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Wochenschau Tagesschau
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Spengler Spengler-Zitate Spengler
„NEUBAU DES DEUTSCHEN REICHES“, 1924
(auch in: „Politische Schriften“, 1919-1926)
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„Der Sumpf“ (S. 187-213)
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„Staatsdienst und Persönlichkeit“ (S. 214-227)
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„Die Erziehung: Zucht oder Bildung?“ (S. 227-239)
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„Das Recht als Ergebnis von Pflichten“ (S. 239-249)
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„Die deutsche Währung“ (S. 250-263)
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„Gegen den Steuerbolschewismus“ (S. 263-279)
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„Arbeit und Eigentum“ (S. 279-286)
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„Zur Weltlage“ (S. 286-296)
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NACH OBEN „Der Sumpf“ (S. 187-213):

„Ein Nachwuchs ist soviel wert wie die höchste erreichbare Macht: das ist das Geheimnis Napoleons von dem Marschallstab im Tornister jedes Soldaten. Da die Laufbahn des Abgeordneten - und des politischen Zeitungsleiters - eine Sackgasse geworden war, so sammelten sich in ihr die kleinen Streber, Nörgler, Kannegießer und Rechthaber, alles was ohne eigne Begabung in der Nähe von deutschem Bier wächst. Persönlichkeiten gingen nicht hinein; sie verschwanden in die Industrie und ins Ausland. Die Politik verkümmerte aus Mangel an Begabungen, denn als Gegenwirkung erreichte diese Parteitätigkeit, daß die Regierung alles Diplomatische mit Betonung als interne Verwaltungsaufgabe und deshalb mehr schematisch als taktisch behandelte. Sie arbeitete allein, und man betrachtete diese Arbeit zuletzt fast als die Privatsache ihrer Vertreter. Und infolge davon gab es, da Schule, Parteien und Presse gleichmäßig versagten, in dieser Zeit der herannahenden Entladung überhaupt keine politische Aufklärung mehr.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 191Spengler).

„Was man heute Nationalismus nennt, ist nichts als das Bewußtsein der führenden Schichten aller Völker für die ungeheuren Gefahren der Weltlage, seit der Krieg alle Verhältnisse aufgelockert hat. .... Die verantwortlichen Kreise aller Völker sind auf dem Posten - nur die Narren, Feiglinge und Verbrecher, die bei uns an deren Stelle stehen, glauben oder geben vor zu glauben, daß der Verzicht auf Weltpolitik vor ihren Folgen schütze.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 191Spengler).

„Diese Parteien hielten auch nach 1914 an der liberalen Alleinschätzung der Wirtschaftspolitik und der sozialistischen des Klassenkampfes fest, und da die Regierung Bethmann-Hollweg, schwach und verständnislos wie sie war und darin ganz der französischen von 1789 gleichend, den Parteiklüngel in seiner schon damals sehr fragwürdigen Zusammensetzung reizte statt ihn zu lenken, was einem Minister englischer Schulung leicht geworden wäre, und ihm gleich darauf durch Schmeicheleien seine Unentbehrlichkeit bewies, so wurden die Fraktionen durch den Begeisterungssturm von 1914 zwar zum Schweigen gebracht, aber nicht überzeugt. Die einen wollten diesen mächtigen Staat schwach sehen, die andern wollten ihn gar nicht. »Deutschland soll, das ist unser fester Wille, seine Kriegsflagge für immer streichen, ohne sie das letzte Mal siegreich heimgebracht zu haben«, das war das geheime Ziel der grundsätzlichen Opposition, und als die politisch unerzogene und über die Gefahr getäuschte Masse die Dauer des Krieges mit Angst und Verstimmung zu empfinden begann, gingen sie ans Werk. Der Sturz des Staates in der nebensächlichen Person Bethmanns war der erste, der Stoß in den Rücken der Armee der zweite Schritt.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 192Spengler).

„Und hier offenbarte sich nun, was für ein Material die Regierung in den Parteien herangezüchtet hatte. Während man den Feinden die ganze Schwäche der Lage offenbarte, durch das beklommene oder ideologische Friedensgeschwätz in Parlament und Presse und die Erhebung des Ministerstürzens zum täglichen Sport, und während man aus dem Staatsbau einen Block nach dem andern herausbrach und das letzte Unglück wie eine düstere Wolke sich immer schwerer über Deutschland senkte, beginnt das Vollstopfen der hohen Ämter und der oft genug zu diesem Zweck gegründeten Kriegsgesellschaften mit Parteifreunden und Vertrauenspersonen, die man vom Frontdienst befreit oder mit einträglichen Lieferungen versieht; die Außenpolitik wird eine nicht weniger einträgliche Unternehmung von Privatpersonen auf eigene Faust, wie die Vorgeschichte der östlichen Friedensschlüsse eines Tages lehren wird, und je weiter die Macht des Parteiklüngels wuchs, seit er jede Regierung kommandieren und jeden Posten vergeben konnte, desto mehr schwoll der Anhang zweifelhaftester Elemente, die politischen Einfluß oder auch gleich das Geschäft selbst haben wollten.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 192-193Spengler).

„Darüber brach das Volk seelisch zusammen, der Staat löste sich von oben herab auf, das Heer verlor den sittlichen Halt, was am 8. August 1918 bei Cambrai zum ersten Mal erschreckend zutage trat, und es erfolgte der in der Geschichte bis dahin unerhörte Schritt von ehrfurchtgebietender Größe in allem, was Geist, Leistung, Höhe des Wollens und Fühlens betraf, zum Gemeinen und Gemeinsten – und über den Trümmern der deutschen Weltmacht, über zwei Millionen Leichen umsonst gefallener Helden, über dem in Elend und Seelenqual vergehenden Volke wird nun in Weimar mit lächelndem Behagen die Diktatur des Parteiklüngels aufgerichtet, derselben Gemeinschaft beschränktester und schmutzigster Interessen, welche seit 1917 unsere Stellung untergraben und jede Art von Verrat begangen hatte, vom Sturz fähiger Leute ihrer Leistungen wegen bis zu eignen Leistungen im Einverständnis mit Northcliffe, mit Trotzki, selbst mit Clémenceau. Es war die letzte Wiederholung des Reichstagsbeschlusses vom 23. März 1895, dem Gründer des Reiches den Glückwunsch zu versagen. Diese Genossenschaft, die 1919 nicht gewählt wurde, sondern sich wählen ließ, war in nichts verschieden von den Bolschewisten in Moskau, wenn nicht in der Erbärmlichkeit des Wollens und Handelns: ebensowenig zahlreich, ebenso entschlossen obenauf zu bleiben, ebensowenig geneigt irgend etwas wieder aus den Händen zu lassen; aber dort, um ein trotz allem groß gedachtes Weltziel zu erreichen und mit furchtbarer Energie durch Ströme von Blut ihm entgegen zu waten; hier, um die Erbschaft in Sicherheit zu bringen und dafür dem Feinde jede Erlaubnis um jeden Preis abzukaufen. Nachdem sich die Helden der Koalition vor dem Einsturz in alle Winkel geflüchtet hatten, kamen sie mit plötzlichem Eifer wieder hervor, als sie die Spartakisten allein über der Beute sahen. Aus der Angst um den Beuteanteil entstand auf dem großherzoglichen Samtsesseln und in den Kneipen von Weimar die deutsche Republik, keine Staatsform, sondern eine Firma. In ihren Satzungen ist nicht vom Volk die Rede, sondern von Parteien; nicht von Macht, von Ehre und Größe, sondern von Parteien. Wir haben kein Vaterland mehr, sondern Parteien; keine Rechte, sondern Parteien; kein Ziel, keine Zukunft mehr, sondern Interessen von Parteien. Und diese Parteien – noch einmal: keine Volksteile, sondern Erwerbsgesellschaften mit einem bezahlten Beamtenapparat, die sich zu amerikanischen Parteien verhielten wie ein Trödelgeschäft zu einem Warenhaus – entschlossen sich dem Feinde alles was er wünschte auszuliefern, jede Forderung zu unterschreiben, den Mut zu immer weitergehenden Ansprüchen in ihm aufzuwecken, nur um im Innern ihren eigenen Zielen nachgehen zu können. Sie waren entschlossen, jeden Grundsatz, jede Idee, jeden Paragraphen der eben beschworenen Verfassung für ein Linsengericht von Ministersitzen preiszugeben. Sie hatten diese Verfassung für sich und ihre Gefolgschaft gemacht, nicht für die Nation, und sie begannen vom Waffenstillstand bis zur Ruhrkapitulation eine schmachvolle Wirtschaft mit allem, woraus Vorteil zu ziehen war, mit den Trümmern des Staates, mit den Resten unseres Wohlstandes, mit unserer Ehre, unserer Seele, unserer Willenskraft. In Weimar betranken sich die bekanntesten Helden dieses Possenspiels an dem Tage, wo in Versailles unterzeichnet wurde, und es geschah nicht viel später, daß mit großen Ämtern ausgestattete Führer des Proletariats sich in einer Berliner Schiebervilla mit Nackttänzerinnen betranken, während Arbeiterdeputationen vor der Tür warteten. Das ist kein Zwischenfall, sondern ein Symbol.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 193-194Spengler).

„Es ist vollkommen richtig, daß die alt und satt gewordene Demokratie auf der ganzen Welt diese Bahnen geht.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 195-196Spengler).

„Die nichtproduktive Wirtschaft, von der eigentlichen Hochfinanz bis zu den Konzernen mit Halb- und Scheinindustrie, bei denen das Handelsgeschäft, unter Umständen die bloße Valutaspekulation, durch Beteiligung an der Produktion nur verdeckt wurde, begriff dagegen sehr bald die Vorteile der neuen Lage. Seit die Politik ein Geschäft geworden war, bekamen die Geschäfte politische Bedeutung. ... Hochfinanz .... Diese Kreise traten in engste Verbindung mit dem Teil des regierenden Parteiklüngels, der ihren Überlegungen zu folgen vermochte, und sie haben es ausgezeichnet verstanden, durch ihre Trabanten in den Parteien und der demokratischen Presse diese Interessengemeinschaft durch die der öffentlichen Meinung eingepflanzte Legende zu decken, daß im Gegenteil Industrie und Landwirtschaft einen beständigen Druck auf die Regierung ausübten. Die Folgen traten in der gesamten Wirtschafts- und Steuerpolitik immer ernster hervor; der Ertrag des unbeweglichen Teils des deutschen Volksvermögens wurde langsam geopfert, um den Fortbestand der Erträge aus den beweglichen und nicht an die Landesgrenzen gebundenen Vermögen zu sichern.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 195-196Spengler).

„Das deutsche Abgeordnetenmaterial war schon vor dem Kriege weniger als mittelmäßig, da es keine wirkliche Aufgabe vorfand, aber es war bei aller Urteilslosigkeit ehrlich. Jetzt waren die Aufgaben da, aber sie bestanden, wie es zum innersten Wesen des Zusammenbruchs gehört, in privaten Vorteilen, angefangen von dem Besitz einer Bahnfreikarte, die in den Zeiten der Markentwertung die schönsten geschäftlichen Beziehungen erschloß, bis hinauf zum Ministersessel, und diese Aussichten zogen ganz andere Geister an. »Die Politik ist die Fortsetzung der Privatgeschäfte mit anderen Mitteln« sollte als Wahlspruch über dieser Demokratie allerneuesten Gepräges stehen. Wenn selbst diesen Geschäften die Größe fehlte - Ausnahmen wie billig abgerechnet -, so hat der gute Wille doch nie gefehlt.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 196Spengler).

„Jede Staatskunst und jeder gesunde Volksinstinkt nimmt Begabungen, wo er sie findet, die Franzosen in Napoleon einen Italiener, die englischen Konservativen in Disraeli einen Juden, der russische Adel und Klerus in Katharina II. eine Deutsche. Und in keinem politisch erzogenen Volk der Welt geht man davon aus, obwohl die Engländer und Amerikaner in Rassefragen sicher leidenschaftlicher fühlen als die meisten Deutschen. Dies und die kindlichen wirtschaftlichen Ansichten und Utopien sind so verzweifelt deutsch im übelsten Sinne, so michelhaft und provinzial, und schneiden die völkische Bewegung und damit die in ihr ruhende gewaltige Stoßkraft so vollkommen von allem ab, was durch Begabung, Erfahrung, Macht und Beziehungen politisch und wirtschaftlich ernst zu nehmen ist, daß diese Bewegung bestimmt zu sein scheint, den Boden aufzuwühlen, aber nur um einer gefährlichen Gegenströmung Platz zu machen. (Spengler). Man wird sagen, daß sie wenigstens als Pflugschar einer größeren Zukunft zählt, aber die jeunesse dorée hat nicht einmal das geleistet. Sie hat das Jakobinertum noch einmal lebensfähig gemacht und sonst nichts. Die Revolution ist erst durch Napoleon endgültig überwunden worden.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 203Spengler).

„Die Weltwirtschaft hat ihre Formen und Mittel, als Ergebnis ihrer Entwicklung, und Deutschland ist gezwungen, in ihrem Rahmen zu arbeiten oder überhaupt nicht zu arbeiten. In Rußland hat der Versuch, sich über diese Tatsache hinwegzusetzen, dreißig Millionen Menschen das Leben gekostet mit dem Erfolg, daß man nun wieder den Weg rückwärts sucht, um wenigstens das Dasein von Wilden führen zu können. Aber Rußland versorgt sich selbst. In Deutschland, das auf Import, Export und Kredit angewiesen ist, würde der geringste Versuch, die bestehenden Formen der Kreditverzinsung zu erschüttern oder die bestehenden Finanzmächte nicht als Mächte zu behandeln, zu einer Katastrophe führen, die uns in einigen Wochen in dieselbe Lage bringt. Es kommt in der Wirtschaft, worüber sich selbst Kenner manchmal täuschen, viel weniger auf die »Richtigkeit« von Ansichten und die Vorzüge neuer Methoden an als auf das, was die führenden Wirtschaftsgrößen der Welt als ihre Methode anwenden wollen. Die bessere Einsicht von Theoretikern spielt gar keine Rolle, und ebenso kommt es in der hohen Politik nicht auf Langschädel an, sondern auf das, was darin ist.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 203-204Spengler).

„In Deutschland, das auf Import, Export und Kredit angewiesen ist, würde der geringste Versuch, die bestehenden Formen der Kreditverzinsung zu erschüttern oder die bestehenden Finanzmächte nicht als Mächte zu behandeln, zu einer Katastrophe führen .... Es kommt in der Wirtschaft, worüber sich selbst Kenner manchmal täuschen, viel weniger auf die »Richtigkeit« von Ansichten und die Vorzüge neuer Methoden an als auf das, was die fürhrenden Wirtschaftsgrößen der Welt als ihre Methode anwenden wollen. Die bessere Einsicht von Theoretikern spielt gar keine Rolle, und ebenso kommt es in der hohen Politik nicht auf Langschädel an, sondern auf das, was darin ist.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 204Spengler).

„Nicht von Rechten oder Verfassungen, nicht von Idealen und Programmen, nicht einmal von sittlichen Grundsätzen oder Rassetrieben hängt das Schicksal eines Volkes ab, sondern zunächst und vor allem von den Fähigkeiten der regierenden Minderheit. Wir müssen solche Fähigkeiten züchten oder zugrunde gehen, und wir brauchen politische Formen, die züchtend wirken, so wie der Generalstab des alten Heeres Feldherrn und der römische senat Staatsmänner gezüchtet hat. Alles andere ist vorhanden oder Nebensache. Die Kunst des Regierens ist nicht das erste, sondern das einzige Problem der großen Politik. Alles andere folgt aus ihr. Diese Kunst hat die Weltgeschichte gemacht. Sie hat winzige Völker auf die Höhe der Entscheidungen gehoben und große vernichtet. Ein Prinzip zu haben, unter dessen Wirkung die gebornen Führer dorthin kommen, wo man sie braucht; eine politische Erziehung, welche die zugehörigen Anlagen weckt, schult, heraustreibt, die entgegengesetzten niederhält; eine Tradition herausbilden, welche alles dies fast unbemerkt und in Vollendung leistet – das ist der Sinn jeder Verfassung, in der sich ein Volk befindet, ob sie nun von einem Herrscher gegeben oder von einer Versammlung beschlossen ist, ob sie in Paragraphen oder Gewohnheiten besteht.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 205-206Spengler).

„Wenn in der großen Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert die »Fürstenfreiheit« durch Völkerfreiheit ersetzt werden sollte, so konnte ein Sinn nur darin liegen, wenn die Auslese der Regierenden besser, deren Methoden erfolgreicher, ihre Leistungen größer wurden. Die Probe hatte das vorige Jahrhundert zu liefern und es hat das Urteil über die demokratische Methode gefällt. Die Wende zum 20. Jahrhundert ist bezeichnet durch die notgedrungene, für den Fortbestand der großen Nationen nicht mehr aufschiebbare Überwindung der europäisch-amerikanischen Demokratie oder vielmehr dessen, was sie als Verwirklichung ihrer Idee hervorgebracht hat: Herrschaft der Hochfinanz, Nepotenwirtschaft der Parteien statt Souveränität des Volkes, dessen Entmündigung durch Wahlorganisation, Bezahlung der Wahlen und Gewählten und Kauf der Presse, eine Entwicklung, die nur dort nicht zum Unsinn führte, wo eine alte Aristokratie unter Benutzung der neuen Formen im Amte blieb wie in England. Das englische Unterhaus war das einzige Parlament der Welt, wo es etwas zu lernen gab, aber gerade das läßt sich nicht nachahmen. Uns Deutschen haben hundert Jahre gefehlt, uns in diesen Formen bewegen zu lernen, als sie zeitgemäß waren. Jetzt ist es zu spät. Wir bringen es nur noch zur Karikatur des Parlamentarismus und ohne den geringsten Zweck. Wir sind durch unsere ganze Vergangenheit, durch unsere Rasse und unsere Lage ein monarchisches Volk, das heißt auf eine Regierung angewiesen, die wir mit Vertrauen und Vollmacht schalten lassen, möge der Regent nun Kaiser oder Kanzler heißen, so wie die Engländer geborne Republikaner sind seit der Diktatur ihres Normannenadels, mögen sie den Bau ihrer Gesellschaft mit einer königlichen Spitze verzieren oder nicht.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 206-207Spengler).

„Das parlamentarische Zeitalter ist unwiderruflich zu Ende. Seine Formen leisten nichts mehr, sie belasten uns nur.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 207Spengler).

„Deutschland ist an staatsmännischen und organisatorischen Begabungen wahrscheinlich reicher als irgendein Land der Welt. Wo die Probe darauf gemacht wurde wie in der Ausbildung des Priesterstandes durch die Kirche, des Offizierkorps durch den Generalstab, des deutschen Kaufmanns und Technikers durch hanseatischen Handel und rheinische Industrie, da war das Ergebnis immer dem entsprechenden im Ausland überlegen. Aber auf politischem Gebiet war es bis jetzt ein Verhängnis, daß die einen ihre Kräfte nicht kennen, die andern sich angeekelt zurückhalten, die dritten vom Parteiklüngel vorzeitig verbraucht werden. Wir haben keine gewachsenen Formen der politischen Auslese und Erziehung.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 208Spengler).

„Dabei darf man keinen Augenblick vergessen, daß das beste aller Formen im Ungeschriebenen steckt, und das Geschriebene danach einrichten. Wer alles festlegen will, wie es der Tendenz revolutionärer Versammlungen entspricht, erreicht nur, daß die Praxis sehr bald neben der Verfassung herläuft.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 209Spengler).

„Ich wiederhole, ein Volk hat nur ein Recht: gut regiert zu werden, und da es als Masse ohne Erfahrung und Überblick das nicht selbst übernehmen kann, so müssen es Einzelne tun und diese müssen richtig ausgesucht und angesetzt werden. Das ist das ganze Geheimnis aller gut regierten Staaten, und alle mit Überlegung ausgearbeiteten Verfassungen können nur sichern – oder verhindern –, was in primitiven Zeiten mit rascher Anwendung von Gewalt ganz von selbst geschieht. Voraussetzung ist die Einsicht, daß die parlamentarischen Formen aus dem vorigen Jahrhundert veraltet und für immer verdorben sind, vor allem auch deshalb, weil die großen beweglichen Vermögen in ein Souveränitätsverhältnis zur Parteipolitik getreten sind, was sich 1789 nicht voraussehen ließ, und weil sich allenthalben fest organisierte Gruppen mit eigenen Interessen gebildet haben, die ausgeschaltet werden müssen, wenn die Regierung eines Gesamtvolkes ihren Sinn behalten soll. Die Entscheidung liegt wie immer im Zufall der Heraufkunft großer Persönlichkeiten, aber die lebendige Form des Regierens muß wenigstens dem Zweck entsprechen. Sie ist gewissermaßen der Ausgleich zwischen den Aufgaben der Zeit und dem verfügbaren Material von Begabungen. Sie muß so biegsam sein, daß bedeutende Männer zur vollen Auswirkung ihres Könnens gelangen, aber mit der Grenze, daß sich zugleich ein leistungsfähiger Durchschnitt bildet, welcher den Gang der Geschäfte trägt und nicht völlig von jenem Zufall abhängig macht. Ein Übergewicht nach jener Seite bedeutet Mangel an Stetigkeit, nach dieser die Gefahr des engen Horizonts und des starren Schematismus. Dabei darf man keinen Augenblick vergessen, daß das beste aller Formen im Ungeschriebenen steckt, und das Geschriebene danach einrichten. Wer alles festlegen will, wie es der Tendenz revolutionärer Versammlungen entspricht, erreicht nur, daß die Praxis sehr bald neben der Verfassung herläuft.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 209Spengler).

„Die Formen, welche sich erstens aus der Zeit, dann aus der gefährlichen geographischen und der durch den Weltkrieg geschaffenen politischen Lage Deutschlands – der äußeren und inneren – und endlich aus dem deutschen Volkscharakter ergeben, dessen Eigenschaften für diese Aufgabe teilweise günstig, in der Regel ungünstig sind, wären für die nächste Zukunft etwa folgende: Eine außerordentliche Stärkung der Regierungsgewalt mit hoher Verantwortlichkeit, die nicht wie bis jetzt in Gestalt täglicher Parlamentsverhandlungen auf der Gesetzgebung und Ausführung lastet. Es ist heute richtiger, wenn in bestimmten Abständen ein umfassender Rechenschaftsbericht gegeben und angenommen oder abgelehnt wird. Nicht Absichten sondern Ergebnisse sollten der Kritik unterliegen. Das gehört zum Begriff des in einer Vollmacht enthaltenen Vertrauens. Das gehört zum Begriff des in einer Vollmacht enthaltenen Vertrauens. Die fortlaufende Zensur wird heute schon durch die Presse gesichert; ihre Wiederholung in einem Parlament ist völlig überflüssig geworden und veranlaßt nur das Aufkommen von Privatzwecken der Eitelkeit oder des Geschäfts. Der Kanzler hat die Vollmacht, für sich als Generalstab ein Ministerium nach eigener Wahl zu bilden, mit völliger Freiheit in der Zahl, Zusammensetzung und Organisation der großen Ämter und des gesamten Regierungsapparates. Ebenso sollte diese Vollmacht in Personal- und Organisationsfragen von ihm auf die sehr selbständig arbeitenden Leiter der führenden Ämter von Fall zu Fall übertragen werden. Die Minister sind allein ihm und er allein für die Minister verantwortlich. Der Kanzler sollte ferner nach freiem Ermessen einen Staatsrat berufen, in dem das Beste an Begabung und Erfahrung auf allen einzelnen Gebieten der Politik und Wirtschaft versammelt ist. Dieser private Rat beschließt nicht, sondern bespricht und schlägt vor; er könnte zuweilen in Abteilungen für die einzelnen Aufgaben tagen, in öffentlichen oder vertraulichen Sitzungen. Richtig verwendet, würde er eine hohe Schule für junge Talente werden, die hier einen praktischen Einblick in die Probleme und Methoden erhalten und durch besondere Aufträge geprüft und erzogen werden. Die Berufung beruht durchaus auf persönlichem Vertrauen und kann dauernd, für besondere Gebiete oder einzelne Fälle erfolgen. Neben diesem geheimen und privaten Rat, der mit »Verfassung« im üblichen Sinne nichts zu tun hat, steht als Ausdruck der Volksmeinung ein aus allgemeinen Wahlen hervorgegangener Reichstag, der zweimal jährlich zu kurzen Sitzungen zusammentritt, als Aufsichtsrat die Vollmacht erteilt, den Rechenschaftsbericht entgegennimmt, Kritik übt, den Haushalt und die Gesetze, so viel als möglich als Ganzes, in namentlicher Abstimmung anerkennt oder verwirft – und die Verantwortung dafür in einer feierlichen Erklärung dem Volk gegenüber auf sich nimmt. Denn für die Folgen sollte in Zukunft ein Reichstag dem durch Neuwahlen gebildeten neuen haftbar sein, Mann für Mann. In den Wahlen kommt doch auch die Kritik eines Volkes an seinen Beauftragten zum Ausdruck. Es ist unlogisch und widerspricht dem Begriff der Volksvertretung, daß zwar die Regierung dieser, aber diese nicht dem Volke für die Folgen ihres Verhaltens verantwortlich sein soll. Aber da alle heutigen Verfassungen von den Parlamenten selbst gemacht worden sind, so haben diese jede Haftung von sich abgeschoben. Die Regierung muß jederzeit das Recht haben, durch Wahlen das Volk zum Urteil über seine Vertreter aufzufordern. Die Tagung sollte nicht verlängert werden dürfen, abgesehen davon, daß der Kanzler besondere Tagungen mit begrenzten Aufgaben berufen kann. Die Sitzungen sind als Ausdruck der Volkshoheit mit Würde und Feierlichkeit zu umgeben. Haltung, Kleidung und Ausdrucksweise sind nicht Nebensache. Eine Versammlung, die sich äußerlich gehen läßt, wird innerlich würdelos. Pöbelhaftes Auftreten, das sich heute überall einbürgert, sollte als Beleidigung des vornehmsten Organs der Nation mit tageweisem Ausschluß, Mandatsverlust und unter Umständen Verbot der Wiederwahl bestraft werden, und zwar von einem höchsten Gerichtshof. Die Kopfzahl der heutigen Parlamente ist infolge der laienhaften Begriffe von 1789 viel zu groß. Das Stimmvieh der Abgeordneten erschwert überall die Arbeit, welche die wenigen Fähigen doch allein machen, und führt außerdem dazu, daß für das Hineindrängen zweifelhafter Leute mit Privatabsichten eine bequeme Gelegenheit geschaffen wird. 150 Sitze sind für Deutschland mehr als ausreichend. Auch dann wird die Hälfte nur ja und nein sagen, so wie es die Führer unter sich beschlossen haben. Aber es sollte zur guten Sitte werden, Sachverständige mit dieser Sendung zu beauftragen, also von dem einzelnen Abgeordneten eine Art Befähigungsnachweis zu verlangen, und nicht die Schreier, Trommler und Pfeifer der Organisationen. Und außerdem würde ich vorschlagen, daß fünf Vertreter der Deutschen im Ausland dabei sind, denn dem Reichstag fehlte bisher der Horizont und die richtige Kenntnis und Einschätzung der auswärtigen Wirtschafts- und Machtverhältnisse, die für uns eine Lebensfrage sind. Um den deutschen Parteihader zu überwinden und die Bildung urteilsfähiger Gruppen zu erreichen, müßte es die Wahlordnung unmöglich machen, daß mehr als vier Parteien und solche von weniger als einem Zehntel der Bevölkerung Abgeordnete erhalten. Außerdem ist ein glänzender Gedanke Mussolinis zu verwenden, der übrigens auch in der bayerischen Wahlordnung angedeutet ist und dem die Zukunft gehört: Die beiden stärksten Gruppen – oder die stärkste? – haben zu 100 gewählten Abgeordneten 50 im Verhältnis ihrer Stärke zu ernennen, und zwar sollte es zur Gewohnheit werden, hierfür die besten Leute außerhalb des eigentlichen Parteilebens zu gewinnen, die Deutschland besitzt, und die sich nur zu verpflichten brauchten, mit der Gruppe zu arbeiten oder auf den Sitz zu verzichten, wenn sich das nicht mehr mit ihrer Überzeugung verträgt. Diese Mitglieder können also jederzeit gewechselt werden; daneben hätte sich jeder Abgeordnete einen Stellvertreter zu wählen, den die Partei genehmigen muß und für den der Abgeordnete haftet. Um die in allen heutigen Parlamenten herrschende Korruption zu überwinden, sollte ehrloses geschäftliches Verhalten oder die Verurteilung wegen gemeiner Vergehen sofort und für immer von der Wählbarkeit ausschließen. Ein Volk kann auf die Ehrenhaftigkeit seiner Vertreter Anspruch erheben. Die Würde der Aufgabe fordert es, daß jeder zu Wählende seine persönliche und geschäftliche Reinheit durch Ehrenwort verbürgt. Wer für eine politische Tätigkeit im Dienste von Parteien oder Organisationen politischen Charakters Bezahlung erhalten hat, ist erst in einemAbstand von drei Jahren wählbar. Das ist notwendig, weil die Geschäftspolitik, wie die Gegenwart überall beweist, das Verständnis dafür vernichtet hat, daß der Abgeordnete der Nation und nicht der bezahlenden Partei verpflichtet ist. Endlich haben die Abgeordneten sich am Anfang der Tagung eidlich zu verpflichten, ihre Stellung als Vertreter des Volkes zu keinerlei geschäftlichem Vorteil zu benützen, und am letzten Tage einen feierlichen und öffentlichen Rechenschaftseid abzulegen, daß sie aus ihrer Stellung keinen persönlichen Vorteil gezogen haben. Wer diesen Eid nicht leisten kann, ist nicht mehr wählbar.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 209-213Spengler).

„Zum Schlüsse muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Höhe des englischen Parlamentarismus auch darauf beruht, daß der Form nach der König die Wahl des Premiers vollzieht. Es gab also eine Stelle, welche über allen Parteien und geschäftlichen Interessen stand, weil sie durch geschichtliche und dynastische Tradition die Ehre und Größe der Nation zu vertreten hatte und nichts als dies. Wenn der tatsächliche Einfluß auch nur in der Genehmigung des Vorschlags bestand, den der Führer der stärksten Partei über die Besetzung des höchsten Amtes zu machen hatte, so genügte das, um Begabung und Ehrenhaftigkeit zur selbstverständlichen Voraussetzung dieses Vorschlags zu erheben. Dieser sittliche Halt fehlt in Staaten, wo die Parteien die Wahl untereinander verhandeln und beschließen und niemandem verantwortlich sind als sich selbst. Die Deutschen sind ein monarchisches Volk, durch ihren altgermanischen Zug der Gefolgstreue und Unterordnung unter den innerlich anerkannten Führer. Sie sind es, weil ihre Wohnsitze in Mitteleuropa sie zur Zusammenfassung in einen starken Staat zwangen, wenn sie nicht die Opfer aller Nachbarn sein wollten. In späten Zeiten ändern sich solche Gefühle nicht mehr, wenn sie sich jemals ändern können, und eines Tages, wenn wieder etwas Sonne auf unser Dasein fällt, wird die schlafende Sehnsucht nach dieser symbolischen Krönung des Staates ihre Erfüllung suchen und finden. Dann erst ist die hier angedeutete Form zu vollenden; alle vorläufigen Lösungen haben etwas Unvollendetes darin, daß die Auswahl des Leiters der Regierungsgeschäfte nicht der Zensur unterliegt, die sich allein von geschichtlichen Aufgaben leiten läßt“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 213-214Spengler).

NACH OBEN „Staatsdienst und Persönlichkeit“ (S. 214-227):

„Ein Volk ist das, was man aus ihm macht. Für sich allein ist jedes Volk unfähig die Bedingungen zu erfüllen, welche die Weltlage seit Jahrhunderten stellt, wenn es sich durchsetzen oder auch nur behaupten will. Sein Schicksal hängt aber nicht von Ansichten ab, sondern von Menschen, also nicht von Theorien oder Beschlüssen darüber, wie dies oder jenes sein soll, sondern von Persönlichkeiten, die das tun und tun können, was getan werden muß. Ein leitender Typus ist notwendig, der die schöpferischen Eigenschaften des Volkes im Hinblick auf seine geschichtliche Lage zusammenfaßt und herausbildet.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 214Spengler).

„Die englischen Erfolge seit Cromwell beruhen im tiefsten Grunde nicht auf dem Hervortreten ganz großer Staatsmänner - sie sind doch ziemlich selten - sondern darauf, daß seit Zerstörung des old merry England durch den Puritanismus eine dauerhafte Schicht von sehr gleichförmiger Lebensauffassung und weniger glänzenden als praktisch wirksamen Eigenschaften entstanden ist, welche mit den führenden Männern kaum bewußt die Triebe und Ziele teilt. Ohne jene Schicht hätten diese nichts erreicht und mit ihr konnte England auch ohne geniale Führer jahrzehntelang fortbestehen. Der Puritanismus, welcher dem Einzelnen die sittliche Rechtfertigung vor sich selbst zuschiebt und ihm damit das großartige Sicherheitsgefühl gibt, daß das, was er will, das Richtige sein muß, weil Gott ihm sonst diesen Willen nicht eingegeben hätte; die kaufmännische Wirtschaftsgesinnung, welche dem Einzelnen völlig freie Bahn läßt, ihn dafür aber auch nicht stützt, wenn er versagt; endlich und nicht zum wenigsten der Sport, der im Gegensatz zu den unpersönlichen Turnidealen Jahns den Sieg von der persönlichen Energie des Einzelnen abhängig macht, haben einen Menschentypus gezüchtet, dessen Zähigkeit bis jetzt wenigstens jeder Gefahr gewachsen war. In Frankreich ist der das ganze Volk zusammenfassende Typus nicht von Ludwig XIV. oder gar der Revolution, sondern von Napoleon geschaffen worden; der Franzose des 19. Jahrhunderts ist gegenüber dem des ancien régime ein neuer Mensch .... Züchten in diesem Sinne kann nur ein gewaltiges Erlebnis oder eine große Persönlichkeit.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 214-215Spengler).

„Wir besitzen ein sehr begabtes und bildungsfähiges Menschenmaterial. Wo jemand Zugriff, wie außer Friedrich Wilhelm und Moltke die Kirche in der Ausbildung ihres Priesterstandes oder Bebel bei der Organisation seiner Partei oder auch die Technik in ihren Industrien und Laboratorien, war das Ergebnis jedesmal außerordentlich.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 216Spengler).

„Bismarck dagegen ließ Regierung und Verwaltung, wie sie waren, und richtete nur sein eignes Amt für seine Arbeitsweise ein. Er hatte wie Napoleon und auch die Führer der heutigen deutschen Industrie das Bedürfnis, im Grunde alles selbst zu tun und sich nur mit Gehilfen zu umgeben, also Taten, nicht Menschen für künftige Taten zu schaffen.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 217Spengler).

„Die ganz ungeheure Bedeutung der Erziehung des Beamtenstandes liegt in der Tatsache, daß fast ein Sechstel der Bevölkerung irgendwie dazu gehört, daß er allgemein geachtet, beneidet und nachgeahmt wird, so daß seine bewußte Ausbildung der des ganzen Volkes gleichkommt und vielleicht wirksamer ist als die der Schule, weil sie nicht das Wissen und Denken, sondern das Tun und Sichverhalten formt.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 218Spengler).

„Der größte Vorzug dieser Beamtenschaft alten Schlages lag in ihrer sittlichen Größe. In allen Ländern sonst ist Staatsdienst ein Beruf, ein Erwerb wie jeder andre. In Preußen bildet der Beamte seit Friedrich Wilhelm I. einen Stand wie der Offizier und Richter. Seine Ehre ist nicht Berufs- oder bürgerliche sondern Standesehre. Das Ehrgefühl haftet nicht an der Arbeit wie in den alten Zünften, sondern an der Tatsache des Dienstes, des Dienens im germanischen Sinne einer stolzen Unterordnung. Der Beamte verkörpert in sich die Staatshoheit. Daraus ergeben sich stillschweigend seine Pflichten und Rechte, angefangen von der strengen äußeren Haltung und Führung bis in die kleinsten Züge des Gewissens und Privatlebens hinein und endend bei der schweigenden Aufopferung für eine Sache, der das Leben geweiht ist. Das alles war in einem erstaunlichen Maße verwirklicht worden und unterschied sich mit seinem »Dennoch!« in den härtesten Lagen sehr wesentlich vom Typus heutiger Minister, die sich ihre Privatstellung offenhalten lassen, mit einem »Dann eben nicht« im Augenblick der Gefahr. Es ist das Römische im Preußentum und gleicht dem Geist jenes Soldaten, der beim Vesuvausbruch am Stadttor von Pompeji auf seinem Posten starb.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 218-219Spengler).

„Aber ohne eine sittliche Idee ist der deutsche Beamte auch in Zukunft nicht denkbar, wenn er nicht zum bloßen Geldverdiener herabsinken soll.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 219Spengler).

„Ohne den Beamten als Stand ist das deutsche Volk nicht denkbar, weder als Rasse noch in seiner gefährlichen Lage.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 219-220Spengler).

„ Aus den Bedingungen des 20. Jahrhunderts muß wieder eine Idee des Staatsdienstes entwickelt werden, ein sittliches Standesgefühl, das den Staat in Zukunft zu tragen fähig ist. Wenn man auch weiß, daß ein Mann wie Friedrich Wilhelm oder Moltke dazu gehört, um gewollte Formen lebendig zu machen, Gedanken in Menschen zu verwandeln, so muß doch ein Ziel wenigstens gezeigt werden, und viele müssen es sehen.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 220Spengler).

„Für diesen Neubau aber hat sich in aller Stille schon ein neuer deutscher Typus gebildet, der mit dem Sport der letzten Jahrzehnte und dem langsamen geistigen Übergewicht industrieller und kaufmännischer Stellen über die staatlichen aufkam, das Beste, was die Zeit des wirtschaftlichen Aufstiegs nach Bismarck an lebendigem Material hervorgebracht hat. Es hat in den jungen Freiwilligen von 1914 den ersten prachtvollen Ausdruck gefunden. Diese »fixen Jungen«, um eine Bezeichnung zu gebrauchen, sind unsere Zukunft, als Charakter, als angelegter Typus, als Möglichkeit, wenn jemand versteht etwas daraus zu machen. Sehr selbständig, Durchgänger, von praktischem Griff, rasch entschlossen, gern mit Verantwortung beladen und allein auf einen Posten gestellt, zu intelligentem Gehorsam bereit, dessen Zweck sie mit einem Blick übersehen, zur Zusammenarbeit fähig nicht durch das Schema einer Dienstverordnung, sondern durch ein instinktives Gefühl dafür, was jetzt kommen muß, sind sie eine Generation, die etwas verspricht. Man findet sie nicht in philosophischen Seminaren und nicht im Literatur- oder Kunstbetrieb. Weltanschauung ist für sie kein Problem und keine Unterhaltung. Sie sind in Masse an der Front gefallen, aber sie wachsen nach, und für dieses jüngste Deutschland möchte ich wohl ein Bild zeichnen, wie ich mir die Staatsverwaltung mit ihnen und durch sie vorstelle, so wie sie sind, klug, stolz, persönlich und innerlich frei, Träger eines deutschen Ethos aus altgermanischer Zeit, das erst jetzt wieder aufgewacht ist als bestes Erbe aus den Jahren des Reichsaufstieges..“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 222Spengler).

„Die Züchtung des Beamtenmaterials muß für führende und ausführende Stellen grundverschieden sein. Die Grenze zwischen Ober- und Unterschicht darf nicht wie heute durch Gymnasialbildung hergestellt oder durch automatisches Aufrücken verwischt werden. Es gibt oben ganz andere Aufgaben, andere Eigenschaften, andere Ziele.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 224Spengler).

„Die Eigenschaften der Unterschicht können nicht richtiger bestimmt werden, als sie Friedrich Wilhelm I. bei der Schöpfung seines Beamtenstandes unbewußt empfand. Eine vorbildliche Haltung der Vorgesetzten, vorbildlicher Geist der Ämter; Pflege des Ehrgeizes durch Lob und Tadel, Auszeichnung durch Aufträge, intelligente Disziplin, geistige Selbständigkeit, innerliche Freiheit. Die äußere Haltung ist nicht Nebensache. .... Sauberkeit, Pünktlichkeit, Strammheit im Dienst. Auf die Dienstuniform sollte man nicht eitel, sondern stolz sein. Sie betont das Standesgefühl, das Selbstverständliche hervorragender Leistungen und gewissenhaftester Pflichterfüllung. Auch Titel sind nicht Nebensache, aber sie sollten sparsam, als Auszeichnung verliehen werden, ein Leben voller Arbeit und Erfolge herausheben. Titel, die jeder ersitzen kann, wie unsere zwölf Dutzend klangvollen Bezeichnungen für den Unterschied der Stühle im Amtszimmer, sind lächerlich. Endlich Auszeichnung durch Studienreisen, schon früh, auch ins Ausland, Entsendung zu Kongressen, zur Unterstützung sehr hoher Chefs. Und zuletzt: Pflege des Sports in der Beamtenschaft, ganz offiziell; frische Luft, Gesundheit, »Schneid«, Stolz auf körperliche Kraft und Geschicklichkeit. Der Aktenstaub auf der Seele muß einmal eine unwahrscheinliche Legende geworden sein. Die Beamtenschaft soll innerlich jung bleiben.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 224Spengler).

„Das Ziel der Züchtung ist hier eine Schicht von Befehlshabern ersten Ranges. Die Führereigenschaften müssen durch den Gang der Geschäfte und die große persönliche Freiheit entdeckt, entwickelt, bis zur Vollendung herausgebildet werden. Das Standesgefühl ist hier Distanzgefühl, ein hohes Bewußtsein geistiger und geschäftlicher Überlegenheit. Zum Staat, wie wir ihn brauchen, gehört eine Beamtenaristokratie, die heute nicht mehr auf Herkunft, Vorbildung und Titeln, sondern tatsächlich allein auf großen Eigenschaften beruhen darf. Das Bewußtsein davon, der Stolz auf Meisterleistungen, die Regel sind, das Gefühl des Rechts auf Herrschaft durch die Fähigkeit dazu, verpflichtet nun aber zu einer Haltung, welche den inneren Rang im äußeren Leben repräsentiert. Diese Schicht sollte in Deutschland gesellschaftlich - und durch ihr Ethos - führend sein, hochgeachtet, vorbildlich in jedem Sinne. Dazu gehört eine Unabhängigkeit und Weite der Lebensführung, welche durch entsprechende Einkünfte gesichert sein muß.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 226Spengler).

„Ich halte es nicht nur für richtig, an das Ende einer langen und außergewöhnlich erfolgreichen Laufbahn eine Dotation - ein Schloß mit einem Titel - zu setzen, sondern den Führern auch während dieser Laufbahn eine Lebenshaltung zu ermöglichen, welche derjenigen der großen wirtschaftlichen Führer ebenbürtig ist. Das ist, bei der beständigen Fühlung zwischen Verwaltung und Privatwirtschaft, auch auf den Erfolg der Geschäfte von Einfluß.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 227Spengler).

NACH OBEN „Die Erziehung: Zucht oder Bildung“ (S. 227-239):

„Es kann nicht meine Absicht sein, an dieser Stelle den Entwurf eines künftigen Erziehungswesens vorzulegen. Ich hoffe, das später einmal gründlich tun zu können und dann vielleicht nicht ohne praktischen Anlaß. Ich habe diesen Fragen selbst einige Jahre sehr nahe gestanden und glaube die tiefen Vorzüge und die ebenso großen Schwächen vor allem des Alters in dem damals Bestehenden zu kennen. Da Krieg und Revolution auch hier alles verwüstet und vergiftet haben, die Tradition, den Geist, die Menschen, die Methoden, so erzähle ich in einigen Worten, wie ich mir den Aufbau, den Neubau für spätere Zeiten denke; wie Deutschland sich künftig einmal einrichten muß, wenn es seine jungen Leute anders, sehender, klüger in die Welt senden will, als wir gesandt worden sind. Was an der alten Schule, vor allem dem humanistischen Gymnasium, bedeutend war, läßt sich in zwei Worten nennen: Wilhelm von Humboldt und Klassizismus. Es steckten große Eigenschaften darin, eine schlichte Frömmigkeit, hohe sittliche Forderungen des einzelnen an sich selbst; eine lange und gewissenhafte formale Schulung, die mit dem Latein anfing und endete. Die Gewöhnung an Pflichten, Fleiß, Wahrheit, Gründlichkeit wurde früh und für immer eingepflanzt. Eine stoische Weltauffassung herrschte, wie man sie bei Cicero las, eine Geringschätzung des Behagens, eine Verachtung kleiner persönlicher Vorteile. Aber diese öffentliche Schule hat doch der Hofmeistererziehung des 18. Jahrhunderts ein Ende gemacht, die, wie groß auch ihre Mängel waren, inmitten der Welt und mit heiterer Kenntnis derWelt, ihrer Lagen und Bedingungen stattfand. Ein grauer Ernst lag seitdem in den Klassen und Gängen, vor dem es nur ein Ausbrechen, bitteren Haß, innere Auflehnung oder dumpfes Sichfügen gab. Die Klosterschule, nicht die Pagenerziehung der Ritterzeit war das Vorbild. Der sittliche Imperativ war durchaus geistlicher, nicht kriegerischer Herkunft.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 227-228Spengler).

„Und dieser Klassizismus war doch nur ein feiner, blutarmer, bürgerlicher Nachklang der Renaissance, der sich mehr und mehr in pedantischem Ästhetisieren und frostigem Formalismus verlor. Die Welt des Schulmeisters, dieses begeisterten Feldwebels der Grammatik, war die Welt überhaupt. Was draußen vor sich ging, zog den Schüler nur von Horaz und Livius ab. .... Nur zeitlose antike Fragen waren würdig lateinisch behandelt zu werden. Auch bei Cäsar war sein Gebrauch des Akkusativs cum infinitivo wichtiger als die Eroberung Galliens selbst. Kein Zeitereignis leuchtete herein, kein Zeitgedanke, kein großer Zeitgenosse. Nicht Abraham Lincoln, sondern Jugurtha, nicht der Panamakanal, sondern die Via Appia wurden genannt. Alle Bücher waren von Schulmeistern geschrieben, des Lernens wegen. Aus dem Gymnasium stammt die politische Weltfremdheit des 19. Jahrhunderts, die über Plutarch den amerikanischen Bürgerkrieg vergaß und römische Waffen besser kannte als die japanischen Weltmachtziele. Erzogen wurden wir für alles mögliche, für Theologie, Philologie und Philosophie, nur nicht für die Gefahren der Weltlage, die rings um uns her auf der Lauer lagen, denn von ihnen wußte der Lehrer selbst nichts. Und darüber ging der Schule zuletzt der Begriff von dem verloren, was Erziehung sein sollte und was man überall gwußt hat, wo es eine echte Erziehung großen Stils gab: in altrömischen Senatorenfamilien, in höfischen Kreisen der Ritterzeit, im 18. Jahrhundert, in England zu Eton und in Oxford und heute noch in manchen Kreisen Deutschlands, die durch Rang und Beruf der großen Wirklichkeit nahestehen: das Lernen an den Tatsachen und nach dem lebendigen Vorbild, Bildung und Zucht, Kenntnisse und Takt, wissenschaftliche und gesellschaftliche Erfahrung. Die Art sich zu halten, sich öffentlich zu bewegen, zu urteilen, sich auszudrücken - das ist nicht Nebansache.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 228-229Spengler).

„Geschichtsunterricht, oder die politische Erziehung des Volkes durch die Schule: wer hätte früher begriffen, daß beides dasselbe ist? Die Geschichtslehrer vom besten Schlage waren gelehrt, begeistert, Patrioten, aber völlig weltfremd und politisch ahnungslos. Im Grunde waren sie alle Philologen oder Theologen. Wir saßen unter dem einstürzenden Turm und sagten die Schlacht bei Cannä auf, aber vom amerikanischen Bürgerkrieg mit seinen Riesenschlachten wußten unsere Lehrer selbst nichts. Hätten wir ihn gekannt, wir hätten den Eintritt Amerikas in den Weltkrieg anders eingeschätzt. .... Geschichte ist kein Lernstoff und kein Tummelplatz menschenfreundlicher Gefühle. Was wir brauchen, ist eine starke, tägliche, tiefe Erziehung des Nationalbewußtseins, als einer überlegten Haltung, aber mit dem Unterbau einer rücksichtslos auf das Tatsächliche verweisenden Schilderung der neueren Geschichte mit ihren Mächten und Machtzielen, ihren politischen, militärischen, wirtschaftlichen und Propagandamitteln, mit den geographischen Bedingungen von Seehandel und Seekrieg, Rohstoffversorgung und Export; und da ein Lehrer, wenn er kein Genie ist, nicht alles das wissen kann – obwohl er es eigentlich müßte – so bleibt wieder nur das Buch, das Kenner geschrieben und mit allen Mitteln zu eignem Eindringen in die Probleme ausgestattet haben. Zu wissen, daß alle Politik Machtpolitik ist, daß Schwäche Vernichtung bedeutet; zu wissen, daß jeder Einzelne als unentbehrliches Glied seiner Nation leben, denken und handeln muß, mit jedem Atemzuge; und zu wissen, wo und wie die großen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte sich vorbereiteten und die künftigen sich vorbereiten werden – das zum vollen Verständnis zu bringen ist es, was ich Geschichtsunterricht nenne, der streng, täglich, jahrelang betrieben werden muß und auch die antike und mittelalterliche Geschichte unter vergleichende und real-politische Gesichtspunkte stellt. Jede Schule sollte, englisch gesprochen, ihre debating clubs haben, in denen die Ereignisse des Tages, Finanzpolitik, Währungsfragen, die möglichen Folgen politischer Spannungen und Verträge durchgesprochen werden.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 235-236Spengler).

„Endlich und vor allem aber will ich noch eins fordern, um die Freiheit der Persönlichkeit und die Auslese aller echten Begabungen durch eine praktische Einrichtung zu sichern: Die Trennung der Reifeprüfung von der Schule.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 237Spengler).

„Das bestehende System schloß Autodidakten aus, schloß auch die vielen aus, die sich in unserer Rasse spät entwickeln, mit 15 Jahren beschränkt und scheu sind und mit 25 plötzlich aufwachen, und schloß endlich die aus, deren Eltern zu arm waren, um jahrelang auf Verdienst verzichten zu können. Wenn denn einmal von Demokratie die Rede sein soll, so muß es hier geschehen. Die Schule möge Führungszeugnisse erteilen, denn sie besitzt ein Urteil über die Ergebnisse ihrer Zucht. Aber der geistige Rang sollte ganz unparteiisch, unabhängig von allen Schulen, durch eine Reichsprüfung ermittelt werden. Zu dieser müßte sich jeder melden dürfen, ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht, Stellung und Vorbildung. Kein Arbeiter sollte künftig über Bildungsprivilegien der Besitzenden klagen dürfen, denn er kann, eignen ausdauernden Fleiß vorausgesetzt, mit denselben Aussichten an demselben Prüfungstisch erscheinen. Kein Vater brauchte seine Söhne um jeden Preis im Gymnasium zu halten, denn der Weg zur Reifeprüfung würde künftig ohne Zeitgrenze auch über Kontor und Werkstatt führen. Die Prüfung müßte mehrmals jährlich im ganzen Reiche und überall an denselben Tagen stattfinden, etwa in den Rathäusern, mit genau denselben Aufgaben, die durch eine eigene Kommission nach großen Gesichtspunkten sorgfältig ausgearbeitet und gedruckt worden sind. Die Bearbeitung der einzelnen Fragebogen erfolgt an sechs Tagen im Abstand von je einer Woche, je etwa dreistündig und durchaus schriftlich. Sie besteht in je ein oder zwei Darlegungen und der kurzen Beantwortung von Fragen, die mehr ein Können als angelerntes Wissen voraussetzen. Die Aufgaben sind in zahlreiche umfangreiche Gruppen eingeteilt, zur persönlichen Auswahl nach Veranlagung und Absicht des einzelnen innerhalb fester Grenzen, und müssen in einer Mindestzahl richtig behandelt werden. Die Zahl der Prüfungstage und -fragen und deren Vielseitigkeit schalten den Zufall aus. Die Korrektur erfolgt ohne Kenntnis des Namens und Prüfungsortes nach sorgfältig festgelegten Regeln, wofür ältere Studenten und angehende Lehrer hinreichend zur Verfügung stehen. Das Ergebnis, das gleichzeitig die Schulen und Schularten und ebenso die private Ausbildung auf ihre Leistungen hin dauernd und öffentlich prüft, ist ein Diplom mit einem Titel, wie etwa früher der Lizentiat oder Bakkalaureus, also ein Doktortitel geringeren Ranges, der jedem wirklich Fähigen mit einem entsprechenden Aufwand von Fleiß und Arbeit erreichbar ist und der eine ganz objektive Auslese der Begabungen Deutschlands liefern könnte. Das scheint mir der eigentliche Sinn des Wortes Reifeprüfung zu sein.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 237-238Spengler).

„Zum Schluß hätte ich den Wunsch nach einem deutschen Eton, nach einigen Schulen edelster Zucht von hervorragend begabten Menschen. Warum sollten nicht aus Schulpforta, dem Tübinger Stift, dem Johanneum in Hamburg, den Franckeschen Stiftungen in Halle, dem Kloster Ettal solche Schulen geschaffen werden können, mit großen Anlagen für jede denkbare Art von Studium: ein Aufenthalt in Stille und Freiheit, mit viel Sport und mit Besuchen berühmter Männer, die sich gern einige Tage dort aufhalten, um die heranwachsende Jugend auf mögliche Aufgaben hin zu prüfen, und die aus hoher Erfahrung heraus mit ihr über das sprechen, was die Welt eines Tages von ihnen fordern wird?“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 238-239Spengler).

NACH OBEN „Das Recht als Ergebnis von Pflichten“ (S. 239-249):

„Im Recht sollte die Weltanschauung eines Volkes, seine Seele, rein und ungetrübt zum Ausdruck kommen. Recht ist die gewollte äußere Form des Daseins, so wie es in den Grenzen eines geschichtlich bewegten Ganzen, einer Nation, eines Staates verläuft. Aber diese äußere Form ist stets, wenn sie echt sein soll, das Ergebnis nicht nur der geschichtlichen Entwicklung, sondern vor allem der inneren Form dieses Daseins, also des Charakters einer Nation. Der Römer braucht ein anderes Recht als der Athener, der Deutsche ein anderes als der Engländer. Ein allgemein richtiges Recht gibt es nur in den Köpfen lebensfremder Gelehrten und Schwärmer.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 239Spengler).

„Die Quelle jedes lebenden Rechts muß demnach das Leben selbst sein, und die Voraussetzung für den Gesetzgeber, es ungetrübt und ganz in Gebote und Verbote zu fassen, eine in großen Verhältnissen der gegenwärtigen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik durch eigene Tätigkeit erworbene Lebenserfahrung.Der römische Prätor studierte kein griechisches oder ägyptisches Recht. Er verstand sich als Beamter, Heerführer und Finanzmann auf alle Verhältnisse der ihn umgebenden römischen Welt. Darin liegt für uns das Vorbildliche nicht des römischen Rechtes selbst, sondern seiner Entstehung. (Vgl. Der Untergang des Abendlandes, II, S. 69 ff..)“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 239Spengler).

„Es war ein Verhängnis für das deutsche Volk, daß die altgermanischen Rechte, welche sich seit der Völkerwanderung durch Sitte und Brauch lebendig fortentwickelt hatten, seit 1495 durch die römische Rechtswissenschaft ersetzt und vernichtet wurden.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 240Spengler).

„Jedes gewachsene Recht ist das Ergebnis von Pflichten. So war es immer und überall, und darauf beruht die tiefe sittliche Kraft echter Rechtsbegriffe, in deren geheimer Metaphysik der Lebenstakt einer Rasse schlägt.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 241Spengler).

„Das römische Recht hat uns verdorben.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 241Spengler).

„Der Stolz einer Nation beruht auf ihrem Recht.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 242Spengler).

„Man vergesse nicht, daß der Teil des Corpus Juris, um den es sich handelt, das Pandektenrecht, aus der Amtstätigkeit des Praetor peregrinus hervorgegangen ist, nicht aus der des viel angeseheneren Praetor urbanus. Dieser hatte es mit seinesgleichen zu tun, römischen Bürgern, jener mit Fremden, also bloßen Objekten der römischen Macht. In der Kaiserzeit waren alle Völker Objekte dieser Macht, und dieses »Völkerrecht« (jus gentium) wurde seit 200 n. Chr. im Orient von gelehrten Juristen kommentiert, die Masse dieser Kommentare nach orientalischen Gesichtspunkten gesammelt, ausgezogen und umgedeutet. So entstand das Pandektenrecht für Byzanz, also für einen orientalischen Herrscher, der nur Ergebung kannte – Islam heißt Ergebung –, aber kein Recht der Persönlichkeit und keinen freien Willen. Rom selbst war damals im Besitz von Germanen. (Vgl. Der Untergang des Abendlandes, II, S. 81 ff..)“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 242Spengler).

„Aber dem germanischen Leben liegt die Idee der Freiheit zugrunde. Es will frei sein von allen Schranken, welche seiner inneren Gestalt und deren Wirkung nach außen widerstehen. Der Germane fühlt sich frei der ganzen Welt gegenüber, als Persönlichkeit, als Mann, jeder für sich, so wie er auch als gläubiger Christ, betend oder büßend, allein vor seinem Gotte steht. (Vgl. Der Untergang des Abendlandes, II, S. 357 ff..) Dieses nordische Lebensgefühl hat die Völkerwanderung mit den Sachsen, Goten, Franken und Normannen über ganz Westeuropa gebreitet, und aus ihnen ist mit der Ritterzeit und den Kreuzzügen der Typus aller heutigen Völker des Abendlandes entstanden. Es entstand nicht nur das Grundproblem gotischen Nachdenkens, das der Willensfreiheit, sondern auch die dichte Reihe von Gestalten, die es durch ihre Erscheinung gelöst hatten, von den Wikingern und Staufenkaisern über die Führer der Renaissance bis zu den Trappern Amerikas und den Erfindern und Organisatoren unserer Tage. Und wenn der Germane als Ordensritter in Demut diente wie im deutschen Osten und im Kampf gegen die spanischen Mauren, so opferte er in freiem Entschluß sein Recht einer höheren Sache. Diese Pflicht in innerer Freiheit auf sich nehmen ist sein höchstes Recht. Auf ihm beruhen die stolzen Ideale der gotischen Gefolgstreue, der Offizierspflicht und des altpreußischen Staatsdienstes. Dem Pandektenrecht ist diese seelenhafte Freiheit fremd und unbekannt. Es kennt nur die Obligation, den Anspruch auf die Leistung eines andern.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 242-243Spengler).

„Aus der Freiheit folgen nun aber die germanischen Ideen der Familie und des Staates, zwei Kreise des Zusammenhangs von Rechten und Pflichten, die nur zusammen, als lebendiges Ganzes denkbar sind. Man mag sie privates und öffentliches Recht nennen: ihr Zusammenhang besteht darin, daß die Familie die Fortdauer dieses Lebens in Geschlechterfolgen sichert, der Staat es aber politisch schützt und wirtschaftlich erhält.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 243Spengler).

„Daraus ergeben sich die notwendigen und natürlichen Grundzüge eines deutschen Rechtes. Da die Geschichte es nicht für uns geschaffen hat, so muß es heute die geschichtliche Erkenntnis schaffen. Im folgenden wird der Versuch gewagt, diese Grundzüge in wenigen Worten anzudeuten.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 243Spengler).

„Danach ordnet das Gesetz die Verhältnisse des tatsächlichen Lebens. Träger dieser Ordnung ist für uns der freie menschliche Wille – nicht philosophisch als frei bewiesen, sondern rechtlich als frei behandelt – der sich auf Handlungen, Lagen, Schöpfungen oder einen fremden Willen richten kann. In bezug auf ihn gibt es nicht körperliche Personen und körperliche Sachen im Sinne des römischen Rechts, sondern Ausgangspunkte und Ziele – Subjekte und Objekte – seines Wirkens. Ausgangspunkt, Subjekt eines freien Willensaktes sind der Einzelne, die Familie, der Stand, der anerkannte Verband, zuletzt die Nation, welche durch die Vertreter ihrer Hoheitsrechte handelt und beschließt. Objekte – Mittel oder Ziele von Handlungen und Eigenschaften der Lagen oder Dinge – sind die Ehre, die Freiheit und Sicherheit, das Eigentum. Eigentum ist keine Sache, sondern für uns eine Eigenschaft in bezug auf einen Willen, die ebenso an Gedanken und Verhältnissen haften kann wie an Körpern. Der Begriff des geistigen Eigentums war den Römern völlig fremd.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 243-244Spengler).

Jedes Recht entspricht einer Pflicht. Eine Pflicht - gegen den Einzelnen, die Familie, den Verband, die Nation - ist ein Recht, insofern man es nicht empfängt, sondern gibt. Das Tun des Rechten gibt Anspruch auf die Pflichterfüllung des andern. Das Tun des Unrechts hebt diesen Anspruch auf. Das Wesen der Strafe beruht also darauf, daß jeder Pflichtverletzung ein Verkürzung der Rechte folgt, und zwar an Ehre, Freiheit und Eigentum. Deshalb sollten bürgerliches und Strafrecht gleichartig gebaut sein. Sie verhalten sich wie Recht und Unrecht, wie Setzung und Sicherung derselben Verhältnisse.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 244Spengler).

„Das englische Recht ist vom Zusammenhang zwischen rights und wrongs tief durchdrungen und ebenso von ihrer Aufteilung in privates oder öffentliches Recht und Unrecht. Ein künftiges deutsches Recht sollte aus demselben germanischen Grundgefühl feststellen, wann der Einzelwille dem allgemeinen wider spricht, wann also das private vom öffentlichen Interesse abgelöst wird, und weiterhin, wann die Strafe, wie gesagt als Verkürzung von Rechten infolge der Verletzung von Pflichten, vom allgemeinen statt vom Einzelwillen verhängt werden soll. In England, das statt des Staates nur die Gesellschaft (society) kennt (Spengler), wird auch das öffentliche Unrecht wie der Mord wenigstens der Form nach im Privatverfahren durch den verfolgt, der es entdeckt. Einen Staatsanwalt gibt es nicht. In Deutschland aber beruht der Gesamtwille der Nation im Staate, und eine tiefere Auffassung dieser Tatsache sollte fordern, was dem römischen Denken ganz fern liegt, daß jeder Einzelne zur Anzeige von Verbrechen nicht nur gegen Einzelne, sondern auch gegen die Nation verpflichtet wird, ohne Rücksicht auf sein persönliches Verhältnis zum Täter, und daß die Verletzung dieser Pflicht schon durch bloßes Schweigen, nicht nur durch Hehlerei, eine strenge Verkürzung an eigner Ehre, Freiheit und Eigentum zur Folge hat. Die allgemeine Anzeigepflicht, wozu auch die Haftung des Verkäufers für die rechtmäßige Herkunft der verkauften Ware gehört, würde die Zahl der Verbrechen unendlich vermindern. Jeder Täter und unrechtmäßige Besitzer fallen irgend jemand auf. Das geltende Recht läßt die Anzeige zu und belohnt sie zuweilen, aber es behandelt sie nicht als sittliche Pflicht. Es haftet ihr infolgedessen in weiten Kreisen ein Makel, etwas wie Denunziantentum an, während es möglich gewesen wäre, das Rechtsbewußtsein des Einzelnen dahin zu entwickeln, daß er mit der Kenntnis einer strafbaren Handlung einen Teil der Staatshoheit auf sich übertragen fühlt und unter dem Eindruck der damit verbundenen Verantwortung handelt. Hier zeigt sich, daß das im Orient umgewandelte »römische« Recht den Einzelnen nur als Objekt der Rechtsschöpfung und Rechtsprechung kennt, nicht als Mitwirkenden und Mitträger der öffentlichen Ordnung, so wie es ihn in verhängnisvoller Weise dazu erzogen hat sich lediglich als Objekt und nicht als Glied des Staates zu betrachten. Und noch in anderer Weise enthüllt sich der Sklavengeist dieses für germanisches Weltempfinden seelenlosen Rechts. Es verneint den Anspruch des freien Mannes, sich, seine Ehre, Sicherheit und Habe und die seines Volkes und Vaterlandes selbst zu schützen, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln. Es verbirgt die Nichtanerkennung des persönlichen Stolzes, auch des Nationalstolzes, des Ehrgefühls, der Selbstachtung und inneren Selbständigkeit des Einzelnen hinter dem kläglichen Begriff der Notwehr. »Eine durch Notwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich«, heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch, aber es klingt ein Unterton durch, wonach selbst diese unerwünscht und stets der Überschreitung verdächtig ist. Vor diesem Standpunkt wird die verbrecherische Handlung formal jeder anderen gleichgesetzt. Der Täter und das sich wehrende Opfer sind gleichmäßig bloße Objekte der Rechtsprechung.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 244-246Spengler).

„Aber es sollte umgekehrt zum Grundsatz erhoben werden: Der Verbrecher ist beim Begehen der Tat und auf der Flucht rechtlos. Ein Unrecht kann gegen den, der gerade Unrecht tut, nicht begangen werden. Erst mit der Verhaftung übernimmt der Staat die weitere Ausübung des öffentlichen Rechts: das ist die stillschweigende Grundlage der germanischen Auffassung, die in England und Amerika, wo das Normannenrecht die praktische Sitte geformt hat, so selbstverständlich ist, daß sie gar nicht besonders ausgesprochen zu werden braucht. Und ebenso sollte bei uns der freie Mann im Namen des Staates handeln dürfen und unter Umständen müssen, wenn dieser augenblicklich dazu nicht in der Lage ist. Wer eine Person, die er unzweifelhaft in Vorbereitung oder Ausführung eines Verbrechens oder nach dessen Vollendung auf der Flucht betrifft – etwa im Falle von Einbruch, Raub, Mord, Ehebruch, Notzucht, Brandstiftung –, tötet oder verletzt, wird nicht bestraft. Wer gewaltsam in fremdes Eigentum eindringt, um etwas zu zerstören oder zu entwenden, ist vogelfrei. Wer von einem Dritten in Fällen dringender Gefahr für Leben und Besitz um Hilfe angerufen wird, kann von jedem Mittel Gebrauch machen, das ihm geeignet erscheint. Und dasselbe sollte von Anschlägen gegen die Sicherheit der Nation gelten: Wer von einem Verbrechen oder Versuch des Landesverrats durch Spionage oder Verbindung mit dem Feinde Kenntnis erhält, sollte nicht nur zur Anzeige und persönlichen Anklage verpflichtet, sondern auch zu persönlichem Einschreiten in jeder Form berechtigt sein. Der Verbrecher würde wissen, unter welchen Bedingungen er handelt, und – volenti non fit injuria.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 246-247Spengler).

„An der Spitze des Rechts für ein seiner Würde bewußtes Volk sollte die Ehre stehen. Sie ist das Teuerste, was ein Einzelner, Mann oder Weib, eine Familie, ein Stand, eine Nation zu verlieren und zu verteidigen hat. Wer das nicht fühlt, ist schon ehrlos. Wer eine Verletzung der Ehre, der persönlichen oder derjenigen seines Standes und Volkes duldet, hat keine zu verlieren. Ein Rechtsbuch, das den persönlichen Schutz der Ehre nicht gestattet, erblickt den Sinn des Lebens in materiellen Zuständen und entbehrt damit der inneren Würde.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 247Spengler).

„Aber es gibt neben der persönlichen noch eine geschäftliche Ehre. Ein ehrenhafter Grundzug ist dem kaufmännischen Leben eines ganzen Volkes unentbehrlicher noch als dem einzelnen Kaufmannshause, wo von jeher die unehrenhafte Geschäftsführung den Abbruch persönlicher Beziehungen zur Folge hatte. Die Heraufkunft der nicht an den Ort gebundenen Finanzvermögen, die nicht in produktiven Unternehmungen bestehen, sondern in ihnen nur wechselnd angelegt werden (vgl. Politische Pflichten der deutschen Jugend, a.a.O., S. 138 ff.), und die in den letzten Jahren erfolgte Umschichtung des Besitzes infolge von Krieg, Revolution und Inflation haben eine furchtbare Verwilderung des Wirtschaftslebens und die rücksichtslose Jagd nach Gewinn ohne alle Tradition, ohne Ehrgefühl, selbst ohne Furcht vor Gefängnis zur Folge gehabt. Gerade deshalb sollten ehrlose Handlungen wie Betrug, Wucher, Erpressung, Bestechung, Fälschung von Urkunden und Sachen außer den härtesten Geld- und Freiheitsstrafen den Ausschluß von allem zur Folge haben, was Vertrauen erfordert: von der Börse, vom Sitz in Aufsichtsräten und Direktorien, ferner die Nichtanerkennung der Unterschrift, die Unfähigkeit, Wechsel und Schecks auszustellen, und unter Umständen die Erklärung der Unfähigkeit, überhaupt Handelsgeschäfte zu betreiben, mit dauernder Stellung unter Polizeiaufsicht.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 247-248Spengler).

Freiheit und Sicherheit können privater Natur sein: Recht und Unrecht in bezug auf die Person und die Familie, oder öffentlicher Natur: Schutz und Gefährdung des Lebens innerhalb des Staates und der Wirtschaft. Zum ersten gehört die Heiligkeit des Hauses als desjenigen Teils vom Wohnraum der Nation, in welchem der Einzelwille völlig frei ist und vor jedem Eingriff geschützt sein soll. Nur der Verbrecher verliert dieses Grundrecht nordischer, in geschützten Räumen lebender Völker. Es gehört ferner dahin der Schutz des Lebens vor Freiheitsberaubung, Mord, Körperverletzung und Sittlichkeitsvergehen. Zum zweiten gehört das Eherecht, in welchem sich die germanische Idee der Familie spiegelt, also auch die Rechte der Kinder und andrerseits die Verletzung dieser Idee im Ehebruch. Zur Freiheit und Sicherheit des Staates gehören Preßgesetz, Zensur und der Schutz vor Verrat; zur wirtschaftlichen Freiheit und Sicherheit vor allem das Recht auf den eigenen auf Arbeit gerichteten Willen, also sowohl das Recht auf Arbeitsverweigerung, wenn dadurch kein Vertrag gebrochen wird, als auch das Recht, daran nicht teilzunehmen, und zwar auch für Führer der Wirtschaft, wo die Weigerung Stillegung der Betriebe heißt. Das geltende römische – materialistische – Recht kennt eigentlich nur »Arbeit« als das Geleistete, ein gleichsam stoffliches Quantum, eine bloße Sache. Es kommt aber auf das Arbeiten an, als die Betätigung eines Willens und als Quelle von Leistungen. Ein künftiges Arbeitsrecht und ebenso ein Handelsgesetz müßten klar auf der Tatsache des freien Willens und nicht auf der des Vorhandenseins von dessen materiellem Ergebnis aufgebaut sein. Jenes ist der germanische, dieses der römische Standpunkt.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 248Spengler).

„An der Spitze des Rechts auf Eigentum sollte das Erbrecht stehen. Der germanische Begriff des Eigentums ist von der germanischen Idee der Familie* als einer Geschlechterfolge nicht zu trennen, und wenn man Eigentum als das bezeichnet, was ausschließlich dem eigenen Willen untersteht – nicht nur »Sachen« wie im römischen Recht und unserem Bürgerlichen Gesetzbuch, sondern auch alle Ziele, Mittel und Ergebnisse von Willenshandlungen, geschäftliche, technische, künstlerische, organisatorische Ideen und Fähigkeiten – so ist der zuerst zu schützende Wille derjenige, welcher Eigentum mit der Geschlechterfolge durch das Erbrecht verknüpft. Ohne dieses sinkt der Besitz zur Leihe herab. (* Die römische Idee der Familie umfaßt nicht eine Folge, sondern die Gruppe der Lebenden mit dem pater familias als Mittelpunkt. Infolgedessen besteht das römische Erben darin, daß der Rechtsnachfolger die Rolle (»persona«) des Erblassers hinsichtlich der an dem unteilbaren Gesamterbe haftenden Rechte und Pflichten übernimmt [vgl. Sohm, Institutionen, S. 108].) Zum Diebstahl im weitesten Sinne als dem Unrecht in bezug auf das Eigentum sollten nicht nur Betrug und Wucher gezählt werden, sondern auch der Mißbrauch fremder Begabungen zu eigenen Zwecken und die Aneignung von Erfindungen, Gedanken, Motiven und Absichten. (Vgl. Der Untergang des Abendlandes, II, S. 91 ff..)“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 248-249Spengler).

„Was endlich die Strafen betrifft – ich wiederhole: die Verkürzung von Rechten infolge der Verletzung von Pflichten – so müssen sie als solche dem heutigen Empfinden gegenüber wirkliche Strafen sein. Die Verkürzung des Eigentums durch Geldstrafen darf, wenn sie gerecht sein soll, nicht in festen Zahlen angegeben werden, sondern in Prozenten von Einkommen oder Besitz; sie muß also vom Richter verhängt, aber von der Steuerbehörde vollzogen werden. Freiheitsstrafen müssen aus demselben Grunde nicht nur etwas Demütigendes, sondern auch Abschreckendes haben. Die bloße Einschließung bei einer Verpflegung, welches über die Lebenshaltung des Mittelstandes vielfach hinausgeht, wird in manchen Kreisen gar nicht mehr als Strafe empfunden. Lange und harte Arbeit, Vereinfachung der Kost und Einzelhaft müßten regelmäßige Zusatzstrafen sein. Zu den Ehrenstrafen gehört der öffentliche Anschlag des Namens mit Angabe der Wohnung und Ursache der Strafe: das ist vor allem auch auf Fälle des Verstoßes gegen die kaufmännische Ehre anzuwenden.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 249Spengler).

NACH OBEN „Die deutsche Währung“ (S. 250-263):

„Dem Eingreifen der Privatkreise als solchem lag doch ein richtiges Gefühl zugrunde, und dieses führte zu dem Helfferichschen Plan einer Getreiderentenwährung und von ihm aus zur Entstehung der Rentenmark. Der tragende Gedanke selbst ist auch heute noch kaum deutlich erkannt worden, vielleicht nicht einmal von seinen Urhebern. Es handelt sich um den Verzicht des Staates auf die Schöpfung von Zahlungsmitteln zugunsten der Privatwirtschaft. Der Kredit der deutschen Wirtschaft und das Vertrauen auf ihre Ehrlichkeit und Leistungsfähigkeit ersetzte den nicht mehr vorhandenen Kredit der parlamentarischen Regierung. Deutschland ist heute das einzige Land der Welt, das eine reine Privatwährung besitzt. Die Rentenmarkscheine sind Anweisungen auf unbeweglichen produktiven Besitz und deshalb formal nicht dem Wechsel, sondern der Hypothek gleichartig.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 252Spengler).

„Man muß sich hier das Verhältnis von Währung und »Geld« klarnmachen. »Geld« ist ein reines Wertquantum, das man sich vorstellt, indem man bei einem Geschäft von der stofflichen Art der Ware und des Zahlungsmittels absieht. es wird also durch eine einfache Ziffer ausgedrückt, und Mark ist wie Meter nur der Maßstab, nach welchem die Ziffer ermittelt wird. (Vgl. Der Untergang des Abendlandes, II, S. 600 ff.. Alle ursprünglichen Geldsorten wie Mine, Talent, Pfund, Mark sind schon dem Namen nach Gewichtseinheiten, nach denen ebensogut Korn wie Gold oder Silber gemessen werden konnte.) Wenn heute ein Geschäftsmann eine gebrauchte Maschine gegen Rohstoffe tauscht, zieht er im Geiste von den Gegenständen den abstrakten Wert ab, den er in Mark mißt und vergleicht. Diese Gewohnheit, »in Geld zu denken«, fordert es durchaus nicht, daß im Warenverkehr ein Zahlungsmittel existiert, das den gemessenen Wert als Sachwert enthält. Die Metallgewichte, die wir Münzen nennen, sind in wachsendem Grade durch Urkunden (Banknoten) und diese durch Überschreibungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr ersetzt worden, also völlig entbehrlich. Das Vertrauen, das diesen schriftlichen Verkehr der Werte möglich macht, beruht allein darauf, daß das Wertmaß eine feste Größe ist, und das wird immer wieder dadurch in Frage gestellt, daß die Herstellung von Zahlungsmitteln nicht des Bedarfs wegen erfolgt, sondern eine Einnahmequelle bildet. Im alten Ägypten gab es trotz des hochentwickelten Kreditverkehrs überhaupt kein Zahlungsmittel, sondern nur feststehende Maßangaben bei schriftlicher Verrechnung, so daß der Begriff einer Währungskrise undenkbar ist. Für uns aber ist der Zusammenhang zwischen Währung und Politik folgenreicher als der zwischen Währung und Wirtschaft. Zwischen Käufer und Verkäufer tritt das Zahlungsmittel als Übergangs- und Normalware besonderer Art, deren Herstellung überall ein Vorrecht der Regierungen ist und deren Menge sich also nach dem Geldbedarf des Staates richtet. Wird dieser übermäßig, so redet man von Inflation. Ihre ursprüngliche Form ist die Münzverschlechterung, die von geldbedürftigen Staaten manchmal so weit getrieben wurde, daß Silbermünzen kaum noch Spuren von Silber enthielten. Das war also die Verschlechterung und Fälschung einer Ware, die der Hersteller den Käufer als vollwertig anzunehmen zwang. Hierin tritt nun mit dem letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts eine große Wendung ein, und zwar im Zusammenhang mit der - an anderer Stelle besprochenen (vgl. Politische Pflichten der deutschen Jugend, a.a.O., S. 138 ff.) - rasch um sich greifenden Ablösung beweglicher Vermögen von den produktiven Werten, nämlich vermittelst der Aktie. So wie sich die Eigenschaft des Besitzes von der Fabrik in Gestalt einer papiernen Urkunde trennt, so trennt sich mit der Banknote die Eigenschaft eines bestimmten Wertes von der dafür hinterlegten Münze, und beide, Aktie wie Banknote, können nun von Hand zu Hand wandern, ohne daß der flüchtige Besitzer das Vorhandensein einer Deckung nachzuprüfen vermag. Damit wird das Zahlungsmittel aus einer Ware zum Wechsel, der auf einen irgendwo tatsächlich oder angeblich vorhandenen Schatz ausgestellt ist. Aber im Fall des Papiergeldes ist die Ausstellung des Wechsels durch den Staat eine stets offene Einnahmequelle, die Einlösung auf unbestimmte Zeit vertagt und der Aussteller sein eigener Richter in bezug auf Treu und Glauben. Da diese Wechsel in unbegrenzter Masse hergestellt werden können - in ganz anderem Umfang als minderwertige Münzen - und da das Wertmaß zugleich an ihnen haftet und durch sie dargestellt wird, so gerät die Währung in die Schwankungen des Wechselkurses, wofür die Assignaten das erste berüchtigte Beispiel gaben. Die Währungspolitik kreditunfähiger Staaten bestand also im Grunde darin, den Wechselkurs gewaltsam zu halten, ohne die Ursache seines Verfalls zu beseitigen, die zunächst in der übermäßigen Herstellung der Scheine bestand, aber nicht in ihr allein. Da der erste Umstand von der heute herrschenden materialistischen Auffassung des Problems überschätzt wird, so muß die seit Adam Smith als Allheilmittel empfohlene »Goldwährung« auf ihre eigentliche Bedeutung hin untersucht werden. Eine Goldwährung in dem Sinne, wie er heute allge- mein vorausgesetzt wird, gibt es überhaupt nicht. (Vgl. Der Untergang des Abendlandes, II, S. 612 ff..) Der Umlauf von Banknoten soll durch eine Goldreserve gedeckt sein - aber das Wort Deckung hat einen doppelten Sinn. Heute versteht man darunter die sachliche Sicherheit. Aber entweder ist ein Land in der Lage, sein Papiergeld überhaupt durch irgend etwas zu decken, dann kann an die Stelle von Gold auch ein Bestand von Warenwechseln, eine Hypothek oder endlich die bloße Bürgschaftserklärung der Regierung treten. Genügt das aber nicht, so wird auch eine Goldreserve an sich nicht imstande sein, den Notenkurs zu sichern. Wäre es auf die Sachdeckung allein angekommen, so waren die Assignaten der französischen und die Papiermark der deutschen Revolution die beiden bestgedeckten Papiere der Welt. Aber vor dem Kriege gelang es der russischen Regierung nicht, den Papierrubel auf dem Goldkurs zu halten, trotz einer der größten Goldreserven der Welt, und umgekehrt wird niemand bezweifeln, daß die Pfundnote nicht um einen Penny gesunken wäre, wenn die englische Regierung durch ein Gesetz die viel kleinere Goldreserve aufgegeben und durch eine Bürgschaft ersetzt hätte. Hier entscheidet die moralische Deckung über das Vertrauen, welches der Sachdeckung entgegengebracht wird, und macht diese damit eigentlich überflüssig. Kein Land ist so arm, daß es seinen Papiergeldumlauf nicht durch die Bereitstellung seines Volksvermögens sichern könnte, aber es fragt sich, ob die Regierung dazu entschlossen ist, um jeden Preis, um der Ehre willen, oder ob sie dazu neigt, die Sachdeckung anzugreifen - woran sie niemand hindern kann, da sie keinen Richter über sich hat -, entweder um die Folgen einer elenden Finanzwirtschaft zu verdecken oder um politische Ziele zu verfolgen oder aus Mangel an Mut zu unpopulären Maßregern. Die moralische Deckung für die Assignaten trugen die Jakobiner und das Direktorium, die für die Papiermark die Sozialisten und der mit ihnen verbundene Parteiklüngel. Der Kurs beider Papiere enthält das öffentliche Urteil darüber, was diese Deckung wert war. In Deutschland haben diese Kreise mit Einführung der Rentenmark als Privatwährung darauf verzichtet, den eignen moralischen Kredit weiterhin einer Probe auszusetzen. In Frankreich wagten sie es, bis zu ihrem Sturz durch Napoleon.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 254-257Spengler).

„Die deutsche und die französische Direktorialzeit unterscheiden sich nun aber darin, daß diese die Ehre Frankreichs in der Eroberung fremder Länder sah, welche die siegreichen Heere zu ernähren hatten, während jene, die zu ertragen Deutschland die Ehre hat, die Eroberungen des Feindes im eigenen Lande mitansieht und zu diesem Zweck dessen Heere ernährt. (Vgl. Neue Formen der Geldpolitik, a.a.O., S. 170..) Der Währungsverfall hatte infolgedessen im Sommer 1922 und im Herbst 1923 ein Tempo angenommen, das diesem Unterschied entsprach, und würde sich mit der Sachverständigenkonferenz und deren Ergebnis entsprechend fortgesetzt haben, wenn man ihm nicht mit Aufhebung der Staatswährung die Möglichkeit des symbolischen Ausdrucks entzogen hätte.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 259-260Spengler).

„Als die private Rentenmark als Zwischenlösung Vertrauen gefunden hatte, war die allgemeine Meinung die, daß es sich nur um den Übergang zu einer neuen Staatswährung handeln könne. Es läßt sich darunter nicht gut etwas anderes verstehen als eine Form, welche der Staat nach eigenem Ermessen schafft und für deren Sicherung er auf gleichem Fuße mit ausländischen Kreditgebern verhandelt, wenn das nötig und möglich ist. Inzwischen mußte es stutzig machen, daß das klare Endziel sich durch eine verwirrende Reihe von Bankprojekten, die wechselnd an den Horizont gezaubert wurden, immer mehr den Blicken der Öffentlichkeit entzog. Neben Banken, die Begriffe blieben, entstand die Golddiskontbank als ein großes Wort für etwas, das man früher einen kleinen Auslandskredit genannt hätte – etwa in der Höhe von vier Wochenraten der geforderten Reparationsleistung. Dann aber begann die Frage eine überraschende Wendung zu nehmen, nämlich durch Verlegung des Schauplatzes von Berlin nach Paris und die Verwicklung der künftigen Währung in den Reparationsplan. Geschah das zufällig oder planmäßig? Ging es von deutscher Seite aus, wurde es von dieser gebilligt oder bekämpft oder gar nicht begriffen? Tatsache ist, daß die Privatwährung durch eine Staatswährung ersetzt werden soll, aber durch eine von fremden und feindlichen Staaten in gänzlich unverbindlicher Form, so daß damit das Damoklesschwert einer beständig drohenden Währungskrise über dem deutschen Volk aufgehängt würde, das die Reparationsforderungen erfüllen soll und nicht kann.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 260Spengler).

„An den Verhandlungen, die von Direktoren des Morgantrusts als Vertretern Amerikas geleitet wurden (*), waren deutsche Sachverständige beteiligt. (* Um, wie der amerikanische Senator La Follette schrieb, dafür zu sorgen, daß die finanziellen Verpflichtungen, deren Gläubiger die Banken sind, bis zum letzten Cent bezahlt werden, wenn auch die Regierung der Vereinigten Staaten keinen Dollar von den Summen zurückerhält, die sie den Alliierten während des Krieges vorgestreckt hat. [Diese Geldsummen konnten von den wirtschaftlich und mittlerweile auch sonst schwachen Alliierten der USA nicht zurückgezahlt werden, weshalb sie von den Deutschen bezahlt werden sollten - wie es dann auch tatsächlich geschah! Dieser 1918 begonnene Raubzug gegen Deutschland und das Deutsche Volk ist übrigens immer noch im Gange. Ein Raubzug ohne Ende! HB.]) Wer sandte sie? Waren sie in die Pariser Absichten und diejenigen Morgans eingeweiht? Haben sie Einfluß darauf ausgeübt? Bestand ein Einfluß bestimmter nichtamtlicher Kreise? Es soll nicht vergessen werden, daß der Einzug der fremden Sachverständigen in Berlin von unserer Finanz- und Franzosenpresse wie der von Siegern begrüßt wurde.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 260-261Spengler).

„Dann kam der Eifer, sie zu informieren, der geräuschvolle Optimismus in amtlichen Erklärungen, aber auch die zunehmende Geheimhaltung dessen, was in Paris kein Geheimnis war. Wußte man nichts? Wußte man es, ohne es hindern zu können, oder wollte man es nicht hindern? Endlich trat das Ergebnis zutage. Es wurde eilig mit Unterschlagung der belastendsten Teile veröffentlicht, von der eingeweihten Presse mit betonter Zustimmung aufgenommen und die so hergestellte Billigung des deutschen Volkes, das in Wirklichkeit von der Tragweite der Bestimmungen keine Ahnung hatte und sie großenteils gar nicht kannte, dem Ausland als Tatsache zur Anschauung gebracht. In jedem andern Lande würde der Staatsgerichtshof Gelegenheit finden, diese Vorgänge genau aufzuklären. Haben die verantwortlichen Kreise an dem Ergebnis mitgearbeitet? In welcher Richtung? Mit welchem Erfolg? Wenn ohne Erfolg – womit läßt sich das Schweigen und die Haltung während und nach dem Abschluß rechtfertigen? Und wenn ohne Voraussicht der Ergebnisse und ihrer Folgen – wann beginnen die Inhaber sehr verantwortungsreicher Ämter, wenn sie trotz offenkundigen Mangels an Eignung und beständiger Mißerfolge an ihnen festhalten, dafür – verantwortlich zu werden?“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 261Spengler).

„Tatsache ist, daß der gesamte Besitz des Reiches ausgeliefert wird; daß die wesentlichen Einnahmequellen, welche die verarmte Wirtschaft bedrücken und trotzdem nicht einmal die eigenen notwendigen Staatsausgaben decken, ausgeliefert werden ohne Angabe, woher ein Ersatz kommen soll; daß der produktive unbewegliche Besitz, vor allem die Industrie, ausgeliefert wird – die Landwirtschaft hat man, ohne Zweifel nur aus Rücksicht auf die Stimmung der ländlichen Wählermassen, etwas vorsichtiger behandelt: Alles das zur hellen Freude des beweglichen Finanzkapitals, des deutschen und fremden, das mit der Auswertung dieser ungeheuren Pfändermasse durch einen im Entwurf schon aufgebauten Riesentrust die Möglichkeit von Riesengewinnen auftauchen sieht. Das Vorbild geben der amerikanische Öl- und der französische Wiederaufbauskandal. Welchen Einfluß hatten diese Finanzkreise und Morgan auf die Verhandlungen? In welchem Umfang hatte man sich über die Verknüpfung der Pfänder mit internationalen Kreditgeschäften im voraus verständigt? Endlich wird die von Friedrich dem Großen ins Leben gerufene Reichsbank, die alte preußische Staatsbank, mit Einschluß der Renten- und Golddiskontbank ausgeliefert, um eine in Deutschland arbeitende Reparationsbank fremder Trusts zu werden, welche Kredit und Währung völlig in Händen hat.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 261-262Spengler).

„Das alles vollzieht sich als der letzte Akt der Außenpolitik eines Parteiklüngels, dessen rechte Seite hier beendet, was die linke in Versailles begonnen hatte: den Verkauf eines ganzen Volkes in die Sklaverei, nachdem man es durch eine Mißwirtschaft von fünf Jahren seelisch entwaffnet und durch den Lärm der Parteipolitik über sein Schicksal getäuscht hat. So haben bis jetzt nur Häuptlinge von Negerstämmen gehandelt – nicht einmal sie, denn sie sorgten dafür, daß die Gegenseite Verpflichtungen übernahm, während jene es immer wieder lächelnd ertrugen, daß dergleichen Verpflichtungen nicht gegeben oder nicht gehalten wurden, ohne daß das eigne Selbstbewußtsein darüber verloren ging.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 262Spengler).

„Damit würde, wenn die Herrschaft dieses Klüngels nun kein Ende nimmt, die Frage der deutschen Währung für uns gleichgültig geworden sein. Das Wertmaß für eine verkaufte Ware geht nur den Käufer an. Ich setze aber den Fall, daß es für die Mehrheit des Volkes nun endlich der Schande genug ist und daß andrerseits durch die weltpolitische Entwicklung das uferlose Problem der Einigung über die Beute mehr und mehr in die großen ungelösten Machtfragen hineingezogen wird, und wiederhole deshalb: die Sicherheit und das Vertrauen auf eine künftige deutsche Währung hängen nur mittelbar von der Wirtschaftslage ab, nämlich von einer aktiven Handelsbilanz, dem Devisenzufluß, der Befriedigung des Kapitalbedarfs von Industrie und Landwirtschaft und vom Steuerertrag, während das alles unmittelbar von der großen Politik abhängt. Versagt sie, so zerfällt die Wirtschaft und die Währung wird zum Problem. Erfüllt sie ihre Aufgabe, so ist damit bereits das eine wie das andere gestützt. Die Politik hängt aber nicht von Einrichtungen, sondern von Persönlichkeiten ab. Und deshalb gibt es letzten Endes nur Personalkredit, für das Wirtschaftswesen eines ganzen Volkes wie für jedes einzelne Unternehmen. Und deshalb ruht auch im tiefsten Grunde jede Währung auf dem Personalkredit der verantwortlichen Minderheit von Regierenden. Der Assignatenkurs war von militärischen Erfolgen und der Verbesserung oder Verschlechterung der Wirtschaftslage ziemlich unabhängig. Seine Kurve zeigt zwei Augenblicke stärkster Senkung: den Zusammentritt der gesetzgebenden Versammlung, als sich herausstellte, daß sie nur Schwätzer, keine Führer enthielt, und den Antritt des Direktoriums, dessen sachliche und sittliche Eigenschaften man richtig bewertete; und drei Augenblicke eines plötzlichen Anstiegs: vorübergehend im Herbst 1792, als Danton die Diktatur ergriff, im Frühling 1793 mit der Diktatur Robespierres, und dauernd im Herbst 1799 mit dem Staatsstreich Napoleons, der den Kurs binnen drei Tagen verdoppelte.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 262-263Spengler).

NACH OBEN „Gegen den Steuerbolschewismus“ (S. 263-279):

„Die Steuer ist beinahe das einzige Gebiet, an das sich eine höhere Betrachtungsweise nie herangewagt hat. Es scheint,[263] daß es sich hier um das Alltäglichste handelt, daß lediglich Geldeingänge eine Rolle spielen, die dem geschäftlichen Leben entzogen werden, gleichviel wie und wo. Die Finanzwissenschaft beschränkt sich auf den Vorgang selbst und seine Technik – und trotzdem gibt es eine Philosophie des Steuerwesens; man muß sie nur zu sehen wissen. (Vgl. Das Verhältnis von Wirtschaft und Steuerpolitik seit 1750, a.a.O., S. 299 ff..)“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 263-264Spengler).

„Das Problem hat eine sittliche und eine sachliche Seite. Solange man es ausschließlich als Aufgabe eines Amtes oder der parteipolitischen Taktik behandelt, also nur die Höhe des Bedarfs oder die Auswahl der Opfer ins Auge faßt, kommen beide zu kurz. Wirtschaftsleben und Pflichtbewußtsein werden gleichmäßig bedroht und damit endlich auch der praktische Zweck verfehlt. In allen Ländern der Welt steht heute der Reinertrag der Steuern in gar keinem Verhältnis zu den Erhebungskosten, der Erbitterung und der Schädigung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 264Spengler).

„Steuern sind der Betrag, um welchen die Lebenshaltung des Einzelnen verkürzt wird, um die Mittel zur Lebenshaltung des Ganzen zu gewinnen. Je mehr Aufgaben zum Schutz von Ehre, Sicherheit und Eigentum (Recht), der Lebensmöglichkeit (große Politik, Krieg), der Voraussetzungen wirtschaftlichen Gedeihens (Verkehr, Ordnung) die Gesamtheit übernimmt, weil sie jeder für sich nicht tragen kann oder will, desto größer ist der Teil vom Haushalt des Einzelnen, welcher auf den des Staates überschrieben werden muß, während er dort gespart wird. Denn der Polizist auf der Straße erspart dem Einzelnen Ausgaben für den persönlichen Schutz. Es ist Sache der Weltanschauung zu entscheiden, in welchem Umfange derartige Aufgaben gemeinsam gelöst werden müssen oder sollen. In England bestand von jeher die Neigung, so viel als möglich, in Deutschland, so wenig als möglich der Sorge des Einzelnen zu überlassen, was mit dem Schicksal beider Völker, ihrer Lage und ihrer Tradition zusammenhängt. Jedenfalls aber ist der Staat zur Bezahlung der Kosten seiner Tätigkeit auf jene Überschreibung angewiesen, soweit er nicht eigenes Vermögen besitzt. Und es gehört zum Pflichtgefühl, nüchtern gesagt zur kaufmännischen Ehrenhaftigkeit der Mitglieder dieser Gemeinschaft, den geschuldeten Betrag nicht auf Kosten anderer zu unterschlagen. Von einem Opfer kann keine Rede sein, da eine von den meisten allerdings gar nicht empfundene Gegenleistung besteht, nämlich in allem, was unsere Lage von der eines Geächteten und Rechtlosen unterscheidet. Diese klare Tatsache ist aber so gut wie nie völlig überblickt und noch weniger richtig behandelt worden. Man hat Steuern stets als Last empfunden, weil sie parteiisch auferlegt und so erhoben wurden, daß die einzelne Lebenshaltung und das gesamte Wirtschaftsleben sich wund rieben bis zur Zerstörung ganzer Wirtschaftszweige, und zwar mit einem Reibungsverlust, um welchen die Last dann gesteigert werden mußte. Es steht in der Finanzwirtschaft wie im Rechtswesen:2 es gibt eine Schicht von Sachverständigen und Beamten, die das praktische Wirtschaftsleben nicht aus eigner Erfahrung kennen und unter Mißverstehen des Sinnes staatlicher Hoheitsrechte sich auf den Ressortstandpunkt beschränken: den Eingang eines gewissen Betrages zu sichern, ohne die Verantwortung für die wirtschaftlichen Folgen zu übernehmen und diese auch nur zu durchdenken, weil das die Sache eines andern Ministeriums ist. Außerdem besitzen wir eine gelehrte Finanzwissenschaft, die wie die Rechtswissenschaft aus Literatur entsteht und Literatur hervorbringt, ohne über formale Standpunkte der Einteilung, Methoden und Zwecke entschieden hinauszugehen.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 264-265Spengler).

„Dem Ressortstandpunkt der Ämter steht nun der Neid- und Rachestandpunkt der Parteien gegenüber, der im demokratischen Zeitalter Steuern auswählte und bewilligte mit dem wachsenden Bedürfnis, dem politisch-wirtschaftlichen Gegner, dem Erfolgreichen, dem Besitzenden, dem Sparsamen Lasten als Strafe aufzubürden, während die privilegierten Stände des 18. Jahrhunderts sich damit begnügt hatten, sie von sich abzuwehren. Nun kann man einem lebendigen Körper viel Blut entziehen, ohne ihn zu schädigen, und wenig mit Todesfolge. Es kommt auf die Art an, wie und wo die Entziehung stattfindet. Nicht gegen die Erhebung von Steuern überhaupt richtet sich die Notwehr, die bei allen Völkern in schwieriger Lage die Steuermoral sinken läßt. Aber es gibt heute kein Land, in welchem die Steuergesetze statt von Beamten und Parteien von Sachverständigen des Wirtschaftslebens geschaffen würden, um auf möglichst billigem Wege einen möglichst hohen Reinertrag zu erhalten, ohne den Wirtschaftskörper ernsthaft zu verletzen, womöglich unter Steigerung des Blutkreislaufs in ihm. Es waren noch andere Gründe wirksam, von denen kein einziger aus der Wirtschaft selbst stammt. Vor allem der Mangel an Mut vor unpopulären Maßregeln. Man mutete den eignen Wählern nicht zu, die Steuern unmittelbar zu entrichten und hob ihre Stimmung, wenn man sie zusehen ließ, wie sie scheinbar der Gegner bezahlte, auch wenn die Führer sehr wohl wußten, daß manche Steuern auf diesem Umweg mehr kosteten als einbrachten. »Gerechte Verteilung der Lasten« ist ein schönes Wort, aber es fragt sich, bis zu welchem Grade man ein Volk die Befriedigung solcher Gefühle mit der unbemerkten Mehrbelastung an anderer Stelle bezahlen lassen soll, statt ihm das Wesen des Steuerkreislaufs klarzumachen. Für die Parteien allerdings gab es nichts Vorteilhafteres. Die Erbschaftssteuer z.B. ist nichts als eine zweite Vermögenssteuer von schlechter Methode und besseren Möglichkeiten der Hinterziehung. Man könnte sie sicherer erheben, wenn man das Durchschnittsalter ermittelt und den Betrag auf die entsprechende Anzahl von Jahren verteilt – aber das Neidgefühl den Erben gegenüber kommt dabei nicht auf seine Rechnung.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 265-266Spengler).

„In Wirklichkeit besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem Steuerzahler und dem Steuerträger, aber die Demokratie will ihn aus Stimmungsgründen nicht sehen und der Finanzbehörde ist er gleichgültig. Es gibt keine Steuer, die ganz von dem getragen wird, der sie bezahlt. Es gibt in Wirklichkeit weder direkte Steuern noch Luxussteuern im volkstümlichen Sinne. Eine Kraftwagensteuer trifft auch den Armen, eine Brotsteuer auch den Reichen, nämlich durch Senkung oder Erhöhung der Löhne und Preise. Nur der Ort der Zahlung ist verschieden. Eine wichtige Seite des Wirtschaftslebens besteht darin, daß alle Lasten von der tragenden Stelle aus unbemerkt verteilt werden. Das Mittel dazu ist einerseits die Lohnbildung, andererseits die Preisbildung. Jene schiebt Lasten von unten nach oben, diese von oben nach unten weiter. Der wirkliche Lohn besteht nicht in dem bezahlten Betrage, sondern in dessen Kaufkraft, und die Verringerung der Kaufkraft ist die einzige Steuer, die es für den Lohnempfänger gibt, ob sie nun durch einen Lohnabzug oder durch eine Steigerung der Preise erreicht wird. Ungerecht wird eine Steuer nicht, wenn sie von dem Armen entrichtet wird, denn er entlastet sich doch durch eine Lohnerhöhung bis zu der Grenze, welche die augenblickliche Wirtschaftslage zieht, sondern wenn sie innerhalb derselben Schicht Einzelne trifft und andere nicht. Aber gerade das letzte macht alle modernen Steuersysteme unhaltbar.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 265-266Spengler).

„Solange der Steuerbedarf der Staaten gering war, wie etwa um 1880, waren die Methoden teuer und schwerfällig, aber sonst ohne praktische Folgen. (Vgl. Das Verhältnis von Wirtschaft und Steuerpolitik seit 1750, a.a.O., S. 307 ff..) Mit den wachsenden Rüstungsausgaben unter der Einwirkung des nahenden Weltkrieges, etwa seit 1890, entwickelte sich die Steuerpolitik aber zu einem Wirtschaftskrieg mit parlamentarischen Mitteln, den die politisch Starken oder die, von welchen eine Regierung die Zustimmung zu Rüstungen gegen materielle Zugeständnisse erkaufen mußte, also in der Regel die Linksparteien, gegen die übrigen führten. Das führt zu einer wachsenden Alleingeltung der Neidsteuern, vor allem der direkten Steuern, ohne daß es ihre Verteidiger recht merkten, daß die Verluste der Gegner durchaus keine eigenen Gewinne waren, sondern durch verdeckte Abwehrmaßregeln, neue Methoden der Abwälzung und Steuerflucht ins Ausland verringert und der Rest infolge davon durch die wachsende Beamtenmasse und die fortgesetzt steigenden Erhebungskosten verschlungen wurde.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 266-267Spengler).

„Das Ideal der direkten, auf Selbsteinschätzung beruhenden, von jedem Mitbürger persönlich bezahlten Steuern herrscht heute so unbedingt, daß ihre Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit selbstverständlich erscheint. Die Kritik richtet sich gegen Einzelheiten, nie gegen das Prinzip selbst. Aber trotzdem stammt es nicht aus praktischer Erwägung oder Erfahrung, noch weniger aus einer Rücksicht auf Erhaltung des Wirtschaftslebens, sondern aus der Philosophie Rousseaus. Es stellt den rohen, nur auf Ertrag gerichteten Methoden der Steuerpächter und -einnehmer des 18. Jahrhunderts den Begriff der angeborenen Menschenrechte entgegen, der auf der Vorstellung vom Staat als einem freien Gesellschaftsvertrage beruht und diesen der Tatsache geschichtlich entwickelter Staatsformen entgegensetzt. Es erscheint infolge dieser Anschauung als Pflicht des einzelnen Bürgers und gehört zu seiner Menschenwürde, seinen Anteil an den Lasten des Ganzen persönlich abzuschätzen und persönlich abzuführen. (Vgl. Das Verhältnis von Wirtschaft und Steuerpolitik seit 1750, a.a.O., S. 303 ff..) Von diesem Augenblick an liegt der modernen Steuerpolitik, zuerst kaum bewußt, dann mit steigender Demokratisierung der öffentlichen Meinung immer bestimmter eine Weltanschauung zugrunde, die den Gefühlen und politischen Stimmungen nachgibt und ein unbefangenes Nachdenken über die Zweckmäßigkeit des herrschenden Verfahrens zuletzt völlig ausschließt. Trotzdem war der Gedanke selbst zunächst wohl durchführbar. Die Struktur des Wirtschaftslebens lag damals so, daß die einzelnen Einkommen sämtlich sichtbar und leicht nachzuprüfen waren. Sie stammten entweder aus der Landwirtschaft, oder einem Amt, oder aus Handel und Gewerbe, wo infolge der zunftmäßigen Organisation jeder die Lage des andern überblicken konnte. Größere Einnahmen, die geheim zu halten waren, gab es nicht. Ebenso waren die Vermögen damals sämtlich unbeweglicher und sichtbarer Besitz: Grund und Boden, Häuser, Betriebe und Einrichtungen, von denen jeder wußte, wem sie gehörten. Aber gerade mit dem Ende des Jahrhunderts hat sich darin eine Umwälzung vollzogen, welche die gesamte innere Form der Wirtschaft, ihren Kreislauf und Sinn verändert und die viel wichtiger ist als das, was Marx unter Kapitalismus versteht, nämlich die Herrschaft der industriellen Führerschicht. Gerade die Lehre von Marx hat, weil sie vom geheimen Neid ausgeht und deshalb nur die Oberfläche der Dinge sieht, das anerkannte Bild der Wirtschaft für ein volle Jahrhundert falsch gezeichnet. Die Wirkung ihrer glänzenden Schlagworte war um so größer, als sie Urteile der Erfahrung durch Urteile des Gefühls verdrängte. Sie war so groß, daß sich auch die Gegner ihr nicht entzogen haben und die ganze moderne Arbeitsgesetzgebung auf den durch und durch marxistischen Grundbegriffen Arbeitnehmer und Arbeitgeber – wonach diese also nicht arbeiten – aufgebaut ist. (Vgl. Der Untergang des Abendlandes, II, S. 613 ff., 627..) Da diese Schlagworte sich an die Arbeiterschaft der großen Städte richteten, so erschien innerhalb der Lehre der plötzliche Aufstieg der Großindustrie gegen Mitte des 19. Jahrhunderts als die entscheidende Wendung. Aber gerade im Bereich der großen Technik war die Entwicklung sehr gleichförmig. Eine Maschinenindustrie gab es schon im 18. Jahrhundert. Entscheidend ist vielmehr die rasch zunehmende Ablösung des Besitzes als einer Eigenschaft von den besessenen Dingen, und zwar durch Zwischenschaltung einer Werturkunde, der Anleihe, des Anteils, der Aktie. (Vgl. Politische Pflichten der deutschen Jugend, a.a.O., S. 138 ff..) Das Einzelvermögen wird beweglich, unsichtbar und ungreifbar. Es besteht nicht mehr in sichtbaren Dingen, sondern ist in ihnen nur angelegt und kann in jedem Augenblick den Ort und die Art der Anlage wechseln. Aus dem Besitzer des Werkes ist gleichzeitig der Inhaber von Aktien geworden. Die Inhaber haben jeden sachlichen Zusammenhang mit den Werken eingebüßt. Sie verstehen weder etwas von dessen Leistungen und Aufgaben noch kümmern sie sich darum. Sie achten nur auf den Überschuß. Sie können rasch wechseln, viele oder wenige sein und sich an beliebigen Orten befinden; die Anteile können sich in einigen Händen sammeln, sich zerstreuen oder ins Ausland gehen. Niemand weiß, wem ein Werk wirklich gehört. Kein Besitzer kennt die Dinge, die er besitzt. Er kennt nur den Geldwert diese Besitzes nach dem Börsenkurs. Man weiß nicht einmal, wie viel von den Dingen, die innerhalb der Grenzen eines Landes liegen, den Bewohnern des Landes gehören. Denn seit es einen elektrischen Nachrichtendienst gibt, der es gestattet, auch von der Aktie noch die Besitzeigenschaft durch mündliche Verfügung abzustreifen und in fremde Erdteile zu verlegen, kann der Inlandsanteil an den im Inland liegenden Werken in einer Börsenstunde um ungeheure Beträge steigen oder fallen, je nachdem das Ausland Aktienpakete abstößt oder aufkauft, vielleicht nur einen Tag. Heute ist in allen wirtschaftlich hochstehenden Ländern bereits mehr als die Hälfte des Besitzes beweglich geworden und dessen wechselnde Inhaber sind über die ganze Erde verstreut und haben jedes Interesse an der geleisteten Arbeit außer dem finanziellen verloren. (Drama). Auch der Unternehmer ist mehr und mehr zum Angestellten und Objekt dieser Kreise geworden.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 267-270Spengler).

„Alles das ist an den Werken selbst nicht erkennbar und durch keine Steuermethode genau festzustellen. Damit hört aber die Möglichkeit auf, die Erfüllung der an der Person haftenden Steuerpflicht nachzuprüfen, wenn der Inhaber wechselnder Werte es nicht will. Und dasselbe gilt in steigendem Maße von den Einkommen. Freizügigkeit, Gewerbefreiheit und Aufhebung der Zünfte machen den Einzelnen von der Kontrolle seiner Berufsgenossen unabhängig. Seit es Eisenbahnen, Dampfer, Zeitungen und Telegramme gibt, hat der Nachrichtenverkehr Formen angenommen, welche Kauf und Verkauf von den Schranken von Raum und Zeit befreien. Der Fernkauf beherrscht die Wirtschaft. Die Lieferungs- und Termingeschäfte überflügeln den einfachen Verkehr zwischen Erzeuger und Verbraucher. Der örtliche Bedarf, für den die Zunft arbeitete, wird von der Warenbörse abgelöst, welche Herstellung, Verschiebung und Erwerb der Dinge zur Erzielung von Spekulationsgewinnen gegeneinander ausspielt. Für die Banken wird an Stelle der Wechselgeschäfte des 18. Jahrhunderts die Vermittlung des Kredits zur Hauptquelle des Gewinns und die Spekulation mit den beweglich gewordenen Werten entscheidet an der Effektenbörse von einem Tage zum andern über die Höhe ganzer Nationalvermögen. Damit entziehen sich auch die geschäftlichen und spekulativen Einkommen jeder amtlichen Übersicht, und es bleiben zuletzt nur die mittleren und kleinen Einkommen übrig, die wie die Löhne und Gehälter so einfach liegen, daß eine Täuschung über ihren Umfang nicht möglich ist.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 270-271Spengler).

Das ist die große Wendung von 1800, die eine tiefe Grenze zwischen zwei Zeitaltern der Wirtschaft zieht und alle Ideologien der Zeit Rousseaus rasch veralten ließ: nicht nur den Liberalismus, sondern auch den Sozialismus von Marx, der im Grunde mit den Augen eines Liberalen von 1789, der keinen Erfolg gehabt hat, auf den Zustand von 1848 sieht und nur das sieht, was ihn ärgert, und warum es ihn ärgert. Der Unternehmer ist gerade und deshalb das Ziel des ganzen Unwillens, weil seine Leistung ihn, der oft genug als Arbeiter angefangen hat, über die andern hinaushebt; deshalb wir über diese Leistung geschwiegen, von deren Höhe das Dasein der Stadtbevölkerung abhängt, und nur der sichtbare Ausdruck des Erfolges an die Wand gemalt.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 271Spengler).

„Die allgemein sichtbare Folge war nun, daß das Ideal der steuerlichen Menschenwürde allein nicht ausreichte, um den nötigen Ertrag zu sichern, und das 19. Jahrhundert bietet demnach das Bild eines beständig wachsenden Heeres von Steuerbeamten, das mit einem ungeheuren Aufwand an Arbeit, Geld und Papier der Gewissenhaftigkeit des sich selbst einschätzenden Bürgers nachzuhelfen suchte, welche die Demokratie voraussetzte, aber nicht vorfand. Napoleon setzte die Zahl der Steuerbeamten von 200000 auf 6000 herab, und er erreichte durch ein vernünftiges System, daß die Finanzen bald in Ordnung kamen und er während seiner Herrschaft keine einzige Anleihe aufzunehmen brauchte. Wir aber entziehen eine wachsende Menge arbeitsfähiger Menschen der produktiven Arbeit, die wir heute nötiger haben als je, um sie mit dem Eintreiben und Verrechnen unzweckmäßiger Steuern zu beschäftigen, nicht nur die unzähligen Leute in den Ämtern, sondern die gleiche Zahl in der Wirtschaft selbst, um die immer verwickelter und unmöglicher werdenden Vorschriften auszuführen oder auch nur zu verstehen und die zerstörenden Folgen dieser Methode durch immer neue Schachzüge abzuwehren. Im Jahre 1923 sind in Deutschland über hundert Millionen einzelner Steuererklärungen ausgearbeitet, mehrere hundert Millionen einzelner Zahlungen geleistet und beinahe eine Milliarde Schriftstücke versandt worden. Auf diese Weise wurde fast eine halbe Million Menschen der wirklichen Arbeit entzogen und hat mit ihren Gehältern, dem Materialverbrauch und den Kosten der Betriebsräume den größten Teil der Steuereingänge im voraus verzehrt, was nur dadurch nicht allgemein sichtbar wird, daß der Staatshaushalt es vermeidet, den Reinertrag der Steuern aufzuführen, und statt dessen die Eingänge überhaupt nennt, während die Erhebungskosten an einer anderen Stelle verrechnet werden. Das gilt gerade von den volkstümlichen, »allein gerechten«, direkten Steuern, deren Reinertrag trotz des Aufwands an Zeit, Ärger und wirtschaftlicher Schädigung verschwindend ist oder bei einer mehr kaufmännischen als bürokratischen Aufstellung des Etats sich als Defizit enthüllen würde. Von den Steuern und Zöllen des Reiches und der Länder fielen 1913 von insgesamt 3189 Millionen auf die Einkommensteuer 691, auf die Erbschaftssteuer 70 Millionen. Von den Gesamtkosten der Finanzverwaltung von 881 Millionen kommt aber der weitaus größte Teil gerade auf diese von den Personen und nicht den Dingen erhobenen Steuern. Zur Bestreitung dieser Ausgaben wird gerade der sichtbar gebliebene Teil der Einkommen und Vermögen übermäßig herangezogen, weil er die Last der unsichtbar gewordenen mitzutragen hat, also die Löhne und Gehälter, die kleinen Geschäfte, die Mieten und Spareinlagen. Eine Verschärfung der Methode würde daran gar nichts ändern, denn die Struktur des heutigen Geldverkehrs ist so undurchsichtig geworden, daß selbst banktechnisch geschulte Steuerbeamte eine geschickt abgefaßte Bilanz nicht mehr verstehen und in den großen Fällen nur der den eigentlichen Sinn ihrer objektiv richtigen Ziffern kennt, der an ihrer Aufstellung beteiligt war.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 271-273Spengler).

„Um so fester hält die beschränkte und durch niemand über die Tatsachen aufgeklärte Meinung gerade der Kreise an diesem Steuerideal fest, welche dessen Opfer sind. Die »Weltanschauung der Steuerzahler« mit ihrer Mischung von Gerechtigkeitssinn, Neid, Ärger und Verschmitztheit ist für demokratische Parteien ein viel zu wirksames Mittel, um es durch Kritik zu zerstören. Und auf der andern Seite ist es die in der Welt der Kurse lebende Hochfinanz, welche das persönliche Steuerideal mit ihrem ganzen Einfluß auf Presse und Parteien volkstümlich erhält, denn es entlastet sie selbst und belastet die ihr gegenüberstehenden Mächte der arbeitenden Industrie und Landwirtschaft mit ihrem Schwerpunkt im unbeweglichen Besitz. Die Selbsteinschätzungssteuer ist eine Waffe geworden, welche das unsichtbar hinter den Banken und Trusts stehende Kapital durch die Demokratie schwingen läßt, um den Besitz immer mehr in bewegliche Formen überzuführen und die produktive Arbeit damit den Gewinnmethoden der Spekulation unterzuordnen, so daß sie weder dem Arbeiter, noch dem Techniker, noch dem Unternehmer mehr zugute kommt. Auch der kleine Sparer, der einige Aktien besitzt, kann in jedem Augenblick das Opfer von Geldleuten und ihrer Kurspolitik werden, die in der Stille die Mehrheit des Aktienbesitzes kaufen öder abstoßen, ohne daß es irgend jemand von außen nachzuprüfen vermag.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 273Spengler)

„Also sinkende Steuermoral, Erhebungskosten, welche den Ertrag verschlingen, Belastung der Arbeit, Entlastung der Spekulation, Unterwühlung der unbeweglichen Nationalvermögen zugunsten des heimatlosen Finanzkapitals: zu diesen längst vorhandenen Folgen des herrschenden Steuerideals treten nun die Folgen der Tatsache, daß mit dem Kriege und schon durch die Vorbereitung auf ihn der Steuerbedarf aller Staaten ins Maßlose gewachsen ist. Die Verschuldung ist ungeheuer, die Wirtschaft ins Wanken geraten, die Gesellschaft erschüttert durch Verarmung der tragenden Schichtalter, hochgezüchteter Familien und das Eindringen einer Masse von Neureichen zweifelhafter Herkunft und Moral, die innere Politik mit Spannungen überladen. Aber damit gewinnt die Straße einen maßgebenden Einfluß auf die Steuergestaltung und ihre politische Tendenz. Soweit die Regierungen nicht selbst unter ihrem Druck entstanden sind, müssen sie die Freiheit ihres politischen Tuns und Lassens mit Zugeständnissen gerade auf diesem Gebiet erkaufen. Man würde es nirgends mehr wagen, eine Steuer in Vorschlag zu bringen, die nicht nach der volkstümlichen Auffassung die »starken Schultern«, in Wirklichkeit die Erfolgreichen, Tüchtigen und Sparsamen trifft oder sie zum wenigsten schädigt, auch wenn das praktische Ergebnis zweifelhaft bleibt.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 273-274Spengler)

„Wir befinden uns in einer Zeit des ausgesprochenen Steuerbolschewismus, der ohne viel Aufsehen auf trockenem Wege das zu erreichen sucht, was in Rußland durch Ströme von Blut erreicht worden ist: die völlige soziale Umschichtung innerhalb der Nationen, den Abbau der alten westeuropäischen, in Blut und Geist verfeinerten, von hohen Traditionen und Formen durchsättigten Gesellschaft, bis zuletzt nichts übrig bleibt als eine Gruppe tatsächlich regierender Finanzleute und eine proletarische Sklavenmasse, die beide mit der in Jahrhunderten herangewachsenen innerlichen Kultur nichts zu tun haben, sie weder erhalten können noch entbehren.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 274Spengler).

„In England richtete sich schon die 1908 eingeleitete Steuerpolitik des damals linksradikalen Lloyd George ganz unverhüllt gegen die Aristokratie mit ihrem unbeweglichen und unrentablen Landbesitz, also die Schicht, welche seit Jahrhunderten den Nachwuchs für die hohe Politik stellte und nun an den erdrückenden Tax- und Erbschaftssteuern langsam zugrunde geht. In Holland haben die 1918 von den Radikalen erzwungenen Steuergesetze den Charakter einer kaum verschleierten Beschlagnahme der alten, sichtbaren, ehrlich erworbenen Geschäfts- und Familienvermögen, die namentlich durch die Erbschaftsbestimmungen binnen 50 Jahren aufgezehrt sein werden. In Deutschland wird der arbeitende Wirtschaftskörper durch eine Unzahl sich übersteigernder, kreuzender, wechselseitig vergiftender Steuern wie mit Messerstichen zerfleischt, um ohne Rücksicht auf den Blutverlust allenthalben etwas herauszupressen, und gerade in seinen Zuckungen bildet er ein unvergleichliches Objekt für die berufsmäßige Spekulation. Was mit den Ausdrücken »Erfassung der Sachwerte« und »Eingriffe in die Substanz« bis in die höchsten Stellen hinauf gemeint ist, ist völlig klar: der Verbrauch des unbeweglichen Nationalgutes samt der an ihm haftenden Schicht des Mittelstandes und der geschulten Intelligenz, von deren Schicksal sich allein die Finanzvermögen auf spekulativem Wege freimachen können.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 274-275Spengler).

Das ist Bolschewismus. Es darf heute kaum gewagt werden, die Folgen dieser Umschichtung als verhängnisvoll nachzuweisen, denn sie werden von dem Radikalismus ganz offen gewollt und von der doktrinären Demokratie zum mindesten nicht als Unglück betrachtet. Es ist die soziale Revolution auf unblutigem Wege, welche die bürgerlichen Minister nicht köpft, sondern kauft, die verdeckte Expropriation mit dem Steuerzettel, die Emigration der Oberschicht nicht aus dem Lande, sondern aus dem Besitz. Der Neid herrscht unbedingt, der Wille, die Fleißigen, Aufstrebenden, die Führernaturen bis zur Vernichtung zu belasten. Wir Deutsche haben infolge des Umsturzes mehr als andere Völker auch die geheimen Konfiskationssteuern erlebt, zum Teil aus Unfähigkeit und Feigheit vor den Wählern, zum Teil aus bösem Willen der verantwortlichen Parteien. Zuerst die Inflation, eine furchtbare Steuer, die alle kleinen Ersparnisse und Renten des Mittelstandes, die schwer erworbenen und ehrlich angelegten Vermögen der höheren Stände und die Teile des Einkommens verschlungen hat, welche der einzelne nicht sofort verschleuderte. Dann die Steuer der nichtbezahlten Mieten, welche den Hausbesitz, also wieder einen wertvollen Teil des Mittelstandes, verarmen ließ und zur Verschleuderung der Häuser an Spekulanten und Ausländer zwang, das Baugewerbe mit den Nachbarindustrien stillegte, die Arbeitslosigkeit entsprechend steigerte und durch den Ausfall an Steuern und die Unterstützung der Erwerbslosen solche Summen verschlang, daß die Markentwertung ein um so schnelleres Tempo annahm und der Ersatz wieder durch Belastung der sichtbaren Einkommen und Vermögen in Gestalt von Steuern und verminderter Kaufkraft gesucht werden mußte: es war in Wirklichkeit die teuerste Miete, die jemals bezahlt worden ist. Dann die Steuer der verkehrten Steuerarten, welche die Wirtschaft zwang, einen erheblichen Teil ihres Nachdenkens und ihrer Ausgaben auf Steuerfragen statt auf Produktionsfragen zu verwenden, industrielle und landwirtschaftliche Betriebe umzustellen oder stillzulegen, um der Vernichtung durch die Folgen eines scheinbaren Wertzuwachses zu entgehen; endlich die Steuer zur Bestreitung des Achtstundentages, die in einem Verbrauch des Betriebskapitals bestand, der den Ertrag der Betriebe allmählich auf Null herabdrückte und infolge davon auch von dem Arbeiter in Gestalt von Lohnsenkungen und Feierschichten mitgetragen werden mußte.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 275-276Spengler).

„Die schleichende Wirkung dieses Zustands ist schlimmer als Krieg und Revolution, wenn sie auch nur einige Jahre bestehen bleibt. Auch das reichste Land der Welt würde sie nicht dauernd ertragen. Aber Deutschland ist so arm und wirtschaftlich so krank, daß es früher als andere Länder eine Befreiung braucht, und hier ist ein Gebiet, auf dem es mit seiner ganzen Organisationsgabe und geistigen Energie darangehen sollte, mit einem kühnen Schritt das sinnlos und ideenlos gewordene Steuersystem zu beseitigen, die gesamte Ideologie persönlicher Erhebungsverfahren fallen zu lassen und zum ersten Male ein System aufzubauen, das mit vollem Bewußtsein von der inneren Form des Wirtschaftslebens ausgeht, und dieses durch wohlüberlegte Eingriffe an der richtigen Stelle nicht lähmt, sondern zu größerer Produktion anreizt. Gelingt der Entwurf und die Durchführung, so würde Deutschland in wenigen Jahren vorbildlich geworden sein und von der ganzen Welt nachgeahmt werden. Gelingt er nicht, so ist unsere Wirtschaft verloren.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 275-276Spengler).

„Die Lösung dieser Aufgabe ist verhältnismäßig leicht, sobald man sie verstanden hat und den Mut besitzt, populäre Vorurteile zu verachten. Der Widerstand würde am Anfang groß sein. Am Schluß würde sich jeder wundern, daß das Selbstverständliche so lange brauchte, um sich durchzusetzen. Die Steuer wäre also aufzufassen als das Abziehen von Werten aus dem lebendigen Strom der Wirtschaft, und es käme darauf an, die Stellen aufzusuchen, wo der Eingriff zweckmäßig und ohne Schädigung erfolgen kann. Für den Einzelnen äußert sich das in einer Verengerung seiner kleinen Privatwirtschaft, die nicht von ihm durch persönliche Zahlung vollzogen wird, sondern von außen her mit Selbstverständlichkeit stattfindet, wobei es ganz gleichgültig ist, ob die Einnahmen verkürzt oder die Ausgaben erhöht werden. Das letzte ist vorzuziehen, denn es verursacht geringere Kosten, weil es die Entziehung in vielen Millionen einzelner Posten durch eine in ganz wenigen großen Summen ersetzt. Der Einzelne trägt die Steuer, aber er entrichtet sie nicht. Damit wird die Selbsteinschätzung, die nur einen kleinen Teil der Steuerzahler und gerade nicht die reichsten zu ehrlichen Angaben zwingt, durch die öffentliche Abschätzung sichtbarer Werte ersetzt, die alle erfaßt werden können, und die nun ihrerseits jeden Einzelnen in seinem Aufwand belasten. Die scheinbare Ungerechtigkeit wird durch die Lohnbildung selbsttätig ausgeglichen, so daß der Nettolohnbetrag wieder die durch die Wirtschaftslage bedingte Höhe erhält. Heute verliert sicherlich jeder ehrliche Steuerzahler ein Zehntel der Kaufkraft des ihm zustehenden Einkommens für den Unterhalt von Steuerbeamten, ein Zehntel als Ersatz für die Hinterziehungen der Spekulation und ein Zehntel für den Reibungsverlust der Wirtschaft infolge der direkten Besteuerung.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 276-277Spengler).

„Der gesamte Steuerbedarf würde also durch ganz wenige große Steuern gedeckt werden. Zuerst durch die von Rabbethge (Verfall oder Rettung!, 1923, S. 24 ff.) vorgeschlagene Sachnutzungs- und Lohnkopfsteuer, die insofern eine Einheit bilden, als jene die Betriebe mit kleiner Arbeiterzahl und hohem Nutzeffekt wie die optischen Werkstätten, diese die mit viel Arbeitern und geringem Effekt wie die Berg- und Hüttenwerke stärker trifft. Der ersten unterliegen alle sichtbaren Dinge, die einen Ertrag liefern oder liefern sollten, die also einen durchschnittlichen Verkaufswert besitzen wie Fabriken, Grund und Boden, Wälder, Gebäude, Geschäfte, Werkstätten und Werkzeuge, nicht aber die Rohstoffe und Warenvorräte selbst. Die Steuer richtet sich nicht auf den bei geheimer Selbsteinschätzung angegebenen tatsächlichen oder vorgetäuschten, sondern auf den bei guter Bewirtschaftung im Durchschnitt möglichen Ertrag, der kein Geheimnis ist, da ihn die Öffentlichkeit durch Kauf und Verkauf solcher Dinge, also durch deren Marktwert beständig kontrolliert. Es handelt sich also um eine laufende Rente, die an jeder produktiven Sache haftet, ohne Rücksicht darauf, wer der zufällige Besitzer ist. Sie trifft also auch den Aktieninhaber in Gestalt kleinerer Dividenden und geringerer Kurse, mithin auch den Ausländer, und sie bildet einen starken Anreiz zu einer besseren und höheren Leistung, weil diese Rente nach dem gemeinen Wert durch intensivere Ausnutzung nicht erhöht, durch schlechtere aber auch nicht ermäßigt wird. Da alles Kapital irgendwie in produktiven Sachen angelegt ist, um dort zu arbeiten, kann es hier, aber auch nur hier und nicht im Geldschrank des Besitzers oder augenblicklichen Anteilseigners erfaßt werden. Die ebenfalls von den Betrieben abzuführende Lohnkopfsteuer ist eine Ergänzung und bietet ebenfalls keine Möglichkeit der Hinterziehung, da kein Lohnempfänger ein Interesse daran hat und deren Zahl kein Geheimnis ist.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 277-278Spengler).

„Ich halte daneben als wichtigste aller Aufwandsteuern eine Wohnsteuer für zweckmäßig und gerechtfertigt, die ebenfalls als laufende, im Grundbuch einzusehende Rente, welche wie der Mietpreis ganz öffentlich bekannt ist, an allen Wohnräumen haftet, und zwar abgestuft nach deren Luftraum, Lage, Ausstattung, gärtnerischer Umgebung und Zubehör (Garagen, Gartenhäuser, Gesellschaftsräume), vermindert im Verhältnis zur Kopfzahl der jeweiligen Bewohner, eine Rente, die von den Besitzern abgeführt wird und sich auch auf Gasthöfe erstreckt, so daß Fremde und Luxusreisende ihr ebenfalls unterliegen.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 278Spengler).

„Daneben bleiben die Aufwandsteuern auf Tabak und Alkohol bestehen, auch eine Kapitalertragsteuer, die in Verbindung mit einem Aktiengesetz die beweglichen, also arbeitsfreien Vermögen mit einem Zuschlag belastet, um so sicherer, wenn Kapitalsanlagen und Darlehen nur durch die Steuerquittung bestätigt werden können und sonst erlöschen. Dafür fallen die Einkommen-, Lohnabzug-, Umsatz-, Erbschafts-, Vermögens- und Wertzuwachssteuern gänzlich fort, samt dem ungeheuren Apparat für ihre Erhebung von jeder Einzelperson, den gewaltigen Kosten und den leichten Möglichkeiten der Hinterziehung. Der Einzelne hat seine Steuer weder abzuschätzen noch abzuführen. Er bemerkt von ihr überhaupt nur etwas durch die Verkürzung seiner Nettoeinnahme. Die Ersparnisse auf diesem Wege würden einer Verdoppelung des Ertrages aller bestehenden Steuern gleichkommen; die Wirtschaft würde frei sein und auf unrentable Abwehrmaßregeln verzichten können; der Einzelne würde frei sein von dem Gefühl der Belastung zugunsten anderer und der Qual des unablässigen Schreibens und Rechnens.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 279Spengler).

„Dringt die Reform nicht durch, so wird ein großes Land nach dem andern unter dem heutigen Steuerdruck in die Sklaverei der Hochfinanz geraten, zu deren Gunsten allein die bestehenden Systeme arbeiten.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 279Spengler).

NACH OBEN „Arbeit und Eigentum“ (S. 279-286):

„In der gegenwärtigen Wirtschaftswelt ist die Industrie das wichtigste Element. Seitdem sie durch die Verwendung von Naturkräften zur leistung von Arbeit die Arbeitskraft des Menschen ins Unbegrenzte gesteigert hatte, vermochte sie eine stärkere Bevölkerung in den betreffenden Gebieten zu erhalten, als es der Landwirtschaft und dem Handwerk bis dahin möglich war. Da aber die Industrie bei wachsender Ausdehnung zur Bedienung ihrer Menschen immer mehr menschliche Arbeitskräfte brauchte, so entwickelte sich ein Kreislauf, in welchem zuletzt jedes Menschenleben kostbar wurde und die Entwicklung der modernen Hygiene nach sich zog, weil die Wirtschaft auf kein einziges verzichten konnte, und gleichzeitig die Maschine kostbar wurde, weil sie für den Unterhalt dieser Menschenmasse nicht mehr zu entbehren war. (Vgl. Das heutige Verhältnis zwischen Weltwirtschaft und Weltpolitik, a.a.O., S. 322 ff..) Das hat zu der ungeheuren Bevölkerungszunahme der letzten 60 Jahre geführt. Sie ist ein Produkt der Maschine (vgl. Der Untergang des Abendlandes, II, S. 624) und macht die Menschen von dieser abhängig. Daher die Angst in den großen Industrieländern um die Sicherung von Rohstoffzufuhr und Absatzgebieten für ihre Betriebe. Es handelt sich um Leben und Tod ganzer Bevölkerungen. Daher auch das Gefühl des Industriearbeiters, die ausschlaggebende Macht zu sein. In der Tat hängt seine ganze Existenz von der Lebensfähigkeit seiner Industrie ab, und von ihm wieder die Existenz aller Menschen, die über die Bevölkerungsziffer von 1800 hinaus in Westeuropa und Nordamerika vorhanden sind. Die Industrie ist heute wichtiger als die Landwirtschaft. Versagt diese, so besteht wenigstens die Möglichkeit, daß der Rest sich mit dem Ertrag seiner Arbeit durch Zufuhr erhält. Versagt jene, so ist der Bevölkerungsüberschuß verloren. Es war ein Unglück, daß die Industriearbeiterschaft, und zwar sicherlich nicht durch ihre Schuld, einer politischen Bewegung erlag, deren überzeugende Schlagworte ihre Weltanschauung heute noch völlig bestimmen. Sie lernte sich selbst nicht als Glied, sondern als Ziel und Krönung der Wirtschaftsgeschichte sehen und damit alle treibenden Kräfte falsch einschätzen. Wenn es richtig ist, daß gegenwärtig die Industrie den Ausschlag gibt - und darin hat Marx ohne Zweifel recht -, so doch der Maschine selbst und nicht des Arbeiters wegen. Außer ihm ist noch der Techniker da, der die Industrie als geistige Größe geschaffen hat, indem er Kenntnisse von der Natur in Macht über die Natur verwandelte und die Wissenschaft zwang, ihre Ansichten von vornherein als Arbeitshypothesen zu konstruieren, so daß jedes neue Gesetz sogleich ein Hebel im Bilde der Außenwelt war. Dann kam der Unternehmer, um aus dem technischen Verfahren ein wirtschaftliches Lebewesen zu schaffen. Der Arbeiter fand ihn vor, wurde von ihm angesetzt und lebte von ihm. Es ist richtig: er kann »alle Räder still stehen lassen«, aber er kann sie nicht allein in Gang halten. Er ist auch nicht der einzige, der arbeitet, wie es der Marxismus in alle Arbeiterköpfe hineingehämmert hat. Im Gegenteil, Techniker und Unternehmer arbeiten mehr als er, intensiver, verantwortlicher, weiterhin wirkend. Es gibt Führerarbeit und ausführende Arbeit. (Vgl. Der Untergang des Abendlandes, II, S. 616, 625 ff..) Beides zusammen erst ist Industrie. Sie können nicht getrennt werden, denn jede hört ohne die zweite auf. Ihnen gegenüber steht als etwas ganz anderes die Gewinnarbeit der Spekulation, die nichts erzeugt, sondern die Erzeugung voraussetzt, um von ihr zu zehren. Die Industrie hat in ihrer Frühzeit an einer starken Entpersönlichung der Arbeiter gelitten. Im 18. Jahrhundert lichtete sich ganz plötzlich der wissenschaftliche Horizont und die Technik lag in großen Umrissen da. Was damals gearbeitet wurde, war iin Vergleich zu heute außerordentlich roh, einfach, g!eichförmig und mechanisch. Heute stehen die großen Linien fest und die Arbeit richtet sich auf die Verfeinerung und Vertiefung der Einzelgebiete. Statt der Dampfmaschine überhaupt handelt es sich um äußerst komplizierte Spezialmaschinen, statt der bloßen Verbrennung um die Aufschließung und Auswertung der Kohle. Jede moderne Industrie wird von durchgeistigten Methoden beherrscht, die sich in eine große Menge von Einzelaufgaben auflösen, deren jede ein hohes Maß von Intelligenz, Schulung und persönlicher Fähigkeit voraussetzt. Der demokratische Zug, welcher im 18. Jahrhundert die Zünfte und Gewerbe auflöste und undifferenzierte Massen in die Fabriken trieb, verwandelt sich heute langsam in einen aristokratischen, der aus der Masse von Arbeitenden eine Schicht von Kennern und überlegenen Köpfen heraushebt, welche die an die höchsten Gebiete der wissenschaftlichen Technik streifenden Fachaufgaben bewältigen. Dieser aristokratische Zug geht gleichmäßig durch Politik und Wirtschaft, mit Notwendigkeit, da beide nur Seiten des gleichen Lebens sind, und führt dort zur Auflösung parlamentarischer Zustände, hier zur Ausbildung einer Schicht von gehobenen Arbeitern, die allerdings allem widerspricht, was die marxistische Theorie als Ergebnis der Entwicklung vorausgesagt hatte und was sie für die Partei gebrauchen kann. Nirgends ist der Kampf gegen diese allgemeine Entwicklung so erbittert wie hier, denn der Sozialismus als politische Tatsache, als Parteiprogramm, steht auf dem Spiele. Es gehörte zu den unermüdlich verfolgten Zielen Bebels und ist das größte Verbrechen, das an der deutschen Arbeiterschaft begangen worden ist, daß man ihr den Ehrgeiz persönlicher Leistungen nahm und den Aufstieg innerhalb der Wirtschaft als Verrat an der Arbeitersache brandmarkte. Es wurde davon geschwiegen, daß die Hälfte der großen Industrieschöpfer Arbeiter gewesen waren. Es wurde nur eine Art des Aufstiegs geduldet und als Ziel des Ehrgeizes an den Horizont gezeichnet: die Laufbahn als Sekretär und Abgeordneter innerhalb der Partei. Der Begabte mußte der Arbeit den Rücken kehren, wenn er die Achtung der Arbeiterschaft erwerben wollte. Sie sollte eine abgeschlossene Kaste sein, in der alle Werturteile umgekehrt waren als draußen. An dem Aufblühen der Industrie, an neuen Erfindungen, Methoden, Organisationsmöglichkeiten, an der Erschli,eßung neuer Rohstoff- oder Absatzgebiete hatte man, mit Betonung, kein . Interesse, um sich in demselben Atemzuge mit der Industrie für gleichbedeutend zu erklären. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben heutiger Volkserziehung, Erziehung des Volkes zur Zukunft, diese Zentnerlast zynischer Begriffe von den Tatsachen und den Menschen zu nehmen. Die Arbeiterschaft muß frei werden von dem seelischen Druck im Interesse einer Partei, die nur in gedrückten Menschen ein brauchbares Material erblickt. Die Technik gibt dem heutigen Arbeiter wachsende Möglichkeiten zur Entfaltung der freien Persönlichkeit, zur Eroberung eines ganz gewaltigen Einflusses auf die Anlage und Entwicklung fabrikmäßiger Verfahren, zur Heranbildung eines Nachwuchses von Führern aus ihrer eigenen Mitte. Der Ehrgeiz nach solchen Zielen müßte in die Arbeiterschaft gepflanzt werden, das Bewußtsein einer realen Macht, die ausschließlich in Intelligenz und Qualitätsleistungen liegt. Führerleistungen, und nur sie, machen einen Menschen unersetzlich und unentbehrlich. Und deshalb muß im öffentlichen Bewußtsein die infame Methode geächtet werden, für welche die Partei und das Parteiprogramm zugunsten der Ziele einer bezahlten Führerschaft das Interesse der Arbeiter selbst opfern: das Lohnsystem, welches die höhere Leistung straft, den Fleiß verdächtigt, die Qualität zum Verrat, das Lernen zur Lächerlichkeit stempelt, indem es an der mechanischen Gleichförmigkeit von 1800 festhält und vor den Tatsachen der Differenzierung von 1900 die Augen schließt, und zwar wider besseres Wissen.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 279-283Spengler).

„Mag die Arbeit auch eine Ware sein, wie sie der Materialismus von 1850 auffaßte, sie ist noch etwas anderes, nämlich eine persönliche Leistung. Der Unternehmer arbeitet als Führer auch, aber er leistet Arbeit von höherer Qualität, ohne die er sich nicht halten würde, und der begabte, fleißige und ehrgeizige Arbeiter sollte mit dem Gefühl auf ihn blicken, daß eigenes Können den Weg zu gleicher Führerarbeit eröffnet und tausendmal eröffnet hat. Dieser Ausblick sollte den jungen Arbeiter beherrschen - es liegt eine Weltanschauung darin - und ebenso der Gedanke, daß die Führung der Arbeiterschaft den Arbeitern gehört, den starken, klugen, überlegenen, und zwar innerhalb der arbeitenden Wirtschaft selbst, und nicht dem Schwarm bezahlter Parteibeamten unter Führung ehemaliger Journalisten und Advokaten, welche von der Arbeit der Arbeiter leben und durch Pflege gereizter Stimmungen die Unentbehrlichkeit ihrer Posten sichern müssen. Aber auf der andern Seite sollte über der Lebensaufgabe des Unternehmers der Satz stehen: Eigentum verpflichtet. Eigentum, das Wort mit dem ganzen sittlichen Ernst germanischen Lebens aufgefaßt, enthält in sich auch eine Art von Sozialismus, einen preußischen, nicht englischen Imperativ: Verfahre mit deinem Eigentum so, als ob es dir vom Volke anvertraut sei. Betrachte es als einen Inbegriff von Machtbeziehungen, die Arbeit und Glück schaffen können, nach allen Richtungen hin, wenn sie richtig verwendet werden. Wenn man das Schlagwort des vorigen Jahrhunderts gebrauchen will, so gibt es zwei Arten von Kapitalisten: den Unternehmer und den Spekulanten. Dieser hat ein Kapital, jener hat ein Werk. Der erste erzeugt, der zweite beutet das Erzeugte aus. Dem einen dient das Geld als Betriebsmittel, dem andern als Gegenstand eines Spiels. Als Marx lebte, war die Börse bereits eine Macht, aber sie lag seinem eigenen Instinkt so nahe, daß er nur die andern als Gegner empfand. Expropriation der Expropriateure - das bedeutet, wie die russische Enteignung bewiesen hat, Unterwerfung des Industrieführers, des »Vorarbeiters« vom ersten Range, unter die Spekulation und, was nicht nur Rußland ebenfalls beweist: der Typus des berufsmäßigen Arbeiterführers, der mit Taktik spekuliert, ist der der Hochfinanz stets nahe verwandt. Eigentum verpflichtet - und die Verletzung dieser Pflicht sollte allerdings eine entsprechende Verkürzung der Rechte herbeiführen. Die Gesetze, welche den Mißbrauch des Eigentums verhindern, können nicht streng genug sein. Darin sollte vor allem auch eine Aufgabe der Aktiengesetzgebung liegen, welche die Ausbeutung unbeweglicher Werke und Güter durch die Spekulation nach Möglichkeit in Grenzen hält, indem sie die Wertverschreibungen jeder Art in Formen bringt, die eine beständige Kontrolle gestatten. Im Unternehmertum selbst liegt aber eine andere Gefahr, die beinahe niemand beachtet und die nicht bedenklich genug angesehen werden kann: In der Frühzeit der Werke, die jedes für sich standen, wurden die großen Talente früh sichtbar, früh, freigemacht und früh an die verantwortlichen Posten gestellt. So sind Siemens, Krupp, Borsig und hundert andere aufgestiegen. Seitdem hat die zunehmende Vertrustung ganzer Wirtschaftsgebiete dahin geführt, die Verwaltung bürokratisch zu gestalten, so daß die Begabungen in ihr vorzeitig förmlich werden und jedenfalls schwer zu entdecken und zu erziehen sind. Die größte Gefahr der Konzernbildung ist die Vernichtung eines ebenbürtigen Nachwuchses, und dazu kommt die tief im deutschen Wesen liegende, auch für das Werk Bismarcks verhängnisvoll gewordene Grundneigung, für sich allein stehen zu wollen, alles selbst zu tun, keinen vertrauten Mitarbeiter, Stellvertreter oder Nachfolger heranzubilden, so daß die Nachteile jeder Zwangswirtschaft und Sozialisierung, die Verkümmerung der Führerschicht, sich hier aus ganz andern Ursachen ebenfalls bemerkbar machen. Die Freiheit der Wirtschaft hat die ungeheuren Erfolge herbeigeführt, denen wir Deutschlands Aufschwung und Reichtum vor dem Kriege verdanken. Die persönliche Auswirkung persönlicher Fähigkeiten ist es, mit welcher Industrie, Schiffahrt, Handel und jeder andere Wirtschaftszweig steigen oder sinken. Und diese Freiheit wird von den Konzernen ebenso gefährdet wie durch den staatlichen Zwang. Sie nehmen beide den schöpferischen Persönlichkeiten den freien Willen, um ihn durch ein Schema zu ersetzen. Sie hemmen beide den Aufstieg der Tüchtigen, weil das Arbeiten mit der Mittelmäßigkeit bequemer ist. Zum Schlusse noch eins, das in der Regel unterschätzt wird: Jedes große Unternehmen der Wirtschaft ist politischer Natur. (vgl. Das heutige Verhältnis zwischen Weltwirtschaft und Weltpolitik, a.a.O., S. 313 ff..) Es mag ausführen, was es will: Von einer gewissen Größe an hat alles auch eine politische Seite, und wenn jemand in solcher Stellung das politische Tun und Nachdenken unterläßt, so ist das ebenfalls eine Haltung von politischen Folgen. Die Gefahr wirtschaftlicher Fachbegabungen liegt aber viel weniger in einer Unterschätzung der Politik, als in deren Verwechslung mit rein wirtschaftlichen Aufgaben. Wirtschaftspolitik kann eine wesentliche Seite der großen Politik sein und ist es immer gewesen, aber es ist kein Ersatz für sie. Wer daran glaubt, endet mit einem notwendigen Mißerfolg. Das wirtschaftliche Leben der heutigen Menschen vollzieht sich in großen Körpern, welche durch die politischen Grenzen gebildet werden. Es ist also richtig zu sagen, daß das Dasein der Staaten eine wirtschaftliche Seite hat, um so richtiger, als die politische Seite immer entscheidend bleibt und ein Irrtum darüber sich stets und bitter gerächt hat. So scheint es mir endlich, daß dies die großen Ziele der deutschen Wirtschaft sein sollten: Züchtung einer führenden Arbeiterschicht mit Eignung für die höchsten Aufgaben der Werke selbst; Pflege des Ehrgeizes in dieser Richtung; Erziehung eines Nachwuchses durch freie Gestaltung der Struktur der Werke; Auffassung des Eigentums an produktiven Gütern als einer Verpflichtung gegen die Nation, und Auffassung dieser Pflicht als einer solchen auch für die hohe Politik.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 283-286Spengler).

NACH OBEN „Zur Weltlage“ (S. 286-296):

„Die Tugend besiegter Völker ist die Geduld, nicht die Resignation.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 287Spengler).

„Rußland hat mit der symbolischen Verlegung seiner Hauptstadt von Petersburg nach Moskau den Schritt zurückgenommen, den Peter der Große getan hatte: sich als europäische Macht zu konstituieren .... Heute gilt das Umgekehrte. Der Bolschewismus in ursprünglicher Form war zwar selbst westeuropäischer Herkunft und Struktur und konnte sich deshalb darüber nicht ganz klar sein.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 293-294Spengler).

„In der Bauernschaft der russischen und asiatischen Erde, von der Weichsel bis an die Grenzen Indiens und Chinas, über die alle großen Kulturen bis jetzt wie Schatten fortgeglitten sind, regt sich die religiöse Inbrunst, halb christlich-orthodox, halb bolschewistisch verkleidet, ihres eigentlichen Wesens noch kaum bewußt, und aus ihr kann eines Tages die große Erscheinung hervorgehen, die in ein einem ungeheuren Ansturm das Bild Asiens und damit die diplomatischen Ziele und Hoffnungen der Welt von Grund aus verändert. Vielleicht wird eines Tages die heilige Revolution ebenso blutig losbrechen wie einst die rote. Das Beispiel des Barons von Ungern-Sternberg (1806-1868) zeigt, mit wie geringen Mitteln Asien in einer Form mobil zu machen ist, gegen die es keinen Widerstand gibt. Und ist es angesichts der tiefen Erregung im Islam anders?  Liegt die Erscheinung eines echten Khalifen, der nicht um seine Anerkennung zu streiten braucht, weil plötzlich niemand seine Berufung anzweifelt, außerhalb aller Möglichkeit?“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 294Spengler).

„Kein Parlament, keine Partei, kein Heer hat heute an und für sich die Entscheidungen in der Hand. Sie liegen überall und ausschließlich im Dasein oder Nichtsein einzelner Männer, ihren persönlichen Entschlüssen, Ideen und Zielen. Eine Grenze, wie sie noch zur Zeit Bismarcks auch der Stärkste an den bestehenden Verhältnissen fand, gibt es nicht mehr.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 295-296Spengler).

 

NACH OBEN Anmerkungen:

 

Heute hat diese Entwicklung bereits wahnwitzige Dimensionen angenommen: „Wir haben eine Hinwendung zu einer Form der Wirtschaftsbeherrschung, der Beherrschung der Politik durch die Wirtschaft, die meiner Ansicht nach erschreckend ist“, sagte Peter Scholl-Latour im März 2004 gegenüber dem TV-Sender Phoenix und erläuterte: „Die Wirtschaftsmanager - ich meine natürlich nicht alle - sind Leute, die ihre Riesensummen kassieren, ihr Unternehmen durch Riesenfusionen kaputtmachen, ihre Riesensummen kassieren und dann ihre Angestellten in die Arbeitslosigkeit entlassen. Das ist wirklich ein Skandal! - .... - Der Shareholder ist wichtiger als der Bürger.“ Das hatte Spengler uns schon 1917 prophezeit !

Polybios (um 200 - um 120 Polybios) unterschied 3 Gattungen der Geschichtsschreibung. Die von ihm gepflegte Gattung nannte er pragmatikh istoria, die Tatsachen-Geschichte für ernste Leser, die lesen, um zu lernen. Wichtig waren ihm 3 Teile bzw. Forderungen, die der pragmatische Historiker zu erfüllen hat: Studium der Quellen, der Schauplätze der Geschichte und politisch-militärische Erfahrung. Timaios und andere Schreibtischhistoriker wurden von Polybios abgekanzelt. Neben den in den Zielsetzungen der führenden Männer liegenden aitai (Ursache, Grund) des historischen Geschehens gibt es noch eine andere gewaltige verursachende Macht, das Unberechenbare, das Irrationale, von Polybios gelegentlich mit Ausdrücken um automaton umschrieben, meist aber Tyche (Schicksal, Zufall) genannt. Außer den politisch-militärischen Betrachtungen streute der leidgeprüfte, philosophisch veranlagte Historiker auch häufig allgemein-moralische Reflexionen in sein Werk ein, darunter manche sehr feine Bemerkung. Polybios wurde nicht nur bedeutend als der Historiker, der eine Fülle geschichtlichen Stoffes übermittelte, sondern auch und vielleicht noch mehr als Geschichtsphilosoph. Er vertrat die Vorstellung von einem Kreislauf der Verfassungen und betrachtete die römische Mischverfassung als die beste. Polybios hatte stärkste Wirkung auf die gesamte spätere Geschichtsschreibung - griechische und römische. Besonders stark beeinflußte er Poseidonios (um 135 - 51 ), der zum einflußreichsten Denker der mittleren Stoa wurde (Stoa), und Strabon (um 63 v. Chr. - um 19 n. Chr. Strabon) sowie Titus Livius (59 v. Chr. - 19 n. Chr. Livius). Polybios' Hauptwerk Historien (40 Bücher zur [römischen] „Weltgeschichte“ von 264 bis 144) wurde von Poseidonios und von Strabon fortgesetzt. Auch Oswald Spengler (1880-1936 Oswald Spengler) war von Polybios beeindruckt.

Ferdinand von Schill (1776-1809), preußischer Offizier, der sich in den Koalitionskriegen vor allem bei der Verteidigung von Kolberg (1807) auszeichnete. 1809 versuchte er vergeblich mit seinem Husarenregiment eine allgemeine Erhebung gegen Napoleon I. auszulösen und fiel in Stralsund im Straßenkampf; 11 Offiziere seines Korps wurden in Wesel standrechtlich erschossen, mehr als 500 Soldaten auf französische Galeeren geschickt.

„Und, nebenbei gesagt, wie klein, flach, beschränkt und unwürdig steht neben dem englischen Satz: »Right or wrong, my country!« der deutsche: »Juden hinaus!«, eine bloße Negation unter völliger Verkennung der Tatsache, daß die gefährlichsten antideutschen Züge, der Hang zu internationaler und pazifistischer Schwärmerei, der Haß gegen Autorität und Machterfolge tief gerade im   d e u t s c h e n   Wesen begründet sind. Angehörige der eigenen Rasse sind immer gefährlicher als die einer fremden, die schon als Minderheit die Anpassung vorziehen muß, wenn man sie ernsthaft vor die Wahl stellt. Der englische Instinkt tut das - und mit großem Erfolge: jeder Fremde wird als Engländer anerkannt, wenn er und so lange er sich für die Größe Englands mit seinen Talenten, Mitteln und Beziehungen einsetzt.“ (Oswald Spengler, Neubau des Deutschen Reiches, 1924, in: Politische Schriften, S. 203Spengler).

„Ich verstehe unter »Farbigen« auch die Bewohner Rußlands und eines Teils von Süd- und Südosteuropa.“ (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer Philosophie des Lebens, 1931, S. 85Spengler).

„Abgesehen davon, daß in einem südlichen Lande mit halbtropischem Lebensstil und entsprechender »Rasse«, und außerdem mit schwacher Industrie, also unentwickeltem Proletariat, die nordische Schärfe des Gegensatzes nicht vorhanden ist. In England etwa hätte diese Art von Faschismus nicht entstehen und sich nicht behaupten können.“ (Oswald Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 134Spengler).

Vgl. Oswald Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 77ff. und ders., Politische Schriften (Preußentum und Sozialismus), 1919, S. 75ff..Spengler

Vgl. Oswald Spengler, Politische Schriften (Politische Pflichten der deutschen Jugend), 1924, S. 139ff. und ders., Politische Schriften (Neubau des Deutschen Reiches), 1924, S. 269.Spengler

Vgl. Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, S. 566.Spengler

„Das altgermanische Wort eigan bedeutet herrschen: nicht nur etwas »haben«, sondern unumschränkt darüber verfügen.“ (Oswald Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 138Spengler).

„Von dem ererbten Bauernhof, der Werkstatt, der Firma mit alten Namen bis zur Erbmonarchie. Die Republik ist seit 1789 eine Form der Opposition gegen den Erbgedanken, nicht anderes.“ (Oswald Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 140Spengler).

„Das Urteil Jugurthas über Rom.“ (Oswald Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 147Spengler).

„Die Libyer und »Seevölker« durch die Ägypter des Neuen Reiches, die Germanen durch Rom, die Türken durch die Araber, die Neger durch Frankreich.“ (Oswald Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 147Spengler).

Vgl. Eduard Meyer (1855-1930 Eduard Meyer), Blüte und Niedergang des Helleninsmus in Asien (1925), Oswald Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 148.Spengler

Vgl. Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, S. 680ff..Spengler

„Ich wiederhole: Rasse, die man hat, nicht eine Rasse, zu der man gehört. Das eine ist Ethos, das andere - Zoologie.“ (Oswald Spengler, Jahre der Entscheidung, 1933, S. 161 Spengler).

NACH OBEN Quos Jupiter vult perdere dementat: „Wen Jupiter verderben will, dem raubt er den Verstand“.

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