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Wochenschau Tagesschau
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SpenglerSpengler-ZitateSpengler
„PREUSSENTUM UND SOZIALISMUS“, 1919
(auch in: „Politische Schriften“, 1919-1926)
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„Einleitung“ (S. 3-5)
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„Die Revolution“ (S. 5-22)
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„Sozialismus als Lebensform“ (S. 22-26)
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„Engländer und Preußen“ (S. 26-71)
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„Marx“ (S. 71-86)
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„Die Internationale“ (S. 87-105)
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NACH OBEN „Einleitung“ (S. 3-5):

„Diese kleine Schrift ist aus Aufzeichnungen hervorgegangen, die für den »Untergang des Abendlandes« (Spengler), namentlich den zweiten Band bestimmt (Spengler), die teilweise sogar der Kern waren, aus dem diese ganze Philosophie sich entwickelt hat. (Vgl. Der Untergang des Abendlandes, S. 65 ff. [Oswald A. G. Spengler, „Der Untergang ds Abendlandes“, 1918-1922].)“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 3Spengler).

„Ist Sozialismus ein Instinkt oder ein System?  Das Endziel der Menschheit oder ein Zustand von heute und morgen?  Oder ist er nur die Forderung einer einzelnen Klasse?  Ist er mit dem Marxismus identisch? “ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 3Spengler).

„Der Fehler aller Wollenden ist, daß sie das, was sein sollte, mit dem verwechseln, was sein wird.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 3Spengler).

„Und nur das Blut entscheidet über die Zukunft.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 3Spengler).

„Wenn aber der Sozialismus nicht Marxismus ist - was ist er dann? Hier steht die Antwort. Heute schon ahnt man sie, aber den Kopf voller Pläne, Standpunkte, Ziele wagt man nicht, sie zu wissen. Man flüchtet vor Entscheidungen von der ehemaligen energischen Haltung zu mittleren, veralteten, milderen Auffassungen, selbst zu Rousseau, zu Adam Smith, zu irgend etwas. Schon ist jeder Schritt gegen Marx gerichtet, aber bei jedem ruft man ihn an. Indessen ist die Zeit der Programmpolitik vorbei. Wir späten Menschen des Abendlandes sind Skeptiker geworden. Ideologische Systeme werden uns nicht mehr den Kopf verwirren. Programme gehören in das vorige Jahrhundert. Wir wollen keine Sätze mehr, wir wollen uns selbst.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 4Spengler).

„Und damit ist die Aufgabe gestellt: es gilt, den deutschen Sozialismus von Marx zu befreien. Den deutschen, denn es gibt keinen andern. Auch das gehört zu den Einsichten, die nicht länger verborgen bleiben. Wir Deutsche sind Sozialisten, auch wenn niemals davon geredet worden wäre. Die andern können es gar nicht sein.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 4Spengler).

„Ich zeichne hier nicht eine jener »Versöhnungen«, kein Zurück oder Beiseite, sondern ein Schicksal. Man entgeht ihm nicht, wenn man die Augen schließt, es verleugnet, bekämpft, vor ihm flüchtet. Das sind nur andere Arten es zu erfüllen. Ducunt fata volentem, nolentem trahunt (Spengler). Altpreußischer Geist und sozialistische Gesinnung, die sich heute mit dem Hasse von Brüdern hassen, sind ein und dasselbe. Das lehrt nicht die Literatur, sondern die unerbittliche Wirklichkeit der Geschichte, in der das Blut, die durch nie ausgesprochne Ideen gezüchtete Rasse, der zur einheitlichen Haltung von Leib und Seele gewordne Gedanke über bloße Ideale, über Sätze und Schlüsse hinwegschreitet.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 4Spengler).

„Ich zähle damit auf den Teil unserer Jugend, der tief genug ist, um hinter dem gemeinen Tun, dem platten Reden, dem wertlosen Plänemachen das Starke und Unbesiegte zu fühlen, das seinen Weg vorwärts geht, trotz allem; die Jugend, in welcher der Geist der Väter sich zu lebendigen Formen gesammelt hat, die sie fähig machen, auch in Armut und Entsagung, römisch im Stolz des Dienens, in der Demut des Befehlens, nicht Rechte von andern, sondern Pflichten von sich selbst fordernd, alle ohne Ausnahme, ohne Unterschied, ein Schicksal zu erfüllen, das sie in sich fühlen, das sie sind. Ein wortloses Bewußtsein, das den einzelnen in ein Ganzes fügt, unser Heiligstes und Tiefstes, ein Erbe harter Jahrhunderte, das uns vor allen andern Völkern auszeichnet, uns, das jüngste und letzte unsrer Kultur.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 4-5Spengler).

„An diese Jugend wende ich mich. Möge sie verstehen, was damit ihrer Zukunft auferlegt wird; möge sie stolz darauf sein, daß man es darf.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 5Spengler).

NACH OBEN „Die Revolution“ (S. 5-22):

„Die Geschichte kennt kein Volk, dessen Weg tragischer gestaltet wäre. In den großen Krisen kämpften alle andern um Sieg oder Verlust; wir haben immer um Sieg oder Vernichtung gekämpft; von Kolin und Hochkirch über Jena und die Freiheitskriege, wo noch auf französischem Boden versucht wurde, durch eine Aufteilung Preußens die Verständigung zwischen dessen Verbündeten und Napoleon zu erreichen, über jene verzweifelte Stunde von Nikolsburg, in der Bismarck an Selbstmord dachte, und Sedan, das die Kriegserklärung Italiens und damit eine allgemeine Offensive der Grenzmächte eben noch abwandte, bis zu dem Gewitter furchtbarer Kriege über den ganzen Planeten hin, dessen erste Schläge eben verhallt sind. Nur der Staat Friedrichs des Großen und Bismarcks durfte es wagen, an Widerstand überhaupt zu denken.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 5Spengler).

„In all diesen Katastrophen haben Deutsche gegen Deustsche gestanden. Es gehört nur der Oberfläche der Geschichte an, daß es oft Stamm gegen Stamm oder Fürst gegen Fürst war; in der Tiefe ruhte jener Zwiespalt, den jede deutsche Seele birgt und der schon in gotischer Zeit, in den Gestalten Barbarossas und Heinrich des Löwen zur Zeit von Legnano groß und düster hervortrat. Wer hat das verstanden?  Und wer durchschaut jene Wiederkehr des Herzogs Widukind in Luther?  Welcher dunkle Drang ließ all jene Deutschen für Napoleon kämpfen und fühlen, als er mit französischem Blute die englische Idee überd en Kontinent trug?  Was verbindet in der tiefsten Tiefe das Rätsel von Legnano (29.05.1176) mit dem von Leipzig (16.-19.10.1813)?  Weshalb empfand Napoleon die Vernichtung der kleinen friderizianiscehn Welt als seine ernsteste aufgabe - und im Grunde seines Geistes als eine unlösbare?“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 5-6Spengler).

„ Der Weltkrieg ist, am Abend der westlichen Kultur, die große Auseinandersetzung zwischen den beiden germanischen Ideen, Ideen, die wie alle echten nicht gesprochen, sondern gelebt werden. Er trug seit seinem wirklichen Ausbruch, dem Vorpostengefecht auf dem Balkan 1912, zunächst die äußere Form des Kampfes zweier Großmächte, von denen die eine beinahe niemand, die andre alle auf ihrer Seite hatte. Er endete zunächst im Stadium der Schützengräben und verrotteten Millionenheere. Aber schon in diesem wurde eine neue Formel des ungemilderten Gegensatzes gefunden, die augenblicklich mit den Schlagworten Sozialismus und Kapitalismus in einem sehr flachen Sinne und mit der vom vorigen Jahrhundert ererbten Überschätzung rein wirtschaftlicher Einzelheiten bezeichnet wird. Hinter ihnen tritt die letzte große Seelenfrage des faustischen Menschen zutage.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 6Spengler).

„In diesem Augenblick tauchte, den Deutschen selbst nicht bewußt, das napoleonische Rätsel wieder auf. Gegen dieses Meisterstück von Staat, unsre echteste und eigenste Schöpfung, so eigen, daß kein anderes Volk es zu verstehen und nachzuahmen vermochte, daß man haßte wie alles Dämonisch-Unergründliche, rannte das englische Heer Deutschland an.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 6Spengler).

„Denn das gibt es. Was hier zum tödlichen Streich ausholte, war nicht notwendig ein Verrat aus weltbürgerlichen Hange oder schlimmen Gründen; es war ein beinahe metaphysisches Wollen, zäh und selbstlos, oft einfältig genug, oft begeistert und ehrlich patriotisch, aber in seinem bloßen Dasein eine stets bereite Waffe für jeden äußeren Feind von der praktischen Tiefe des Engländers; ein verhängnisvoller Inbegriff von politischen Wünschen, Gedanken, Formen, die in Wirklichkeit nur ein Engländer ausfüllen, meistern, nutzen kann, für Deutsche trotz aller schweren Leidenschaft und ernsten Opferwilligkeit nur ein Anlaß dilettantischer Betätigung, in seiner staatsfeindlichen Wirkung vernichtend, vergiftend, selbstmörderisch. Es war die unsichtbare englische Armee, die Napoleon seit Jena auf deutschem Boden zurückgelassen hatte.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 6-7Spengler).

„Das, der bis zur Wucht eines Schicksals herausgebildete Mangel an Tatsachensinn ist es, was von der Höhe der Stauferzeit an, wo diese prachtvollen Menschen sich über die Forderung des Tages erhaben fühlten, bis herab zur provinzialen Biedermännerei des 19. Jahrhunderts, die man auf den Namen des deutschen Michel getauft hat, jenem andern Instinkt entgegenarbeitete und ihm eine Entfaltung aufzwang, die seine äußere Geschichte zu einer dichten Folge verzweifelter Katastrophen gestaltet hat. Das Micheltum ist die Summe unserer Unfähigkeiten, das grundsätzliche Mißvergnügen an überlegnen Wirklichkeiten, die Dienst und Achtung fordern, Kritik zur unrechten Zeit, Ruhebedürfnis zur unrechten Zeit, Jagd nach Idealen statt rascher Taten, rasche Taten statt vorsichtigen Abwägens, das »Volk« als Haufe von Nörglern, die Volksvertretung als Biertisch höherer Ordnung. Alles das ist englisches Wesen, aber in deutscher Karikatur. Und vor allem das Stückchen privater Freiheit und verbriefter Unabhängigkeit, das man genau dann aus der Tasche zieht, wenn John Bull es mit sicherm Instinkt beiseitelegen würde.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 7Spengler).

Der 19. Juli 1917 ist der erste Akt der deutschen Revolution. Das war kein bloßer Wechsel der Führung, sondern, wie die brutale Form namentlich dem Gegner verriet, der Staatsstreich des englischen Elements, das seine Gelegenheit wahrnahm. Es war die Auflehnung nicht gegen die Macht eines Unfähigen, sondern gegen die Macht überhaupt. Unfähigkeit der Staatsleitung ?  Hatten diese Gruppen, in denen nicht ein Staatsmann saß, nur den Splitter im Auge der Verantwortlichen gesehen?  Hatten sie statt der Fähigkeiten, die sie nicht bieten konnten, in dieser Stunde etwas andres einzusetzen als ein Prinzip?  Es war kein Aufstand des Volkes, das zusah, ängstlich, zweifelnd, obwohl nicht ohne jene michelhafte Sympathie mit allem, was gegen die da oben ging, es war eine Revolution in den Fraktionszimmern. Mehrheitspartei ist bei uns ein Name für einen Verein von zweihundert Mitgliedern, nicht für den größeren Teil des Volkes. Erzberger als der taktisch begabteste Demagog unter ihnen, groß in Hinterhalten, Überfällen, Skandalen, ein Virtuose im Kinderspiel des Ministerstürzens, ohne die geringste staatsmännische Begabung englischer Parlamentarier, deren Kniffe er nur beherrschte, zog den Schwarm der Namenlosen nach sich, die auf eine öffentliche Rolle, gleichviel welche, erpicht waren. Es waren die Epigonen der Biedermeierrevolution von 1848, die Opposition als Weltanschauung betrachteten, und die Epigonen der Sozialdemokratie, denen die eiserne Hand Bebels fehlte, der mit seinem starken Wirklichkeitssinn dies schamlose Schauspiel nicht geduldet, der eine Diktatur, von rechts oder links, gefordert und erreicht hätte. Er hätte dies Parlament zum Teufel gejagt und die Pazifisten und Völkerbundsschwärmer erschießen lassen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 7-8Spengler).

„Dem Handstreich der englischen Staatsgegner folgte mit Notwendigkeit im November 1918 der Aufstand des marxistischen Proletariats. Der Schauplatz wurde aus dem Sitzungssaal auf die Straße verlegt. Gedeckt durch die Meuterei der »Heimatarmee« brachen die Leser der radikalen Presse los, von den klügeren Führern verlassen, die nur noch halb von ihrer Sache überzeugt waren. Auf die Revolution der Dummheit folgte die der Gemeinheit. Es war wieder nicht das Volk, nicht einmal die sozialistisch geschulte Masse; es war das Pack mit dem Literatengeschmeiß an der Spitze, das in Aktion trat. Der echte Sozialismus stand im letzten Ringen an der Front oder lag in den Massengräbern von halb Europa, der, welcher im August 1914 aufgestanden war und den man hier verriet. Es war die sinnloseste Tat der deutschen Geschichte. Es wird schwer sein, in der Geschichte andrer Völker Ähnliches zu finden. .... Wie flach, wie flau, wie wenig überzeugt war das alles! Wo man Helden erwartete, fand man befreite Sträflinge, Literaten, Deserteure, die brüllend und stehlend, von ihrer Wichtigkeit und dem Mangel an Gefahr trunken, umherzogen, absetzten, regierten, prügelten, dichteten. .... Die unbeschreibliche Häßlichkeit der Novembertage ist ohne Beispiel. kein mächtiger Augenblick, nichts Begeisterndes; kein großer Mann, kein bleibendes Wirt, kein küner Frevel, nur Kleinliches, Ekel, Albernheiten. .... Keine Not, keine Presse, keine Partei kann einen ordnungswidrigen Sturm mit der Gewalt von 1813, 1870, 1914 hervorrufen. Von ein paar Narren und Strebern abgesehen, wirkte die Revolution auf jeden wie ein einstürzendes Haus, am tiefsten vielleicht auf die Sozialistenführer selbst. Es ist ohne Beispiel: sie hatten plötzlich, was sie seit 40 Jahren erstrebten, die volle Gewalt, und empfanden sie als Unglück. Dieselben Soldaten, die unter der schwarz-weiß-roten Fahne vier Jahre lang als Helden gefochten hatten, haben unter der roten nichts gewollt, nichts gewagt, nichts geleistet. Diese Revolution hat ihren Anhängern den echten Mut nicht gegeben, sondern genommen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 9-11Spengler).

„Antike Revolutionen stellen lediglich den Versuch dar, eine Lebenslage zu erreichen, in der ein in sich ruhendes Dasein überhaupt möglich und erträglich ist. Trotz der Leidenschaftlichkeit des äußeren Bildes sind sie sämtlich defensiver Natur. Von Kleon bis herab zu Spartacus hat niemand daran gedacht, über die eigne Not des Augenblicks hinaus sich für eine allgemeine Neuordnung der antiken Daseinsbedingungen einzusetzen. Die drei großen Revolutionen des Abendlandes aber entrollen eine Machtfrage: Ist der Wille des einzelnen dem Gesamtwillen zu unterwerfen oder umgekehrt? Und man ist entschlossen, die eigne Entscheidung der ganzen Welt aufzuzwingen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 14-15Spengler).

„Der englische Instinkt entschied: die Macht gehört dem einzelnen. Freier Kampf des einen gegen den andern; Triumph des Stärkeren: Liberalismus, Ungleichheit. Kein Staat mehr. Wenn jeder für sich kämpft, kommt es in letzter Linie allen zugute.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 15Spengler).

„Der französische Instinkt: die Macht gehört niemand. Keine Unterordnung, also keine Ordnung. Kein Staat, sondern nichts: Gleichheit aller, idealer Anarchismus, in der Praxis immer wieder (1799, 1851, 1871, 1918) durch den Despotismus von Generalen oder Präsidenten lebensfähig erhalten.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 15Spengler).

„Beides heißt Demokratie, aber in sehr verschiedener Bedeutung. .... Die englische Revolution, die den Typus des unabhängigen, nur sich selbst verantwortlichen Privatmannes hervorbrachte, bezog sich überhaupt nicht auf Stände, sondern auf den Staat. Der Staat wurde, weltlich wie geistlich, abgeschafft und durch den Vorzug der Insellage ersetzt. Die Stände bestehen noch heute, allgemein geachtet, instinktiv auch Von der Arbeiterschaft anerkannt. Die französische Revolution allein ist ein »Klassenkampf«, aber von Rang-, nicht von Wirtschaftsklassen. Die wenig zahlreichen Privilegierten werden der gleichförmigen Volksmasse, der Bourgeoisie, einverleibt.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 15Spengler).

Die deutsche Revolution aber ist aus einer Theorie hervorgegangen. Der deutsche, genauer preußische Instinkt war: die Macht gehört dem Ganzen. Der einzelne dient ihm. Das Ganze ist souverän. Der König ist nur der erste Diener seines Staates (Friedrich der Große). Jeder erhält seinen Platz. Es wird befohlen und gehorcht. Dies ist, seit dem 18. Jahrhundert, autoritativer Sozialismus, dem Wesen nach illiberal und antidemokratisch, soweit es sich um englischen Liberalismus und französische Demokratie handelt. Es ist aber auch klar, daß der preußische Instinkt antirevolutionär ist. Den Organismus aus dem Geiste des 18. Jahrhunderts in den des 20. zu überführen – was man in einem ganz andern, spezifisch preußischen Sinne liberal und demokratisch nennen kann – war eine Aufgabe für Organisatoren. Die radikale Theorie aber machte aus einem Teil des Volkes einen vierten Stand zurecht – sinnlos in einem Lande der Bauern und Beamten. Sie gab dem überwiegenden, in zahllose Berufsstände gegliederten Teil den Namen »dritter Stand« und bezeichnete ihn damit als Objekt eines Klassenkampfes. Sie machte den sozialistischen Gedanken endlich zum Privilegium des vierten Standes. Im Banne dieser Konstruktionen zog man denn im November aus, um das zu erreichen, was im Grunde längst da war. Und da man es im Nebel der Schlagworte nicht erkannte, zerschlug man es. Nicht nur der Staat, auch die Partei Bebels, das Meisterwerk eines echt sozialistischen Tatsachenmenschen, durch und durch militärisch und autoritativ und eben damit die unvergleichliche Waffe der Arbeiterschaft, wenn sie dem Staat den Geist des neuen Jahrhunderts einimpfen wollte, ging in Trümmer. Das macht diese Revolution so verzweifelt lächerlich: sie brach auf, um ihr eignes Haus anzuzünden. Was 1914 das deutsche Volk sich selbst versprochen, was es bereits langsam, ohne Pathos zu verwirklichen begonnen hatte, wofür zwei Millionen Männer gefallen waren, wurde verleugnet und vernichtet. Und dann stand man ratlos, ohne zu wissen, was nun veranstaltet werden sollte, um sich selbst das Vorhandensein einer fortschreitenden Revolution zu beweisen. Es war sehr nötig, denn der Arbeiter, der etwas ganz andres erwartet hatte, schaute mißtrauisch auf, aber mit dem täglichen Ausrufen der Schlagworte in die leere Luft hinein war es nicht getan.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 15Spengler).

„Diese Episode ist der tiefsten Verachtung der Zukunft gewiß. 1919 ist der Tiefpunkt deutscher Würde. In der Paulskirche saßen ehrliche Narren und Doktrinäre, weltfremd bis zum Komischen, Jean-Paul-Naturen; hier aber fühlte man verschmitzte Interessen dahinter. Es macht keinen Unterschied, ob es sich um Düpierte oder Einverstandene handelt. Diese Parteien verwechselten das Vaterland allzuoft mit dem Vorteil. Wir erleben eine Direktorialzeit vor dem Thermidor. Wehe, wenn wir das übersprungene Stück nachholen müssen! Daß dies verlogene Schauspiel einer nicht geglückten und nicht beendeten Revolution ein Ende nimmt, ist sicher. Draußen bereitet sich ein neuer Akt des Weltkrieges vor. Man lebt heute schnell. Während die Nationalversammlung, ein verschlechterter Reichstag, aus den Trümmern des zerstörten Staates eine Hütte zusammenflickt, in der Schiebertum und Wucher mit Löhnen, mit Waren, mit Ämtern bald die einzige Beschäftigung sein werden, beginnen andre über das letzte Jahr anders zu denken. Sie vergleichen, was da gebaut wird, mit dem, was einmal da war. Sie ahnen, daß ein Volk in Wirklichkeit niemals zwischen verschiedenen Staatsformen zu wählen hat. Wählen läßt sich nur die Verkleidung, nicht der Geist, das Wesentliche, obwohl die öffentliche Meinung beständig beide verwechselt. Was man in eine Verfassung hineinschreibt, ist immer unwesentlich. Was der Gesamtinstinkt allmählich daraus macht, darauf kommt es an. Das englische Parlament regiert nach ungeschriebenen, aus einer alten Praxis entwickelten und oft sehr wenig demokratischen Gesetzen und eben deshalb mit so großem Erfolg.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 18Spengler).

„Aber man täusche sich nicht: die Revolution ist nicht zu Ende. Ob sinnlos oder nicht, ob gescheitert oder verheißungsvoll begonnen, ob der Auftakt einer Weltrevolution oder eine bloße Auflehnung des Mob in einem einzelnen Lande, es ist eine Krise im Gange, die wie alles Organische, wie eine Krankheit, einen mehr oder weniger typischen Verlauf nimmt, der sinnwidrige Eingriffe nicht duldet. Ethische Worte, wie gerechte Sache oder Verrat, sind der Tatsache selbst gegenüber wertlos. Man muß, als Revolutionär wie als Gegenrevolutionär, Menschenkenner sein, eiskalt und überlegen alle Faktoren des Augenblicks berechnen, das psychologische Feingefühl der alten Diplomatie statt auf Diplomaten- und Fürstenseelen auf die viel schwerer zu durchschauende, auf einen Taktfehler viel gereizter antwortende Massenseele anwenden.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 18-19Spengler).

„Die Versailler Beschlüsse lassen den Kriegszustand fortdauern ....“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 20Spengler).

„Und endlich beachte man den rasch nahenden, jede Revolution innerlich abschließenden Zeitpunkt, wo das eigentliche Volk Ruhe und Ordnung um jeden Preis haben will und auch durch den stärksten Druck der revolutionären Minderheit nicht mehr zu bewegen ist, zu prinzipiellen Fragen Stellung zu nehmen. Diesen Zeitpunkt hinauszuschieben oder aufzuheben steht in niemandes Macht. Man vergleiche die in sozialistischen Schriften gern unterschlagenen Ziffern der Wählerbeteiligung bei den Jakobinerabstimmungen mit denen bei Einsetzung des Konsuls Bonaparte und man begreift:[20] selbst das französische Volk hatte den revolutionären Zustand endlich satt. Die Geduld des deutschen Volkes wird schneller zu Ende sein.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 20-21Spengler).

„Aber andrerseits: nicht nur die grundsätzlichen Anhänger, auch die grundsätzlichen Gegner jedes Umsturzes sind in Gefahr, sich zu irren. Eine tiefe, aber unbestimmte Enttäuschung ist von dem Entschluß der Verzichtleistung weit entfernt. Das Gefühl einer gescheiterten Erhebung, wie es heute in weiten Schichten besteht, ist wie eine offene Wunde, die keine Berührung ertragt. Was keine Anstrengung der Radikalen mehr vermag, würde der geringste Versuch der Gegengruppe, die Revolution gewaltsam zu beenden, sofort herbeiführen: eine wilde Erbitterung von ansteckender Kraft, die von entschlossenen Führern zu weittragenden Handlungen ausgenutzt werden kann. Der Gang der Ereignisse würde sich damit nicht dem Sinne und der Dauer, aber der Form und Starke nach entscheidend andern. Er konnte sehr blutig werden. Wir befinden uns heute in der Mitte der Bewegung mit jener unergründlichen Haltung der Massenseele, die auch in den andern großen Revolutionen den klügsten Kennern jähe Überraschungen bereitet hat. Verbirgt die gespannte Ruhe einen ungeschwächten Willen oder verrät der gereizte Lärm die Ahnung des endgültigen Mißerfolgs? Ist es für eine Aktion der Anhänger zu spät? Für eine Aktion der Gegner zu früh? Man weiß, daß Dinge, die zu einer gewissen Zeit nicht einmal berührt werden dürfen, zwei Jahre darauf von selbst fallen. Das galt 1918, das wird im umgekehrten Sinne aber auch in naher Zukunft gelten. Die Höflinge von gestern sind die Königsmörder von heute und die Königsmörder von heute die Herzöge von morgen. Niemand kann in solchen Zeiten für die Dauer seiner Überzeugung einstehen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 21Spengler).

„Aber mit welchen Zeiträumen ist hier zu rechnen? Sind es Monate oder Jahre? Der Kreislauf der deutschen Revolution steht, nachdem und wie sie einmal in Erscheinung getreten ist, in Hinsicht auf Tempo und Dauer fest. Mag niemand sie kennen, diese Faktoren sind trotzdem vorhanden in ihrer schicksalhaften Bestimmtheit. Wer sich in ihnen vergreift, ] geht zugrunde. Die Girondisten sind so zugrunde gegangen, weil sie den Gipfel der Revolution hinter sich, aber auch Babeuf, weil er ihn vor sich glaubte. Auch das Eingreifen neuer Kriege, auch das Erscheinen einer großen Persönlichkeit würde nichts ändern. Sie würden die welthistorische Erscheinung plötzlich und vollkommen umwandeln können – was für gewöhnliche Betrachter ja allerdings alles bedeutet –, den tiefern Sinn der deutschen Revolution würden sie in seiner Wesenheit nur bestätigen. Ein großer Mann ist derjenige, der den Geist seiner Zeit begreift, in dem dieser Geist lebendige Gestalt geworden ist. Er kommt, nicht um ihn aufzulösen, sondern zu erfüllen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 21-22Spengler).

„Woher dieser Geist des deutschen Sozialismus stammt, soll nun entwickelt werden.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 22Spengler).

NACH OBEN „Sozialismus als Lebensform“ (S. 22-26):

„Sechstausend Jahre höherer Menschengeschichte liegen vor uns. Aus der Masse, die sich über den ganzen Planeten verbreitet hat, sondert sich, Geschichte im tieferen Sinne, das Schauspiel und Schicksal der großen Kulturen ab. (8 Kulturen). Sie liegen vor dem Auge des Betrachters als Formenwelten von gleichartigem Bau, mächtiges Seelentum, das sichtbare Gestalt gewinnt, innerstes Geheimnis, das sich in lebendig fortschreitender Wirklichkeit ausdrückt. Ein unveränderliches Ethos wirkt in ihnen. Es prägt nicht nur je eine ganz bestimmte Art von Glauben, Denken, Fühlen, Tun, von Staat, Kunst und Lebensordnung, sondern auch einen antiken, indischen, chinesischen, abendländischen Typus »Mensch« von vollkommen eigener Haltung des Leibes und der Seele, einheitlich in Instinkt und Bewußtsein, Rasse in geistigem Sinne, aus.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 22Spengler).

„Jedes dieser Gebilde ist in sich selbst vollendet und unabhängig. Historische Einwirkungen, über deren dichtem Gewebe die landläufige Geschichtsschreibung alles andre vergißt, haften am Äußerlichsten; innerlich bleiben Kulturen, was sie sind. So blühen sie am Nil und Euphrat, Ganges, Hoangho und Ägäischen Meer, in der semitischen Wüste und der nordischen stromreichen Ebene auf, die Menschen ihrer Landschaft zu Völkern heranzüchtend, die nicht Schöpfer, sondern Schöpfungen dieser Kulturen sind, untereinander an Geist und Sinn verschieden und sich leidenschaftlich widerstrebend: Dorer und Jonier, Hellenen und Etrusko-Römer – die Völker der altchinesischen Welt – Germanen und Romanen, Deutsche und Engländer; nach außen aber und einer fremden Kultur gegenüber sofort als Einheit wirkend: der antike, der chinesische, der abendländische Mensch.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 22-23Spengler).

„Eine Idee ruht in der Tiefe jeder Kultur, die sich in bedeutungsschweren Urworten ankündet: das Tao und Li der Chinesen, der Logos und das »Seiende« (to on) der apollinischen Griechen, Wille, Kraft, Raum in den Sprachen des faustischen Menschen, der sich vor allen andern durch seinen unersättlichen Willen nach Unendlichkeit auszeichnet, der mit dem Fernrohr die Dimensionen des Weltraums, mit Schienen und Drähten die der Erdoberfläche besiegt, mit seinen Maschinen die Natur, mit seinem historischen Denken die Vergangenheit, die er seinem eignen Dasein als »Weltgeschichte« einordnet, mit seinen Fernwaffen den ganzen Planeten samt den Resten aller älteren Kulturen unterwirft, denen er heute seine eignen Daseinsformen aufzwingt – wie lange?“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 23Spengler).

„Denn zuletzt, nach einer abgemessenen Reihe von Jahrhunderten, verwandelt sich jede Kultur in Zivilisation. Was lebendig war, wird starr und kalt. Innere Weiten, Seelenräume werden ersetzt durch Ausdehnung im körperhaft Wirklichen, das Leben im Sinne des Meisters Eckart wird zum Leben im Sinne der Nationalökonomie, Gewalt der Ideen wird Imperialismus. Letzte, sehr irdische Ideale breiten sich aus, reife Stimmungen mit der vollen Erfahrung des Alters: von Sokrates, Laotse, Rousseau, Buddha an wendet der Weg sich jedesmal abwärts. Sie sind alle innerlich verwandt, ohne echte Metaphysik, Wortführer praktischer abschließender Weltanschauung und Lebenshaltung, für die wir umfassende Namen wie Buddhismus, Stoizismus, Sozialismus besitzen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 23-24Spengler).

„Und so bezeichnet Sozialismus in diesem späten Sinne, nicht als dunkler Urtrieb, wie er sich im Stil gotischer Dome, im Herrscherwillen großer Kaiser und Päpste, ... in ... Gründung von Reichen auspricht, in denen die Sonne nicht untergeht, sondern als politischer, sozialer, wirtschaftlicher Instinkt realistisch angelegter Völker eine Stufe unserer Zivilisation, nicht mehr unsrer Kultur, die um 1800 zu Ende ging. - Aber in diesem nun ganz nach außen gewandten Instinkt lebt der alte faustische Wille zur Macht, zum Unendlichen weiter in dem furchtbaren Willen zur unbedingten Weltherrschaft im militärischen, wirtschaftlichen, intellektuellen Sinne, in der Tatsache des Weltkrieges und der Idee der Weltrevolution, in der Entschlossenheit, durch die Mittel faustischer Technik und Erfindung das Gewimmel der Menschheit zu einem Ganzen zu schweißen. Und so ist der moderne Imperialismus auf den ganzen Planeten gerichtet. Der babylonische hatte sich auf Vorderasien, der indische auf Indien beschränkt, der antike fand seine Grenzen in Britannien, Mesopotamien und der Sahara, der chinesische am Kaspischen Meer. Wir kennen keine Grenze. Wir haben Amerika durch eine neue Völkerwanderung zu einem Teil Westeuropas gemacht; wir haben alle Erdteile mit Städten unsres Typus besetzt, unsrem Denken, unsren Lebensformen unterworfen. Es ist der höchste überhaupt erreichbare Ausdruck unsres dynamischen Weltgefühls. Was wir glauben, sollen alle glauben. Was wir wollen, sollen alle wollen. Und da Leben für uns äußeres Leben, politisches, soziales, wirtschaftliches Leben geworden ist, sollen alle sich unserm politischen, sozialen, wirtschaftlichen Ideal fügen oder zugrunde gehen. - Dies immer klarer werdende Bewußtsein habe ich modernen Sozialismus genannt. Es ist das Gemeinsame in uns. Es wirkt in jedem Menschen von Warschau bis San Franzisko, es zwingt jedes unsrer Völker in den Bann seiner Gestaltungskraft. - Aber auch nur uns. Antiken, chinesischen, russischen Sozialismus gibt es nicht.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 24-25Spengler).

„Im Innern dieses mächtigen Gesamtbewußtseins aber herrschen Feindschaft und Widerspruch. Denn die Seele jeder einzelnen Kultur leidet an einem einzigen, aber unheilbaren Zwiespalt. Die Geschichte jeder Kultur ist ein nie beendeter Kampf zwischen Völkern, zwischen Klassen, zwischen einzelnen, zwischen den Eigenschaften eines einzelnen – immer um ein und dieselbe schwere Frage. Ein Gegensinn regt sich, sobald eine Schöpfung ans Licht tritt. Seit Nietzsche kennen wir den großen, in immer neuer Gestalt fortwirkenden Gegensatz im antiken Dasein: Apollo und Dionysos, Stoa und Epikur, Sparta und Athen, Senat und Plebs, Tribunat und Patriziat. Bei Cannae stand in Hannibal der epikuräische Hellenismus dem stoisch-senatorischen Rom gegenüber. Bei Philippi erlag dies spartanische Element Roms dem athenischen der Cäsaren. Und noch im Muttermorde Neros triumphierte der dionysische Geist des »panem et circenses« über die apollinische Strenge der römischen Matrone. In der chinesischen Welt knüpfen sich die Gegensätze aller Epochen, in Leben und Denken, Schlachten und Büchern an die Namen Konfuzius und Laotse und die unübersetzbaren Begriffe des Li und Tao. Und ebenso ist es ein und derselbe Zwist in der faustischen Seele, der in Gotik und Renaissance, Potsdam und Versailles, Kant und Rousseau, Sozialismus und Anarchismus unser Schicksal bestimmt und bis in die letzten Zeiten bestimmen wird.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 25Spengler).

„Trotzdem ist dies Schicksal eine Einheit. Der Widerspruch und Gegensatz dient einer höheren Wirklichkeit. Epikur ist eine andere Form der Stoa, Äschylus hat Apollo und Dionysos, Cäsar hat Senat und Plebs zusammengeführt. Der Taoismus des Laotse hat das konfuzianische China mitgeschaffen. Die abendländischen Völker mit anarchischem Instinkt sind sozialistisch im größeren Sinne des Faustisch-Wirklichen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 25Spengler).

NACH OBEN „Engländer und Preußen“ (S. 26-71):

5 Völker des Abendlandes
„Drei Völker des Abendlandes haben den Sozialismus in einem großen Sinne verkörpert: Spanier, Engländer, Preußen (nicht zufällig die »östlichsten« [»jüngsten«, »frischesten«] der Deutschen! HB). Von Florenz und Paris aus formte sich der anarchische Gegensinn in zwei andern: Italienern und Franzosen. Der Kampf beider Weltgefühle ist das Grundgerüst dessen, was wir als neuere Weltgeschichte bezeichnen.“  (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 26Spengler).

„Don Quijote, der spanische Faust! –, die Jesuiten sind die einzige und letzte große Gründung seit jenen Ritterorden, die im Kampf gegen die Ungläubigen entstanden waren.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 27Spengler).

„Der Spanier fühlt eine große Mission in sich, kein »Ich«, sondern ein »Es«. Er ist Soldat oder Priester. Er dient Gott oder dem König. Erst der preußische Stil hat ein Ideal von solcher Strenge und Entsagung wieder ins Dasein gerufen. Im Herzog Alba, dem Mann der großen Pflichterfüllung, hätten wir verwandte Züge finden sollen. Das spanische und preußische Volk allein sind gegen Napoleon aufgestanden. Und hier, im Escorial, ist der moderne Staat geschaffen worden. Die große Interessenpolitik der Dynastien und Nationen, die Kabinettsdiplomatie, der Krieg als planmäßig herbeigeführter und berechneter Schachzug inmitten weitreichender politischer Kombinationen – das alles stammt von Madrid. Bismarck war der letzte Staatsmann spanischen Stils.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 27Spengler).

„Das politische Machtgefühl von Florenz und Paris wird im Grenzhader befriedigt. Leibniz hat Ludwig XIV. vergebens die Eroberung Ägyptens vorgeschlagen, Kolumbus an beiden Orten vergebens angeklopft. Pisa unterwerfen, die Rheingrenze gewinnen, den Nachbar verkleinern, den Feind demütigen – in dieser Bahn läuft seitdem das politische Denken. Der spanische Geist will sich den Planeten erobern, ein Reich, in dem die Sonne nicht untergeht. Kolumbus trat in seinen Dienst; man vergleiche die spanischen Konquistadoren mit den italienischen Kondottieri. Die Spanier waren es, welche die ganze Erdoberfläche zum Objekt westeuropäischer Politik gemacht haben. Italien selbst wurde eine spanische Provinz. Und man verstehe den mächtigen Gegensatz wohl, der den Sturm auf Rom herbeiführte: der Renaissancekirche wurde da ein Ende gemacht. Ihr und den wesensverwandten Reformationskirchen trat der spanisch-gotische Stil entgegen, der bis heute den Vatikan beherrscht: die Idee der Weltherrschaft ist seitdem nicht wieder erloschen. Von diesem Augenblick an steht der italienische und französische Volksgeist der Kirche feindselig gegenüber, nicht insoweit sie die Religion, sondern soweit sie den spanischen Gedanken der Universalherrschaft darstellt. Die gallikanische Kirchenpolitik der französischen Könige, der Revolution, Napoleons, die antiklerikale Haltung des Königreichs Italien sind so zu erklären. Die Kirche aber stützte sich auf Madrid und Wien.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 27-28Spengler).

„Nur spanischer, englischer, preußischer Geist haben der europäischen Zivilisation Universalideen gegeben: Ultramontanismus, Kapitalismus, Sozialismus in einem bedeutsameren Sinne, als er heute mit diesen Worten verbunden ist.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 29Spengler).

„Ich möchte über den Begriff Preußentum nicht mißverstanden werden. Obwohl der Name auf die Landschaft hinweist, in der es eine mächtige Form gefunden und eine große Entwicklung begonnen hat, so gilt doch dies: Preußentum ist ein Lebensgefühl, ein Instinkt, ein Nichtanderskönnen; es ist ein Inbegriff von seelischen, geistigen und deshalb zuletzt doch auch leiblichen Eigenschaften, die längst[29] Merkmale einer Rasse geworden sind, und zwar der besten und bezeichnendsten Exemplare dieser Rasse. Es ist längst nicht jeder Engländer von Geburt ein »Engländer« im Sinne einer Rasse, nicht jeder Preuße ein »Preuße«. In diesem Worte liegt alles, was wir Deutsche nicht an vagen Ideen, Wünschen, Einfällen, sondern an schicksalhaftem Wollen, Müssen, Können besitzen. Es gibt echt preußische Naturen überall in Deutschland – ich denke da an Friedrich List, an Hegel, an manchen großen Ingenieur, Organisator, Erfinder, Gelehrten, vor allem auch an einen Typus des deutschen Arbeiters – und es gibt seit Roßbach und Leuthen unzählige Deutsche, die tief in ihrer Seele ein Stückchen Preußentum besitzen, eine stets bereite Möglichkeit, die sich in großen Augenblicken der Geschichte plötzlich meldet. Aber echt preußische Wirklichkeiten sind bis jetzt nur die Schöpfungen Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs des Großen: der preußische Staat und das preußische Volk. Indessen jede überlegene Wirklichkeit ist fruchtbar. Im heutigen Begriff des Deutschen, im heutigen Typus des Deutschen ist das preußische Element verjährten Ideologien gegenüber bereits stark investiert. Die wertvollsten Deutschen wissen es gar nicht. Es ist mit seiner Summe von Tatsachensinn, Disziplin, Korpsgeist, Energie ein Versprechen der Zukunft, noch immer aber nicht nur im Volke, sondern in jedem einzelnen von jenem Wirrwarr absterbender, der abendländischen Zivilisation gegenüber nichtssagender und gefährlicher, obwohl oft sympathischer Züge bedroht, für die das Wort »Deutscher Michel« längst bezeichnend geworden ist.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 29-30Spengler).

„Die organisierte Besiedlung der slawischen Ostmark erfolgte durch Deutsche aller Stämme. Beherrscht aber wurde sie durch Niedersachsen, und so ist der Kern des preußischen Volkes am nächsten dem englischen verwandt. Es sind dieselben Sachsen, Friesen, Angeln, die ... die keltischen Briten unterwarfen. .... Aber es waren zwei sittliche Imperative gegensätzlicher Art, die sich aus dem Wikingergeist und dem Ordensgeist der Deutschritter langsam entwickelten. Die einen trugen die germanische Idee in sich, die andern fühlten sie über sich: persönliche Unabhängigkeit und überpersönliche Gemeinschaft. Heute nennt man sie Individualismus und Sozialismus.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 31-32 Spengler).

„In England ersetzte die Insel den organisierten Staat. Ein Land ohne Staat war nur unter dieser Bedingung möglich; sie ist die Voraussetzung der modernen englischen Seele, die im 17. Jahrhundert zum Selbstbewußtsein erwachte, als der Engländer auf der britischen Insel unbestritten Herr wurde. In diesem Sinne ist die Landschaft schöpferisch: das englische Volk bildete sich selbst, das preußische wurde im 18. Jahrhundert durch die Hohenzollern herangebildet, die, aus dem Süden stammend, selbst den Geist der märkischen Landschaft empfangen hatten, selbst Diener der Ordensidee des Staates geworden waren.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 33Spengler).

„England setzte an Stelle des Staates den Begriff des freien Privatmannes, der, staatsfremd und ordnungsfeindlich, den rücksichtslosen Kampf ums Dasein verlangt, weil er nur in ihm seine besten, seine alten Wikingerinstinkte zur Geltung bringen kann.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 34Spengler).

„Jeder für sich: das ist englisch; alle für alle (SpenglerSpengler): das ist preußisch. Liberalismus aber heißt: Der Staat für sich, jeder für sich. Das ist eine Formel, nach der sich nicht leben läßt, sofern man nicht in liberaler Weise das eine sagt und das andre zwar nicht will und tut, aber schließlich geschehen läßt.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 35Spengler).

„Man muß Bismarck, den Bruno Bauer schon 1880 als sozialistischen Imperialisten bezeichnet hatte, über diese Gebildeten hören, welche die Welt mit ihrer Lektüre verwechselten.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 36Spengler).

„Abgeschlossen auf seiner Insel, hat der Engländer eine Einheit der äußern und innern Haltung erlangt wie kein anderes Volk Westeuropas: es entstand die vornehme Gesellschaft, ladies and gentlemen, verbunden durch ein starkes Gemeingefühl, ein durchaus gleichartiges Denken, Fühlen, Sichverhalten. .... Es war ein Gemeingefühl des Erfolges, des Glücks, nicht der Aufgabe wie das preußische. Es waren Olympier des Geschäfts, heimgekehrte Wikinger beim Mahle, nicht Ritter im Felde: Reichtum war neben altem Adel die Bedingung der Zugehörigkeit und der Stellung innerhalb dieser Gesellschaft, Kennzeichen, Ziel, Ideal und Tugend.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 36-37 Spengler).

„Dies Gemeingefühl von Jahrhunderten hat in beiden Fällen eine großartige Einheit der Haltung von Körper und Geist, eine Rasse hier von Erfolgreichen und dort von Arbeitenden herausgebildet. Als äußerer und doch nicht nebensächlicher Ausdruck ist die englische Herrentracht entstanden – Zivilkleidung im eigentlichsten Sinne, die Uniform des Privatmannes – die ohne Einwand den Bereich der westeuropäischen Zivilisation beherrscht, in der England der Welt seine Uniform, den Ausdruck der Freihandelslehre, der Ethik des Habens, des cant angelegt hat. Das Gegenstück ist die preußische Uniform, Ausdruck nicht des privaten Daseins, sondern des öffentlichen Dienstes, nicht des Erfolges der Lebenstätigkeit, sondern der Tätigkeit selbst. »Ich bin der erste Diener meines Staates« sagte der preußische König, dessen Vater das Tragen der Uniform unter Fürsten üblich gemacht hat. Hat man wohl verstanden, was alles in der Bezeichnung »des Königs Rock« liegt? Die englische Gesellschaftskleidung ist ein Zwang, strenger noch als der preußische Uniformzwang. Wer zur Gesellschaft gehört, wird dieser Tracht seines Standes gegenüber nie »in Zivil«, das heißt unter Verletzung von Sitte und Mode unvorschriftsmäßig gekleidet gehen. Aus der englischen Tracht des gentleman aber, in der sich nur ein Engländer vollkommen zu bewegen weiß, wird der »Bratenrock« des deutschen Provinzlers und Biedermannes, unter dem das Herz für Freiheit und Menschenwürde unentwegt schlägt; der Bratenrock als Symbol der Ideale von 1848, den die liberal gewordenen Sozialisten heute mit Stolz einhertragen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 38-39Spengler).

„Zur preußischen Art gehört es, daß der Einzelwille im Gesamtwillen aufgeht. Das Offizierkorps, das Beamtentum, die Arbeiterschaft Bebels, endlich »das« Volk von 1813, 1870, 1914 fühlen, wollen, handeln als überpersönliche Einheit. Das ist nicht Herdengefühl; es ist etwas unendlich Starkes und Freies darin, das kein nicht Zugehöriger versteht. Das Preußentum ist exklusiv. Es weist selbst in seiner proletarischen Fassung die Arbeiter andrer Länder samt ihrem egoistischen Scheinsozialismus ab. Bedientenseele, Untertanenverstand, Kastengeist – das sind Worte für etwas, das man nur in seiner Ausartung versteht und dann verachtet. Das echte Preußentum verachtet niemand; man fürchtet es.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 38-39Spengler).

„Nie wird ein Engländer begreifen – die ganze Welt begreift es nicht –, daß mit dem preußischen Stil eine tiefe innere Unabhängigkeit verbunden ist. Ein System sozialer Pflichten verbürgt dem großdenkenden Menschen eine Souveränität der inneren Welt, die mit einem System sozialer Rechte, und das ist das individualistische Ideal, unvereinbar ist. Eine Gemütsverfassung wie die Moltkes ist in England nicht denkbar. Die englische praktische Freiheit bezahlt sich mit der andern: der Engländer ist innerlich Sklave, als Puritaner, als Rationalist und Sensualist, als Materialist. Er ist seit zweihundert Jahren der Schöpfer aller Lehren, die mit der inneren Unabhängigkeit aufräumen, zuletzt des Darwinismus, der den gesamten seelischen Zustand von der Einwirkung materieller Faktoren kausal abhängig macht und der in der ganz besonders platten Fassung Büchners und Haeckels die Weltanschauung des deutschen Spießbürgers geworden ist. Der Engländer gehört auch geistig zur »society«. Seine Zivilkleidung drückt auch eine Uniformierung der Gewissen aus. Es gibt für ihn ein privates Handeln, aber kein privates Denken. Eine gleichförmige, theologisch gefärbte Weltanschauung von geringem Gehalt verteilt sich über alle. Sie gehört zum guten Ton wie Gehrock und Handschuh. Wenn irgendwo, so ist der Ausdruck Herdengefühl hier am Platze.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 39-40Spengler).

„Im 17. Jahrhundert setzen ... die ... Völker des Nordens zur Bildung einer eigenen Religiosität aus den unerschöpflichen Möglichkeiten des Christentums an. Gemeinsam ist ihnen die strenge Tatgesinnung, sehr im Gegensatz zu der müßigen Kultur von Florenz und der unfruchtbaren selbstquälerischen Dialektik Pascals und der französischen Jansenisten. Es entstanden der revolutionäre Independentismus[40] in England und unter seinem Eindruck in Schwaben und Preußen jener Pietismus, dessen stille Wirkung gerade in dem aufsteigenden preußischen Menschen gewaltig war. Nach außen dienend, gehorsam, entsagend, in der Seele von den Einschränkungen des Weltlebens frei, von jener zarten, tiefen Fülle des Gefühls und echten Herzenseinfalt, wie wir sie an der Königin Luise, Wilhelm L, Bismarck, Moltke, Hindenburg, dem Typus des altpreußischen Offiziers überhaupt kennen, so besaß der einzelne eine fast dogmenlose, vor andern schamhaft verhüllte Frömmigkeit, die sich nach außen im pflichtgemäßen Tun, nicht im Bekennen bewähren mußte.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 40-41Spengler).

„Der englische Independent aber ist nach außen frei, normannenhaft frei. Er prägte sich eine reine Laienreligion mit der Bibel als Grundlage, zu deren souveräner Deutung sich jeder einzelne das Recht nahm. Was er tat, war also stets das sittlich Richtige. Ein Zweifel daran liegt dem Engländer vollkommen fern. Der Erfolg war der Ausdruck göttlicher Gnade. Die Verantwortung für die Moralität der Handlungen stand Gott zu, während der Pietist sie sich selber anrechnete. Dergleichen Überzeugungen zu ändern steht in keines Menschen Macht. Was man wollen muß, findet man überall bestätigt. Führt dieses Wollenmüssen zum Untergang, so ist das unabänderliches Schicksal.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 41 Spengler).

„Es ist bewunderungswürdig, mit welcher Sicherheit der englische Instinkt aus der ... ganz doktrinären und kahlen Lehre Kalvins sein eignes religiöses Bewußtsein formte. Das Volk als Gemeinschaft der Heiligen, das englische insbesondere als das auserwählte Volk, jede Tat schon dadurch gerechtfertigt, daß man sie überhaupt tun konnte, jede Schuld, jede Brutalität, selbst das Verbrechen auf dem Wege zum Erfolg ein von Gott verhängtes und von ihm zu verantwortendes Schicksal - so nahm sich die Prädestination im Geiste Cromwells und seiner Soldaten aus. Mit dieser unbedingten Selbstsicherheit und Gewissenlosigkeit des Handelns ist das englische Volk emporgestiegen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 41Spengler).

„Pietismus .... In kleinen Zirkeln herrschte ein inniger Geist der Gemeinsamkeit; das ganze Leben war ein Dienst; dieses karge Stückchen Erdendasein inmitten von Jammer und Mühe hat seinen Sinn nur im Banne einer größeren Aufgabe.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 41-42Spengler).

„Aber diese Aufgabe mußte gestellt werden und hier liegt das Gewaltige im kaum bewußten Wirken der großen Hohenzollern, den Erben der ostmärkischen Ritteridee; unter allen Flecken eines hartstirnigen adligen und städtischen Egoismus und hinter allen königlichen Schwächen leuchtet der Gedanke des Altpreußentums auf, der einzige große Gedanke, der seitdem auf deutschem Boden gewachsen ist und der in den besten Deutschen, auch wenn sie ihm von Herzen feind waren, doch irgendeine Gegend der Seele erobert hat. Während der schwäbische Pietismus sich in Bürgerlichkeit und Sentimentalität verlor oder seine besten Köpfe – wie Hegel – an den Norden abgab, wuchs hier ein neuer Mensch als starkgeistiger Träger dieser Religiosität empor. Eine tiefe Verachtung des bloßen Reichseins, des Luxus, der Bequemlichkeit, des Genusses, des »Glücks« durchzieht das Preußentum dieser Jahrhunderte, ein Kern des Militär- und Beamtengeistes. All diese Dinge sind dem Imperativ der ritterlichen Pflicht gegenüber ohne Würde. Dem Engländer aber sind sie Geschenke Gottes; »comfort« ist ein ehrfürchtig hingenommener Beweis der himmlischen Gnade. Tiefere Gegensätze sind kaum denkbar. Arbeit gilt dem frommen Independenten als Folge des Sündenfalls, dem Preußen als Gebot Gottes. Geschäft und Beruf als die zwei Auffassungen der Arbeit stehen sich hier unvereinbar gegenüber. Man denke sich tief in Sinn und Klang dieser Worte hinein: Beruf, von Gott berufen sein – die Arbeit selbst ist da das sittlich Wertvolle. Dem Engländer und Amerikaner ist es der Zweck der Arbeit: der Erfolg, das Geld, der Reichtum. Die Arbeit ist nur der Weg, den man so bequem und sicher als möglich wählen darf. Es ist klar, daß ein Kampf um den Erfolg unvermeidlich ist, aber das puritanische Gewissen rechtfertigt jedes Mittel. Wer im Wege steht, wird beseitigt, einzelne, ganze Klassen und Völker. Gott hat es so gewollt. Man begreift, wie solche Ideen, wenn sie Leben, Blut geworden sind, ein Volk zu den höchsten Leistungen emporsteigern können. Um die angeborne menschliche Trägheit zu überwinden, sagt die preußische, die sozialistische Ethik: es handelt sich im Leben nicht um das Glück. Tu deine Pflicht, indem du arbeitest. Die englische, kapitalistische Ethik sagt: werde reich, dann brauchst du nicht mehr zu arbeiten. Ohne Zweifel liegt in dem letzten Spruch etwas Verführerisches. Er reizt, er wendet sich an sehr volkstümliche Instinkte. Er ist von den Arbeitermassen unternehmungslustiger Völker recht gern verstanden worden. Noch im 19. Jahrhundert hat er den Typus des Yankee mit seinem unwiderstehlichen praktischen Optimismus hervorgebracht. Der andre schreckt ab. Er ist für die wenigen, die ihn dem Gemeinwesen einimpfen und durch dies der Menge aufzwingen mögen. Der eine ist für ein Land ohne Staat, für Egoisten und Wikingernaturen mit dem Bedürfnis ständiger persönlicher Kampfbereitschaft, wie sie sich auch im englischen Sport ausspricht; er enthält das Prinzip der äußern Selbstbestimmung, das Recht, auf Kosten aller andren glücklich zu werden, sobald man die Kraft dazu hat, den wirtschaftlichen Darwinismus. Der andre ist gleichwohl die Idee des Sozialismus in seiner tiefsten Bedeutung: Wille zur Macht, Kampf um das Glück nicht des einzelnen, sondern des Ganzen. Friedrich Wilhelm I. und nicht Marx ist in diesem Sinne der erste bewußte Sozialist gewesen. Von ihm geht als von einer vorbildlichen Persönlichkeit diese Weltbewegung aus. Kant hat sie mit seinem kategorischen Imperativ in eine Formel gebracht.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 42-43Spengler).

„Daher also sind am Ausgang der Kultur Westeuropas zwei große philosophische Schulen entstanden, die englische des Egoismus und Sensualismus um 1700, die preußische (deutsche) des Idealismus um 1800. Sie sprechen aus, was diese Völker sind, als ethische, als religiöse, politische, wirtschaftliche Einheiten.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 43Spengler).

„Philosophie ... ist die Sprache des Lebens in einem großen Kopfe. Für den Engländer ist Hobbes wahr, wenn er das »selfish system« des Egoismus und die optimistische Whigphilosophie des gemeinen Nutzens – »das größte Glück der größten Zahl« – aufstellt, und andrerseits der vornehme Shaftesbury mit seiner Zeichnung des gentleman, des Tory, der sich geschmackvoll auslebenden souveränen Persönlichkeit. Aber ebenso wahr ist für uns Kant mit seiner Verachtung des »Glückes« und Nutzens und seinem kategorischen Imperativ der Pflicht, und Hegel mit seinem mächtigen Wirklichkeitssinn, der die harten Schicksale der Staaten und nicht das Wohlergehen »der menschlichen Gesellschaft« in die Mitte seines historischen Denkens stellt. Mandeville erklärt in seiner Bienenfabel, daß der Egoismus des einzelnen, und Fichte, daß die Pflicht zur Arbeit das Triebrad des Staates sei. Ist die Unabhängigkeit durch den Reichtum oder vom Reichtum das letzte Ziel? Soll man dem kategorischen Imperativ Kants: Handle so, als ob die Maxime deines Handelns ein allgemeines Gesetz werden sollte, den Benthams vorziehen: Handle so, daß du – Erfolg hast?“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 43-44Spengler).

„Es sind wieder der Wikinger und der Ordensritter, die im Unterschiede englischer und preußischer Moral weiterleben. Was aus beiden Welten des Gefühls an Systemen hervorgewachsen ist, die Familien der Philosophen beider Völker, unterscheidet sich immer in dieser einen Weise. Der Engländer ist Utilitarist; er ist sogar der einzige Westeuropas; es steht ihm nicht frei, anders zu sein, und wenn er vor sich selbst diesen stärksten Antrieb seines Wesens zu verleugnen sucht, so entsteht das, was seit langer Zeit als cant berühmt geworden ist und dessen hohe Schule man in den Briefen Lord Chesterfields findet. Die Engländer sind ein Volk von Theologen, eine Folge davon, daß ihre große Revolution sich in vorwiegend religiösen Formen vollzog und daß nach Beseitigung des Staates das Gemeingefühl keine andre als die religiöse Sprache zurückbehielt. Und die Theologie legte es nahe, schon mit Rücksicht auf den Erfolg im persönlichen Daseinskampfe und aus dem sehr richtigen Gefühl, daß ein durch die biblische Auslegung oft recht zweideutiger Handlungen beruhigtes Gewissen eine starke Vermehrung von Tatkraft und Zielsicherheit bedeutet, das eigentliche Ziel, nämlich den Reichtum, nicht unmittelbar bei Namen zu nennen. Wenn es innerhalb der preußischen Atmosphäre einen ähnlichen Kampf gibt, so gilt er der Stellung, dem Range; in vielen Fällen mag man es als Strebertum bezeichnen, der Idee nach liegt darin der Wille, eine höhere Verantwortlichkeit im Organismus des Ganzen auf sich zu nehmen, weil man sich ihr gewachsen fühlt.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 44-45Spengler).

„Unter allen Völkern Westeuropas zeichnen sich allein diese beiden durch eine straffe soziale Gliederung aus. Das ist der Ausdruck ihres Bedürfnisses nach höchster Aktivität, die jeden einzelnen Menschen an dem Platze sehen will, wo man ihn braucht. Eine solche Ordnung, der eine ganz unbewußte und unwillkürliche Ökonomie der Kräfte zugrunde liegt, ist durch eine noch so geniale Persönlichkeit oder den noch so starken Willen, fremde Formen nachzuahmen, nicht zu erreichen; sie ist einem Volke und diesem allein natürlich und selbstverständlich und von keinem andern wirklich nachzuahmen. Das ganze sittliche Grundgefühl tritt hier in Erscheinung; Jahrhunderte sind nötig, um den Sinn für Distanzen von einer bestimmten Art in dieser Klarheit auszubilden und zugleich zu verwirklichen. Wikingergeist und Ordensgeist treten wieder hervor: das Ethos des Erfolges und das der Pflicht. Das englische Volk ist nach dem Unterschied von reich und arm, das preußische nach dem von Befehl und Gehorsam aufgebaut. Die Bedeutung des Klassenunterschiedes ist demnach in beiden Ländern eine ganz verschiedene. Die Unterklasse findet sich in der Gesellschaft unabhängiger Privatleute im Gemeingefühl derer zusammen, die nichts haben, im Staate als die Schicht derer, die nichts zu sagen haben. Demokratie bedeutet in England die Möglichkeit für jedermann, reich zu werden, in Preußen die Möglichkeit, jeden vorhandenen Rang zu erreichen: damit wird der einzelne in die ein für allemal gegebene Schichtung durch seine Fähigkeiten und nicht durch eine Tradition eingereiht. Frankreich (und also auch Florenz) hat niemals eine natürliche und dem nationalen Instinkt notwendige Klassenbildung dieser Art gekannt, auch nicht vor 1789. Die soziale Anarchie war die Regel: es gab willkürliche Gruppen von Bevorrechteten jeder Art und jedes Umfangs ohne irgendein sozial feststehendes Verhältnis untereinander. Man denke an den Gerichtsadel neben dem Hofadel, an den Typus des Abbé, an die Generalpächter, an die Unterschiede im städtischen Großbürgertum. Der echt französische Sinn für Gleichheit prägt sich in dieser Unfähigkeit zu abgestufter Ordnung von Urzeiten her deutlich aus. In England ist der Adel allmählich zum Adel auch aus Reichtum, in Preußen zum Militäradel geworden. Der französische Adel hat eine solche Einheit der sozialen Bedeutung nie erlangt. Die englische Revolution richtete sich gegen den Staat, also gegen die »preußische« Ordnung in Kirche und öffentlichem Dasein, die deutsche Revolution gegen die »englische« Ordnung nach reich und arm, die im 19. Jahrhundert mit Industrie und Handel eingedrungen und Mittelpunkt der antipreußischen, antisozialistischen Tendenzen geworden war. Die französische allein richtete sich nicht gegen eine fremde und darum unsittliche, sondern gegen eine Ordnung überhaupt: das ist Demokratie im französischen Sinne.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 45-46Spengler).

„Hier endlich tritt der tiefethische Sinn der Schlagworte Kapitalismus und Sozialismus zutage. Es sind die menschlichen Ordnungen, die sich auf dem Reichtum und auf der Autorität aufbauen, die, welche durch den ungehemmten Kampf um Erfolge, und die, welche durch Gesetzgebung erzielt wird. Daß der echte Engländer sich Befehle von jemand erteilen lassen sollte, der nichts hat, ist ihm ebenso unerträglich wie dem echten Preußen die Verbeugung vor dem bloßen Reichtum. Aber selbst der klassenbewußte Arbeiter der ehemaligen Bebelpartei gehorchte dem Parteihaupte aus derselben Sicherheit des Instinkts wie ein englischer Arbeiter einen Millionär als glücklicheres und von Gott sichtbar ausgezeichnetes Wesen respektiert. So tief im Seelischen wurzelnde Unterschiede vermag der proletarische Klassenkampf gar nicht anzutasten. Die ganze englische Arbeiterbewegung ist auf den Unterschied von wohlhabend und bettelhaft innerhalb der Arbeiterschaft selbst aufgebaut. An die eiserne Disziplin einer Millionenpartei in preußischem Stil würde hier gar nicht zu denken sein.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 46-47Spengler).

„»Ungleiche Verteilung des Reichtums« ist die echt englische Proletarierformel, die Shaw immer im Munde führt; so sinnlos sie uns klingt, so wahr ist sie für ein Lebensideal, das dem zivilisierten Wikinger allein lebenswert ist. Man sollte also, auch mit Rücksicht auf die großartige Ausbildung dieses Ideals im Typus des Yankee, von Milliardärsozialismus und Beamtensozialismus reden. Zum ersten gehört ein Mann wie Carnegie, der zuerst einen großen Teil des gesamten Volksvermögens in Privatvermögen verwandelt und ihn dann in glänzender Weise ganz souverän für öffentliche Zwecke ausgibt. Sein Ausspruch »Wer reich stirbt, stirbt ehrlos« enthält eine hohe Auffassung des Willens zur Macht über die Gesamtheit. Aber man verkenne ja nicht die tiefe Beziehung dieses Privatsozialismus, der in den äußersten Fällen nichts ist als die diktatorische Verwaltung von Volkseigentum, zum Sozialismus des Beamten und Organisators (der sehr arm sein kann), wie er in Bismarck und Bebel gleichmäßig zur Erscheinung kommt.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 47Spengler).

„Shaw ist heute der Gipfel des »kapitalistischen« Sozialismus, für den reich und arm nach wie vor gestaltende Gegensätze des wirtschaftlichen Organismus sind. »Armut ist das größte der Übel und das schlimmste der Verbrechen« (Major Barbara). Er predigt gegen die »feige Masse, die an dem kümmerlichen Vorurteil festhält, daß man lieber gut sein soll als reich«. Der Arbeiter soll versuchen, reich zu werden, das war von Anfang an auch die Politik der englischen Gewerkschaften, der Trade Unions. Deshalb hat es scheinbar zwischen Owen und Shaw in England keinen Sozialismus im proletarischen Sinn gegeben – er war vom Kapitalismus der Unterklasse der Art nach nicht zu unterscheiden. Für uns ist der gestaltende Gegensatz aber immer wieder Befehlen und Gehorchen in einer streng disziplinierten Gemeinschaft, heiße [48] sie nun Staat, Partei, Arbeiterschaft, Offizierkorps oder Beamtentum, deren Diener jeder Zugehörige ohne Ausnahme ist. Travailler pour le roi de Prusse – das heißt doch auch seine Pflicht tun ohne das schmutzige Schielen nach Profit. Die Bezahlung der Offiziere und Beamten seit Friedrich Wilhelm I. war lächerlich im Verhältnis zu den Summen, mit denen man in England auch nur zur Mittelklasse gehörte. Trotzdem wurde fleißiger, selbstloser, ehrlicher gearbeitet. Der Rang war zuletzt die Belohnung. Und so war es auch unter Bebel. Dieser Arbeiterstaat im Staate wollte nicht reich werden, sondern herrschen. Diese Arbeiter haben bei ihren anbefohlenen Streiks oft genug gedarbt nicht für eine Lohn-, sondern für eine Machtfrage, für eine Weltanschauung, die der ihrer Brotgeber vermeintlich oder tatsächlich entgegengesetzt war, für ein sittliches Prinzip, wobei die verlorene Schlacht im Grunde noch ein moralischer Sieg war. Englischen Arbeitern ist dergleichen ganz unverständlich. Sie waren nicht arm und nahmen bei ihren Streiks noch die Hunderttausende in Empfang, die der arme deutsche Arbeiter sich entzog in der Meinung, daß es sich drüben um die gleiche Sache handle. Die Novemberrevolution war demnach eine Gehorsamsverweigerung im Heere und zugleich in der Arbeiterpartei. Die plötzliche Verwandlung der disziplinierten Arbeiterbewegung in eine wilde Lohnpolitik einzelner Gruppen ohne gegenseitige Rücksicht war ein Sieg des englischen Prinzips. Das Mißlingen äußerte sich in der Tatsache, daß in der Reichswehr ein neuer Organismus von innerer Disziplin entstand. Der einzig fähige Mann, der erschien, war ein Soldat. In solchen militärischautoritativen Erfolgen und Mißerfolgen wird die deutsche Revolution fortgehen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 47-48Spengler).

„Derselbe Gegensatz beherrscht aber auch die Wirtschaftsgesinnung beider Völker. Es ist ein verhängnisvoller Fehler der Nationalökonomie, daß sie ganz materialistisch und ohne den geringsten Blick für die Vielheit wirtschaftlicher Instinkte und ihre Ausdrucksgewalt von den Wirtschaftsstufen »der« Menschheit, »der« Neuzeit, »der« Gegenwart schlechthin redet. Sie trägt da alle Schwächen ihrer englischen Herkunft an sich, denn sie ist als Wissenschaft ein Produkt des modernen Engländers mit seinem ganzen Selbstgefühl und Mangel an Psychologie, seine einzige »philosophy«, die seinem Sinn für Kampf, Erfolg und Besitz entspricht und mit der er seine rein englische Anschauung der wirtschaftlichen Praxis seit dem 18. Jahrhundert in alle Köpfe des Kontinents gepflanzt hat.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 48-49Spengler).

„Aus dem Weltgefühl des echten Siedlers der Grenzmark, des kolonisierenden Ordens (vgl. Deutsch-Ritter-OrdenKolonisation und Deutsch-Ritter-Orden) ergab sich als notwendiges Prinzip die Wirtschaftsautorität des Staates. Der einzelne erhält seine wirtschaftliche Aufgabe vom Schicksal, von Gott, vom Staate, von seinem eigenen Talent – das alles sind Worte für dieselbe Tatsache. Rechte und Pflichten der Gütererzeugung und -nutzung sind gleichmäßig verteilt. Das Ziel ist nicht die Bereicherung von einzelnen oder jedes einzelnen, sondern die Blüte des Ganzen. So haben Friedrich Wilhelm I. und seine Nachfolger in den Sumpfgebieten des Ostens kolonisiert. Sie betrachteten das als eine Mission. Gott hatte ihnen eine Aufgabe erteilt. In diesen Bahnen bewegte sich der Wirklichkeitssinn des deutschen Arbeiters mit voller Entschiedenheit. Lediglich die Theorien von Marx hinderten ihn, die nahe Verwandtschaft zwischen seinem und dem altpreußischen Wollen zu erkennen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 49Spengler).

„Der Seeräuberinstinkt des Inselvolkes versteht das Wirtschaftsleben ganz anders. Es handelt sich da um Kampf und Beute, und zwar um den Beuteanteil einzelner. Der Normannenstaat mit seiner raffinierten Technik des Geldeintreibens beruhte vollkommen auf dem Beuteprinzip. Das Feudalsystem wurde ihm in einer großartigen Weise als Mittel eingefügt. Die Barone hatten das ihnen zugeteilte Stück Land auszubeuten, der Herzog forderte seinen Anteil von ihnen. Der Endzweck war Reichtum. Gott hatte ihn den Wagemutigen gespendet. Von der Praxis dieser seßhaft gewordenen Piraten geht das moderne Rechnungswesen aus. Aus der Rechnungskammer Roberts des Teufels von der Normandie (gest. 1035) stammen die Worte Scheck, Konto, Kontrolle, Quittung, Rekord und der heutige Name des englischen Schatzamtes (Exchequer).1 Als England 1066 von hier aus erobert wurde, wurden die stammverwandten Sachsen genau so von den normannischen Baronen ausgebeutet. Niemals haben ihre Nachkommen die Welt anders zu betrachten gelernt. Diesen Stil trägt heute noch jede englische Handelskompanie und jeder amerikanische Trust. Erzeugung von Einzelvermögen, von privatem Reichtum, Niederkämpfen der privaten Konkurrenz, Ausbeutung des Publikums durch Reklame, durch Preispolitik, durch Bedürfniserregung, durch Beherrschung des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage ist das Ziel, nicht die planmäßige Hebung des Volkswohlstandes als einer Einheit. Wenn ein Engländer von Nationalreichtum spricht, so meint er die Zahl der Millionäre. »Nichts ist dem englischen Empfinden fremder als Solidarität« (Fr. Engels). Selbst in der Erholung sieht der Engländer noch eine Betätigung ganz persönlicher, vor allem körperlicher Überlegenheit. Er treibt Sport um des Rekords willen und hat einen Sinn für den seinen wirtschaftlichen Gewohnheiten verwandten Boxkampf, der deutschen Turnern innerlich ganz fremd ist.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 49-50Spengler).

„Daraus ergibt sich, daß englisches Wirtschaftsdasein mit Handel tatsächlich identisch ist, Handel insofern er die kultivierte Form des Raubens darstellt. Diesem Instinkt gegenüber wird alles zur Beute, zur Ware, an der man sich bereichert. Die ganze englische Maschinenindustrie ist im Handelsinteresse geschaffen worden. Sie diente der Beschaffung von billiger Ware. Als die englische Landwirtschaft durch ihre Preise den Lohnkürzungen eine Grenze setzte, wurde sie dem Handel geopfert. Der ganze Kampf zwischen Unternehmer und Arbeiter in der englischen Industrie von 1850 geht um die Ware »Arbeit«, die der eine billig erbeuten, der andre teuer verhandeln will. Alles, was Marx mit zorniger Bewunderung von den Leistungen der »kapitalistischen Gesellschaft« sagt, gilt vom englischen und nicht von einem allgemein menschlichen Wirtschaftsinstinkt“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 50Spengler).

„Das souveräne Wort Freihandel gehört in eine Wikingerwirtschaft. Das preußische und also sozialistische Wort wäre staatliche Regelung des Güteraustausches. Damit ist der Handel im Ganzen der Volkswirtschaft aus der herrschenden in eine dienende Rolle verwiesen. Man begreift Adam Smith mit seinem Haß gegen den Staat und die »hinterlistigen Tiere, die man Staatsmänner nennt«. In der Tat, auf den echten Händler müssen sie wirken wie der Polizist auf den Einbrecher oder ein Kreuzer auf ein Korsarenschiff.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 51Spengler).

„Bezeichnend ist aber auch die Überschätzung der Kapitalsmenge für das wirtschaftliche Gedeihen, die sich bei ihm findet. Daß psychologisch und ebendeshalb auch praktisch – denn das praktische Leben ist Ausdruck seelischer Bedingungen – der englische Kapitalsbegriff vom Händlerstandpunkt aus etwas ganz andres ist als der französische Rentner- und der preußische Verwaltungsbegriff, das sieht ein Materialist nicht. Psychologen sind die Engländer nie gewesen. Was sie dachten, hielten sie für Denknotwendigkeiten der »Menschheit«.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 51Spengler).

„Die ganze moderne Nationalökonomie beruht auf dem Grundfehler, den Sinn des Wirtschaftslebens überall in der Welt mit dem Händlerinteresse nach englischen Begriffen gleichzusetzen, auch wo man dem Wortlaut nach die Manchesterlehre verwirft: der Marxismus hat sich als reine Verneinung dieser Lehre ihr Schema vollständig zu eigen gemacht. Dies erklärt das ungeheure Fiasko aller Voraussagen für den Ausbruch des Weltkrieges, dem einstimmig der Zusammenbruch der Weltwirtschaft während weniger Monate prophezeit worden war.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 51 Spengler).

„Nur der Kapitalismus englischen Stils ist das Gegenstück zum Sozialismus marxistischen Stils. Der preußische Gedanke der Verwaltung des Wirtschaftslebens aus einem überpersönlichen Gesichtspunkt hatte den deutschen Kapitalismus seit der Schutzzollgesetzgebung von 1879 unwillkürlich in sozialistische Formen im Sinne einer Staatsordnung übergeführt. Die großen Syndikate waren wirtschaftliche Staaten im Statsganzen, »der erste systematische und großzügig durchgeführte und dabei ganz unbewußt entstandene praktische Versuch der kapitalistischen Gesellschaft, hinter die Geheimnisse ihrer eignen Produktion zu kommen und die gesellschaftlichen Gesetze, deren unbekannter naturhafter Gewalt man sich bis dahin blind hatte fügen müssen, zu meistern« (Paul Lensch, Drei Jahre Weltrevolution, 1917).“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 51-52 Spengler).

„ALLE GEGEN ALLE“

„Der deutsche Liberalismus, das deutsche Engländertum aber huldigt außer der freien Menschenwürde auch noch dem Freihandel. Hier erreicht die Komik seiner Erscheinung den Gipfel. Solange er zugunsten unverstandener Wikingertriebe den autoritativen Staat, das überpersönliche Wollen, die Stellung des Einzel-Ich unter das Gesamt-Ich »unentwegt« ablehnte, war er metaphysisch. Das war die Haltung des deutschen »Gebildeten« ohne praktische Begabung, des Professors, des Denkers und Dichters, aller, die schreiben statt zu handeln. Den andern Liberalismus hätten sie weder verstanden noch als sittlich anerkannt: das Räuberprinzip des freien Handels, zu dem eine Philosophie des Kampfes aller gegen alle gehört. Der Zusammenhang zwischen dem autonomen Ich in ihren abstrakten Systemen und dem in den Kontoren der großen Handelshäuser lag außerhalb ihres Gesichtskreises. Und so hat der deutsche Börsenliberalismus in aller Stille den deutschen Professor vor sei nen Wagen gespannt. Er schickt ihn in die Versammlungen zum Reden und Hören, er setzt ihn in die Redaktionen, wo er mit philosophischem Geist die gründlichsten Artikel schreibt, um dem Volk der Leser, das seine unbegrenzte Gläubigkeit von der Bibel längst auf die Zeitung übertragen hat, die geschäftlich wünschenswerten politischen Überzeugungen einzuflößen, er schickt ihn ins Parlament und läßt ihn dort Nein und Ja sagen, um dem wirtschaftlichen Leben allen Theorien und Verfassungen zum Trotz immer neue Möglichkeiten des Schiebertums abzulocken. Er hat die heute überhaupt in Betracht kommende Presse Deutschlands fast ohne Ausnahme, die ganze Masse der Gebildeten, die ganze liberale Partei zu seinen Geschäftsorganen gemacht. Der Professor merkt es nicht. In England ist der Liberale aus einem Guß, ethisch und deshalb geschäftlich frei und sich des Zusammenhanges wohl bewußt. In Deutschland sind es immer zwei, die sittlich liberale und die geschäftlich liberale Persönlichkeit, von denen die eine denkt und die andre lenkt und nur die zweite sich des beiderseitigen Verhältnisses lächelnd bewußt ist (Spengler).“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 52-53Spengler).

„ALLE FÜR ALLE“

„So stehen sich heute zwei große Wirtschaftsprinzipien gegenüber. Aus dem Wikinger ist der Freihändler, aus dem Ritter der Verwaltungsbeamte geworden. Eine Versöhnung zwischen beiden gibt es nicht, und da sie beide, als Germanen und faustische Menschen höchsten Ranges, für ihr Wollen keine Grenze anerkennen und sich erst dann am Ziele glauben werden, wenn die ganze Welt ihrer Idee unterworfen ist, so wird es Krieg geben, bis eine von ihnen endgültig gesiegt hat.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 53 Spengler).

„Soll die Weltwirtschaft eine Weltausbeutung oder eine Weltorganisation sein? Sollen die Cäsaren dieses künftigen Imperiums Milliardäre oder Weltbeamte, soll die Bevölkerung der Erde, solange dieses Imperium der faustischen Zivilisation zusammenhält, Objekt der Politik von Trusts oder von Menschen sein, wie sie am Ende des zweiten Faust angedeutet werden?“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 53 Spengler).

„Denn es handelt sich um das Schicksal der Welt. Die Wirtschaftsgedanken der Franzosen waren ebenso territorial beschränkt wie die des Renaissancemenschen. Darin unterscheiden sich das Merkantilsystem unter Ludwig XIV. und die Physiokratenschule Turgots zur Aufklärungszeit in keiner Weise von den sozialistischen Plänen Fouriers, der die »Gesellschaft« in die kleinen Wirtschaftskörper seiner Phalansterien zerlegen wollte, wie man sie noch in Zolas letzten Romanen wiederfindet. (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 53 Spengler).

„Eine Weltwirtschaft gehört zu den innersten Notwendigkeiten nur der drei echt faustischen Völker. (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 53 Spengler).

„Die ritterlichen Spanier strebten sie an, indem sie die neue Welt ihrem Reiche einverleibten. Sie haben als echte Soldaten über die Theorie ihrer wirtschaftlichen Expansion nicht nachgedacht, aber sie haben durch die geographische und politische Erweiterung des Gesichtskreises auch dem wirtschaftlichen Horizont des abendländischen Menschen die Abmessungen gegeben, die solche Gedanken überhaupt ermöglichten. Die Engländer haben als erste unter dem Namen Nationalökonomie die Theorie ihrer, der ausbeutenden Weltwirtschaft geschrieben. Als Händler waren sie klug genug, um die Macht der Feder über die Menschen der büchergläubigsten aller Kulturen zu kennen. Sie redeten ihnen ein, daß die Interessen ihres Piratenvolkes die der Menschheit seien. Sie wickelten die Idee des Freihandels in die der Freiheit ein. Diese praktische Klugheit fehlte dem dritten und letzten, wieder einem echt soldatischen Volke. Was Preußen in seinem Kreise verwirklichte, wurde durch Vermittlung der weltfremden deutschen Philosophie zum Sozialismus erhoben. Aber die wahren Schöpfer erkannten ihr Geschöpf in dieser Form nicht wieder und es entstand ein erbitterter Kampf zwischen zwei vermeinten Gegnern, von denen der eine die Praxis, der andre die Theorie besaß. Heute endlich ist es Zeit, sich und die gemeinsame Aufgabe zu erkennen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 53-54Spengler).

„Soll die Welt sozialistisch oder kapitalistisch regiert werden?  Diese Frage kann nicht zwischen zwei Völkern entschieden werden. Sie ist heute in das Innere jedes einzelnen Volkes gedrungen. Wenn die Waffen zwischen den Staaten ruhen, wird man sie im Bürgerkrieg erheben. Heute gibt es in jedem Land eine englische und eine preußische Wirtschaftspartei. Und wenn die Klassen und Schichten des Krieges müde geworden sind, werden einzelne Herrenmenschen ihn im Namen der Idee weiter führen. In den großen Entscheidungen der antiken Welt zwischen der apollinischen und der dionysischen Idee ging der peloponnesische Krieg aus dem Kriege zwischen Sparta und Athen in das Ringen zwischen Oligarchie und Demos aller einzelnen Städte über. Was bei Philippi und Aktium ausgetragen wurde, hat in der Gracchenzeit das Forum von Rom mit Blut überschwemmt. In der chinesischen Welt dauerte der entsprechende Krieg zwischen den reichen Tsin und Tsu, zwischen den Weltanschauungen des Tao und des Li ein Jahrhundert lang. In der ägyptischen Welt verbergen sich ungeheure Ereignisse derselben Art hinter dem Rätsel der Hyksoszeit, der Herrschaft östlicher Barbaren. Hatte man sie gerufen oder kamen sie, weil die Ägypter sich in innern Kriegen bis zur Ohnmacht erschöpft hatten?  Wird das Abendland den Russen die gleiche Rolle übertragen?  Mögen unsre trivialen Friedensschwärmer von Völkerversöhnung reden: die Ideen werden sie nicht versöhnen; der Wikingergeist und der Ordensgeist (Wikingergeist und Ordensgeist) werden den Kampf zu Ende führen, mag auch die Welt müde und gebrochen aus den Blutströmen dieses Jahrhunderts hervorgehen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 54-55Spengler).

„Damit aber tritt der englisch-preußische Gegensatz in den Bereich der politischen Formen ein. Es sind die höchsten und mächtigsten des historischen Daseins überhaupt. Weltgeschichte ist Staatengeschichte. Staatengeschichte ist die Geschichte von Kriegen. Ideen, wenn sie zur Entscheidung drängen, verkleiden sich in politische Einheiten, in Staaten, in Völker, in Parteien. Sie wollen mit Waffen, nicht mit Worten ausgefochten werden. Wirtschaftskämpfe werden zu Kämpfen zwischen Staaten oder innerhalb von Staaten. Religionen konstituieren sich als Staaten, wie Judentum und Islam, Hugenotten und Mormonen, wenn es sich um ihr Dasein oder ihren Sieg handelt. Alles was aus innerstern Seelentum Mensch und menschliche Schöpfung geworden ist, opfert den Menschen. Ideen, die Blut geworden sind, fordern Blut. Krieg ist die ewige Form höhern menschlichen Daseins, und Staaten sind um des Krieges willen da; sie sind Ausdruck der Bereitschaft zum Kriege. Und selbst wenn eine müde und entseelte Menschheit auf Kriege und Staaten verzichten wollte, wie der antikt Mensch der spätesten Jahrhunderte, der Inder und Chinese von heute, so würde er nur aus dem Führer von Kriegen der Gegenstand werden, um den und mit dem von andern Kriege geführt werden. Wäre selbst der faustische Weltfriedc erreicht, so würden Herrenmenschen vom Schlage spätrömischer, spätchinesischer, spätägyptischer Cäsaren sich um dies Imperium schlagen als Beute, wenn seine endgültige Form eine kapitalistische, und um den ersten Rang in ihm, wenn sie eine sozialistische geworden sein sollte.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 55-56Spengler).

„Zu einer politischen Form aber gehört das Volk, das sie geschaffen hat, das sie im Blute trägt, das sie allein zu verwirklichen vermag. Politische Formen an sich sind leere Begriffe. Nachsprechen kann sie jeder. Nachleben, mit echter Wirklichkeit erfüllen kann sie niemand. Auch im Politischen gibt es keine Wahl; jede Kultur und jedes einzelne Volk einer Kultur führt seine Geschäfte und erfüllt sein Schicksal in Formen, die mit ihm geboren und die dem Wesen nach unveränderlich sind.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 56Spengler).

„Ein philosophischer Streit um »Monarchie« oder »Republik« ist ein Gezänk um Worte. Die monarchische Regierungsform an sich – das gibt es so wenig wie die Wolkenform an sich. Eine antike und eine westeuropäische »Republik« sind unvergleichbare Dinge. Wenn in einer großen Krise, deren letzter Sinn immer ein ganz andrer ist als die Änderung der Regierungsform, die Republik oder Monarchie ausgerufen wird, so ist das eben ein Ruf, ein Name, das Stichwort einer melodramatischen Szene, das einzige allerdings, was die meisten von einer Epoche verstehen und woran sie sich zu begeistern vermögen. In Wirklichkeit kehrt ein Volk nach solchen Ekstasen doch wieder zu der Form zurück, nämlich zu der eignen, für deren Wesentliches es beinahe nie eine volkstümliche Bezeichnung gibt. Der Instinkt einer unverbrauchten Rasse ist so stark, daß er mit jeder Regierungsform, die ihm der historische Zufall in den Weg wirft, sehr bald in seiner ureignen Weise arbeitet, ohne daß es irgend jemand zum Bewußtsein kommt, daß von der Form nur der Name übriggeblieben ist. Es sind nie die Verfassungen in ihrem Wortlaut, sondern die ungeschriebenen und unbewußten Regeln, nach denen sie verwendet werden, die man als die eigentliche Regierungsform bezeichnen darf. Ohne die Beziehung auf ein ganz bestimmtes Volk sind »Republik«, »Parlamentarismus«, »Demokratie« bloße Redensarten.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 56Spengler).

„So ist die »parlamentarische Regierungsform« ein spezifisch englisches Gewächs und ohne die gesamten Voraussetzungen des englischen Wikingercharakters, ohne die Insellage und eine mehrhundertjährige Entwicklung, die den ethischen Stil dieses Volkes mit diesem Stil der Geschäftsführung vollkommen verschweißt hat, weder nachzuleben noch mit irgendwelcher Aussicht auf auch nur annähernd gleiche Erfolge in ihren Methoden nachzuahmen. Parlamentarismus in Deutschland ist Unsinn oder Verrat. England hat alle Staaten ohnmächtig gemacht, denen es das Gift seiner eignen Form als Arznei reichte. Umgekehrt würde England die Fähigkeit zu einer erfolgreichen Politik verlieren, sobald die Endentwicklung der abendländischen, heute also den Erdball beherrschenden Zivilisation dahin führen sollte, daß diese Regierungsform überhaupt unmöglich wird. Der englische Sozialismus würde Verrat an England üben, wenn er sie abschaffte. Es handelt sich um eine freie Gesellschaft von Privatleuten, denen, wie gesagt, die Insellage die Möglichkeit gegeben hat, den eigentlichen Staat abzuschaffen und diese formale Voraussetzung ihres politischen Daseins durch eine Flotte mit gemieteter Mannschaft und eine endlose Reihe von Kriegen, die man gegen Bezahlung durch fremde Staaten und Völker führen ließ, bis 1916 aufrechtzuerhalten. Dieser staatlose Parlamentarismus setzt ein festes System von zwei Parteien voraus, deren Verhältnis zueinander, deren Organisation, Praxis, Interessen, deren Stimmung, Sitte, Geist genau diese und keine andern sind. Was wir englische Parteien nennen – das Wort bedeutet in jedem Lande etwas andres –, sind ursprünglich Gruppen des altenglischen Adels, die sich in den Revolutionen von 1642 und besonders 1688 durch das anglikanische und puritanische Bekenntnis, in der Tiefe also durch eine gewisse Verschiedenheit ihrer ethischen Imperative absonderten. Von den Eigenschaften jener altnordischen Seefahrerrasse, von denen die isländischen Sagas Zeugnis geben, herrschten unter den Tories der Stolz auf das edle Blut, der vornehme Sinn für alles Ererbte und Legitime, für Landbesitz, für kriegerische Wagnisse und blutige Entscheidungen [58] vor, unter den Whigs die Freude an Raub und Plünderung, an leichtem Erfolg und reicher beweglicher Beute, an List und Kühnheit mehr als an körperlicher Kraft. Die Typen des englischen Imperialisten und Freihändlers sind durch immer schärfere Ausprägung dieser Lebensgefühle, durch immer reinere Züchtung der tatsächlich herrschenden Klasse bis zu ihrer heutigen Form emporgeführt worden. Daß die Demokratisierung Englands im 19. Jahrhundert nur eine scheinbare war, und das Volk tatsächlich wie in Preußen von einer hochwertigen, durch die Ganzheit und Ungebrochenheit ihrer praktischen Eigenschaften ausgezeichneten Minderheit geführt wurde, hat die Höhe nicht nur des Wollens, sondern des Könnens bis zum Ausgang des letzten Krieges aufrechterhalten.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 57-58Spengler).

„Denn zum innersten Wesen dieser Politik gehört es, daß sie eine reine Geschäftspolitik im Piratensinne ist, ob nun die Tories oder die Whigs gerade die Führung haben. Daß beide in erster Linie Gentlemen sind, Mitglieder derselben vornehmen Gesellschaft mit ihrer bewunderungswürdigen Einheit der Lebenshaltung, macht es erst möglich, daß trotz der zeitweise erbitterten Gegnerschaft die großen Angelegenheiten im Privatgespräch und privaten Briefwechsel erledigt werden, so daß vieles geschieht, was erst zugestanden werden darf, wenn der Erfolg die Mittel rechtfertigte, und was in jedem andern Lande der Welt im Lärm verständnisloser und prinzipienfester Volksvertretungen verdorben werden würde. Der englische Parteiführer betreibt auch die Geschäfte des Landes als Privatmann. Wenn seine politischen Unternehmungen glücken, so war es »England«, das diese Politik einschlug. Führen sie, obwohl erfolgreich, zu praktisch oder moralisch peinlichen Folgen, so tritt er zurück und das Land tadelt ihn mit puritanischer Strenge seiner privaten Handlungsweise wegen, deren Folgen man durch den Rücktritt ablehnt; aber man dankt Gott für die Gnade, die er England durch die erfolgreiche Handlung selbst erwiesen hat. Das ist nur möglich, wenn beide Parteien in wesentlichen Interessen ohne Meinungsverschiedenheit sind. Wohl haben die Tories Napoleon gestürzt und nach St. Helena gebracht, nachdem er die Ideen der Whigs über den Kontinent verbreitet hatte, aber Fox war doch durchaus kein unbedingter Gegner des Krieges mit ihm. Und als Robert Peel 1851 das Freihandelssystem von Cobden endgültig zum Siege führte und damit die wirtschaftliche Unterwerfung der Welt ihrer Verwandlung in ein militärisches Protektorat vorzog, haben die Tories einen Teil ihrer Grundsätze in dem System der Whigs durchaus wiedergefunden und anerkannt. Die torystische Politik unter Eduard VII. hat den Weltkrieg veranlaßt, aber die Whigs, Gegner des Krieges, haben durch die Aufnahme »liberaler Imperialisten« sich stillschweigend auf diese Möglichkeit vorbereitet. Dies alles ist »Parlamentarismus«, und nicht jene wert- und wirkungslosen Äußerlichkeiten, die man heute in Deutschland dafür hält, wie die Verteilung von Ministerportefeuilles unter Parteiführer oder die Bloßlegung der parlamentarischen Technik vor der breitesten Öffentlichkeit. Die letzten Entschließungen der Parteiführer sind selbst der Mehrheit der Parlamentsmitglieder Geheimnis. Die sichtbaren Vorgänge sind fable convenue, und der mustergültige Takt beider Parteien sorgt dafür, daß der Schein einer Selbstregierung des Volkes um so peinlicher aufrechterhalten wird, je weniger dieser Begriff tatsächlich bedeutet. Daß Parteien, vor allem englische Parteien, Teile des Volkes sind, ist dilettantischer Unsinn. In Wirklichkeit kann es, außer in Staaten vom Umfang weniger Dörfer, etwas wie Volksregierung, Regierung durch das Volk, gar nicht geben. Nur hoffnungslos liberale Deutsche glauben daran. Die Regierung liegt überall, wohin englische Regierungsformen gedrungen sind, in den Händen sehr weniger Männer, die innerhalb einer Partei durch ihre Erfahrung, ihren überlegenen Willen und ihre taktische Gewandtheit herrschen, und zwar mit diktatorischer Machtvollkommenheit.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 58-59Spengler).

„Damit erhebt sich die Frage, welches das Verhältnis zwischen Volk und Partei ist oder was Wahlen in der heutigen Staatenwelt des Abendlandes eigentlich bedeuten. Wer wählt und was wählt er? Der Sinn des englischen Systems besteht[ darin, daß das Volk die Partei und nicht einen Beauftragten seines mehr oder weniger von der Parteileitung selbst suggerierten Willens wählt. Die Parteien sind festgefügte, sehr alte Gesellschaften, welche sich damit beschäftigen, die politischen Angelegenheiten der Gesellschaft des englischen Volkes überhaupt zu führen. Der einzelne Engländer, der das Zweckmäßige dieser Einrichtung wohl empfindet, unterstützt von Wahl zu Wahl diejenige, deren Absichten für die nächsten Jahre seinen eignen Meinungen und Interessen am meisten entsprechen. Wie gleichgültig dabei die Person des Abgeordneten ist, den die Partei ganz souverän ernennt, weiß er genau“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 59-60Spengler).

„Das Wort Stimmvieh paßt auf den Durchschnitt der Abgeordneten sicherlich besser als auf deren Wähler.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 60Spengler).

„Es ist bezeichnend, daß die Arbeiter sehr oft statt für den Arbeiterkandidaten für einen Unternehmer gestimmt haben, den eine der alten Parteien aufgestellt hatte. Das war nach ihrer nüchternen Beurteilung der Lage eben für den Augenblick vorteilhafter. In Amerika, wo bereits nicht mehr der echte Engländer hinter dem System steht, hat sich der Brauch ausgebildet, daß die Parteien den Wählern ein Programm und den Trusts, die sie bezahlen, ein andres vorlegen, von denen das eine bestimmt ist, veröffentlicht, und das andre, gehalten zu werden. Damit ist endlich die entscheidende Frage berührt, in welcher Form in parlamentarisch regierten Ländern die politische Arbeit bezahlt wird. Daß davon heute, wo alle Völker mit oder ohne Wissen und Willen durch eine Interessenpolitik geleitet werden, nicht der Geist der Verfassungen, sondern der viel wichtigere Geist ihrer tatsächlichen Anwendung abhängt, das bemerken die naiven Schwärmer für demokratische Zustände nicht. Sie denken in ihrer Harmlosigkeit womöglich an die Höhe der Abgeordnetendiäten. Aber die Frage liegt anders. Die Monarchen der Barockzeit verfügten nach Gutdünken über die Staatseinnahmen. Die modernen Parteien verwalten sie nur. Und da ist es lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit, ob die Vertreter der großen wirtschaftlichen Interessen die Wähler, die Abgeordneten oder die Parteileitungen selbst sich sichern. Das erste entspricht den Formen des englischen Parlamentarismus und wurde im 18. Jahrhundert im großen Stile als Stimmenkauf betrieben. Heute, wo Tories und Whigs aus vornehmen Klassen mit scharf ausgeprägter Weltanschauung rein geschäftliche Vertretungen geworden sind, die sich von Fall zu Fall eigentlich nur noch durch ihre Ansicht über die vorteilhafteste Form und die moralische Begründung eines Unternehmens unterscheiden, ist dies Mittel überflüssig geworden: die Interessen haben sich mit den demokratisierten Parteien vereinigt. Im anarchischen Frankreich, wo unter dem Namen von Parteien Klubs und persönliche Gruppen von rasch wechselnder Zahl und Stärke auftreten, ist die Bezahlung der Abgeordneten in feinerer oder unmittelbarer Form die Regel. Das sozialistische Abgeordnetenmaterial steht der Plutokratie ebenso zur Verfügung wie das übrige, und die Laufbahn eines französischen Parlamentariers wird oft genug in der Gewißheit, eingeschlagen, daß man sich nach ein paar Jahren ein Schloß kaufen kann. In Deutschland, wo die Parteien mit ideologischen Programmen sich dem Volke präsentieren, hat die Börse den Liberalismus und die Schwerindustrie den Nationalliberalismus in ihren Dienst gestellt. Sie bezahlen die Agitation und – teilweise in der Form der Versorgung mit Geschäftsanzeigen – die Presse. Wenn die Verfassung von Weimar auch nur wenige Jahre in Kraft bleiben sollte, würden Abgeordnetensitze im Interesse bestimmter Parteien zu einem festen Preise zu haben sein. Die Ansätze dazu waren schon bei den ersten Wahlen deutlich vorhanden.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 60-61Spengler).

„Daß Demokratie und allgemeines Stimmrecht erprobte Methoden des Kapitalismus sind, haben alle Länder bewiesen, die diese Formen von England übernommen haben. Wenn der liberale Professor die Verfassung von Weimar als Erfüllung seiner Träume begrüßt, so begrüßt sie der Geschäftsliberalismus als die bequemste und vielleicht billigste Methode, die Politik dem Kantor, den Staat dem Schiebertum zu unterstellen. Dies alles kennzeichnet die Herrschaft des Wikingergeistes über die abendländische Zivilisation, die bis jetzt durchaus englische Zivilisation gewesen ist. Die Form, in welcher der unübertragbare englische Parlamentarismus sich dem Festlande und schließlich der ganzen Welt aufdrängte, ist die »Konstitution«, durch welche die Kritik an den bestehenden Regierungen zu einem organischen Bestandteil der Regierung selbst gemacht wird. Aber der staatlose Charakter der Regierung, welcher die englische Gesellschaft aus sich selbst entwickelte, ging hier in den staatsfeindlichen Charakter aller Verfassungen über, in denen ein fremdes, das englische Prinzip, enthalten war. Damit wurden überall Parteisurrogate notwendig, welche den englischen Stil, der die ausführende Gewalt zu einem Bestandteil der Parteihoheit gemacht hatte, ohne seinen Gehalt nachahmten, und eine Opposition, die bei fortwährender Reibung zwischen der höchsten Gewalt und dem Parteiprinzip oder zwischen den Parteien wegen ihrer sehr verschiedenen Auffassung der Parteihoheit nicht organisch fördernd, sondern zerstörend wirkte. Mirabeau, der klügste Kopf Frankreichs in dem Augenblick, wo es den Wikingerideen erlag, wäre bei längerem Leben sicherlich zum Absolutismus zurückgekehrt, um sein Land vor dem Pseudoparlamentarismus der souveränen Klubs zu retten. Das Wort Intrige gibt erschöpfend den Geist wieder, den der anarchische Franzose an Stelle der planmäßigen Taktik des Engländers in jede Art von Regierung einführt, um sie seinem Lebensstil anzugleichen. Infolgedessen ist es immer wieder ein zufälliger Despotismus als die praktisch brauchbarste Form dieser Anarchie, in welcher die französische Geschichte von Zeit zu Zeit überraschende, aber flüchtige Höhepunkte des Erfolges erreicht hat. Das gilt bereits von Mazarin und Richelieu, das ist seit 1789 das geheime Endziel jedes noch so kleinen politischen Klubs, das hat endlich seinen klassischen Ausdruck in der Diktatur eines landfremden Soldaten, Napoleons, gefunden. Etwas ganz Ähnliches hatte Macchiavelli für den Wirrwarr der Renaissancepolitik von Cesare Borgia erhofft. Frankreich und Italien allein haben, keine politische Idee hervorgebracht. Der Staat Ludwigs XIV. ist ein Einzelfall wie das Reich Napoleons, kein System der Dauer, und die absolute Monarchie des Barock als organische und entwicklungsfähige Form ist habsburgischen, nicht bourbonischen Ursprungs. Habsburg ist von Philipp II. bis Metternich für die Regierungsweise fast aller Höfe und Kabinette vorbildlich gewesen; der Hof des Sonnenkönigs wirkte nur auf Zeremoniell und Kostüm. Gerade die renaissancemäßige Erscheinung Napoleons ist beweisend. Nur in Florenz und Paris konnte ein erfolgreicher Truppenführer eine so untraditionelle Rolle spielen und einen Staat von so phantastischen und vergänglichen Formen aufrichten. Es gab hier keine typische Staatsform. Rousseau, der Theoretiker der politischen Anarchie, hat aus der Tatsache der fest in sich begründeten und politisch mit voller Instinktsicherheit arbeitenden englischen society den Begriff seines Gesellschaftsvertrages gezogen, der zuletzt doch die Diktatur als gelegentliche und zufällige Rettung aus dem Kunterbunt aller Einzelwillen forderte. In England hätte Napoleon im Falle einer Revolution Premierminister, in Preußen Feldmarschall, in Spanien beides werden können, und zwar mit unbeschränkter Vollmacht. Im Kostüm Karls des Großen ist er nur in Frankreich und Italien denkbar.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 61-63Spengler).

„In Preußen war nun ein wirklicher Staat in der anspruchsvollsten Bedeutung des Wortes vorhanden. Hier gab es streng genommen keinen Privatmann. Jeder, der innerhalb des mit der Exaktheit einer guten Maschine arbeitenden Systems lebte, gehörte ihm irgendwie als Glied an. Die Geschäftsführung konnte demnach auch nicht in der Hand von Privatleuten liegen, wie es der Parlamentarismus voraussetzt. Sie war ein Amt und der verantwortliche Politiker war Beamter, Diener des Ganzen. In England fielen Politik und Geschäftsinteresse zusammen; in Frankreich wurde der Schwarm von Berufspolitikern, der sich mit der Konstitution alsbald einstellte, von den Interessengruppen angeworben. In Preußen ist der reine Berufspolitiker immer eine anrüchige Erscheinung gewesen. Wenn also mit dem 19. Jahrhundert eine Demokratisierung des Staates unerläßlich wurde, so durfte sie nicht in englischen Formen erfolgen, die dem genau entgegengesetzten System entsprachen. Demokratie konnte hier nicht private Freiheit bedeuten, die mit geschäftlicher Ungebundenheit zusammenfiel und notwendig zu einer Privatpolitik führen mußte, welcher der Staat als Werkzeug diente. Wenn der Ordensgedanke »Alle für alle« (SpenglerSpengler) eine moderne Fassung erhielt, so war es nicht die Bildung von Parteien, die nach unten auf dem Wege der Wahlen alle paar Jahre einmal dem Volk das Recht gaben, für den von der Partei ernannten Kandidaten oder überhaupt nicht zu stimmen, während sie nach oben als Opposition in die Regierungsarbeit eingriffen, sondern es war das Prinzip, jedem einzelnen nach Maßgabe seiner praktischen, sittlichen, geistigen Fähigkeiten ein bestimmtes Maß von Befehl und Gehorsam anzuweisen, einen ganz persönlichen Grad und Rang von Verantwortung also, der jederzeit, wie ein Amt, widerruflich war. Dies ist das »Rätesystem«, wie es vor hundert Jahren der Freiherr von Stein geplant hatte, ein echt preußischer Gedanke, der auf den Grundsätzen der Auslese, der Mitverantwortung, der Kollegialität beruhte. Heute ist es, ganz marxistisch, in den Schmutz des Klassenegoismus gezogen worden, eine bloße Umkehr des Bildes, das Marx von der Räuberklasse der Kapitalisten englischen Stils, der Wikinger ohne Staatskontrolle gezeichnet hatte, ein Freihandelssystem von unten mit der Arbeiterschaft als society und also englisch durch und durch. Das ist Bentham, nicht Kant.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 63-64Spengler).

„Stein und seine von Kant geschulten Berater dachten an eine Organisation der Berufsstände. In einem Lande, wo Arbeit die allgemeine Pflicht und der Inhalt des Lebens sein sollte, unterscheiden sich die Menschen nach ihrer Leistung, nicht nach ihrem Besitz. Also örtliche berufsständische Körperschaften nach Maßgabe der Bedeutung dieser Berufe im Volksganzen; höhere Vertretungen bis hinauf zu einem obersten Staatsrat; jederzeit widerrufliche Mandate; also keine organisierten Parteien, keine Berufspolitiker, keine periodischen Wahlen. Diese Gedanken hat Stein zwar nicht ausgesprochen, er würde sie in dieser Fassung vielleicht bestritten haben, aber sie lagen als Keim in den Reformen, die er vorschlug, und sie wären geeignet gewesen, eine planmäßige Demokratisierung des preußischen Systems durchzuführen, wie sie den eignen, nicht den englischen und französischen Instinkten entsprach und wie sie eine Auslese der gerade für dies System begabten Persönlichkeiten verbürgt hätte. Zu einem Staat gehört ein Staatsrat. Es ist das Verhältnis der Maschine zum gelernten Ingenieur. Zu einem Nichtstaat gehört der genau ebenso konstituierte geheime Rat der Einzelparteien, von denen jede jederzeit in der Lage sein muß, ihren Apparat als Regierung des Landes arbeiten zu lassen. England besitzt in der Tat zwei »Arbeiterräte« oder Kronräte statt eines, und das ist der Sinn des Parlamentarismus. (Die Wähler haben auf die Zusammensetzung der beiden Räte nicht den geringsten Einfluß. Sie entscheiden nur, welcher von ihnen regieren soll.) Das preußische System hätte eines einzigen von stabiler Zusammensetzung bedurft.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 64-65Spengler).

„Statt dessen ist nun unter dem Eindruck der napoleonischen Ereignisse die Bewunderung englischer Einrichtungen herrschend geworden. Hardenberg, Humboldt und die andern waren »Engländer«. Statt Kant kamen Shaftesbury und Hume zu Worte. Wo eine Neuordnung von innen heraus notwendig und möglich gewesen wäre, wurde sie von außen her vollzogen. Die ganze politische Verbitterung des 19. Jahrhunderts, die grenzenlose Unfruchtbarkeit unsres Parlamentarismus an Männern, Gedanken und Leistungen, das beständige Ringen zwischen grundsätzlich feindseliger Opposition und gewaltsamem Durchdrücken rühren daher, daß eine strenge und menschlich tiefe Ordnung einem Volke auferlegt wurde, das für eine ganz andre, ebenso strenge und tiefe Ordnung begabt war. Überall, wo die altpreußische Gestaltungskraft sich an großen Gegenständen frei erproben konnte, wie in der Organisation der Syndikate und Kartelle, der Gewerkschaften, in der Sozialpolitik, hat sie gezeigt, was sie zu leisten imstande war.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 65Spengler).

„In England waren die beiden Parteien absolute Leiter der Politik gewesen. Hier aber war ein Staat vorhanden, und die Parteien, die nun der parlamentarischen Methode wegen gegründet wurden, während sich in England die Methode aus der tatsächlichen Konstitution des handeltreibenden Volkes herausgebildet hatte, traten ihm lediglich kritisch gegenüber. Es ergab sich von vornherein ein Mißverhältnis zwischen dem System, das man einführen wollte, und dem, welches vorhanden war, zwischen Absicht und Wirkung der Methode, zwischen dem Begriff und dem Wesen der Parteien. Die englische Opposition ist ein notwendiger Bestandteil der Regierung; sie arbeitet ergänzend mit. Unsre Opposition ist wirkliche Verneinung nicht nur der Gegenparteien, sondern der Regierung selbst. Das ist mit der Beseitigung der Monarchie durchaus nicht anders geworde“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 66Spengler).

„Es ist bezeichnend und verrät die Stärke des nationalen Instinkts, daß die beiden Parteien, welche man als spezifisch preußische bezeichnen darf, die konservative und die sozialistische, eine illiberale und antiparlamentarische Tendenz nie verloren haben. Sie sind beide in einem höheren Sinne sozialistisch und entsprechen damit durchaus den beiden kapitalistischen Parteien Englands. Sie erkennen eine private und parteigeschäftliche Leitung der Regierung nicht an, sondern weisen dem Ganzen die unbedingte Autorität zu, die Lebensführung des einzelnen im allgemeinen Interesse zu regeln. Es ist bezeichnend und verrät die Stärke des nationalen Instinkts, daß die beiden Parteien, welche man als spezifisch preußische bezeichnen darf, die konservative und die sozialistische, eine illiberale und antiparlamentarische Tendenz nie verloren haben. Sie sind beide in einem höheren Sinne sozialistisch und entsprechen damit durchaus den beiden kapitalistischen Parteien Englands. Sie erkennen eine private und parteigeschäftliche Leitung der Regierung nicht an, sondern weisen dem Ganzen die unbedingte Autorität zu, die Lebensführung des einzelnen im allgemeinen Interesse zu regeln. Daß dabei die einen vom monarchischen Staat, die andern vom arbeitenden Volk sprechen, ist ein Unterschied in Worten angesichts der Tatsache, daß hier jeder arbeitet und daß der Einzelwille jedesmal dem Gesamtwillen unterworfen ist. Diese beiden Parteien waren, unter dem Druck des englischen Systems, Staaten im Staate; sie waren ihrer Überzeugung nach der Staat und erkannten deshalb die Existenzberechtigung andrer Parteien als der eignen überhaupt nicht an. Schon das schließt parlamentarisches Regieren aus. Sie verleugneten den soldatischen Geist nicht; sie organisierten geschlossene, gut disziplinierte Wählerbataillone, in denen die Konservativen bessere Offiziere, die Sozialisten bessere Mannschaften waren. Sie waren auf Befehl und Gehorsam aufgebaut und faßten ihren Staat, den Hohenzollernstaat und den Zukunftsstaat ebenso auf. Freiheit war in dem einen sowenig wie indem andern »englische« Freiheit. Eine tiefe Verachtung des englisch-parlamentarischen Wesens, der Rangbestimmung durch Reichtum und Armut, durchzieht ihre nichts weniger als parlamentarische Wirksamkeit. Sie haben beide das preußische Wahlrecht mit seiner erbitternden Abstufung nach reich und arm verachtet, die Konservativen, indem sie es als Mittel gerade für gut genug hielten; aber sie verachteten im Grunde jedes Wahlsystem nach englischem Muster, weil sie wußten, daß es mit Notwendigkeit zu einer Plutokratie führt. Wer solche Systeme bezahlen kann, erntet ihre Früchte.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 66-67Spengler).

„Der Sozialismus hat in der deutschen Revolution seine schwerste Niederlage erlitten, der Gegner hat ihn dahin gebracht, seine Waffe gegen sich selbst zu kehren.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 69Spengler).

„Trotz alledem stehen die beiden großen Weltgedanken sich weiterhin gegenüber: Diktatur des Geldes oder der Organisation, die Welt als Beute oder als Staat, Reichtum oder Autorität, Erfolg oder Beruf. Die beiden sozialistischen Parteien Deutschlands müssen sich zusammenfinden gegen den Feind der gemeinsamen Idee, gegen das innere England, den kapitalistisch-parlamentarischen Liberalismus. Eine sozialistische Monarchie (Lassalle war es, der 1862 in seiner Schrift »Was nun?«  die Verbindung des preußischen Königtums mit der Arbeiterschaft zum Kampfe gegen den Liberalismus und die englische »Nachtwächtertheorie« des schwachen Staates verlangt hat) — denn der autoritative Sozialismus ist monarchisch; die verantwortungsreichste Stelle in dem ungeheuren Organismus, der Platz des ersten Dieners dieses Staates nach dem Worte Friedrichs des Großen darf dem privaten Strebertum nicht ausgeliefert werden — eine Einheit, in der jeder nach seinem sozialistischen Range, seinem Talent zur freiwilligen Disziplin aus innerer Überlegenheit, seinem organisatorischen Können, seiner Arbeitskraft, Gewissenhaftigkeit und Energie, seinem intelligenten Gemeingefühl den ihm zukommenden Platz erhält; die allgemeine Arbeitspflicht und daraufhin eine berufsständische Gliederung, die zugleich Verwaltung ist und einen obersten Verwaltungsrat statt des Parlaments besitzt — wo alle arbeiten, Offiziere, Beamte, Bauern, Bergleute, möge man ihn Arbeiterrat nennen — das ist ein Gedanke, der in der faustischen Menschenwelt langsam gereift ist und sich seinem Menschentypus längst gezüchtet hat.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 69-70Spengler).

„Parlamentarismus ... hat seine beste Zeit vor Bismarck gehabt. Es war eine alte, reife, vornehme, unendlich verfeinerte Form, die den ganzen Takt ... von guter Herkunft erforderte, um in Vollendung beherrscht zu werden. Die Voraussetzung war eine selbstverständliche Übereinstimmung in so vielen Fragen, daß Differenzen die Höflichkeit nicht in Gefahr brachten. Der parlamentarische Kampf hatte etwas von den guten Formen eines Duells unter Aristokraten an sich. Es ist wie mit der alten Musik von Bach bis Beethoven: sie beruhte auf einer vollkommenen musikalischen Kultur bis in die Fingerspitzen. Sobald die Strenge dieser Kultur nachließ, wurde die Musik barbarisch. Niemand kann heute mehr eine Fuge alten Stils mit der alten Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit der Beherrschung aller Regeln in einem Zuge hinschreiben. Und so ist es mit dem fugierten Stil der parlamentarischen Taktik. Gröbere Menschen, gröbere Fragen - und alles ist zu Ende. Aus dem Duell wird eine Schlägerei. Mit den Menschen alter Zucht gehen auch die Institutionen, die gefühlten Formen, der Takt zu Ende. Der neue Parlamentarismus wird den Kampf ums Dasein in sehr wenig gezügelten Formen und mit sehr viel schlechterem Erfolge darstellen. Das Verhältnis der Parteihäupter zur Partei, der Partei zu den Massen wird roher, durchsichtiger, ungeschminkter sein. Das ist der Anfang des Cäsarismus (Spengler). In den englischen Wahlen von 1918 ist er bereits angedeutet. Wir werden ihm ebensowenig entgehen. Er ist unser Schicksal so gut wie das römische, das chinesische, das aller reifgewordnen Zivilisationen. Aber Milliardäre oder Generale, Bankiers oder Beamte von größtem Format - das ist die ewige Frage.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 70-71 Spengler).

NACH OBEN „Marx“ (S. 71-86):

„Dieser gewaltige Endkampf der beiden germanischen Ideen wird nun von einem ganz anderen Faktor durchkreuzt: der Arbeiterfrage. ... Das Problem des »vierten Standes« taucht in jeder Kultur bei ihrem Übergang zur Zivilisisation auf. .... Aber eine Lösung der Arbeiterfrage für den Arbeiter allein und durch ihn allein gibt es nicht. Der vierte Stand an sich ist eine bloße Tatsache, keine Idee. Einer Tatsache gegenüber gibt es nur materielle Kompromisse, nicht als Wirkung und Verwirklichung irgendwelcher Ideale, sondern als strategische Resultate eines langen Ringens um den Vorteil auf Kosten andrer, das endlich zu einer Art Stillstand führt, in dem man die Lage, wie sie sich nach allen Zufälligkeiten des Kampfes endlich eingestellt hat, resigniert hinnimmt, um in ihr ein kleines Glück der Gewöhnung zu finden, ein Cinesenglück, das Glück der römischen Kaiserzeit: panem et circenses. Heute ist das schwer begreiflich, weil wir auf dem Höhepunkt der großstädtischen Massenerregung stehen und der nahe Beobachter infolge des Lärms der Schlagworte die einseitigen Aussichten des Klassenegoismus überschätzt, aber in ein, zwei Jahrhunderten wird alles vorüber sein, wenn nicht die Arbeiterbewegung in den Dienst einer allgemeinen Idee tritt. Was war von den Leidenschaften der Gracchenzeit unter Augustus noch übrig ?  Das Problem war nicht gelöst worden; es war zerfallen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 71-73 Spengler).

1. Stand 2. Stand 3. Stand 4. Stand
Urstände
Adel Geistlichkeit Bürgertum
Oberschicht Mittelschicht Unterschicht
Englisch: Oberklasse Mittelklasse Unterklasse
Marxistisch: Bourgeoisie Proletariat
„Hier setzt nun Marx ein. Er hat durch eine glänzende, mehr verblüffende als richtige Konstruktion versucht, die Tatsache zum Rang einer Idee zu erheben. Über den mächtigen Gegensatz von Wikingertum und Ordensgeist spannt er eine dünne, aber festgefügte Theorie und schafft damit ein volkstümliches Bild der Geschichte, das in der Tat die Anschauungen der Gegenwart in weitgehendem Maße beherrscht. Er stammte aus der preußischen Atmosphäre und siedelte sich in der englischen an, der Seele beider Völker aber ist er gleichmäßig fremd geblieben. Als Mensch des naturwissenschaftlichen 19. Jahrhunderts war er ein guter Materialist und ein schlechter Psychologe. Und so hat er schließlich nicht die großen Realitäten mit dem Gehalt einer Idee erfüllt, sondern die Ideen zu Begriffen, zu Interessen herabgedrückt. Statt des englischen Blutes, das er nicht in sich fühlte, erblickte er nur englische Dinge und Begriffe, und von Hegel, der ein gutes Stück preußischen Staatsdenkens repräsentierte, war ihm nur die Methode zugänglich gewesen. Und so übertrug er durch eine wahrhaft groteske Kombination den Instinktgegensatz der beiden germanischen Rassen auf den materiellen Gegensatz zweier Schichten. Er schrieb dem »Proletariat«, dem »vierten Stande«, den preußischen Gedanken des Sozialismus, und der »Bourgeoisie«, dem dritten Stande, den englischen des Kapitalismus zu. Aus diesem System erst ergab sich die feste Bedeutung der vier Begriffe, wie sie heute jedermann geläufig ist. Durch diese in ihrer Einfachheit unwiderstehlichen Schlagworte ist es ihm gelungen, die Arbeiterschaft fast aller Länder zu einer Klasse mit ausgeprägtem Klassenbewußtsein zu konsolidieren. In seiner Sprache redet, in seinen Begriffen denkt heute der vierte Stand. Proletariat war nicht mehr ein Name, sondern eine Aufgabe. Die Zukunft wurde von nun an durch ein Stück Literatur betrachtet. In der Oberflächlichkeit des Systems liegt seine Stärke. Obwohl es nach wie vor einen spanisch-kirchlichen, einen englisch-kapitalistischen und einen preußisch-autoritativen Sozialismus, und proletarische Bewegungen von anarchischem, kapitalistischem und echt sozialistischem Charakter gibt, so weiß man es doch nicht. Der Glaube an die Einheit des Ziels ist stärker als die Wirklichkeit und er haftet wie immer im Abendland an einem Buche, an dessen absoluter Wahrheit zu zweifeln ein Verbrechen ist. Das gedruckte Wort erst verbürgt dem faustischen Geiste die Wirkung in alle Fernen von Raum und Zeit. In der englischen Revolution war es die Bibel, in der französischen Rousseaus Contrat social, in der deutschen das kommunistische Manifest. Aus der Umdeutung des Gegensatzes von Rassen in den von Klassen und alter germanischer Instinkte in sehr junge Bedürfnisse großstädtischer Bevölkerungen ergibt sich nun der entscheidende Begriff des Klassenkampfes. Die horizontale Richtung der historischen Kräfte wird zur vertikalen: das ist der Sinn der materialistischen Geschichtsauffassung. Das naturwissenschaftliche Denken dieser Zeit fordert den Gegensatz von Kraft und Stoff: die Stoffe politischer Kräfte heißen Völker, die Stoffe wirtschaftlicher Kräfte heißen Klassen. Der Marxismus vertauscht den Rang der beiden Kräfte und damit auch den der beiden Stoffe. Damit erhält das Wort Klasse aber eine durchaus neue Bedeutung.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 73-74Spengler).

„Mit der ganzen psychologischen Verständnislosigkeit eines naturwissenschaftlich geschulten Kopfes von 1850 weiß Marx mit dem Unterschied von Stand und Klasse nichts anzufangen. Ein Stand ist ein ethischer Begriff, Ausdruck einer Idee. Die Privilegierten von 1789 standen dem Bürgertum als Stand gegenüber, der ein Formideal, die grandeur, die courtoisie, die innere und äußere Vornehmheit verkörperte, gleichviel was der Verfall davon übriggelassen hatte. Das Bürgertum bestritt die ethische Überlegenheit der alten vornehmen Sitte, und erst daraus folgte die Ablehnung der sozialen Vorrechte. Der englisch geschulte Verstand der Pariser setzte ihr ein andres Ideal entgegen und der französische Instinkt schuf daraus das Prinzip der Gleichheit im ethischen Sinne. Das war die neue Bedeutung des Ausdrucks »menschliche Gesellschaft«, nämlich Gleichheit und allgemeine Verbindlichkeit des sittlichen Ideals, das auf Vernunft und Natur und nicht auf Blut und Tradition beruhte.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 74-75Spengler).

„Klasse ist demgegenüber aber ein rein wirtschaftlicher Begriff und von ihm aus wird der ethisch-politische Begriff des Bürgertums von 1789 in den wirtschaftlichen von 1850 umgekehrt. Das Standesideal ist zum Klasseninteresse geworden. Nur in England waren die Klassen schon längst nach dem Reichtum abgestuft. Die Mittelklasse umfaßte die, welche von ihrer Arbeit lebten, ohne arm zu sein. Die Oberklasse war reich, ohne zu arbeiten. Die Unterklasse arbeitete und war arm. In Preußen aber war es die Stellung, ein Mehr oder Weniger von Befehl und Gehorsam, das die Klassen schied. Hier gab es neben dem Bauernstand eine Beamtenklasse, also überhaupt keine wirtschaftliche, sondern eine Einheit der Funktion. Zum Wesen des modernen Frankreich dagegen gehört das Nichtvorhandensein wirklicher Klassen. Die Nation ist eine ungeordnete Masse, aus der sich Reiche und Arme abheben, aber ohne eine Klasse zu bilden. Die ganze Nation ist eine Klasse, nicht von der Strenge germanischer Schichtungen, aber doch eine einzige.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 75Spengler).

1. Stand 2. Stand 3. Stand 4. Stand
Urstände
Adel Geistlichkeit Bürgertum
Oberschicht Mittelschicht Unterschicht
Englisch: Oberklasse Mittelklasse Unterklasse
Marxistisch: Bourgeoisie Proletariat
„Marx denkt also rein englisch. Sein Zweiklassensystem ist aus der Lage eines Händlervolkes gezogen, das seine Landwirtschaft eben dem Handel aufopferte und das nie eine staatliche Beamtenschaft mit ausgeprägtem - preußischen - Standesbewußtsein besessen hatte. Es gibt hier nur noch »Bourgeois« und »Proletarier«, Subjekte und Objekte des Geschäfts, Räuber und Beraubte, ganz wikingermäßig. Auf den Bereich des preußischen Staatsgedankens angewendet, sind diese Begriffe Unsinn. Marx wäre nicht fähig gewesen, den aus dem Prinzip »Alle für alle« (SpenglerSpengler) folgenden Gedanken, daß jeder einzelne ohne Unterschied der Stellung Diener des Ganzen, des Staates ist, von der Tatsache der englischen Industriesklaverei zu unterscheiden. Er nahm das bloße Außenbild des Preußentums: Organisation, Disziplin, Gemeinsamkeit, etwas, das von einer Einzelklasse ganz unabhängig ist, eine technische Form, den Sozialismus, um ihn als Ziel und Waffe der Arbeiterschaft in einer englisch geordneten society zu überreichen, damit sie, wiederum ganz wikingermäßig, die Rollen der Räuber und Beraubten umtauschen könne - Expropriation der Expropriateure - noch dazu mit einem sehr egoistischen Programm der Beuteteilung nach dem Siege.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 75-76Spengler).

„Eine Verlegenheit ist immer noch die genaue Definition der beiden Klassen. Bürgertum bedeutet innerhalb des marxistischen Gedankenkreises etwas ganz andres als in dem Rousseaus. Es ist ein großer Unterschied, ob man es im Gegensatz zu den Privilegierten der Feudalzeit oder vom Standpunkt der städtischen Arbeitermassen aus gebraucht. Zu den drei Ständen von 1789 gibt es dem Sinne nach keinen vierten mehr, zu dem vierten von heute keinen ersten und zweiten. Sieyès hatte die Geistlichkeit auf 80000, den Adel auf 120000, den dritten Stand auf 25 Millionen Köpfe berechnet. Demnach sei der letzte das Volk. Bourgeoisie bedeutet »alle«. Auch der französische Bauer ist Bourgeois.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 76Spengler).

„Der vierte Stand aber ist eine Minderheit und nicht einmal scharf abtrennbar, denn je nach der Bezeichnung – Handarbeiter, Industriearbeiter, Proletarier, Masse – liegen die Grenzen anders. Er wird manchmal so definiert und noch öfters so empfunden, daß er sich von Bourgeoisie recht wenig unterscheidet – es sind wieder »alle« mit Ausnahme der Unternehmer.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 76Spengler).

„Der dritte Stand war ganz eigentlich eine Negation. Er will sagen, daß es keine Stände mehr geben soll. Der vierte Stand aber hebt diese Gleichheit wieder auf. Er stellt eine einzelne Berufsklasse als maßgebend in das soziale Leben; er greift über 1789 zurück und präsentiert sich wieder als ein privilegierter Stand. Das liegt in dem Begriff Diktatur des Proletariats,[76] Herrschaft einer Klasse, die ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit durchaus nicht gewiß ist. Damit ist das Klassenziel in eine Karikatur des alten Standesideals zurückverwandelt. Es ist nur Literatur, nicht Blut und Erziehung, was aus diesen Konstruktionen spricht, aber die Lächerlichkeiten der deutschen Revolution, die Arbeiterräte als neues Oberhaus, die Erhebung des Arbeiters zum englischen Gentleman durch den Streik bei fortlaufender Lohnzahlung haben, wie zur Zeit Cromwells und Robespierres, gezeigt, daß aus Literatur vorübergehend groteske Wirklichkeit werden kann.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 76-77Spengler).

„Aber auch die Moral von Marx ist englischen Ursprungs. Der Marxismus verrät in jedem Satze, daß er aus einer theologischen und nicht aus einer politischen Denkweise stammt. (Marxismus ist Religion). Seine ökonomische Theorie ist erst die Folge eines ethischen Grundgefühls und die materialistische Geschichtsauffassung bildet nur das Schlußkapitel einer Philosophie, deren Wurzeln bis zur englischen Revolution mit ihrer seitdem für das englische Denken verbindlich gebliebenen Bibelstimmung zurückreichen. So kommt es, daß seine Grundbegriffe als moralische Gegensätze gefühlt sind. Die Worte Sozialismus und Kapitalismus bezeichnen das Gute und Böse dieser irreligiösen Religion. Der Bourgeois ist der Teufel, der Lohnarbeiter der Engel einer neuen Mythologie, und man braucht sich nur ein wenig in das vulgäre Pathos des kommunistischen Manifests zu vertiefen, um das independentische Christentum hinter der Maske zu erkennen. Die soziale Evolution ist der »Wille Gottes«. Das »Endziel« hieß früher die ewige Seligkeit, der »Zusammenbruch der bürgerlichen Gesellschaft« das jüngste Gericht. Damit lehrt Marx die Verachtung der Arbeit. Vielleicht hat er das nicht einmal gefühlt. Arbeit, harte, lange, ermüdende Arbeit ist ein Unglück, müheloser Erwerb ist ein Glück. Hinter der echt englischen Geringschätzung des Mannes, der nur seine Hände hat, um leben zu können, steht der Instinkt des Wikingers, dessen Beruf es ist, Beute zu machen und nicht - seine Segel zu flicken. Deshalb ist in England der Handarbeiter mehr Sklave als irgendwo. Er ist es moralisch; er fühlt, daß sein Erwerb ihn vom Namen eines Gentleman ausschließt. In den Begriffen Bourgeoisie und Proletariat stehen die rein englischen Wertungen von Händlergewinn und Handarbeit (*) sich gegenüber. (* Und nicht von Handarbeit und Kopfarbeit. Wie zu Tories und Whigs, hat der »Kopfarbeiter« auch zu diesen Wirtschaftsparteien Stellung zu nehmen, und im damaligen England optierte er – als Gentleman – für das Händlertum.) Das eine ist Glück, das andre Unglück, das eine vornehm, das andre gemein. Der Haß des Unglücklichen aber sagt: das erste ist der Beruf des Bösen, das zweite der des Guten. “ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 77-78 Spengler). Anmerkung

„Und so erklärt sich die Geistesverfassung von Marx, aus der seine Gesellschaftskritik hervorgegangen ist und die ihn für den echten Sozialismus so verhängnisvoll gemacht hat. Er kannte das Wesen der Arbeit nur in englischer Auffassung, als das Mittel reich zu werden, als ein Mittel ohne sittliche Tiefe, denn nur der Erfolg, das Geld, die sichtbar gewordene Gnade Gottes war von ethischer Bedeutung. Dem Engländer fehlt der Sinn für die Würde der strengen Arbeit. Sie entadelt, sie ist eine häßliche Notwendigkeit – wehe dem, der nichts hat als sie, der nichts besitzt ohne immer neue Arbeit und vor allem, der nie etwas besitzen wird. Hätte Marx den Sinn der preußischen Arbeit verstanden, der Tätigkeit um ihrer selbst willen, als Dienst im Namen der Gesamtheit, für »alle« und nicht für sich, als Pflicht, die adelt ohne Rücksicht auf die Art der Arbeit, so wäre sein Manifest vermutlich nie geschrieben worden. Aber hier unterstützt ihn sein jüdischer Instinkt, den er selbst in seiner Schrift über die Judenfrage gekennzeichnet hat. Der Fluch der körperlichen Arbeit am Anfang der Genesis, das Verbot, den Sonntag durch Arbeit zu schänden, das machte ihm das alttestamentliche Pathos des englischen Empfindens zugänglich. Und deshalb sein Haß gegen die, welche nicht zu arbeiten brauchen. Der Sozialismus Fichtes würde sie als Faulenzer verachten, als Überflüssige. Pflichtvergessene, Schmarotzer des Lebens, der Instinkt von Marx aber beneidet sie. Sie haben es gut, und deshalb soll man sich gegen sie auflehnen. Er hat dem Proletariat die Mißachtung der Arbeit eingeimpft. Seine fanatischen Jünger wollen die Vernichtuzng der ganzen Kultur, um die Menge der unentbehrlichen Arbeit möglichst herabzusetzen. Luther hat die schlichteste Werktätigkeit als gottgefällig gerühmt, Goethe die »Forderung des Tages«; vor den Augen von Marx aber schwebt das Ideal des proletarischen Phäaken, der alles mühelos besitzt - das ist der Endsinn jener Expropriation der Glückseligen. Und er hat recht dem englsicehn Instinkt gegenüber. Was der Engländer Glück nennt, der geschäfliche Erfolg, der körperliche Arbeit erspart, der den Menschen damit zum Gentleman macht, sollte allen – Engländern zukommen. Für uns ist das gemein, der Geschmack von Mob und Snob.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 78-79Spengler).

„Diese Ethik beherrscht seine ökonomischen Vorstellungen. Sein Denken ist durchaus manchesterlich; es gleicht vollkommen dem Cobdens, der gerade damals die Freihandelslehre der Whigs zum Siege führte. Marx bekämpft den Kapitalismus, der seine Rechtfertigung aus Bentham und Shaftesbury holt und sie von Adam Smith formulieren läßt; da er aber nur Kritiker ist, verneinend und unschöpferisch, so empfängt er sein Prinzip von eben der Sache, die er verneint.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 79Spengler).

Arbeit ist ihm eine Ware, keine »Pflicht«: das ist der Kern seiner Nationalökonomie. Seine Moral wird zur Geschäftsmoral. Nicht daß das Geschäft unsittlich ist, sondern daß der Arbeiter ein Narr war, es nicht zu machen, liest man zwischen den Zeilen. Und der Arbeiter hat es verstanden. der Lohkampf wird Spekulation, der Arbeiter wird Händler mit seiner Ware »Arbeit«. Das Geheimnis der berühmten Phrase vom Mehrwert ist es, daß man ihn als Beute empfindet, die der Händler der Gegenpartei davonträgt. Man gönnt sie ihm nicht. Der Klasseneogoismus ist zum Prinzip erhoben. Der Handarbeiter will nicht nur handeln, sondern er will den Markt beherrschen. Der echte Marxist ist dem Staat aus genau demselben Grunde feindlich gesinnt wie der Whig: er hindert ihn in der rücksichtslosen Verfechtung seiner privaten Geschäftsinteressen. Marxismus ist der Kapitalismus der Arbeiterschaft. Man denke an Darwin, der Marx geistig ebenso nahe steht wie Malthus und Cobden. Der Handel ist stets als Kampf ums Dasein gedacht. In der Industrie handelt der Unternehmer mit der Ware »Geld«, der Handarbeiter mit der Ware »Arbeit«. Marx möchte dem Kapital das Recht auf Privatinteressen entziehen, aber er weiß es nur durch das Recht der Arbeiter auf Privatinteressen zu ersetzen. Das ist unsozialistisch, aber echt englisch.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 79-80Spengler).

„Denn Marx ist auch darin Engländer geworden: In seinem Denken kommt der Staat nicht vor. Er denkt im Bilde der society, staatlos. Es gibt wie im politisch-parlamentarischen Dasein Englands, so im wirtschaftlichen Leben seiner Welt nur ein System zweier souveräner Parteien, nichts was über den Parteien steht. Es ist also nur Kampf, kein Schiedsgericht, nur Sieg oder Niederlage, nur die Diktatur einer der beiden Parteien denkbar. Die Diktatur der kapitalistischen, der bösen Partei, will das Manifest durch die der proletarischen, der guten, ersetzen. Andre Möglichkeiten sieht Marx nicht.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 80Spengler).

„Aber der preußisch-sozialistische Staat steht jenseits von diesem gut und böse. Er ist das ganze Volk, und seiner unbedingten Souveränität gegenüber sind beide Parteien nur – Parteien, Minderheiten, die beide der Allgemeinheit dienen. Sozialismus ist, rein technisch gesprochen, das Beamtenprinzip. Jeder Arbeiter erhält letzten Endes den Charakter eines Beamten statt eines Händlers, jeder Unternehmer ebenso. Es gibt Industriebeamte und Handelsbeamte so gut wie militärische und Verkehrsbeamte. Das ist im größten Stile in der ägyptischen Kultur und wieder ganz anders in der chinesischen durchgeführt worden. Es ist die innere Form der politischen Zivilisation des Abendlandes und schon in den gotischen Städten mit ihren Zünften und Gilden, schon im System gotischer Dome symbolisch ausgedrückt, wo jedes kleine Glied notwendiger Teil eines dynamischen Ganzen ist. Das hat Marx nicht verstanden. Sein Horizont und seine geistige Gestaltungskraft reichten nur so weit, um eine private Händlergesellschaft in eine private Arbeitergesellschaft umzustülpen. Als Kritiker von erstem Range, ist er als Schöpfer ohnmächtig. Sein beständiges Ausweichen vor der Frage, wie er sich denn die Regierungsform dieses riesenhaften Weltmechanismus denke, sein dilettantisches Lob des aus den besonderen Verhältnissen einer belagerten Großstadt entstandenen und auch so nicht lebensfähigen »Rätesystems« der Pariser Kommune von 1871 beweisen es. Das Schöpferische lernt man nicht. Man hat es oder hat es nicht. Die gesamte Sozialdemokratie des 19. Jahrhunderts hat nur einen Schöpfer großen Stils hervorgebracht, einen Politiker, der nicht zu schreiben, sondern zu regieren wußte: Bebel, sicher nicht die erste Intelligenz seiner Partei, aber ihr erster und einziger Organisator. Für einen Herrscher kommen ganz andre Talente in Betracht als Intelligenz im Literatensinne. Napoleon duldete keine »Bücherschreiber« um sich..“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 80-81Spengler).

1. Stand 2. Stand 3. Stand 4. Stand
Urstände
Adel Geistlichkeit Bürgertum
Oberschicht Mittelschicht Unterschicht
Englisch: Oberklasse Mittelklasse Unterklasse
Marxistisch: Bourgeoisie Proletariat
„Aus dem wirtschaftlichen Darwinismus des Engländers und dem Zweiklassensystem von Marx ergibt sich nun die natürliche Waffe im Kampf zwischen Händlertum und handelnder Arbeiterschaft: der Streik. Durch den Streik wird dem Käufer die Ware »Arbeit« verweigert. Durch den Streik der Gegnpartei, die Aussperrung, wird dem Käufer die Ware wird dem »Geld« verweigert. Eine Reservearmee von Arbeitern sichert den Käufern von Arbeit ihren Absatz. der Streik ist das unsozialistische Kennzeichen des Marxismus, das klassische Merkmal seiner Herkunft aus einer Händlerphilosophie, der Marx aus Instinkt und Gewöhnung angehörte. Im Staate ist dagegen Arbeit keine Ware, sondern eine Pflicht der Allgemeinheit gegenüber, und es gibt - das ist preußische Demokratisierung - keinen Unterschied in der sittlichen Würde der Arbeit: der Richter und Gelehrte »arbeiten« so gut wie der Bergmann und Eisendreher. Es war deswegen englisch gedacht, daß in der deutschen Revolution der Handarbeiter das übrige Volk ausbeutete, indem er für möglichst wenig Arbeit möglichst viel Geld erpreßte und seine »Ware« an Bedeutung über jede andre erheben wollte. Im Kampfmittel des Streiks liegt die Voraussetzung, daß es kein Volk als Staat, sondern nur Parteien gibt. Marxistisch, also englisch ist der Gedanke des freien Lohnkampfes und nach dem Siege der proletarischen Partei die einseitig souveräne Festsetzung der Löhne.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 81-82Spengler).

Der preußische Gedanke ist die unparteiische staatliche Festsetzung des Lohnes für jede Art von Arbeit, nach Maßgabe der wirtschaftlichen Gesamtlage planmäßig abgestuft, im Interesse des Gesamtvolkes und nicht einer einzelnen Berufsklasse. Das ist das Prinzip der Beamtengehaltsordnung, auf alle Arbeitenden angewandt. Es schließt das Verbot des Streiks als eines antistaatlichen und händlerischen Privatmittels ein. Die Festsetzung der Löhne muß Arbeitgebern und Arbeitern entzogen und einem allgemeinen Wirtschaftsrat übertragen werden, so daß beide mit einer festen Größe zu rechnen haben, wie das bei andern Größen der Betriebsführung und Lebenshaltung längst der Fall ist. (Dabei wäre an ein System zu denken, wonach jeder Arbeitende, der Offizier und Verwaltungsbeamte so gut wie der »Handarbeiter«, ein Konto bei einer Art Staats- und Sparbank hat, welcher die Einheitsbeträge von den zur Zahlung Verpflichteten im Ganzen zu überweisen, sind. Dem einzelnen wird dann nach einem bestimmten Verteilungsmodus ein nach Dienstalter und Zahl der Familienglieder abgestufter Betrag gutgeschrieben.)“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 82Spengler).

„Der Marxismus ist gegenüber den angebornen Formen des preußisch-sozialistischen Menschen sinnlos. Er kann sie verneinen und abschwächen, aber sie werden sich endlich wie alles Lebendige und Natürliche dem Theoretischen gegenüber als stärker erweisen. Im Bereich des englischen Wesens aber ist er zu Hause; hier wird er besser verstanden als der echte Sozialismus und hier ist mit der ernsthaften Eröffnung des Zweikampfes der wirtschaftlichen Parteien der Parlamentarismus alten Stils zu Ende. Die beiden von der Oberklasse gebildeten Parteien des Reichtums waren politisch konstituiert und in wirtschaftlichen Fragen im letzten Grunde einig. Selbst der Kampf um das Freihandelssystem, in welchem um 1850, der letzten Zeit des klassischen Parlamentarismus, die Whigs siegten, wurde in vollendeten Formen ausgetragen. Tories und Whigs unterschieden sich nur, indem sie Krieg und Unterwerfung oder kaufmännische Durchdringung, den Mut oder die List des Piraten vorzogen.. Jetzt aber bildet ein wirtschaftlicher Gegensatz zwei neue Parteien – des Geldes und der Arbeit – und dieser Kampf läßt sich nicht mehr mit parlamentarischen Mitteln führen. Hier ist nicht mehr die Form, sondern die Sache bestritten, und da gibt es, wenn man sich nicht einem fremden Prinzip, dem des Staates als einer parteilosen Autorität unterwerfen will, nur die endgültige Unterdrückung der einen Wirtschaftspartei durch die andre.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 82-83Spengler).

„Marx hat nun das ohnehin stark schematische und von einem sehr fragwürdigen Blickpunkt aus aufgenommene Bild des industriellen England durch einfache Verlängerung der Perspektive über die gesamte Geschichte ausgedehnt. Er behauptet die Gültigkeit seiner wirtschaftlichen Konstruktionen für die ganze »menschliche Gesellschaft«, und zwar mit dem Zusatz, daß sie das einzig Wesenhafte im Lauf der Geschichte seien. Er gleicht darin Darwin, der ebenfalls von Malthus ausging und sein System für »alle Organismen« als gültig behauptete (Darwin), während es in der Tat nur auf die menschenähnlicheren Tiere paßt und absurd wird, wenn man Einzelheiten wie Zuchtwahl, Mimikry und Vererbung auf Spaltpilze und Korallentiere ernstlich anwendet.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 83Spengler).

„Die materialistische Geschichtsauffassung, welche die ökonomische Lage als Ursache (in der physikalischen Bedeutung des Wortes), und Religion, Recht, Sitte, Kunst, Wissenschaft als Wirkungen ansetzt, hat in diesem späten Stadium ohne Zweifel etwas Überzeugendes, weil sie sich an das Denken irreligiöser und traditionsloser Großstadtmenschen wendet: Nicht etwa, daß die wirtschaftliche Situation wirklich »Ursache«, sondern daß Kunst und Religion kraftlos, leer, äußerlich geworden sind und nun in der Tat als Schatten der einzigen kräftig entwickelten Ausdrucksform der Zeit wirken. Gerade das aber ist vor allem englisch: die Religion als »cant«, die Kunst als »comfort« der Oberklasse und als Almosen der Unterklasse (»die Kunst dem Volke«) sind mit dem englischen Lebensstil in die andern Länder gedrungen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 83-84Spengler).

„Aber Hegel steht über, sein Schüler Marx unter der Ebene historischer Tatsächlichkeit. Wenn man Hegels Metaphysik beseitigt, so erscheint ein Staatsdenker von so starkem Wirklichkeitssinn, wie die neuere Philosophie keinen zweiten aufweist. Er stellt als »Preuße« aus geistiger Wahlverwandtschaft den Staat mit derselben Sicherheit in den Mittelpunkt seiner sehr tief, beinahe goethisch gefaßten Entwicklung, wie Marx als Wahlengländer die Wirtschaft in den Mittelpunkt seiner mechanisch-darwinistischen »Evolution« (zu deutsch »Fortschritt«). Der Staat ist bei Hegel der Geschichtsbildner; Politik ist Geschichte. »Menschliche Gesellschaft« ist nicht sein Wort. Die hohen Beamten der Generation Bismarcks waren zum großen Teil strenge Hegelianer. Marx aber denkt die Geschichte ohne Staat, Geschichte als Arena von Parteien, Geschichte als Widerstreit wirtschaftlicher Privatinteressen. Materialistische Geschichtsauffassung ist englische Geschichtsauffassung, der Aspekt eines ungebundenen Wikinger- und Händlervolkes.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 84 Spengler).

„Aber die geistigen Voraussetzungen dieser Denkweise sind heute nicht mehr vorhanden. Das 19. Jahrhundert war das der Naturwissenschaft; das 20. gehört der Psychologie. Wir glauben nicht mehr an die Macht der Vernunft über das Leben. Wir fühlen, daß das Leben die Vernunft beherrscht. Menschenkenntnis ist uns wichtiger als abstrakte und allgemeine Ideale; aus Optimisten sind wir Skeptiker geworden: nicht was kommen sollte, sondern was kommen wird, geht uns an; und Herr der Tatsachen bleiben ist uns wichtiger als Sklave von Idealen werden. Die Logik des Naturbildes, die Verkettung von Ursache und Wirkung scheint uns oberflächlich; nur die Logik des Organischen, das Schicksal, der Instinkt, den man fühlt, dessen Allmacht man im Wechsel der Dinge schaut, zeugt von der Tiefe des Werdens.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 84-85Spengler).

„Der Marxismus ist eine Ideologie. Er trägt die Zeichen davon auch in seiner Geschichtseinteilung, die der Materialist vom Christentum übrig behielt, nachdem die Macht des Glaubens erloschen war. Vom Altertum über das Mittelalter zur Neuzeit führt der Weg der Evolution, an dessen Ende der verwirklichte Marxismus, das irdische Paradies steht. Es ist wertlos, dies Bild zu widerlegen. Dem mordernen Menschen einen neuen Blick zu geben, aus dem von selbst, mit Notwendigkeit ein neues Bild folgt, darauf kommt es an.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 85Spengler).

„Das Leben hat kein »Ziel«. (SpenglerSpenglerSpenglerSpenglerSpenglerSpengler). Die Menschheit hat kein »Ziel«. Das Dasein der Welt, in welcher wir auf unserm kleinen Gestirn eine kleine Episode abspinnen, ist etwas viel zu Erhabenes, als daß Erbärmlichkeiten wie »das Glück der meisten« Ziel und Zweck sein könnten. In der Zwecklosigkeit liegt die Größe des Schauspiels. So empfand es Goethe. Aber dieses Leben, das uns geschenkt ist, diese Wirklichkeit um uns, in die wir vom Schicksal gestellt sind, mit dem höchstmöglichen Gehalt erfüllen, so leben, daß wir vor uns selbst stolz sein dürfen, so handeln, daß von uns irgend etwas in dieser sich vollendenden Wirklichkeit fortlebt, das ist die Aufgabe. Wir sind nicht »Menschen an sich«. Das gehört zur vergangenen Ideologie, Weltbürgertum ist eine elende Phrase. Wir sind Menschen eines Jahrhunderts, einer Nation, eines Kreises, eines Typus. Das sind die notwendigen Bedingungen, unter denen wir dem Dasein Sinn und Tiefe verleihen können, Täter, auch durch das Wort Täter sein können. Je mehr wir diese gegebenen Grenzen füllen, desto weiter ist unsre Wirkung. Plato war Athener, Cäsar war Römer, Goethe war Deutscher: daß sie das ganz und zuerst waren, war die Voraussetzung ihrer welthistorischen Wirkung.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 85Spengler).

„Von diesem Standpunkt aus stellen wir heute, mitten in der deutschen Revolution, Marxismus und Sozialismus gegenüber. Der Sozialismus, das noch immer unverstandene Preußentum (vgl. Deutscher Ritter-OrdenKolonisation und Deutsch-Ritter-Orden) ist ein Stück Wirklichkeit höchsten Ranges, Marx ist – Literatur. Eine Literatur veraltet, eine Wirklichkeit siegt oder stirbt. Man vergleiche die sozialistische Kritik auf den internationalen Kongressen mit einer sozialistischen Tatsache, der Bebelpartei. Die Redensart, daß Ideen die Weltgeschichte machen, ist so, wie sie verstanden sein sollte, interessiertes Literatengeschwätz. Ideen spricht man nicht aus. Der Künstler schaut, der Denker fühlt, der Staatsmann und Soldat verwirklichen sie. Ideen werden nur durch das Blut, triebhaft, nicht durch abstraktes Nachdenken bewußt. Sie bezeugen ihr Dasein durch den Stil von Völkern, den Typus von Menschen, die Symbolik von Taten und Werken, und ob diese Menschen überhaupt von ihnen wissen, ob sie darüber sprechen und schreiben oder nicht, richtig oder falsch, das ist wenig wichtig. Das Leben ist das erste und letzte und das Leben hat kein System, kein Programm, keine Vernunft; es ist für sich selbst und durch sich selbst da, und die tiefe Ordnung, in der es sich verwirklicht, läßt sich nur schauen und fühlen – und dann vielleicht beschreiben, aber nicht nach gut und böse, richtig oder falsch, nützlich und wünschenswert zerlegen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 85-86Spengler).

„Deshalb ist der Marxismus keine Idee. In ihm sind sichtbare Zeichen und Formen zweier Ideen verstandesmäßig und also willkürlich zusammengestellt. Diese Denkweise ist vorübergehend. Sie war wirksam, weil jedes Volk diese Begriffe als Waffe benutzt hat. Wiederum ist es gleichgültig, ob man sie verstanden hat oder nicht. Sie wirkten, weil man bei dem Klang der Worte und der Wucht der Sätze an irgend etwas glaubte. An was – das war wiederum die unveränderliche Idee des eignen Lebens, das eigne Blut.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 86Spengler).

„Der Marxismus bricht mit der schallenden Orgie seines Versuchs zur Wirklichkeit heute zusammen. Das kommunistische Manifest tritt mit dem Jahre 1918 genau so in das Dasein einer bloßen literarischen Merkwürdigkeit wie der Contrat social mit dem Jahre 1793. Der wirkliche, instinktive Sozialismus als Ausdruck altpreußischen Wesens, literarisch nach England verirrt u d zu einer antienglischen Rheorie ausgedörrt, kehrt heute zum Bewußtsein seines Ursprungs zurück.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 86Spengler).

NACH OBEN „Die Internationale“ (S. 87-105):

„Später einmal wird man auch das mit Ironie betrachten, was heute als internationaler Sozialismus das politische Bild der Welt beherrscht.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 87Spengler).

„Im Weltkriege war es nicht nur die Entente, die sich gegen Deutschland, sondern auch der Pseudosozialismus der Ententeländer, der sich gegen den wirklichen, den preußischen, in Deutschland richtete. In der Person des Kaisers hat der echte Sozialismus sich selbst verraten, seine Herkunft, seinen Sinn, seine Stellung in der sozialistischen Welt. Bebel hätte das gefühlt und verhindert. Seine Epigonen verstanden es nicht. Heute gehen sie auf die Lügenkongresse und unterzeichnen den Versailler Vertrag im Reich der Phrase noch einmal. Der preußisch-deutsche Sozialismus hat seinen gefährlichsten Gegner nicht in dem deutschen Kapitalismus, der starke sozialistische Züge in sich trug und den er selbst erst seit 1917 in englische Formen gedrängt hat, am stärksten vielleicht durch die Lockerung der meisterhaft organisierten Gewerkschaften und die Einführung der lokalen Betriebsräte, hinter deren Zugeständnis die Mehrheitssozialisten ihren liberal-parlamentarischen Hang vor den Massen zu verbergen suchen, sondern in dem, was in der Heimat des Kapitalismus unter dem Namen Sozialismus getrieben wird. Was Engels mit seinen scharfen Augen sah, daß es nur deutschen Sozialismus gibt, das haben die heutigen Wortführer des deutschen Sozialismus vergessen und sie suchen es durch michelhafte Unterwürfigkeit den Ententesozialisten zu beweisen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 88Spengler).

„In der Tat ist der französische Sozialismus der Putsche und Sabotagen ein bloßes Gefühl der sozialen Revanche, das schon im Pariser Kommuneaufstand seine Clémenceaus gefunden hat, der englische ein Reformkapitalismus, der deutsche allein eine Weltanschauung. Der Franzose bleibt Anarchist, der Engländer liberal und vor allem ist der französische und englische Arbeiter zuerst Franzose und Engländer und erst dann, vielleicht, theoretisch, Anhänger der Internationale.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 88Spengler).

„Eine echte Internationale ist nur durch den Sieg der Idee einer Rasse über alle andern möglich und nicht durch die Auflösung aller Meinungen in eine farblose Masse. Seien wir endlich Skeptiker und werfen wir die alte Ideologie fort. Es gibt keine Versöhnungen in der wirklichen Geschichte. Wer an sie glaubt, muß ein ewiges Grauen vor dem Narrentanz der Ereignisse empfinden, und er flüchtet sich nur in eine Selbsttäuschung, wenn er meint, ihn je durch Verträge beschwören zu können. Es gibt nur ein Ende des ewigen Kämpfens, den Tod. Den Tod des einzelnen, den Völkertod, den Tod einer Kultur. Der unsrige liegt noch weit vor uns im ungewissen Dunkel des nächsten Jahrtausends. Wir Deutsche, die wir in dieses Jahrhundert gestellt sind, eingeflochten mit unserm Dasein in das der faustischen Zivilisation, haben reiche, unverbrauchte Möglichkeiten in uns und ungeheure Aufgaben vor uns. Zu der Internationale, die sich unwiderruflich vorbereitet, haben wir die Idee der Weltorganisation, des Weltstaates, die Engländer die der Welttruste und Weltausbeutung, die Franzosen nichts zu geben. Wir stehen dafür nicht mit unsern Reden, sondern mit unserrn Dasein ein. Mit dem Preußentum steht und fällt der Ordensgedanke des echten Sozialismus. Nur die Kirche trägt noch den alten spanischen Universalgedanken in sich, die Hütung und Pflege aller Völker im Schatten des Katholizismus. Aus den Tagen der Stauferzeit droht das Bild eines riesenhaften Kampfes zwischen einem politischen und einem religiösen Weltgedanken herüber. In diesem Augenblick aber triumphiert in dem britischen Löwen der dritte, der Wikingergedanke: die Welt-nicht als Staat, nicht als Kirche, sondern als Beute.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 89Spengler).

Die echte Internationale ist Imperialismus, Beherrschung der faustischen Zivilisation, also der ganzen Erde, durch ein einziges gestaltendes Prinzip, nicht durch Ausgleich und Zugeständnis, sondern durch Sieg und Vernichtung. Der Sozialismus hat den Kapitalismus und den Ultramontanismus neben und gegen sich, drei Arten sozialistischen Willens zur Macht: durch den Staat, das Geld, die Kirche. Sie haben ihre Kräfte in der politischen, wirtschaftlichen und religiösen Bewußtseinswelt, von denen jede die beiden andern sich einzuordnen sucht: das sind die schöpferischen Instinkte des preußischen, des englischen und des spanischen Menschen und sie reichen von der geistigen Kälte und Höhe der modernen Zivilisation zurück bis zu jenen frühen triebhaften Menschen ..., die sich mit Schwert und Pflug die märkischen Sümpfe unterwarfen, in ihren zerbrechlichen Kähnen das Nordmeer kreuzten und den Glaubenskampf gegen die Mauren südlich der Pyrenäen führten. Märkische, englische und spanische Gotik zeugen von einer andern Seele als die französische. Diese Instinkte sind mächtiger als alles andere und können sogar die Völker überleben, in denen sie sich sichtbare Symbole geschaffen haben. Es gab einen römischen Geist noch zu einer Zeit, wo es echte Römer nicht mehr gab. Der spanische Geist als Volk ist ohnmächtig, aber als Kirche steht er in ungebrochner Kraft da. Das sind die Wirklichkeiten, welche die Internationale der Kongresse mit den Schlagworten von Marx glaubt einebnen zu können.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 89-90Spengler).

„Das schlimmste dieser Worte heißt Kommunismus. Mit seiner Kritik wird die Kardinalfrage des Eigentums berührt. Es ist hier nicht der Ort, eine so schwierige Frage auch nur im Umriß darzulegen und die tiefen Zusammenhänge zwischen Eigentum und Ehe, Eigentum und politischem Ideal, Eigentum und Weltanschauung in ihrer ganzen symbolischen Wucht zu beleuchten. Jede der großen Kulturen hat auch hier ihre eigne Sprache. Der abendländische Gedanke des Eigentums ist von dem antiken, indischen, chinesischen weit entfernt: Eigentum ist Macht. Was nicht dynamisch wirkt, aller tote Besitz, das »Haben« an sich gilt dem echt faustischen Menschen wenig. Darin liegt das Geheimnis des produktiven Eigentums vor allem andern, der bloßen »Habe«. Die sinnliche antike Freude an angehäuften Schätzen ist unter uns selten. Der Stolz des Eroberers, des Kaufmanns und Spielers, selbst des Sammlers von Kunstwerken ruht auf dem Bewußtsein, mit seiner Beute Macht erworben zu haben. Der spanische Golddurst, der englische Landhunger richten sich auf werbenden Besitz. Gegen diesen energischen Begriff des Eigentums erhebt sich in der Renaissance und in Paris ein andrer: das Rentnerideal. Nicht Wirkung, sondern Genuß, nicht »alles«, sondern »genug«, nicht »Tat«, sondern »Leben« war das Endziel dieser Habsucht. Die Kondottieri (Anm.: die Borgias waren Spanier!) wollten ihre Fürstentümer und Schätze haben, um die müßige Kultur ihres Jahrhunderts in vollen Zügen zu genießen. Das Bankhaus der Medici, eines der ersten Europas, war weit von dem Ehrgeiz entfernt, den Weltmarkt beherrschen zu wollen. Ludwig XIV. sandte seine Generäle und Steuerpächter aus, um eine gesicherte Unterlage für das olympische Dasein eines Sonnenkönigtums zu schaffen. Der französische Adel von Versailles war durchaus von Renaissancegefühlen beherrscht. Seine Kultur war nichts weniger als dynamischer Art. Reisende Engländer wie Young waren kurz vor der Revolution erstaunt, wie schlecht er seine Güter bewirtschaftete. Es genügte ihm, wenn er sie »hatte« und wenn der Intendant die Summen für das Leben in Paris zusammenbrachte. Diese Aristokratie des 18. Jahrhunderts bildete den strengsten Gegensatz zu der tätigen, erwerbenden und erobernden englischen und preußischen. Der bloße Selbsterhaltungstrieb des französischen Reichtums hat ihn zur Beherrschung des Weltmarktes und zu echter Kolonisation selbst in den großen Augenblicken der französischen Geschichte unfähig gemacht. Aber der Grandseigneur von 1750 ist als Typus durchaus der Vorgänger des Bourgeois von 1850, jenes harmlosen Rentners, den nur nationale Eitelkeit von Zeit zu Zeit gefährlich machte und dessen Namen Marx wirklich nicht zur Bezeichnung der kapitalistischen Gesellschaft hätte verwenden sollen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 90-92Spengler).

„Denn Kapital ist das große Wort, in dem die englische Auffassung vom Eigentum liegt. Kapital bedeutet wirtschaftliche Energie; es ist die Rüstung, in der man den Kampf um den Erfolg aufnimmt. Dem französischen Kavalier und Rentner stehen hier die Börsen-, Petroleum- und Stahlkönige gegenüber, deren Genuß im Bewußtsein wirtschaftlicher Allmacht besteht. Daß eine Erkältung überall in der Welt die Kurse fallen läßt, daß ein Telegramm von drei Worten Katastrophen auf der andern Seite des Erdballs hervorruft, daß Handel und Industrie ganzer Länder im Bereich ihres persönlichen Kredits liegen, das ist ihr Begriff vom Eigentum, und zwar vom Privateigentum. Man muß das ganze Pathos des Wortes zu würdigen wissen. Der Milliardär fordert die unumschränkte Freiheit, durch seine privaten Entschlüsse mit der Weltlage nach Gefallen zu schalten, ohne einen ethischen Maßstab als den des Erfolges. Er kämpft mit allen Mitteln des Kredits und der Spekulation den Gegner auf seinem Felde nieder. Der Trust ist sein Staat, seine Armee, und der politische Staat ist nicht viel mehr als sein Agent, den er mit Kriegen, wie dem spanischen und südafrikanischen, mit Verträgen und Friedensschlüssen beauftragt. Die Vertrustung der ganzen Welt ist das Endziel dieser echten Herrenmenschen: Mag das nominelle Eigentumsrecht des Durchschnittsmenschen unangetastet bleiben, mag er sein Hab und Gut als Rentnerkapital in voller Freiheit vererben, verkaufen, verteilen, die wirtschaftliche Kraft dieser Habe als Händlerkapital wird doch von einem Zentrum aus unsichtbar in bestimmte Richtung geleitet; damit ist der Geldmagnat Eigentümer in einem höheren Sinne und ganze Völker und Staaten arbeiten unter seinem schweigenden Befehl und nach seinem allgegenwärtigen Willen. Und diesem Eigentumsbegriff, in den sich der Liberalismus des Geschäfts verkleidet hat, tritt nun der preußische entgegen: Eigentum nicht als private Beute, sondern als Auftrag der Allgemeinheit, nicht als Ausdruck und Mittel persönlicher Macht, sondern als anvertrautes Gut, für dessen Verwaltung der Eigentümer dem Staate Rechenschaft schuldig ist; der nationale Wohlstand nicht als Summe individueller Einzelvermögen, sondern die Einzelvermögen als Funktionen der wirtschaftlichen Gesamtmacht. Das große Wort Friedrichs II. muß immer wiederholt werden: Ich bin der erste Diener meines Staates. Wenn jeder einzelne diese Anschauung zu seiner eignen macht, ist der Sozialismus eine Tatsache geworden. Es gibt keinen stärkeren Gegensatz als Ludwig XIV. mit der Tatsache: Der Staat bin ich. Preußentum und Jakobinismus, sozialistischer und anarchistischher Instinkt sind, ob auf dem Thron oder in den Gassen, der stärkste überhaupt denkbare Gegensatz innerhalb des Abendlandes, und auf ihm beruht die unauslöschliche Feindschaft zwischen beiden Völkern. Napoleon hat auf St. Helena bemerkt: »Preußen war ein Hindernis für Frankreich seit den Tagen Friedrichs und wird es auch bleiben; es war das größte Hindernis in bezug auf meine Absichten für Frankreich.«“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 92-93Spengler).

„Denn in der Tat, die Form, in welcher das Revanchebedürfnis der französischen Arbeiterschaft den Besitzenden entgegentritt, ist das Gegenteil von Sozialismus: der Kommunismus im eigentlichen Sinne. Auch der Arbeiter will Rentner sein. Er haßt die Muße der andern, die er selbst auf keine Weise erreichen kann. Gleichheit des Genusses, gleiche Möglichkeit des Rentnerdaseins für jedermann ist das Ziel, das auch der berühmten, echt französischen Formel Proudhons zugrunde liegt: Eigentum ist Diebstahl. Denn hier bedeutet Eigentum nicht Macht, sondern die erworbene Möglichkeit des Genusses. Gütergemeinschaft und nicht Vergesellschaftung der Produktionsmittel, Verteilung des Reichtums (»Alles soll allen gehören«) und nicht Vertrustung der wertschaffenden Kräfte - das ist ein französisches Ideal gegen ein englisches. Und dem entspricht die sozialistische Utopie Fouriers: Auflösung der Staaten in kleine Gesellschaften, Kommunen, »Phalansterien«, die sich zusammentun, um bei möglichst geringer Arbeit einen möglichst reichen Lebensgenuß zu erzielen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 92-93Spengler).

„Was die englische Unterklasse will, um das Eigentumsideal der herrschenden Oberklasse sich zugänglich zu machen, hat Owen in einer Art von Kapitalreform zu zeichnen versucht. Aber man kennt die Macht jener Wikingerinstinkte schlecht, wenn man glaubt, daß das englisch-amerikanische Kapital auch nur einen Schritt auf dem Wege der absoluten wirtschaftlichen Weltherrschaft zurückweichen werde. Die unbedingte persönliche Freiheit und die natürliche Ungleichheit, die aus ihr auf Grund persönlicher Fähigkeiten folgt, ist die Voraussetzung. An Stelle des autoritativen Sozialismus setzt der angelsächsische Milliardär einen allerdings großartigen Privatsozialismus, eine Wohltätigkeit und Fürsorge großen Stils, in der die eigne Macht noch einmal zum Genuß und in der das empfangende Volk auch moralisch besiegt wird. Über der glänzenden Art, in welcher diese Millionen ausgegeben werden, vergißt man, wie sie erworben sind: es ist die Haltung jener alten Korsaren, die beim Festmahl in eroberter Burg den Gefangenen die Brocken ihrer Tafel zuwarfen. Diese freiwillige Preisgabe von Eigentum verstärkt die Kraft des übrigen. Und ob dieser freie Willensakt zur gesetzlichen Pflicht gemacht wird oder nicht, ist im Grunde der prinzipielle Streitpunkt zwischen den wirtschaftlichen Zukunftsparteien in England und Amerika. Man ist heute bereit, weite wirtschaftliche Gebiete, die sich nicht zur Spekulation eignen, wie Bergbau und Eisenbahn, der Regierung eines Scheinstaates zu überweisen, aber man behält die stille Macht, diese Regierung selbst durch die demokratischen Formen des Parlamentarismus, das heißt durch Bezahlung der Wahlen und Zeitungen und also durch die Anwerbung der Wähler und Leser, zu einem ausführenden Organ der eignen Geschäfte zu machen. Das ist die furchtbare Gefahr einer Versklavung der Welt durch das Händlertum. Ihr Mittel ist heute der Völkerbund, das heißt ein System von Völkern, die »Selbstregierung« nach englischer Art besitzen, das heißt in Wirklichkeit ein System von Provinzen, deren Bevölkerung von einer Händleroligarchie mit Hilfe erkaufter Parlamente und Gesetze ausgebeutet wird, wie die römische Welt durch Bestechung der Senatoren, Prokonsuln und Volkstribunen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 93-94Spengler).

„Dies werdende System hat Marx durchschaut, und dagegen richtet sich der ganze Haß seiner Gesellschaftskritik. Er will diesen englischen Begriff des allmächtigen Privateigentums stürzen, aber er weiß wiederum nichts zu formulieren als eine Verneinung: Expropriation der Expropriateure, Beraubung der Räuber. Und trotzdem ist in diesem antienglischen Prinzip das preußische enthalten: mit der vollen germanischen Achtung vor dem Eigentum doch die in ihm ruhende Macht nicht dem einzelnen, sondern der Gesamtheit, dem Staate zuzuweisen. Das heißt Sozialisierung. Sie ist mit dem sicheren Instinkt einer nicht durch Theorien verwirrten Regierung von Friedrich Wilhelm I. bis auf Bismarck, von den Kriegs- und Domänenkammern des ersten bis auf die Sozialpolitik des letzten fortschreitend entwickelt worden, bis die strenggläubigen und die abtrünnigen Marxisten der deutschen Revolution den Gedanken um die Wette verdarben. Sozialisierung heißt nicht Verstaatlichung auf dem Enteignungs- oder Diebstahlswege. Sie ist überhaupt keine Frage des nominellen Beitzes, sondern der Verwaltungstechnik. Dem Schlagwort zuliebe ohne Maß und und Ziel Betriebe aufzukaufen und sie statt der Initiative und Verantwortung ihrer Besitzer einer Verwaltung überliefern, die zuletzt alle Übersicht verlieren muß, das heißt den Sozialismus zugrunde richten. Der altpreußische Gedanke war, unter sorgfältiger Schonung des Eignetums- und Erbrechtes die gesamte Produktivkraft in ihrer Form der Gesetzgebung zu unterstellen, die persönliche Unternehmungslust, das Talent, die Energie wie den Geist eines geübten Schachspielers unter Regeln und mit der Freiheit, welche gerade die Beherrschung der Regeln gewährt, arbeiten zu lassen. Das war in weitgehendem Maße schon in den alten Kartellen und Syndikaten der Fall und das müßte sich planmäßig auf die Arbeitsweise, Arbeitswertung, Gewinnverteilung und die dienstlichen Beziehungen zwischen dem anordnenden und dem ausführenden Element ausdehnen lassen. Sozialisierung bedeutet die langsame, in Jahrzehnten erst sich vollendende Verwandlung des Arbeiters in einen Wirtschaftsbeamten, des Unternehmers in einen Verwaltungsbeamten mit sehr weitgehender Vollmacht, des Eigentums in eine Art erblichen Lehens im Sinne der alten Zeit, das mit einer gewissen Summe von Rechten und Pflichten verbunden ist. Der Wirtschaftswille bleibt frei wie der Wille des Schachspielers: nur die Wirkung nimmt einen geregelten Verlauf. Den preußischen Beamtentypus, den ersten der Welt, haben die Hohenzollern gezüchtet. Er bürgt für die Möglichkeiten einer Sozialisierung durch seine ererbten sozialistischen Fähigkeiten. Er ist seit 200 Jahren (Spengler schrieb dies 1919! HB) als Methode das, was der Sozialismus als Aufgabe ist. In diesen Typus muß der Arbeiter hineinwachsen, wenn er aufhört Marxist zu sein und dadurch beginnt Sozialist zu werden. Der »Zukunftsstaat« ist ein Beamtenstaat. Das gehört zu den unausweichlichen Endzuständen, die aus den Voraussetzungen unsrer in ihrer Richtung festgelegten Zivilisation folgen. Auch der Milliardärsozialismus würde ein Volk unvermerkt in ein Heer von Privatbeamten verwandeln. Die großen Trusts sind heute schon Privatstaaten, welche ein Protektorat über den offiziellen Staat ausüben. Preußischer Sozialismus bedeutet aber die Einordnung dieser Wirtschaftsstaaten der einzelnen Berufszweige in den Gesamtstaat. Die Streitfrage zwischen Konservativen und Proletariern ist im Grunde gar nicht die Notwendigkeit dieses autoritativ-sozialistischen Systems, dem man nur durch die Annahme des amerikanischen entgehen könnte (der Wunsch des deutschen Liberalismus), sondern die Frage des Oberbefehls. Es gibt heute scheinbar die Möglichkeiten eines Sozialismus von oben und von unten, beide in diktatorischer Form. In Wirklichkeit würden beide allmählich in dieselbe Endform auslaufen. Im Augenblick wird dies noch in dem Grade verkannt, daß beide Parteien in der Verfassung das Entscheidende sehen. Es kommt aber nicht auf Sätze, sondern auf Persönlichkeiten an. Gelingt es den Arbeiterführern nicht, in kurzer Zeit die von ihnen erforderten hohen staatsmännischen Fähigkeiten zum Vorschein zu bringen, so werden andre sie ablösen. In einer Organisation, die den Unterschied von Arbeitern und Beamten grundsätzlich aufhebt, indem sie jeden Befähigten eine geregelte Laufbahn von der Handarbeit untersten Ranges über Aufsichtsämter bis zur Leitung eines Wirtschaftskörpers eröffnet, werden unter der Hand eines gebornen Staatsmannes konservative und proletarische Endziele: die vollkommene Verstaatlichung des Witrtschaftslebens nicht durch Enteignung, sondern durch Gesetzgebung, schließlich doch zusammenfallen. Die oberste Leitung aber kann nicht republikanisch sein. Republik bedeutet heute, wenn man alle Illusionen beiseite setzt, die Käuflichkeit der ausübenden Gewalt durch das Privatkapital. Ein Fürst gehorcht der Tradition seines Hauses und der Weltanschauung seines Berufs. Mag man davon denken, wie man will: das enthebt ihn der Interessenpolitik der Parteien heutigen Schlages. Er ist ihr Schiedsrichter, und wenn in einem sozialistisch gedachten Staat die Berufsräte bis zum obersten Staatsrat eine Auslese nach praktischen Fähigkeiten sind, so kann er eine engere Auswahl nach sittlichen Eigenschaften treffen. Ein Präsident oder Premierminister oder Volksbeauftragter aber ist die Kreatur einer Partei, und eine Partei ist die Kreatur derer, die sie bezahlen. Ein Fürst ist heute der einzige Schutz einer Regierung vor dem Händlertum. Die Macht des Privatkapitals führt sozialistische und monarchistische Prinzipien zusammen. Das individualistische Eigentumsideal bedeutet Unterwerfung des Staates unter die freien Wirtschaftsmächte, das heißt Demokratie, das heißt Käuflichkeit der Regierung durch den privaten Reichtum. In einer modernen Demokratie stehen die Massenführer nicht den Führern des Kapitals, sondern dem Gelde selbst und dessen anonymer Macht gegenüber. Die Frage ist, wie viele der Führer dieser Macht widerstehen können. Wenn man wissen will, wie sich eine nicht mehr junge und deshalb von ihrer eignen Vortrefflichkeit begeisterte Demokratie in Wirklichkeit von der in ideologischen Köpfen vorhandenen unterscheidet, so lese man Sallust über Catilina und Jugurtha. Es ist kein Zweifel, daß uns Römerzustände bevorstehen, aber eine monarchisch-sozialistische Ordnung kann sie unwirksam machen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 94-97Spengler).

„Das sind die drei Eigentumsideale, die heute im Kampfe stehen: das kommunistische, das individualistische und das sozialistische mit den Endzielen der Verteilung, Vertrustung und Verwaltung des gesamten produktiven Eigentums der Welt.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 97Spengler).

„Ich habe bis jetzt von Rußland geschwiegen; mit Absicht, denn hier trennen sich nicht zwei Völker, sondern zwei Welten. Die Russen sind überhaupt kein Volk wie das deutsche und englische, sie enthalten die Möglichkeit vieler Völker der Zukunft in sich wie die Germanen der Karolingerzeit. Das Russentum ist das Versprechen einer kommenden Kultur, während die Abendschatten über dem Westen länger und länger werden. Die Scheidung zwischen russischem und abendländischem Geist kann nicht scharf genug vollzogen werden. Mag der seelische und also der religiöse, politische, wirtschaftliche Gegensatz zwischen Engländern, Deutschen, Amerikanern, Franzosen noch so tief sein, im Vergleich zum Russentum rücken sie sofort zu einer geschlossenen Welt zusammen. Wir lassen uns durch manche westlich gefärbte Bewohner russischer Städte täuschen. Der echte Russe ist uns innerlich so fremd wie ein Römer der Königszeit oder ein Chinese lange vor Konfuzius, wenn sie plötzlich unter uns erschienen. Er selbst hat das immer gewußt, wenn er zwischen dem »Mütterchen Rußland« und »Europa« eine Grenze zog.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 98Spengler).

„Für uns ist die russische Urseele, hinter Schmutz, Musik, Branntwein, Demut und seltsamer Trauer, etwas Unergründliches. Unsre Urteile, die von späten, städtischen und geistig zur Höhe gereiften Menschen einer ganz anders gearteten Kultur, sind von uns aus geformt. Was wir da »erkennen«, ist nicht diese eben erst aufdämmernde Seele, von der selbst Dostojewski nur in hilflosen Lauten redet, sondern unser geistiges Bild von ihr, das vom Oberflächen bilde russischen Lebens und russischer Geschichte bestimmt und durch unsre aus eigner innerer Erfahrung geschöpften Beziehungsworte wie Wille, Vernunft, Gemüt gefälscht ist. Dennoch ist einigen unter uns ein kaum in Worte zu fassender Eindruck von ihr vielleicht möglich, der wenigstens über die unermeßliche Kluft keinen Zweifel läßt, die zwischen ihr und uns liegt.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 98Spengler).

„Dies kindlich dumpfe und ahnungsschwere Russentum ist nun von »Europa« aus durch die aufgezwungenen Formen einer bereits männlich vollendeten, fremden und herrischen Kultur gequält, verstört, verwundet, vergiftet worden. Städte von unsrer Art, mit dem Anspruch unsrer geistigen Haltung wurden in das Fleisch dieses Volkstums gebohrt, überreife Denkweisen, Lebensansichten, Staatsideen, Wissenschaften dem unentwickelten Bewußtsein eingeimpft. Um 1700 drängt Peter der Große dem Volk den politischen Barockstil mit Kabinettsdiplomatie, Hausmachtpolitik, Verwaltung und Heer nach westlichem Muster auf; um 1800 kommen die diesen Menschen ganz unverständlichen englischen Ideen in der Fassung französischer Schriftsteller herüber, um die Köpfe der dünnen Oberschicht zu verwirren; noch vor 1900 führen die Büchernarren der russischen Intelligenz den Marxismus, ein äußerst kompliziertes Produkt westeuropäischer Dialektik ein, von dessen Hintergründen sie nicht den geringsten Begriff haben. Peter der Große hat das echt russische Zarentum zu einer Großmacht im westlichen Staatensystem umgeformt und damit seine natürliche Entwicklung verdorben, und die »Intelligenz«, selbst ein Stück des in diesen fremdartigen Städten verdorbenen echt russischen Geistes, verzerrte das primitive Denken des Landes mit seiner dunklen Sehnsucht nach eignen, in ferner Zukunft liegenden Gestaltungen wie dem Gemeinbesitz von Grund und Boden des »Mütterchen Rußland« zu kindischen und leeren Theorien im Geschmack französischer Berufsrevolutionäre. Petrinismus und Bolschewismus haben gleich sinnlos und verhängnisvoll mißverstandene Schöpfungen des Westens, wie den Hof von Versailles und die Kommune von Paris, dank der unendlichen russischen Demut und Opferfreude in starke Wirklichkeiten umgesetzt. Dennoch haften ihre Einrichtungen an der Oberfläche russischen Seins und die eine wie die andre ist der beständigen Möglichkeit plötzlichen Verschwindens und ebenso plötzlicher Wiederkehr ausgesetzt. Das Russentum selbst hat bis jetzt nur religiöse Erlebnisse gehabt, keine wirklich sozialen und politischen. Man verkennt Dostojewski, einen Heiligen in der vom Westen her erzwungenen widersinnigen und lächerlichen Gestalt eines Romanschriftstellers, wenn man seine sozialen »Probleme« anders auffaßt als seine Romanform. Sein Wirklichstes steht mehr zwischen als in den Zeilen .... Die revolutionäre Politik aber stammt lediglich von einer kleinen, nicht mehr sicher russisch empfindenden und auch der Abkunft nach kaum russischen Schicht der großen Städte und bewegt sich deshalb in den Formen von doktrinärem Zwang einerseits und instinktiver Abwehr andrerseits.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 99-100Spengler).

„Und daher jener furchtbare, tiefe, urrussische Haß gegen den Westen, das Gift im eigenen Leibe, der aus dem innerlichen Leiden Dostojewskis und den lauten Ausbrüchen Tolstois in derselben Stärke spricht wie aus dem wortlosen Empfinden des kleinen Mannes; der oft unbewußte, oft hinter einer aufrichtigen Liebe verborgene unstillbare Haß gegen alle Symbole faustischen Willens, gegen die Städte, Petersburg voran, die sich als Stützpunkte dieses Willens in das Bauerntum dieser endlosen Ebenen genistet haben, gegen Wissenschaften und Künste, das Denken, das Fühlen, den Staat, das Recht, die Verwaltung, gegen Geld, Industrie, Bildung, Gesellschaft, gegen alles. Es ist der Urhaß der Apokalypse gegen die antike Kultur, und etwas von der finsteren Erbitterung der Makkabäerzeit und viel später noch jenes Aufstandes, der zur Zerstörung von Jerusalem führte, liegt sicherlich allem Bolschewismus zugrunde. Seine doktrinären Konstruktionen würden die Wucht nicht erzeugt haben, mit welcher die Bewegung heute noch fortdauert. Er selbst wird von den Instinkten des unterirdischen Rußland gegen den Westen gedrängt, der sich zunächst in dem Petrinismus darstellte, und er wird zuletzt, als Erzeugnis dieses Petrinismus, auch noch vernichtet werden, um die innere Befreiung von »Europa« zu vollenden.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 100 Spengler).

„Der echte Russe ist ohne Unterschied Bauer, auch als Gelehrter, auch als Beamter. .... Diese Stufe haben wir vor einem Jahrtausend (Spengler schrieb dies 1919! HB) durchlebt. Wir verstehen einander nicht. Wir Westeuropäer können gar nicht mehr in Verbundenheit mit dem Urboden leben. Wenn wir aufs Land gehen, so tragen wir die Stadt mit uns samt allen ihren seelischen Bedingungen, und zwar im Blute .... Der Russe aber trägt innerlich sein Dorf in diese russischen Städte. .... Der russische Arbeiter ist trotz aller Industrieschlagworte von Mehrwert und Expropriation kein Großstadtarbeiter, kein Massenmensch wie der in Manchester, Essen und Pittsburg, sondern ein entlaufener Pflüger und Mäher mit einem Haß gegen die fremde ferne Macht, die ihn für seinen Beruf, von dem die Seele sich nicht lösen kann, verdorben hat.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 101Spengler).

„Aber der Bolschewismus ... hat als gefährliches Gift für raffinierte Geister im Westen eine größere Zukunft als im Osten.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 102 Spengler).

„Wir Menschen des Westens sind religiös fertig. In unsren Stadtseelen hat die frühe Religiosität sich längst zu »Problemen« intellektualisiert. Die Kirche ist mit dem Tridentinum vollendet. Aus dem Puritanismus ist der Kapitalismus, aus dem Pietismus der Sozialismus geworden. Die anglo-amerikanischen Sekten repräsentieren nur das Bedürfnis nervöser Geschäftsmenschen nach einer Beschäftigung des Gemüts mit theologischen Fragen. Nichts kann jämmerlicher sein als die Versuche eines gewissen Protestantismus, seinen Leichnam mit bolschewistischem Kot wieder lebendig zu reiben. Anderswo ist dasselbe mit Okkultismus und Theosophie versucht worden. Und nichts ist trügerischer als die Hoffnung, die russische Religion der Zukunft werde die westliche befruchten. Darüber sollte heute schon kein Zweifel bestehen: der russische Nihilismus richtet sich mit seinem Haß gegen Staat, Wissen, Kunst auch gegen Rom und Wittenberg, deren Geist sich in allen Formen westlicher Kultur ausgesprochen hat und in ihnen getroffen werden soll. Das Russentum wird diese Entwicklung beiseite schieben und über Byzanz wieder unmittelbar an Jerusalem anknüpfen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 102-103 Spengler).

„Damit aber ist noch einmal gesagt, wie bedeutungslos der Bolschewismus, diese blutige Karikatur westlicher Probleme, die ihrerseis einst aus westlicher Religiosität hervorgegangen sind, für die große Weltfrag ist, die der Westen heute zur Entscheidung stellt und die nur das Oberflächenrußland mit gestellt ist: die Wahl zwischen preußischer oder englischer Idee, Sozialismus oder Kapitalismus, Staat oder Parlament.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 103Spengler).

„Ich fasse zusammen. Was in diesen kurzen Ausführungen zur Sprache gekommen ist, sollte demjenigen Teil unsres Volkes, der durch Tatkraft, Selbstzucht und geistige Überlegenheit zur Führung der nächsten Generation berufen ist, ein Bild der Zeit geben, in der wir stehen, und der Richtung, in welche unsre Bestimmung uns weist.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 103Spengler).

„Wir wissen jetzt, was auf dem Spiele steht: nicht das deutsche Schicksal allein, sondern das Schicksal der gesamten Zivilisation. Es ist die entscheidende Feage nicht nur für Deutschland, sondern für die Welt, und sie muß in Deutschland für die Welt gelöst werden: soll in Zukunft der Handel den Staat oder der Staat den Handel regieren?“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 103Spengler).

Ihr gegenüber sind Preußentum und Sozialismus dasselbe. Bis jetzt haben wir das nicht eingesehen. Wir sehen es auch heute noch nicht. Die Lehre von Marx und die Klassenselbstsucht haben es verschuldet, daß beide, die sozialistische Arbeiterschaft und das konservative Element, sich wechselseitig und damit den Sozialismus mißverstanden haben.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 103Spengler).

„Heute aber ist die Gleichheit des Ziels nicht länger zu verkennen. Preußentum und Sozialismus stehen gemeinsam gegen das innere England, gegen die Weltanschauung, welche unser ganzes Leben als Volk durchdringt, lähmt und entseelt. Die Gefahr ist ungeheuer. Wehe denen, die in dieser Stunde aus Eigennutz und Unverstand fehlen! Sie werden andre und sich selbst verderben. Die Vereinigung bedeutet die Erfüllung des Hohenzollerngedankens und zugleich die Erlösung der Arbeiterschaft. Es gibt eine Rettung nur für beide oder keinen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 104 Spengler).

„Die Arbeiterschaft muß sich von den Illusionen des Marxismus befreien. Marx ist tot. Der Sozialismus als Daseinsform steht an seinem Anfang, der Sozialismus als Sonderbewegung des deutschen Proletariats aber ist zu Ende. Es gibt für den Arbeiter nur den preußischen Sozialismus oder nichts.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 104 Spengler).

„Die Konservativen müssen sich von der Selbstsucht befreien, um deren willen schon der Große Kurfürst dem Hauptmann v. Kalckstein den Kopf vor die Füße legte. Demokratie, mag man sie schätzen wie man will, ist die Form dieses Jahrhunderts, die sich durchsetzen wird. Es gibt für den Staat nur Demokratisierung oder nichts. Es gibt für die Konservativen nur bewußten Sozialismus oder Vernichtung. Aber wir brauchen die Befreiung von den Formen der englisch-französischen Demokratie. Wir haben eine eigne.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 104 Spengler).

„Der Sinn des Sozialismus ist, daß nicht der Gegensatz von reich und arm, sondern der Rang, den Leistung und Fähigkeit geben, das Leben beherrscht. Das ist unsre Freiheit, Freiheit von der wirtschaftlichen Willkür des einzelnen.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 104 Spengler).

„Was ich erhoffe, ist, daß niemand in der Tiefe bleibt, der durch seine Fähigkeiten zum Befehlen geboren ist, daß niemand befiehlt, der durch seine Begabung nicht dazu berufen war. Sozialismus bedeutet Können, nicht Wollen. Nicht der Rang der Absichten, sondern der Rang der Leistungen ist entscheidend. Ich wende mich an die Jugend. Ich rufe alle die auf, die Mark in den Knochen und Blut in den Adern haben. Erzieht euch selbst! Werdet Männer! Wir brauchen keine Ideologen mehr, kein Gerede von Bildung und Weltbürgertum und geistiger Mission der Deutschen. Wir brauchen Härte, wir brauchen eine tapfere Skepsis, wir brauchen eine Klasse von sozialistischen Herrennaturen. Noch einmal: der Sozialismus bedeutet Macht, Macht und immer wieder Macht. Pläne und Gedanken sind nichts ohne Macht. Der Weg zur Macht ist vorgezeichnet: der wertvolle Teil der deutschen Arbeiterschaft in Verbindung mit den besten Trägern des altpreußischen Staatsgefühls, beide entschlossen zur Gründung eines streng sozialistischen Staates, zu einer Demokratisierung im preußischen Sinne, beide zusammengeschmiedet durch eine Einheit des Pflichtgefühls, durch das Bewußtsein einer großen Aufgabe, durch den Willen zu gehorchen, um zu herrschen, zu sterben um zu siegen, durch die Kraft, ungeheure Opfer zu bringen, um das durchzusetzen, wozu wir geboren sind, was wir sind, was ohne uns nicht da sein würde.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 104-105Spengler).

„Wir sind Sozialisten. Wir wollen es nicht umsonst gewesen sein.“ (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 1919, S. 105Spengler).

 

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Anmerkungen:


Ducunt fata volentem, nolentem trahunt: „Den Willigen führt das Schicksal, den Unwilligen zerrt es dahin“.

Charles Darwin war Malthusianer, wie Spengler richtig erkannt hat (SpenglerSpengler). So ist z.B. in Darwins Autobiographie zu lesen: „15 Monate, nachdem ich meine Untersuchungen systematisch angefangen hatte, las ich zufällig und zur Unterhaltung Malthus' Über die Bevölkerung, und da ich hinreichend darauf vorbereitet war, den überall stattfindenden Kampf um die Existenz zu würdigen, namentlich durch lange fortgesetzte Beobachtungen über die Lebensweise von Tieren und Pflanzen, kam mir sofort der Gedanke, daß unter solchen Umständen günstige Abänderungen dazu neigen, erhalten zu werden, und ungünstige, zerstört zu werden. Das Resultat hiervon würde die Bildung neuer Arten sein. Hier hatte ich nun endlich eine Theorie, mit der ich arbeiten konnte.“ (Darwin). Der Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg (Birg): „Umso wichtiger ist es, sich zu vergegenwärtigen, daß schon seit den Anfängen der klassischen Bevölkerungstheorie ein Antagonismus zwischen der kulturtheoretischen und der biologischen Fundierung der Bevölkerungswissenschaft besteht. Anders als bei Süßmilch bilden bei Malthus biologische Reflexionen und nicht kultur- und sozialwissenschaftliche Grundtatsachen den Ausgangspunkt bei der Theorienbildung. Dabei überwiegt die biologische Sichtweise so stark, daß Charles Darwin in seinen biographischen Notizen bekannte, daß er die Idee für eine Theorie der Evolution der Lektüre von Malthus' »Bevölkerungsgesetz« verdanke. .... Malthus' biologische Argumentationsweise ...: »Im Tier- und Pflanzenreich hat die Natur den Lebenssamen mit der verschwenderischsten und freigiebigsten Hand weit umhergestreut. Dafür hat sie an Lebensraum und an Unterhaltsmitteln, die zur Ernährung nötig sind, gespart. Die Lebenskeime auf unserem Fleckchen Erde würden, falls sie ausreichend Nahrung und Platz zur Ausbreitung hätten, im Laufe einiger Jahrtausende Milionen von Welten anfüllen. Die Not als das übermächtige, alles durchdringende Naturgesetz hält sie aber innerhalb der vorgegebenen Schranken zurück. Die Pflanzen- und Tierarten schrumpfen unter diesem großen, einschränkenden Gesetz zusammen. Auch das Menschengeschlecht vermag ihm durch keinerlei Bestrebungen der Vernunft zu entkommen.« Wenn die Zahl der Nachkommen bei menschlichen Populationen ebenso wie bei Pflanzen und Tieren größer ist als die Zahl der Existenzmöglichkeiten, wie werden dann an Hand welcher Kriterien aus der Menge der Lebenden die zum Überleben bestimmten Individuen selektiert ?  Die in dieser Frage angesprochene Analogie zwischen dem Selektionsmechanismus der »checks« aufgrund des »Bevölkerungsgesetzes« und den Selektionsmechanismen in der Evolutionsbiologie bestand auch auf einem anderen wichtigen Gebiet: Alles Wirtschaften steht unter dem »kalten Stern der Knappheit«, und auch hier gab es einen Selektionsmechanismus, der die überschüssigen Marktteilnehmer zum Ausscheiden aus dem Markt zwingt, und zwar durch die Mechanismen der Konkurrenz und des Wettbewerbs auf den Güter- und Arbeitsmärkten. Aus der Sicht der Theoretiker des Wirtschaftsliberalismus mußte sich der Selektionsmechanismus der ökonomischen Konkurrenz und des Wettbewerbs auf den Wohlstand eines Gemeinwesens positiv auswirken, weil er die weniger Tüchtigen zurückdrängt und die Tüchtigen zum Zuge kommen läßt. Die Selektionstheorie hatte offensichtlich eine außerordentlich hohe Erklärungskraft: Im Falle der Biologie erklärte sie die Tendenz der Organismen zur Höherentwicklung im Verlauf der Evolution, wie Darwin auf Malthus gestützt erkannte, und im Falle der Wirtschaft die Tendenz zu wachsendem Wohlstand bei den Nationen, derern Wirtschaft sich an den Prinzipien des Marktes, der ökonomischen Konkurrenz und des Wettbewerbs orientierten.“ (Herwig Birg, Die Weltbevölkerung - Dynamik und Gefahren, 1996, S. 42-44). Man sollte nicht vergessen: „Malthus' »Bevölkerungsgesetz erfüllt keine der Voraussetzungen, die jede Theorie erfüllen sollte, um in der Wissenschaft ernstgenommen zu werden. .... Es ist sogar zu befürchten, daß der Malthusianismus nach seinem gegenwärtigen Wandel zum ökologischen Malthusianismus im 21. Jahrhundert noch verheerendere Auswirkungen haben wird als in den beiden vergangenen Jahrhunderten.“ (Ebd., S. 29-30). Schlechte Zeugnisnoten für Malthus und Darwin!

Andreas K. von Manndat hat diesen Absatz (Spengler) von Spengler „paraphrasiert“, indem er z.B. „»Marxismus« und »Chistentum« durch »Feminismus« und »Marxismus«“ und die wichtigsten der mit ihnen verbundenen Wörter ebenfalls entsprechend ersetzt hat: „Der Feminismus verrät in jedem Satze, daß er aus einer sozialistischen und nicht aus einer Denkweise der Gleichberechtigung stammt. Seine gesellschaftliche Sicht ist erst die Folge eines gleichmacherischen Grundgefühls und die Geschichtsauffassung der vorangegangenen Unterdrückung der Frau bildet nur das Schlußkapitel einer Philosophie, deren Wurzeln bis Marx' Kapital mit seiner seitdem für das linke Denken verbindlich gebliebenen Ausbeutungsopferstimmung zurückreichen. So kommt es, daß seine Grundbegriffe als antagonistische Gegensätze gefühlt sind. Die Worte Feminismus und Patriarchat bezeichnen das Gute und Böse dieser politischen Theorie. Der Mann ist der Kapitalist, die Gleichstellungsbeauftragte der Gewerkschaftsfunktionär eines neuen Klassenkampfes, und man braucht sich nur ein wenig in das zickige Pathos der Gender Mainstreaming-Verlautbarungen zu vertiefen, um den orthodoxen Marxismus hinter der Maske zu erkennen. Die Gleichstellung ist das »Paradies der Werktätigen«. Die »gendergerechte Rollenverteilung« hieß früher Kommunismus, der »Zusammenbruch des Patriarchats« die Revolution des Arbeiterstandes. Damit lehrt der Feminismus die Verachtung der Familie. Vielleicht hat er das nicht einmal gefühlt. Lebensgemeinschaft von Mann und Frau ist ein Unglück, hedonistische Vereinzelung ist ein Glück. Hinter der echt amazonenhaften Verachtung des Mannes, der über seine Kinder für die Zukunft lebt, steht der Instinkt der Lesbe, deren Begehren es ist, ihre Geschlechtsgenossinnen in das Feld ihrer Homosexualität zu ziehen.“ (Andreas K., 13. Februar 2010, 16:54 Quelltext)

 

NACH OBEN Quos Jupiter vult perdere dementat: „Wen Jupiter verderben will, dem raubt er den Verstand“.

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