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Peter Sloterdijk
Von Explosionen und Implosionen

Allotechnik und Homöotechnik Allotechnik und Homöotechnik Allotechnik und Homöotechnik

Kommentar zu Sloterdijks Konzept von Allo- und Homöotechnik

Ente will nach oben „Tatsächlich sind wir heute von einer historisch ganz neuen und noch kaum überschaubaren Erfahrung geprägt: der Energiefreisetzung durch Explosion. .... Unsere wichtigsten aktuellen Antriebssysteme beruhen zur Zeit und bis auf weiteres auf dem Prinzip der Verbrennungsexplosion oder der Erzeugung von Druck durch Hitze. Das ist etwas, was es in dieser Form in der Natur nicht gibt -von den Vulkanausbrüchen abgesehen, die unseren Sinn für Explosionsenergetik ansprechen, auch wenn wir noch keinen lavagetriebenen Motor kennen. Man kann sich wohl nie ausreichend klarmachen, was der Übergang zur explosionsbasierten Bewegung kulturell bedeutet. Die ganze moderne Mobilität hängt an der Idee, die jähen Raumforderungen von Explosionen für technische und vitale Zwecke in Dienst zu nehmen. Der Grundgedanke unserer Zivilisation scheint zu sein, Explosionen zu überlisten, um sie dazu bringen, nützliche Arbeit zu zu leisten. In diesen Arrangements implementieren wir das mephistotelische Prinzip technisch: der Verbrennungsmotor arbeitet mit einem Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Man bringt eine flammbare Substanz zur Zündung und zwingt dieExplosion durch eine Hemmungsvorrichung, Arbeit zu verrichten - Mikrokatastrophen im Dienst von Kulturzwecken.“ (Peter Sloterdijk / Hans Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod, 2001, S. 321-322).

„Eine philosophische Kinetik müßte zeigen, wie wir bis in die feinsten Verästelungen unseres Denkens und Empfindens von der Erfahrung des Explosionsmotors und des Reaktors bestimmt werden. Bewegungen und Antriebe, die nicht dieser Motorik entsprechen, sind für Menschen unserer Kultur nicht mehr ohne weiteres verständlich. Selbst die Ernährung wird heute überwiegend nach dem Muster der Verbrennung von Treibstoffen in Motoren gedacht, besonders in den USA, wo Lebensmittelgeschäfte den Charakter von Kalorien- und Vitamintankstellen annehmen. Darum ist für Europäer nichts so amüsant wie Einkaufen in Drugstores, wo man mit hundert unbekannten Fitneßfaktoren umworben wird. Ferienorte scheinen am attraktivsten, wenn man sie als Vitalitätstankstellen präsentiert. Das Subjekt des 20. Jahrhunderts ist ein Hochleistungsstoffwechsler. Deswegen befinden sich diejenigen, die sich heute mit alternativen oder nicht-explosiven Energieformen beschäftigen, in einer marginalisierten Lage. Wer sich um Bioenergetiken kümmert, ist in derselben Situation wie ein Windmüller neben einem Atomkraftwerk; selbst wenn er Windstrom poduziert, wir er Mühe haben, sein Produkt in die offiziellen Leitungsnetze einzuspeisen. Den alternativen Ideen geht es heute wie den alternativen Energiearten, sie sind zu qaulitativ orientiert und fallen im quantitativen System nicht ins Gewicht.Auch die orientalischen gymnastischen systeme, für die man sich im Westen vorübergehend interessiert hat, verlieren an Attraktivität, wenn sie sich nicht als Treibstofflieferungen für psychische Verbrennungsmotoren oder Power-Ichs anpreisen lassen. Man muß nur daran denken, wie die us-amerikanische Rezeption der asiatischen martial arts verlaufen ist.“ (Peter Sloterdijk / Hans Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod, 2001, S. 322).

„Ich würde so weit gehen, zu behaupten, daß der Verbrennungsmotor oder das Prinzip der nützlich gemachte Explosion die materielle Matrix des modernen Freiheitsbegriffs in seiner aktuellsten Phase darstellt. Freiheit, wie die Moderen des 20. Jahrhunderts sie verstehen, gründet in dieser kinetischen Schlüsselerfahrung - im Paradigma der unverhältnismäßigen Beschleunigung. Damit kommt eine unverkennbar modeme Differenz gegenüber der alteuropäischen Tradition zum Tragen, die in der Philosophie noch kaum zur Sprache gebracht worden ist. Freiheit in der Epoche der Explosion, also der freiwilligen Energieverschwendung, ist etwas ganz anderes als Freiheit in der Epoche der unfreiwilligen Energieknappheit. Darum ist für uns heute schon der Geist der früheren energie-ärmeren Moderne nicht mehr wirklich verständlich. Das 18. Jahrhundert ist uns vällig fremd geworden, weil wir energetisch inzwischen ganz woanders stehen, um von der Antike mit ihrer Sklaverei der Muskeln erst gar nicht zu reden.“ (Peter Sloterdijk / Hans Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod, 2001, S. 323).

„Man muß die Geschichte der Energiefreisetzing parallel lesen mit der Geschichte der modernen Subjektivierungen: Ich möchte behaupten, zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert wird Freiheit in erster Linie am Paradigma der Ozean-Reisen und der Schriftstellerei innerhaln der Gutenberg-Galaxis abgelesen. Zur See fahren heißt mit Windkraft »frei unternehmen«, und schreiben heißt sich mit Tinte »frei ausdrucken«. ,Die einen navigieren auf den offenen Meeren, die anderen auf leerem Papier, beide erzeugen Freiheitserfahrungen, besser: Könneserfahrungen und Ergebniserfahrungen, mit denen sie den Rest der Gesellschaft anstecken. Mit diesen geldvermittelten Techniken setzt sich die Aktivierungsrevolution in Gang. So wird die moderne Gesellschaft allmählich mobilisiert und alphabetisiert.“ (Peter Sloterdijk / Hans Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod, 2001, S. 323-324).

Allotechnik versus Homöotechnik

„Man muß sich klarmachen, daß alle bisherigen Techniken, einige chinesische Beispiele und einfache »symbiotische« Verfahren der sogenannten primitiven Völker ausgenommen, eine radikal antinaturale Tendenz aufweisen. Der von Menschen in Gang gebrachte Maschinenbau ist essentiell etwas ganz anderes als der Biomaschinenbau, den die Evolution betrieben hat und weiter betreibt. Wenn Menschen ihre Apparate herstellen, folgen sie gerade nicht dem Beispiel der Natur, die als Ingenieur des Lebens eigene evolutionäre Strategien entwickelt hat, Strategien, die bisher viel zu komplex waren, um von uns nachgeahmt zu werden. Die traditionellen Ingenieure verdankten ihre Erfolge nicht der Nachahmung der Natur, sondern dem Bruch mit ihr - weswegen es bis vor kurzem praktisch nur antinaturrale Technologien gegeben hat. Das klassische Design von Technik definiert sich dadurch, daß wir radikale Vereinfachungen realisieren, die sich in der Natur nicht finden. Die Natur kennt keine reinen Rotationen, sie kennt nichts, was dem technischen Prinzip von Pfeil und Bogen entspricht, kaum etwas, was den Prototechniken des Schnürens und Knotens gleichkommt; es gibt in ihr keine Kolbenmotoren und erst recht nicht von all dem, was die Metallurgen tun. Mircea Eliade hat in einem schönen Buch gezeigt, wie die Schmiede und Alchemisten in den frühen Kulturen eine geheimnisumwitterte und verfluchteKaste darstellten, aus deren Porträt die späteren Infernologen geschöpft haben, um den Steckbrief des Teufels an den Kirchentüren anzuschlagen. Wenn der Teufel durch das ganze Mittelalter hindurch zaubert, hinkt und stinkt, so aufgrund seiner Ähnlichkeit mit den Schmieden, die in heißen Höllen arbeiten und sich mit verruchten Prozeduren befassen. Der Teufel ist der Erbe der Metallurgen, bei denen das menschliche Können unheimlich wurde. In der zeitgenössischen öffentlichen Meinung sind die Chemiker die typolologischen Nachfahren des Teufels, weswegen die Ausdrücke »chemisch« und »widernatürlich« in der Umgangssprache konvergieren. Man wundert sich nur, wieso die Chemiker nicht alle einen Fuß hinterherziehen. In Wahrheit sind sie die ersten gewesen, die sich vom Prinzip der diabolischen Ggegennatürlichkeit abgwandt haben, um der Natuar ihre Betriebsgeheimnisse abzuschauen. Mit ihnen fängt eine neue Technikphase an, die auf eine imitatio nature aus ist.“ (Peter Sloterdijk / Hans Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod, 2001, S. 328-329).

„Und damit zeichnet sich, wenn nicht alles täuscht, für das 21. Jahrhundert eine Paradigmenwechsel in den Basisideen der Technik ab. Es scheint, daß wir zum ersten Mal an der Schwelle zu einer Form von Technologie stehen, die weit genug entwickelt sein wird, um radikal auf Naturnachahmung umstellen zu können. Das läßt sich an der Gentechnologie zeigen, die erst aufgrund einer weit vorangetriebenen Einsicht in den modus operandi der Selbstorganisation von lebender Materie möglich geworden ist. lch verstehe, warum zahllose Zeitgenossen mit diesen Entwicklungen die schlimmsten Befürchtungen verbinden, Befürchtungen, die gerechtfertigt erscheinen in dem Maß, wie man Erfahrungen mit bisherigen Technologien auf die neuesten Möglichkeiten überträgt. Aber es gibt Argumente, die gegen eine solche Übertragung sprechen, ja, es scheint sogar, daß mit den Biotechniken eine Art Kehre im Prozeß der Technik selbst begonnen hat. Nachahmung der Natur ist nur zu haben nach dem Bruch mit der Verschwendungstechnologie, die auch immer ein Stück weit Vergewaltigungstechnologie ist - vor allem aufgrund des übermäßig vereinfachenden und eo ipso herrischen Charakters bisheriger Technologie. Ich nenne den herkömmlichen Komplex von Macht und Simplifikation Allotechnik, um hervorzuheben, daß durch sie kontranaturale, reduktionistische und herrische Intentionen ausagiert werden, und ich setze ihn der Homöotechnik entgegen, die zu Erfolgen führen kann in dem Maß, wie sie naturanalog und ohne herrische Ubergriffe verfährt. (Sloterdijk).“ (Peter Sloterdijk / Hans Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod, 2001, S. 329-330).

„Ich gebe zu: Verlängert man die Daten, die uns der Einsatz von Allotechnik liefert, linear in die Zukunft, muß man zum Zivilisationskritiker oder zum Desperado werden, was in diesen Dingen praktisch dasselbe bedeutet. Dann wäre es die letzte Aufgabe der Kritik, das mutmaßliche Datum der universalen Selbstvernichtung auszurechnen. Das ist es, was Carl Amery ... in seinen letzten Büchern getan hat. Er entwickelt einen verzweifelten Ökokatholizismus, dessen Weisheit darin besteht, den Menschen zu empfehlen, in letzter Minute den Weg der Heiligen zu betreten. Sein Argument ist unter einem gewissen Blickwinkel verständlich: Wenn es für alle Zeiten nur Allotechnik gibt, sprich, rücksichtslose Ausbeutung von Lebenschancen in der eigenen ökologischen Nische sowie blinde Verschwendung von sogenannten Ressourcen, und wenn deren Einsatz nur immer umfassender und verheerender werden muß, dann läge die einzige Hoffnung für den Menschen in einer bewußten Abkehr von seiner herrischen Lebensgier. Nur ein Ethos des Lebensverzichts könnte dann noch helfen. Amery setzt auf eine Politik des bewußten Sterbens oder, wie man auch sagen könnte, eine Politik der Heiligen. Tatsächlich dürften nur Heilige imstande sein, diese Kehre gegen die Lebensgier zu vollziehen und die gattungnsnarzißtischen Vorrangansprüche von Homo sapiens technologicus gegenüber der übrigen Natur zurückzunehmen. Die ökologisch bewußte communio sanctorum würde sich auszeichnen durch ein Sterbenkönnen, das selbst über die Hochreligionen hinausführt. Man wird zugeben, daß die heutige Menschheit davon weiter entfernt ist als jede bisherige Generation. Dieses Sterbenkönnen müßte fundiert sein, erstens, durch ein Vertrauen darauf, daß unser biologisches Leben nicht alles ist, was wir haben, und, zweitens, durch den ökologischen Respekt vor den Ansprüchen des Mitlebendigen, etwa im Sinn des Albert-Schweitzerschen »Leben inmitten von Leben, das leben will«, und, drittens, durch eine Art von spiritueller Fernstenliebe, die bereit ist, sich über lange Zeit- und Rumspannen hinweg auf eine Teilung von Lebbenschancen mit fernen Wettbewerbern einzulassen, wobei unter dlesem vor allem die zeitlich Fernen, die Ungeborenen, zu berücksichtigen wären. Das sind Gedanken, die durch Vornehmheit und Folgerichtigkeit beeindrucken. Andererseits sind sie von völlig verzweifeltem Charakter, denn sie wetten noch einmal auf das Unmögliche, das durch die Geschichte des Christentums schon genug widerlegt worden ist: auf eine Revolution der Heiligen als Einbruch des moralischen Metanaturalismus in die natürliche oder allzu natürliche Welt, sprich, in die gnadenlosen Lebenswettbewerbe zwischen den Aktionszentren der universalisierten Gier.“ (Peter Sloterdijk / Hans Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod, 2001, S. 330-331).

„Mir drängt sich die Vermutung auf, es könnte diesen Überlegungen eine unzureichende Auffassung vom Wesen der Technik zugrunde liegen. Mit ihrem scheinbaren Realismus sind Amerys Annahmen über die Selbstzerstörungstechnologie der Hightech-Menschheit doch zugleich sehr einseitig und in Gefahr, unrealistisch zu werden. Daß sie von einem tiefen anthropologischen Pessimismus geprägt sind, spielt dabei noch dle geringste Rolle. Ihre Einseitigkeit kommt eher daher, daß sie voraussetzen, das Wesen der Technik sei ein für alle Mal definiert. Sie machen implizit die Annahme, daß die Technik mit dem Eintritt in das Paradigma der Explosions- und Verschwendungsverfahren ihren letzten Horizont erreicht hätte. Mit ihnen wäre gewissermaßen die Erbsünde technisch übersetzt. So bliebe für den Propheten, der zur Revolution der Heiligen mahnt, nichts anderes zu tun übrig, als abzuwarten, ob die verirrte Menge angesichts der Zerstörung von Lebensgrundlagen klug werden will oder nicht.“ (Peter Sloterdijk / Hans Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod, 2001, S. 331-332).

„Durch die Einführung der Differenz zwischen Allotechnik und Homöotechnik verliert die fatale Konstruktion ihre Plausibilität. Ich sage nicht, daß ein moralisches Klugwerden der Menschen aus ihren geschichtlichen Erfahrungen mit sich selbst überflüssig wäre, im Gegenteil. Aber dieses moralische Klügerwerden bleibt hilflos, wenn es nicht in ein technologisches Klügerwerden mündet. Und das ist es, was ich mit dem Konzept der Homöotechnik andeute.“ (Peter Sloterdijk / Hans Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod, 2001, S. 332).

Peter Sloterdijk unterscheidet also zwischen „Allotechnik“ und „Homöotechnik“. (Zwei Seiten der Technik). Nach seiner Definition ist Allotechnik die Technik der Vergangenheit und Gegenwart und die Homöotechnik die Technik der Gegenwart und Zukunft. „Alle Technik ist bisher kontranatural gewesen, weil sie Prinzipien eingesetzt hat, die in der Natur so nicht vorkommen, ... Technik war ... Allotechnik, das heißt auf gegennatürliche Funktionen und abstrakten Geometrien aufgebaute Mechanik. .... Jetzt ist zum ersten Mal die Schwelle erreicht, wo die Technik anfängt, eine natürliche Technik zu werden - Homöotechnik statt Allotechnik.“  (Peter Sloterdijk / Hans-Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod, 2001, S. 134-135). Wir haben es demnach heute mit einem Paradigmenwechsel zu tun, einem „Paradigmenwechsel in den Basisideen der Technik. .... Es scheint, daß wir zum ersten Mal an der Schwelle zu einer Form von Technologie stehen, die weit genug entwickelt sein wird, um radikal auf Naturnachahmung umstellen zu können. Das läßt sich an der Gentechnologie zeigen ....“  (Ebd., S. 329). Zwei Seiten der Technik

Heideggers „Lichtung () ist ... nicht ohne ihre technogene Herkunft zu denken. .... Wenn »es« den Menschen »gibt«, dann nur, weil eine Technik ihn aus der Vormenschheit hervorgebracht hat. Sie ist das eigentlich Menschen-Gebende. ... Technik, hat Heidegger doziert, ist eine Weise der Entbergung. Sie holt Ergebnisse ans Licht, die von ihnen selbst her so nicht und nicht zu dieser Zeit an den Tag gekommen wären. .... Auf der Stufe des Satzes »Es gibt Information« verliert das überlieferte Bild von Technik als Heteronomie und Versklavung von Materien und Personen zunehmend seine Plausibilität. Wir werden Zeugen dessen, daß mit den intelligenten Technologien eine nicht-herrische Form von Operativität im Entstehen ist, für die wir den Namen Homöotechnik vorschlagen.“ (Peter Sloterdijk, Nicht gerettet. Versuche nach Heidegger, 2001, S. 224, 225, 227, 228). Heideggers Lichtung

Um zu verstehen, warum wir Menschen einerseits die Technik direkt und andererseits eine nur für Menschen typische Technik („Anthropotechnik“) und somit die Technik nur indirekt „umkreisen“ (spiralförmig), muß man die Entwicklung der Menschen begreifen als Bewegungen auf mindestens zwei Bahnen („M“ + „H“ Abbildungen). Es gibt einerseits die Menschen-Kultur mit ihrer Evolution (+ Geschichte!) als Bahn („M“) und andererseits die zu ihr gehörenden Historienkulturen als Vertreter der schriftlichen Historiographie-Kultur, die aus der Menschen-Kultur durch deren Historisierung herausbewegt und dadurch auf eine eigene Bahn („H“) gelenkt worden ist. Und diese eigene Bahn oder selbständige Geschichte ist eine nur scheinbar selbständig gefundene oder erfundene Geschichte. Wenn z.B. die abendländische Kultur mit Hilfe ihrer Technik (Kulturtechnik des Abendlandes) aus der nur für Menschen so typischen Technik (Kulturtechnik der Menschen-Kultur) namens Anthropotechnik wieder eine nur für die Natur so typische Technik (Kulturtechnik der Natur) machen will, dann erstrebt sie die direkte Herrschaft durch die Technik, die sie von ihrer eigenen Bahn als ihrer scheinbar selbständigen Geschichte ablenkt, wodurch letztendlich sogar die „H“-Bahn verschwinden und nur noch die „M“-Bahn oder sogar keine von beiden übrig bleiben könnte. (Tabelle). Die Technik hat eben auch zwei Seiten: „Homöotechnik“ und „Allotechnik“.

Wenn man die Technik von ihren zwei Seiten Allotechnik und Homöotechnik her denkt, leuchtet einem doch ziemlich schnell ein, warum alle bisherige menschliche Technik kontranatural bzw. allotechnisch war und nicht (oder: noch nicht) natural bzw. homöotechnisch. Prinzipien nämlich, wie Menschen sie bisher erfanden und auch einsetzten, kommen so in der Natur nicht vor. Die menschliche Technik als die Kulturtechnik der Menschen-Kultur war und ist primär eine Allotechnik; erst die abendländische Technik als die Kulturtechnik einer besonders außergewöhnlichen Historienkultur ist allmählich eine Homöotechnik bzw. Naturaltechnik im Sinne der Kulturtechnik der Natur (selbst!) geworden und wird es in Zukunft noch mehr werden - falls kein Unglück passiert. Auch dieses abendländische Unternehmen wird einen Preis dafür zu bezahlen haben. Ob dies das Ende der Abendland-Kultur, das Ende der Historienkulturen oder vielleicht sogar das Ende der Menschen-Kultur sein wird? Ende der Historienkulturen oder sogar das Ende der Menschen-Kultur ?

 

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Anmerkungen:

Peter Sloterdijk / Hans-Jürgen Heinrichs, Von Explosionen und Implosionen, in: dies., Die Sonne und der Tod, 2001, S. 320-332. Sloterdijk

Peter Sloterdijk / Hans-Jürgen Heinrichs, Die Sonne und der Tod - Dialogische Untersuchungen, 2001. Das Buch besteht aus sechs dialogischen Teilen: I) Für eine Philosophie der Überreaktion; II) Die Sonne und der Tod - Die Menschenpark-Rede und ihre Folgem; III) Zur allgemeinen Poetik des Raums - Über „Sphären I“; IV) Ich prophezeie der Philosophie eine andere Vergangenheit - Über „Sphären II“; V) Arbeit am Widerstand; VI) Amphibische Anthropologie und informelle Denken. SloterdijkSloterdijkSloterdijk

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