großen Stausee in einer Moorgegend das große
Atomwerk für das Bundesgebiet geplant wird und Heisenberg dafür jetzt
ständig zu Rate gezogen wird. Es soll eine ähnliche Sache werden,
nur in kleineren Maßstäben, wie das Werk, das bei Jungk beschrieben
ist. Nach dieser Richtung treibt alles mit einer unheimlichen Zwangsläufigkeit
weiter; andererseits hofft Heisenberg ainmal auf eine kommende Meisterung der
Technik und zugleich auf eine religiöse Hilfe aus einer allgemeinen Erneuerung.
Im Grunde aber zeigt sich nichts von einer inneren Loslösung aus dieser
ganzen Forscherhaltung. Diese Punkte haben wir erst in der letzten halben Stunde
berührt - vordem besprachen wir Fragen der Kausalität, Zeitlichkeit
und die Bezüge zur mittelalterlichen und antiken Grundstellung. Das war
für beide Teile besonders fruchtbar und anregend, und ich kam mehr und
mehr zur Einsicht, daß nur auf dem Wege einer immanenten Besinnung eine
Befreiung aus der technischen Grundhaltung möglich ist, wenn überhaupt.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 07.08.1953 |
Heut kam er (Fritz, der Bruder; HB) in
die Stube und sah meine ausgebreiteten Blätter und sagte: »da hast
Du aber ein großes Martyrial«!
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 11.10.1953 |
Am meisten beschäftigt mich die Frage nach der Sprache; und ich habe
heute wieder mit Fritz darüber verhandelt. Es ist vielleicht doch am besten,
wenn ich diese Thematik nur anklingen lasse, ohne sie eigens schon zu erörtern.
Sie muß in ihrer ganzen Bedeutung durch eine eigene Veröffentlichung
zum Vorschein kommen.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 08.05.1954 |
Die Arbeit mit Fritz ist wie immer »fruchtbar« und voller Einverständnis.
Er ist keineswegs »eng«. Er meinte, das einzig Richtige wäre,
wenn ich in Rom auf den Index käme.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 27.10.1954 |
Dein Vorschlag (Hebel) ist sehr gut. Ich habe mir nach dem Züricher Brief
überlegt, ob es nicht nötig und möglich sei, einen rein philosophischen
Text zu lesen - ich dachte an Hegel; aber das ist wohl zu schwer. Jedenfalls
habe ich die Sache auf den Januar verlegt. Am Sonntag war Neske da, er kam gegen
12 Uhr und fuhr nachmittags wieder zurück. Das Hebel-Bändchen ist
vergriffen. Die Hölderlin-Platte ist noch nicht fertig. Auf »Graß«
(gemeint ist Günter Grass; HB) angesprochen,
sagte er, das sei die Platte mit mehreren Lyrikern und schon vor Jahren aufgenommen.
Er war mit seiner Frau bei der »Gruppe 47« in Saulgau - wo auch
Graß und Augstein -, die Verhältnisse scheinen mir undurchsichtig.
Dann plant er ein Gespräch mit Bloch, Hans Mayer und Lukaz (gemeint
ist Georg Lukacs [eigentlich: Löwinger]; HB) über Marxismus;
ob ich teilnehme; ich habe gleich abgesagt. Ebenso für den Plan, bei der
Dokumenta III in Kassel im nächsten Jahr Manuskripte von Autoren auszustellen
- ob ich das Manuskript von Sein und Zeit zur Verfügung stellen könnte:
ich sagte nein. Er macht immer mehr auf »gewollt modern«.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 20.11.1963 |
Kein menschliches Rechnen und Machen kann
von sich aus und durch sich allein eine Wende des gegenwärtigen Weltzustandes
bringen; schon deshalb nicht, weil die menschliche Machenschaft von diesem
Weltzustand geprägt und ihm verfallen ist. Wie soll sie dann je noch
seiner Herr werden?
Martin
Heidegger, Brief an Erhart Kästner, 24.12.1963 |
Der »Sethe« (gemeint ist Paul Sethe; HB)
hat mich in der letzten Zeit nie mehr angesprochen. Ich lege Dir von derselben
Verfasserin einen Bericht bei über den Aufenthalt des Graß (gemeint
ist Günter Grass; HB) in USA. Er bedarf keine Interpretation.
Wer hinter den Gemeinheiten der »Hundejahre« (Roman
von Günter Grass; HB) steckt, dürfte nun klar sein.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 14.06.1964 |
Boß (Medard Boss; HB) selbst ist sehr bemüht,
das »Denken« zu lernen, aber ist oft zu rasch in der Anwendung und
setzt sich damit der Kritik aus, daß er nur Heideggersche Philosophie
in die Psychiatrie einmische - das Philosophische und seine reiche ärztliche
Erfahrung sind noch nicht ins Gleichgewicht gebracht.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 27.11.1965 |
Im Denken der prinzipiellen Fragen ist er (Medard Boss; HB) immer noch unbeholfen,
aber ich denke, daß ich ihn schon ein Stück voranbringe.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 06.07.1966 |
Die Seminare verlaufen sehr gut; außerdem habe ich noch Privatgespräche
mit Weizsäcker (Carl Friedrich von; HB). Er sieht das Unheimliche, aber wie immer bei ihm - es gibt ein Sowohl-als-Auch
- er meint, man könne innerhalb der technischen Welt mit deren Mitteln »helfen«,
z.B. Hunger in der Welt, Bevölkerungsexplosion. Aber das ist ja nicht entscheidend.
Er hat eben daneben ein Privatgebäude: den Glauben. Er gibt zu, daß,
wenn die Einheit der Physik gedanklich wissenschaftlich erreicht ist, die Einordnung
in eine nicht nur technische Welt nötig sei. Aber er sieht noch nicht (oder
will nicht sehen; HB) das Geschickhafte einer Zerstörung
der Menschlichkeit des Menschen durch die Biophysik.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 26.01.1967 |
Boss hat mir ... drei junge Leute geschildert, die sehr begabt seien und von
dem ausschließlich naturwissenschaftlichen Denken weg wollten. Aber im
Ganzen ist doch gegen dies mach nicht anzukommen.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 16.04.1967 |
Morgen werden wir die Erörterung der Verschiedenheit der Kausalität
und Motivation fortsetzen und auf die Frage nach der Freiheit stoßen -
bei dem in den Wissenschaften herrschenden Determinismus eine schwierige Sache.
Boss hängt mit seiner Arbeit in manchen Partien noch sehr zurück -
überhaupt der Mangel an »Bildung« - die freilich nun überall
wegschwindet.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 19.04.1967 |
Nun ließ sich der Sterbezustand von Adenauer offenbar nicht
mehr länger hinauszögern. Hier sieht niemand, was er hinsichtlich
der »Wiedervereinigung« verschuldet hat. Man ist ausschließlich
vom ... amerikanischen »Denken« benommen, daß kein Gespräch
über die Weltsituation möglich ist.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 19.04.1967 |
Er (Carl Friedrich von Weizsäcker; HB) muß
von einer Sitzung zur anderen, weil (und dies vertraulich) die Max-Planck-Gesellschaft
ein neues Institut für Zukunftsplanung auf wissenschaftlicher Basis gründet,
dessen Direktor Weizsäcker sein wird. Das Institut kommt nach Heidelberg.
und soll im nächsten Sommer eröffnet werden. Weizsäcker will
dort mit Picht zusammenarbeiten, gibt hier (in Hamburg;
HB) seine Professur auf, nimmt einige seiner Assistenten mit. Eine große
Veränderung, die ihn sehr reizt; und internationale Kräfte sollen
beteiligt sein - etwas, was im »Atomzeitalter«, ein Zeitschrift,
die auch Weizsäcker sehr schätzt, seit einiger Zeit gefordert wird.
Das Ganze soll philosophisch fundiert sein und keine bloß technische Sache
werden.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 13.12.1967 |
Daß die jungen Leute bei mir auftauchen, hängt vielleicht damit
zusammen, daß ihr »Chefideologe« Marcuse Schüler von
mir war. Ich werde ja hören, was sie vorbrachten. Der Beginn des Semesters wird ja »heiter« werden. Die ganze Situation ist undurchsichtig. M.
Müller, der vor meiner Ankunft hier durchkam auf der Fahrt nach Breitnau,
sagte Fritz, ihm seien schon Störungen seiner Vorlesungen angekündigt;
er kommt am 18.VI. auf der Rückfahrt hier durch.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, Ostersonntag 1968 |
Die Gefahr der Naturwissenschaft und Technik steht allen vor Augen, aber auch
die Einsicht bewegt sie (die Teilnehmer an den heutigen
Gesprächen in Hamburg; HB), daß mit irgendwelchen weltanschaulichen
Zusätzen und Ausbauten nichts zu erreichen ist. Über das Raumproblem
habe ich schon dazu gelernt. Zugleich bemerke ich, daß den Leuten die
idealistisch-theoretische Denkart Husserls nicht eingeht - weil sie davon nicht
angegangen sind. Ich fühle mich sehr frisch und gut in Fahrt bei diesem
klaren Wetter. Jeder Tag ist schöner als der andere; die Sonnenzeiten sind
freilich im Dezember kurz - aber der wolkenlose Himmel ist schon eine Wohltat. .... -
Heute und morgen Nachmittag hat Weizsäcker sein Kolleg und Seminar. Am
Samstag ist er frei. Wir wollen privatim ein Manuskript von ihm über
Kybernetik und Biologie besprechen.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 12.12.1968 |
Zur Zeit ist großer Streik an der Universität (gemeint
ist die Universität in Kiel, wo Heidegger sich aufhält; HB)
- vielleicht wird sie heute für das Sommesemester geschlossen. .... Wenn
die Unruhen so weitergehen, will Bröcker (Professor
an der Universität Kiel; HB) auch
Schluß machen ....
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 10.06.1969 |
Er (Hans Jonas; HB) ist von den theologisch-philosophischen
Problemen ganz abgekommen und hat sich den Grundfragen der Biologie zugewendet.
Er will offenbar wieder ein positives Verhältnis zu meinem Denken
gewinnen, ist jetzt 66 Jahre alt und war 1921 schon in seinem ersten Semester
bei mir in Freiburg. Ich war zurückhaltend; Boss meinte, wir sollten
allein sprechen. Wir sprachen nur über die Lage der Philosophie und
den Umschlag der Haltung in USA gegenüber meinem Denken.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 17.07.1969 |
M. lb. S. Alles ging gut, die Reise und der
Aufenthalt in Rotsee. Nur ein heftiges Rheuma
in Rotsee geschnappt - im rechten Handgelenk. Aber
es wird schon besser. 20 cm. Neuschnee am Morgen des
9. April. Ich wohne in Pension Gräfin Harrach
- ganz ruhig. Heute Ruhetag. Morgen Heisenberg und
Georgiades. Son[n]tag Weizsäcker, der gerade umzieht.
Montag Meßkirch. Das Gelenk
sehr schmerzhaft. Rheumasan schon gekauft u. eingerieben.
Ina Seidel war auch da; u. sehr dankbar.
Sonst geht es mir sehr gut. Alles Liebe.
D w. M. Preetorius schwer krank.
Martin
Heidegger, Brief an seine Frau Elfride, 10.04.1970 |
Den neuen Ehrenbürger der gemeinsamen Heimatstadt Meßkirch
- Bernhard Welte - grüßt heute herzlich der ältere .... Erfreuend
und belebend sei dieser Festtag der Ehrung. Einmütig sei der besinnliche
Geist aller Teilnehmenden. Denn es bedarf der Besinnung, ob und wie im Zeitalter
der technisierten gleichförmigen Weltzivilisation noch Heimat sein kann.
Martin Heidegger,
Brief an Bernhard Welte, 24. Mai 1976 |
|