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Philosophie Kategorien und Kategorienlehre (Kategorialanalyse) Philosophie

 

Die Kategorien sind einerseits die allgemeinsten Wirklichkeits-, Aussage- und Begriffsformen, also die Stammbegriffe, von denen die übrigen Begriffe ableitbar sind (Erkenntniskategorien), andererseits die Ur- und Grundformen des Seins der Erkenntnisgegenstände (Seins- oder Realkategorien). Die Erforschung der Kategorien nannte Kant transzendental. Die Erkenntnistheorie als spezialisierte Untersuchung der Erkenntnis gliedert sich in Erkenntniskritik, die von einem vorher bestehenden Erkenntnistypus ausgeht, an dem sie die vorhandenen Kenntnisse kritisch mißt, so Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft (1781), und die Erkenntnismetaphysik, die das Wesen der Erkenntnis erforscht. Kant erschütterte aber eine Art von Metaphysik, die wahrnehmungslos und bloß spekulativ-konstruktiv vorgeht, indem er ihr die Fähigkeit zu irgendeiner Wirklichkeitserkenntnis absprach. Freilich räumte er ein, daß auch die durch Erfahrung gegründete Erkenntnis nicht auf die Dinge an sich, sondern nur auf deren Erscheinungen (Phänomene) zurückgeht. Reine Gedankenkonstruktionen hinsichtlich der Dinge an sich aber sind nach Kant erst recht keine Erkenntnisse. Dies versuchte er zu beweisen an der psychologischen, kosmologischen und theologischen Idee der bisherigen scholastischen, ontologischen, rationalistischen, damit als dogmatische Scheinwissenschaft entlarvten Metaphysik und natürlichen Theologie: der Unsterblichkeit der Seele, der Entstehung der Welt, der Existenz Gottes. Vgl. unten

 

Die Kategorienlehre begründete Aristoteles, obwohl schon Platon die 4 Kategrien Identität, Unterschied, Beharrung, Veränderung kannte. Aristoteles nahm 10 (Einzel- und Allgemein) Kategorien an: Substanz, Quantität, Qualität, Relation, Ort, Zeit, Tun, Leiden, Sichverhalten (Haltung), Sichbefinden (Lage). Kant verstand unter Kategorien die Formen des Verstandes, welche die Erfahrung insofern bedingen, als sie der bloßen Wahrnehmun Erkenntnischaraker verleihen, für sich allein jedoch keinen Erkenntniswert haben. Kant stellte eine aus der entsprechenden Urteilstafel abgeleitete Kategorientafel von 12 in 4 Dreiergruppen geordneten Kategorien auf; die ersten 6 nannte er mathematische, die letzten 6 dynamische Kategorien. (). Das umfassendste und komplexeste aller bisherigen Kategoriensysteme entwickelte Hegel. Mit Schopenhauer, der von den 12 Kant-Kategorien alle bis auf die Kausalität strich, begann bereits eine gegen alle Kategorien grundsätzlich - und durch Nietzsche noch verstärkte - skeptische Philosophie (vgl. Skeptizismus bzw. Lebensphilosophie ).

Gemäß Aristoteles steht die Kategorienlehre zwischen Logik und Metaphysik. Der Name Aristoteles steht in besonderer Weise für Logik bzw. logisches Denken, denn die von ihm begründete Disziplin „Logik“ erfuhr bis ins 19. Jahrhundert kaum Veränderungen. Hier herrschte Aristoteles am längsten mit seiner auf vier Formen allgemeiner Urteile (alle sind, keiner ist, einige sind, einige sind nicht) beschränkten Prädikatenlogik. Die Logik, wie sie von Aristoteles entwickelt und in der Scholastik noch etwa ausgebaut wurde, handelt von den Bedingungen der Gültigkeit von Argumenten. Diese Bedingungen sind nach Aristoteles richtige Begriffe, Urteile, Schlüsse, Beweise bzw. Widerlegungen. Die Lehre von den Begriffen formulierte Aristoteles in der Kategorienschrift. Kategorien sind Hinblicke für die begriffliche Bestimmung von etwas. Bestimmt werden kann z.B. das, was etwas ist (Substanz), seine Menge (Qualität), die Beziehung (Relation), zudem Ort und Zeitpunkt. Erst Kant deduzierte eine „vollständige“ Tafel der Kategorien des Aristoteles - von den Urteilsformen her.

Kant konnte der Naturwissenschaft Sicherheit verschaffen: die Realität ist Meßbares, Empfindbares, kausal Erfolgendes in Raum und Zeit, aber das Ganze, diese Realität, ist nur Erscheinungswelt, Vorstellungswelt des Ich. Sie richtet sich in ihrer Erkennbarkeit nach dem Ich. Das nennt man die kopernikanische Wende in der Philosophie durch Kant. Die Dinge an sich, die Welt ohne das vorstellende Ich mit seinen Kategorien (Quantität, Qualität und Kausalität) und Anschauungsformen (Raum und Zeit), sind unerkennbar, aber eben denkbar.
Kants Tafel der
12 Kategorien:


1.) Quantität

Einheit
Vielheit
Allheit

2.) Qualität
Realität
Negation
Limitation

3.) Relation
Substanzialität
Kausalität
Wechselwirkung

4.) Modalität
Möglichkeit
Wirklichkeit
Notwendigkeit

Und nun kommt das Entscheidende: zu dieser Welt der Dinge an sich gehört auch das Ich, sofern es sich selbst nicht sinnlicher oder „intelligibler Gegenstand“ sein kann. Und das geschieht, wenn er spürt, daß er soll. Sollen kommt in der ganzen Welt nicht vor, so Kant, nur im Menschen. Hier also, in der Freiheit, im Sollen, in der Moral, ist der Punkt, wo sich das Ich hinein ins Jenseits rettet, in eine intelligible Welt. Unsterblichkeit ist Verdienst der sittlichen Anstrengung: „Wir sind und jetzt durch die Vernunft schon als in einem intelligiblen Reiche befindlich bewußt, nach dem Tode werden wir das anschauen und erkennen und dann sind wir in einer ganz anderen Welt, die aber nur der Form nach verändert ist, wo wir nämlich die Dinge erkennen, wie sie an sich selbst sind.“ (Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781).

Kierkegaard war der Meinung, daß man auch durch eine lebenslange Beschäftigung mit Logik nicht selbst zur Logik wird, sondern man „existiert selbst in anderen Kategorien“. Kierkegaard unterschied drei Existenzweisen: die ästhetische, die ethische und die religiöse, je nachdem man nach Genuß strebe, oder unabhängig vom Äußeren nach moralischen Maßstäben lebe, oder im Glauben. Später sollte Heidegger in seiner Existenzphilosophie solche Kategorien des Existierens „Existenzialien“ nennen und sein Denken dann bereits „Hermeneutik“ des Daseins heißen.

Im Abendland wurde man nach der Zeit der Verdrängung des Glaubens durch die Wissenschaft allmählich wieder darauf aufmerksam, daß auch an jeder „rein“ wissenschaftlichen Erkenntnis der Glaube einen großen Anteil hat, z.B. der Glaube an die - wenn auch nicht vollkommene - Übereinstimmung der Erkenntnis- und der Seinskategorien. Die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt im Erkenntnisprozeß besteht aus einer psychophysischen Grundrelation (a posteriori) und einer kategorialen Grundrelation (a priori) als Verhältnis zwischen Erkenntnis- und Seinskategorien. Im Wahrnehmungsakt sind beide Grundrelationen im Spiel: die kategoriale bringt die Allgemeincharaktere des Gegenstandes zum Bewußtsein, die psychophysische die individuellen Sondercharaktere. „Durch die kategoriale Grundrelation begreifen wir, wissen wir aber nicht um das Dasein; durch die psychophysische Grundrelation wissen wir um das Dasein, begreifen es aber nicht.“  (Nicolai Hartmann, Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis, 1921 **).

Kategorien, Schichten laut Nicolai Hartmann
Nicolai Hartmann kam es stets mehr auf die Seins- als auf die Erkenntniskategorien an. Erkennen bezieht sich auf ein Ansichseiendes, das vor und unabhängig von aller Erkenntnis vorhanden ist, und weist uns über das Bewußtsein hinaus zu den Erscheinungen des Wirklichen. Es handelt sich also gemäß Hartmann in der Philosophie um die Erforschung der Erscheinungswelt, die sich in verschiedenen Seinsschichten (dem Anorganischen [1], dem Organischen [2], dem Seelischen [3] und dem Geistigen [4]; vgl. Schichtenlehre) aufbaut, von denen jede höhere Schicht in der unteren wurzelt, jedoch ohne von da aus völlig determiniert zu sein. „Jede Seinsschicht hat ihren eigenen Kategorialkomplex, und zu jedem solchen gehört ein eigener Determinationstyp. Und wie die Kategorien jeder niederen Schicht in der höheren abgewandelt und um ein spezifisches Novum verstärkt wiederkehren, so natürlich auch die niederen Determinationstypen in den höheren.“ (Nicolai Hartmann, Ethik, 1926). Aber nicht umgekehrt. (Mehr). Hartmann beabsichtigte, eine „neue Ontologie“ zu begründen. Grundlegend ist die Abkehr von der subjektivistischen Tradition, die im Erkennen ein Erschaffen des Objekts sieht. Vielmehr sind Erkenntnisakte transzendent, d.h., sie weisen über sich hinaus auf einen Gegenstand. Auch Ethik und Erkenntnistheorie sind der Ontologie zugeordnet, die Hartmann als Kategorialanalyse betrieb. So ist Erkenntnis als Identität von Erkenntnis- und Seinskategorien gefaßt, die allerdings nur teilweise gegeben ist. Es bleibt in der Erkenntnis immer ein »Uberschuß« an nicht Erkennbarem. Hartmanns Fundamentalkategorien bilden drei verschiedene Gruppen:

–  Gruppe der Modalkategorien: Die Modi von Wirklichkeit, Möglichkeit und Notwendigkeit erlauben die Aufteilung in verschiedene Seinssphären, z.B. in reales (zeitliches) und ideales (zeitloses) Sein (z.B. Wesenheiten und Werte). Für die Sphäre des Realen behauptete Hartmann das Zusammenfallen von möglich, wirklich und notwendig. Hartmann unterschied die Seinsmodi Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit sowie Unmöglichkeit, Unwirklichkeit und Zufälligkeit. Das Wirkliche setzt Möglichkeit voraus. Wirklichkeit von etwas Realem setzt Notwendigkeit voraus. Die Wirklichkeit ist durch Gründe (nicht unbedingt Ursachen) determiniert (vgl. Nicolai Hartmann, Möglichkeit und Wirklichkeit, 1938, S. 44). Handlungen können beispielsweise durch Motive determiniert werden. Ideale Möglichkeit und Wirklichkeit sind widerspruchslos. Eine (ideale) geometrische Figur ist konstruierbar und damit ideal existent. (Vgl. ebd., 1938, S. 295). Abbildung

–  Gruppe der Elementarkategorien: auch sie gelten für alles Sein. Hartmann zufolge sind es: „1. Prinzip und Concretum, 2. Struktur und Modus, 3. Form und Materie, 4. Inneres und Äußeres, 5. Determination und Dependenz, 6. Qualität und Quantität, 7. Einheit und Mannigfaltigkeit, 8. Einstimmigkeit und Widerstreit, 9. Gegensatz und Dimension, 10. Diskretion und Kontinuität, 11. Substrat und Relation, 12. Element und Gefüge ....“ (Nicolai Hartmann, Der Aufbau der realen Welt, 1940, S. 230 **). Abbildung

–  „System »kategorialer Gesetze«, welche das Wesen des Prinzipseins, die Kohärenz der Kategorien innerhalb einer Schicht, die Überlagerung der Kategorienschichten und die in ihr waltende Dependenz bestimmen. - Diese kategorialen Gesetze ... bilden eine weitere Gruppe von Fundamentalkategorien. Sie bezeichnen zugleich in ihrer strukturellen Artung als »Gesetze« einen dritten Typus von Kategorien überhaupt - neben dem der »Modi« und dem der »Gegensätze«. Zugleich aber geht ihre ontologische Bedeutung weit darüber hinaus.“ (Nicolai Hartmann, Der Aufbau der realen Welt, 1940, S. 205 **).

Kategoriale Gesetzlichkeit (bei N. Hartmann)
** ** ** ** **

Das Sein ist nach den jeweils geltenden Kategorien innerhalb der Sphären noch näher in Schichten zu teilen. Das reale Sein z.B. baut sich auf in Anorganisches (1), Organisches (2), Seelisches (3) und Geistiges (4). Jede höhere Schicht überlagert die untere. Hartmann fand dabei Schichtengesetze, z.B. daß Kategorien der niedrigeren in der höheren Schichten wiederkehren, aber nicht umgekehrt. Da Kategorien in den höheren Schichten überformt werden und deren eigene Kategorien ihren Charakter bestimmen, ist Determination von unten ausgeschlossen. Vielmehr wird von oben nach unten determiniert (AbbildungMehr), wobei berücksichtigt werden muß, was in Hartmanns »Aufbau der realen Welt« über die Determination sonst noch so gesagt wird, z.B.: „Es gibt kein allgemeines Determinationsgesetz. Es gibt nur eine Gesetz der Realdetermination; dieses besagt daß in der Realsphäre alles, was wirklich ist, auch auf Grund einer vollständigen Bedigungskette notwendig ist. Es besagt aber nicht, daß auch im idealen Sein oder gar in den sekundären Sphären ein ähnliches Verhältnis durchgehender Determination bestehe. Es besagt auch nichts über die besondere Art der Realdetermination; aus ganz anderen Zusammenhängen heraus ergab sich erst, daß jede Schicht des Realen ihre besonderen Determinationsformen hat.“ (**). „Nicht als gäbe es keine Determination und keine Abhängigkeit in den anderen Sphären. Es gibt ihrer schon mancherlei, aber es ist keine durchgehende Determination, sie ist entweder sprachlich oder unvollständig, ergibt also kein einheitliches Gesetz.“ (**). „Dasselbe läßt sich auch in der Begriffssprache von »Grund und Folge« ausdrücken. Es gibt kein für alle Sphären geltendes Gesetz des zureichenden Grundes. Es gibt nur eines für die Realsphäre. Der »Gründe« freilich gibt es auch im Wesensreiche, im Logischen und in der Erkenntnis genug. Aber in diesen Sphären hat entweder nur einiges (also nicht alles) einen zureichenden Grund, oder aber die Gründe sind nicht zureichend (bestehen nicht in Totalität der Bedingungen). Das erstere entspricht der sprachlich auftretenden, das letztere der unvollständigen Determination.“ (**).
Reale Sphäre und ideale Sphäre (vgl. Nicolai Hartmann, „Der Aufbau der realen Welt“, 1940)
„Die reale Welt ..., die wir kennen, enthält ... kein zweierlei Seiendes. Es handelt sich hier gar nicht um ein Übereinander, es kann sich nur um ein Ineinander des Allgemeinen und Individuellen handeln. Das also, was unmöglich schien - daß ein Individuelles in mancherlei Hinsicht auch ein Allgemeines ist, das Allgemeine aber seine Realität nirgends anders als im Individuelle habe -, das gerade ist gefordert. Denn so allein entspricht es der Eigenart des Realseins im Gegensatz zu anderer Seinsweise: alles Reale (einerlei ob Prozeß, Gebilde oder flüchtige Kollokation) ist individuell - und zwar im strengsten Sinne sowohl der numerischen Einzigkeit als auch der Einzigartigkeit -, und dennoch hat das Allgemeine in ihm gleichfalls Realität. - .... In nichts anderem als diesem Enthaltensein des Allgemeinen im Individuellen besteht die »Realität des Allgemeinen«. Es gibt also tatsächlich kein Bestehen des Allgemeinen in der Realwelt als nur in den Einzelfällen selbst. Gesetzlichkeiten, Beschaffenheiten, Form- und Prozeßtypen haben kein anderes Sein als das des Identischen in der Verschiedenheit des Einmaligen. Identität und Verschiedenheit eben liegen nicht im Widerstreit, sondern ergänzen sich mannigfach abgestuft, indem sie sich gegenseitig in allem Seienden durchdringen. Das Allgemeine aber ist nichts anderes als die Identität einzelner Bestimmtheiten in der Verschiedenheit der anderen Bestimmtheiten. Ein Fürsich-Bestehen hat das Allgemeine nur im idealen Sein und im abstrahierenden Verstande. Real aber ist es nur in den Realfällen. Und da diese durchweg individuell sind, so darf man auch sagen: real ist das Allgemeine nur »im« Individuellen. - So stimmen die beiden Sätze ohne Widerspruch zusammen: alles Reale ist individuell, und das Allgemeine ist gleichwohl auch real. Es ist nur keine selbständige Allgemeinheit, die »neben« dem individuellen Fällen real wäre; ebenso wie es keine individuellen Fälle »neben« dem Allgemeinen gibt, sondern nur solche, die von ihm erfaßt sind. »Allgemeine Fälle« gibt es nur in den Hilfsbegriffen der Wissenschaft, nicht in der realen Welt. Das Allgemeine hat gar nicht die Form des »Falles«; es hat die Form des in der Verschiedenheit der Fälle identisch Wiederkehrenden. Die Gemeinsamkeit dieses Wiederkehrenden in den Fällen ist aber gleichwohl ebenso real wie die Verschiedenheit der nicht-wiederkehrenden Züge. - Wollte man das bestreiten, man müßte Dasein und Sosein der Realfälle auseinanderreißen und dem Dasein allein Realität vorbehalten; denn das Sosein ist stets in vielen Stücken allgemein und und nur in seiner Ganzheit einzig. Dann aber könnte die Bestimmtheit der Realfälle keine reale Bestimmtheit, die Fülle der Verhältnisse und Determinationen, auf denen sie beruht, keine Fülle von Realverhältnisse und Realdeterminationen sein. Kurz, man höbe damit nichts geringeres als die Realität des Realzusammenhanges auf.“ (Nicolai Hartmann, Der Aufbau der realen Welt, 1940, S. 376-377 [**|**|**|**]).
„Dieses Resultat der Modalanalyse ist offenbar von allergrößtem Gewicht für das Verständnis der Sachlage im Determinationsproblem. Und selbstverständlich muß es allen weiteren Erörterungen über das Kategorienpaar Determination und Dependenz zugrunde gelegt werden. Aber es läßt sich nicht leugnen: es ist ein sehr merkwürdiges Resultat. Man meinte doch immer, im idealen Sein und im Logischen sei alles notwendig, nichts zufällig, in der realen Welt aber gebe es überall den Zufall.
Kategorien, Schichten laut Nicolai Hartmann
Je höher die Schichten, desto schwächer, aber aufgrund ihres Novums
auch freier von den sie tragenden, niederen, stärkeren Schichten, von
denen sie ansonsten abhängig sind, nur eben: je höher desto weniger.
Die niederen, stärkeren Schichten sind - abgesehen von der durch
ihre Stärke (Trägerschaft) bedingten Herrschaft (Determination)
- indifferent gegenüber den höheren, schwächeren Schichten.
Kategorien, Schichten laut Nicolai Hartmann
Man glaubte also im Wesensreich sowie in dem ihm formal verwandten Reich der Urteile und Schlüsse durchgehende Determinationsketten zu erblicken, die allen besonderen Inhalt ins kleinste beherrschen; man hielt daran deswegen so fest, weil man die Wesensnotwendigkeit allein meinte, die freilich hier überall vom Allgemeinen zum Besonderen hin - also im logschen Schema »abwärts« - waltet. Individuelle Einzelfälle aber gibt es im idealen Sein nicht. Dem Realen aber sprach man diese durchgehende Determination eben darum ab, weil hier das Reich der individuellen Einzelfälle ist, und weil diese vom Allgemeinen her nur unvollständig bestimmt, in ihrer Besonderheit also ihm gegenüber in der Tat zufällig (nämlich wesenszufällig) sind.“ (**). „Dieser Gegensatz ist es, den die Modalanalyse umkehrt. Das ideale Sein ist unvollständiges Sein, und dementsprechend ist auch die Determination, die in ihm waltet, eine unvollständige. Wohl ist die Bestimmung des Besonderen vom Allgemeinen her in der Stufenleiter von genus und species eine durchgehende, aber sie betrifft in der species stets nur das Generelle, während das eigentlich Spezielle undeterminiert bleibt und dem genus gegenüber recht eigentlich zufällig bleibt. Damit fällt der Nimbus des idealen Seins - als eines Reiches der vollkommenen Notwendigkeit - von ihm ab, und ein Jahrtausende altes Vorurteil der Metaphysik hat ausgespielt.“ (**). „Und auf der anderen Seite zeigte sich, daß jene Wesenszufälligkeit der Realfälle nur relativ auf die Wesenheiten besteht, ja daß sie nichts anderes bedeutet als die Unzulänglichkeit der Wesenszüge und Wesensgesetze, das Reale zu determinieren. Deswegen aber brauchen die Realfälle nicht real zufällig zu sein. Es gibt eben in der Realsphäre noch andere Determination als die »von oben her« (vom Allgemeinen her); es gibt neben dieser »vertikalen« auch eine »horizontale« Determination, welche gerade die realen Einzelfälle und speziell die Stadien des Realprozesses miteinander verbindet. Und in dieser determinativen Horizontalverbindung ist alles Einzelne und Einmalige in seiner Besonderheit durch eine stets vollständige Kette von Bedingungen notwendig und kann nicht anders ausfallen, als es ausfällt. Es hat also seinen zureichenden Grund. Aber es hat ihn nicht in Wesenheiten und Allgemeinheiten allein, auch nicht in Kategorien oder besonderen Gesetzlichkeiten allein, sondern in der Totalität der Realzusammenhänge, die als Gesamtkollokation von Fall zu Fall andere sind.“ (**). „Das also war der alte Irrtum, daß man die »vertikale« Determination vom Allgemeinen her allein im Auge hatte. Es gibt diese freilich auch in der Realsphäre, aber sie ist hier nur ein Bruchteil der Gesamtdetermination, während sie in der idealen Sphäre allein bleibt. Realnotwendigkeit ist anders dimensioniert als Wesensnotwendigkeit; darum überkreuzt sie sich in den Realzusammenhängen reibungslos mit dieser, füllt aber zugleich deren determinative Unvollständigkeit auf. So kommt es, daß das Wesenszufällige zugleich real notwendig sein kann, daß im Realzusammenhang durchgehende Determination herrscht, während im idealen Sein das Besondere auf jeder Höhenlage zufällig bleibt.“ (**). „Es gibt zwar Bereiche des idealen Seins, auf denen die vertikale Determination außerordentlich weit in die Besonderung hineinreicht. Es sind die Gegenstandsgebiete des mathematischen Seins. Doch walten hier besondere Verhältnisse, die am kategorialen Charakter des Quantitativen haften und sich nicht verallgemeinern lassen.“ (**). „Ein besonderes Kapitel des Sphärenunterschiedes ist noch das Verhältnis der Erkenntnis zur Realdetermination. Die niederen Erkenntnisstufen fassen wenig von ihr; Wahrnehmung und anschauliches Erleben nehemn das »Tatsächliche« gemeinhin als Wirkliches ohne Notwendigkeit. Die Realdetermination bleibt verborgen. Darauf beruht die Zufälligkeit, in der die unbegriffenen Ereignisse zu schweben scheinen. Das Begreifen aber, das sich auf die Zusammenhänge besinnt, hat einen weiten Weg bis zum Erfassen der Notwendigkeit. Denn es muß dazu eine Totalität von Realbedingungen zur Übersicht bringen; eine Aufgabe, die ihm nur in einfachen Fällen annähernd gelingen kann. Tatsächlich kann sich das Begreifen in diesem Dilemma nur durch den Umweg über die um vieles leichter faßbare Wesensnotwendigkeit helfen. Aber diese reicht für die Realdetermination nicht zu.“ (**). Wenden wir uns den besonderen Typen der Determination in den Schichten des Realen zu:

„Aber diese Abwandlung zu verfolgen ist nur möglich, soweit wir die besonderen Typen der Determination kennen. Und hier stoßen wir auf Grenzen, die wir nicht überschreiten können. Denn die höheren Typen - vom Reich des Organischen an aufwärts - sind, soweit wir sie nicht aus unserem eigenen menschlichen Tun kennen, in ein Dunkel gehüllt, das nicht an ihrer Kompliziertheit allein liegt, und das bisher nur in sehr bescheidenen Grenzen hat aufgehellt werden können. Von allen Typen der Realdetermination sind uns mittelbar nur zwei zugänglich: der Kausalnexus im physischen und der Finalnexus im geistigen Sein. Ohne Zweifel gibt es auch auf der Höhe des Organischen sowie auf der des Seelischen eigene Formen des Nexus und darüber hinaus noch weitere auf den höheren Stufen des geistigen Lebens. Aber für diese läßt sich nur gleichsam der ontologische Ort angeben sowie einige wenige positive Hinweise, die sich aus den besonderen Prozeßformen ergeben. Die spezielle Katagorialanalyse kann hier freilich auf Grund der Schichtenunterschiede noch manches klären. Aber auch das läßt sich einstweilen nicht vorwegnehmen.“ (**). „Immerhin ist es sychon instruktiv, sich in den Grenzen unseres Wissens ein Bild von der Mannigfaltigkeit der Determinationstypen zu machen. Auf Vollzähligkeit kann das Bild selbstverständlich keinen Anspruch erheben.
1. Die einfachste Form des Realnexus ist die Kausalität. Sie hat die Form der mit dem Zeitfluß fortlaufenden Abhängigkeit des Späteren vom Früheren, wobei jedes Stadium des Prozesses zugleich Wirkung früherer Ursachen und Ursache späterer Wirkungen ist. Sie verhindert allererst die Stadien zur Einheit eines zusammenhängenden Prozesses, gleichgültig ob die Stadien kontinuierlich aneinanderschließen oder sprunghaft sich aneinanderreihen. Grundsätzlich kommt die Kausalreihe aus der Unendlichkeit, denn vor jerder Ursache müssen weitere Ursachen liegen, und geht ins Unendliche, denn über jede Wirkung hinaus müssen weitere Wirkungen folgen. Sie führt daher zum mindesten nach rückwärts, auf die Antinomie des »ersten Gliedes« hinaus.
2. Noch auf derselben Schichthöhe tritt neben die Kausalreihe als zweite Determinationsform die Wechselwirkung des Gleichzeitigen aufeinander. Sie besagt, daß die Kausalketten nicht isoliert nebeneinander her, sondern nur in durchgehender Querverbundenheit mieinander ablaufen und sich gegenseitig beeinflussen. Das läuft auf die Einheit des Naturprozessesx (und vielleicht des Weltprozesses überhaupt) hinaus, sofern in jedem Gesamtstadium jede Teilwirkung mit durch die ganze Kollokation aller Realumstände bestimmt ist.
3.

In der Welt des Organischen reichen diese Formen der Determination nicht mehr aus. Zwar löst sich manches Rätsel am Lebensprozeß durch das Ineinandergreifen der Kausalfäden; aber die subtile Zweckmäßigkeit der Teilfunktionen füreinander, die Selbstregulation des Ganzen sowie die Wiederbildung des Organismus von der Keimzelle aus zeigen den Typus eines noch anders gearteteten Zusammenspieles, das vom Ganzen aus bestimmt ist. Vom Resultat aus sieht diese Form der Determination dem Finalnexus zum Verwechseln ähnlich, und man hat sie denn auch von altersher so verstanden. Es fehlt aber das zwecksetzende Bewußtsein; und die Wahrheit ist, daß wir die wirkliche Form der Determination in diesen innerorganischen Prozessen nicht kennen.

4. Um nichts weniger dunkel, obgleich weniger umstritten, ist die Determinationsform der psychischen Akte, die ihr Aufkommen, ihren Ablauf und ihren gegenseitigen Zusammenhang betrifft. Wenn man hier von psychischer Kausalität spricht, so ist das gewiß nicht ganz abzuzweifeln; aber es reicht nicht zu. Schon in den einfachen seelischen Reaktionen sind andere Momente mitbestimmend. Außerdem aber ist in allen Akten ein Faktor, der aus den inneren Eigentendenzen des Seelenlebens (was sollen diese sein? HB) kommt, nicht aus dem Bewußtsein (sofern dieses überhaupt zum Seelischen und eben nicht zum Geistigen gehört! HB), sondern aus seinen unterbewußten Hintergründen (was sollen diese sein? HB). Wo er ins Bewußtsein aufrückt, nimmt er die Form der Zwecktätigkeit an (und diese spricht wie das Bewußtsein für die Zugehölrigkeit zum Geistigen; HB). Wie er vor seinem Aufrücken determiniert, entzieht sich einstweilem noch aller Beurteilung.
5. Eine Stufe höher, mit dem Einsetzen der Objektivität und des personalen Geistes, haben wir dann wirklcih den Finalnexus. Er ist nicht, wie man oft gemeint hat, die einfache Umkehrung des Kausalnexus, sondern von viel komplizierterem Bau. Es beginnt mit dem Vor-Setzen des Zweckes im Bewußtsein (im Geistigen - hier ist es in meinem Sinne gesagt! HB), verläuft sodann in der Wahl der Mittel - rückwärts vom vorgesetzten Zweck aus bis auf das erste Mittel - und endet im Realprozeß der Verwirklichung des Zweckes, der rechtläufig in der Zeit abläuft und in dem dieselben Mittel als Ursachenreihe den Zweck bewirken. Da die ersten beiden Glieder dieses Zusammenhanges typische Bewußtseinsvollzüge sind, so kann es den Finalnexus nur geben, wo ein zwecksetzendes und Mittel wählendes Bewußtsein vorhanden ist.
6. Unter den vielerlei Determinationsformen, die dem gesitigen Sein eigen sind, ist die Wertdetermination eine der merkwürdigsten. Werte sind keine realen Mächte, von ihnen geht nur ein Sollen aus, die Anforderung. Aber der Mensch ist durch sein Wertgefühl empfänglich für die Anforderung; und da er zugleich des Wollens und der Verwirklichung mächtig ist, so kann er sich für sie einsetzen. Werte determinieren also nur indirekt etwas in der realen Welt, sofern ein realer Wille sich für sie entscheidet.
7. Das setzt aber eine weitere Determinationsform voraus: eben diejenige, die in der Entscheidung des Willens für oder wider die Anforderung enthalten ist. Sie besteht in einer Selbstbestimmung oder Autonomie des Willens sowohl den bestimmenden Faktoren der Realsituation als auch den Werten und ihrer Anforderung gegenüber. Ihr Problem ist das vielumstrittene der »Willensfreiheit«. Allerdings ist »Freiheit« ein mißverständlicher Ausdruck: er täuscht Unbestimmtheit vor, während es sich in Wahrheit um einen eminent positiven Faktor der Eigenbestimmung handelt.
8. Eine beosndere Rolle spielen weiterhin die hochkomplexen determinationsformen im Gemeinschaftsleben und im Geschichtsprozeß. In ihnen überlagern und durchdringen sich die niederen Formen des Nexus und liegen teilweise mit den höheren im Streit. Auch der Streit aber ist nicht regellos, er hat sein sehr bestimmtes Folgeverhältnis. Es folgt nur nicht immer das, was menschliche Zwecksetzung und Initiative in ihm vorsieht. Gleichwohl ist die Tendenz des Menschen, den Geschichtsprozeß zu gestalten, in diesem selbst ein wesentlicher Faktor.
In den Determinationstypen des Realen überwiegt die Form des Nexus, d.h. der fortlaufenden Reihe. Das entspricht der allgemeinen Seinsform des Werdens (oder der Werdensform des Seins? HB), die in den Schichten die gleiche ist und auf der Einheit der Zeitlichkeit in ihnen beruht. Zwar treten neben dem Nexus auch andere Formen auf - wie in der Wechselwirkung, in der Ganzheitsdetermination des Organischen und im Anforderungscharakter der Werte -, aber sie fügen sich doch überall der linearen( oder der zyklischen; HB) des Werdens ein.“ (**). „Es gibt aber noch andere Formen der Determination und Dependenz, die nicht auf Realverhältnisse beschränkt sind; und es gibt auch solche, die sich zwar auf das Reale erstrecken - d.h. es mitdeterminieren -, aber nicht in seine Seinsform eingespannt sind.“ (**). Gemeint sind hier z.B: „die Bestimmung des Besonderen durch das Allgemeine, die in der idealen Sphäre „die einzige durchgehende Determinationsform ist, im realen aber nur ein untergeordnetes Teilmoment der Gesamtdetermination ausmacht“ (**); „die von den Kategorien ausgehende und das Concretum generell bestimmende Determination“ (**); „die Determination ..., die von den besonderen Gesetzen einer Seinsschicht (oder auch eines engeren Seinsgebietes) ausgeht“ (**); „die Kohärenz der Kategorien, ihre gegenseitige Abhängigkeit und Implikation“ (**); „die mathematische Folge, die das Reich der reinen Größenverhältnisse, also das der Zahl und des geometrischen Raumes beherrscht, durch sie hindurch aber auch die Naturgesetzlichkeit durchsetzt“ (**); die „das ganze Reich des Realen durchziehende Determinationform hingewiesen werden, welche das Abhängigkeitsverhältnis der Seinsschichten (sowie ihrer Kategorienschichten) betrifft“ (**); jenes der Erkenntnis angehörende „Verhältnis von Grund und Folge ..., das sich weder mit dem in den Seinssphären waltenden noch auch mit der logisch-deduktiven Folge deckt “ (**) u.a..

Die Schicht des Geistes unterschied Hartmann zusätzlich in den personalen, den objektiven und den objektivierten Geist. Personaler Geist umfaßt alle individuellen Bewußtseinsakte. Objektiver Geist ist die Festigung des personalen Geistes in historisch wirksamen Strukturen wie in Erzählungen, Sitten, Recht oder Wissenschaften. Objektivierter Geist bedeutet, daß ein geistiger Gehalt an ein Realgebilde gebunden ist, z.B. an ein konkretes Kunstwerk. Jede Schicht baut auf der nächsten Stufe auf. In jeder Schicht gelten Fundamentalkategorien und spezifische Kategorien. Die Fundamentalkategorien bestehen aus drei Gruppen von Kategorien - Gruppe von Modalkategorien, Gruppe von Elementarkategorien, Gruppe von kategorialen Gesetzen -, wobei die Elementarkategorien „durchgehend paarweise, in der Form zusammengehöriger Gegensatzglieder auftreten“ (Nicolai Hartmann, Der Aufbau der realen Welt, 1940, S. 204 [**]; zur Tafel der Seinsgegensätze vgl. auch ebd., 24. Kapitel, S. 230 [**]). Sie sind elementar und nicht auf andere rückführbar. Hartmann betonte, daß seine Elementarkategorien – anders als bei Aristoteles und Kant – nicht nach einem einheitlichen Prinzip ermittelt wurden. Sie haben jedoch die grundlegende Eigenschaft, daß aus jedem Paar sich die anderen Paare schrittweise ableiten lassen. Hierdurch bildeten die Kategorien jeweils einen Aspekt eines einheitlichen Zusammenhangs ab (vgl. ebd., 1940, S. 255). Die Kategorienpaare haben in sich eine innere Bezogenheit und untereinander eine äußere Bezogenheit. Der Gehalt der Kategorien ist in den einzelnen Schichten unterschiedlich. Die Determination betrifft in der Schicht des Anorganischen die Kausalität (1), auf der des Organischen den Trieb (2), jedenfalls nach meinem Dafürhalten (Hartmann hielt sich hier bedeckt), auf der des Seelischen das Motiv (3), jedenfalls nach meinem Dafürhalten (Hartmann hielt sich hier bedeckt), und auf der des Geistigen den Grund (4) bzw. die Finalität (Finalnexus, so Hartmann [**]). AbbildungMehr

Kategoriale Gesetzlichkeit (bei N. Hartmann)
** ** ** ** **

Wie schon gesagt: Hartmann stellte kategoriale Gesetzmäßigkeiten auf, z.B.:

Höhere Schichten sind von den niedrigeren abhängig, aber nicht umgekehrt.
Kategorien sind mit dem Konkreten fest verbunden.
Kategorien bedingen sich innerhalb einer Kategorienschicht.
Kategorien aus der höheren Schicht enthalten viele der Kategorien aus der unteren Schicht, jedoch in abgewandelter Form.
• .... (Näheres: ** ** ** ** ** **).

Betrachtet man den Zusammenhang von Schichten und Kategorien, so enthalten für Hartmann viele Weltanschauungen den Grundfehler der prinzipiellen Einseitigkeit.

Aufbau des Seins gemäß Nicolai Hartmann
Ideales Sein
(zeitlos / allgemein)
Reales Sein
(zeitlich / individuell und allgemein
[im Individuellen])
Mathematische Gebilde,
Wesenheiten,
ethische Werte,
ästhetische Werte.
räumlich
nicht-räumlich
Anorganisches Organisches Seelisches Geistiges

Dreiheit einer Vierheit
Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
Auf allen Gebieten gibt es dabei nicht restlos lösbare, nicht endgültig lösbare Probleme; die eigentlich metaphysischen Probleme, die dem Problemdenken, der von Hartmann so genannten Aporetik angehören, die Grundformen des Seins (Existenz, Leben, Bewußtsein, Geist, Freiheit u.s.w.), bleiben ewig rätselhaft, unerkennbar, transintelligibel, gnoseologisch, irrational. Erst vom Problemdenken aus läßt sich zum Systemdenken vorschreiten, zur Theorie einer philosophischen Ontologie. Die Welt ist im Grunde doch nur eine Welt. Dieser Welt eine „Idee“ etwa in Form eines „Gottes“ unterzulegen, wäre laut Hartmann voreilig. Zu den metaphysischen, nicht restlos lösbaren Fragen der Philosophie gehören auch die nach des Menschen zwischen Wirklichkeit und idealer Forderung, zwischen kausaler Realdetermination und ideologischer Wertedetermination (Werte). Werte wirken nicht ohne das Zutun der Menschen final determinierend in einer kausal determinierten Welt, woraus dessen Macht über die Dinge entspringt, in den Naturverlauf einzugreifen und ihn nach seinem Willen abzuändern. Die Abbildung rechts veranschaulicht eine trialistische Sicht, in der Hartmanns vier hierarchisch aufeinander aufbauenden Schichten als „Evolutionsstufen“ (Seinsstufen) berücksichtigt sind, die in der Reihenfolge Anorganisches (1), Organisches (2), Seelisches (3) und Geistiges (4) evolutiv erschienen sind und die Gesamtwirklichkeit „vertikal“ untergliedern. Statt von „Evolutionsstufen“ kann man auch von „Persönlichkeitsschichten“ als „Niederschlag“ der Evolutionsstufen im Individuum sprechen. Zum Trialismus wird diese Weltsicht wegen der Dreiheit der „Seinsweisen“ Materie, Funktion und Bewußtsein, die in dieser Reihenfolge in der Evolution aufgetreten sind und die Gesamtwirklichkeit „horizontal“ untergliedern. Evolutionsstufen und Seinsweisen stehen „senkrecht“ aufeinander (d.h. sie sind logisch unabhängig voneinander), wodurch sechs „Welten“ als ihre Schnittstellen entstehen. Dadurch wird erkennbar, wie sehr Monismus und Dualismus sich vom Trialismus unterscheiden (Zur Überwindung von Monismus und Dualismus). Der Trialismus ist vor allem gekennzeichnet durch folgende Beziehungen: Materie, Funktion und Bewußtsein sind drei Seinsweisen der Wirklichkeit, aber Anorganisches, Organisches, Seelisches und Geistiges sind vier Evolutionsstufen. Der gemeinsame ontologische Fehler der monistischen und dualistischen Weltbilder wird vermieden: Auf der Stufe des Organischen erscheint das materiebedingte, selbst aber nicht-materielle, Etwas als organische Funktion. Auf der Stufe des Seelischen ist das bewußtseinsjenseitige Etwas die funktionale Bedingung des Bewußtseins. (Vgl. Lothar Kleine-Horst, Die trialistische Lösung des „Leib-Seele-Problems“, 2005 Lothar Kleine-Horst). Man konstituiert also eine in Philosophie und Wissenschaft bisher noch nicht einmal als Idee aufgetauchte dritte Entität: die funktionale Seinsweise (Funktion), die „zwischen“ der materialen Seinsweise (Materie) und der phänomenalen Seinsweise (Bewußtsein) liegt und ihnen gleichwertig ist (Abbildung). Durch die funktionale Seinsweise wird die Brücke gebildet, die Materie und Bewußtsein zwar voneinander trennt, was das Problem ausmacht, sie aber auch miteinander verbindet, was die Lösung des Problems ermöglicht. AbbildungBrune

Quadrialistisches Weltbild

Ein Quadrialismus entsteht, wenn man einen Trialismus, der bereits das Materie-Bewußtsein-Problem (z.B. im Monismus und im Dualismus) einer Lösung zugeführt hat, erweitert. Es wird nämlich unter Übertragung der in ihm gefundenen Symmetrien nach „oben“ zum Geistigen hin und nach „unten“ zum Anorganischen hin extrapoliert. Dabei entsteht ein System, nach dem sich die Evolution als Makroevolution der Wirklichkeit in vier Evolutionsstufen und vier „senkrecht“ auf diesen stehenden Seinsweisen vollzogen hat - und sich heute noch als Mikroevolution (Persönlichkeitsentwicklung) in jedem menschlichen Individuum vollzieht. Eine vierte Seinsweise, die „ordinale Seinsweise“, ergänzt die trialistischen drei Seinsweisen, wodurch sich das neue Weltbild als ein quadrialistisches ausweist. Demgemäß ist die Wirklichkeit ein in der Unendlichkeit geschlossenes System, d.h.
Gegebenheiten (mit Selbstreferenz) in einer Evolutionsstufe (Schicht)
Gegebenheiten (mit und ohne
Selbstreferenz [Pfeil]) in einer
Evolutionsstufe (Schicht).
ein System, das keine Beziehungen zu Gegebenheiten außerhalb seiner unterhält; außerhalb dieses Systems gibt es nichts; die Wirklichkeit ist: „Alles, was ist“. Jedes ihrer Subsysteme dagegen ist ein offenes System, weil es mit anderen Subsystemen als seinem Umfeld in Verbindung steht. Die Wirklichkeit evolviert im Quadrialismus in den vier (Haupt-)Stufen bzw. Schichten Anorganisches (1), Organisches (2), Seelisches (3), Geistiges (4) über die quadrialistischen vier Seinsweisen Ordnung, Materie, Funktion, Bewußtsein. Denn eben genau wegen dieser Vierheit der Seinsweisen ist der Quadrialismus ein quadrialistisches Modell (anders als der Trialismus, der ja wegen seiner Dreiheit der Seinsweisen ein trialistisches Modell ist). Jede Evolutionsstufe (Schicht) umfaßt zwei Seinsweisen, und jede Seinsweise durchzieht zwei Evolutionsstufen. Dadurch werden acht „Welten“ (in der Abbildung als Quadrate dargestellt) als Schnittstellen zwischen Evolutionsstufen und Seinsweisen gebildet („Acht-Welten-Modell“). Eine Primär- / Sekundärgegebenheit wirkt um so stärker, je niedrigerer die Hierarchiestufe (Evolutionsstufe oder Substufe) ist, auf der sie angesiedelt ist. Jede Primärgegebenheit ist selbstreferentiell (vgl. den jeweils rekursiven Pfeil in der kleinen Abbildung), d.h. sie repliziert und beeinflußt sich selbst (Agonismus, Autopoiese Abbildung). Die Reflexivität kann sich über mehrere Gegebenheiten erstrecken (Kreisprozeß). Von den Sekundärgegebenheiten ist nur die oberste Sekundärgegebenheit selbstreferentiell und Kreisprozesse erzeugend, denn sie ist ja zugleich unterste Gegebenheit einer die nächste Evolutionsstufe durchziehenden Primärhierarchie. Jede Primärgegebenheit beeinflußt sowohl die auf ihr aufbauende Primärgegebenheit als auch die Primärgegebenheit, auf der sie aufbaut. Dies bedeutet eine gegenseitige, z.T. nur mittelbare, Beeinflussung (Wechselwirkung) aller Primärgegebenheiten.

Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
Auf den höheren Substufen der 4. Evolutionsstufe sind „Linkswelt“ und „Rechtswelt“ zueinander und zur „Linkswelt“ der 1. Evolutionsstufe offen und gehen in gewissem Maße ineinander über. Das müßte aber nicht eckig, sondern kreisrund (vgl. „kreisrunde“ Abbildung) besser darstellbar sein. Die gesamte Wirklichkeit wird von einem Informationsstrom durchzogen - sowohl „von unten nach oben“ als auch „von oben nach unten“ (in der „eckigen“ Abbildung) oder aber sowohl „gegen den Uhrzeigersinn“ als auch „im Uhrzeigersinn“ (in der „kreisrunden“ Abbildung). In der Primärhierarchie erfolgt eine Speicherung des in der Beziehung zur Umwelt „Gelernten“: anorganisch im (ordinalen) Kosmosgedächtnis, organisch im (materialen) Artgedächtnis, seelisch im (funktionalen) Implizitgedächtnis, geistig im (phänomenalen) Explizitgedächtnis (Abbildung). Das quadrialistische Weltbild wurde entwickelt, um größtmögliche Symmetrie erkennbar zu machen. Die formale Beschreibung der Struktur läßt die Wirklichkeit tatsächlich als ein hochsymmetrisches System erscheinen: Die Evolutionsstufen sind einander isomorph, und die Seinsweisenbereiche sind einander isomorph. Denn die Beziehungen zwischen „Links-“ und „Rechtswelt“ einer Evolutionsstufe sind gegen den Austausch der Evolutionsstufe gegen eine andere weitgehend invariant, d.h. sie werden durch ihn nicht verändert, sie sind auf jede Evolutionsstufe transponierbar (Abbildung). Auch die Beziehungen „Unter-“ und „Oberwelt“ einer Seinsweise sind gegen den Austausch einer Seinsweise gegen eine andere Seinsweise invariant, d.h. sie sind auf jede andere Seinsweise transponierbar (Abbildung). Diese Symmetriebeziehungen (Isomorphie, Homologie) gestatten Vorhersagen über bis heute kaum bekannte Gesetzmäßigkeiten im System der Wirklichkeit. Damit gelten die in der Acht-Welten-Wirklichkeit gefundenen Symmetrien nicht nur, wie in der Naturwissenschaft, für Gesetze der (Voll-)Materie („Naturgesetze“), sondern für alle „Gesetze“ der Wirklichkeit. (Vgl. Lothar Kleine-Horst, Das quadrialistische Acht-Welten-Modell der Wirklichkeit, 2004 Lothar Kleine-Horst). Schon Heisenberg behauptete, daß die tiefsten Ebenen der Realität nicht in Teilchen, sondern in Symmetrien bestehen. Die Auffindung einer Symmetrie scheint sehr viel bedeutungsvoller geworden zu sein als die Entdeckung eines bestimmten Phänomens. Mehr

Die Wirklichkeit gänzlich beschreiben heißt, daß das trialistische Weltbild mit den drei Seinsweisen (Trialismus) um die ordinale Seinsweise ergänzt, also zu einem quadrialistischen Weltbild mit den vier Seinsweisen (Quadrialismus) ausgebaut werden muß; denn erst eine solche quadrialistische Struktur kann als der (Gesamt-)Wirklichkeit adäquat angesehen werden. Die evolutiv entstandenen Gegebenheiten der Wirklichkeit gehören einer der vier nacheinander auftetenden Seinsweisen an, zunächst der „ordinalen“, danach der „materialen“, danach der „funktionalen“, danach der „phänomenalen“ und schließlich wieder der „ordinalen“ Seinsweise (AbbildungAbbildung). Unter den vier Seinsweisen nimmt die ordinale Seinsweise eine Sonderstellung ein. In der „eckigen“ Abbildung erscheint sie „auseinandergerissen“ (Abbildung) und auf zwei weit auseinanderliegenden Evolutionsstufen „verteilt“ (Abbildung), nämlich auf die 1. und die 4. Evolutionsstufe (Abbildung), doch die „kreisrunde“ Abbildung behebt diesen Schein (Abbildung). Die Evolutionsstufen (Schichten) einerseits und die Seinsweisen andererseits sind einander sehr symmetrisch. Es scheint möglich zu sein, eine bisher noch nicht gelungene inhaltliche Interpretation der Struktur einer Evolutionsstufe oder einer Seinsweise dadurch zu erreichen, daß man nach Tatsachen sucht, die in solchen Beziehungen stehen, die den aus anderen Evolutionsstufen und Seinsweisen bekannten Beziehungen homolog sind, oder, indem man bestimmte Beziehungen, die man zwischen den Tatsachen vorfindet oder auch nur vermutet, in die interdisziplinäre Sprache des „Acht-Welten-Modells“ übersetzt, um auf diese Weise die inhaltliche Interpretation des zunächst formalen Modells voranzutreiben. So wie die Naturwissenschaftler die in den materialen „Gesetzen“ („Naturgesetzen“) gefundene Symmetrien verwenden, um weitere materiale „Gesetze“ zu entdecken, so können hier die in den „Wirklichkeitsgesetzen“ gefundenen und im „Acht-Welten-Modell“ beschriebenen Symmetrien verwendet werden, um weitere „Wirklichkeitsgesetze“ zu entdecken - unter ihnen vielleicht sogar solche materialen Gesetze, die selbst den Naturwissenschaftlern noch unbekannt sind. (Vgl. Lothar Kleine-Horst, Das quadrialistische Acht-Welten-Modell der Wirklichkeit, 2004 Lothar Kleine-Horst).

Entwicklung und Erwerb
(Genese und Metagenese)

Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

Läßt sich die Entwicklung (Abbildung) als Genese (Abbildung) vom Anorganischen (1) über das Organische (2), das Seelische (3) bis zum Geistigen (4), also in 1-2-3-4-Richtung beschreiben, so der Erwerb (Abbildung) als Metagenese (Abbildung) vom Geistigen (4) über das Seelische (3), das Organische (2) bis zum Anorganischen (1), also in Gegenrichtung, nämlich in 4-3-2-1-Richtung. Will man die Metagenese als Entwicklung, nämlich als geistige Entwicklung beschreiben, so ist die 4-3-2-1-Richtung auch als 1-2-3-4-Richtung beschreibbar. Ein Beispiel für die Metagenese: Geister (z.B. der Ahnen), Götter, Gott und deren Wissen, Information, Gedanken o.ä. (4 bzw. 1) teilen sich sprachlich mit, indem sie Zeichen geben (3 bzw. 2), die Auswirkungen sowohl auf die Gruppe als auch jeden Einzelnen der Gruppe haben (2 bzw. 3) und sich in physikalisch-chemischen Naturerscheinungen zeigen sollen, so der feste Glaube, das Fürwahrhalten der Menschen in sowohl phylogenetisch als auch ontogenetisch frühen Zeiten, danach seltener werdend, aber nie ganz verschwindend. Noch heute sind viele Theorien dadurch gekennzeichnet - und das trotz der seit längerem schon durch die wissenschaftliche Empirie nachvollzogenen und in Theorien eingegangenen Entwicklungen als Genese. Warum? Weil Richtung, Gegenrichtung, Gegengegenrichtung, Gegengegengegenrichtung, ... u.s.w. spiralzyklische Bewegungen der Genese mit darin eingeschlossenen Eigenrotationen der Metagenese sind: 1-2-3-4(-4[1]-3[2]-2[3]-1[4]-1[4]-2[3]-3[2]-4[1]...)-... u.s.w..

„Unser freier Wille ist der Kern des Dezisionismus, und der Nachweis dieser Freiheit ist seine Lebensfrage. Nicolai Hartmann hat diesen Nachweis mit seiner Schichtenlehre und der Analyse des Finalnexus erbracht. Hartmann geht von verschiedenen Seinskategorien aus: dem anorganischen (1), dem organischen (2), dem seelischen (3) und dem geistigen (4) Sein. Jeder Seinsstufe kommen spezifische Eigengesetzlichkeiten zu. Das kategoriale Gesetz der Wiederkehr besagt: Den Eigengesetzlichkeiten der jeweils niedrigeren Seinsstufe sind die höheren unterworfen, nie aber umgekehrt. (Hartmann). Die »höhere Idee«, hatte schon Schopenhauer vorweggenommen, »überwältigt« die vorher dagewesenen, »jedoch so, daß sie das Wesen derselben auf eine untergeordnete Weise bestehen läßt, indem sie ein Analogon davon in sich aufnimmt.« (Schopenhauer) Das geistige Leben unterliegt allen Gesetzmäßigkeiten des Anorganischen und des Organischen - ohne Chemie hätten wir schließlich keinen Körper, und ohne dessen Lebendigkeit könnten wir mit unserem Gehirn nicht denken -, aber mit chemischen und biologischen Denkkategorien allein läßt sich geistiges Leben nicht erklären. Es gehorcht eigenen Gesetzen. Hartmanns Kausalanalyse besagt nun, daß wir nur insoweit kausal determiniert sind, als wir den Naturgesetzen des Anorganischen und des Organischen unterliegen. Kein Mensch kann sich der Kausalität entziehen, die ihn stofflich geboren werden und biologisch leben läßt, mit allen notwendigen und unabänderlichen Konsequenzen. Nicht so unser geistiges Sein! Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß das geistige Leben des Menschen eine neue Art von Leben sei. (Lorenz). Seine Wesensmerkmale sind die Selbstreflexion unseres Denkens, das sich letzte Ziele setzen kann und uns final handeln läßt. Der freie Wille und seine Kraft sind von den Gesetzlichkeiten der niedrigeren Seinskategorien kausal abhängig, im übrigen aber akausal, weil sie eine Seinskategorie höherer Art verkörpern. Unser zielgerichtetes Handeln vermag Kausalfolgen niederer Seinskategorie in Gang zu setzen und das blinde Gesetz der bloßen Kausalität auszunutzen. Unsere Willensentschließung selbst ist der erste und einzige aufweisbare finale Akt in der realen Welt. Es ist unstatthaft, auf ihn die Kausalgesetze der niederen Seinsordnungen wie die des Anorganischen oder der Biologie anzuwenden. »Ein einfacher Kausaldeterminismus ist vollkommen neutral gegen das Einsetzen höherer Determination« (Hartmann): nämlich durch den menschlichen Willensakt. Es ist prinzipiell nicht kausal vorhersehbar, welchen konkreten Inhalt ein menschlicher Wille haben wird - auch wenn Herrn Schopenhauer »der Verstand stille steht« bei der Vorstellung, hier das »absolut Zufällige« am Werke zu sehen. Diese höhere Determination ist die vorausschauende, ziel- und zweckgerichtete Benutzung des bloß Kausalen durch ein Bewußtsein. Nur ein Bewußtsein kann sich ein vorher nicht existentes Geschehen vorstellen und sich zum Ziel setzen. Es kann eine Ursachenkette ersinnen, deren Sinn es sein soll, das gesetzte Ziel in der Wirklichkeit zu realisieren. Hartmann formulierte die evidente Einsicht: Nur ein Bewußtsein hat die erstaunliche Freiheit, das noch Unwirkliche beliebig weit voraus denken zu können. Final auf ein gesetztes Ziel hin zu handeln erfordert immer drei Akte: Das Bewußtsein setzt den Zweck, indem es den Zeitfluß überspringt und das Künftige vorausnimmt. Es wählt dann die notwendigen Mittel aus, dieses Ziel zu erreichen, indem es die Kausalfolge rückwärts von der Wirkung zu ihren möglichen Ursachen denkt. Schließlich wendet es diese Mittel an: Es erzeugt real eine kausale Ursachenfolge, wobei der Sinn der angewandten Mittel ist, das vorgestellte Ziel zu erreichen. (Hartmann). Finales Handeln bedient sich also immer bewußt der Kausalität, die ansonsten blind ist.“  (Klaus Kunze, Mut zur Freiheit - Ruf zur Ordnung, 1995, S. 25-26).

Man kann sagen, daß jedes Wissensgebiet seine eigenen Kategorien hat (die Kategorienlehre rechnet also mit einer sehr großen, noch nicht übersehbaren Zahl von Kategorien) und daß nur wenige überall die gleiche Funktion haben. Die Lehre, gemäß der die Kategorien der Erkenntnis zugleich die der Gegenstände sind, ist nur mit gewissen Einschränkungen zutreffend: nicht alle Seinskategorien sind im menschlichen Verstand vertreten, denn sonst gäbe es nichts Unerkennbares. Bisweilen tritt eine Kategorie an die Stelle einer anderen (z.B. in der Physik die Kausalität an die Stelle der Teleologie), bisweilen verändert sich der Inhalt einer Kategorie. „So ist im Problem der Substanz (als Beharrenden) der Erkenntnisgang von der Materie zur Energie vorgedrungen, im Problem des real Allgemeinen von der substantiellen Form zur Gesetzlichkeit, im Zeitproblem von der naiv verstandenen Zeitanschauung zur Realzeit« (Nicolai Hartmann, Ziele und Wege der Kategorialanlyse, in: Z.ph.F, II, 1948). Da die Kategorialanalyse es mit Seinsstrukturen zu tun hat, untersucht sie, wie weit sich im Einzelfall die Real- mit den Bewußtseinskategorien decken bzw. wie weit sie auseinanderklaffen (daher auch: differentielle Kategorialanalyse). Sie decken sich weitgehend im Gebiet der reinen Mathematik; denn „das ideale Sein (der mathematischen Gegenstände) hat eine Nahstellung zum Bewußtsein, die für keine andere Seinsweise gilt, und diese ist greifbar im Phänomen einer unmittelbaren (apriorischen) Gegebenheit“ (Nicolai Hartmann, a.a.O.). Sie klaffen weit auseinander im Gebiet des Organischen, weil die Lebensfunktionen dem Zugriff des Bewußtseins weitgehend entzogen sind.

 

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Anmerkungen:

Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1818, § 27, S. 166.

Nicolai Hartmann, Teleologisches Denken, 1950, S. 66 und 69.

Nicolai Hartmann, Teleologisches Denken, 1950, S. 105.

Nicolai Hartmann, Teleologisches Denken, 1950, S. 123.

Konrad Lorenz, Die Rückseite des Spiegels, 1973, S. 229.

Der Monismus ist die philosophische bzw. metaphysische Position, wonach alle Vorgänge und Phänomene der Welt auf ein einziges Grundprinzip zurückzuführen sind. Damit bezieht der Monismus die Gegenposition zu Dualismus, Trialismus, Quadrialismus ... bzw. Pluralismus, die zwei, drei, vier ... bzw. viele Grundprinzipien annehmen. Grob gesprochen lassen sich drei grobe Richtungen des Monismus feststellen: 1.) Materialismus oder Physikalismus, wonach alles Materie ist und nur physikalische oder materielle Objekte und Wirkungen real sind. Dies ist die in der Neuzeit mit Abstand populärste Ausprägung des Monismus. 2.) Idealismus oder Phänomenalismus, wonach alles Geist ist und nur geistige Vorgänge real sind. 3.) Neutraler Monismus, wonach sowohl physikalischen als auch geistigen Vorgängen ein drittes, unabhängiges Prinzip zugrunde liegt. Kleine-Horst

Der Dualismus bezeichnet mehrere philosophische bzw. metaphysische Positionen, die davon ausgehen, daß alles, was ist, in zwei einander ausschließende Arten von Entitäten oder Substanzen unterteilt ist, und die beschreiben, ob und wie Wechselwirkungen zwischen diesen Arten möglich sind. Meistens werden materielle (physikalische oder physikalisch-chemische) und immaterielle (geistige oder phänomenologische) Entitäten einander gegenübergestellt (gemäß meinem Weltbild i.e.S. ist es der Natur-Kultur-Gegensatz, aus dem mein Weltbild i.w.S. allerdings abgeleitet ist: Natur–Natur/Kultur–Kultur–Kultur/Natur bzw. Anorganisches–Organisches–Seelisches–Geistiges [vgl. Quadrialismus]). Der Dualismus wird auch Leib-Seele-Problem, Körper-Geist-Problem oder Körper-Bewußtsein-Problem genannt. Kleine-Horst

Der Trialismus ist ein dreiheitliches Weltbild. „Die Weltbilder des Monismus und Dualismus sind falsch (Kleine-Horst), ... die Wirklichkeit ist »irgendwie« anders, als sie bisher gedacht wurde. Aber wie »ist« sie? Statt vorab abstrakte Spekulationen über die möglichen Beziehungen zwischen den beiden »Etwassen« anzustellen, deren Fehlen im Monismus und Dualismus zu beanstanden ist, soll einfach ein Weltbild vorgestellt werden, in dem die beiden Etwasse gemeinsam eine bisher übersehene Entität konstituieren, womit die fehlerhaften Monismen und Dualismen durch einen realititätsadäquateren Trialismus ersetzt werden. Dabei erscheinen die bisher verschwommenen Ausdrücke als klare Begriffe von ontologischer Dignität. .... Auch ergeben sich innerhalb des trialistischen Weltbilds Symmetrien, die dem Monismus und Dualismus unbekannt sind. Zum einen umfassen alle drei Seinsweisen jeweils zwei Evolutionsstufen, was bedeutet, daß es in jeder von ihnen zwei Welten unterschiedlicher Organisationshöhe gibt. Zum anderen sind die beiden Evolutionsstufen »Leib« und »Seele« einander symmetrisch, isomorph, strukturgleich; sie umfassen zwei Seinsbereiche .... Weder monistische noch dualistische philosophische Systeme haben einen differenzierten und plausiblen Beschreibungs- und Erklärungsrahmen für eine »Leib und Seele« umfassende Leistungsfähigkeit des Menschen bereitzustellen vermocht. Dies gelang erst auf trialistischer Basis. Ontologischer Monismus und Dualismus sind damit Geschichte. .... (Quantenphysiker sind ... ganz scharf auf die Entdeckung von Symmetrien). .... Gibt es »unten« und/oder »oben« eine weitere Evolutionsstufe (oder gar deren mehrere)? (Vgl. Quadrialismus).  Wenn ja: welche? Wenn nein: warum nicht?“  (Lothar Kleine-Horst, Die trialistische Lösung des „Leib-Seele-Problems“, 2005 Lothar Kleine-Horst). Zum Verständnis: Mit „Leib“ ist das gemeint, was ich oben „Organisches“ genannt habe. Kleine-Horst

Der Quadrialismus ist ein vierheitliches Weltbild. „Albert Einstein hat bis zu seinem Tod vergeblich Relativitätstheorie und Quantenmechanik in einer »Große Vereinheitlichte Theorie« zusammenzufassen versucht, einer Theorie, in der die vier »Kräfte« (starke, schwache und elektromagnetische Wechselwirkung sowie Gravitaton; vgl. 4 Naturkräfte) Ausdruck ein- und derselben »Kraft« oder Entität anzusehen seien. .... Nach der im Quadrialistischen Weltbild gegebenen Definition von »Materie« besitzt jedes Materie-Teilchen nicht nur ihre eigene Energie (oder Masse), sondern auch ihren eigenen Raum und ihre eigene Zeit. Dies gilt nicht nur für die mikrophysikalische, sondern auch für die makrophysikalische Materie. Das heißt: Das mathematisch handliche »Raum-Zeit-Kontinuum« Einsteins ist ontologisch eine »Zeit-Raum-Hierarchie« (was einander nicht ausschließt), wobei das »Vakuum« die »nullte«, die Zeit die »erste«, der Raum die »zweite«, »dritte« und »vierte«, und die Gravitation als »Raumkrümmung« die fünfte« Materiedimension repräsentieren. In dieser Hierarchie besteht eine hohe Symmetrie der interdimensionalen Relationen: die n-te Dimension eines Materiegebildes ist endlich in Bezug auf die unendliche (n–1)-te Dimension desselben Materiegebildes. Da die Energie/Masse gequantelt ist, sind - allein nach dem im quadrialistischen Weltbild geltenden Symmetrieprinzip - auch Raum und Zeit gequantelt. Aus der Quantelung der Materie im Mikrophysikalischen ergibt sich - nach den in evolutionären Hierarchien geltenden Stufengesetzen - auch die Quantelung der makrophysikalischen Materie mit der Gravitation als Energie/Masse-Dimension. So sind die Spezielle und die Allgemeine Relativitätstheorie sowie die Quantentheorie in der Quadrialistischen Theorie als ihrer Supertheorie vereinigt. Einstein unterlag wohl dem Irrtum, für die physikalischen Theorien eine physikalische Supertheorie suchen zu sollen. Er hätte nach einer nicht-physikalischen Supertheorie suchen müssen, in der sich gleichsam die Axiome der Physik befinden, so wie sich die Axiome der Logik, der Arithmetik und der Geometrie auch in einem nicht-logischen, nicht-arithmetischen bzw. nicht-geometrischen Beziehungssystem befinden.“ (Lothar Kleine-Horst, Der Anfang des nach-naturwissenschaftlichen Zeitalters, 2004 Lothar Kleine-Horst). „»Heisenberg behauptete kurz vor seinem Tod, daß die tiefsten Ebenen der Realität nicht in Teilchen, sondern in Symmetrien bestehen.« (Zitiert in: F. D. Peat, Synchronizität, 1989, S. 224). »Die Auffindung einer Symmetrie ist von viel größerer Bedeutung als die Entdeckung eines bestimmten Phänomens. .... Bei ihrer Suche nach einem fundamentalen Konzept beginnen die Physiker mit einer bestimmten Symmetrie und überprüfen dann, ob die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, mit den Beobachtungen in Einklang gebracht werden können.« (Anthony Zee, Magische Symmetrie, 1993, S. 93,121). Genau diese Überprüfung wird in bezug auf die im neuen Modell der Wirklichkeit als vorhanden angenommen Symmetrien erfolgen. Diese sind keine spezifischen Symmetrien von »Naturgesetzen« (d.h. materiellen Gesetzen), sondern sie sind generelle Symmetrien von »Wirklichkeitsgesetzen«, d.h. solchen, die nicht nur die Materie (materiale Seinsweise) betreffen, sondern auch die anderen, nicht-materialen, Seinsweisen. Diese Symmetrien sind somit allgemeingültige Grundgesetze der Wirklichkeit, denen selbst die Symmetrien der Naturgesetze unterworfen sind. Die o.a. Zitate sollen also über die ausschließlich die Materie betreffenden Naturgesezte auch für die hier neu modellierte Gesamtwirklichkeit Geltung haben.“ (Lothar Kleine-Horst, Das quadrialistische Acht-Welten-Modell der Wirklichkeit, 2004 Lothar Kleine-Horst).

Insbesondere seit Descartes gibt es das „Leib-Seele-Problem“. „In der traditionellen philosophischen (und psychologischen) Literatur wird es mit unterschiedlichen Namen belegt: »Leib-Seele-«, »Leib-Seele/Geist-«, »Gehirn-Geist-«, »Geist-Materie-« (»mind-matter-«), »psychophysisches -«, »Materie-Bewußtsein-Problem« u.ä.. Dabei werden grundsätzlich zwei Faktengruppen (»Substanzen«, «Entitäten« oder »Welten«) unterschieden: 1. Physische Zustände/Materie/ Körper/Leib/Gehirn und 2. Mentale Zustände/Bewußtsein/Seele/Psyche/Geist. Das Problem besteht darin, daß beide Faktengruppen in einer bestimmten Beziehung zueinander stehen. Sie scheinen sogar Einfluß aufeinander auszuüben, so daß man sich fragen muß: Wie kann etwas Materielles wie der Körper auf etwas Nicht-Materielles wie die Seele und wie kann etwas Bewußtes wie die Seele auf etwas Nicht-Bewußtes wie den Körper wirken? Es gibt eine ganze Anzahl unterschiedlicher Vorschläge zur Lösung dieses Problems. Sie lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Der Monismus geht davon aus, daß nur eine dieser Faktengruppe existiert, während die andere sich aus ihr ableitet. Die Materialisten unter den Monisten meinen, die Materie sei die eigentlich wirkende Substanz, während die Spiritualisten meinen, nur der Geist, die Seele, das Bewußtsein sei die eigentlich wirkende Substanz. Der Dualismus dagegen nimmt an, es gebe nicht nur eine einzige Substanz, sondern deren zwei, eben Leib und Seele, Materie und Bewußtsein. Innerhalb der monistischen sowie der dualistischen Lösungsvorschläge gibt es wieder eine Anzahl unterschiedlicher Auffassungen. Nun werden in sämtlichen Erörterungen des Leib-Seele-Problems die Ausdrücke »Körper« und »Materie« synonym verwendet, obwohl sie keineswegs Identisches bezeichnen. Gewiß, der Körper (der »lebende« Körper, und nur der ist in solchen Diskussionen gemeint) »besteht« zwar aus Materie, aber diese ist nicht nur physikalisch-chemische Materie wie die eines Steins. Körpermaterie ist diese Art von Materie plus Etwas. Von diesem Etwas haben wir bereits eine Vorstellung, was es sein könnte. Wir wissen, daß Körpermaterie eine Funktion hat, zumindest haben kann. So hat die Lunge die Funktion des Sauerstoff-Kohlensäure-Austauschs, die Niere die Funktion der »Entschlackung«, die Nervenzelle die Funktion der Erregung und Erregungsleitung. Eine spezifische Körper-Materie erzeugt also - wenn überhaupt - eine spezifische Körper-Funktion. Sie kann sie erzeugen, aber sie muß es nicht; sie hat zumindest die Fähigkeit zur Funktion; Körpermaterie ist somit »funktionsfähige« Materie. Sie ist als Körpermaterie existent auch dann, wenn sie im Augenblick keine Funktion erfüllt. Eine Körperfunktion dagegen kann nicht existent sein ohne die Existenz »ihrer« Körpermaterie als ihrer eigenen Existenzbedingung. Ähnlich ist es mit den Ausdrücken der anderen Gruppe; auch sie werden synonym verwendet. Doch man hatte schon Descartes - der die dualistische Weltsicht kreierte - darauf aufmerksam gemacht, daß Bewußtsein und Seele nicht identisch seien; im Schlaf habe man zwar das Bewußtsein verloren, aber doch wohl nicht gleich die ganze Seele? Aber weder den großen Descartes noch die Philosophen der 350 Jahre nach ihm kümmerte diese Verschwommenheit der Begriffe. Vom Bewußtsein aus gesehen, ist Seele gleich Bewußtsein plus Etwas. Dieses Etwas ist Bedingung für Bewußtsein; es kann, aber es muß nicht, Bewußtsein erzeugen. Dieses Etwas ist existent auch dann, wenn Bewußtsein fehlt, Bewußtsein aber kann nur existent sein, wenn dieses Etwas existent ist. Dieses Etwas ist somit bewußtseinsfähiges Etwas. Seele und Bewußtsein sind also ebenso wenig identisch wie Körper und Materie identisch sind. Fazit: Die Weltbilder des Monismus und Dualismus sind falsch, weil in ihnen ontologisch unterschiedliche Entitäten als identisch angesehen werden.“ (Lothar Kleine-Horst, Die trialistische Lösung des „Leib-Seele-Problems“, 2005 Lothar Kleine-Horst). Zum Verständnis: Was hier „Leib“ bzw. „Körper als der »lebende« Körper“ genannt worden ist, ist das, was ich oben „Organisches“ genannt habe.

© Hubert Brune, 2001 ff. (zuletzt aktualisiert: 2017).

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