Die Familienmanagerin. Kindererziehung und Bevölkerungspolitik
in Wissensgesellschaften. (2006) **
Die
entwickelten Länder sind geprägt von einer Armut an und unter Kindern,
beschönigend auch demographischer Wandel genannt. Peter
Mersch zeigt auf, daß es in Wissensgesellschaften eine Kernaufgabe des Staates
ist, für eine quantitative und qualitative Nachwuchssicherung und damit für
eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung zu sorgen, andernfalls wird die
Zukunftssicherung vernachlässigt und es kommt zu einer Verletzung des Prinzips
der Generationengerechtihkeit.Effizient
erfüllen ließe sich die Aufgabe durch eine Professionalisierung von
Familienarbeit, die über eine Besteuerung von Kinderlosen zu fiannzieren
wäre.Das Fazit des Autors ist: Das
demographische Problem der entwickelten Länder ist lösbar, allerdings
ganz anders, als es bislang versucht wurde.»Das
Plädoyer für eine Professionalisierung von Familientätigkeiten
hat vieles für sich. Manche werden einwenden, das Familienmanager-Konzept
leiste eine Deinstitutionalisierung von Familie weiter Vorschub. Auf jeden Fall
spricht der konsequente Vorschlag aber eine bisher kaum bedachte Dimension in
der Diskussion in der Diskussion um eine prekäre Nachwuchssicherung an.«
(Prof. Dr. Franz-Xaver Kaufmann).
(Ebd., Klappentext). |
Vorwort
Kinderlose erwarten, daß andere
für sie Kinder aufziehen. Für diese Haltung gibt es aber Entsprechungen
mit vorhandenen gesetzlichen Regelungen. So wird ein Erwerbstätiger, der
ein uneheliches Kind zeugt, mit dem Aufziehen des Kindes jedoch nichts zu tun
hat, zu jahrzehntelanger Unterhaltszahlung verpflichtet. (Ebd., S. viii).Verschiedene
Autoren haben deshalb längst gefordert, Kinderlose höher zu besteuern.
(Zum Beispiel: Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 71 [**];
Phillip Longman, The Empty Cradl - How Falling Birthrates Threaten World Prosperity,
2004, S. 173ff.). (Ebd., S. viii).Der Staat muß die
gesellschaftliche Reproduktion aufwerten. (Ebd., S. x).
Einführung
Auf dem Weg zur Wissensgesellschaft
Die fortgeschrittenen
Industrienationen befinden sich auf dem Weg hin zu Wissensgesellschaften Nicht
mehr die Ressourcen Arbeit, Kapital und Rohstoffe spielen die entscheidende Rolle,
sondern die geistigen Fähigkeiten und das theoretische Wissen ihrer Menschen.
Gleichzeitig entwickeln diese Staaten ein demographisches Problem: Die Lebenserwartung
steigt, während die Fertilitätsrate sinkt, und dies alles um so mehr,
je höher das Bildungsniveau, der Lebensstandard und der Grad der Geschlechtergleichberechtigung
sind. »Je erfolgreicher die Wirtschaft und je gebildeter die Frauen, desto
unfruchtbarer ist die Nation. Frauen verdienen mehr und gebären weniger.«
(Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 67 [**]).
Dieser Trend läßt sich sogar innerhalb der Grenzen eines Staates beobachten:
Manche Länder haben nur deshalb noch halbwegs bestandserhaltende Geburtenraten,
weil sie über starke Anteile sozial schwacher und gering ausgebildeter Bevölkerungsschichten
oder ethnische Minderheiten mit höheren Fertilitätsraten verfügen.
Die meisten Autoren - insbesondere Demographen und Ökonomen - betrachten
die Entwicklung mit Sorge. (Zum Beispiel: Franz-Xaver Kaufmann,
a.a.O., Meinhard Miegel,
a.a.O., Herwig Birg,
a.a.O.). (Ebd., S. 1).
Die erste demographische Frage (Quantität)
Die
erste entscheidende Frage (Quantitäts-Frage) lautet ... (**): | Durch
welche Maßnahmen kann in ... Wissensgesellschaften mit hohem Bildungsniveau,
hohem Lebensstandard und Gleichstellung der Geschlechter ein bestamdserhaltendes
Reproduktionsverhalten erzielt werden? (Ebd., S. 3). |
Die zweite demographische Frage (Qualität)
Entscheidend
sind letztendlich die Fähigkeiten der Bevölkerung. Wie die Folgen des
2. Weltkrieges gezeigt haben, kann sich ein Land mit gut ausgebildeter und
motivierter Bevölkerung auch dann wieder relativ schnell erholen, wenn seine
Infrastruktur weitestgehend zerstört ist. (Ebd., S. 4).Fachleute
sind sich darin einig, daß die wichtigsten zukünftigen Ressourcen für
Unternehmen und Gesellschaften Wissen und kognitive Fähigkeiten sind. Diese
Entwicklung entspricht auffälliger Weise der biologischen Evolution, in deren
Rahmen sich letztendlich ein Lebewesen (der Mensch) durchgesetzt hat, welches
anderen Spezies vor allem in seinen geistigen Fähigkeiten überlegen
war. (Ebd., S. 4).Die unmittelbare Konsequenz daraus ist:
Der wissende Mensch mit seinen geistigen Kompetenzen rückt zunehmend ins
Zentrum des wirtschaftlichen Geschehens. (Ebd., S. 4).Zur
Quantifizierung der Wissensressourcen wurden in den Wirtschaftswissenschaften
die Begriffe Humankapital und Humanvermögen eingeführt. (Ebd.,
S. 4).Ökonomisch denkenden und rechnenden
Unternehmen ist es also geläufig, zum Teil erhebliche Summen in Forschung
und Entwicklung - das heißt in die unternehmerische Reproduktion - zu stecken,
die sich - wenn überhaupt - vielleicht in 25 Jahren auszahlen werden. Trotzdem
gehen sie diesen Weg, weil sie andernfalls in 25 Jahren nicht mehr konkurrenzfähig
sein würden. (Ebd., S. 5).Unzureichende gesellschaftliche
Investitionen in den eigenen Nachwuchs sind deshalb keine Folge des Primats der
Ökonomie, sondern von fehlendem langfristigem ökonomischem Denken. Sie
sind nicht das Werk von Ökonomen, sondern von Bürokraten (und
also: Politikern! HB). (Ebd., S. 5).Während
führende Konzerne ihre besten Köpfe in die Forschung und Entwicklung
stecken, überläßt man in unserem Staat die Entwicklung des wichtigsten
»Produktes« - des Menschen - zunehmend Schichten mit geringer Bildung
und niedrigem Einkommen. Während in Unternehmen zum Teil erhebliche Summen
in die Erneuerung fließen, hat man in unserem Staat offenkundig gemäß
dem demographisch-ökonomischen
Paradoxon (vgl. Herwig Birg,
Strategische Optionen der Familien- und Migrationspolitik in Deutschland und
Europa [**],
in: Christian Leipert
[Hrsg.], Demographie und Wohlstand, 2003, S. 30 [**])
die Auffassung, daß nur unter ärmlichsten Bedingungen, wie sie zum
Beispiel in der Dritten Welt oder vor Ort bei Sozialhilfeempfängern vorzufinden
sind, eine ausreichende Zahl an Kindern in die Welt gesetzt werden können.
Besonders motivierte und kompetente Menschen - Deutschlands Dichter und Denker
- werden dagegen in erster Linie in der Erwerbsarbeit, das heißt in der
Produktion, benötigt. (Ebd., S. 5).
Einerseits ist Intelligenz zu einem erheblichen Anteil (ca.
70-80%! HB; vgl. Volkmar Weiss, Die IQ-Falle - Intelligenz,
Sozialstruktur und Politik, 2000; Birgitta Vom Lehm, Kindeswohl,
ade! Gesundheitsverhütung im Wohlastandsland, 2004, S. 60) erblich,
andererseits wird sie sehr stark durch die frühkindliche Erziehung
und Bildung geprägt (vgl. Birgitta Vom Lehm, ebd.). Solche Wahrheiten
auszusprechen gilt in unserer Gesellschaft aber gemeinhin als »politisch
unkorrekt«. (Ebd., S. 6).
In modernen hochentwickletne Gesellschaften lassen sich neben
dem quantitativen Rückgang (Schrumpfen) folglich auch qualitative
Nachwuchsmängel beobachten, die selbst durch enorme Investitionen
in schulische oder andere Bildungseinrichtungen - die aber zur Zeit ebenfalls
unterbleiben (vgl. C. Ludwig / A. Mannes, Mit der Spaßgesellschaft
in den Bildungsnotstand, 2. Auflage, 2004) - zu einem späteren
Zeitpunkt nicht mehr behoben werden können. Dies ist besonders fatal,
da ja Wissen und kognitive Fähigkeiten in solchen Gesellschaften
die wichtigsten Ressourcen sind. (Ebd., S. 6).
Die zweite
entscheidende Frage (Qualitäts-Frage) lautet deshalb (**): | Durch
welche Maßnahmen kann erreicht werden, daß sich alle Gesellschaftsschichten
inklusive den Wissensträgern an der gesellschaftlichen Reproduktion beteiligen
und die aufgezogenen Kinder die ihnen zustehende Zuwendung und Bildung erhalten?
(Ebd., S. 6). |
Bisherige demographische Strategien
Um die Auswirkungen
der demographischen Entwicklung zu mildern, werden in der »öffentlichen
Diskussion« in erster Linie die folgenden Maßnahmen empfohlen: | Fehlender
eigener Nachwuchs wird durch Zuwanderer kompensiert (ein
fataler Fehler! HB).** | | Wir
werden älter und können länger arbeiten (ein
fataler Fehler! HB).** |
|
Ganztägig geöffnete Bildungs-
und Betreuungseinrichtungen (Krippen, Kindergarten, Schulen) verbessern
die Vereinbarkeit von Familien und Beruf. |
| Familien
erhalten einen Lastenausgleich (bzw. gar Lasten- und Lesitungsausgleich; vgl.
Irene Gerlach, Familienpolitik, 2004, S. 209ff.; Peter Mersch, Land
ohne Kinder, 2006, S. 94ff.). | | Volle
steuerliche Abzugsfähigkeit von familienunterstützenden Leistungen für
Familien (vgl. Gabor Steingart, Deutschland - Abstieg eines Superstars,
2004, S. 279f.; Robert Bosch Stiftung, Unternehemn Familie, 2006, S. 23). |
Die beiden ersten Maßnahmen
([**][**])
bezeichnet Norbert Bolz
richtigerweise als Placebos. (Vgl. Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 23 [**]),
zumal sie beide zuLasten der Qualität gehen und damit zur Minderung
des Humanvermögens führen. (Ebd., S. 7).
Die Qualifikation der nach Deutschland
Zugewanderten liegt im Durchschnitt deutlich unter der der einheimischen Bevölkerung.
(Vgl. Franz-Xaver Kaufmann,
Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 83ff. [**]).
Dieser Trend dürfte sich in Zukunft eher noch verstärken, da alle hochentwickelten
Staaten gleichfalls unter Nachwuchssorgen leiden. Die Industrie sucht vor allem
nach gut ausgebildeten Fachkräften mit sprachlichen Kenntnissen, die unter
Zuwanderern seltener zu finden sind. Folglich ist die Arbeitslosenquote unter
den Zuwanderern deutlich höher als in der einheimischen Bevölkerung.
(Ebd., S. 8).Empfohlen wird in erster Linie, einen Abbau der lebenslangen
Kinderlosigkeit zu erreichen. (Ebd., S. 8).
Es ist viel leichter
(und folglich auch kostengünstiger), eine Familie mit Kindern zu
einem weiteren Kind zu bewegen als Kinderlose zu einem ersten Kind. Und
mit jedem weiteren Kind sinken die biographischen und natürlich auch
die Gesamt-Opportunitätskosten weiter ab und machen eine Entscheidung
für ein weiteres Kind leichter und wahrscheinlicher. (Ebd.,
S. 9).
Die folgerichtige Konsequenz
aus der Birgschen
biographischen Fertilitätstheorie (**)
kann deshalb nur die gezielte Förderung von Großfamilien sein. Statt
dessen konzentriert sich die öffentliche Diskussion unter dem Motto »Vereinbarkeit
von Familie und Beruf« in erster Linie auf die Interessen von berufstätigen
Kinderlosen und versucht zweifelhaft, aus diesen Eltern zu machen, woran sie aber
häufig gar nicht interessiert sind. (Ebd., S. 9).
Die Familienmanager-Alternative
Maxime
(**):
In Deutschland ist es Ihre (Ihre! HB) Aufgabe,
als Paar zwei Kinder aufzuziehen, als Einzelperson ein Kind. Damit leisten Sie
Ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Reproduktion. Sie müssen das aber nicht
selbst tun, sondern Sie können die Aufgabe zum Teil oder in Gänze Fachleuten
überlassen. Dafür müssen Sie dann aber regelmäßig einen
bestimmten Beitrag abführen, damit diese das auch in der entsprechenden Qualität
für Sie machen können. (Ebd., S. 11).
Auf
Basis der obigen Maxime (**) müssen
kinderlose Singles einen monatlichen Betrag für ein Kind abführen, kinderlose
Paare für zwei Kinder und Paare mit einem Kind für ein Kind. (Ebd.,
S. 11).Die Höhe des Betrags und die Dauer der Zahlung könnte
sich zum Teil an der Düsseldorfer Tabelle orientieren. Ein kinderloser Single
entspricht in diesem Sinne einem Elternteil, welches keine Erziehungsleistungen
für sein Kind erbringt und folglich dafür unterhaltspflichtig ist (in
etwa also einem Unterhalt zahlenden »Zahlvater«). Ein Unterschied
besteht in erster Linie darin, daß ein kinderloser Single nicht wirklicher
Vater oder Mutter ist, sondern es anderen überlassen hat, diese Aufgabe für
ihn wahrzunehmen. Dafür zahlt er dann Unterhalt. Allerdings ist die Düsseldorfer
Tabelle für steuerliche Beitragsabführungen zu kompliziert. Ferner basiert
sie aufgrund ihrer Bedarfsorientierung auf einem degressiven Beitragsmodell, dieses
sollte für diesen Zweck in Anlehnung an den Steuersatz durch ein progressives
Modell ersetzt werden (je höher das zur Verfügung stehende Einkommen,
desto höher ist der Anteil am Einkommen, der bei Kinderlosigkeit abzuführen
wäre). Dies würde gleichzeitig den Anreiz für eigene Kinder besonders
bei Gutverdienenden erhöhen. (Ebd., S.11).Allein diese
Regelung würde bereits zu mehr Gerechtigkeit zwischen Kinderlosen und Eltern
mit Kindern führen, weil sie deutlich macht, daß das Aufziehen eines
Kindes pro Person eine gesellschaftlich gewünschte Handlung ist und nicht
etwas, was - wie beim »Zahlvater« - durch finanzielle Bestrafung möglichst
verhindert werden sollte. (Ebd., S. 12).Das Familienmanager-Konzept
bietet zahlreiche unmittelbare Vorteile, von denen hier nur einige aufgeführt
werden sollen: | Der
Ansatz erlaubt eine präzise und bestandserhaltende Bevölkerungsplanung.
| | Kinderlose
werden an der gesellschaftlichen Reproduktion beteiligt. Dies stellt einen wichtigen
Beitrag zur Generationengerechtigkeit dar. Die Transferausbeutung von Familien
durch Kinderlose (vgl. Herwig Birg,
Die ausgefallene Generation, 2005, S. 84 [**])
wird verringert: »Nicht die Reichen, sondern die Kinderlosen müssen
stärker besteuert werden. Es ist einfataler Webfehler unseres sozialen Systems,
daß Kinderlose die gleichen Versorgungsansprüche erwerben wie Eltern,
obwohl sie nichts zur Erziehung der zukünfligen Beitragszahler beitragen.«
(Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 71 [**]). | | Kinderlose
werden von dem Vorwurf entlastet, auf parasitäre Weise von den Leistungen
anderer zu profitieren und allein für die demographischen Probleme des Landes
verantwortlich zu sein: »Man sollte Kinderlose nicht stigmatisieren, sondern
besteuern.« (Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 71 [**]). | | Es
werden gezielt sozialisatorisch erfolgreiche Großfamilien gefördert.
Gleichzeitig wird das Problem vieler Alternativen, durch fehlende Leistungsanforderungen
und -anreize in erster Linie eine Steigerung der Geburtenraten in sozial schwachen
Schichten zu bewirken, vermieden. Denn: »Und wie stets bei wohlfahrtsstaatlichen
Leistungen muß man damit rechnen, daß der Versuch, den Opfern zu helfen,
das Verhalten reproduziert, das solche Opfer produziert.« (Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 35-36 [**]). | | Kinder
wachsen wieder vermehrt in kinderreichen und damit kinderfreundlichen Umgebungen
auf, ohne sie der Gefahr einer Verarmung auszusetzen. | | Die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird verbessert, in dem die Familienarbeit
professionalisiert (zum Beruf gemacht) wird. | | Durch
Professionalität wird die Qualität der frühkindlichen Erziehung
auf ein neues Niveau angehoben. | | Trennungsfolgen
können sozialverträglicher gestaltet werden, da aus der Familienarbeit
ein eigenständiges Einkommen generiert wird. | | Es
kann ein humanitärerer Ausgleich zwischen hohen Fertilitätsraten in
der Dritten Welt und den niedrigen Fertilitätsraten in den entwickelten Staaten
stattfinden, indem Kinder in Not (Waisenkinder) in einem sehr frühen Alter
ins Land geholt werden und nicht erst dann, wenn die gesamte Aufziehleistung bereits
extern erbracht wurde. | | Das
Konzept kann weitestgehend unabhängig von sonstigen (gegebenenfalls bereits
implementierten) familien- und bevölkerungspolitischen Maßnahmen eines
Landes umgesetzt werden. (Ebd., S. 13-14). |
Eine vernachlässigte Hauptaufgabe des Staates
Abstrakt
könnte man ein Land mit einem Forstbetrieb vergleichen, der etwa Obstbäume
anpflanzt. Diverse lokale, aber auch globaloperierende Lebensmittelkonzerne haben
temporäre Rechte daran erworben, die Früchte von ausgewählten Bäumen
exklusiv ernten zu können. Einige Unternehmen sind vorwiegend an Äpfeln
interessiert, andere an unterschiedlichen Früchten, zum Teil auch an speziellen
Sorten, die nur von ganz wenigen Forstbetrieben in ausreichender Menge angeboten
werden. (Ebd., S. 14).Im übertragenen Sinne: Die Forstbetriebe
sind die Gesellschaften (die Staaten), die Bäume die Menschen, die Früchte
deren Kompetenzen und die Lebensmittelkonzerne die Unternehmen. Die Lebensmittelkonzerne
(Unternehmen) entwickeln sich folglich zu den Kunden der Forstbetriebe (Staaten),
beziehungsweise die Forstbetriebe (Staaten) umgekehrt zu deren Lieferanten.
(Ebd., S. 14).Das eigentliche Geschäft wird mit dem Verkauf
von Obstsäften gemacht. Dies ist aber das Geschäft der Lebensmittelkonzerne
(Unternehmen), welche es sich letztendlich aussuchen können, wo auf der Welt
sie ihre Früchte einkaufen. Wenn ein Forstbetrieb (Staat) sehr ertragreiche
und leicht zugängliche Bäume mit besonders wohlschmeckenden und saftigen
Sorten zu akzeptablen Konditionen und unter leistungsfrthigen marktwirtschaftlichen
Rahmenbedingungen anzubieten hat, dann wird sein Angebot möglicherweise viele
Interessenten ansprechen. Die Aufgabe des Forstbetriebes wäre es also, stets
eine ausreichende Menge an möglichst ertragreichen Bäumen bereitzustellen
und dafür zu sorgen, daß deren Früchte unter fairen Marktbedingungen
erworben und möglichst leicht geerntet werden können (zum Beispiel durch
Infrastrukturentwicklungen). Es ist nicht seine Aufgabe, in den Markt oder das
Geschäft der Lebensmittelkonzerne direkt hineinzuregieren. (Ebd., S.
14-15).Der Fokus der Lebensmittelkonzerne (Unternehmen) liegt folglich
auf der Produktion, der des Forstbetriebes (Staat) auf der Reproduktion.
(Ebd., S. 15).Da aber der Forstbetrieb letztendlich auch nur an
den Früchten Geld verdient, könnte er auf die Idee kommen, die Nachhaltigkeit
der Geschäftstätigkeit zu reduzieren, den Ertrag pro Baum zu steigern
und die Investitionen in neue Pflanzen zu vernachlässigen. Auch wäre
eine Möglichkeit, in erster Linie Bäume mit weniger schmackhaften Früchten
für die Reproduktion zurückzuhalten, da für diese keine Abnehmer
gefunden werden können. Und schließlich könnte er bei Bedarf Bäume
pflanzen, die in anderen Forstbetrieben beziehungsweise Baumschulen herangewachsen
sind (Zuwanderung). Eine Zeitlang wird das vielleicht noch gut gehen und die Einnahmen
sogar steigern, da gleichzeitig weniger Geld für die Aufforstung ausgegeben
werden muß. Aber irgendwann werden die vorhandenen Bäume immer älter
und ertragsärmer, so daß sie für die Lebensmittelkonzerne uninteressant
werden, zumal ein immer größerer Anteil der nachkommenden Bäume
nur noch Früchte von minderer Qualität trägt. Die global operierenden
Lebensmittelkonzerne werden sich bald nach anderen Forstbetrieben umschauen. Verzweifelt
wird der Forstbetrieb versuchen, den Verkauf und damit die Konjunktur wieder anzukurbeln
und den Ertrag pro Baum zu steigern, nicht erkennend, daß die Probleme längst
wesentlich aus der nicht ausreichenden Nachhaltigkeit der eigenen Geschäftstätigkeit
her resultieren. (Ebd., S. 15).Wie das Forstbetriebsbeispiel
deutlich macht, haben wir es hier mit einem scheinbaren Konflikt zwischen Produktion
und Reproduktion zu tun. Norbert Bolz
erläutert dies wie folgt: »Die Faustregel lautet: je produktiver, desto
weniger reproduktiv. Das gilt natürlich nicht nur individuell, sondern auch
gesellschaftlich. ndustriegesellschaften sind sehr produktiv, aber nur schwach
reproduktiv. So erleben wir im Westen seit Jahrzehnten eine reproduktive Depression.
Und der Grund dafür sit denkbar einfach: Produktion ist profitabel, Reproduktion
ist kostspielig. Die Welt der Reproduktion hat es mit Menschen und Verpflichtungen
zu tun; die Welt der Produktion hat es mit Dingen und Dienstleistungen zu tun.«
(Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 67 [**]).
(Ebd., S. 15).In Wirklichkeit bestehen hier lediglich unterschiedliche
Ebenen der Betrachtung: Während die Lebensmittelkonzerne (Unternehmen) Obstsäfte
produzieren, produziert der Forstbetrieb (Staat) Bäume und Früchte.
Mit anderen Worten: Was auf den ersten Blick wie eine zeitaufwändige und
ertragslose Reproduktion aussieht, ist für den Forstbetrieb die eigentliche
Produktion, sein Kerngeschäft. Die gesellschaftliche Reproduktion kann deshalb
auch als Produktion von Nachwuchs umgedeutet werden. (Ebd., S. 16).Oder
noch allgemeiner ausgedrückt: Eine zentrale Aufgabe eines Staates ist die
Reproduktion des Humanvermögens, das heißt, den Nachwuchs oder die
Rekrutierungspotentiale für die verschiedenen Gesellschaftsbereiche auf Basis
einer langfristigen Planung bezüglich des zukünftigen Bedarfs an Menschen
und deren Qualifikationen sicherzustellen. (Vgl. Peter Mersch, Land
ohne Kinder, 2006, S. 39ff.). (Ebd., S. 16).Dies
hört sich vielleicht auf den ersten Blick ökonomisch kalt und menschenverachtend
an. (**). Tatsächlich wäre
aber eine solche Haltung humaner als die jetzige Vorgehensweise, die die zukünftige
Generation vernachlässigt und aus Kindern zunehmend Sozialfälle macht.
(Ebd., S. 16).
Der
Begriff »Humankapital« wurde bei völliger Verkennung der in ihm
steckenden hohen Wertschätzung gegenüber Menschen und deren Fähigkeiten
in 2004 zum »Unwort des Jahres« (Anführungszeichen
von mir; HB **)
gewählt. Die Begründung ist: »Degradiert Menschen nur noch zu
ökonomisch interessanten Größen«. (Siehe: http://www.unwortdesjahres.org).
Ein sinnvoller zukünftiger Kandidat könnte dagegen das Wort »demographischer
Wandel« sein, da dieser zu einer Ver harmlosung der demographischen Katastrophe
beiträgt. (Ebd.). |
Die
wichtigsten Produkte des »Unternehmens Deutschland« sind der Deutsche
und die deutsche Kultur. Damit sollen ganz explizit nicht Menschen einer bestimmten
genetischen Ausstattung oder gar Hautfarbe verstanden werden, sondern weiche Faktoren
wie Bildung, Nachdenklichkeit, Kompetenz, Genauigkeit, Gewissenhaftigkeit, Ordnungsliebe,
Motivation, freiheitlich-demokratische Gesinnung u.v.a.m.. (Ebd., S. 16).»Made
in Germany« war und ist ein Synonym für Qualität. Damit war und
ist in erster Linie Kompetenz gemeint: »Die haben noch einmal etwas länger
nachgedacht und genauer hingeschaut als andere, bevor sie ein Produkt auf den
Markt gebracht und ausgeliefert haben. So etwas kann man fast unbesehen kaufen.«
(Ebd., S. 16).
Die Bedeutung der Reproduktion in Wissensgesellschaften
»Jede
Emanzipation hat bekanntlich ihren Preis. Den Preis für die Emanzipation
der Frauen zahlen die Kinder.« (Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 47 [**]).
(Ebd., S. 17).Wissen und kognitive Fähigkeiten entwickeln
sich zu den wichtigsten wirtschaftlichen Ressourcen. Der Mensch mit seinen geistigen
Fähigkeiten rückt dadurch immer stärker in das Zentrum des wirtschaftlichen
Geschehens. Dies führt automatisch zu einer Aufwertung der Bedeutung der
gesellschaftlichen Reproduktion: Die Reproduktion wird zum eigentlichen Kerngeschäft
der Gesellschaft und des Staates. Hinzu kommt ein quantitatives Problem, welches
zwangsläufig zu einer verstärkten Spezialisierung in Bezug auf die reproduktiven
Tätigkeiten führen wird: »Man darf sich nichts vormachen: Kinder
zu bekommen wird in Deutschland unweigerlich zu einem Akt von Spezialisierung
in der Gesellschaft. Um die Produktion von Kindern sicherzustellen,
so Franz-Xaver Kaufmann,
muß ein schrumpfender Anteil Frauen immer mehr und mehr Geburten bewerkstelligen.
Diese Perspektive mag für manchen Heutigen übertrieben wirken, angesichts
der Tatsache, daß es in jeder neuen Generation immer weniger Mädchen
und von denen immer weniger Mütter gibt, kann man damit rechnen, daß
schon die Mädchen des Geburtsjahrgangs 2000 die Triftigkeit dieser These
erleben werden. (Frank Schirrmacher, Minimum - Vom Vergehen und Neuentstehen
unserer Gesellschaft, 2006, S. 123f.). (Ebd., S. 18).Aus
den zum Teil gegenläufigen Trends | Unattraktivität
der Reproduktion aufgrund fehlender Vergütung | | Bedeutungszuwachs
der Reproduktion als Folge der starken Gewichtung von Wissen und kognitiven Fähigkeiten
in Wissensgesellschaften | | zunehmender
Zwang zur Spezialisierung bei der Nachwuchsproduktion aufgrund des Rückgangs
der Zahl gebärfähiger Frauen | ergibt sich
unmittelbar die Notwendigkeit zur zunehmenden Professionalisierung der gesellschaftlichen
Reproduktion, und zwar ganz explizit bezüglich der Erziehung eigener Kinder,
denn nur dann werden über den zusätzlichen Nutzen ausreichende Anreize
für weitere Kinder gesetzt, und nur dann dürfte die Motivation hoch
genug sein, den Kindern eine optimale Erziehung zukommen zu lassen. Ein Tagesmutterkonzept
dagegen ist unter den heutigen Bedingungen dafür nicht ausreichend. Das gleiche
gilt für Alternativen wie Ganztagskrippen und -kindergärten. (Ebd.,
S. 18).Die entwickelten Gesellschaften haben es nicht mit einem
demographischen Wandel, sondern mit einem Wandel in den Reproduktionsanforderungen
zu tun. Nationen, die auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht angemessen
reagieren, werden für die zukünftigen Anforderungen in Wissensgesellschaften
und der Globalisierung nicht ausreichend gerüstet sein. (Ebd., S. 18).Letztendlich
handelt es sich bei der im vorliegenden Buch vorgeschlagenen Professionalisierung
von Familienarbeit (»Familienamanger-Konzept«) um eine ähnlich
weitreichende Organisationsänderung innerhalb der gesellschaftlichen Reproduktion
wie die Einführung der allgemeinen Schulpflicht ... (zuerst
in Deutschland eingeführt, nämlich 1619 in Weimar; HB).
Aber wie damals, so machen auch diesmal die veränderten gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen entsprechende Maßnahmen erforderlich (Ebd., S. 19).
Familienformen
Kernfamilie
Im westlichen Kulturkreis wird heute unter Familie
in der Regel die sogenannte Kernfamilie aus Vater, Mutter und deren Kinder verstanden.
(Ebd., S. 22).
Ganzes Haus
Einige Experten vermuten, in Wissensgesellschaften
und aufgrund von Fortschritten in der Telekommunikation könnten wieder vermehrt
Heimarbeitsplätze entstehen, so daß das »Ganze Haus« gleichfalls
eine Renaissance erleben würde. (Ebd., S. 22).
Ernährermodell
Die Industriegesellschaft mit ihrem
hohen Kapitaleinsatz und ihrer starken Verlagerung der Produktion aus dem häuslichen
Bereich heraus machte es erforderlich, daß ein Elternteil - üblicherweise
der Mann - das Haus verließ, um einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Diese wurde
mit Geld und/oder Waren vergütet, womit der Familienvater dann Frau und Kinder
ernährte. (Ebd., S. 22).Als Familienform setzte
sich deshalb sukzessive das patriarchalische*
Ernährermodell durch, bei dem der Vater als Ernährer der Familie fungierte,
während sich die Mutter als Hausfrau um Haus und Kinder kümmerte.
(Ebd., S. 22).
Moderne Familienformen
Nach einer Scheidung ergeben sich
nicht selten erhebliche finanzielle Probleme für beide Kontrahenten, so daß
einige oder alle der vorherigen Familienmitglieder zu Sozialhilfeempfängern
werden. Das klassische Ernährermodell hat in diesem Sinne also längst
ausgedient. An die Stelle des Ehemanns als Ernährer der familie tritt mehr
und mehr der Staat. (Ebd., S. 24).Norbert
Bolz
erläutert dies wie folgt: »Wenn eine Familie in ärmeren Milieus
zusammenbricht, tritt der Wohlfahrtsstaat unmittelbar an die Stelle des Vaters.
d.h. er verschiebt die finanziellen Lasten vom fehlenden Vater auf den Steuerzahler.
Die Mutter-Kind-beziehung braucht besonderen Schutz; die Sexualbeziehung der Eltern
und die sie begleitenden Leidenschaften sind dafür nicht stabil genug. Früher
hat der Ernst der Ehe die nötige Stabilität gewährleistet. Seit
der Sinn für den Sinn der Ehe schwindet, schützt nur noch der Wohlfahrtsstaat.
In Schweden ist der anonyme Steuerzahler schon ganz selbstverständlich an
die Stelle des Ehemanns getreten.« (Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 35 [**]).
(Ebd., S. 24).
Individualisierungsthese
Die
Individualisierungsthese von Ulrich Beck besagt, daß sich der Einzelne in
modernen Gesellschaften immer stärker aus übergeordneten Vorgaben bezüglich
Geschlecht, Alter bzw. sozialer und regionaler Herkunft löst, so daß
es zu einer drastischen Zunahme der individuellen Entscheidungsspielräume
und einer Reduzierung des Grads der Außensteuerung kommt: Das Individuum
wird zentraler Bezugspunkt für sich und die Gesellschaft. (Ebd., S.
27).
Es entsteht ein Konflikt zwischen Individual- und Kollektivinteressen.
Einige Autoren befürchten deshalb einen verstärkten Trend zum
Egoismus auf Kosten der gesellschaftlichen Solidarität. Es wird
befürchtet, solche Kulturen stellten die Interessen des Einzelnen
einseitig über die der Gemeinschaft. (Vgl. Meinhard Miegel
/ Stefanie Wahl., Das Ende des Individualismus - Die Kultur des Westens
zerstört sich selbst, 1993, S. 13 [**]).
(Ebd., S. 31).
Am Beispiel der gesellschaftlichen Reproduktion kann auch unmittelbar
die sich gegenseitig verstärkende Wirkung von wohlfahrtsstaatlichen
Leistungen und Individualisierung deutlich gemacht werden: Bleiben die
Fertilitätsraten auf dem aktuell niedrigen Niveau, dann können
viele sozialstaatliche Leistungen nicht länger gewährleistet
werden. Die Individuen wären dann gezwungen, Kollektivaufgaben wieder
verstärkt selbst zu übernehmen und insbesondere für eine
bestandserhaltende gesellschaftliche Reproduktion oder eine eigene Altersversicherung
zu sorgen, andernfalls würde der Staat über kurz oder lang dabei
zugrunde gehen. Dies wäre dann - wie von Meinhard Miegel
und Stefanie Wahl prognostiziert - das Ende des Individualismus. (Vgl.
Meinhard Miegel
/ Stefanie Wahl., Das Ende des Individualismus - Die Kultur des Westens
zerstört sich selbst, 1993 [**]).
Würde der Sozialstaat dagegen das im vorliegenden Buch vorgeschlagene
Familienmanager-Konzept umsetzen, dann könnte sich auf Dauer jedes
Individuum frei entscheiden, ob es selbst für Nachwuchs sorgen will
oder nicht. Mit anderen Worten: Der Prozeß der Individualisierung
könnte weiter fortschreiten. (Ebd., S. 33).
Familien-Atom
Betrachtet man die verschiedenen Familienformen
und ihre Zusammensetzungen, dann fällt auf, daß es eine kleinste Einheit
gibt, aus der sich die anderen Formen entweder molekular zusammensetzen oder in
die sie nach Auflösung zerfallen: | Erziehungsberechtigte(r)
mit Kind(ern). | Diese Form soll im folgenden Familien-Atom
genannt werden. (Ebd., S. 33).
Funktionen der Familie
In modernen Gesellschaften werden
politische, religiöse, wirtschaftliche und erzieherische Funktionen der Familie
zum teil auf andere gesellschaftliche Institutionen (zum Beispiel Staat, politische
Gemeinden, Versicherungsanstalten, Schulwesen, Sport) übertragen und treten
im Familienalltag dann zurück. In Notzeiten kan sich dies jedoch rasch ändern.
(Vgl. Frank Frank Schirrmacher, Minimum - Vom Vergehen und Neuentstehen unserer
Gemeinschaft, 2006). (Ebd., S. 36).
Ehe und Scheidung
Und schließlich wirken
Selbstverwirklichungswünsche und die zunehmende beiderseitige Berufstätigkeit
der Stabilität von Ehe entgegen: »Frauen arbeiten. Deshalb werden
Kinder teurer, denn sie kosten nun wertvolle Arbeitsszeit. Mit wachsenden Beschäftigungsmöglichkeiten
wird es für Frauen immer teurer, nicht zu arbeiten. Anders gesagt, es wird
immer schmerzlicher, Karrierechancen zugunsten der Familie zu opfern. Folglich
werden weniger Kinder geboren - und damit schrumpft das gemeinsame Kapital der
Eheleute. Daraus folgt nun, daß Scheidungen billiger werden, und deshalb
haben wir immer mehr Scheidungen. Damit schließt sich aber der Kreis, denn
Frauen müssen nun arbeiten, weil sie sich nicht mehr auf die Ressourcen der
Männer verlassen können. Da kann es nicht überraschen, daß
Scheidungen ihr naegatives Vorzeichen verloren haben. Die Scheidungsrate ist nämlich
ein Maß für die ökonomische Unabhängigkeit der Frauen. Und
wo Frauen mehr verdienen als ihre Männer, wächst die Scheidungsrate.
Frauen, die mehr als ihr Ehemann verdienen, reichen doppelt so häufig die
Scheidung ein wie Frauen, deren Männer mehr als sie verdienen. Je leichter
es ist, sich scheiden zu lassen, um so geringer ist für den Partner der Anreiz,
die Liebe zu nähren und zu pflegen. Wenn es einfach ist, sich scheiden zu
lassen, ist man streitsüchtiger und investiert weniger Energie in die Anstrengung
miteinander auszukommen. Man gibt sich nicht mit einem gut genug zufrieden,
sondern will die Partnerschaft optimieren - mit dem nächsten!«
(Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 37 [**]).
(Ebd., S. 37).Norbert Bolz
folgert daraus: »Frauen arbeiten. Deshalb werden Kinder teurer, denn sie
kosten nun wertvolle Arbeitsszeit. Mit wachsenden Belegen. Wenn es einfach ist,
sich scheiden zu lassen, ist man streitsüchtiger und investiert weniger Energie
in die Anstrengung miteinander auszukommen. Man gibt sich nicht mit einem gut
genug zufrieden, sondern will die Partnerschaft optimieren - mit dem nächsten
!« (Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 38 [**]).
(Ebd., S. 37-38).In Deutschland gültige Scheidungsgesetze.
- .... Durch die Aufhebung des Schuldprinzips kann sich ein Ehepartner vom anderen
ohne jegliche weitere Begründung trennen. Dazu genügt ein einfacher
Auszug aus der Wohnung. Sollte der sich trennende Partner die Ehefrau sein, die
bislang als »Nur-Hausfrau« gearbeitet hat, dann ist sie mit dem Auszug
frei von allen weiteren ehelichen Verpflichtungen. Nicht aber ihr Ehemann: dieser
darf bei entsprechendem Einkommen unter Umständen lebenslänglich weiter
für seine Familie aufkommen, obwohl ihn möglicherweise keinerlei Schuld
trifft. Eventuell hat seine Ehefrau die Ehe beendet, weil sie sich in einen anderen
Mann verliebt hat. Das Problem besteht - vereinfacht ausgedrückt - darin,
daß die eine Seite einen auf ewig geschlossenen Vertrag kündigen kann,
die andere Seite dann aber nicht aus dessen Verpflichtungen entlassen wird. Dies
ist im deutschen Vertragsrecht einmalig. Dieser Umstand hat maßgeblich dazu
beigetragen, daß das patriarchalische Ernährermodell für Männer
uninteressant geworden ist. Feministinnen behaupten gerne, Männer wollten
ihre Frauen zu Hause in Abhängigkeit behalten und bevorzugten deshalb und
speziell in Deutschland die klassische Rollenaufteilung. Dies ist unrichtig. Immer
weniger Männer sind heute bereit, die unkalkulierbaren finanziellen und emotionalen
Risiken einer Scheidung auf sich zu nehmen, zumal die Mehrzahl der Trennungen
nicht von ihnen ausgeht. Studien belegen folglich, daß denkbare Unterhaltsrisiken
zu den gewichtigsten Gründen zählen, warum Männer keine Kinder
wollen. Dazu beigetragen hat auch die Erfahrung von Männern, daß sie
im Rahmen einer Scheidung als Vater häufig gerichtlich benachteiligt werden
und ihnen bei entsprechenden Absichten der Mutter trotz regelmäßiger
Unterhaltzahlung keine Durchsetzung ihrer Interessen und er Interessen des Kindes
gelingt. Allerdings sind Männer in der Kinderfrage generell zurückhaltender
als Frauen, ein Kinderwunsch ist bei ihnen in aller Regel deutlich weniger ausgeprägt
als beim anderen Geschlecht. Dies konnte ebenfalls in Umfragen bestätigt
werden. (Ebd., S. 39-40).
Single-Kultur
Bei Singles handelt es sich um kinderlose
»Elementarteilchen«, mit anderen Worten, um Endformen der sich im
Rahmen der Individualisierung pluralisierenden Lebensformen. (Ebd., S. 41).Die
mit der Bindungslosigkeit einhergehende persönliche Unabhängigkeit und
Freiheit macht Singles für alle Berufe besonders interessant, bei denen Mobilität
und zeitliche Flexibilität entscheidende Kriterien sind. Aus diesem Grund
sind Singles sehr häufig in der Medienindustrie, in der Politik oder im Management
Consulting anzutreffen, das heißt bei den Wortführern der Gesellschaft.
Unter anderem bei Beratern, die mit dem Verfassen von Studien zur Familiensituation
und Kinderlosigkeit modernen gesellschaften beauftragt werden. (Auch
das noch! HB). (Ebd., S. 41).Norbert Bolz
sieht in der Zukunft in erster Linie einen Verteilungskampf innerhalb des Bereichs
der Reproduktion: »Hier wird auch deutlich, daß die größten
Verteilungskonflikte der Zukunft nicht mehr die Sphäre der Produktion, sondern
die Sphäre der Reproduktion betreffen. Uns erwartet nämlich nicht nur
ein erbitterter Kulturkampf zwischen Eltern und und Kinderlosen, sondern auch
ein harter ökonomischer Verteilungslampf zwischen den Generationen.«
(Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 21 [**]).
Dabei wird die Kluft zwischen Eltern und Kinderlosen immer größer:
»Die tiefste kulturelle Kluft dieser Zukunft könnte zwischen klassischen
Familien und kinderlosen Lebensstilen aufbrechen. Man spürt schon heute,
daß diese Gruppen sich außer Frechheiten und Beleidigungen nichts
zu sagen haben.« (Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 59 [**]).
Die von Norbert Bolz
erwähnten »Kommunikationsstörungen« bestehen insbesondere
Zwischen Singles und Familien, die in völlig unterschiedlichen Welten leben
und meist nur sehr geringen Kontakt zueinander pflegen. Versuche, eine größere
Zahl an Singles zu Eltern zu mutieren, dürften deshalb nicht gerade von Erfolg
gekrönt sein. (Ebd., S. 42-43).Allein aus Gründen
der Erhaltung des sozialen Friedens scheint es folglich unerläßlich
zu sein, Kinderlose und speziell gutverdienende Singles durch angemessene steuerliche
Beiträge stärker und erkennbar an den reproduktiven Aufgaben der Gesellschaft
zu beteiligen, ohne gleichzeitig ihre persönlichen Freiheiten in der Reproduktionsfrage
und in Familienangelegenheiten zu beschneiden. (Ebd., S. 43).
Zukünftige Familienformen
Eine Familienmanagerin kann
Bindungen eingehen und KInder in die Welt setzen, ohne dadurch in eine ökonomische
Abhängigkeit zu geraten. Die ökonomische Unabhängigkeit der Familienmanagerin
stellt dabei einen entscheidenden Systemwechsel dar. (Ebd., S. 44).Die
ökonomische Unabhängigkeit der Familienmanagerin könnte auf lange
Sicht aber auch zu einer veränderten Partnerwahl führen. Es ist denkbar,
daß es in erster Linie diese nicht auszuschließende Entwicklung ist,
die für Unbehagen gegenüber dem Familienmanager-Konzept sorgen könnte
und die bislang eine angemessen Vergütung von qualifizierter weiblicher Erziehungsarbeit
bezüglich eigenen Kindern verhindert hat. .... Die ökonomische Unabhängigkeit
der Familienmanagerin könnte aber auch die Bildung ganz neuer Familienstrukturen
bewirken. ... | Zunächst
erziehen Familienmanagerinnen ihre eigenen Kinder und betreuen gegebenfalls zusätzlich
weitere Kinder anderer Eltern. | | Dann
schließen sich mehrere Familienmagerinnen zu größeren Einheiten
mit eigenen Kindergärten, Musik- und Malschulen zusammen. | | Sodann
kommen von ihnen kontrollierte Restaurants dazu. | | Dann
ein Internet-Café für beruflich gestreßte Eltern, die ihre Kinder
betreuen lassen, aber manchmal dort den Aufenthalt genießen, zumal sie dabei
ins Gespräch mit anderen Eltern kommen. | | Später
werden ein Schwimmbad und diverse andere Sporteinrichtungen dazugebaut. | | Schließlich
eröffnen diverse Geschäfte und eine Pension für Feriengäste. | | Längst
befinden sich diverse medizinische Dienste (inklusive Kinderarzt) auf dem Gelände | | Die
gesamte Aufbauarbeit wird mit besonders günstigen Krediten von Banken gesponsort,
die damit ihr Familienbewußtsein zum Ausdruck bringen wollen. | Wenn
sich die gesellschaftliche Reproduktion professionalisiert und ökonomisiert
sind vielfältige Entwicklungen denkbar, die denen der Produktion in vielen
Aspekten nicht nachstehen werden. (Ebd., S. 44-46).
Wissensgesellschaft
Wissen als Ressource
Der Begriff Wissensgesellschaft bezeichnet
eine Gesellschaftsform in hochentwickelten Ländern, in der kognitive Fähigkeiten
und individuelles und kollektives Wissen zur Grundlage des sozialen und ökonomischen
Zusammenlebens werden. Eine ganz ähnliche Intention besitzt der Begriff »Informationsgesellschaft«,
allerdings stehen dabei spezifische technische Aspekte wie die Informationstechnologie
stärker im Vordergrund, so daß dem Begriff »Wissensgesellschaft«
heute in der Regel der Vorzug gegeben wird. Eng damit verknüpft ist auch
der Begriff »Dienstleistungsgesellschaft«, der ausdrückt, daß
nicht mehr die Produktion von Waren, sondern das Abwickeln nichtmaterieller Dienstleistungen
zum wichtigsten Teil der wirtschaftlichen Wertschöpfungskette geworden ist.
Gemeinsam ist allen diesen Begriffen und Ansätzen die zunehmende Relevanz
eher nichtmaterieller Prozesse und Produkte für das Wirtschafts- und Sozialleben
(»Dematerialisierung«). Wissensgesellschaften sind also letztendlich
intelligente Gesellschaften, in ihnen werden Wissen und kognitive Fähigkeiten
zu den entscheidenden Ressourcen. (Ebd., S. 47).Damit
findet auf gesellschaftlicher Ebene die gleiche Entwicklung statt, die in der
Evolution schließlich den Menschen hervorgebracht hat: Intelligenz, Wissen,
Lernfähigkeit, Kommunikation und Kooperation schlagen Kraft und Schnelligkeit.
Die in Wissensgesellschaften besonders relevanten Produktionsfaktoren können
wie folgt eingeteilt werden: | Humankapital
- Das in ausgebildeten und lernfähigen Individuen repräsentierte
Leistungspotential einer Bevölkerung | | Sozialkapital -
Bewährte und intakte soziale Strukturen, Traditionen, elementare Normen und
Sanktionen. | | Wissenskapital -
Das nicht an Personen gebundene, ökonomisch relevante Wissen. | Es
läßt sich argumentieren, daß neben den obige Ressourcen auch
das »Reproduktionskapital« für die Stärke und zukünftige
Entwicklung einer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sein könnte. | Reproduktionskapital
- Das in ausgebildeten und lernfähigen Individuen repräsentierte
Reproduktions- und Erziehungspotential einer Bevölkerung | ...
Der Unterscheidung von Human- und Reproduktionskapital liegt der Gedanke zugrunde,
daß die Erneuerung der Ressource Humankapital selbst Ressourcen bindet und
nicht kontextfrei zu haben ist. Die Quantitäten und Qualitäten dieser
Ressourcen bestimmen fanz wesentlich die zukünftigen Quantitäten und
Qualitäten des Humankapitals. (Ebd., S. 47-48).Humankapital
bezieht sich vowiegend auf die in der Produktion nutzbaren menschlichen Kompetenzen,
Reproduktionskapital entsprechend auf diejenigen der Reproduktion. (Ebd.,
S. 49).
Staat und Humanvermögen
Die wichtigste Aufgabe eines
Staates in Wissensgesellschaften ist die Sicherung, Reproduktion und Mehrung des
Humanvermögens. (Vgl. Peter Mersch, Land
ohne Kinder, 2006, S. 39ff.). Dies gilt insbesondere dann, wenn -
wie in der gesamten Europäischen Union - kaum weitere natürliche Ressourcen
(Rohstoffe, Erdöl u.s.w.) zur Verfügung stehen, die bei einer Minderung
des Humanvermögens für einen temporären Ausgleich sorgen könnten.
Deutschland wird auch als Land der Dichter und Denker bezeichnet, was bereits
darauf hinweist, daß Intelligenz und Kompetenzen seiner Menschen Schlüselfaktoren
für seinen Erfolg waren und sind (und hoffentlich auch
bleiben! HB). (Ebd., S. 49-50).Einzelpersonen
und Unternehmen gehen einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach, ein Staat sorgt
dagegen dafür, daß diese dies innerhalb seiner Grenzen möglichst
erfolgreich und störungsfrei tun können. dabei spielen diverse Faktoren
eine entscheidende Rolle: raquo;Die Vorstellung einer »Standortkonkurrenz«
zwischen ganzen Volkswirtschaften bezieht sich nicht etwa nur auf Löhne und
Abgaben, sondern auf den Zusammenhang zwischen politischen (z.B. Rechtssicherheit,
sozialer Friede), ökonomischen und soziokulturellen Standortfaktoren; zu
letzteren zählen insbesondere die Arbeitskräfte mit ihren Motivationen
und Fähigkeiten, also das sogenannte Humanvermögen, aber auch die infrastrukturellen
Voraussetzungen der Produktivität wie Forschung, Kommunikation oder Lebensqualität.«
(Vgl. Franz-Xaver Kaufmann,
Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 170 [**]).
Optimalerweise hält sich ein Staat also aus dem eigentlichen Marktgeschehen
weitestgehend heraus und sorgt statt dessen für attraktive Infrastrukturen
und leistungsfähige Regelwerke, auf denen sich die Märkte entwickeln
können. Dies gilt ganz besonders für Wissensgesellschaften mit ihrer
zentralen Bedeutung des Humanvermögens. (Ebd., S. 50).Zusammengefaßt:
Die eigentliche Kernaufgabe des Staates, nämlich für die Reproduktion
und Mehrung des Humankapitals zu sorgen, wird auf Kosten direkter Eingriffe in
das Wirtschaftssystem zunehmend vernachlässigt. Kurz: Man macht den eigentlichen
Job nicht. (Ebd., S. 51).
Die Rolle der Frauen
Ohne Waffengleichheit, das heißt
ohne echte kommerzielle Angebote, wie sie im Familienmanager-Konzept gemacht werden,
wird sich das demographische problem in der Zukunft kaum lösen lassen, im
Gegenteil, es wird sich zwangsläufig verschärfen. (Ebd., S. 52).Hochqualifizierte
und kindorientierte Frauen sind die Basis des zukünftigen Humanvermögens
und damit der Zukunft der Gesellschaft insgesamt. Es ist nicht angemessen, solche
bedeutenden Fähigkeiten und Schätze den kurzfristigen und angeblich
wichtigeren Anforderungen der Produktion zu opfern. (Ein Prinzip, was auch in
der Seefahrt Gültigkeit hat: Die Zukunft ist nichts ohne Frauen und Kinder.
Siehe: Olaf Kanter, Frauen und Kinder zuerst!, in: MARE.DE).
Allerdings - und ich kann mich hier nicht oft genug wiederholen - muß sich
dazu die gesellschaftliche Haltung gegenüber der Reproduktion zunächst
einmal völlig ändern. Hochqualifizierte Frauen werden in Wissensgesellschaften
nur dann einen wesentlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Reproduktion leisten
wollen, wenn | die
Arbeit anspruchsvoll ist, | | gesellschaftlich
Anerkennung findet und | | angemessen
bezahlt wird. | Alle diese Punkte setzen eine Professionalisierung
der Tätigkeit voraus. Ein völlig analoges Problem bestand vor vielen
Jahren in einem anderen Bereich der ingesellschaftlichen Reproduktion: der kindlichen
Bildung. Weil viele Eltern diese als zu teuer, nicht notwendig oder nur für
Jungen erforderlich empfanden, unterblieb ganz häufig eine ausreichende Unterrichtung
der Kinder. Nicht wenige Kinder blieben dabei sogar Analphabeten. Dies führte
insgesamt zu einer erheblichen Minderung des Humanvermögens, so daß
sich der Staat zu einem Eingreifen genötigt sah und die allgemeine Schulpflicht
einführte. (Ganz besonders früh in Deutschland, was dort zu einer Beschleunigung
der Industrialisierung führte. Siehe: Jacques Neirynck, Der göttliche
Ingenieur - Die Evolution der Technik, 1994, S. 275). Dabei wurde ganz nebenbei
die kindliche Unterrichtung durch den Beruf des Lehrers professionalisiert. Weil
der Staat nun die Aufgabe der kindlichen Bildung zu seiner eigenen machte, mußte
er gleichzeitig für hohe Standards sorgen. Dies konnte nur durch Professionalisierung
der Unterrichtenden gelingen. Auch beim Lehrerberuf konkurriert der Staat mit
alternativen Angeboten aus der Wirtschaft. Er wird nur dann eine ausreichende
Zahl an qualifizierten Lehrern rekrutieren können, wenn seine Angebote überzeugen
können. (Ebd., S. 53).Der Staat kann sich nicht seiner
Verantwortung entziehen. Er darf ein Sicherheitsproblem weder als »Sicherheitswandel«
noch ein demographisches Problem als »demographischen Wandel« umdefinieren
(verharmlosen! HB), sondern muß aus übergeordnetem
Interesse für eine Durchsetzung von Mindeststandards sorgen. (Ebd.,
S. 54).
Kinderfreundliche Arbeitswelten
Dies ist sicherlich wünschenswert
und kann in vielen Unternehmen dazu beitragen, qualifiziertes Personal mit Familie
zu gewinnen und zu halten. (Ebd., S. 55).
Investitionen in den Nachwuchs
Eine Wissensgesellschaft
muß in ihren Nachwuchs inverstieren. Die quantitative und qualitative Nachwuchssicherung,
die Erhaltung bzw. gegebenenfalls Mehrung des Humanvermögens und die Wahrung
der Generationengerechtigkeit gehören z uden Kernazfgaben der Gesellschaft.
(Vgl. Franz-Xaver Kaufmann,
Zukunft der Familie - Stabilität, Stabilitätsrisiken und Wandel der
familiären Lebensformen sowie ihre gesellschaftlichen und politischen Bedingungen,
1990, S. 4). (Ebd., S. 55).All dies ist in ganz
Europa längst nicht mehr gewährleistet: Es werden nicht nur zu wenige
Kinder geboren, sondern zunehmend auch noch die »falschen«: »Lange
zeit schien die Trennlinie innerhalb der Gesellschaft vor allem zwischen Familien
und Kinderlosen zu verlaufen, doch die Schichtenkomponente gewinnt an Bedeutung.
Wenn wir den gegenwärtigen Trend der Kinderlosigkeit im akademischen Milieu
fortschreiben, droht Nachwuchs tatsächlich zu einer Angelegenheit der Unterklasse
zu werden - und zwar vor allem, weil die eine Seite aussteigt. Zynisch formuliert
könnte das heißen: Kinder bekommen in Zukunft nur noch die Gefühlvollen
und die Blöden.« (Susanne Gaschke, Die Emanzipationsfalle - erfolgreich,
einsam, kinderlos, 2005, S. 95). (Ebd., S. 56).Es fragt
sich folglich unmittelbar, was es für eine Sinn haben soll, Kinder in ärmlichsten
und vor allem bildungsfernen Verhältnissen aufwachsen zu lassen, um ihnen
dann eine optimale Bildung zukommen zu lassen. Wenn eine optimale Förderung
später noch einen Sinn ergibt und finanzierbar ist, dann sollte auch eine
Verbesserung der gesamten familiären Situation eine ernstzunehmende Option
sein, zumal ja das Aufziehen weiterer Geschwister nicht auszuschließen ist.
(Ebd., S. 57).Investitionen in den Nachwuchs sind - zusammengefaßt
- um so lohnender, je besser die familiären Voraussetzungen sind. Es sollte
deshalb ein gesellschaftliches Ziel sein, möglichst viele Kinder in sozialisatorisch
erfolgreichen Familien aufwachsen zu lassen. (Ebd., S. 58).
Erwerbsarbeit
»Im Ernst wird auch heute niemand bestreiten,
daß Hausfrauen und Mütter Arbeiten verrichten. Aber der Arbeit der
hausfrau fehlt die vertragsmäßige Freiwilligkeit; sie ist keine Arbeitskraft
auf dem Arbeitsmarkt - und deshlab wird sie nicht anerkannt. Anerkennung und Würde
sind in der modernen Gesellschaft nämlich rigoros über Geld vermittelt.
Hausfrauen, Kinder und Alte gelten nichts, weil ihre Zeit nicht in Geld verrechnet
wird. (Man spricht deshalb
auch von Rassismus gegenüber Hausfrauen, Müttern, Kindern und Alten
sprechen! HB). Unbezahlte Arbeit zählt nicht als »richtige«
Arbeit. Und deshalb verwandelt sich unter Bedingungen von Geldwirtschaft die Hausfrau
in eine Frau, die »nur Hausfrau« ist. Die Tagesmutter, die die Kinder
anderer Mütter versorgt, arbeitet. Die Mutter, die ihre eigenen Kinder versorgt,
geht ihrem Privatvergnügen nach. Das führt zu einer interessanten Paradoxie:
Statt Mutter zu sein, arbeiten Frauen erwerbsmäßig, um sich »mütterliche«
Dienstleistungen kaufen zu können - und ihre Arbeit besteht oft selbst in
»mütterlichen« Dienstleistungen.« (Norbert
Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 29-30 [**]).
(Ebd., S. 59-60).»Die Arbeit im Haus und für das Kind
ist zwar nicht an den Einkommenskreislauf der Wirtschaft angeschlossen, aber eine
entscheidende gesellschaftliche Grundlage für alle monetarisierten und formalisierten
Wirtschaftsbeziehungen. Eine politische Reaktion auf diese Einsicht war die Forderung
nach einem förmlichen Arbeitseinkommen für die Haus- und Kinderbetreuungsarbeit.
Dies wurde ideologisch bekämpft, weil es vor allem für Frauen den Haushalt
attraktiv zu machen drohte ...: Das neue Leitbild der modernen berufstätigen
Frau sollte nicht durch gegenläufige Anreize gefährdet werden.«
(Udo Di Fabio, Die Kultur der Freiheit - Der Westen gerät
in Gefahr, weil eine falsche Idee der Freiheit die Alltagsvernunft zerstört,
2005, S. 105ff.). (Ebd., S. 62).
Zukünftiger Humankapitalbedarf
Gelegentlich wird der
Einwand vorgebracht, es lohne sich nicht mehr, Kinder in die Welt zu setzen, denn
es wären ja schon jetzt sehr viele Menschen arbeitslos und für zusätzliche
Kinder gäbe es in Zukunft keinen Bedarf mehr. Außerdem sei die Erde
bereits überbevölkert. Dieser Einwand ist jedoch alles andere als stichhaltig
(er ist falsch, dumm, scheinheilig und für manche dieser
»Einwänder« nur ein Vorwand, um damit ganz was anderes zu erreichen;
HB). Gerade in Wissensgesellschaften wird es stets einen enormen Bedarf
an hochqualifizierten Fachkräften geben. Entscheidend ist deshalb die Qualifizierung
eines möglichst großen Teils der Bevölkerung. (Ebd., S.
65).Eine Kernkompetenz von Fußballvereinen ist die Suche
nach passenden neuen Spielern ...: »Beckenbauer muß
- sagen wir es ruhig: wie eine Heuschrecke - die ganze Welt bereisen,
abgrasen, um Bayern-München zu Bayern-München zu machen.«
(Ulrich Beck, Was zur Wahl steht, 2005, S. 109). .... Fußballvereine
wie Bayern-München haben lokale Wurzeln, folglich wechselt der Spieler zum
Verein. Im Rahmen der Globalisierung wandern aber zunehmend die Arbeitsplätze
zu den Arbeitnehmern und nicht umgekehrt (vgl. ebd, S. 51). Die Arbeitsergebnisse
werden dann anschließend per Internet oder in großen Containerschiffen
zu den Arbeitnehmern transportiert. (Ebd., S. 66).
Kosten/Nutzen von Kindern
Der Nutzen von Kindern
Gemäß
der ökonomischen Theorie lassen sich drei verschiedene Nutzenarten
für Kinder unterscheiden (vgl. Thomas Klein, Sozialstrukturanalyse,
2005, S. 81): | Konsumnutzen | | Einkommensnutzen | | Sicherheitsnutzen | Diese
Drastellung folgt der ökonomischen Theorie der Fertilität von Harvey
Leibenstein und Gary S. Becker.
Rosemarie Nave-Herz unterscheidet dagegegen die Nutzenarten (Rosemarie Nave-Herz,
Familie heute - Wandel der Familienstrukturen und Folgen für die Erziehung,
2. Auflage, 2002, S. 32): | materieller
Nutzen | | psychologischer
Nutzen | | sozial-normativer
Nutzen | Dieser Value-of-Children-Ansatz entspringt
im Ggensatz zur ökonomischen Theorie eher sozialpsychologischen Forschungsarbeiten.
(Vgl. Paul B. Hill / Johannes Kopp, Familiensoziologie, 2002, S. 206ff.).
Unter sozial-normativem Nutzen ist dabei das Erhoffen eines Statusgewinnes durch
das Kinderhaben oder bei Männern der Wunsch nach Vererbung des Familiennamens
gemeint. Rosemarie Nave-Herz führt weiter aus: »Je niedriger der technische
Industrialisierungsgrad eines Landes ist, um so eher werden materielle und sozial-normative
Werte mit Kindern verknüpft. .... Umgekehrt gilt ebenso: Je höher der
technische Industrialisierungsgrad eines Landes ist, um so stärker werden
mit Kindern allein immaterielle Werte verbunden wie die Befriedigung emotionaler
Bedürfnisse, zum Beispiel die von Kleinkindern ausgehende expressive Stimulation,
die Freude, sie aufwachsen zu sehen, das Zärtlichsein mit ihnen wird geschätzt,
und dazu reichen weniger Kinder aus.« (Rosemarie Nave-Herz, Familie heute
- Wandel der Familienstrukturen und Folgen für die Erziehung, 2. Auflage,
2002, S. 32). (Ebd., S. 67-68).Eine Familienmanagerin ist
eine professionelle Erzeiherin, die für das Aufziehen eigener Kinder bezahlt
wird, und zwar entsprechend der Zahl ihrer Kinder. Für eine Familienmanagerin
besteht ein Beschäftigungsverhältnis. Daneben kann sie für fremde
Kinder Tagesmutterdienste anbieten. Im wesentlichen entspricht sie als etwa einer
Tagesmutter nach dänischem Modell (vgl. J. Otto, Aufgepaßt! - Warum
auch Erzieherinnen eine akademische Ausbildung brauchen, in: Die Zeit, 47,
Nr 28, 06.07.2006, S. 71), nur das sie in erster Linie für die Betreuung
eigener Kinder (die auch adoptiert sein können) bezahlt wird. Aus dieser
Funktion ergibt sich für jedes weitere eigene und fremde Kind unmittelbar: | Erhöhung
des Konsumnutzens. | | Erhöhung
des Einkommensnutzens (mehr Kinder = mehr Einkommen) | | Erhöhung
des Sicherheitsnutzens (mehr Kinder = höhere Rentenansprüche) | Geburtenhemmende
Faktoren wie höhere Opportunitätskosten und sonstige Kosten oder biographische
Einschränkungen sind dagegen praktisch bedeutungslos. (Ebd., S. 71).
Opportunitätskosten
»Je wichtiger die Arbeit,
desto weniger kann sie Teilzeitarbeit sein. Deshalb kann man gerade bei den Erfolgreichen
keinerlei Neigung zu langem Urlaub, Arbeitszeitverkürzung oder Familienauszeit
erkennen. Peter M. Senge hat in diesem Zusammenhang auf einen sich selbst verstärkenden
Rückkopplungskreislauf hingewiesen: Je mehr Zeit man in die Arbeit investiert,
um so größer ist der Erfolg; je größer der Erfolg, um so
mehr Möglichkeiten eröffnen sich, die wiederum den Wunsch wecken, mehr
zeit für die Arbeit zu haben.« (Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 64-65 [**]).
Wir halten also fest: Je größer der berufliche Erfolg, desto gewichtiger
werden die Opportunitätskosten durch ausgefallene Arbeitszeiten sein und
desto schwerer wird eine zeitintensive Familienarbeit wiegen. (Ebd., S.
73).
Opportunitätskosten und Pflichten
»Rechte ergeben
sich nur in Wechselwirkung mit der Anerkennung von Pflichten.« (Franz Josef
Radermacher, Balance oder Zerstörung - Ökosoziale Marktwirtschaft,
2002, S. 49). .... Ein Kinderloser ... erwirbt ... durch Einzahlungen in die Rentenversicherung
»Rechte«, nämlich einen späteren Rentenanspruch. Dieser
muß gemäß dem deutschen Rentenumlagesystem von der nachfolgenden
Generation, zu der er selbst nichts beiträgt, gemäß »Generationenvertrag«
erwirtschaftet werden: »Einerseits beeinflußt die
Entfaltung des Wohlfahrtsstaat die sozialen Bedingungen der Bevölkerungsentwicklung
in vielfältiger Weise; andererseits entsteht durch die Schaffung der wohlfahrtsstaatlichen
Institutionen eine spezifische Form der Abhängigkeit einer Gesellschaft von
ihrer demographischen Entwicklung.« (Franz-Xaver Kaufmann,
Sozialpolitik und Sozialstaat: Soziologische Analysen, 2. Auflage, 2005,
S. 146). .... Es spricht deshalb sehr vieles dafür, die Nachwuchsarbeit
insgesamt als eine kollektive Pflicht zu verstehen, von der man sich jedoch individuell
- zum Beispiel durch Ausgleichszahlungen - befreien kann. Im Prinzip würde
es sich dabei um eine Übertragung von Pflichten an Dritte gegen Bezahlung
handeln, etwas, was in unserer Gesellschaft gang und gäbe ist. (Ebd.,
S. 74-75).»Der us-amerikanische Volkswirt Mancur Olson hat
sich in seinem 1965 erschienenen Buch Die Logik des kollektiven Handelns
mit den Schwierigkeiten von großen Gruppen auseinandergesetzt, ihre Interessen
zu formulieren und durchzusetzen: Immer würden ihre Bemühungen von Trittbrettfahrern
ausgenutzt, die selbst nicht bereit seien, sich zu engagieren, aber durchaus darauf
setzten, von den Früchten anderer Leute Anstrengung - zum Beispiel bei Tarifverhandlungen
- zu profitieren.« (Susanne Gaschke, Die Emanzipationsfalle
- erfolgreich, einsam, kinderlos, 2005, S. 154). (Ebd., S.
76).
Opportunitätskosten und finanzielle Anreize
Im Prinzip
drängen hohe Opportunitästkosten eine Vorgehensweise auf, die in der
Geschäftswelt als »Outsourcing« bekannt ist: Je höher die
Opportuntätskosten sind, desto eher wird man daran interessiert sein, die
Aufgabe an andere Personen auszulagern und für den Service zu zahlen. An
die Stelle von Individualverpflichtungewn tritt dann der Markt. (Ebd., S.
78).
Die Opportunitätskosten eigener Kinder
»Die Frage
der Fortpflanzung stellt einen interessanten Sonderfall zu Olsons Problemaufriß
dar: Objektiv sind die absichtsvoll Kinderlosen natürlich Trittbrettfahrer
einer Gesellschaft, deren mehrheit immer noch versucht, den Bestand zu sichern
und Kinder in die Welt setzt, die später auch für den Wohlstand und
die Renten der Kinderlosen aufkommen müssen. Werdenkt, er zahle doch Beiträge
in die Rentenversicherung ein und habe damit für sein eigenes Alter vorgesorgt,
irrt. Der Generationenvertrag hat zwei Paragraphen: der erste verpflichtet erwerbstätige
Menschen dazu, über ihre Beiträge für diejenigen zu sorgen, die
heute alt sind; der zweite verpflichtet sie, die Kinder großzuziehen, die
das gleiche eines Tages für sie tun werden.« (Susanne
Gaschke, Die Emanzipationsfalle - erfolgreich, einsam, kinderlos, 2005,
S. 154). (Ebd., S. 78).»Das Verbot der Kinderarbeit
und die Einführung bzw. Verlängerung der allgemeinen Schulpflicht einerseits,
die Entlastung der Kinder vom Unterhalt ihrer Eltern andererseits haben zu einem
offenkundigen Umkippen der ökonomischen Kosten-Nutzen-Balance des Nachwuchses
geführt. Die staatlichen Kinderbeihilfen erreichen in keinem lande eine Größenordnung,
die als Ausgleich der ökonomischen nachteile genügen würde«
(Franz-Xaver Kaufmann,
Sozialpolitik und Sozialstaat: Soziologische Analysen, 2. Auflage, 2005,
S. 150). .... Immer wird es Personen geben, bei denen die Opportunitätskosten
die angebotenen finanziellen Mittel deutlich übersteigen, so daß diese
sich weiterhin gegen die Ausführung der gewünschten Aufgabe entscheiden
werden. Zwar ist es möglich, auf diese Weise eine gesellschaftlich angestrebte
Gesamtfertilität (zum Beispiel 2,1 pro Frau) zu erreichen, allerdings nur
dadurch, daß beruflich wenig erfolgreiche Menschen überdurchschnittlich
viele Kinder in die Welt setzen und aufziehen werden (denn bei ihnen sind die
Opportunitätskosten niedriger als die ihnen dann zustehenden staatlichen
Anreize), während beruflich erfolgreiche Menschen dies unterdurchschnittlich
tun werden (denn bei ihnen sind die Opportunitätskosten weiterhin zu hoch).
Dies führt im Mittel dazu, daß erfolgreiche
(und in Wissensgesellschaften überdurchschnittlich gebildete und intelligente)
Menschen deutlich weniger häufig Nachwuchs bekommen werden als beruflich
weniger erfolgreiche (und damit in der Regel weniger gebildete) Menschen. Anders
ausgedrückt: Es werden sich diejenigen die meisten Kinder leisten, die sich
eigentlich Kinder am wenigsten leisten könnten. Gemäß den bisherigen
Ausführungen ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Denn beruflich erfolgreiche
Menschen besitzen ein hohes Humankapital, welches das Interesse der Wirtschaft
(Produktion) weckt. Dabei verlieren sie an Reproduktionskapital. Für beruflich
wenig erfolgreiche Menschen kann es statt dessen die beste Strategie sein, vorrangig
ihr Reproduktionskapital zu nutzen, da an ihrem Humankapital ein geringeres Interesse
besteht. Möglicherweise erklärt sich damit auch das demographisch-ökonomische
Paradoxon (vgl. Herwig Birg,
Strategische Optionen der Familien- und Migrationspolitik in Deutschland und
Europa [**],
in: Christian Leipert
[Hrsg.], Demographie und Wohlstand, 2003, S. 30 [**]).
So wie Humankapital Reprodukionskapital bindet, setzt umgekehrt eine unzureichende
Verwendung von Humankapital Reproduktionskapital frei. Tatsache ist aber: | An
einer solchen Entwicklung können weder die Gesellschaft als Ganzes noch ihre
Mitglieder interessiert sein. Denn letztendlich wird dadurch das Gesamtsystem
geschwächt. | | Eine
solche Entwicklung findet seit vielen Jahren in Deutschland statt. | Will
man genau umgekehrte Effekte erzielen, nämlich eher die Erfolgreichen dazu
bringen, eigene Kinder aufzuziehen, dann muß man umgekehrt (be)steuern,
zum Beispiel durch: | Besteuerung
von Kinderlosen bzw. kinderarmen Ehepaaren gemäß deren wirtschaftlicher
Leistungsfähigkeit. | Erst dann sehen in erster
Linie einkommensstarke Bevölkerungsgruppen einen Anreiz in (zusätzlichen)
Kindern, während Personen ohne oder mit geringen Einkommen diesen nicht haben.
Es wird also ein Kinderwunsch vor allem bei denen gefördert, die sich Kinder
ökonomisch besonders gut leisten könnten. Gleichzeitig hat die Maßnahme
eine ganze Reihe weiterer Vorteile, unter anderem: | Der
Staat erzielt zusätzliche Einnahmen, die verschiedene pronatalistische Maßnahmen
ermöglichen. Beispielsweise könnten damit sowohl Kinder aus sozial schwachen
Schichten besser gefördert, als auch Familien mit nachgewiesener Ausbildung
(Familienmanagerinnen) finanziert werden. Der Staat ist also nicht von vornherein
auf einen bestimmten Typ der Familienförderung festgelegt. | | Es
findet ein besserer Ausgleich zwischen Familien mit Kindern und Kinderlosen statt.
Denn Kinderlose werden nun zur Kasse gebeten, um ihren Beitrag zur gesellschaftlichen
Reproduktion zu leisten. Dies stellt auch die Bedeutung der Reproduktion stärker
in den Vordergrund. | Eine andere Möglichkeit besteht
darin, die Opportunitätskosten für zusätzliche Kinder durch zeitliche
Einsparungen bei der Erziehungsarbeit zu senken. Dazu gehören generell Maßnahmen
zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie: | Ganztagsbetreuungen | | Betriebskindergärten | | Technische
Geräte wie Kühlschrank, Spülmaschine, Waschmaschine u.s.w. | | Lebensmittel-Fertigprodukte | | Restaurants
und Pizza-Service | | Auslagerung
von Hausarbeit an andere (Familie als Unternehmer) | Generell
sind einige dieser Maßnahmen begrüßenswert, andere dürften
eher nachteilig sein, wie zum Beispiel die Zunahme von Krankheiten wie Adipositas
oder Diabetes bei Kindern zeigt. Allerdings ist nicht erwiesen, daß die
Maßnahmen geeignet sind, die Fertilitätsraten einer Gesellschaft anzuheben.
(Ebd., S. 80-83).Zusammengefaßt kann festgestellt werden,
daß bislang alle in Deutschland angewendeten pronatalistischen Maßnahmen
nicht geeignet sind, die Fertilitätsraten signifikant anzuheben, mit Ausnahme
in sozial schwachen Schichten. Gleichfalls ist keine der Maßnahmen - mit
Ausnahme in sozial schwachen Schichten - in der Lage, die Bildung von größeren
Familienstärken zu fördern. Stattdessen begünstigen sie eine Beschränkung
von Familien auf ein bis zwei Kinder. Dies mag auch seinen Grund darin haben,
daß die Erwerbsorientierung der meisten der bislang angewendeten pronatalistischen
Maßnahmen auf einem tief in der Industriegesellschaft verwurzelten Denken
beruht. Norbert Bolz
weist über die in diesem Abschnitt bereits aufgeführten Opportunitätskosten
auf die hohen Opportunitätskosten einer Eheschließung hin: »Ehen
waren ja nicht primär produktive, sondern reproduktive Einheiten. .... Heiraten
bis daß der Tod euch scheidet, ist die Entscheidung mit den
höchsten Opportunitätskosten. Es kann deshalb nicht überraschen,
daß immer mehr Leute immer später heiraten; und wenn sie dann heiraten,
immer häufiger auf Kinder verzichten.« (Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 18 [**]).
Schließt man die möglichen bis wahrscheinlichen Folgekosten einer Ehescheidung
mit ins Kalkül, dann kann man dieses Argument nur unterstreichen. »Monotonie,
hohe Kosten und Streit in der Ehe haben eine hohe Sichtbarkeit. Das schreckt viele
davon ab, sich auf dieses moderne Abenteuer einzulassen. Und in der Tat hat die
Ehe von allen Lebensformen das größte Konfliktpotential - aber eben
auch das größte Glückspotential. All jene Untersuchungen zeigen,
daß Einkommen einen sehr geringen, die Ehe dagegen den größten
Einfluß auf die Lebenszufriedenheit hat. Trotzdem hängt die Politik
der Frauenemanzipation fast völlig an Erwerbstätigkeit, und die Folgen
des Zerfalls der Familie werden bagatellisiert.« (Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 19 [**]).
Hier wäre anzumerken, daß insbesondere die gesamtgesellschaftlichen
Folgen bagatellisiert werden. Man könnte geradezu den Eindruck gewinnen,
daß vielen feministisch orientierten Politikerinnen diesbezüglich jegliches
Problembewußtsein fehlt: Es wird vermutlich auch dann noch das Hohelied
der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und anderer Dogmen gesungen, wenn der
Staat längst versunken ist. (Ebd., S. 83-84).
Sonstige Kosten von Kindern
Bei einer Entscheidung für
oder gegen Kinder sind neben den Opportunitätskosten noch weitere erhebliche
direkte Kosten (Aufwände) zu berücksichtigen, die mit dem Familieneinkommen
abzudecken sind. | Größere
und kindgerechte Wohnung. Unter Umständen ist dafür ein Umzug in eine
Vorstadt erforderlich, der mit zusätzlichen Verkehrsmitteln (zum Beispiel
einem Zweitwagen für die Ehefrau) erkauft werden muß. Auch verlängert
und verteuert sich dadurch der Weg zur Arbeit. | | Größeres,
der Familiengröße entsprechendes Auto. | | Zusätzliche
Kleidung, nahrung, Energie, Schulbedarf u.s.w. | | Literatur,
Konsumartikel und technische Geräte für die Kinder | | Urlaubsreisen
mitten in der Hochsaison und für mehr Personen | | Zusätzliche
Verkehrskosten (Bahn, Bus) | Besteht für die Kinder
nur ein Konsumnutzen (weder Einkommens- noch Sicherheitsnutzen), dann können
allein schon die zusätzlichen direkten Kosten pro Kind dazu führen,
die Familiengröße trotz ausgesprochener Familienorientierung auf ein
bis zwei Kinder zu beschränken. (Ebd., S. 84).
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Bei der These von der
Vereinbarkeit von Familie und Beruf handelt es sich quasi um ein Mantra des Feminismus
.... (Ebd., S. 84).
»Die Familienpolitiker ... propagieren den Mutterersatz
von staatlicher Seite, um die monotone Formel von der angeblich neuen
Familienwirklichkeit, der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie
(in dieser Reihenfolge!) auch allgemein verfügbar zu machen..«
(Birgitta Vom Lehm, Kindeswohl, ade! Gesundheitsverhütung im Wohlastandsland,
2004, S. 66). Und Norbert Bolz
ergänzt: »So tanzen Wirtschaftspolitik und Frauenemanzipation
gemeinsam um das goldene Kalb Ganztagsbetreuung - und man
darf nicht fragen, wie sich das auf die Kinder auswirkt. Frauen, die statt
dessen ihre Kinder lieber selbst erziehen möchten, verweigern
sich dem Arbeitsmarkt und sabotieren die Volkswirtschaft, die auf die
Leistungskraft der Frauen nicht verzichten kann. Deshalb ist
es tabu, nach der Verträglichkeit von Kinder- und Karrierewunsch
zu fragen. Wie dem Puritanismus ist dem Feminismus die Arbeit heilig.
Und nichts trifft die Signatur der Gegenwart genauer als Paul Lafargues
Formel von der Religion der Arbeit. In ihrem Kultzentrum steht
heute die unverheiratete, berufstätige Frau. Sie verkörpert
die Identität von Emanzipation und Erwerbsarbeit.« (Norbert
Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 63-64 [**]).
Hinter der Verreinbarkeitsthese verbirgt sich aber auch eine verklausulierte
Neuformulierung des Adenauerschen Postulats und zwar in der Form:
| Kinder
wollen die Menschen immer. | Auch in dieser leicht
veränderten Formulierung ist das Postulat alles andere als naheliegend oder
gar bewiesen. (Ebd., S. 85-86).Es gibt tiefgreifendere Gründe
für die aktuelle Kinderlosigkeit der Gesellschaft als die fehlende Vereinbarkeit
von Familie und Beruf. (Ebd., S. 87).
Fertilitätstheorien
Ergänzend
könnte noch die in diesem Buch vorgestellte Theorie der Interaktion von
Produktions- und Reproduktionskapital genannt werden, die aber in vielen Aspekten
allenfalls mit den obigen Theorien verträglich ist. Die Kernaussage ist:
Im Prinzip wird jeder Mensch versuchen, sein Leben sinnhaft zu gestalten. Ist
dies in der Produktion nicht möglich, wird - sofern damit nicht weitere gravierende
(ökonomische) Nachteile verbunden sind - ein Ausweichen in die Reproduktion
erfolgen. Dies dürfte auch von Relevanz für die seit einiger Zeit geführte
Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen (nicht zu verwechseln mit der
ebenfalls diskutierten Grundeinkommensversicherung) sein ([**|**|**|**|**|**]
vgl. Götz Werner, a.a.O.). Eine Hoffnung dabei ist, die Bürger würden
von jeglicher ökonomischer Existenzangst befreit und könnten dann ihre
kreativen Potentiale in optimaler Weise einsetzen. Auch könnten zahlreiche
bürokratische Kosten und staatliche Aufwände entfallen. (Ebd.,
S. 103).Da sich das bedingungslose Grundeinkommen jedoch auch auf
Kinder bezieht, ist nicht zu erkennen, warum die Menschen ihre kreativen Potentiale
nicht bevorzugt im Bereich der Reproduktion einsetzen sollten. Aktuell haben wir
in entwickelten Gesellschaften die Situation einer Vergütung produktiver
Tätigkeiten bei gleichzeitiger ökonomischer Vernachlässigung der
Reproduktion. Dies führt in Verbindung mit den oben aufgeführten Theorien
zu den bekannten niedrigen Fertilitätsraten (Ebd., S. 104).Ein
bedingungsloses ausreichendes Grundeinkommen könnte nun den Sinn produktiver
Tätigkeiten entwerten. Es läge dann die genau umgekehrte Situation vor:
Die Reproduktion hat Sinn, die Produktion nicht, speziell für solche Menschen,
die in der Produktion keinen Erfolg haben und dann nach einem ausgleichenden Lebenssinn
suchen. (Ebd., S. 104).Die soziologische Handlungstheorie
geht von zwei menschlichen Grundbedürfnissen aus: physisches Wohlergehen
und soziale Anerkennung (vgl. Paul B. Hill / Johannes Kopp, Familiensoziologie,
2005). Wird die soziale Anerkennung in der Interaktion mit Anderen (in der Produktion)
nicht erreicht, kann sie ersatzweise in der Reproduktion über die eigenen
Kinder fast zwangsläufig erworben werden. Die Auswirkungen auf die gesellschaftliche
Fertilität dürften auf der Hand liegen. (Ebd., S. 104).Das
im Kapitel Familienmanager-Konzept
ab Seite 155 vorgestellte Modell einer Teilprofessionalisierung der gesellschaftlichen
Reproduktion schlägt dagegen einen Mittelweg ein: Produktion und Reproduktion
werden in ihrer Bedeutung ökonomisch gleichgestellt. Der Markt sorgt für
den natürlichen Ausgleich zwischen beiden Bereichen. (Ebd., S. 104).Da
für die Familienmanagerinnen die wichtigsten fertilitätseinschränkenden
Gründe wie fehlender Einkommens- und Sicherheitsnutzen von Kindern sowie
hohe biographische Opportunitätskosten allesamt außer Kraft gesetzt
sind, kann für diese Teilgruppe eine hohe Fertilitätsrate erwartet werden.
Im Zusammenspiel mit der Fertilität der restlichen Bevölkerung und der
staatlichen Ressourcenallokation ist dann sogar eine planbare gesellschaftliche
Reproduktion vorstellbar. Auf diese Zusammenhänge wird im Kapitel Bevölkerungspolitik
ab Seite 121 näher eingegangen. (Ebd., S. 104).
Kindererziehung
Humankapital-Bildung
In Wissensgesellschaften
spielt die Qualität des Humankapitals eine entscheidende Rolle. Gemäß
allgemeinem ökonomischem Verständnis wird Humankapital durch die Ausbildung
spezifischer Qualifikationen und Kompetenzen im Bildungssystem und Beruf erzeugt.
In Erweiterung der schulischen und beruflichen Ausbildung trägt aber die
familiäre Erziehung, auch schon im Vorschulalter, in erheblichem Maße
zur Entwicklung von Humankapital bei (vgl. Helga Kasemir, Der Beitrag der Familie
zur Bidung von Human- und Sozialkapital, in: G. Clar / J. Doré / H.
Mohr [Hrsg.], Humankapital und Wissen - Grundlagen einer nachhaltigen Enztwicklung,
1997, S. 221), wobei heute mehr und mehr darauf hingewiesen wird, daß die
eigentliche Basis bereits in frühester Kindheit gelegt wird und diese wiederum
zum Teil auf erblichen Faktoren beruht. Im allgemeinen dürfte es fast aussichtslos
sein, durch berufliche Ausbildungen das nachholen zu wollen, was in der Kindheit
bereits versäumt wurde. Es kann deshalb nur konstatiert werden, daß
das substantielle Schwächen aufweisende nachwachsende Humankapital sich zwangsläufig
negativ auf die zukünftige Arbeitswelt auswirken wird. (Ebd., S. 106).»Doch
wer die Jugend vernachlässigt, braucht sich über die Arbeitswelt der
Zukunft keine Gedanken zu machen.« (Gertrud Höhler, Vorwort,
in: C. Ludwig / A. Mannes, Mit der Spaßgesellschaft in den Bildungsnotstand
- 17 streitbare Beiträge für einen Aufbruch aus der Bildungsmisere,
2. Auflage, 2004, S. 11). (Ebd., S. 106).Gleichzeitig wird
die Würde der nachkommenden Generation mißachtet: »Unzählige
Schüler beenden ihre Lernzeit ohne stimulierende Erkenntnis eigener Talente.
Ihre Intelligenz wird unterfordert. So schädigen wir die Arbeitswelt, und
- was schwerer wiegt - wir vernachlässigen die Grundrechte junger Menschen
auf Entfaltung, Lebenslust, und Selbstvertrauen - kurz gesagt: wir vernachlässigen
ihre Würde.« (Gertrud Höhler, Vorwort, in: C. Ludwig /
A. Mannes, Mit der Spaßgesellschaft in den Bildungsnotstand - 17 streitbare
Beiträge für einen Aufbruch aus der Bildungsmisere, 2. Auflage,
2004, S. 11). (Ebd., S. 106).
Ganztagsbetreuungen
Einige Experten hbefürchten eine
weitere Verschlechterung der kindlichen Erziehungssitutaion, wenn als Teil einer
arbeitsmarktzentrierten Familienpolitik elterliche Erziehungsleistungen verstärkt
in staatliche Hände gelegt werden. So führt Norbert Bolz
etwa an: »Als hätte die DDR einen späten ideologischen Sieg errungen,
predigen die meisten Politiker heute ganz selbstverständlich die Verstaatlichung
der Kinder. Denn die Kinderkrippen, Kindertagesstätten und Ganztagsschulen
sind nicht als Hilfestellungen für notleidende Eltern, sondern als neue familienpolitische
Norm konzipiert. Die Schule wird zum Kinderbetreuungszentrum, in dem die Kinder
nicht primär lernen sollen, sondern intergriert werden. ....
Statt die öffentliche Erziehung als Erweiterung der häuslichen
aufzufassen, wird sie zur wesentlichen, und das Endziel ist sichtbar, die Kinder
den Eltern fortzunehmen, um sie zu Kindern allein des Ganzen zu machen.
(Karl Jaspers, die geistige Situation der Zeit, 1930, S. 53).« (Norbert
Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 39 [**]).
»Kinderkrippen, Horte Ganztagsschulen und Tagesmütter bieten uweifellos
verläßliche Betreuung. Aber man kann von solchen Einrichtugen natürlich
nicht Liebe, Behutsamkeit und Zärtlichkeit erwarten.« (Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 40 [**]).
Einige empirische Daten könnten solche Aussagen stützen. (Ebd.,
S. 116).
Die Familienmanager-Chance
Trotz der Bedeutung der frühkindlichen
Erziehung für die Zukunft unserer Gesellschaft ist »Mutter« einer
der ganz wenigen »Jobs«, für den keine Ausbildung erforderlich
ist, ja für den manchmal zusätzliche Qualifikationen sogar als schädlich
angenommen werden. Neben der fehlenden finanziellen Anerkennung trägt dies
entscheidend zur gesellschaftlichen Abwertung der Aufgabe bei. Der Beruf der Familienmanagerin
könnte zu einer erheblichen Verbesserung der beschriebenen Situation beitragen: | Eine
Familienmanagerin verfügt generell über ein hohes Ausbildungsniveau. | | Auch
während der Ausübung ihres Berufs bleibt sie - unter anderem im Rahmen
regelmäßiger Weiterbildungsmaßnahmen - in Kontakt mit neuesten
Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung. | | Ihre
Arbeit erlaubt eine stärkere Rückkoppelung zu Forschungseinrichtungen.
Mit der Professionalisierung der frühkindlichen Erziehungsarbeit darf ein
weiterer Anschub bei der frühkindlichen Forschung erwartet werden. Auch andere
wissenschaftliche Disziplinen wie die Familienforschung oder etwa zur Hauswirtschaft
dürften von der Entwicklung enorm profitieren. | | Der
Erfahrungsaustausch unter den Familienmanagerinnen (vom Umgang mit banalen Konsumwünschen
bis hin zur Haltung gegenüber den Medien) und die gegenseitige Unterstützung
kann die Qualität ihrer Erziehungsleistungen weiter anheben. | | Die
Kinder von Familienmanagerinnen verfügen in aller Regel über Spielgefährten,
wodurch sie regelmäßige kindliche Anregungen erhalten. Die zu erwartende
enge Kommunikation zwischen den Familienmanagerinnen dürfte die Situation
weiter verbessern. | | Die
Familienmanagerinnen könnten nicht nur eine gesunde Ernährung ihrer
eigenen Kinder sorgen, sondern aufgrund ihrer Marktmacht auch zu einer erheblichen
Verbesserung der generellen Lebensmittelversorgung. | | Familienmanagerinnen
verfügen über ein ausreichendes Erziehungspotential, ihre KInder vor
einer nagtiven und zu ausschließlichen Beeinflussung bzw. Berieselung durch
Medien wie Fernsehen, Internet und Computerspiele zu schützen. | | Familienmanagerinnen
könnten die frühkindliche Vermittlung von Englisch fördern. | | (Kooperationen
unter) Familienmanagerinnen könnten ältere Experten (Musik, Kunst, Sprache,
Mathematik, Bewegung u.s.w.), deren Humankapital auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr
gefragt ist, dazu anregen, statt dessen den Kindern Kenntnisse zu vermitteln. | | Familienmanagerinnen
könnten berufstätige Eltern bei ihrer Erziehungsarbeit beraten, unterrichten
und unterstützen. | ... Familienmanagerinnen wären
neue Mütter. (Ebd., S. 118).
Familienmanagerinnen und Globalisierung
Es war nicht in
erster Linie der technische Fortschritt, der die Gesellschaft weiterentwickelte,
sondern die Art und Weise, wie diese kulturell auf die neuen Herausforderungen
reagierten. Auch unterstreicht die Darstellung die besondere Bedeutung von Investitionen
in das Humankapital, die Deutschland historisch gesehen einen Vorteil verschafften,
der bis heute vorgehalten hat. »Sozialpolitik hat - insbesondere über
die Maßnahmen im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie im Arbeitsschutz -
z ueiner historisch einmaligen Entfaltung der Humanvermögen beigetragen«
(Jacques Neirynck, Der göttliche Ingenieur - Die Evolution der Technik,
1994, S. 275). Jacques Neirynck folgert denn auch: »Paradoxerweise ist das
beste Mittel um auf der Woge der technischen Evolution obenauf zu bleiben, die
kulturelle Evolution zu überwachen. Man kann also technischen Fortschritt
nicht verordnen.« (Jacques Neirynck, Der göttliche Ingenieur - Die
Evolution der Technik, 1994, S. 276). Technischer Fortschritt wird sich nicht
wirklich entfalten, bzw. eine Gesellschaft wird keinen signifikanten Nutzen daraus
ziehen können, wenn die kulturellen Voraussetzungen nicht stimmen.
(Ebd., S. 119-120).Die entwickleten Länder befinden sich zur
Zeit in einer Übergangsphase hin zur Wissensgesellschaften. Wie wir gesehen
haben, generieren dabei Wissen und kognitive Fähigkeiten ihrer Menschen zu
den entscheidenden Ressourcen. Fortschritte in der Telekommunikation, die damit
einhergehende Globalisierung und die zunehmende Rohstoffverknappung werden ein
globales Anbieten von Kompetenzen ohne Standortwechsel ermöglichen bzw. sogar
erforderlich machen. (Ebd., S. 120).Erneut werden die Nationen
auf der Woge der technischen Evolution oben auf schwimmen, die die notwendigen
Inverstitionen in das Humankapital (zum Beispiel mittels Familienmanagerinnen)
besonders rasch und nachdrücklich tätigen werden. (Ebd., S. 120).
Bevölkerungspolitik
Biographische Fertilitätstheorie
Bei der biographischen
Fertilitätstheorie von Birg
et. al. (**)
handelt es sich um die demographische Entsprechung der Individualisierungsthese
von Beck (**).
(Ebd., S. 121).Kernausassagen der Theorie sind (vgl. Herwig, Birg
/ Ernst-Jürgen Flöthmann / Iris Reiter, Biographische Theorie der
demographischen Reproduktion, 1991): |
Die Größe
des biographischen Universums nimmt durch den Wegfall sozialer,
normativer und ökonomischer Beschränkungen permanent zu. |
| Je
größer das biographische Universum ist bzw. je vielfältiger die
Optionen für eine Biographie sind, desto größer ist die Zahl der
Alternativen, die mit einer biographischen Festlegung aus dem Möglichkeitsspielraum
ausscheiden. | | Bei
einer Expansion des biographischen Möglichkeitsspielraums steigt das Risiko
einer biographischen Festlegung. | | In
Gesellschaften mit Konkurrenzprinzip im Individualverhalten ist das Risiko biographischer
Festlegungen in der Familienbiographie größer als das Risiko von Festlegungen
in der Ausbildungs- und Erwerbsbiographie. | | Das
Risiko familialer Festlegungen läßt sich aufschieben oder vermeiden. | | Schlußfolgerung:
Die Wahrscheinlichkeit der demographisch relevanten biographischen Festlegungen
nimmt ab. |
Dies bedeutet: Durch die zunehmende Individualisierung (vgl. Ulrich Beck,
Risikogesellschaft, 1986) steigt die Anzahl der Lebenslaufalternativen
für eine konkrete Person. Bei einer Familiengründung erfolgt
aber eine sehr große biographische Festlegung für einen längeren
Zeitraum, und folglich scheiden sehr viele Lebenslaufalternativen aus
dem sogenannten biographischen Universum aus. Dies macht es wahrscheinlicher,
daß eine solche Festlegung zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erfolgt,
zumal familiale Entscheidungen größere Risiken bergen können
als Ausbildungs- und Karriereentscheidungen. Die Konsequenz ist, daß
die Entscheidung für eine Familiengründung immer später
oder gegebenfalls gar nicht mehr getroffen wird. (Ebd., S. 121).
Die
biographische Fertilitätstheorie gilt allgemein als eine der schlüssigsten
Thesen für die Erklärung der niedrigen Fertilitätsraten in entwickelten
Gesellschaften. Denn immerhin konnten einzelne Folgerungen der Theorie empirisch
bestätigt werden. (Vgl. Herwig Birg,
Strategische Optionen der Familien- und Migrationspolitik in Deutschland und
Europa [**],
in: Christian Leipert
[Hrsg.], Demographie und Wohlstand, 2003, S. 27-56 [**]).
(Ebd., S. 122).Aus der Theorie werden in der Regel die falschen
Empfehlungen abgeleitet. (Ebd., S. 123).
Alterung der Gesellschaft
Eine
Gesellschaft entspricht von außen betrachtet einem Lebewesen, mit den Menschen
als Zellen. (Ebd., S. 124).Altern die Menschen, dann altert
die Gesellschaft. (Ebd., S. 124).Spätestens ab ca. dem
Jahr 2020 sollte auch mit einer erhöhten Auswanderungsrate der jüngeren
Generation gerechnet werden. Eine andere denkbare Entwicklung wäre: Das »Land«
wird unregierbar und die »Demokratie« wird von einem totalitären
Regime abgelöst. (Hervorhebungen von mir; HB).
(Ebd., S. 127).
Individual- versus Kollektivverhalten
Wie bereits ausgeführt
wurde, sind die wichtigsten Ressourcen in Wissensgesellschaften Wissen und kognitive
Fähigkeiten ihrer Menschen. Das wichtigste Vermögen eines Staates ist
das Humanvermögen, bestehend aus den Menschen mit ihren Fähigkeiten
und Kenntnissen. (Ebd., S. 130).Explizite Formulierungen
zum gewünschten Kollektivverhalten mit Bezug auf die Nachwuchssfrage setzen
deshalb zunächst einmal Planziele für das Humanvermögen voraus.
Mit anderen Worten: es ist letztendlich die Aufgabe des Staates, eine Planung
über den zukünftigen Bedarf an Menschen und ihrer Kompetenzen zu machen.
(Ebd., S. 130-131).Etwas Ähnliches wird bereits vom Statistischen
Bundesamt und anderen Einrichtungen gemacht, und zwar in Form von bevölkerungsprognosen.
darin geht es aber im wesentlichen nur um Quantitäten. Qualitative Aspekte
kommen nur am rande und in Form von Altersstruktiren oder Migrantenanteieln zur
Geltung. Auch werden darin nur Vorausberechnungen unter bestimmten Prämissen
gemacht, zum Beispiel durchschnittlichen Fertilitätsraten der Bevölkerung
bzw. jährlichen Wanderunsgsalden. (Ebd., S. 131).Ein
Staat benötigt aber in vieler Hinsicht Planungssicherheit. Mit Bezug auf
das wichtigste Vermögen, dem Humanvermögen, ist ... eine Langzeitplanung
für die nächsten 30 Jahre erforderlich. Denn schließlich hätten
Werteverschiebungen In diesem Bereich unmittelbare Auswirkungen auf alle anderen
wesentlichen Parameter wie Bruttoszialprodukt, Steuereinanehmen oder Wirtschaftswachstum.
(Ebd., S. 131).Aus staatlicher Sicht macht es deshalb Sinn, klare
Zielvorgaben für die Bevölkerungsentwicklung aufzustellen und zu versuchen,
diese einzuhalten. Im Rahmen dieser Zielvorgaben sollte es dann möglich sein,
das erartete Kollektivverhalten im Bezug auf die Nachwuchsfrage zu definieren.
(Ebd., S. 131).Eine typische Formulierung könnte z.B. lauten:
Es wird ein jährlicher Neuzuwachs von 1,1 Millionen Kindern angestrebt. Dabei
sollten die Kinder eine möglichst optimale frühkindliche Erziehung genießen.
(Ebd., S. 131).Entscheidend ist zunächst ein Konsens über
die Zielvorgaben, an denen sich das staatliche Handeln auszurichten hat. Dies
sagt natürlich noch nichts darüber aus, wie und ob das Ziel in der Praxis
erreicht werden kann. Viele Experten sind der Ansicht, dies sei gar nicht möglich,
da die Fertilität einer Gesellschaft nicht wirkllich beeinflußt werden
könne. (Ebd., S. 132).Zur Zeit werden in erster Linie
verschiedene Ansätze verfolgt, einem nicht präzise definierten Ziel
»höhere Fertilität« möglichst nahe zu kommen. Zu nennen
sind insbesondere: | Maßnahmen
zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie zum Beispiel Ganztagskindergärten
und -krippen, Ganztagsschulen, Firmenkindergärten, flexible Arbeitszeiten,
Heimarbeitsplätze u.s.w.. | | Monetäre
Anreize wie Steuervergünstigungen, Elterngeld, Kindergeld, steuerliche Abzugsfähigkeit
familienunterstützender Leistungen. | Beide Maßnahmentypen
versuchen vor allem, die Opportunitätskosten von Kindern zu verringern. Wie
in den Abschnitten Opportunitätskosten
und Pflichten und Opportunitätskosten
und finanzielle Anreize ab Seite 77 dargelegt wurde, sind solche Vorgehensweisen
aber suboptimal, da sich damit zwar das Kollektivverhalten in eine gewünschte
Richtung lenken, dabei aber keine Planungssicherheit erreichen läßt.
Anders ausgedrückt: Die Maßnahmen können dazu beitragen, die Fertilität
zu steigern, es kann jedoch überhaupt nicht vorhergesagt werden, wie stark
dies geschehen wird. (Ebd., S. 133).Planungssicherheit in
Bezug auf freiwillige Tätigkeiten läßt sich dagegen besonders
effizient über Professionalisierung und Spezialisierung, das heißt
über marktwirtschaftliche Regelungen erreichen. In der Industrie spricht
man in diesem Fall auch von Outsourcing. Oder mit den Worten von Franz Josef Radermacher:
»Gesellschaftliche Zielvorstellungen und ökonomische Prozesse werden
heute in der Regel weltweit über Märkte organisiert.« (Franz Josef
Radermacher, Balance oder Zerstörung - Okosoziale Marktwirtschaft als
Schlüssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklung, 2002, S. 16).
Das im vorliegenden Buch vorgestellte Familienmanager-Konzept folgt dieser Vorgehensweise: | Kinderlose
werden verpflichtet, monatliche Beiträge aufgrund fehlender Aufziehleistungen
abzuführen. | | Es
wird ein neuer Beruf mit dem Namen Familienmanagerin gebildet. Für diesen
Beruf ist eine qualifizierte Ausbildung erforderlich. Wer die Ausbildung erfolgreich
abgeschlossen hat, kann sich auf eine Familienmanagerstelle bewerben. | | Der
Staat ermittelt an Hand von Ist-Daten, seinen Zielvorgaben und dem verfügbaren
Haushaltsbudget die Anzahl der auszuschreibenden Familienmanager-Stellen. | | Eingestellte
Familienmanager erhalten ein kleines Grundgehalt (zum Beispiel 500 Euro) und einen
Leistungsbetrag pro aufgezogenes Kind (zum Beispiel 500 € pro Kind). Daneben
stehen ihnen Kindergeld und ein 13. Monatsgehalt zu. Die
Zahlen basieren auf der Erziehungsgehalt-2000-Studie und sind in diesem Zusammenhang
nur beispielhaft zu verstehen. In der Praxis sind vermutlich höhere Beträge
anzusetzen. | Eine häufig empfohlene Alternative dazu
ist der Ansatz »Kinder oder Sparen«, bei dem Kinderlose dazu verpflichtet
werden, zusätzliches Kapital als Alterssicherung anzusparen (Riester-Sparen).
Im Prinzip entspricht diese Methode zum Teil dem Familienmanager-Konzept, da in
beiden Fällen Kinderlose auf einen Teil ihres Einkommens verzichten müssen
und gezwungen sind, Abgaben abzuführen. Einige Autoren behaupten deshalb,
die Maßnahme könne zu mehr Kindern führen, da zahlreiche Menschen
möglicherweise versuchen werden, die Abgaben zu vermeiden Dies muß
aber für das Riester-Sparen bezweifelt werden, denn die monatlichen Abgaben
sind ja anders als beim Familienmanager-Ansatz nicht verloren, sondern stehen
später in Form einer zusätzlichen Rente oder eines Barvermögens
zur Verfügung. Es kann deshalb durchaus argumentiert werden, das Riester-Sparen
stehe als zusätzliche kapitalbildende Altersversorgung einem Kinderwunsch
eher im Wege. Demgegenüber führen die abgeführten Abgaben beim
FamilienmanagerKonzept unmittelbar zu mehr Kindern, da sie ja genau in dem Bereich
investiert werden. (Ebd., S. 133).Gegen das Riester-Sparen
für Kinderlose lassen sich aber noch weitere Einwände aufführen,
zum Beispiel: | Der
deutschen Wirtschaft werden erhebliche Mengen an Kapital entzogen, mit der irgendwo
auf der Welt Projekte oder Unternehmen finanziert werden. Ökonomisch macht
das aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland nur wenig Sinn. | | Ein
Ansparer könnte bereits vor Rentenantritt sterben. Damit hätte er einen
erheblichen Teil seines Kapitals in eine Altersversorgung gesteckt, von der weder
er noch die Gesellschaft etwas hatten. (Ebd., S. 133). |
Selbstregulierendes Steuersystem
Im letzten Abschnitt (**)
wurde vorgeschlagen, Kinderlosigkeit (bzw. relative Kinderarmut) zu besteuern
und die eingenommenen Steuern gezielt für das Aufziehen von Kindern durch
professioinelle Kräfte (Familienmanager) zu verwenden. Hierduch entsteht
ganz nebenbei ein sich selbst regulierendes und dem Prinzip der kommunizierenden
Röhren entsprechendes Steuersystem. (Ebd., S. 135). | Geringe
Einnahmen an Kinderlosen-Steuer bei hoher Fertilität |
 | Hohe
Einnahmen an Kinderlosen-Steuer bei geringer Fertilität |
|
Ist
die Anzahl der Kinderlosen bzw. Kinnerarmen gering und die Gesamtfertilität
somit hoch, dann werden nur wenige Kinderlosen-Steuern eingenommen. Es können
dann nur wenige Familienamanger beschäftigt werden, für die es in einer
solchen Situation aber auch keinen Bedarf gibt. (Ebd., S. 135).Ist
die Anzahl der Kinderlosen bzw. Kinderarmen groß und die Gesamtfertilität
somit gering, dann werden sehr viele Kinderlosen-Steuern eingenommen. Es können
folglich entsprechend viele Familienmanager beschäftigt werden, für
die in einer solchen Situation ja auch ein erheblicher Bedarf besteht. (Ebd.,
S. 135).In Anlehnung an die Aussage der Ökonomen, Realkapital
müsse in dem Maße gebildet werden, wie es an Humankapital fehlt (vgl.
Hans-Werner Sinn,
Ist Deutschland noch zu retten?, 2003, S. 409), könnte man mit Bezug
auf das vorgestellte Modell auch sagen:Realkapital
muß in dem Maße akkumuliert werden, wie es an Humankapital fehlt,
um damit neues Humankapital bilden zu können. | Natürlich
wird auch dieses System eine gewisse Trägheit besitzen und nicht auf jede
größere Fertilitätsschwankung unmittelbar reagieren. Allerdings
sind erfahrungsgemäß solche Fluktuationen auch nicht zu erwarten.
(Ebd., S. 136).In jedem Fall würden die Abgaben dem Namen
»Steuer« wieder einen Sinn geben, nämlich gesellschaftliche Prozesse
zu steuern. (Ebd., S. 136).
Spezialisierung
Verschiedene Experten haben darauf hingewiesen,
daß Kinder zu bekommen als Folge des Geburtenrückgangs unweigerlich
zu einem Akt der Spezialisierung wird: Ein schrumpfender Anteil Frauen muß
immer mehr und mehr Geburten bewerkstelligen. (Vgl. Frank Schirrmacher, Minimum
- Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft, 2006, S. 123 f.).
Denn andernfalls würde die Bevölkerung selbst bei bestandserhaltenden
Fertilitätsraten schrumpfen: »Es ist wichtig zu erkennen, daß
die Bevölkerungsschrumpfung in Deutschland auch bei einer konstanten und
sogar bei einer auf das Bestandserhaltungsniveau von 2,1 Lebendgeborenen pro Frau
zunehmenden Geburtenrate unvermeidlich ist, denn sie beruht in erster Linie auf
der zurückgehenden Zahl potentieller Eltern, die der Geburtenrückgang
in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten jetzt zwangsläufig nach sich zieht,
nicht etwa auf einer angenommenen weiteren Abnahme der Geburtenzahl pro Frau.
Durch diesen als Eigendynamik der Bevölkerungsschrumpfung bezeichneten
Prozeß wird sich das Geburtendefizit in derZukunft vervielfachen.«
(Herwig Birg, Auswirkungen und Kosten der Zuwanderung nach Deutschland,
2001, http://www.herwig-birg.de/downloads/dokumente/Gutachten-Muenchen.pdf, S.
7). (Ebd., S. 137).Nehmen wir einmal
an, eine demographische Analyse sei zu dem Ergebnis gekommen, die meisten Nachhaltigkeitsanforderungen
ließen sich mit 1,1 Millionen jährlichen Geburten erfüllen. Insbesondere
würden damit sowohl der prognostizierte Humankapitalbedarf der Wirtschaft
abgedeckt, als auch der zukünftigen Generation nicht zu hohe Pro-Kopf-Belastungen
etwa bei der Altenpflege oder der Unterstützung von Rentnern und anderen
Leistungsempfängern bzw. Hilfsbedürftigen aufgebürdet. Bei einer
Jahrgangsstärke von 1,2 Millionen Menschen hätte dies für die daran
beteiligten 600000 Frauen eine Ziel-Fertilitätsrate von 1,83 zur Folge (wobei
einfachheitshalber eine vernachlässigbare Sterblichkeit in jungen Jahren
angenommen wird). Bei Jahrgangsstärken von 1 Million bzw. 700000 (n Deutschland
wurden in 2005 nur noch 686000 Kinder geboren) ergeben sich demgegenüber
Fertilitätsraten von 2,2 bzw. 3,14 (siehe Abbildung).
Dies sind in beiden Fällen Werte, die auch bei sehr optimistischer Betrachtung
unter den aktuellen Rahmenbedingungen als unrealistisch angenommen werden müssen.
Hinzu kommt, daß auf schrumpfende Jahrgänge mehr Arbeit und höhere
Belastungen zukommen werden, so daß eher weitersinkende Fertilitätsraten
angenommen werden müssen.Jahrgangsstärke | Gebärfähige
Frauen | Ziel-Fertilitätsrate | 1
200 000 | 600
000 | 1,83 | 1
000 000 | 500
000 | 2,20 |
700 000 | 350
000 | 3,14 |
Abbildung
8) Ziel-Fertilitätsraten bei unterschiedlichen Jahrgangsstärken (**)
(**) | Bliebe
die Fertilitätsrate dagegen bei ungefähr 1,4, so würden (wie die
folgende Abbildung
zeigt) 600000 Frauen nur noch 840000 Kinder zur Welt bringen, 350000 Frauen sogar
nur noch 490000. Davon wäre natürlich nur die Hälfte weiblich,
was die Zahl der gebärfähigen Frauen mit der Zeit weiter reduzieren
würde.Jahrgangsstärke | Gebärfähige
Frauen | Geburten | 1
200 000 | 600
000 | 840 000 | 1
000 000 | 500
000 | 700 000 |
700 000 | 350
000 | 490 000 |
Abbildung
9) Geburten bei Fertilitätsrate 1,4 (**)
(**) | Doch
betrachten wir das Problem einmal von der umgekehrten Seite her und nehmen dazu
an, der Staat habe sich zu einer aktiven Bevölkerungspolitik entschieden,
die unter anderem darin bestehe, 20 Prozent der Frauen eines Jahrgangs als Familienmanagerinnen
zu beschäftigen. Nehmen wir darüber hinaus an, die normale Fertilitätsrate
der gebärfähigen Frauen liege konstant bei 1,4. 1,1 Millionen jährliche
Geburten hätten dann die folgenden Konsequenzen:Jahrgangsstärke | Gebärfähige
Frauen | Familienmanager | Fertilitätsrate
(nur Familienmanager) | 1
200 000 | 600
000 | 120 000 | 3,57 | 1
000 000 | 500
000 | 100 000 | 5,40 |
700 000 | 350
000 | 70 000 | 10,11
|
Abbildung
10) Familienmanager-Fertilitätsraten und Jahrgangsstärken (**)
(**) | Eine
Fertilitätsrate von 10,11 wird sich sicherlich auch für diesen Personenkreis
nicht mehr ausschließlich durch eigene Geburten bewerkstelligen lassen,
sondern einer Unterstützung durch begleitende Adoptionen bedürfen. Alternativ
könnte der Anteil der Familienmanagerinnen an der Gesamtbevölkerung
gesteigert werden. Beispielsweise würde sich bei einem 30-prozentigen Anteil
der Familienmanagerinnen an den Frauen eines Jahrgangs deren erforderliche durchschnittliche
Fertilitätsrate von 10,11 auf 7,21 reduzieren, geht man statt von 1,1 Millionen
jährlichen Geburten nur von 900000 aus, dann sogar auf einen Wert von 5,30.
(Ebd., S. 137-139).In unserem Beispiel wurde sich einfachheitshalber
auf Frauen beschränkt. Zu gleichen Resultaten würde man bei einem jeweils
10-prozentigen Anteil von Familienmanagern unter Männern und Frauen eines
Jahrgangs kommen. Bei den von den Männern aufgezogenen Kindern kann es sich
dann natürlich nur um adoptierte bzw. um eigene, aber von Nicht-Familienmanagerinnen
geborene Kinder handeln (das heißt, er ist Familienmanager, seine Ehefrau
bringt die Kinder zur Welt, geht aber einem anderen Beruf nach). (Ebd.,
S. 139).
Nachhaltigkeit
Der Begriff der Nachhaltigkeit (**)
stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Er bezeichnet die Bewirtschaftungsweise
eines Waldes, bei der dem Wald immer nur so viel Holz entnommen wird, wie nachwachsen
kann, so dass der Wald nie zur Gänze abgeholzt wird, sondern sich immer wieder
regenerieren kann. (Ebd., S. 139).
Vgl.
z.B.: Wikipedia, Nachhaltigkeit, http://de.wikipedia.org/wiki/Nachhaltigkeit
(**);
Fred Luks, Nachhaltigkeit, 2002, S. 6. |
Nachhaltige
Entwicklung bedeutet die Erhaltung des Kapitalstocks an Ressourcen für die
nächste Generation in einem Maße, daß deren Wohlfahrtsniveau
mindestens dem der gegenwärtigen Generation entsprechen kann. Dies impliziert,
daß an den erneuerbaren Ressourcen (Luft, Böden, Wasser, Biomasse,
Humanressourcen inklusive Reproduktionskapital) kein Raubbau betrieben wird bzw.
für diese Ressourcen stets ausreichende Reproduktionskapazitäten vorgehalten
werden. Im Abschnitt Eine
vernachlässigte Hauptaufgabe des Staates ab Seite 14 wurde bereits
die Sicherstellung der Nachhaltigkeit als eine der wichtigsten Aufgaben des Staates
herausgestellt. Dabei wurde dieser ganz bewußt mit einem Forstbetrieb verglichen
und deutlich gemacht, daß eine nachhaltige Wirtschaftsweise stets nur vom
Ertrag, nie aber von der Substanz nehmen wird. Deutschland zehrt seit Jahrzehnten
bereits ganz erheblich an seiner Humansubstanz. Allerdings gibt es zur Zeit auch
nicht ansatzweise einen politischen Konsens über die eigentlichen Aufgaben
des Staates. Christian Wulff meint zum Beispiel: »Der Staat kann und darf
nicht an sich ziehen, was der Einzelne selbst regeln kann. Davon lasse ich mich
leiten.« (Christian Wulff, Deutschland kommt voran, 2006, S. 51).
Das einzelne Individuum kann sicherlich fast alles selbst regeln. Dennoch ist
fraglich, ob es in der Summe aller Individuen dies auch noch im Sinne der Gesellschaft
tun wird. Nachhaltigkeit steht in einem engen Zusammenhang zum Begriff der Generationengerechtigkeit
(siehe dazu auch den Abschnitt Generationengerechtigkeit
ab Seite 155). Daraus leiten sich unter anderem erhebliche Konsequenzen für
die Bevölkerungspolitik, den Umweltschutz oder die Finanzpolitik ab.
(Ebd., S. 140).Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist zum Beispiel
unter den folgenden Bedingungen verletzt: | Dauerhaft
deutlich zu niedrige (»nicht bestandserhaltende«) Fertilität.
In diesem Fall spart sich die vorangegangene Generation einen erheblichen
Teil der Nachwuchsarbeit. Dies mag für sie ökonomisch günstig sein.
Für die nachrückende Generation ist das Ergebnis aber geradezu katastrophal,
weil sie damit eine erhebliche Altenlast aufgebürdet bekommt. Der Begriff
»nicht bestandserhaltend« drückt in Hinblick auf die forstwirtschaftliche
Herkunft des Begriffs »Nachhaltigkeit« bereits alles aus: Eine nicht
bestandserhaltende Fertilität verletzt das Nachhaltigkeitsprinzip. Das Problem
in unserem Kontext ist die zu starke bevölkerungspolitische Ausrichtung auf
die Produktion. Stattdessen müßte man zur Finanzierung der Reproduktion
denjenigen, die sich aus der Reproduktion völlig heraushalten, weil nur in
der Produktion Einkommen erwirtschaftet werden, etwas Geld abnehmen, und es in
die Reproduktion transferieren. Letztendlich kennt das Problem jedes Unternehmen:
Man kann nicht alles in die Produktion stecken, sondern benötigt Ressourcen
für Forschung und Entwicklung, aber auch für grundsätzliche Dinge
wie die Abschreibung von Anlagen (die Reproduktion). Wenn sich ein Unternehmen
nicht an diese Regeln hält, veraltet es und kann irgendwann nicht mehr konkurrieren.
Genau so stellt sich auch das deutsche demographische Problem dar. | | Hohe
Staatsverschuldung. Wenn die vorangegangene Generation mehr ausgibt, als
sie einnimmt, lebt sie auf Pump und mutet der zukünftigen Generation nicht
nur die Rückzahlung des Kredits, sondern auch noch hohe regelmäßige
Zinslasten zu. Sowohl durch eine hohe Staatsverschuldung als auch eine nicht bestandserhaltende
Fertilität erhöht sich die Pro-Kopf-Belastung der nachfolgenden Generation.
In Kombination wirken beide Tatbestände geradezu fatal. Es gibt Vermutungen
eines sich gegenseitigen Verstärkens hoher Staatsverschuldungen und niedriger
Fertilitätsraten. Denn niedrige Fertilitäten führen zu einem Verlust
an Humanvermögen, der zu einem Ausgleich durch Realkapital und damit zusätzlichen
Kapitalaufnahmen drängt. Mittlerweile gibt es eine parteiübergreifende
Initiative verschiedener Bundestagsabgeordneter, die die Festschreibung einer
nachhaltigen Haushaltspolitik im Grundgesetz verankert wissen möchte. Es
ist allerdings fraglich, ob ein solcher Anspruch als isolierte Maßnahme
und ohne Berücksichtigung der anderen Nachhaltigkeitsfelder gelingen kann,
zu denen es eigene Rechtsinitiativen gibt. | | Verschwendung
von Energie und/oder Ressourcen. Dies beinhaltet unter anderem eine Priorisierung
erneuerbarer Energiequellen etwa gegenüber Kohle, Öl oder Atom. | | Vernachlässigung
des Umweltschutzes. Damit inbegriffen sind auch global wirkende Umweltbelastungen,
die sich zunächst primär in Hoheitsgebieten anderer Staaten auswirken. | Die
fehlende Nachhaltigkeit bei der Nachwuchsarbeit (zu niedrige Fertilitätsraten)
wird sich schon bald empfindlich auf alle sozialen Sicherungssysteme auswirken
und damit das Prinzip der Generationengerechtigkeit substanziell verletzen (vgl.
Stefanie Wahl, Folgen der Bevölkerungsentwicklung für Wirtschaft
und Gesellschaft, in: Claus-Peter Hutter / Andreas Troge (Hrsg.), Bevölkerungsrückgang
- Konsequenzen für Flächennutzung und Umwelt, 2004, Seite 25 f.): | Ende
der 1990er-Jahre beanspruchten Über-59-Jährige knapp die Hälfte
der Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung. Pro Kopf wendete die gesetzliche
Krankenversicherung für einen Über-59-Jährigen durchschnittlich
dreimal mehr auf als für einen Unter-59-Jährigen. Bei Beibehaltung des
gegenwärtigen Systems dürften sich die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen
bis 2040 vor allem aufgrund der Alterung real rund verdoppeln. Über-59-Jährige
würden dann etwa zwei Drittel der Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung
beanspruchen. | | Ältere
beanspruchen die gesetzliche Pflegeversicherung überdurchschnittlich. 1999
waren reichlich 2 Millionen Personen pflegebedürftig. Bei konstanten altersspezifischen
Pflegefallquoten dürfte diese Zahl bis zum Jahr 2040 auf rund 4 Millionen
anwachsen. | | 1960
hatten rund 3 Beitragszahler zur gesetzlichen Rentenversicherung einen Rentner
zu versorgen. Im Jahr 2002 betrug das Verhältnis 1,8 : 1. Werden
nur die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in die Betrachtung einbezogen,
dann stünden nur noch 1,4 Aktive einem Rentner gegenüber. Im Jahr 2040
wird das Verhältnis sogar bei 0,8 : 1 liegen.
Allerdings gibt es Vorschläge, wie das Unterstützungsverhältnis
durch die Mobilisierung heute beruflich inaktiver Menschen in den kritischen Jahren
ab 2020 signifikant verbessert werden kann. | | Ohne
tiefgreifende Reformen aller sozialen Sicherungssysteme dürften die Sozialbeiträge
bis 2040 von heute reichlich 42% auf weit über 50% des Bruttolohns steigen.
Damit würde sich die Erwerbsarbeit weiter verteuern (bei gleichzeitig nachlassender
Vitalität der Erwerbstätigen), der Rationalisierungsdruck steigen und
das Arbeitsvolumen beschleunigt zurückgehen. | Die
letzte Aussage zu den tiefgreifenden Reformen der sozialen Sicherungssysteme muß
allerdings etwas relativiert werden. Ein populärer Vorschlag einer Veränderung
des Sozialstaates besteht zum Beispiel darin, die Altersversicherung durch eine
Einheitsrente mit optionaler Privatrente zu ersetzen: »Diese Garantierente
würde eine Einheitsrente sein, wie sie Biedenkopf schon vor Jahrzehnten vorgeschlagen
hat ... Biedenkopf und sein Mitstreiter Meinhard Miegel
dachten eher an 800 Euro pro Monat, was sich wohltuend auf die Steuersätze
auswirkt. Denn heide, Garantie- und Privatrente, verhalten sich zueinander wie
kommunizierende Röhren - eine hohe Grundrente erfordert hohe Steuersätze
und läßt damit wenig Raum für die Privatrente. Eine niedrige Grundrente
ist mit deutlich geringeren Steuersätzen zu finanzieren und räumt der
Privatrente eine stärkere Rolle ein.« (Gabor Steingart, Deutschland
- Abstieg eines Superstars, 2004, S. 284). Vorschläge dieser Art werden
häufig mit einer Inbrunst der Überzeugung vorgetragen, als reiche es
nur, vorhandenes Kapital umzuverteilen, und damit wären alle zukünftigen
sozialstaatlichen Probleme gelöst. Sicherlich ist es unerläßlich,
die Ausgaben der Renten- und Pensionsleistungen unverzüglich zu reduzieren,
denn: »Unser Sozialstaat kann seinen Bürgern eine kollektive Absicherung
gegen Arbeitslosigkeit, Aller, Krankheit und Pflegebedürftigkeit auf lebensstandardssicherndem
Niveau nichl mehr garantieren.« (Oswald Metzger, Einspruch! Wider den
organisierten Staatsbankrott, 2004, S. 132). Die Betonung liegt dabei auf
»lebensstandardssichernd«. Wie im Abschnitt Generationengerechtigkeit
ab Seite 155 dargestellt wird, dürfte eine Lebensstandardssicherung bei weiterer
Verschlechterung der demographischen Kenngrößen nur über die Aufnahme
weiterer staatlicher Anleihen (das heißt einer Zunahme der Staatsverschuldung)
erzielbar sein. Aber solange die Altersentwicklung in Deutschland so weitergeht
wie bislang, gibt es keinen sozialverträglichen Ausstieg aus der demographischen
Krise. Denn egal wie man es dreht und wendet, im Jahr 2040 wird der größte
Teil der Bevölkerung alt sein, irgendeinen Rentenanspruch besitzen oder von
der Sozialhilfe leben müssen, auf ärztliche Hilfe und gegebenenfalls
sogar auf Pflege angewiesen sein. Auch wenn man einigen Menschen die Rentenansprüche
rigoros kürzt, werden die Kosten für die dann erwerbstätigen Menschen
auch im untersten für die Alteren gerade noch zuträglichen Bereich sehr
und vermutlich zu hoch sein. Die Alternative wäre bestenfalls, den Alteren
jede Hilfe zu verweigern, aber noch hat niemand gewagt, eine solche Option öffentlich
auszusprechen (wenngleich ich mir sicher bin, daß dies noch geschehen wird).
Einige optimistische Schrumpfungsszenarien empfehlen den baldigen Rückbau
von Städten und sonstiger nicht mehr benötigter Infrastruktur (Straßen,
Brücken, Bahnstrecken u.s.w.). Es dürfte auf der Hand liegen, daß
andere diesen Gedanken auf den Abbau »humaner Altlasten« ausweiten
könnten. In archaischen Gesellschaften war so etwas sogar üblich. Jacques
Neirynck beschreibt einen aktuellen Fall: »Anläßlich des letzten
Vorstoßes von Robert Scott in Richtung Südpol im Jahre 1912 erkrankte
Kapitän Oates während des Rückzugs. In der Absicht, das Leben der
Kameraden zu retten, verließ er freiwillig in einer Blizzardnacht sein Zelt
und ließ sich nach Sitte der Eskimos erfrieren; damit hat er zu einer Grundregel
der paläolithischen Ethik zurückgefunden, seine englische Erziehung
verleugnend, in deren Augen der Selbstmord Feigheit bedeutet.« (Jacques
Neirynck, Der göttliche Ingenieur - Die Evolution der Technik, 1994,
S. 98 f.). (Ebd., S. 140-144).Der demographische Teil der
Nachhaltigkeitsproblematik ist für den Sozialstaat ein neues Thema. Denn
in der Industriegesellschaft war die gesellschaftliche Reproduktion durch Rollenzuweisungen
gesichert: Der Mann ging arbeiten, und die Frau blieb zu Hause und zog die Kinder
auf {siehe dazu den Abschnitt Ernährermodell
ab Seite 22). Zusätzlich wurden die grundsätzlichen Reproduktionseinheiten
noch durch staatliche Regelungen institutionell und gesetzlich geschützt:
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung (Grundgesetz,
Artikel 6). Dies erlaubte es dem Staat, sich weitestgehend aus den Themen Reproduktion
und bevölkerungspolitische Nachhaltigkeit herauszuhalten und sie zu privatisieren,
da angenommen werden konnte, diese würden von selbst und ohne weitere staatliche
Eingriffe funktionieren. Diese Welt ist vergangen. (Ebd., S. 144).
Staatliche Steuerungsaufgaben
»Was
wir als Sozial- oder Wohlfahrtsstaat bezeichnen, bezieht sich ... nicht auf den
Staat allein, sondern ... auf die, Vermittlung zwischen marktgesellschaftlicher
Privatsphäre und rechtsstaatlicher Öffentlichkeit .... Die Einrichtung
des Arbeits-, Bildungs- und Sozialrechts konstituieren eine charakteristische
Zwischensphäre zwischen Wirtschaftsunternehmungen, privaten Haushalten und
Staat (bei uns: Parteienstaat; HB), oder analytischer
gesprochen, zwischen den Sphären der Produktion, der Reproduktion und dem
politischen Gemeinwesen (bei uns: Parteienwesen; HB).
.... Drei Gesichtspunkte seien hervorgehoben: | In
der Produktionssphäre bleibt das Privateigentum und die unternehmerische
Dispositionsfreiheit grundsätzlich gewahrt; beide werden allerdings einschränkenden
Bedingungen unterworfen, um die Machtdifferenz zwischen den Unternehmen und ihren
Arbeitskräften - Kapital und Arbeit - unwirksam zu
machen, und um unerwünschte externe Effekte, d.h. außerhalb der Kostenrechnungen
der Betriebe anfallende ,soziale Kosten' zu reduzieren. Nationale Wohlfahrtsstaaten
unterscheiden sich hinsichtlich des dominierenden Typus dieser Einschränkungen
(staatliche Verbote, Schadenersatzpflichten, Verfahrensregelungen, Aufsichts-
oder Verhandlungssysteme). | | In
der Verteilungssphäre wird nach marktwirtschaftlichen Prinzipien die ausschließlich
am Entgelt für Produktionsfaktoren orientierte primäre Einkommensverteilung
durch eine staatlich organisierte sekundäre Einkommensverteilung korrigiert,
welche auch den nicht erwerbstätigen und unvermögenden Bevölkerungsgruppen
(Alte, Behinderte, Kinder, Arbeitslose u.s.w.) ein Einkommen sichert. Nationale
Wohlfahrtsstaaten unterscheiden sich hinsichtlich der Finanzierungsweise dieser
Transfereinkommen (durch Steuern und/oder Beiträge) sowie hinsichtlich der
Ausgestaltung der hierauf bezogenen Ansprüche und der Organisation des sozialen
Sicherungssystems. | | In
der Reproduktionssphäre werden die Leistungen der privaten Haushalte durch
öffentlich subventionierte oder voll finanzierte Dienstleistungen des Bildungs-,
Gesundheits- und Sozialwesens ergänzt und unterstützt. Nationale Wohlfahrtsstaaten
unterscheiden sich hinsichtlich des Verhältnisses von staatlicher, kommunaler,
freigemeinnütziger und privatwirtschaftlicher Trägerschaft der leistungserbringenden
Einrichtungen sowie nach Art und Umfang ihrer politischen und rechtlichen Steuerung. | Vom
liberalen rechtsstaatlich-marktwirtschaftlichen Gesellschaftstypus, wie er annäherungsweise
in großen Teilen der Vereinigten Staaten und in einigen Schwellenländern
anzutreffen ist, unterscheidet sich der wohlfahrtsstaatliche Typus durch den höheren
Grad legitimer Staatsintervention: Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden
hier nicht grundsätzlich staatsfrei gedacht, sondern dem Staat wird die Kompetenz
zu wohlfahrtssteigernden Interventionen in die gesellschaftlichen Verhältnisse
zugesprochen.« (Franz-Xaver Kaufmann,
Sozialpolitik und Sozialstaat: Soziologische Analysen, 2. Auflage, 2005,
S. 248f.). (Ebd., S. 145-146).Es fragt sich nun, welche Mittel
der sozialen Steuerung bzw. Intervention den Staat zur Verfügung stehen.
Franz-Xaver Kaufmann erläutert: »Gehen wir von den für die gegenwärtigen
Verhältnisse charakteristischen Annahmen hoher Arbeitsteilung, starker Individualisierung
der Präferenzen und hoher Ungewißheit von Handlungsfolgen aus, so lassen
sich folgende drei Problemdimensionen sozialer Steuerung unterscheiden: | Bedarfsnormierung:
Unter der Prämisse eines individualistischen Menschenbildes müssen wir
davon ausgehen, daß individuelle Bedürfnisse zunächst unbekannt
sind. Ein kollektiv wirksamer Steuerungsmechanismus muß also die Eigenschaft
besitzen, den Akteuren Zielgrößen zu setzen, die in möglichst
hohem Umfange mit individuellen Präferenzen Dritter vermittelbar sind. | | Koordination
von Akteuren: Unter der Prämisse von Arbeitsteilung stellt sich das Problem,
wie Pläne, Entscheidungen und Handlungen unterschiedlicher Akteure so aufeinander
abgestimmt werden können, daß eine effektive Produktion, d.h. ein an
der Deckung definierter Bedarfe orientierter Ressourceneinsatz resultiert. | | Rückkoppelung:
Unter der Prämisse einer hohen UnGewißheit von Handlungsfolgen kann nicht
damit gerechnet werden, daß die beiden zuvor genannten Probleme auf Anhieb
und dauerhaft gelöst werden können. Deshalb kann von effektiver sozialer
Steuerung nur gesprochen werden, wenn die Adressaten bestimmter Handlungen oder
Leistungen die Möglichkeit haben, dieselben im Lichte ihrer eigenen Bedürfnisse
und Prioritäten zu bewerten, und wenn diese Bewertungen für die Akteure
Folgen zeitigen, so daß sie aus Erfolg oder Mißerfolg lernen können.«
(Franz-Xaver Kaufmann,
Sozialpolitik und Sozialstaat: Soziologische Analysen, 2. Auflage, 2005,
S. 192). | Wie in den letzten Abschnitten (**|**)
gezeigt wurde, gehört eine nachhaltige Bevölkerungspolitik unter den
heutigen gesellschaftlichen Bedingungen zu den wichtigsten Aufgaben des Staates.
In Wissensgesellschaften wird die Reproduktion zum Kerngeschäft des Staates.
Eine Laissez-Faire-Haltung wird nicht ausreichen, da diese automatisch
niedrige Fertilitätsraten bewirken wird. Auch die Ausführungen im Abschnitt
Individualisierungsthese
ab Seite 27 bekräftigen diese Annahme. (**).
(Ebd., S. 146-147).Zu niedrige Fertilitätsraten stellen eine
erhebliche Verletzung des Nachhaltigkeitsprinzips und der Generationengerechtigkeit
dar, speziell dann, wenn bei dem wenigen Nachwuchs auch noch erhebliche Defizite
festzustellen sind. Es ist die Pflicht des Staates, solche grundsätzlichen
Maxime einzuhalten (ähnlich etwa der Sicherstellung der öffentlichen
Ordnung). Es ist folglich die Pflicht des Staates, eine Bevölkerungsplanung
durchzuführen und in deren Rahmen dann nicht-ruinöse Fertilitätsraten
anzustreben. Ausnahmen könnten nur bestehen, wenn dem Staat die Hände
gebunden sind, zum Beispiel weil ihm für die Sicherstellung der Aufgabe die
Mittel fehlen, höhere Gewalt vorliegt bzw. es übergeordnete Gründe
gibt, die seinem Eingreifen im Wege stehen. In öffentlichen Diskussionen
wird meist angenommen, daß die Nachwuchsfrage nicht nur auf individueller,
sondern auch auf kollektiver Ebene überwiegend Privatsache und folglich kaum
steuerbar ist, daß dem Staat also tatsächlich die Hände gebunden
sind. Eine solche Vermutung läßt sich aber widerlegen. Die obigen Äußerungen
von Franz-Xaver Kaufmann
können direkt auf die Nachwuchsfrage übertragen werden: Der Wohlfahrtsstaat
mit seinen weit entwickelten sozialen Sicherungssystemen ist auf eine nachhaltige
gesellschaftliche Reproduktion angewiesen. Vom Bedarf abweichende Ergebnisse machen
sein steuerndes Eingreifen bzw. seine Intervention zwingend erforderlich.
(Ebd., S. 147).Franz-Xaver Kaufmann
unterscheidet drei verschiedene Typen sozialer Steuerung (nd die beiden weiteren
Steuerungstypen Korporatismus und Professionalität (vgl. Franz-Xaver Kaufmann,
Sozialpolitik und Sozialstaat: Soziologische Analysen, 2. Auflage, 2005,
S. 213 ff.): | Markt-Preis-Mechanismus. | |
Hierarchische Steuerung. | |
Solidarische Steuerung. | Eine hierarchische Steuerung
(zum Beispiel per Anordnung) im Bezug auf die Nachwuchsfrage schließt sich
von vornherein aus. Die zur Zeit präferierte und realisierte Steuerung könnte
am ehesten als solidarisch eingestuft werden, da letztendlich unausgesprochen
erwartet wird, daß alle Individuen »solidarisch« für ausreichenden
Nachwuchs sorgen werden. Um dies zu begünstigen setzt der Staat Anreize bzw.
sorgt für familiale Entlastungen. Anreize, Entlastungen und Sanktionen (zum
Beispiel in Form von Steuern) sollen hier als Unterstützung der solidarischen
Steuerung verstanden werden, da der staatlichen Intervention ja insgesamt jegliche
Verbindlichkeit fehlt. (Ebd., S. 148).Franz-Xaver Kaufmann
merkt zur Effizienz der solidarischen Steuerung an: »Es ist ja gerade das
Ungenügen solidarischer Steuerungen für die Lösung komplexerer
Probleme, das im Zuge der Modernisierung zur Herausbildung von marktmäßig
oder j hierarchisch gesteuerten Sozialzusammenhängen gefiihrt hat.«
(Franz-Xaver Kaufmann,
Sozialpolitik und Sozialstaat: Soziologische Analysen, 2. Auflage, 2005,
S. 196). Zum gleichen Ergebnis kommen auch die Ausführungen in
den Abschnitten Opportunitätskosten
und Pflichten ab Seite 74 und Opportunitätskosten
und finanzielle Anreize ab Seite 77: solidarische Steuerungsmechanismen
dürften kaum geeignet sein, nachhaltige gesellschaftliche Reproduktionsraten
in Wissensgesellschaften zu gewährleisten, zumal die bisherige Basis des
Solidarvertrags bei der Nachwuchsarbeit durch die weibliche Emanzipationsbewegung
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgekündigt wurde.
(Ebd., S. 148).Es bleibt folglich der Markt-Preis-Mechanismus.
Franz-Xaver Kaufmann
merkt dazu an: »Der Markt-Preis-Mechanismus ist ... in soziologischer Perspektive
ein vergleichsweise effektives Instrument sozialer Steuerung. Allerdings setzt
das theoriekonforme Funktionieren dieses Steuerungsmechanismus die Warenförmigkeit
aller Ressourcen sowie gleiche Marktmacht aller Beteiligten voraus.« (Franz-Xaver
Kaufmann,
Sozialpolitik und Sozialstaat: Soziologische Analysen, 2. Auflage, 2005,
S. 193). Dieser letzte Punkt ist entscheidend. Denn damit setzt eine
sozialstaatliche Steuerung in der Bevölkerungsfrage mittels des Markt-Preis-Mechanismus
nicht nur eine Festlegung der Quantität des Bedarfs, sondern auch eine genaue
Beschreibung der Anforderungen (Qualität) voraus. Beide Punkte werden durch
das im vorliegenden Buch vorgestellte Familienmanager-Konzept erfüllt: | Eine
jährlich durchzuführende Bedarfsplanung des Staates ermittelt die Zahl
der zu besetzenden Familienmanager-Stellen, genauso wie es etwa im Schuldienst
geschieht. | |
Die Anforderungen an die Interessenten werden über nachzuweisende Ausbildungszertifikate
vermittelt. Dies ermöglicht die Tauschbarkeif der geforderten Leistung. | Häufig
werden in Wohlfahrtsstaaten Gelder ohne definierte Gegenleistung ausgeschüttet.
Ziel ist meist die Milderung sozialer Härten oder die Behebung sozialer Ungerechtigkeiten.
Doch nicht selten produzieren solche Maßnahmen erst die Sozialfälle,
die sie eigentlich zu verhindern gedenken. (Vgl. Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 36 [**]).
Das FamilienmanagerKonzept geht hier einen anderen Weg. Ein Einkommen ist nur
bei Nachweis entsprechender Qualifikationen erzielbar (die Leistung wird »tauschbar«).
Die Alternative, ausnahmslos alle Familien für das Aufziehen von Kindern
mit hohen KindergeIdbeträgen oder gar Erziehungsgehältern auszustatten,
wird dagegen suboptimale Ergebnisse liefern oder gar parasitäre Verhaltensweisen
fördern. Und auch vom Umfang der staatlichen Intervention dürften sich
die Alternativen kaum unterscheiden. Heute wachsen Kinder zunehmend unter Sozialhilfebedingungen
auf. Dies hat bereits den Ausdruck »Infantilisierung der Armut« geprägt.
Der Staat ist also bereits längst zum Ernährer eines nennenswerten und
weiter ansteigenden Anteils der Kinder geworden. Wenn er die Kosten der gesellschaftlichen
Reproduktion ohnehin schon in weiten Teilen dem Steuerzahler aufbürdet, dann
könnte er es sinnvollerweise auch gleich richtig machen. (Ebd., S.
148-149).Das Familienmanager-Konzept stellt also ein praktikables
ökonomisches (»Markt-Preis«-) Verfahren dar, welches es dem Staat
erlaubt, seine übergeordneten Ziele im Rahmen der gesellschaftlichen Reproduktion
durchzusetzen, ohne dabei Zwang auf die Individuen auszuüben. Da damit ein
effizienter Mechanismus vorliegt, eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung
sicherzustellen, ist der Wohlfahrtsstaat mit seinen weit entwickelten sozialen
Sicherungssystemen in der Pflicht, dies auch zu tun. Daneben sollte sich der Staat
bemühen, die besondere Bedeutung der Reproduktion auch zu vermitteln. Während
in den Nachkriegsjahren die Politiker sich darin gegenseitig übertrafen,
bei Wahlveranstaltungen Säuglinge in die Luft zu halten, wissen heutige Politiker
häufig nicht einmal mehr, was Kleinkinder sind. Maßnahmen zur Beeinflussung
oder gar Steuerung des Bevölkerungswachstums werden nicht selten aus ethischen
Gründen kritisiert (**). So
heißt es dann etwa, die Idee, die »Menschenproduktion« wie jede
andere Produktion vernunftmäßig zu planen, sei technokratisch. Menschen
dürften nie zum Material demographischer Planung werden. Dies übersieht
aber, daß der Staat üblicherweise nicht in die Rechte von Einzelpersonen
eingreift, sondern durch attraktive Angebote bzw. umgekehrt durch finanzielle
Sanktionen zu überzeugen versucht. Zum Beispiel werden bei 1 Million Neugeborener
pro Jahr mehr Lehrer benötigt als bei 700000. Trotzdem weist der Staat niemanden
direkt an, Lehrer zu werden. Dies ist beim Familienmanager-Konzept nicht anders.
Im Prinzip besteht in der ethischen Bewertung zwischen den Berufen eines Lehrers,
einer staatlich bezahlten Tagesmutter oder einer Familienmanagerin kein Unterschied:
In allen drei Fällen wird für eine täglich zu erbringende Leistung,
die über entsprechende Qualifikationen nachzuweisen ist, ein Gehalt gezahlt.
Wenn das demographische Problem der entwickelten Länder nicht hinreichend
gelöst werden kann, stehen dagegen zahlreiche »ethische« Errungenschaften
dieser Gesellschaften insgesamt auf dem Spiel. (Ebd., S. 149-150).
Häufig
wird dabei auf die pronatalistischen Maßnahmen im Dritten Reich verwiesen.
Leider verhindern solche Argumente oftmals eine freie Diskussion über die
anstehenden Bevölkerungsprobleme. Auch werden sinnvolle Argumente nur deshalb
bereits als rechtsnational abgetan, weil sie von rechtsnationalen Gruppen aufgegriffen
werden. Am Ende unternimmt eine Gesellschaft nur deshalb nichts gegen ihren drohenden
Verfall, weil sie befürchtet, helfende Maßnahmen könnten mit dem
Dritten Reich in Verbindung gebracht werden. Dies wäre dann ein später
»Sieg« genau jener Kräfte. (Ebd.). |
Abzugrenzen
sind bevölkerungspolitische Maßnahmen von der klassischen Familienpolitik,
die in erster Linie das Ziel verfolgt, das Wohlergehen von Familien positiv zu
beeinflussen. Anders als die Bevölkerungspolitik weist diese Definition dem
Staat nicht das Recht zu, Familiengründungen zu fördern, sondern nur
bestehende Familien zu unterstützen und den Ausgleich zwischen Familien und
Kinderlosen zu verbessern. Familienpolitik ist demnach Teil der Sozialpolitik,
Bevölkerungspolitik dagegen nicht. (Ebd., S. 150-151).
Die Rolle der Medien
Den Medien kommt ebenfalls eine entscheidende
Bedeutung in der demographischen Krise zu: »Den Massenmedien fällt
deshalb ebenfalls eine advokatorische Funktion zu, die Probleme und Zukunftschancen
der nachwachsenden Generation in der Gegenwart bereits aufzuwerfen und nicht Opportunitätsstrategien
- zum Beispiel Anpassungen an den bevorstehenden Alterungsprozeß - nur wiederzugeben.
Wie wir sahen, ist die öffentliche Meinung im gesamten Untersuchungsspektrum
sensibilisiert und insofern dürfte an kontinuierlicher Berichterstattung
Interesse bestehen. Wir leben in einer Inkubationszeit: »Die Bevölkerung
wird nicht mehr ersetzt, sie altert, aber sie merkt es nicht. Die kurzfristigen
Sorgen verdecken die mittelfristige Wirklichkeit.« (Tilman Mayer, Die
demographische Krise - Eine integrative Theorie der Bevölkerungsentwicklung,
1999, S. 434). Leider kommen zahlreiche Medien dieser Aufgabe nicht nach. Zum
Teil werden die bevorstehenden Probleme völlig verharmlost und der Eindruck
erweckt, als stehe Deutschland nicht vor einer Überalterung bzw. Entjüngung,
sondern gar vor einer Verjüngung. Hier wäre ein allgemeiner Konsens
über die Bedrohlichkeit der Lage (nicht notwendigerweise über die zu
ergreifenden Maßnahmen) hilfreich. Wenn ein Mensch erkennbar altert, dann
werden Äußerungen wie »Sie werden von Tag zu Tag jünger«
zwangsläufig nur mehr als Spott empfunden. (Ebd., S. 151).
Gesellschaftliches Klima
Unter gesellschaftlichem Klima
sollen hier die gesellschaftlihen Signale zur Kinderfrage verstanden werden. Dazu
gehören zum Beispiel Außerungen der Politik, Darstellungen in den Medien,
insbesondere aber auch konkrete Leistungen an Familien. (Ebd., S. 151-152).Untersuchungen
haben eine fast doppelt so hohe Präsenz von Singles in den abendlichen Fernsehprogrammen
im Vergleich zur Realität ermittelt. Dieses Beispiel zeigt, wie sich das
gesellschaftliche Klima in der Kinderfrage berei verschoben hat, Tilman Mayer
weist aber darauf hin, daß sich das Klima nicht unabhängig von politischen
Leistungen entwickeln kann, Appelle an das Gewissen, aufwendigeKampagnen oder
auch Regierungsprogramme für ein kinderfreundlicheres Lan können sehr
leicht in die entgegengesetzte Richtung wirken, wenn allgemein von einer substanziellen
Benachteiligung von Familien ausgegangen werden muß. Den Worten und Absichten
müssen also auch immer Taten und konkrete Maßnahme folgen. »Appelle
an das Gewissen oder solche an die wie auch immer definierte gemeinsame Vernatwortung
sind für einen Kurswechsel beim reproduktiven Verhalten genauso wenig hilfreich
wie beim Umweltbewußtsein. Solange individuelles Handeln gegen das Allgemeinwohl
vorteilhaft ist (oder als vorteilhaft empfunden wird), könnten solche Appele
eine unerwünschte Auswahl zur Folge haben.« (Klaus M. Leisinger, Die
sechste Milliarde, 1999, S. 278). (Ebd., S. 152).
Bevölkerungsbegrenzung
Aus ökologischen Gründen
dürfte in Zukunft auch die aktive globale Bevölkerungsbegrenzung an
Bedeutung gewinnen. Beispielsweise könnten auf internationalen Konferenzen
(Weltbevölkerungskonferenzen) regionale Bevölkerungskontingente abgestimmt
werden, die eine langfristige Entlastung der Natur und sonstiger Ressourcen zum
Ziel haben, ohne dabei für die einzelnen Volkswirtschaften ruinös zu
wirken. Dazu wären zwei gegenläufige Eingriffe erforderlich: | Maßnahmen
zur Begrenzung eines ungeplanten Bevölkerungswachstums. Hier dürften
Empfängnisverhütungsmittel, die Gleichberechtigung und Bildung der Frauen
sowie leistungsfähige Rentenversicherungssysteme an erster Stelle stehen.
Daneben könnten auch Anreize geschaffen werden, Staaten zu einer bewußten
Reduzierung des Bevölkerungswachstums zu bewegen. Beispielsweise könnte
der bereits diskutierte internationale Handel mit Verschmutzungsrechten an abgestimmte
Bevölkerungszielgrößen anstatt wirkliche Bevölkerungszahlen
gekoppelt werden. | |
Maßnahmen zur Begrenzung einer zu starken bzw. ruinösen Bevölkerungsschrumpfung.
Dies ließe sich vermutlich am ehesten durch das im vorliegenden Buch
vertretene Familienmanager-Konzept erreichen. | Die Beherrschung
der Bevölkerungsentwicklung dürfte in Zukunft zu den entscheidenden
- und aus ökologischen Gründen unbedingt notwendigen - Kompetenzen der
Menschheit zählen. Wird erst einmal verstanden, mit welchen Mechanismen die
gesellschaftliche Reproduktion ohne individuelle Zwangsmaßnahmen unter ein
bestandserhaltendes Niveau gebracht werden kann (und vieles spricht dafür,
daß ein solches Verständnis in weiten Teilen bereits vorliegt), dann
dürfte der umgekehrte Schritt hin zur Durchsetzung eines demographischen
Gleichgewichts mittels etablierter Marktmechanismen (Familienmanagerin) relativ
leicht gelingen. Insoweit könnte sich die Tatsache, daß moderne Wissensgesellschaften
bei fehlenden staatlichen Eingriffen offenkundig ganz von alleine zu sehr niedrigen
Fertilitätsraten neigen, einmal als Segen erweisen. Denn für die Stimulierung
von kollektiv gewünschten Verhaltensweisen haben moderne Gesellschaften leistungsfähige
Marktmechanismen. (Ebd., S. 152-154).Eine Rückkehr der
entwickelten Staaten hin zu bestandserhaltenden und nicht ruinösen Fertilitätsraten
sollte aber auch im Interesse der weniger entwickelten Staaten liegen. Denn abgesehen
davon, daß damit der fortgesetzte »Braindrain« von den Schwellenländern
in die reicheren Länder wenigstens gemildert werden könnte, würde
andernfalls den entwickelten Ländern sehr rasch das Interesse und auch die
Kraft abhanden kommen, sich für einen stärkeren globalen Ausgleich ...
stark zu machen. Gerade die europäischen Länder machen immer wieder
wichtige Beiträge, wenn es um Themen des internationalen Ausgleichs geht.
Eine solch hochentwickelte Kultur sollte deshalb nicht unnötig geschwächt
werden. (Ebd., S. 154).Auch dürften Entwicklungsländer
nur schwerlich von Maßnahmen zur Begrenzung des Bevölkerungswachstums
wie etwa die Verbesserung der gesellschaftlichen Stellung der Frauen und deren
Bildung zu überzeugen sein, wenn diese in den entwickelten Ländern überwiegend
zu einer ruinösen Bevölkerungsschrumpfung und gesellschaftlichen Überalterung
führen. Für sie könnte hierdurch der Eindruck entstehen, sie hätten
lediglich die Wahl zwischen Pest und Cholera. (Ebd., S. 154).
Familienmanager-Konzept
Generationengerechtigkeit
Generationengerechtigkeit ist
erreicht, wenn die heutige Generation der nächsten Generation die Möglichkeit
gibt, sich ihre Bedürfnisse mindestens im gleichen Ausmaß wie die heutige
Generation zu erfüllen. (**).
(Ebd., S. 155).Das anhaltende globale Bevölkerungswachstum,
die Globalität der menschlichen Aktivitäten als auch die Geschwindigkeit
der Veränderungen haben Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit zu Themen
von globaler Bedeutung gemacht. (Ebd., S. 155).In Deutschland
wird seit Jahrzehnten (seit Ende der 1960er Jahre! HB) das Prinzip der Generationengerechtigkeit verletzt. Dabei sind insbesondere
die folgenden Teilaspekte hervorzuheben: | Der
Staat gibt mehr aus, als er einnimmt. Die Differenz wird über eine steigende
staatliche Verschuldung ausgeglichen, deren Darlehenszinsen und Tilgungsbeträge
selbst einen nennenswerten Teil des Haushalts ausmachen. Das staatliche Defizit
hat auf diese Weise mittlerweile den fast unvorstellbaren Betrag von 1,5 Billionen
Euro erreicht. Diese Schulden werden der nächsten - zahlenmäßig
geringeren - Generation als Erblast vorgetragen. Die Verschuldung der Haushalte
geht einher mit der Kinderlosigkeit der Gesellschaft, im Prinzip laufen beide
Phänomene zeitlich parallel ab, so daß der Verdacht nahe liegt, sie
bewirkten sich gegenseitig. Insgesamt handelt es sich in beiden Fällen um
den allgemeinen Trend, sich Geld bei der nächsten Generation zu borgen und
heute auszugeben. Ökonomen sind beispielsweise der Auffassung, eine effiziente
Altersversorgung benötige entweder Human- oder Realkapital: »Realkapital
muß in dem Maße gebildet werden, wie es an Humankapital fehlt.«
(Hans-Werner Sinn,
Ist Deutschland noch zu retten?, 2003, S. 409). Plastisch ausgedrückt
heißt dies: Um den gewohnten Lebensstil auch im Alter halten zu können,
muß man entweder genügend Kinder und Enkel haben, die einen dann versorgen,
oder man hat genug Geld, um sich im Alter alles, was man benötigt, kaufen
zu können. Im letzteren Fall müßte folglich bei fehlendem Humankapital
dann schließlich Realkapital eingesetzt werden. Wenn dieses etwa nur in
Form von Immobilien vorliegt, dann müßten gegebenenfalls einige Wohnungen
beliehen oder verkauft werden. Deswegen liegt der Schluß nicht fern, der
Staat gleiche bereits jetzt fehlendes Humankapital durch Realkapital aus, eine
Vorgehensweise, die ihn immer weiter in die Schuldenfalle treiben kann. Weitere
zukünftige Verluste beim Humanvermögen müßten dann entweder
durch vorhandenes Realkapital, zusätzliche Kapitalanleihen oder durch signifikante
Wohlstandseinschnitte ausgeglichen werden. In Anlehnung an die obige Äußerung
von Hans-Werner Sinn
hätte dies für den Wohlstandsstaat und seine sozialen Sicherungssysteme
die Konsequenz: Realkapital muß in dem Maße gebildet werden, wie
es an Humankapital fehlt. Umgekehrt muß der Wohlstand in dem Maße
eingeschränkt werden, wie es an Human- und Realkapital fehlt, andernfalls
droht die Staatsverschuldung. (Ebd., S. 155-156).Erhebliche
Teile der staatlichen Ausgaben dienen nicht der Zukunftssicherung, sondern der
Subventionierung veralteter Industrien oder der Erfüllung sozialstaatlicher
Verpflichtungen. Beispielsweise zahlten 34 Millionen Beitragszahler in 2005 insgesamt
167,6 Milliarden Euro an die Deutsche Rentenversicherung, während der Staat
einen Zuschuß von 54,8 Milliarden Euro beisteuerte. (Die aktuellen staatlichen
Zuschüsse mögen zwarwesentlich durch gesetzliche Sonderverpflichtungen
begründet sein, dies ändert aber nichts an der grundsätzlichen
Aussage.). Weitere 5,9 Milliarden kamen aus den Reserven der Rentenversicherung
(Nachhaltigkeitsrücklage). Insgesamt hatte die Deutsche Rentenversicherung
in 2005 ein Budget von 228,3 Milliarden Euro. Allein diese Zahlen lassen die aktuelle
Gültigkeit des Humankapital-Realkapital-Gleichnisses von Sinn vermuten. Ein
weiterer Verlust an Humankapital würde - bei unverändertem Niveau der
sozialstaatlichen Leistungen - zwangsläufig stärkere staatliche Haushaltsdefizite
zur Folge haben, wobei sich der Staat zum Ausgleich ironischerweise vorwiegend
bei denjenigen Geld leihen müßte, die aufgrund ihrer Kinderlosigkeit
über genügend Realkapital verfügen, selbst aber nur wenig zur Anreicherung
des gesellschaftlichen Humanvermögens beitragen. Die Alternative lautet deshalb
nicht unbedingt Abbau des Staatsdefizits oder zusätzliche Bildungsausgaben,
sondern vermutlich eher zusätzliche staatliche Defizite oder Besteuerung
von Kinderlosen. (Ebd., S. 156-157). | |
Die aktuelle Generation reproduziert sich nur noch zu Zwei-Dritteln.
Auf diese Weise spart die jetzige Generation erhebliche Aufwände bei der
Nachwuchsarbeit, während die kommende Generation einer zahlenmäßig
größeren Elterngeneration den Lebensabend finanzieren muß. Man
könnte die Situation, vereinfacht ausgedrückt, mit einer Familie vergleichen,
die lediglich ein Kind in die Welt setzt und diesem dann im Erwachsenenalter erklärt.
»Wir haben es uns einfach gemacht und nur dich großgezogen. Als Dank
dafür darfst du doppelt so viel arbeiten und uns beide pflegen.« Franz-Xaver
Kaufmann meint denn auch: »Was früher für den Familienverband
galt, daß nämlich Kinderlosigkeit nicht nur ein persönliches,
sondern auch ein ökonomisches Unglück darstellt, gilt unter den vorhandenen
sozialstaatlichen Bedingungen in der Bundesrepublik zwar nicht mehr in jedem Einzelfall,
wohl aber weiterhin mit Bezug auf das Kollektiv der Generationen.« Franz-Xaver
Kaufmann,
Sozialpolitik und Sozialstaat: Soziologische Analysen, 2. Auflage, 2005,
S. 177). Bei einer Nachwuchsarbeit deutlich unter bestandserhaltendem Niveau handelt
es sich um eine erhebliche Verletzung des Nachhaltigkeitsprinzips, wodurch der
kommenden Generation zu hohe Lasten aufgebürdet werden. Eine Generationengerechtigkeit
ist dann aus ökonomischen Gründen nicht gegeben. Ähnliche Gedanken
wurden bereits von Franz-Xaver Kaufmann
oder Herwig Birg
geäußert. (Ebd., S. 157-158).Daneben ist der Verdacht
geäußert worden, kinderlose Gesellschaften operierten besonders unökologisch,
nicht nur, weil Einzelpersonen pro Kopf generell mehr Ressourcen verbrauchen und
einen verschwenderischeren Freizeitstil pflegen als Familien, sondern weil sie
auch weniger Interesse an der Zukunft haben. (Vgl. Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 71 [**]).
(Ebd., S. 158).Generationengerechtigkeit muß immer im Kontext
ökologischer und Ökonomischer Gegebenheiten betrachtet werden. Setzt
etwa eine Population von 1000 Menschen nur 10 Kinder in die Welt, dann werden
der nachfolgenden Generation offensichtlich zu hohe ökonomische Belastungen
aufgebürdet, denen sie sich nur durch Kündigung des Generationenvertrags
entziehen kann. Die Frage ist deshalb: Bei welchen Fertilitätsraten werden
kritische Grenzen Überschritten? Vermehrt sich eine Population von 1000
Menschen mit einer Fertilitätsrate von 3,0, dann wächst sie binnen 10
Generationen auf fast 60000 Menschen an. Die meisten Ökologen sind der Ansicht,
daß hierdurch Prinzipien der ökologischen Nachhaltigkeit verletzt werden
könnten. Vermehrt sich die gleiche Population dagegen nur mit einer Fertilitätsrate
von 1,33, schrumpft sie binnen 10 Generationen auf nur noch 18 Menschen. Die meisten
Ökonomen sehen darin eine Verletzung der ökonomischen Nachhaltigkeit.
Oder anders ausgedrückt: Ein solches gesellschaftliches Reproduktionsverhalten
wäre ruinös. Bestehen bereits offenkundige Probleme im Rahmen der ökologischen
Nachhaltigkeit, dann kann eine langfristige Bevölkerungsschrumpfung angezeigt
sein, allerdings stets auch unter Berücksichtigung von Kriterien der ökonomischen
Nachhaltigkeit. Ferner können sich ökologische Probleme durch eine zu
starke Reduzierung von Humanressourcen auch verstärken, weil es dann an Kapazitäten
zur Verbesserung der Situation oder generell für ein Einhalten eines ökologisch
sinnvollen Verhaltens mangelt. (Ebd., S. 158-159). | | >Familien
werden gegenüber Kinderlosen wirtschaftlich erheblich benachteiligt. Fachleute
sprechen von einer Transferausbeutung der Familien durch Kinderlose. Auch das
Bundesverfassungsgericht hat die Schlechterstellung von Familien mehrfach gerügt
und Nachbesserungen gefordert. (Ebd., S. 159).Familien stehen
indirekt für die nächste Generation, da sie die Kinder aufziehen. Aus
diesem Grund handelt es sich bei einer Transferausbeutung von Familien um eine
Verletzung des Nachhaltigkeitsprinzips und um eine Vernachlässigung der Generationengerechtigkeit
(siehe dazu den Abschnitt Nachhaltigkeit
ab Seite 139). (Ebd., S. 159).Aufgrund der wirtschaftlichen
Benachteiligung von Familien wächst ein signifikanter Teil der Kinder in
Armut oder gar unter Sozialhilfebedingungen auf und erhält nicht die Ressourcen,
die ihm zustehen sollten. Ferner ist das familiale und häufig auch schulische
Bildungsangebot unzureichend. Daneben sind weitere Mängel wie nährstoffarme
Ernährung, Bewegungsarmut, fehlende Aufmerksamkeit und Erziehungsdefizite
festzustellen (siehe dazu die Ausführungen im Kapitel Kindererziehung
ab Seite 105). Die wirtschaftliche Benachteiligung von Familien drückt
sich aber auch in geringeren Rentenansprüchen der Eltern aus, die aufgrund
der Elternarbeit auf erhebliche Teile des Einkommens verzichtet haben und folglich
auch nur geringere Rentenbeiträge abführen konnten. In wirtschaftswissenschaftlichen
Darstellungen wird die Stärke der gesellschaftlichen Ungleichheit zwischen
Arm und Reich über Equity-Faktoren ausgedrückt. Gesellschaften, die
sich - wie zum Beispiel die meisten Länder der Europäischen Union -
auch intern gemäß dem demographisch-ökonomischen
Paradoxon vermehren (das heißt deutlich höhere Fertilitätsraten
in Schichten mit niedriger Bildung und niedrigem Einkommen, niedrige Fertilitätsraten
in der Mittel- und Oberschicht), laufen Gefahr, in verstärktem Maße
Ungleichheit zu produzieren, da sie - auch und gerade unter wohlfahrtsstaatlichen
Bedingungen - Armut reproduzieren (vgl. Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 36 [**]),
und sich dadurch langfristig die wohlfahrtsstaatliche Basis selbst entziehen.
Für die entwickelten Staaten sind deshalb bei Fortbestand des aktuellen Reproduktionsverhaltens
generell sinkende Equity-Faktoren zu erwarten. Auch dies dürfte ein Ausdruck
einer nicht mehr gewährleisteten Generationengerechtigkeit sein. (Ebd.,
S. 159-160). |
Allerdings müssen bei einer
vollständigen Bewertung der Generationengerechtigkeit den obigen nachteiligen
Punkten die Errungenschaften früherer Generationen (zum Beispiel als technischer
oder sozialer Fortschritt) entgegengehalten werden. Dennoch deuten wirtschaftliche
Trends seit einiger Zeit an, daß es der nächsten Generation einmal
wirtschaftlich schlechter gehen wird, als der heutigen. (Ebd., S. 160).
Familiengerechtigkeit
Zur Verringerung der Transferausbeutung
von Familien wurden in der Vergangenheit verschiedene Vorschläge gemacht
bzw. Maßnahmen umgesetzt. Zu nennen sind unter anderem: | Höhere
Rentenansprüche für Eltern mit Kindern. | |
Steuerentlastungen für Eltern mit Kindern, zum Beispiel in Form eines
Familiensplittings, aber auch andere steuerliche Entlastungen bzw. Aufwandsanrechnungen. | | Stärkere
Besteuerung der Kinderlosen. | | Zwangssparen
(Riesterrente) für Kinderlose, gekoppelt mit höherer Rente für
Eltern. | | Erziehungsgehalt
als Anerkennung für die von Eltern geleistete Erziehungsarbeit. | | Direkte
Zuwendungen, etwa in Form eines Kindergelds (sofern Steuerfreibeträge nicht
ausgeschöpft werden). | | Ausgleichszahlungen
für berufliche Fehlzeiten wie zum Beispiel das Elterngeld. | Auf
einige der Punkte wurde bereits in den vorherigen Kapiteln (**|**)
bzw. sehr eingehend in »Land
ohne Kinder« eingegangen. Dabei wurde gezeigt, daß die Punkte
nicht geeignet sind, die Ungerechtigkeitslücke zwischen Familien und Kinderlosen
zu schließen. Die wichtigsten Ergebnisse waren: | Ein
Erziehungsgehalt als Anerkennung für die von Eltern geleistete Erziehungsarbeit
ist ohne ein konkretes Arbeitsverhältnis und einer definierten Leistungserwartung
nicht vorstellbar. Außerdem würde ein solches Gehalt einen Baby-Boom
in sozial schwachen Familien auslösen, während einkommensstarke Schichten
weiterhin keinen Anreiz für einen eigenen Nachwuchs sehen würden. Für
diese stellt ein Erziehungsgehalt keine ausreichende Verringerung der wirtschaftlichen
Benachteiligung von Familien dar. Die Maßnahme wäre deshalb eher dazu
angetan, weitere Sozialfälle unter Kindern zu produzieren. (Vgl. Peter Mersch,
Land
ohne Kinder, 2006, S. 143ff.). | |
Dies wird auch von einigen Experten so eingeschätzt: »Das Familiengeld
(Erziehungsgehalt) wird nicht weniger, sondern mehr Menschen in der Sozialhilfe
zurück lassen, weil es besonders für unqualifizierte und sehr junge
Frauen eine geradezu magische Anziehungskraft haben wird. Früher oder später
werden sie, mit den vermutlich mehreren Kindern, ohne Ausbildung um so weiter
im Abseits stehen. Selbst wenn das Ergebnis ein steiler Anstieg der Geburtenrate
sein sollte, wird das Humanvermögen mehr beschädigt als vermehrt.«
(Jürgen Borchert,
Irrweg Familiengeld - »Wiesbadener Entwurf« einer familienpolitischen
Strukturreform des Sozialstaats; http://www.Heidelberger-familienbuero.de/erziehungsgehalt/Borchert-Kritik-Familiengeld.htm). | | Das
aktuelle Kindergeld deckt für die meisten Familien nicht die Kosten der Kindererziehung
ab. Es ist deshalb in erster Linie für einkommensschwache Schichten interessant.
Damit stellt es in der Regel keine ausreichende Verringerung der wirtschaftlichen
Benachteiligung von Familien dar. Wie das Erziehungsgehalt fördert das Kindergeld
eher Geburten in einkommensschwachen Schichten. Dies wird von den Familienverbänden
häufig ganz anders gesehen: »Um den Forderungen aus Karlsruhe Genüge
zu tun, hat die Bundesregierung die Steuerfreibeträge für Kinder kräftig
erhöht. fm Vergleich dazu blieb das Kindergeld allerdings weit zurück.
Die Folge: Ausgerechnet die Familien am oberen Ende der Einkommens-Skala bekamen
von den Segnungen der letzten Jahre am meisten mit - die also, die es am wenigsten
nötig haben. Daraus ergibt sich als logische erste Notwendigkeit: eine Erhöhung
des Kindergelds, und zwar eine kräftige.« (Josef Pütz / Carsten
Riegert, Der Aufstand der Familien - Eltern und Kinder kämpfen um ihre
Zukunft, 2002, S. 100f.). Im Kapitel Kosten/Nutzen
von Kindern ab Seite 67 wurde dagegen aufgezeigt, daß einem Staat
eher an Kindern aus Umgebungen, in denen man sich Kinder auch »leisten«
kann, gelegen sein dürfte und sollte. Deshalb sind steuerliche Entlastungen
für Eltern bzw. höhere Besteuerungen für Kinderlose aus gesamtgesellschaftlicher
Sicht vorzuziehen. Alle sogenannten Gießkannenverfahren besitzen das bedenkliche
Potential, verstärkt die Fälle zu produzieren, die sie zu verhindern
vorgeben. | | Das
Elterngeld ist maximal für Familien mit mittleren Einkommen interessant.
Ferner ist die Anspruchszeit zu kurz, als daß es einen Ausgleich für
die Benachteiligung von Familien darstellen könnte. Familien mit mehreren
Kindern, bei denen ein Elternteil wegen der Kinder zu Hause bleiben muß,
werden durch das Elterngeld weiter benachteiligt. (Vgl. Peter Mersch, Land
ohne Kinder, 2006, S. 97ff.). | | Ein
Zwangssparen (Riesterrente) für Kinderlose würde zwar deren wirtschaftskraft
reduzieren, aber das Geld müßte aufgrund der demographischen Krise
und des dadurch zu erwartenden Werteverfalls in Europa vermutlich im fernen Ausland
angelegt werden. Dabei wird Geld der deutschen Konjunktur entzogen, was dann preiswert
im Ausland für Investitionen zur Verfügung steht. Außerdem erhöht
das Riestersparen nicht notwendigerweise die Fertilität, denkbar ist auch
ein Rückgang der Geburtenraten. (Vgl. Peter Mersch, Land
ohne Kinder, 2006, S. 149ff.). | Bleiben die
Punkte: | Höhere
Rentenansprüche für Eltern | | Steuerentlastungen
für Eltern | | Stärkere
Besteuerung der Kinderlosen | Dabei sind die beiden
letzten Punkte praktisch gleichzusetzen. Denn sie unterscheiden sich letztendlich
darin, aus welchem Blickwinkel man das Problem betrachtet. Beispielsweise könnte
man die Steuern generell anheben und dann Familien mit Kindern größere
Freibeträge zugestehen, was in der Praxis dann einer höheren Besteuerung
von Kinderlosen gleich käme. Möglicherweise wird die Maßnahme
auf diese Weise verständlicher und verfassungskonformer. (Vgl. Paul Kirchhof,
Der Weg zu einem neuen Steuerrecht - klar, verständlich, gerecht,
2. Auflage, 2005, S. 25ff.). Wenn also im folgenden von einer Besteuerung der
Kinderlosen gesprochen wird, dann ist eine Steuerentlastung für Eltern mit
Kindern nach vorheriger genereller Steuererhöhung oder eine Steuererhöhung
für Kinderlose oder eine Kombination aus beiden Maßnahmen gemeint.
(Ebd., S. 161-163).In jedem Fall stellt eine höhere Besteuerung
von Kinderlosen unter anderem sicher, daß diese sich an der gesellschaftlichen
Reproduktion (finanziell) mitbeteiligen und somit kein Geld ausgeben, welches
nicht ihnen, sondern der nächsten Generation gehört. (Ebd., S.
163).Die oben aufgeführten verbliebenen Punkte gehören
zu den wenigen Maßnahmen, die die Benachteiligung von Familien in Schichten
mit mittlerem bis hohem Einkommen gegenüber Kinderlosen reduzieren können,
denn man muß Geld verdienen und Steuern abführen, um in den Genuß
der Vorteile kommen zu können. (Ebd., S. 163).Das Thema
»höhere Rentenansprüche für Eltern« wird im vorliegenden
Buch nur am Rande gestreift, da der zentrale Familienmanager-Vorschlag auch zu
eigenständigen Rentenansprüchen führt. Darüber hinaus zeigen
alle Untersuchungen, daß die meisten Menschen in erster Linie an aktuell
verfügbaren Finanzmitteln interessiert sind. Es darf deshalb nicht erwartet
werden, daß zusätzliche Rentenansprüche, die zunächst jahrzehntelang
mit einer durch die Familiengründung verursachten Reduzierung des Lebensstandards
erkauft werden müssen, zu zusätzlichen Kindern führen werden. Dennoch
bedarf auch dieses Thema grundsätzlich einer Klärung. (Ebd., S.
164).
Kinderlosensteuer
Steuervorschlag von Longman. - Ein sehr
radikaler Steuervorschlag kommt von Phillip Longman, der anregt, Familien mit
einem Kind unter 18 ein Drittel der Steuern zu erlassen, Familien mit zwei Kindern
(wobei mindestens eins unter 18 ist) zwei Drittel, während Familien mit drei
oder mehr Kindern keine Steuern zahlen, bis das jüngste Kind das Alter von
18 Jahren erreicht hat. Daneben schlägt er noch zusätzliche Rentenansprüche
vor. (Vgl. Phillip Longman, The Empty Cradl - How Falling Birthrates Threaten
World Prosperity and What to Do abaout it, 2004, S. 173). In der Tat handelt
es sich hierbei um einen sehr diskussionswürdigen Vorschlag, der dazu geeignet
ist, die Fertilitätsraten in Schichten mit mittleren oder höheren Einkommen
signifikant anzuheben. Inwieweit er finanzierbar ist, ist eine andere Sache. Auch
könnten sich dann Personen mit sehr hohem Einkommen Familien zulegen, wie
sie sich heute an Abschreibungsobjekten beteiligen. Damit würde nicht nur
eine sinnvolle Bevölkerungsplanung erschwert, auch würde der kommerzielle
Aspekt des Kinderkriegens - bei gleichzeitig fehlender Qualitätskomponente
- zu sehr in den Vordergrund treten. (Ebd., S. 164).Neben
dem Longman-Vorschlag sind andere Alternativen einer Besteuerung von Kinderlosen
vorstellbar. Dazu wird zunächst aber die aktuelle Diskussion zur Besteuerung
von Ehen und Familien aufgegriffen und dargestellt (Ebd., S. 165).Ehegattensplitting.
- Beim in Deutschland zur Zeit üblichen Ehegattensplitting wird das Einkommen
beider Eheleute addiert und anschließend halbiert. Sodann werden beide Teile
gemäß dem dann gültigen Steuersatz besteuert. Die Summe beider
Beträge ergibt die Steuerschuld. Ein Ehegattensplitting macht nur bei einer
progressiven Besteuerung Sinn. Dies zeigt das folgende Beispiel mit einem gemeinsamen
Jahreseinkommen beider Eheleute in Höhe von 95000 Euro.Familieneinkommen | Einkommen
pro Person | Steuer
pro Person | 95000
€ | 47500
€ | 11115
€ |
Abbildung
11) Ehegattensplitting (**)
(**) (**) | In
diesem Fall hätten die Eheleute zusammen 22230 Euro an Steuern zu zahlen,
was ein Familieneinkommen von 72770 Euro ergibt. Arbeitet die Ehefrau nicht, so
daß sich das Jahreseinkommen in Höhe von 95000 Euro ausschließlich
aus den Einkünften des Ehemanns zusammensetzt, dann hätte der Ehemann
bei alternativer individueller Besteuerung 31577 Euro an Steuern abzuführen,
was einem Familieneinkommen von 63423 Euro entspricht. Durch das Ehegattensplitting
erhält die Familie in der genannten Konstellation folglich einen Steuervorteil
in Höhe von 9347 Euro. Verschiedene Interessengruppen halten das in Deutschland
geltende Ehegattensplitting für anachronistisch. Sie empfehlen zum Beispiel
statt dessen, Ehepaare ohne Kinder einer Individualbesteuerung zu unterziehen,
wobei allerdings der zweiten - gegebenenfalls nicht erwerbstätigen Person
- ein zusätzlicher Grundfreibetrag zugestanden wird. Dies wäre dann
ein weiterer Schritt in Richtung Individualisierung und Deinstitutionalisierung
von Ehe und Familie. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, sind solche Maßnahmen
in der Regel mit einer Reduzierung der Fertilitätsraten verbunden.
(Ebd., S. 165-166).Familiensplitting. - In Frankreich
wird im Steuerrecht das alternative Familiensplitting angewendet. Dazu wird das
zu versteuernde gemeinsame Einkommen der Familie gemäß einer Gewichtung
der Personen («Divisor«) auf die einzelnen Familienmitglieder verteilt
und dann einzeln versteuert. Die sich aus den Einzelbeträgen ergebende Summe
bestimmt dann die Steuerschuld der Familie. In Frankreich wird die folgende Gewichtung
angesetzt: | für
jedes Elternteil der Divisor 1,0 | | für
das erste und zweite Kind der Divisor 0,5 | | für
jedes weitere Kind der Divisor 1,0. | Allerdings wird
die mögliche Ersparnis limitiert. Das erste Kind spart zum Beispiel maximal
2159 Euro. Ein Familiensplitting macht ähnlich wie das Ehegattensplitting
nur bei einer progressiven Besteuerung Sinn. Dies zeigt das folgende Beispiel
einer Familie mit 2 Kindern mit einem zu versteuernden gemeinsamen Einkommen in
Höhe von 95000 Euro pro Jahr und einer angenommenen Gleichgewichtung aller
Familienmitglieder (der Divisor ist grundsätzlich 1,0).Familieneinkommen | Einkommen
pro Person | Steuer
pro Person | 95000
€ | 23750
€ | 3900
€ |
Abbildung
12) Familiensplitting bei einer Familie mit 2 Kindern (**)
(**) (**) | In
diesem Fall hätte die Familie zusammen 15600 Euro an Steuern zu zahlen, was
ein Familieneinkommen von 79400 Euro ergibt. Allerdings können im geltenden
deutschen Steuerrecht Freibeträge für Kinder geltend gemacht werden,
so daß sich im Fall eines Ehemanns mit einem Jahreseinkommen von 95000 Euro,
einer nicht arbeitenden Ehefrau und 2 Kindern ein Familieneinkommen von 75314
Euro ergibt. Dazu käme -s ofern die Steuerfreibeträge nicht ausgeschöpft
werden - noch das Kindergeld. (Ebd., S. 166-167).Familienrealsplitting.
- Eine andere diskutierte und konzeptionell sehr interessante Alternative zur
Familienbesteuerung ist das Familienrealsplitting. Dabei wird geltendes Unterhaltsrecht
angewendet und beispielsweise so getan, als sei ein alleinverdienender Ehemann
gegenüber seiner Ehefrau und seinen Kindern unterhaltspflichtig. Diese virtuellen
Aufwände könnte er dann steuerlich geltend machen. Anbei eine Beispielrechnung
mit einer Familie mit zwei Kindern, bei der der alleinverdienende Ehemann ein
Jahreseinkommen von 95000 Euro hat.Beispielrechnung:
Familienrealsplitting | Euro
| Einkünfte
Ehemann | 95000,00 | Abzüglich
Unterhalt für Ehefrau (gemäß Düsseldorfer Tabelle) | 27181,28 | Abzüglich
Unterhalt für 2 Kinder (gemäß Düsseldorfer
Tabelle) | 12000,00 | Zu
versteuerndes Einkommen Ehemann | 55818,72 | Steuerschuld
Ehemann | 15353,00 | Zu
versteuerndes Einkommen Ehefrau (als virtueller Unterhalt) | 27181,28 | Steuerschuld
Ehefrau |
4926,00 | Zu
versteuerndes Einkommen pro Kind |
6000,00 | Steuerschuld
pro Kind |
0,00 | Gesamtsteuerschuld
der Familie | 20279,00 | Familieneinkommen | 74721,00 |
Abbildung
13) Familienrealsplitting bei einer Familie mit 2 Kindern (**)
(**) (**) | Die
Kalkulation des deutschen Unterhaltsrechts basieren ganz wesentlich auf der sogenannten
Düssldorfer tabelle, die hier auszugsweise wiedergegeben werden soll:Netto-Einkommen
in € | Kind
bis 6 Jahre | Kind
von 6 bis 12 Jahre | Kind
von 12 bis 18 Jahre | Kind
ab 18 Jahre | bis
1300 | 204 | 247 | 291 | 335 | 1300
bis 15000 | 219 | 265 | 312 | 359 | 1500
bis 1700 | 233 | 282 | 332 | 382 | 1700
bis 1900 | 247 | 299 | 353 | 406 | 1900
bis 2100 | 262 | 317 | 373 | 429 | 2100
bis 2300 | 276 | 334 | 393 | 453 | 2300
bis 2500 | 290 | 351 | 414 | 476 | 2500
bis 2800 | 306 | 371 | 437 | 503 | 2800
bis 3200 | 327 | 396 | 466 | 536 | 3200
bis 3600 | 347 | 420 | 495 | 570 | 3600
bis 4000 | 368 | 445 | 524 | 603 | 4000
bis 4400 | 388 | 470 | 553 | 637 | 4400
bis 4800 | 408 | 494 | 582 | 670 | über
4800 | Nach
den Umständen des Falles |
Abbildung
14) Düsseldorfer Tabelle (**)
(**) (**)
| Allerdings ist die Düsseldorfer
Tabelle sehr komplex, so daß sie vor einer Anwendung im deutschen Steuerrecht
zunächst durch ein einfacheres Verfahren ersetzt werden sollte. (Ebd.,
S. 167-169).Besteuerung von Kinderlosen. - .... Da ... in größeren
Familien ein Elternteil in der Regel vollständig und in anderen Familien
immerhin teilweise auf eine Berufstätigkeit verzichten muß, haben Familien
sehr häufig bereits verringerte Einkommen gegenüber kinderlosen Paaren.
Folglich können sie auch nur eingeschränkt von steuerlichen Einsparungen
profitieren. Dieses Manko sollte ein wenig durch die Zahlung eines zusätzlichen
Kindergeldes ausgeglichen werden. Immerhin stehen Familien damit nicht nur Steuerersparnisse,
sondern auch echte zusätzliche Leistungsausgleichszahlungen zur Verfügung.
Aufgrund der Unabhängigkeit der Höhe des Kindergeldes von der steuerlichen
Leistungsfähigkeit, ist dieses jedoch in erster Linie für Familien mit
niedrigen bis maximal mittleren Einkommen von Interesse. (Ebd., S. 169-170).Damit
Kinderlose stärker an der gesellschaftlichen Reproduktion beteiligt werden,
könnte man einerseits die Steuern generell erhöhen, um dann anschließend
Familien mit Kindern erhöhte Freibeträge und andere Steuerentlastungen
zu gewähren, so daß diese letztendlich nicht mehr Steuern abzuführen
hätten wie vor der Erhöhung. Möglicherweise ist es aber sinnvoller,
statt dessen eine zusätzliche Kinderlosen- oder Demographiesteuer zu erheben,
von der man sich durch das Aufziehen eigener Kinder befreien kann. Dieses Vorgehen
entspräche auch mehr dem Longman-Vorschlag, nur daß - anders als bei
Longman -eigene Kinder nicht zur völligen Steuerbefreiung führen, sondern
nur gegenüber einer eingeschränkten Kinderlosensteuer. (Ebd.,
S. 170).Auch andere Autoren haben längst eine höhere
Besteuerung von Kinderlosen in der einen oder anderen Form gefordert. (Vgl. zum
Beispiel: Norbert Bolz,
Die Helden der Familie, 2006, S. 71 [**];
Susanne Mayer, Strafsteuer für Kinderlose? Angela Merkel hal hat
Recht: Familien müssen entlastet werden, in: Die Zeit, 44, Nr. 15, 03.
April 2003). Gleichfalls kommt der von einigen Experten gemachte Vorschlag eines
zusätzlichen Zwangsansparens von Kinderlosen (Kapitaldeckungsverfahren für
Kinderlose) letztendlich einer höheren Besteuerung gleich. (Vgl. zum Beispiel:
Franz-Xaver Kaufmann,
Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 196. [**];
Hans-Werner Sinn,
Ist Deutschland noch zu retten?, 2003, S. 409ff.; Meinhard Miegel,
Die deformierte Gesellschaft, 2002, S. 148ff.; Peter Mersch, Land
ohne Kinder, 2006, S. 149). Auch die Begründungen dafür
zielen in die gleiche Richtung: Wer nicht ausreichend Humankapital bildet, muß
zum Ausgleich vermehrt in Produktivkapital investieren. (Vgl. zum Beispiel: Meinhard
Miegel,
Die deformierte Gesellschaft, 2002, S. 148). Die im vorliegenden Buch in
Kombination mit dem Familienmanager-Konzept vorgeschlagene Kinderlosensteuer ist
eine Investition in Humankapital (durch die Familienmanager wird Humankapital
gebildet, durch das Riestersparen daggen Realkapital), die im Gegensatz zu Sparprogrammen
vorteilhafterweise auch noch unmittelbar konsumtiv wirksam werden kann. Sie muß
aber in jedem Fall von den gleichen Einkommen erbracht werden, die in den alternativen
Vorschlägen für den zusätzlichen Aufbau von Produktivkapital vorgesehen
sind. (Ebd., S. 170-171).Und ähnlich zu bewerten ist
auch der bereits 1955 bzw. 1957 von den Vätern des umlageorientierten Rentensystems
gemachte Vorschlag einer Kinderversicherung, bei der jeder Erwerbstätige
ab dem 35. Lebensjahr einen prozentualen Anteil seines Lohneinkommens an Familien
mit Kindern in der Erziehungsphase zahlen sollte. Diese Abgaben wurden nicht als
Strafsteuer, »sondern als Äquivalent für die normalerweise zu
erwartende Erziehungsleistung, ohne die eine Gesellschaft ebenso wenig eine Zukunft
hat wie eine Familie, verstanden.« (Franz-Xaver Kaufmann,
Sozialpolitik und Sozialstaat: Soziologische Analysen, 2. Auflage, 2005,
S. 179). Solche zusätzlichen Steuern - auch wenn sie generell erhoben werden,
dann aber bei Nachweis von Leistungsmerkmalen zu Abschlägen berechtigen (zum
Beispiel über Freibeträge) - sind unter Steuerexperten sehr umstritten.
Der Rechts- und Steuerexperte Paul Kirchhof meint gar, Steuern sollen finanzieren
und nicht lenken (steuern). (Vgl. Paul Kirchhof, Der Weg zu einem neuen Steuerrecht
- klar, verständlich, gerecht, 2. Auflage, 2005, S. 5ff.). Dies überrascht,
denn damit entzöge man dem Staat eines der leistungsfähigsten und doch
sanftesten Steuerungsmittel. Im Prinzip müßte sich der Staat andernfalls
zur Durchsetzung übergeordneter Interessen auf Verbote bzw. Anordnungen beschränken.
Will man etwa dafür sorgen, daß die Menschen weniger rauchen bzw. trinken,
dann kann man entsprechende Suchtmittel verbieten oder sie durch Besteuerung künstlich
so verteuern, daß der Konsum in Grenzen bleibt und die Volksgesundheit nicht
zu sehr gefährdet ist. Ähnliches gilt für sogenannte Ökosteuern.
Daß dem Staat auf solche Weise nicht unerhebliche Geldmengen zufließen
und er diese auch bereits regelmäßig in den Haushalten einplant, mag
zwar richtig sein, ändert aber nichts an dem grundsätzlich richtigen
Gedanken, den Menschen eher eine gewisse Entscheidungsfreiheit zuzugestehen, unerwünschte
Optionen dabei aber gezielt zu verteuern. (Ebd., S. 171-172).Natürlich
sollte der Staat nicht unnötig Steuern erheben, um bestimmte Wirtschaftstätigkeiten
zu subventionieren. (Ebd., S. 172).Der Staat subventioniert
Kinderlosigkeit durch Nichtbesteuerung (»Transferausbeutung von Familien
durch Kinderlose«). Die Wirkung dieser Vorgehensweise kann an den jährlich
vom Statistischen Bundesamt veröfentlichten Geburtenzahlen abgelesen werden.
(Ebd., S. 172).Konzeptionell könnte ein Kinderloser ähnlich
wie ein Unterhaltspflichtiger behandelt werden. Der Unterhaltspflichtige hat beispielsweise
ein uneheliches Kind gezeugt, für dessen Aufziehung er nun aber nicht verantwortlich
sein möchte. Ein Kinderloser verhält sich kaum anders. Damit die
Gesellschaft auch in Zukunft funktionieren kann und er zukünftigen Generationen
keine zu hohen Lasten zugemutet werden, muß jede Person für einen Nachfolger
der eigenen Person sorgen. Wenn man dies nicht tut, erwartet man die Erfüllung
dieser Aufgabe implizit von jemand anderem. Um im Kontext des Beispiels zu bleiben,
könnte man salopp sagen: Ein Unterhaltspflichtiger hat das Aufziehen seines
Kindes an seine frühere Geliebte geoutsourct, ein Kinderloser an eine Familie
in der Nachbarschaft. (Ebd., S. 172).Beispielsweise könnte
im Rahmen des Besteuerungsprozesses zunächst das zur Verfügung stehende
Einkommen (nach Abzug von Steuern, Rentenbeiträgen u.s.w.) einer Einzelperson
oder eines Paares ermittelt werden. Anschließend käme die Düsseldorfer
Tabelle oder ein einfacheres, möglicherweise sogar progressiv wirkendes Verfahren
zur Anwendung, wodurch die Kinderlosensteuer zu ermitteln wäre. Eine kinderlose
Einzelperson würde für ein Kind zahlen, ein kinderloses Paar für
zwei Kinder und ein Paar mit einem Kind für ein Kind. (Ebd., S. 172).Damit
hätte man insbesondere im Fall eines kinderlosen Singles eine mit einem getrennt
lebenden Vater mit einem Kind vergleichbare Situation, die sich wie dort nach
dem Einkommen ausrichtet. Wer nichts hat, der bezahlt auch weiterhin nichts, wer
viel hat, der muß für ein Kind zahlen, was von jemand anderem aufgezogen
wird. (Ebd., S. 172).Häufug wird eingewendet, daß
absichtslos Kinderlose nicht besteuert werden können, da sie sonst quasi
bestraft würden. Dies gelte in besonderem Maße für Paare, die
sich zwar ein Kind wünschen, aber leider keins bekommen können. Allerdings
läßt sich ein solcher Einwand auf praktisch alle sozialstaatlichen
Regelungen, bei denen individuelle Risiken sozialisiert werden, ausweiten. Auch
ein Erwerbstätiger, dessen Eltern seit seinem 20. Lebensjahr verstorben sind,
muß in die Rentenkasse einzahlen. Auch er könnte im Prinzip argumentieren,
für ihn seien Rentenbeiträge eine doppelte Bestrafung, da sie sofort
der älteren Generation zu gute kommen würden, er seine Eltern aber längst
verloren habe. (Ebd., S. 172).Mehr-Kind-Familien. - Bedauerlicherweise
wird selbst eine Kombination aus steuerlicher Entlastung von Familien und zusätzlicher
Besteuerung von Kinderlosen - wie sie oben beschrieben wurde - in vielen Fällen
zu keinem restlosen Lastenausgleich für Familien mit mehreren Kindern führen.
Natürlich könnten die Kinderlosensteuer und die steuerliche Entlastung
von Familien so substantiell angesetzt werden, daß sich Kinder insbesondere
für sehr einkommensstarke Gruppen unmittelbar »rechnen«, mit
der Gefahr, daß Familien als Abschreibungsobjekt betrieben werden könnten.
Eine solche Entwicklung sollte aber nach Möglichkeit vermieden werden. Hinzu
kommt, daß für sehr einkommensstarke Schichten keine finanziellen Anreize
für Kinder gegeben werden müssen. Wer sich aus zeitlichen bzw. arbeitsorganisatorischen
Gründen keine Familie leisten kann oder auch sonst nicht an ihr interessiert
ist, wird sich auch bei stärkeren finanziellen Anreizen nicht für eine
solche entscheiden, es sei denn, die finanziellen Anreize sind so hoch, daß
ein Verzicht auf Familie geradezu ökonomisch töricht wäre. Dies
könnte dann zu den bereits erwähnten unerwünschten Nebeneffekten
führen. (Ebd., S. 173).Gegenüber einem beiderseitig
beruflich erfolgreichen Paar ist eine Familie mit einem Haupternährer und
vier Kindern auch unter den aufgeführten steuerlichen Maßnahmen wirtschaftlich
benachteiligt, selbst dann, wenn der Haupternährer ähnlich beruflich
erfolgreich ist. (Vgl. Franz-Xaver Kaufmann,
Zukunft Familie - Stabilität, Stabilitätsrisiken und Wandel der familialen
Lebensformen sowie ihre gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, 1990,
S. 109ff.). Es ist deshalb fraglich, ob auch die bislang diskutierten Steueranreize
bei mittleren bis hohen Einkommen ausreichen werden, um eine größere
Zahl an Kindern in die Welt zu setzen und aufzuziehen, zumal alle anderen Bedingungen
wie Individualisierung oder Einschränkungen in der Freizeitgestaltung ja
immer noch wirkmächtig im Bezug auf eine Limitierung der Kinderzahl sind.
Staatlicherseits könnte es deshalb Sinn machen, durch steuerliche Maßnahmen
und finanzielle Anreize für einen fairen Familienlastenausgleich von berufstätigen
Familien mit zwei Kindern zu sorgen. Wer eine größere Familie haben
möchte, der übernimmt entweder einen Teil der zusätzlichen Kosten
auf eigene Rechnung oder entscheidet sich für die hier vorgeschlagene Familienmanager-Alternative.
(Ebd., S. 173).
Die Notwendigkeit der Familienmanagerin
Im Kapitel Kosten/Nutzen
von Kindern ab Seite 67 wurde gezeigt, daß aktuell nur noch diejenigen
aus Kindern Einkommens- bzw. Sicherheitsnutzen ziehen können, die über
kein eigenes Einkommen verfügen. Der bei allen anderen noch verbleibende
Konsumnutzen ist aber nicht ausreichend, um große Familienstärken ohne
weitere Nutzenarten begründen zu können. Statt dessen sorgt er in Kombination
mit den höheren Kosten von Kindern für eher kleinere Familiengrößen.
Im Kapitel Bevölkerungspolitik
ab Seite 121 wurde darüber hinaus deutlich gemacht, daß eine signifikante
Anhebung der Fertilitätsraten weniger durch eine Reduzierung der Kinderlosigkeit
als eher durch eine Förderung von Großfamilien zu erreichen ist. Dies
wird um so bedeutender, je geringer die Anzahl der gebärfähigen Frauen
wird. Es wurde deshalb prognostiziert, daß es in Zukunft zu einer stärkeren
Spezialisierung im Rahmen der gesellschaftlichen Reproduktion kommen muß.
Eine solche Spezialisierung scheint aber auch eine Anforderung von Wissensgesellschaften
zu sein. Da die Reproduktion und Mehrung des Humanvermögens in Wissensgesellschaften
zu einem entscheidenden Standortvorteil generiert, steigen automatisch auch die
beim Aufziehen von Kindern erforderlichen Qualifikationen, speziell dann, wenn
es um die Erziehungsarbeit in größeren Familien geht. (Ebd.,
S. 174).All diese unterschiedlichen Ziele lassen sich durch einen
neuen Beruf erreichen, der im vorliegenden Buch (und in »Land
ohne Kinder«) den Namen »Familienmanager/in« trägt.
(Ebd., S. 174).Noch einmal auf einen Punkt gebracht: Eine Familienmanagerin
ist eine professionelle Erzieherin (bzw. ein Erzieher) mit entsprechender Ausbildung
und Arbeitsvertrag, die in vielen Aspekten etwa einer staatlich beschäftigten
dänischen Tagesmutter entspricht, anders als diese aber nicht ausschließlich
für das Betreuen fremder, sondern in erster Linie für das Aufziehen
eigener Kinder bezahlt wird. Je mehr Kinder eine Familienmanagerin betreut, desto
mehr verdient sie. (Ebd., S. 174).Finanziert werden könnten
die Familienmanagerinnen über die bereits erwähnte Kinderlosensteuer.
Kinderlose würden also auf diese Weise ihre eigentlich gesellschaftlichen
Aufziehleistungen an Familienmanagerinnen outsourcen. Im Abschnitt Selbstregulierndes
Steuersystem ab Seite 135 wurde gezeigt, daß der Regelkreis zwischen
Familienmanagerinnen und Kinderlosensteuer in der Lage ist, sich selbst auszubalancieren.
(Ebd., S. 174).Allerdings haben ja auch Unternehmen ein fundamentales
Interesse an einer nachhaltigen Bevölkerungspolitik, einer Sicherung des
Humanvermögens und einem demographischen Gleichgewicht. Diese Punkte ließen
sich durch den Beruf der Familienmanagerin relativ gesichert gewährleisten.
Deshalb könnte eine finanzielle Unterstützung eines Familienmanagerinnen-Programms
auch für Unternehmen Sinn machen, jedenfalls häufig mehr, als etwa in
zusätzliche Betriebskindergärten zu investieren. Auch sind freiwillige
Leistungen wie etwa Spenden oder ähnliche Maßnahmen denkbar. Für
Unternehmen würden sich hierbei gleichzeitig Werbepotentiale ergeben.
(Ebd., S. 175).In »Land
ohne Kinder« wird auf Basis des Erziehungsgehalt-2000-Konzeptes (vgl.
Christian Leipert, Erziehungsgeld 200 - Ein Weg zur Aufwertung der Erziehungsarbeit,
1998) ein rudimentärer Vorschlag für eine konkrete Bezahlung von Familienmanagerinnen
unterbreitet. (vgl. Peter Mersch, Land
ohne Kinder, 2006, S. 108ff.). Die Berechnungen ergeben zum Beispiel für
eine Familienmanagerin mit sieben Kindern ein monatliches Einkommen von 5178 Euro
(inkl. Kindergeld), zusätzlich gibt es ein 13.Monatsgehalt in Höhe von
4000 Euro. Eine Familienmanagerin könnte aber auch mit einem Familienmanager
verheiratet sein, der selbst sieben Kinder adoptiert hat (Waisenkinder, zum Teil
aus der Dritten Welt, zum Teil Kinder aus einer erfolgreichen Beratung im Rahmen
eines geplanten Schwangerschaftsabbruchs). In diesem Fall würde die Familie
zusammen 14 Kinder aufziehen und dafür ein monatliches Gehalt von über
10000 Euro erhalten. Eine solche Familie würde genauso viele Kinder aufziehen
wie 14 Familien mit einem Kind oder sieben Familien mit jeweils zwei Kindern,
was das Potential des Familienmanager-Berufs zur Behebung der demographischen
Krise unserer Gesellschaft unmittelbar verdeutlicht. Gestützt wird diese
Aussage durch die biographische Fertilitätstheorie (**):
Eine Familienmanagerin kann wesentlich leichter für das Aufziehen von sieben
eigenen Kindern gewonnen werden, als sieben Singles für jeweils ein Kind.
Außerdem würden die Kinder in einer solchen Familie mit hoher Wahrscheinlichkeit
sehr liebevoll aufgezogen werden. Die Eltern sind auf die Aufgabe des Erziehens
fokussiert, es liegen hervorragende Bildungsvoraussetzungen vor und eine optimale
Förderung aller Kinder kann praktisch garantiert werden. Ferner könnte
bei den Kindern frühzeitig ein solidarisches Verhalten eingeübt werden.
Genau diese Effekte dürfen aber auch erwartet werden, wenn eine Aufgabe,
für die üblicherweise keinerlei Voraussetzungen erforderlich sind, professionalisiert
wird (ähnlich wie dies in der Medizin geschehen ist). (Ebd., S. 175).Jürgen
Borchert
äußert sich dagegen kritisch zum Thema Professionalisierung der Familienarbeit
(allerdings bezogen auf das etwas anders gelagerte Erziehungsgehalt): »Daß
die Idee eines Erziehungsgehalts im übrigen ein beträchtliches Zerstörungspotential
für den Teil der Welt hat, den Familie definiert, beweist das von manchen
Befürwortern angeführte Honorierungsargument, daß es nämlich
ungerecht oder nicht nachzuvollziehen sei, daß Grundschullehrerinnen und
Kindergärtnerinnen für ihre Arbeit entlohnt würden, nur die eigenen
Eltern nicht. Dabei wird nämlich das Wesentliche der Familie vollkommen aus
den Augen verloren: Ihre wechselseitige Einstandspflicht in allen Lebenslagen.
Lehrerinnen und Kinderpflegerinnen erwerben gegen die Kinder keine unmittelbaren
genuinen und originären Unterhaltsansprüche. Genau darin, in dieser
vollkommen unmarktlichen Bedingungslosigkeit, liegen aber Ursprung und Ziel von
Familie. Wenn dieser Bereich kommerzialisiert wird, die Abstraktion des Geldwesens
auch in diese letzte Gegenwelt eindringt. dann wird das Leben für die Kinder
nicht nur schon von Kindesbeinen an wegen eines grenzenlosen Individualismus unerträglich,
sondern dann scheitern Familie und Staat gemeinsam.« (Jürgen Borchert,
Irrweg Familiengeld - »Wiesbadener Entwurf« einer
familienpolitischen Strukturreform des Sozialstaats; http://www.Heidelberger-familienbuero.de/erziehungsgehalt/Borchert-Kritik-Familiengeld.htm).
Historisch gesehen hat Familie noch nie in einer »vollkommen unmarktlichen
Bedingungslosigkeit« bestanden. Familie hatte immer auch das Ziel, zusätzliche
Einkommens- und Sicherheitsnutzen zu erzielen. Zu keinem Zeitpunkt waren geringere
Einkommen und Sicherheiten eine Option, wie dies tatsächlich heute der Fall
ist. Aber Jürgen Borchert
liefert selbst die besten Argumente für eine Professionalisierung der Familienarbeit:
»Es muß darum gehen, die Familien in die Lage zu versetzen, ihre Kinder
aus dem selbst erWirtschafteten Einkommen zu unterhalten, statt dies aus einer
Position eines Almosenempfängers heraus zu tun.« (Ebd.). Ein Familienmanager
ist dazu in der Lage! (Ebd., S. 176).Die oben beschriebene
Konstellation mit einem Paar aus zwei Familienmanagern dürfte nicht der Regelfall
sein, sie ist aber möglich. Daneben sind aber auch ganz andere Familienformen
mit Beteiligung von Familienmanagern vorstellbar bis wahrscheinlich. (Ebd.,
S. 176).Um einer weiteren Deinstitutionalisierung von Ehe und Familie
durch den Familienmanager-Beruf entgegenzuwirken, könnte der Staat - ähnlich
dem heutigen Ehegattensplitting - zusätzliche finanzielle Anreize setzen.
Beispielsweise könnte entschieden werden, ein mit einer Familienmanagerin
verheirateter Ehemann müsse sehr wohl Kinderlosensteuer für ein Kind
abführen, da seine Familie ja keine Kinder auf eigene Rechnung aufzieht,
sondern sogar daran verdient. Die vom Ehemann entrichtete Kinderlosensteuer könnte
aber unmittelbar seiner Familienmanager-Ehefrau zugeteilt werden, mit dem Ziel,
solche klassischen Familienkonstellationen gezielt zu fördern. (Ebd.,
S. 176-177).Das Familienmanager-Konzept könnte gleich auf
mehrere Arten für mehr Generationengerechtigkeit sorgen: | Durch
die Sicherstellung einer bestandserhaltenden Fertilität werden der nachfolgenden
Generation nicht zu hohe Lasten aufgebürdet. | |
Durch die Bezahlung professioneller Familienmanager wird familienorientierten
Menschen eine wirtschaftlich attraktive Option zur Gründung einer Großfamilie
geboten. Solche Menschen können dann wirtschaftlich abgesichert das tun,
was eigentlich ohnehin ihr Lebensziel war, ihre Kinder sind nicht der Gefahr von
Armut ausgesetzt und die Gesellschaft profitiert als Ganzes davon. Auf diese Gesichtspunkte
wird in den beiden Abschnitten Einkommensnutzen
für Familienmanager ab Seite 181 und Sicherheitsnutzen
für Familienmanager ab Seite 182 noch näher eingegangen. Im
Abschnitt Vereinbarkeit
von Familie und Beruf ab Seite 84 wurde dargelegt, daß der heute
üblicherweise fehlende Einkommens- und Sicherheitsnutzen von Kindern auch
die Berechtigung für die Kommerzialisierbarkeit des Aufziehens eigener Kinder
in einer sonst arbeitsteiligen Welt begründet: Eine Familienmanagerin zieht
im Rahmen der Erziehungsarbeit einen Konsumnutzen aus ihren Kindern, ähnlich
wie andere Berufstätige eine Befriedigung aus ihrer Arbeit erhalten. Gleichzeitig
erzielt sie ein Einkommen aufgrund der geleisteten professionellen Arbeit. Das
schließlich nach ca. 20 Jahren der Gesellschaft übergebene Endprodukt
(»der erzogene und gebildete erwachsene Mensch«) gehört aber
nicht länger ihr, so daß sie aus der Elternbeziehung keinen direkten
Vorteil schlagen kann: »Eine realistische Familienpolitik muß die
Einsicht ernst nehmen, daß Kinder angesichts der heute dominierenden unselbständigen
Beschäftigungsverhältnisse und der verlängerten Kindheits- und
Jugendphase für Eltern lediglich immaterielle Nutzen, aber erhebliche ökonomische
Nachteile mit sich bringen. Kinder sind - ökonomisch gesprochen - zu einem,
öffentlichen Gut geworden, an dessen, Produktion zwar ein erhebliches, aber
im Regelfall keinerlei privates ökonomisches Interesse mehr besteht.«
(Franz-Xaver Kaufmann,
Zukunft Familie - Stabilität, Stabilitätsrisiken und Wandel der familialen
Lebensformen sowie ihre gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, 1990,
S. 11). | | Durch
die zusätzliche Besteuerung von Kinderlosen und weitere Steuerentlastungen
für Familien werden die Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
zwischen Kinderlosen und Familien reduziert. (Ebd., S. 177). |
Die
Reduzierung der Bevölkerungsfrage auf Unterstützungsverhältnisse
verkennt die eigentliche Tragweite des Problems. Auch wird ein ganz wesentlicher
Punkt ignoriert: Ohne ausreichenden Nachwuchs vergeht die Gesellschaft, sie schrumpft
sich langfristig zu Tode. Aus diesem Grunde wurde bereits im Abschnitt Die
erste demographische Frage (Quantität) auf Seite 3 die Frage aufgeworfen,
wie dieser Prozeß letztendlich zu stoppen ist (**).
Und dies geht nun einmal nur durch mehr Kinder. (Ebd., S. 180).Es
liegt deshalb nahe, einer bislang von den Vorteilen einer vernachlässigten
Nachhaltigkeit profitierenden Gesellschaft auch die Kosten zusätzlicher Kinder
aufzubürden. Jedenfalls ist nicht nachvollziehbar, warum die von Ruprecht
Jaenicke erwähnten »unerträglichen Belastungen« kommenden
Generationen zugemutet werden sollen. Oswald Metzger führt in Bezug auf die
sozialen Sicherungssysteme ganz richtig aus: »Wenn die Ausgaben der Renten-
und Pensionsleistungen nicht unverzüglich reduziert werden, dann werden auf
Dauer um so brutalere Einschnitte nötig. Jedes Jahr, das die Politik Einschnitte
früher durchsetzt, erspart weitere Sozialschnitte und ihre unsozialen Konsequenzen.
Nur wer heute soziale Besitzstände entschlossen beschneidet, wird überhaupt
in der Lage sein, in Zukunft eine sozialstaatliche Mindestabsicherung gegen existenzielle
Lebensrisiken zu gewährleisten.« (Oswald Metzger, Einspruch! Wider
den organisierten Staatsbankrott, 2004, S. 133). Konkret heißt dies:
Wenn jetzt nicht mit einer Beschneidung sozialer Besitzstände begonnen wird,
wird es später um so schlimmer. Eine solche Beschneidung kann aber einerseits
in einer - wie von Metzger vorgeschlagenen - Reduzierung von Ansprüchen,
andererseits in höheren Belastungen im Sinne der Zukunftssicherung bestehen.
Und da Kinderlose für letztere bislang keinen ausreichenden Beitrag geleistet
haben, liegt es nahe, diese nun zur Kasse zu bitten. (Ebd., S. 180-181).
Einkommensnutzen für Familienmanager
Im Kapitel Kosten/Nutzen
von Kindern ab Seite 67 wurde dargelegt, daß ein Einkommensnutzen
von Kindern lediglich noch für sehr einkommensschwache bzw. von der Sozialhilfe
lebende Bevölkerungsschichten besteht. Gleichzeitig wurde deutlich gemacht,
daß der einzig noch vorhandene Konsumnutzen in Verbindung mit den hohen
Opportunitäts- und direkten Kosten von Kindern unter normalen Einkommensverhältnissen
fast automatisch zu einer Beschränkung auf kleine Familiengrößen
führt. Dies wird verstärkt durch den gesellschaftlichen Trend zur Individualisierung
und Pluralisierung der Lebensformen, der entscheidend zu einem Anstieg des Anteils
lebenslänglich Kinderloser beiträgt. Hieraus ergeben sich zwangsläufig
sehr niedrige Fertilitätsraten, von denen auch in Zukunft kein signifikanter
Anstieg erwartet werden darf. (Ebd., S. 181).Für die
Teilgruppe der Familienmanager sind alle diese Regeln außer Kraft gesetzt.
(Ebd., S. 181).Denn ein Familienmanager entscheidet sich für
eine Ausbildung und dann entsprechend für diesen Beruf, ähnlich wie
das ein Arzt in seinem Falle tut. Hat ein Familienmanager noch keinen Partner
gefunden, kann er seine berufliche Karriere mit der Fremdbetreuung von Kindern
oder als Springer für andere Familienmanager beginnen. Die biographischen
Opportunitätskosten eines Familienmanagers für ein zusätzliches
Kind sind also praktisch Null. Gleichfalls dürften die meisten anderen Opportunitätskosten
sehr niedrig anzusetzen sein. Da ein Familienmanager pro aufgezogenes Kind vergütet
wird, und diese Vergütung höher sein sollte als die direkten Kosten
für die Kindererziehung, erzielt er pro Kind zusätzliche Einnahmen.
Ein Kind liefert dann nicht nur einen Konsumnutzen, sondern tatsächlich auch
einen Einkommensnutzen. Mit jedem zusätzlichen Kind bessern sich die wirtschaftliche
Situation und vermutlich auch das gesellschaftliche Ansehen eines Familienmanagers.
Alle Mechanismen, die zur Zeit eine Beschränkung auf kleine Familiengrößen
bewirken, sind bei Familienmanagern außer Kraft gesetzt: Der Beruf des Familienmanagers
erlaubt eine »verantwortete Elternschaft« pro Kind. (Vgl. Franz-Xaver
Kaufmann,
Zukunft der Familie - Stabilität, Stabilitätsrisiken und Wandel der
familiären Lebensformen sowie ihre gesellschaftlichen und politischen Bedingungen,
1990, S. 39). Es kann deshalb auch in Übereinstimmung mit der
Individualisierungsthese von Beck (**)
und der biographischen Fertilitätstheorie von Birg et al. (**)
eine Tendenz von Familienmanagern zu großen Familienstärken prognostiziert
werden. Dies bestätigt auch Susanne Mayer: »Wer Sehnsucht nach einem
dritten oder vierten Kind verspürt ..., würde sicherlich in seinen Hoffnungen
ermutigt, wenn es einen Familienlohn gäbe, der die Bereitschaft zu höherer
Belastung honoriert.« (Susanne Mayer, Deutschland armes Kinderland -
Wie die Ego-Gesellschaft unsere Zukunft verspielt, 2002, S. 198). (Ebd.,
S. 181-182).
Sicherheitsnutzen für Familienmanager
Zusätzlich
zum Einkommensnutzen liegt bei Familienmanagern auch ein Sicherheitsnutzen pro
Kind vor: Mit jedem Kind erhöht sich dessen Einkommen, folglich auch der
Rentenanspruch. Auch diese Tatsache wird die Bereitschaft von Familienmanagern
für große Familienstärken fördern. (Ebd., S. 182).
Adoption
Eine Familienmanagerin kann leibliche oder adoptierte
Kinder aufziehen. In beiden Fällen wird der gleiche Leistungsbetrag pro Kind
gezahlt. Da Familienmanagerinnen ausgewiesene Fachkräfte sind, könnte
für sie der Adoptionsprozeß drastisch vereinfacht werden. Allerdings
sollten bevorzugt kleine Kinder bis zum Alter von ein oder maximal 2 Jahren adoptiert
werden, damit diese in den Genuß ihrer vollen Zuwendung kommen. Für
eine Adoption kommen insbesondere in Frage: | Waisenkinder | | Kinder,
die sonst einem Schwangerschaftsabbruch zum Opfer gefallen wären (siehe nächsten
Abschnitt [**) | | Kinder
aus der Dritten Welt, deren Eltern gestorben oder in Not geraten sind. | Der
letzte Punkt stellt eine aus humanitären Gesichtspunkten wesentlich günstigere
Variante zur klassischen Zuwanderungspolitik dar: Ein so wohlhabendes Land wie
Deutschland würde damit deutlich machen, daß es gewillt ist, das Aufziehen
von zukünftigen Arbeitskräften nach Möglichkeit selbst vorzunehmen,
anstatt diese zeitaufwendige Arbeit anderen Ländern aufzubürden. Außerdem
könnte ein späterer Integrationsaufwand völlig entfallen ....
(Ebd., S. 182-183).Allerdings sind Auslandsadoptionen zum gegenwärtigen
Zeitpunkt äußerst komplex. Oft ist die Herkunft des Kindes nicht gesichert,
so daß eine Adoptionsfreigabe aus kommerziellen Gründen nicht ausgeschlossen
werden kann. Schon jetzt gibt es viel mehr adoptionswillige Familien als zur Adoption
freigegebene Kinder. Eine Verbesserung der Situation kann deshalb nur durch Kooperationen
mit verläßlichen Regierungen und in Zusammenarbeit mit humanitären
Organisationen erzielt werden. (Ebd., S. 183).Eine weitere,
zur Zeit noch sehr theoretische Option, besteht in der Unterstützung (zukünftiger
Gebärtechniken, zum Beispiel das vollständige und nebenwirkungsfreie
Aufwachsen von Embryos außerhalb des Mutterleibs (als Retortenbabies). Wenn
solche Techniken einmal beherrscht und aus ethischen Gründen nicht abgelehnt
werden, bleibt trotzdem immer noch die eigentliche Leistung des Erziehens und
Bildens von Kindern. Auch für diesen - zur Zeit noch sehr futuristischen
- Fall bieten sich die Familienmanagerinnen als ideale Adoptiveltern an.
(Ebd., S. 183).Eine explizite Ermunterung von Familienmanagern,
einen Teil der Kinder zu adoptieren, kann einige Vorteile haben: | Sie
ermöglicht eine relativ schnelle Geburtenfolge. Die Einnahmen der Familien
verbessern sich relativ schnell, ohne daß die beteiligten Frauen unter Druck
geraten, durch frühzeitiges Abstillen für eine beschleunigte Geburtenfolge
sorgen zu müssen. | | Der
Beruf des Familienmanagers könnte auf eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung
stoßen, da die Bezahlung in der Regel nicht ausschließlich für
das Aufziehen leiblicher Kinder erfolgt. Die Familienmanager tun also wichtige
Dienste für andere. So etwas wird in unserer Gesellschaft besonders gern
akzeptiert. | | Der
Beruf bekäme neben der offenkundigen Relevanz für die Zukunft der Gesellschaft
etwas Humanitäres. Dafür sind Menschen eher bereit, auf einen Teil ihrer
Einkünfte zu verzichten. | | Die
Maßnahme würde von jeglichem »Lebensborn«-Verdacht befreit.
(Vgl. Peter Mersch, Land
ohne Kinder, 2006, S. 138ff.). (Ebd., S. 184). |
Schwangerschaftsabbruch
Zuletzt wurden ca. 180 Schwangerschaftsabbrüche
pro 1000 Lebendgeburten registriert. (Vgl. Stefan Rehder / Veronika Blasel, Jedes
vierte gezeugte Kind wird abgetrieben, 2006, S. 116). .... Einige Experten
gehen allerdings von einer beträchtlichen Dunkelziffer aus, so daß
bereits auf drei Geburten eine Abtreibung kommen könnte. (Vgl. Stefan Rehder
/ Veronika Blasel, ebd., 2006, S. 116). Weltweit sollen rund 22 Prozent
der 210 Millionen Schwangerschaften pro Jahr mit einer Abtreibung (das heißt:
45 Millionen Abtreibungen pro Jahr) enden. (Vgl. Klaus M. Leisinger, Die sechste
Milliarde, 1999, S. 279). (Ebd., S. 184).Daneben gibt
es auch in Deutschland Indikatoren für den beträchtlichen Einsatz von
Schwangerschaftsabbrüchen als Mittel der Familienplanung: | Über
97% der gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche wurden nach der Beratungsregelung
vorgenommen. Medizinische und kriminologische Indikationen waren in weniger als
3% der Fälle die Begründung für den Abbruch. (Vgl. Statistisches
Bundesamt, 124000 Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2005, 2006) | | Mehr
als 45% der Frauen, die ihr Kind im Jahr 2003 zur Abtreibung freigegeben haben,
waren zum Zeitpunkt des Schwangerschaftsabbruchs verheiratet. (Vgl. Stefan Rehder
/ Veronika Blasel, Jedes vierte gezeugte Kind wird abgetrieben, 2006, S.
111). | | Rund
60% der Mütter, die in 2003 ein Kind abgetreiben ließen, hatten zuvor
ein oder mehrere Kinder. | Es könnte Sinn
machen, Mütter und Väter bei der Beratung im Vorfeld des Schwangerschaftsabbruchs
gezielt auf die Alternative eines Auftrages des Kindes zwecks späterer Freigabe
zur Adoption durch eine Familienmanagerin hinzuweisem. Eventuell könnten
Familienmanagerinnen sogar direkt in den Beratungsprozeß integriert werden.
(Ebd., S. 184-185).Diese Maßnahme hätte nicht nur erhebliche
ethische Vorzüge, sondern könnte zusätzlich dazu beitragen, die
Geburtenrate in Deutschland anzuheben. (Ebd., S. 185).
Betreuung von fremden Kindern
Familienmanagerinnen wären
in der Lage, besonders leistungsfähige Dienstleistungen für berufstätige
bzw. nichtberufstätige Mütter anzubieten. Dazu gehören: | Elternberatungen | | Schulungsmaßnahmen
für berufstätige Eltern | | Ganztags-Kindergruppen | | Ganztags-Kindergärten | | Ganztägige
Aufenthalte von Kindern (24-Stunden-Service) bei Erkrankung oder beruflicher Abwesenheit
der regulären Eltern | | Tagesmütter-Dienste | | Super-Nanny-Dienste | Auf
diese Weise könnten Familienmanagerinnen bereits einen nennenswerten Anteil
ihres potentiellen Einkommens realisieren, während sie selbst noch keine
oder nur wenige Kinder haben. Gleichzeitig würden sie damit einen entscheidenden
Beitrag zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die
übrigen Familien leisten. (Ebd., S. 186).
Schlußbemerkung
Das vorliegende
Buch ist nicht politisch motiviert. Statt dessen wird eine Lösung für
ein gravierendes gesellschaftliches problem gesucht und für sonst nichts,
schon gar nicht für jede erdenkliche Ungerechtigkeit in der Welt. (Ebd.,
S. 188).In diesem Buch werden verschiedene neue und schon länger
diskutierte Maßnahmen daraufhin untersucht, ob und inwieweit sie einen Beitrag
zur Lösung des zentralen demographischen Problems leisten können. Dabei
werden unter anderem die folgenden Ergebnisse erzielt: | Die
aktuellen und angestoßenen Maßnahmen zur Nachwuchsförderung werden
auch in Zukunft zu keinen bestandserhaltenden Fertilitätsraten führen. | | Zur
Zeit fördert unsere Gesellschaft ein »Survival of the Unfittest«:
Kinder lohnen sich in erster Linie für beruflich wenig erfolgreiche Menschen. | | Aktuell
werden nicht nur zu wenige Kinder geboren, sondern der Nachwuchs weist zum Teil
erhebliche familienbedingte Defizite auf. | | Eine
Gesellschaft, in der die Beteiligung an einer gesellschaftlich relevanten Aufgabe
zwar völlig freiwillig ist (die Nichtbeteiligung führt zu keinerlei
Nachteilen), aber hohe Lasten bzw. Kosten verursacht, wird eine zufriedenstellende
Ausführung der Aufgabe nicht sicherstellen können. | | Ein
demographisches Gleichgewicht wird sich wohlfahrtsstaatlich nur schwerlich allein
durch Verringerung von Opportunitätskosten oder zusätzliche finanzielle
Anreize und ohne substanzielle finanzielle Beteiligung derer, die sich bislang
aus diversen Gründen der Aufgabe entzogen haben, erreichen lassen. Anders
ausgedrückt: Eine einkommensabhängige Besteuerung von Kinderlosen scheint
eine unerläßliche Voraussetzung für die Lösung des demographischen
Problems in modernen Wissensgesellschaften zu sein. | | Eine
Hauptaufgabe des Staates liegt in der gesellschaftlichen Reproduktion. Dazu gehören
insbesondere die quantitative und qualitative Nachwuchssicherung, die Erhaltung
und Mehrung des Humanvermögens sowie die Sicherstellung der Generationengerechtigkeit,
oder allgemeiner ausgedrückt, die Reproduktion erneuerbarer (humaner) Ressourcen.Eine
Kernaufgabe des Staates wäre folglich die Erhaltung des Lebens- und Wirtschaftsstandorts
Deutschland und seiner wichtigsten Ressourcen (insbesondere: Humankapital). Statt
dessen sorgen sich Staat und Regierungen zur Zeit vorwiegend um die aktuelle Produktion
(Wirtschaft, Konjunktur). Seit vielen Jahren werden dafür sogar zunehmend
Anleihen zu Lasten der nächsten Generation aufgenommen (Staatsschulden).
Deutschland verhält sich zur Zeit wie ein Unternehmen, welches auf Kosten
von Forschung und Entwicklung in die Produktion investiert, um kurzfristige Einnahmen
zu realisieren. Der Grund dafür ist vermutlich ein zu begrenzter Planungs-
und Vorstellungszeitraum.Staat
und Regierungen vernachlässigen also ihre primären Aufgaben, und das
schon seit vielen Jahren. | |
Bei dauerhaft zu niedrigen Fertilitätsraten handelt es sich
um eine Verletzung des Prinzips der Generationengerechtigkeit, weil hierdurch
der zukünftigen Generation zu hohe Lasten aufgebürdet werden. Es gehört
zu den Aufgaben des Staates, ausreichend bestandserhaltende und nicht-ruinöse
Fertilitätsraten sicherzustellen. | | Das
Mißverhältnis zwischen den staatlichen Reproduktions- und Produktionsaufgaben
führt zu Mängeln in der Nachhaltigkeit, zu Einbußen bei der Generationengerechtigkeit
und zu hoher Staatsverschuldung. Hohe Verluste beim Humanvermögen als Folge
der Verletzung des Nachhaltigkeitsprinzips können nur durch Wohlstandseinschränkungen
oder eine Aufnahme zusätzlicher staatlicher Anleihen (das heißt eine
Zunahme der Staatsverschuldung) ausgeglichen werden. Nichtbestandserhaltende Fertilitätsraten
begünstigen folglich Staatsverschuldungen (bzw. bewirken sie sogar). | | Das
aktuelle Reproduktionsverhalten in den entwickelten Gesellschaften produziert
zunehmende gesellschaftliche Ungleichheit und Armut. | | Aktuell
ist die Produktion (Wirtschaft) professionalisiert, die Reproduktion dagegen weitestgehend
nicht. Dies bewirkt einen »Fachkräftemangel« in der Reproduktion.
Oder anders ausgedrückt: Das Reproduktionskapital wird empfindlich beschädigt.
Um ausreichende Ressourcen für die Reproduktion gewinnen zu können,
müßte der Staat in diesem Sektor konkurrenzfähige Angebote unterbreiten
können. Die Konsequenz: Die Reproduktion müßte analog zur Produktion
stärker professionalisiert werden. | | Aus
den zum Teil gegenläufigen Trends- | Unattraktivität
der Reproduktion aufgrund fehlender Vergütung | - | Bedeutungszuwachs
der Reproduktion als Folge der starken Gewichtung von Wissen und kognitiven Fähigkeiten
in Wissensgesellschaften | - | zunehmender
Zwang zur Spezialisierung bei der Nachwuchsproduktion aufgrund des Rückgangs
der Zahl gebärfähiger Frauen | ergibt
sich die Notwendigkeit zur zunehmenden Professionalisierung der gesellschaftlichen
Reproduktion, und zwar ganz explizit bezüglich der Erziehung eigener Kinder,
denn nur dann werden über den zusätzlichen Nutzen ausreichende Anreize
für weitere Kinder gesetzt, und nur dann dürfte die Motivation hoch
genug sein, den Kindern eine optimale Erziehung zukommen zu lassen. | | Eine
der stärksten Triebfedern für die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung
ist der Individualisierungstrend. Letztendlich wird dieser maßgeblich durch
die sich verändernden Anforderungen der Wirtschaft (Produktion) angetrieben.
Zunehmende Individualisierung führt aber gleichzeitig zu zunehmender Pluralisierung
der Lebensformen, Spezialisierung, Professionalisierung und Ökonomisierung.
Maßnahmen zur Verbesserung der »Vereinbarkeit von Familie und Beruf«
sind dagegen integrativ und verfolgen eine genau umgekehrte Zielrichtung. Sie
versuchen folglich dem Trend zur Individualisierung entgegenzuwirken, was nicht
gelingen kann. Kurz: Die These von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht
im Widerspruch zur Individualisierungsthese. (**). | | Individualisierung
und wohlfahrtsstaatliche Entwicklung bedingen sich gegenseitig. Eine Zunahme der
Individualisierung ist meist mit einer individuellen Vernachlässigung von
Kollektivaufgaben verbunden, die dann Dritte, zum Beispiel der Wohlfahrtsstaat,
übernehmen müssen. | | Das
fertige Endprodukt von Familien ist der erzogene und gebildete Erwachsene. Dieser
wird der Gesellschaft gegen Ende der Erziehungsphase ohne weitere Kosten »überstellt«.
Die Familie besitzt keine Urheberrechte an ihrem Produkt und kann auch sonst keinen
ökonomischen Nutzen daraus ziehen. Es dürfte deshalb kaum zu rechtfertigen
sein, einer qualifizierten Tagesmutter für die Betreuung fremder Kinder ein
Gehalt zuzugestehen, für das Aufziehen eigener Kinder dagegen nicht. | |
Aus
der biographischen Fertilitätstheorie von Birg et al. (**)
wird in der Regel die Empfehlung abgeleitet, den Anteil der Kinderlosen
zu reduzieren. Genau dieser Schluß läßt sich aber
aus der Theorie nicht ziehen. Die folgerichtige Empfehlung wäre
dagegen, gezielt Großfamilien zu fördern. Kurz: Die biographische
Fertilitätstheorie ist vermutlich zutreffend, die üblichen
Folgerungen daraus dagegen nicht. |
| Der
zu erwartende Rückgang der Zahl der gebärfähigen Frauen und damit
indirekt des Reproduktionskapitals wird eine stärkere Spezialisierung bei
der gesellschaftlichen Reproduktion erforderlich machen. Mit anderen Worten: Ohne
eine Professionalisierung von qualifizierten Großfamilien dürfte das
demographische Problem kaum lösbar sein. | | Die
zunehmende Individualisierung und die damit einhergehende Pluralisierung der Lebensformen
werden für eine weitere Destabilisierung der Familienformen sorgen. Dabei
wird sich eine Struktur aus einem erziehungsberechtigten Erwachsenen und den dazugehörigen
Kindern als einzig dauerhaft verläßliche Form herauskristallisieren.
Solche Strukturen werden temporäre und häufig wenig dauerhafte Bindungen
mit anderen und insbesondere ähnlichen Strukturen eingehen. Familienpolitische
Maßnahmen sollten sich deshalb verstärkt an den Anforderungen solcher
Basisstrukturen ausrichten. Konkret heißt dies zum Beispiel: Bei der Verbesserung
der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die Meßlatte nicht die Kernfamilie
mit Vater, Mutter und Kindern, sondern die/der Alleinerziehende mit Kindern. | | Maßnahmen,
die darauf angelegt sind, aus Singles Eltern zu machen, dürften kaum von
Erfolg gekrönt sein. | Die guten Nachrichten sind
also: | Das
deutsche demographische Problem ist lösbar. | | Es
besteht kein demographischer Wandel, ondern ein Wandel in den Reproduktionsanforderungen.
Auf diesen muß nur angemeseen reagiert werden. | Die
schlechten Nachrichten sind: |
Der Staat wird seinen
Fokus völlig verschieben müssen. Nicht mehr die Belange
von Wirtschaft und Arbeitnehmern können im Rahmen von Globalisierung
und Industrialisierung allein im Vordergrund stehen, sondern Themen
wie gesellschaftliche Reproduktion, Nachwuchsförderung, Nachhaltigkeit
und Generationengerechtigkeit. |
| Erfolgt
dies nicht rechtzeitig, droht der demographische, wirtschaftliche und kulturelle
Abstieg. | | Ob
»rechtzeitiges« Handeln noch möglich ist, ist nicht gewiß.
(Ebd., S. 188-192). |
Anhang
Die Produktion von UngerechtigkeitDie
Europäische Union definiert Menschen als arm, wenn sie über weniger
als der halbe Durchschnittseinkommen der Gesamtbevölkerung verfügen.
Die Autoren Kämpke, Pestel und Radermacher haben auf dieser Basis eine mathematische
Theorie der Gerechtigkeit entworfen, mit der unterschiedliche Grade gesellschaftlicher
Ungerechtigkeit erfaßt und dargestellt werden können. (Vgl. Franz Josef
Radermacher, Balance oder Zerstörung - Ökosoziale Marktwirtschaft
als Schlüssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklung, 2002, S.
78ff.). Ausgangspunkt dabei ist ein sogenannter Equity-Faktor, der schließlich
in einer Lorenz-Funktion Eingang findet. (Ebd., S. 193).Betrachten
wir in Anlehnung daran einmal das folgende Beispiel: Eine Bevölkerung aus
insgesamt 100100 Personen sei in 1001 Gruppen mit jeweils 100 Personen gegliedert.
Die Gruppen seien mit den Ziffern 0 bis 1000 gekennzeichnet. Nehmen wir nun an,
die Mitglieder der Gruppe 0 hätten ein monatliches Einkommen von 0 Euro,
die Mitglieder der Gruppe 1 von 1 Euro, bis schließlich zur Gruppe 1000,
in der jedes Mitglied monatlich 1000 Euro verdient. Insgesamt ergibt dies ein
monatliches Gesamteinkommen von 50050000 Euro, woraus sich ein monatliches Durchschnittseinkommen
von 500 Euro errechnet. Gemäß der Definition der Europäischen
Union würden alle Personen mit einem Einkommen niedriger als 250 Euro als
arm gelten. In unserem Beispiel wären dies 25000 Personen, das heißt
fast 25 Prozent der Bevölkerung. Nehmen wir nun zusätzlich an, die obige
Bevölkerung verhielte sich gemäß dem demographisch-ökonomischen
Paradoxon, das heißt, die ärmeren Bevölkerungsgruppen würden
mehr, die reicheren weniger Kinder in die Welt setzen. Einfachheitshalber sei
angenommen, die einzelnen Bevölkerungsgruppen G reproduzierten sich von einer
Generation zur nächsten gemäß der Formel:Mit anderen Worten: Die Gruppe 0 (die Ärmsten)
vervielfältigt sich mit dem Faktor 1,5 (besteht also in der nächsten
Generation nicht mehr aus 100, sondern aus 150 Personen), während die Gruppe
1000 (die Reichsten) nur einen Erneuerungsfaktor von 0,5 besitzt (und ist dann
nur noch 50 Personen stark). Insgesamt würde dabei die Bevölkerungszahl
unverändert bleiben: Auch die nächste Generation hätte insgesamt
100100 Mitglieder. Allerdings würde nun das monatliche Gesamteinkommen der
Bevölkerung auf 41691650 Euro schrumpfen. Nimmt man dagegen einen Produktivitätsfaktor
durch technische Erneuerungen und andere Errungenschaften von 2,0 an, dann ergibt
sich ein monatliches Gesamteinkommen der Bevölkerung von 83383300 Euro. Auf
Basis dieser Daten würde das monatliche Durchschnittseinkommen der Bevölkerung
auf 833 Euro steigen. Als arm würden nun alle Menschen gelten, die weniger
als 416,50 Euro im Monat verdienen. Dies wären 29176 Personen bzw. fast 30
Prozent der Bevölkerung. Oder anders ausgedrückt: Relative Armut breitet
sich aus, und die Gesellschaft wird zunehmend ungerechter. (Ebd., S. 193-194).Ähnliche
Überlegungen ließen sich mit zahlreichen anderen Kennzahlen, zum Beispiel
dem Intelligenzquotienten, anstellen. (Ebd., S. 194).Natürlich
wird die Realität nicht ganz so einfach sein, schließlich können
Menschen aus einer Schicht in eine andere wechseln (allerdings in beide Richtungen).
Empirische Untersuchungen zeigen aber, daß dies keineswegs sehr häufig
der Fall ist, auch aufgrund der in zahlreichen Ländern schon feststellbaren
zunehmenden Gettoisierung der Armut. Es wäre wünschenswert, wenn hierzu
einmal eine stringentere mathematische Theorie entwickelt würde, die die
langfristigen Wirkungen vermittelbarer simulieren kann. Denn bislang konzentrieren
sich viele demographische Arbeiten fast ausschließlich auf das Problem der
Kinderlosigkeit (Quantitätsproblem). Wie das obige Beispiel aber zeigt: Das
Qualitätsproblem des Nachwuchses ist mindestens genauso gravierend, die langfristigen
Wirkungen können nur noch als fatal bezeichnet werden. Denn schließlich
eliminieren sich ja durch solche Entwicklungen auch alle bisherigen Errungenschaften
des Wohlstandsstaates, oder mit den Worten von Meinhard Miegel
und Stefanie Wahl: »Die Kultur des Westens zerstört sich selbst«
(Meinhard Miegel
/ Stefanie Wahl., Das Ende des Individualismus - Die Kultur des Westens zerstört
sich selbst, 1993 [**]).
(Ebd., S. 194). |