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Volkmar Weiss (*1944)
- Ergebnisse zur Genetik der mathematisch-technischen Begabung, erzielt mit soziologischer Methodik (1972) -
- Psychogenetik: Humangenetik in Psychologie und Psychiatrie (1982) -
- Ahnenliste der Geschwister Weiß (1993) -
- Bevölkerung und soziale Mobilität (1993) -
- Bevölkerungsgeschichte und die Freiheit der Wissenschaft (1994) -
- Ratgeber für den Familiengeschichtsforscher (1995) -
- Intelligenz, Sozialstruktur und Politik (Manuskript; 1999) -
- Die IQ-Falle. Intelligenz, Sozialstruktur und Politik (2000) -
- Der Clan aus Geld und Genen. Ein erster Bericht aus dem Reich Artam (2003) -
- Bevölkerungspolitik als Grundlage von Staat und Volk (2004) -
- Bevölkerungswandel, Bevölkerungspolitik und Zeitgeist (in: Burschenschaftliche Blätter; 2004) -
- Das Ende der ewig wachsenden Gemeinschaft (in: Deutsche Annalen; 2005) -
- Bevölkerungsqualität. Der demographische Übergang in den Untergang (2006) -
- Das Reich Artam: Die alternative Geschichte der Deutschen 1941-2099 (2007) -
- Berlin nach dem Türkenaufstand (2007) -
- Der richtige Kommunismus kommt erst noch! Unser Wettlauf in die Armut (2009) -
- Die globale Beschleunigungskrise. Die Beschleunigung des technischen und sozialen Wandels (2009) -
- Das Tausendjährige Reich Artam. Die alternative Geschichte 1941-2099 (2011) -
- Die Intelligenz und ihre Feinde. Aufstieg und Niedergang der Industriegesellschaft (2012) -
- Wird Israel überleben? Die Juden und ihr Staat (2013) -
Weiss-Zitate. Da ich Volkmar Weiss für einen der wohl mutigsten Wissenschaftler halte, möchte ich ihm eine
separate Seite widmen und aus folgenden seiner Werke zitieren:            

- Der richtige Kommunismus kommt erst noch! (2009) -
- Die globale Beschleunigungskrise (2009) -
- Die Intelligenz und ihre Feinde (2012) -


Der richtige Kommunismus kommt erst noch! Unser Wettlauf in die Armut. (2009)

„Da die kapitalistische Produktionsweise heute schon Millionen Menschen dauerhaft aus dem Arbeitsprozeß ausgliedert, und auch die allerklügsten Manager und Staatenlenker bald nicht mehr in der Lage sein werden, die Massenverelendung aufzuhalten, zuerst relativ und dann immer häufiger auch absolut, wird der Gedanke immer breiteren Widerhall finden, daß – wenn es schon unvermeidlich ist – der Abstieg sich in gemeinsamer Armut aller besser ertragen läßt. Dann, im Großen Chaos, schlägt erst die eigentliche Stunde des Kommunismus, von der Marx geträumt hat und vor der andere gewarnt haben (Ferdinand Gregorovius, 1890; Newte 1907; George Orwell 1948).“ (Ebd., 2009).

„Man stelle sich – in Anbetracht der geschichtlichen Erfahrungen – die realen Typen Politiker, Bürokraten und Geheimpolizisten des ökodiktatorischen Weltstaats der Armen vor, die für die Verteilung der Bezugsscheine und die Überwachung der Verteilungsgerechtigkeit zuständig wären und abweichende Bedürfnisse und Gedanken als antikommunistisch verfolgten. Auch alt zu werden, dürfte - logisch mit unausweichlicher Konsequenz - als ein unökologisches und damit antikommunistisches Bedürfnis definiert werden. Und gar die Aufbringung großer Mittel für die Heilung einer seltenen Krankheit oder der Folgen eines schweren Unfalls, wäre das nicht ein schwerer Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip? Die rasche Entsorgung der Betreffenden ohne Sang und Klang nicht gerechter? Weder die Phantasie eines Gregorovius, Newte oder Orwell, noch die Realitäten der Großen Stalinschen »Säuberung« in der Sowjetunion, der »Kulturrevolution« in China und der Alltag in Nordkorea reichen aus, um der Gedankenwelt eines so tief überzeugten linken Intellektuellen gerecht zu werden. Jedes literarische Schreckensgemälde würde von der Realität noch weit übertroffen werden. Die Einheitsschule ohne Zensurgebung wäre in einem derartigen System zwar obligatorisch, aber um alle Einflüsse irgendeiner sozialen Herkunft auszugleichen, da müßte man sich schon mehr einfallen lassen.“ (Ebd., 2009).

„Das Entstehen eines dauerhaften kommunistischen Weltstaats im oder nach dem Großen Chaos erscheint aber wenig wahrscheinlich. Die Verteuerung der Energie wird nämlich jede Kommunikation, allen Handel und jede Verwaltungstätigkeit über größere Entfernungen verteuern, erschweren oder ganz unmöglich machen und damit auch einen ökokommunistischen »Weltwirtschaftsrat für Rationierung«, den man sich als eine Art Weiterentwicklung der gegenwärtigen Vereinbarungen über die Fangquoten der Fischereiflotten vorstellen könnte. Wahrscheinlich dürfte deshalb in weiten Teilen der Welt eher der Zerfall der größeren Machtbereiche in lokale und regionale Einheiten (J. H. Kunstler, 2008) stattfinden, wo religiöse Fanatismen sich austoben und machtbewußte Banden um Einfluß kämpfen. Ob sich in begünstigten Gebieten noch freie Bürgergesellschaften entwickeln und halten können, wie sie die libertäre Utopie (Hans-Hermann Hoppe, 2003) sich ausdenkt? Kleinere Gebilde, in denen staatliche Aufgaben nur noch durch private Gesellschaften wahrgenommen werden, also z.B. Sicherheit durch Versicherungsgesellschaften und ihren Sicherheitsdienst gewährleistet wird? Es ist zu vermuten, daß derart freie Gesellschaften, sofern sie während und nach dem Großen Chaos tatsächlich entstünden, entweder in der Konkurrenz mit machtbewußten Nachbarn wieder untergehen werden oder in ihrer Eigenentwicklung sich von den ursprünglichen Absichten der Bürger entfernen und den Gewaltinteressen von Einzelpersonen oder Gruppen unterwerfen werden. Für die Fortdauer einer homöostatischen ökokommunistischen Weltdiktatur nach dem Großen Chaos spricht sehr wenig, für eine große Zahl konkurrierender Neuanfänge auf schmaler energetischer Basis weit mehr. Die im Zweiten Weltkrieg untergegangene völkische Utopie eines Leistungszuchtstaates, eines Reiches Artam (Volkmar Weiss, 2007; vgl. dazu auch: Artamanen; HB), ist für das 21. Jahrhundert nirgendwo ein Thema.“ (Ebd., 2009).

„Wenn man, zusammenfassend betrachtet, auf eine große Zahl von Prognosen zurückblickt, dann stellt man fest, daß bei einem gewünschten oder erhofften Ergebnis in der Regel der Zeitraum unterschätzt wird, in dem dieses Ergebnis schließlich erreicht wird. Das trifft in der Industrie auch auf komplexe Innovationen zu, wo die Zeiträume und Kosten bis zur Fertigstellung in der Regel unterschätzt werden, nicht selten auf grobe Weise. Die Zeiträume für das Eintreten von Wandlungen und Ergebnissen, die man befürchtet, werden hingegen überschätzt. Optimismus gilt noch als angesagt, wenn der Umsturz unmittelbar bevorsteht. Selbst mitten im Umbruch und sozialen Wandel werden die Vorgänge noch falsch bewertet.“ (Ebd., 2009).

„In Übertragung auf soziale Sachverhalte bedeutet „Beschleunigung“, daß immer mehr Ereignisse, mehr Veränderungen und häufigerer sozialer Wandel pro Zeiteinheit stattfinden (Hartmut Rosa, 2003). Der Faszination der sich beschleunigenden Abläufe war bereits das 19. Jahrhundert voll erlegen ....“ (Ebd., 2009).

Die globale Beschleunigungskrise. Die Beschleunigung des technischen und sozialen Wandels. (2009)

„Als ich geboren wurde, hatte die Welt etwa 2,3 Milliarden Einwohner, heute etwa 6,9 Milliarden. Möglich geworden ist diese Verdreifachung innerhalb 65 Jahren durch die Ausbeutung einer neuen Energiequelle, deren leichter erschließbare Hälfte in eben diesen 65 Jahren verbraucht worden ist. Wie ein fruchtbares Stück Land, das umgebrochen wird, innerhalb kürzester Zeit von üppigem Pflanzenwuchs besiedelt wird, so hat die Menschheit den ihr sich bietenden Spielraum ausgefüllt. Das heißt, das Tempo des technischen und sozialen Wandels hängt von dem Durchfluß an Energie ab ....“ (Ebd., 2009).

„In der natürlichen Evolution der biologischen Arten hat derjenige einen Selektionsvorteil, der sich schneller an neue Gegebenheiten anpaßt. Die eine Art überlebt, die anderen Arten verschwinden. Ähnliche Vorteile hat in der Entwicklung neuer Produkte derjenige, der ein neues Produkt rascher auf den Markt bringt, ein ähnliches Produkt zu niedrigerem Preis oder auch nur bei den Verbrauchern den Eindruck erwecken kann, sein Produkt sei besser oder billiger. Im Wettbewerb der Konkurrenten kommt es damit zu einem Verdrängungswettbewerb, der mit einer Beschleunigung der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung einhergeht (Peter Kafka, 1994). Diese Beschleunigung ist so lange möglich und wird sich so lange fortsetzen, so lange für diese Entwicklung die energetischen Grundlagen gegeben sind. Schwinden diese Grundlagen, dann geht dieser beschleunigte technische Wandel in einen Überlebenskampf der Firmen über, der sich auch wieder krisenhaft beschleunigt, bis die Produktion wieder mit den energetischen Grundlagen und damit auch der Kaufkraft der Bevölkerung in Einklang gekommen ist.“ (Ebd., 2009).

„Der Evolutionsmechanismus, der den jeweils Schnelleren überleben läßt, beschleunigt die Evolution in ihrem Gesamtgefüge, erschöpft die energetischen Voraussetzungen und erweist sich damit letztendlich als ein Regulations- und Selbstzerstörungsmechanismus, dem auch die biologische, technische und soziale Entwicklung der Menschheit unentrinnbar ausgeliefert ist. Wer sich durch Erkenntnis oder Teilerkenntnis aus diesem Prozeß auszuklinken versucht, wird gnadenlos auskonkurriert und in den Gesamtprozeß zurückgeworfen. ..... Die Entwicklung der Industriegesellschaft baut ... auf der Ausbeutung fossiler Energie auf, die gegenwärtig weltweit zur billigeren Hälfte abgebaut ist und sich nicht erneuern wird. Doch nach wie vor ist die Geschwindigkeit des Wandels ein Selektionsvorteil, selbst noch im Abschwung.“ (Ebd., 2009).

„Für eine erfolgreiche Familiengründung steht den jungen Frauen nur ein in Jahren begrenztes Zeitfenster zur Verfügung. Je höher die Qualifikation ist, desto länger ist die Ausbildungszeit und desto kleiner das Zeitfenster für eigene Kinder. Getrieben von der Angst, den beruflichen Anschluß zu verlieren, bleiben sehr viele hochqualifizierte Frauen kinderlos oder bekommen nur ein Kind. Die kleinen Kinder müssen Kindergärten besuchen, wo sie zu Versuchspersonen im Wettlauf zwischen der Evolution der Bakterien und Viren und der Entwicklung ständig neuer Antibiotika werden. Für die Männer ist die Situation nur bei oberflächlicher Betrachtung eine andere. Unter dem ständigen Zeitdruck und im Getriebe der beruflichen Anforderungen leiden Partnerschaft und Familie, für die der erzwungene Wechsel von Arbeitstelle und Arbeitsort, die vielgerühmte Flexibilität der Arbeitnehmer, Gift sind. Das spielt sich in allen Industrieländern ab, und ist einer der wesentlichen Gründe, daß immer weniger Kinder geboren werden, je höher die Frauen qualifiziert sind. Auch auf diese Weise sägt sich die Industriegesellschaft den Ast ab, auf dem sie sitzt. Nüchtern betrachtet handelt es sich aber um einen Regulationsvorgang, der im Plan der Natur so vorgesehen ist.“ (Ebd., 2009).

„Wer viel Geld hat – und Geld ist ja nichts anderes als ein Äquivalent für Energie – demonstriert das durch seinen Prestigekonsum, dessen Objekte der Mode unterliegen. Demzufolge beschleunigen sich die Modezyklen und die Vielfalt der Modenischen bis ins Absurde. Geradezu als ein Symbol der Beschleunigung darf der Leistungssport gelten.“ (Ebd., 2009).

„Bei meiner statistischen Auswertung der sozialen Mobilität in Sachsen (Volkmar Weiss, 1993) über den Zeitraum 1550-1880 fiel mir auf, daß erst um 1800 einzelne Männer auftauchen, deren Beruf und sozialer Stand mehrfach gewechselt haben. Vorher gab es zwar auch Wandel während eines Erwerbslebens, aber der war in den allermeisten Fällen durch die Alterskurve der Arbeitsfähigkeit und Arbeitsfertigkeiten bedingt. Heute ist das lebenslange Verbleiben im ursprünglichen Ausbildungsberuf und auf der ersten Arbeitsstelle eher die Ausnahme. Das läßt sich mit objektiven Statistiken belegen. Betrug z.B. die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit bei deutschen Industriebeschäftigten 1991/'92 11,6 Jahre, so war sie schon sieben Jahre später auf 11,0 Jahre gesunken. Der Gipfel der Land-Stadt-Mobilität war bereits vor über einem Jahrhundert erreicht worden, als der Bevölkerungsüberschuß der Dörfer zur Existenzgründung in die Städte und Stadtnähe wandern mußte. Verlängert haben sich jedoch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die durchschnittlichen Arbeitswege, was durch den individuellen Autoverkehr und relativ niedrige Kraftstoffpreise möglich geworden war. Ebenso wie der Energieverbrauch exponentiell angestiegen ist, so auch die Innovationsrate der technischen Evolution. Die Zyklen, in denen alte Produkte durch neue Produkte verdrängt werden, sind seit Jahrzehnten immer kürzer geworden.“ (Ebd., 2009).

„In der Industrie verschiebt sich dabei das Verhältnis für den Aufwand von Forschung und Entwicklung zum Gewinn zuungunsten des Gewinns. Wer selbst Einblick in das Innere der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Hochtechnologiebranchen hat oder sie durch seine Kinder, Verwandte und Freunde in realistischer und kritischer Weise vermittelt bekommt, dem überraschen die Folgen des stattfindenden Innovationskrieges zwischen den Unternehmen nicht. Die Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung der Hochtechnologiefirmen sind einem enormen Zeit- und Leistungsdruck ausgesetzt und haben den Eindruck, daß sich dieser Druck fortlaufend verschärft. Für Frauen mit Kindern ist das kein empfehlenswerter Arbeitsplatz, ihren Lebensabschnittspartnern geht es nicht viel besser. Ein Ausscheren aus diesem Wettbewerb würde jedoch für das betreffende Unternehmen den Konkurs bedeuten.“ (Ebd., 2009).

„Bei hochkomplexen technischen Innovationen, wie sie in der Elektronik, im Fahrzeugbau, in der Luftfahrt und anderen Branchen gefordert sind, ist die Zahl der Mitarbeiter klein, die die Komplexität wirklich überschaut und die eine sehr große Anzahl von Mitarbeitern zielgerichtet einsetzen und leiten kann. Der Erfolg steht und fällt mit dem Vorhandensein einer kooperativen Führungsgruppe, bei der von jedem einzelnen ein sehr hoher IQ und geeignete Persönlichkeitseigenschaften unverzichtbare Voraussetzung sind. Oft hängt der Erfolg von einer einzigen überragenden Persönlichkeit ab, die derartige Eigenschaften in anderen erkennen und entsprechend einsetzen kann. Das heißt, zu den Fähigkeiten eines außerordentlich erfolgreichen Fußballtrainers müssen noch weitere hinzutreten.“ (Ebd., 2009).

„Persönlichkeiten, die erfolgreich erfinden und führen können und der schöpferischen Zerstörungen des Bestehenden fähig sind, sind das Kostbarste, was eine menschliche Gemeinschaft hervorbringen kann. Im Extremfall ist der Wert einer solchen Persönlichkeit nicht mit Gold aufzuwiegen. Wer das Glück hatte, unter einem solchen Leiter arbeiten zu dürfen, profitiert für sein ganzes Leben davon. Aus Nationen mit einem mittleren IQ um 100 gehen derartige fähige und schöpferische Persönlichkeiten in einer solchen Zahl hervor, mit denen sich auch tiefgehende Krisen meistern lassen.“ (Ebd., 2009).

„Die Beschleunigung der Produktlebenszyklen, der sich verringernde Grenznutzen der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung und die wachsende Komplexität der Probleme und Aufgabenstellung bringen es mit sich, daß der Stellenwert der außerordentlichen schöpferischen Persönlichkeit ständig steigt.“ (Ebd., 2009).

„Heute sind wir in den Hochtechnologiebranchen bei einer Komplexität der Aufgaben angelangt, die nur noch von wenigen Experten verstanden wird und nicht einmal von diesen vollständig. Der Ausfall eines einzigen erfahrenen Mitarbeiters kann Entwicklungsprozesse um Monate verzögern. Eine einzige Fehlentscheidung des Managements – das die notwendigen Details nicht mehr verstehen oder nachvollziehen kann – kann das Aus für ein kostspieliges Projekt bedeuten, vollständig oder zugunsten des Wettbewerbers. Die Innovationsbeschleunigung bewirkt, daß schwerwiegende Entscheidungen in immer kürzeren Zeiträumen getroffen werden müssen, sich die Risiken und die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheidungen erhöhen. Die subjektive Meinung, daß der Wettbewerber seinen Aufwand für Forschung und Entwicklung erhöht, genügt, um den eigenen Aufwand zu erhöhen. Es kommt zu einer Eskalation der Forschungs- und Bildungsausgabem ähnlich wie bei der Rüstungseskalation. Die Verkürzung der Produktlebenszeit führt nicht selten dazu, daß Produkte bereits zu früh aus dem Markt genommen werden und durch neue ersetzt, sich aber dadurch der Umsatz verringert, statt erhöht. Volkswirtschaftlich gesehen, kommt es auf diese Weise zu einer Verschwendung von Rohstoffen und Investitionen“ (Ebd., 2009).

„Die Beschleunigung der Produktlebenszyklen als eine objektiv nachweisbare und meßbare Tatsache steht mit der Beschleunigung sonstiger wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Veränderungen in einem kausalen Zusammenhang.“ (Ebd., 2009).

„Mit dem Wegbrechen der energetischen Grundlage des Wachstums wird eine ebensolche Beschleunigung in eine andere Richtung einsetzen, nämlich die Beschleunigung der Verfalls- und Untergangsprozesse.“ (Ebd., 2009).

„Es ist ... eine eigenartige Tatsache, daß selbst dramatisch ablaufende Verfallsprozesse von der offiziellen Meinung der Zeitgenossen noch als Fortschritt gedeutet werden. Am Ende des Römischen Reiches war keine Rede von seinem Untergang, sondern vom Übergang in eine bessere Zeit.“ (Ebd., 2009).

„»Mit all dem stolpern uns bildungspolitische Schlaumeier in die stets gleichen Fallgruben: in die Egalitätsfalle, die Ideologie nämlich, daß alle Menschen, Strukturen, Werte und Inhalte gleich bzw. gleich gültig seien; in die Machbarkeitsfalle, den Wahn, jeder könne zu allem begabt werden; in die Falle der Spaß-, Erleichterungs- und Gefälligkeitspädagogik; in die Quotenfalle, die planwirtschaftliche Vermessenheit nämlich, es müßten möglich viele Menschen mit dem Abiturzeugnis ausgestattet werden; in die Beschleunigungsfalle, die Vision also, man könne in immer weniger Bildungsjahren und mit immer weniger Unterrichtsstunden pro Woche zu besser gebildeten jungen Leuten und zu einer gigantisch gesteigerten Abiturienten-, Studenten- und Akademikerquote kommen.« (Josef Kraus, 2009, S. 10). Während der Gebildete der Beschleunigung mehr oder weniger folgen kann, und nicht wenige Achtzigjährige noch den Umgang mit Computer und Internet erlernen, gerät der Ungebildete und Arme immer stärker ins Abseits. Der Ruf nach »Entschleunigung« wird deshalb laut (schon Goethe forderte die »Entschleunigung« - die »Beschleunigung« nannte er das »Veloziferische« [zusammengesetzt aus: »velocitas« {Eile} und »Luzifer« {Teufel}]! HB). Peter Glotz (1998, S. 75) fand dafür eine treffende Definition: „Entschleunigung wird zur aggressiven Ideologie einer gerade in der Entstehung befindlichen, rapide wachsenden Klasse (oder sozialen Schicht) von Modernisierungsopfern.«“ (Ebd., 2009).

„Von 1993 bis 2005 hatten die Transaktionen der globalen Finanzmärkte in den USA, Großbritannien und der Eurozone um jährlich etwa 10% zugenommen, in China um 14% (Financial Times, 18.01.2006). Hinter diesen Geldenergieflüssen stand jedoch kein reales Wirtschaftswachstum mehr, sondern es war, wie alle erfahren mußten, nur noch das Aufblasen eines Volumens. Im System der kapitalistischen Wirtschaft werden Wachstum und soziale Beschleunigung zu einem unentrinnbaren Sachzwang. Die Steigerung von Produktion und Produktivität und mithin das Streben nach Zeitvorsprüngen und Zeiteffizienz werden zu einer unausweichlichen Anforderung, welche die entsprechenden Bedürfnisse gleichsam mitproduziert (Hartmut Rosa, 2009).“ (Ebd., 2009).

„Die sozialen Unruhen im Gefolge der Energiekrise werden den politischen Wandel weiter anheizen.“ (Ebd., 2009).

„Meine Erfahrung teilt ... im Westen nicht die Generation der 68er und ihrer Schüler. Ihr Einfluß auf die Gesellschaft wird nicht geringer, sondern ständig größer. Da schon Aristoteles zu der Einsicht gelangt war, daß auf die Demokratie eine Herrschaftsform folgt, bei der die Massen erfolgreich auf Umverteilung drängen und alle Anzeichen darauf hindeuten, daß wir uns tatsächlich auf einen derartigen Gesellschaftszustand hinbewegen, können wir dem logischen Schluß nicht ausweichen, daß der gegenwärtige geistige Linkstrend in allen Industriegesellschaften zu sozialistischen Gesellschaftsformen führen wird. Für mich, den Verfasser, ist diese notwendige jakobinische Gesellschaftsform, wie sie vor dem absoluten Tiefpunkt der Produktion und Konsumtion eintreten wird, nur ein Übergangszustand zu neuen Gesellschaftsformen, die laut Aristoteles eher wieder napoleonisch geartet sein werden.“ (Ebd., 2009).

„Dieses Buch hier ist mit solchen Schlußfolgerungen mit Sicherheit nicht eine Propagandaschrift für irgendeine politische Überzeugung oder gar politische Partei, sondern ein ernsthafter Versuch der wissenschaftlichen Analyse der ablaufenden Prozesse und nichts anderes. Den Parteigängern und Heilsverkündern aller Richtungen mag das nicht gefallen. Ihre Reiche sind von dieser Welt, der Goldene Schnitt ist von einer ewigen.“ (Ebd., 2009).

„Die Antwort wurde schon gegeben. Es wird keinen Stillstand geben, nicht einmal eine Atempause. Nur die Marschrichtung wird sich umkehren. Statt größerer Komplexität und Zentralisierung wird Zerfall und die Auflösung energieintensiver Strukturen erfolgen.“ (Ebd., 2009).

„In der nächsten Zeit wird die Wegwerfgesellschaft erst einmal umdenken müssen. Bei Produkten wird nicht mehr zählen, wie schnell sie durch neue ersetzt werden, sondern vor allem Beständigkeit und Dauerhaftigkeit wie zu Urgroßväters Zeiten. – In unserem Haus haben wir vor 15 Jahren den zweiten Schornstein gekappt und die Heizung auf Erdgas umgestellt. Wenn es gutgeht, kann der jetzt eingebaute Brennwertkessel so lange arbeiten, so lange Erdgas bezahlbar bleibt. Dann wird man vermutlich umdenken müssen, die Heizung wieder umstellen oder noch weitsichtiger handeln und aus dem Ballungsraum wegziehen. Diese Entscheidungen werden die Kinder und Enkel zu treffen haben.“ (Ebd., 2009).

„Noch beschließt eine Regierung ein »Wachstumsbeschleunigungsgesetz«, benutzt also genau die Begriffe, von denen in diesem Abschnitt hier die Rede ist, wird aber damit schon mittelfristig nichts anderes erreichen als die Beschleunigung des Gegenteils. Ein Mittel, das versucht werden wird, um dem Chaos zu wehren, wird die Abschottung des Binnenmarktes und der Grenzen sein. Ohne starke Einschnitte in den erreichten Lebensstandard kann das jedoch alles nicht abgehen.“ (Ebd., 2009).

„Hauptbeschleuniger des sozialen und politischen Wandels ist der Krieg. Er entfesselt die Energien der Kriegführenden aufs äußerste. Und an seinem Ende rollen die Kronen über das Pflaster, wehen die roten Fahnen und zerbrechen die Reiche. Nicht nur 1815, 1917/'18 und 1945. Die apokalyptischen Reiter satteln schon längst wieder ihre Pferde.“ (Ebd., 2009).

Die Intelligenz und ihre Feinde. Aufstieg und Niedergang der Industriegesellschaft. (2012)
 1) Einleitung (S. 13-32)
 2) Die bürgerliche Leistungsgesellschaft und ihre Feinde (S. 33-114)
 3) Die Energiekosten bestimmen Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl (S. 115-172)
 4) Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft (S. 173-282)
 5) Blicke in den Alltag der sozialen Schichten (S. 283-316)
 6) Die Intelligenz in der sozialen Wirklichkeit (S. 317-360)
 7) Die Altersstruktur der Weltbevölkerung, Einwanderung und Politik (S. 361-416)
 8) Zum Kreislauf der Bevölkerungsqualität: Betrachtungen und Schlußfolgerungen (S. 417-484)

„Die Hauptursachen der Degeneration der Kulturen und Kulturvölker sind aber nach meiner festen Überzeugung biologischer Natur; und leider sind fast alle Historiker, Wirtschaftspolitiker, Soziologen u.s.w. biologisch hoffnungsvoll ungebildet und kommen mit allen ihren Untersuchungen nie recht an den Kern der Sache heran.“ (Erwin Baur, Der Untergang der Kulturvölker, 1932, S. 3-4).

Nachdem er zu der Einsicht gelangt war, daß die Verfassung keines Staates kein Vorbild für alle Ewigkeit sein könne, hielt Aristoteles es für klug, Athen zu verlassen.

Die Intelligenz und ihre Feinde 1) Einleitung

–  Was auf die Generalprobe des Kommunismus folgte (S. 14-17)
–  Ein nachdenklicher Blick auf die Geschichte (S. 18-20)
–  Die Utopie als Schwungrad der Geschichte (S. 20.25)
–  Orwells Gesellschaftsbild (S. 25-27)
–  Die Denkkraft; zmeist als Intelligenz bezeichnet (S. 27-29)
–  Was mißt der IQ? (S. 29-31)

Einleitung Was auf die Generalprobe des Kommunismus folgte.

„Die Geschichte der griechischen Stadtstaaten verschaffte Aristoteles die Einsicht, daß die Regierungsform eines Staates von seiner Größe und der relativen Verteilung von Arm und Reich abhängt, also von dem, was wir heute als Bevölkerungszahl, Bevölkerungsdichte und Sozialstruktur bezeichnen. Zwischen der Größe einer Gemeinschaft und den relativen Anteilen an verschiedenen Berufen und sozialen Rollen sowie der relativen Größe seiner Elite besteht eine gesetzmäßige Beziehung. Zahl, Dichte und Struktur der Bewohner eines Gemeinwesens sind in der Geschichte niemals konstant, sondern in Abhängigkeit von den energetischen Grundlagen und vom Druck und Gegendruck seiner Nachbarn in ständiger Veränderung, absolut und relativ. Parallel dazu verändert sich die Verfassung der Staaten von einer Monarchie über die Aristokratie bzw. Oligarchie zur Demokratie, wobei die Reihenfolge keine feste ist. Hat der Kreislauf der Verfassungen zur Demokratie geführt, so entwickelt sich diese früher oder später unweigerlich zu einer »Herrschaft der Minderwertigen« (Edgar Julius Jung, Die Herrschaft der Minderwertigen, 1927), zur Pöbelherrschaft. Eine solche »Diktatur des Proletariats«, die im Namen der Demokratie immer hemmungsloser von Reich auf Arm umverteilt (vgl. Friedrich A. von Hayek, Die Illusion der sozialen Gerechtigkeit, 1981; Gerd Schildbach, Die Massengesellschaft - Entartung der Demokratie, 1997) - von den Leistungsträgern auf die Almosenempfänger -, zerrüttet die wirtschaftliche Leistungskraft gründlich und nachhaltig. Schlußendlich begrüßt das Volk einen neuen Alleinherrscher, und der Kreislauf beginnt von neuem.“ (Ebd., 2012, S. 16-17).

„Ausgerechnet in einem Buch des Optimisten Julian Simon fand ich eine Abbildung, die den zyklischen Zusammenhang zwischen der Bevölkerungsdichte und geistigen Kreativität belegt. Die schöpferische Kraft des Alten Roms versiegte ein Jahrhundert früher, ehe der Rückgang seiner Bevölkerungszahl einsetzte. Für das Alte Griechenland findet man bei Simon eine graphische Darstellung mit gleicher inhaltlicher Aussage.“ (Ebd., 2012, S. 16-17).


Einleitung Ein nachdenklicher Blick auf die Geschichte.

„Huebner kam zu dem Ergbnis, der Gipfel der weltweiten Innovation der Industriegesellschaft wäre schon 1873 erreicht gewesen, bei den Erfindungen schon im Jahre 1916. Da man jedoch die Bedeutung von Erfindungen und Entdeckungen oft erst nach einigen Jahrzehnten bewerten kann, muß man seine Datengrundlage anzweifeln. Was die Zahl der Innovationen im Verhältnis zu den weltweiten Pro-Kopf-Bildungsausgaben (wohlgemerkt: im Verhältnis zu den weltweiten Pro-Kopf-Bildungsausgaben! HB) anbetrifft, da dürfte Huebner allerdings den Nagel auf den Kopf getroffen haben.“ (Ebd., 2012, S. 20).


Einleitung Was mißt der IQ?

„Wir haben im Text bereits mehrfach den Begriff Intelligenzquotient, abgekürzt IQ, verwendet, und wir sollten uns über seine Bedeutung im klaren sein. Der IQ ist das am häufigsten verwendete Maß für die Unterschiede der Denkkraft bei verschiedenen Menschen. Als 1912 Wilhelm Stern (1871-1938) bei Kindern den erreichten geistigen Reifegrad, ihr Intelligenzalter, durch ihr Lebensalter dividierte und mit 100 multiplizierte, ergab sich daraus der Intelligenzquotient. Das war also damals tatsächlich ein Quotient. Wenn man mit dieser Formel und diesem Quotienten den IQ von Erwachsenen messen wollte, stellte man fest, daß mit fortschreitendem Lebensalter ihr IQ immer niedriger zu werden schien. Nicht jeder wollte sich damit abfinden, und man suchte nach einer Lösung.“ (Ebd., 2012, S. 29).

„Heute wird der IQ anders definiert und ist kein Quotient mehr; die eingebürgerte Bezeichnung IQ für das Maß der Intelligenzunterschiede wurde jedoch beibehalten. 1932 schlug David Wechsler (1896-1981) vor, den IQ als Abweichung einer Person von einem festgelegten Mittelwert 100 zu definieren, bezogen auf eine Normalverteilung mit einer Standardabweichung 15. Der IQ gibt also den Rangwert einer Person in einer Bevölkerung in Hinsicht auf die intellektuelle Leistungsfähigkeit an. Wer einen IQ 85 hat, also eine Standardabweichung weniger als 100, über den wird damit gesagt, daß er einen Prozentrangwert von rund 16 hat und damit 16% der Bevölkerung einen niedrigeren IQ als 85 haben, 84% einen höheren. Wer einen IQ 130 hat, also zwei Stadardabweichungen über 100 liegt, über den wird damit gesagt, daß er einen Prozentrangwert von rund 98 hat und nur noch 2% der Bevölkerung einen höheren IQ haben. Bitte nehmen Sie sich die Zeit und schauen Sie sich diese Abbildung genauer an. Lesen Sie diesen Abschnitt hier mindestens zweimal, da er für das gesamte Verständnis unseres Buches von grundlegender Bedeutung ist. Fallen Sie nicht in die IQ-Falle (Weiss, 2000a), schließen Sie bitte Ihre IQ-Lücke!“ (Ebd., 2012, S. 29-30).

IQ

„Zwei Überlegungen sollten Sie an dieser Stelle mitnehmen: Da sich jeder Verteilungsunterschied auch in Prozentrangwerten ausdrücken läßt - ob das nun Einkommensunterschiede, Bildungsgrad oder Schulzensuren sind -, so läßt sich jeder Unterschied auch in die IQ-Skala (100; 15 - also Mittelwert 100 mit der Standardabweichung 15) umwandeln und ausdrücken und damit vergleichen. Wenn also z. B. nur 4% einer Bevölkerung eine Hochschule besuchen, dann entspricht das einem Prozentrang-Mittelwert der Hochschulstudenten von (100 - 4/2 = ) 98. Das heißt, wenn tatsächlich nur die Intelligentesten an einer Hochschule studieren (was ja nie ganz der Fall ist), dann hätten diese Studenten einen mittleren IQ von 130.“ (Ebd., 2012, S. 30).

„Darüber hinaus läßt sich jede Skala mit einem anderen Mittelwert als 100 und einer anderen Standardabweichung als 15 in die IQ-Skala (100; 15) transformieren. Wir werden das weiter hinten an der Umwandlung der PISA-Testwerte (500; 100) zeigen. Eine solche lineare Skalentransformation gehört heute zum Rüstzeug der wissenschaftlichen Grundausbildung.“ (Ebd., 2012, S. 30).

„Ursprünglich wurde der IQ nur mit eigens dafür entwickelten Intelligenztests gemessen. Die Standardisierung dieser Test auf die Normalverteilung hatte aber seltsame Auswirkungen. Wenn man eine Schulklasse testen will, dann kann man, wie jeder weiß, Aufgaben verwenden, die fast von allen Schülern gelöst werden, oder man kann Aufgaben stellen, die nur von sehr wenigen Schülern gelöst werden. Man erhält dann Verteilungen, bei denen die Mittelwerte sehr stark nach rechts oder links verschoben sind, also alles andere als eine Normalverteilung. Solche schiefen Verteilungen ergaben sich zum Beispiel in den USA, als man im Ersten Weltkrieg mit den gerade entwickelten Verfahren die Rekruten testete.“ (Ebd., 2012, S. 30).

„Heute gilt aber bei den Psychologen ein Test nur dann als ein guter Test, wenn die Verteilungen in einer repräsentativen Stichprobe eine Normalverteilung aufweisen. Die Testkonstrukteure wählen die Einzelaufgaben einer Testbatterie deshalb so aus, daß das Gesamtergebnis der angestrebten Normalverteilung sehr nahe kommt. Im falschen Umkehrschluß hat sich dann bei den Psychologen und in der Öffentlichkeit die Überzeugung festgesetzt, die Normalverteilung des IQ sei seine natürliche Eigenschaft und keine menschengemachte. Wenn man jedoch einfache Testaufgaben gleicher Schwierigkeit stellt, also etwa alle Buchstaben A in einer Menge Buchstaben anzustreichen, dann wird man feststellen, daß die Hochintelligenten drei- bis viermal soviel richtige Lösungen erzielen wie die Wenigintelligenten. Diese Verteilung der Rohtestwerte ist keine Normalverteilung, sondern eine lognormale Verteilung, die in den Wissenschaften eine große Rolle spielt.“ (Ebd., 2012, S. 30).

„Eine Normalverteilung entsteht dann, wenn eine Vielzahl von unabhängigen ursachen dem Zustandekommen der Verteilung zugrunde liegt. Wenn durch diesen an und für sich einleuchtenden Ausgangspunkt die Mehrzahl der Psychologen zu falschen Verallgemeinerungen über die natürliche Verteilungsform der Intelligenztestwerte gelangt und blind gegenüber der Verteilung der Testrohwerte bei gleichschweren Aufgaben geworden ist, dann wurde für die Genetik des IQ damit ein Ausgangspunkt vorgegeben, an dem die Vererbungsforscher bisher scheitern mußten.“ (Ebd., 2012, S. 30-31).

„Als Anfang September 2010 in den Massenmedien die öffentliche Hinrichtung eines Thilo Sarrazin auf der Tagesordnung stand, redeten alle davon, daß ein IQ 115 ja 15% mehr an Intelligenz bedeuten würde und warum und weswegen. Keiner der beteiligten Moderatoren, Minister und Koryphäen, auch Sarrazin selbst nicht, waren in der Lage, mit drei klaren Sätzen diesen Unsinn zu stoppen. Der IQ ist keine und erlaubt keine Prozentangabe! Keiner würde sagen, daß, wenn die Temperatur von 0 Grad auf 10 Grad oder von 100 Grad auf 110 gestiegen ist, es um 10% wärmer geworden sei. Wenn man bei der Temperatur unbedingt auf Hundertstel hinaus will, dann muß man den absoluten Nullpunkt bei minus 273 Grad als Bezugspunkt nehmen. Analog kann man bei kognitiven Leistungen nur über physikalische Maße der geleisteten Arbeit zu Prozentvergleichen gelangen. Wenn man sich dann bei IQ 100 und IQ 115 einmal die absolute Zahl der gelösten Testaufgaben pro Zeiteinheit ansieht, kommt man auf einen Unterschied der weit, weit größer ist als 15%!“ (Ebd., 2012, S. 31).


Die Intelligenz und ihre Feinde 2) Die bürgerliche Leistungsgesellschaft und ihre Feinde.

–  Denkkraft, Macht und Besitz (S. 33-35)
–  Die Entwicklung des öffentlichen Schulwesens und der Leistungsbewertung (S. 36-39)
–  Bildungsauslese und Mobilität (S. 39-45)
–  Die Grenzen des Bildungswachstums (S. 45-50)
–  Der Angriff auf das Leistungsprinzip (S. 50-54)
–  Gesamtschule oder mehrgliedrige Schule? (S. 54-66)
–  Mit dem allgemeinen Wahlrecht wird die Gesellschaft sozial (S. 66-69)
–  Man fragt nach Begabung und IQ der Arbeitnehmer (S. 69-75)
–  Die Geschichte der Intelligenzforschung als Anzeiger des gesellschaftlichen Wandels (S. 75-94)
–  Die gegenläufige ideologische Entwicklung in Ost und West nach 1960 (S. 94-105)
–  Intelligenz wird als ein bürgerlicher Begriff durchschaut (S. 105-111)
–  IQ und Ideologie in der Freien Welt seit 1960 (S. 111-113)

Die bürgerliche Leistungsgesellschaft und ihre Feinde Die Entwicklung des öffentlichen Schulwesens und der Leistungsbewertung.

„Als der Gutsherr Friedrich Eberhard von Rochow (1734-1805) auf seinen Gütern bei Potsdam auf den Feldern mehr ernten wollte und in den Ställen mehr herauskommen sollte, mußte er feststellen, daß die Bauern und Gutsarbeiter zu ungebildet waren, um den Sinn der beabsichtigten Reformen zu verstehen und umzusetzen. Er gründete deshalb 1773 bei seinem Gut Reckahn eine Landschule, für die er Schulbücher verfaßte. In dem Lesebuch »Kinderfreund« schrieb er 1776 in der »Geschichte von der guten Magd«: »Christine diente bei einer schlimmen Herrschaft, die ihren Leuten wenig zu essen und beständig Scheltworte gab. Christine war arm, aber fromm. Sie betete oft zu Gott und sprach: ›Ach lieber Gott, lenke doch, wenn es dein guter Wille ist, das Herz meiner Brotherrschaft zu mi!; daß sie mir nicht so hart und lieblos begegnet. Aber vielleicht ist mir diese Trübsal nützlich. Wer weiß, wie ich die guten Tage vertragen würde! Vielleicht würde ich frech und liederlich, wenn es mir zu wohl ginge. Du weißt es am besten, Her!; mein Gott! Schenke mir Geduld und hilf mi!; daß ich treu und fleißig sei, wenn es mir gleich schlecht vergolten wird.‹« (Friedrich Eberhard von Rochow, ebd., Band 1, Nr. 2).  –  1805, in der letzten Fassung von Rochows Hand, liest sich die gleiche Geschichte so: »Luise konnte spinnen, stricken, nähen, waschen, plätten, kochen und das Vieh füttern. Das alles hatte sie von ihren Eltern und anderen guten Leuten gelernt und abgesehen. Was sie davon konnte, das übte sie fleißig, so daß ihr alles recht leicht wurde. In der Schule hatte sie gut lesen, schreiben und rechnen gelernt. Dabei war sie reinlich und bescheiden, tat alles zur rechten Zeit und legte alles an den rechten Ort. Als sie groß wurde, bekam sie die beste Herrschaft.«  –  Die gottergebene, der Standesherrschaft untertane Magd hatte sich binnen einer Generation in eine ideale selbstbewußte Landarbeiterin verwandelt, deren Töchter oder Enkel früher oder später ihren Platz in der frühbürgerlichen Leistungsgesellschaft in der Stadt suchen werden, auch wenn ihre Großmutter Luise noch bei der ,besten' Gutsherrschaft verblieben ist. Auch in diesem Falle geht die Veränderung der geistigen Einstellung der sozialen Revolution um Jahrzehnte voran.“ (Ebd., 2012, S. 36).

„Eine elementare und für das Entstehen einer Leistungsgesellschaft grundlegende Errungenschaft des Schulwesens der deutschen Länder war, daß 1840 bereits 91% aller Rekruten Lesen und Schreiben konnten, ab 1890 dann nahezu 100%. Zum Vergleich: Frankreich 1890: 90%, England: 93%, Rußland: 32% (Zahlen nach P. Flora, Modernisierungsforschung, 1974, Tabelle 10 [vgl. auch: Ehrhardt Bödecker, Preußen und die Wureln des Erfolgs, 2004, S. 236 **}; HB]). Erst diese Ausweitung der Grundausbildung auf wirklich alle Schichten der Gesellschaft (Girard und Bastide, 1963) schuf die Voraussetzung, daß die anschließende Leistungsauslese irgendwann einmal alle Begabten erreichen konnte.“ (Ebd., 2012, S. 36).

„Die Industrienationen der heutigen Welt sind durchweg Leistungsgesellschaften. Eine übereinstimmende Eigenschaft dieses Gesellschaftstyps besteht darin, daß seine Mitglieder durch persönliche Leistungsnachweise innerhalb der Statushierarchie aufsteigen können. In jeder Generation muß dieser Platz in der Statushierarchie neu erworben oder wenigstens bestätigt werden, wenn es nicht zum sozialen Abstieg kommen soll. Dieser Platz ist somit nicht erblich.“ (Ebd., 2012, S. 36).

„Bereits vor der Industriegesellschaft hatte es Staaten gegeben, in denen eine Leistungsauslese Voraussetzung zur Ausübung von Ämtern war. Das bekannteste Beispiel sind die Eignungsprüfungen, die für die Mandarine in China vorgeschrieben waren. Und es ist einmalig in der Welt, aber kein Zufall, daß die inzwischen Millionen zählenden leiblichen Nachkommen des Konfuzius (551-479 v. Chr.) bis heute nachweisen können, daß sie von ihm abstammen.“ (Ebd., 2012, S. 36-37).

„Die ersten Vorschriften, wie die Schularbeiten der Kinder zu zensieren sind, enthält im Jahre 1530 die Schulordnung des Kurfürstentums Sachsen (Kleinert, 1951). Sachsen war zu dieser Zeit mit seinen blühenden Bergwerken ein Land, wo bürgerlicher Gelderwerb in hohen Ehren stand und wo gediegenes Fachwissen geschätzt wurde. In Chemnitz war 1520 eine Ratsschule gegründet worden, die der Stadt selbst und nicht mehr der Kirche unterstand. In der Zwickauer Schulordnung vom Jahre 1523 war eine Differenzierung der Schüler nach Leistungsstufen vorgesehen. Auch die Württembergische Schulordnung aus dem Jahre 1559 enthält einen Hinweis zur Zensurenerteilung. Man muß es sich in dieser Frühzeit der Zensurengebung nicht so vorstellen, daß stets Noten vergeben wurden, obwohl bereits aus dem 16. Jahrhundert eine sechsteilige Zensurenskala (1 = optimus, 2 = bonus, 3 = mediocris, 4 = dubius, 5 = retinendus, 6 = rejiciendus) überliefert ist, die für Volksschulen bestimmt war. In den meisten Fallen beschränkte man sich darauf, innerhalb einer Schulklasse eine Rangordnung herzustellen. Grundlage dafür war in der Regel die möglichst genaue Wiedergabe von auswendig gelerntem Stoff; eine Aufgabenstellung, die Intelligenz, Fleiß und Konzentration abverlangt. Auch der Ausdruck »Versetzung« stammt aus dieser Zeit, als die Schüler tatsächlich entsprechend der Klassenrangplätze ihre Sitzplätze wechselten. Jeder Sitzplatz hatte nämlich einen Rangwert, der sich aus der Einstufung der schulischen Leistungen durch den Lehrer ergab. Bei diesen ersten Zeugnissen aus dem 16. Jh. handelte es sich nicht um eine für alle verbindliche Einrichtung, sondern zunächst nur um freiwillige, auf Bitten armer, aber begabter Schüler ausgestellte Zeugnisse, die für die Erlangung von Benefizien, d.h. für die Bewerbung um Freiplätze, Freitische und Stipendien, vorgeschrieben waren, darüber hinaus aber auch, wenn der Schüler als Halb- oder Vollwaise einen Vormund hatte. Für die Kinder bemittelter Eltern war kein Zeugnis erforderlich, nicht einmal zum Übergang auf die Universität. Das blieb jahrhundertelang so. Erst im 18. Jh. entwickelte sich aus dem Benefizienzeugnis das Reifezeugnis. Einerseits wollten die Schulen durch strengere Leistungsanforderungen ihr Ansehen heben, andererseits begann der Staat, an die Tüchtigkeit seiner Beamten bestimmte Forderungen zu stellen. Aber selbst in Preußen hatte das Edikt vom 23. Dezember 1788, in dem die Reifeprüfung eingeführt wurde, noch nicht die Folge, daß damit unreifen Personen die Universität verschlossen worden wäre. Noch konnten Eltern von Stand jedes Kind auf die Universität schicken, doch hofften die Gesetzgeber »wenigstens mancher für unreif Erklärte doch würde (freiwillig) zurückgehalten werden« (zitiert nach W. Dohse, Das Schulzeugnis, 1963). Dieser Zustand blieb in Preußen auch nach der von Humboldt ausgearbeiteten Reifeprüfungsordnung vom 25. Juni 1812 erhalten. Neu waren die Prädikatgruppen I bis III. Jedoch durfte weiterhin auch mit Nr. III - dem Zeugnis der Untüchtigkeit - die Universität besucht werden. Es läßt sich sogar belegen, daß damals die überwiegende Mehrzahl mit Zeugnissen Nr. III studierte! (**). Erst im Verlaufe des 19. Jh. wurde das Reifezeugnis allmählich zur unbedingten Voraussetzung für ein Studium, so 1839 in Braunschweig für die Philologen und 1844 für die Mediziner. Indem auf diese Weise ständische Vorrechte abgebaut werden und die persönliche Tüchtigkeit zum Auslesekriterium wird, wird das Leistungsprinzip für den sozialen Aufstieg maßgebend. Um 1900 ist dieser Vorgang noch keineswegs abgeschlossen, sondern kann erst später auf die begabten Kinder der Unterschichten ausgreifen, denn um diese Zeit studierten insgesamt noch nicht einmall 1% eines Altersjahrganges. “ (Ebd., 2012, S. 37-38).


„Welchen IQ mögen diese Studenten wohl gehabt haben? Wenn der mittlere IQ der gehobenen Stände vielleicht bei 110 lag, dann war der der Studenten nicht sehr verschieden davon und lag damit in einer Größenordnung, wie er heute an geisteswissenschaftlichen Fakultäten mit einem starken linksorientierten Studentenpotential wieder üblich geworden sein dürfte. Heute wie damals treten diese Personenkreise dagegen auf, daß gemessene Leistung für die gesellschaftliche Stellung einer Person von großer Bedeutung ist.“ (Ebd., Anmerkung 7).

„Im 19. Jh. setzten sich die Ziffernzensuren allgemein durch. Am 28. Januar 1858 wird durch eine preußische Ministerialverfügung eine dreistufige Skala als Grundlage für jede weitere Differenzierung bestätigt. Selbst der einfache Dorf- und Stadtschullehrer hatte durch seine eigene Lebenserfahrung und durch den Vergleich seiner Schüler untereinander eine Vorstellung über Begabung und Denkkraft. Sonst hätte er keine Bauern- und Handwerkersöhne für Stipendien empfehlen können, die ihnen - wie zum Beispiel dem berühmten Johann Andreas Schubert (1803-1870), dem Erbauer der ersten deutschen Lokomotive und Architekten der Göltzschtalbrücke im Vogtland - ein Studium ermöglichten.“ (Ebd., 2012, S. 38).

„So vermerkte 1895 der Pfarrer des Dorfes Schröcken in Vorarlberg über den zehnjährigen Ferdinand Feuerstein: »Sehr gutes Talent - weitaus das beste in der Schröckener Schule. Denkt und unterscheidet rasch, lernt leicht, jedoch nicht gerne. Ist agil, überall der Anführer (schon deshalb, weil er geistig allen voraus ist.« Ausgangspunkt für einen Vergleich der Schüler untereinander war in der Regel das schon erwähnte Rangordnungsverfahren, in zunehmendem Maße aber auch ein Verfahren, bei dem man die Zensuren auf einen Grundwert, einen Normalleistungswert, beziehen wollte. Diese Grundwerte konnten nicht allein aus der lokalen Erfahrung gewonnen werden, sondern wurden von zentralen Schulbehörden vorgegeben. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung mit dem Zentralabitur, wie es zum Beispiel in Sachsen üblich wurde, bei dem die Aufgabenstellung, die Bewertungsweise und die einzelnen Notenstufen (abgestuften Fehlerquoten entsprechend) allen Schulen einheitlich vorgeschrieben wurden. Über die Leistungsverteilung erhielt die zentrale Schulbehörde dann auch wieder Rückmeldung.“ (Ebd., 2012, S. 38).

„Nach der »Enzyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens« von Schwader aus dem Jahre 1887 eignet sich die Zensur dazu, »den von sich eingenommenen Schüler zu enttäuschen und zu einem richtigen Urteil über sich selbst, seine Fähigkeiten und Leistungen anzuleiten«. Der Wert des Zeugnisses zeige sich darin, daß dem Schüler »erstlich sein Platz in der Schule, sein Verhältnis zu seinen Mitschülern, seine Gesamtstellung in der Schulgemeinde angewiesen und klar gemacht, zweitens ein umfassendes, sorgsam abgewogenes und genau bestimmtes Urteil über ihn selbst, über seine Leistungen gegenständlich vorgehalten und bleibend übergeben wird.«“ (Ebd., 2012, S. 38).

„Das war damals selbstverständliches bürgerliches Bildungsbewußtsein. In der Geschichte der Messung der geistigen Leistungsfähigkeit läßt sich diese Entwicklung der Leistungsbewertung in der Schule nicht von der Entwicklung von Intelligenztests trennen. Nur gab es die massenhafte Erteilung von Schulzensuren fast ein Jahrhundert frÜher und viel umfassender als die Testanwendung. Die Bedeutung der Leistungsmessung in der Schule ist damit in Mitteleuropa für die Herausbildung der Leistungsgesellschaft um ein Vielfaches größer als die der Testentwicklung und -anwendung. Wenn man Schulnoten wichtet (zum Beispiel Mathematik vierfach in eine Gesamtnote eingehen läßt) und so für den Schüler einen Gesamtwert errechnet, der wiederum auf eine Gesamtverteilung normiert werden kann, so hat ein solcher Schul-IQ-Wert den gleichen Vorhersagewert wie ein guter Intelligenztest und ähnliche Mängel. Wir werden darauf später bei der Diskussion der PISA-Tests ausführlich eingehen. Es wäre heute auch durchaus möglich, in alten Schulklassenbüchern die Zensuren nachträglich auf eine IQ-Skala zu normieren. “ (Ebd., 2012, S. 38-39).

„Die Mängel der Schulzensuren kennen wir alle, denn wir haben alle lange genug in Schulen zugebracht und uns über Lehrer und Zensuren geärgert. Dieselben Schüler erhalten verschiedene Noten in verschiedenen Schulen. Verschiedene Lehrer geben gleichen Arbeiten verschiedene Noten. Derselbe Lehrer gibt zu verschiedenen Zeiten der gleichen Arbeit verschiedene Noten. So wie das Leben nun eben einmal ist. Auch bei der Wiederholung eines Intelligenztests wird man nur selten zu einem identischen Testergebnis gelangen. Eine gewisse Schwankungsbreite der Werte ist einfach etwas ganz Normales. Wichtiger ist die zugrundeliegende Regelhaftigkeit, die einem Hilfsschüler bei einem Zentralabitur für Mathematik keine und auch keine zufällige Chance gibt - auf diese großen Unterschiede kommt es an. Und es sind und es waren die Schulzensuren, die für die entscheidenden Einschnitte auf dem Bildungswege, wie die Aufnahme in ein Gymnasium und die Zulassung zu einem bestimmten Studium, die Weichen gestellt haben. Daß mit den Schulzensuren am allerbesten eine Laufbahn zum Studienrat vorhergesagt werden kann, aber weniger gut eine erfolgreiche Tätigkeit in einem naturwissenschaftlichen Beruf, liegt sicher an den zensierenden Studienräten. Sie sind eben auch nur Menschen.“ (Ebd., 2012, S. 39).

„Daß die Schule stets auch gleichmachende Eigenschaften hat, darf man nicht vergessen. »Die Volksschule ist für alle ihre Schüler in gleichem Maße da,. sie hat die Aufgabe, alle möglichst gleich zu fördern, auch die Minderbegabten an das allgemeine Lehrziel möglichst heranzubringen.« So lautet eine dieser Forderungen, die auf Nivellierung zielen, aber aus der Sicht des Lehrers, der eine in ihren Leistungen sehr unterschiedliche Klasse vor sich hat, einer gewissen Logik nicht entbehrt. Wer für soziale Gleichheit eintritt, für den ist daher die Abschaffung der Schulzensuren seit eh und je eine der Lieblingsforderungen.“ (Ebd., 2012, S. 39).


Die bürgerliche Leistungsgesellschaft und ihre Feinde Gesamtschule oder mehrgliedrige Schule?

„Überwog in der bürgerlichen Leistungsgesellschaft anfangs das Bestreben, die Schulstruktur so zu gestalten, daß die Begabten und ihre Leistungen gefordert und gefördert werden, so stellten die gleichmachersichen Kräfte dem das Ziel entgegen, eine Einheitsschule zu errichten, in der Begabtenförderung nur ein untergeordnetets oder gar kein Thema mehr sein sollte.“ (Ebd., 2012, S. 54).

„Zig Millionen sind in den Säuberungen und Kulturrevolutionen umgekommen und umgebracht worden. Aber vielleicht war man bisher nur nicht gründlich genug? Kindergartenpflicht und Ganztagsschulen u.s.w.: das wird längst nicht reichen. Das Verlosen der Neugeborenen auf neue Eltern, nicht einmal Pol Pot kam auf diese Idee. Aber das wäre doch die Lösung! Die neue schöne Welt winkt verlockend.“ (Ebd., 2012, S. 61-62).

„Ich fragte den Lehrer, wer dann über die Zuteilung von Bezugsscheinen entscheiden würde und nach welvhen Gesichtspunkten. Denn bislang führte noch jede Annäherung an eine solche Gesellschaft zu extremem Mangel und zur Willkür der selbsternannten Obergerechten (»Obergleichen«; HB) - sowie in Orwells »Die Farm der Tiere«. Aber die Geschichte bewegt sich nun einmal in Zyklen, und wir streben in den Industrienationen in diese Richtung.“ (Ebd., 2012, S. 63).

„Während sich in unserer Spätphase der Industriegesellschaft die gesellschaftliche Mehrheit immer eindeutiger gegen eine Leistungsorientierung in der für alle angestrebten Einheitsschule ausspricht, so stehen dem in der Wirtschaft nach wie vor Anforderungen entgegen, die Leistung verlangen und der Einebnung der Bildungsunterschiede und Bildungsstrukturen entgegenwirken. Durch diese widerstrebenden Tendenezen wird die Entwicklung der Bildungsstrukturen bis zum Großen Chaos weltweit geprägt sein.“ (Ebd., 2012, S. 65).


Die bürgerliche Leistungsgesellschaft und ihre Feinde Mit dem allgemeinen Wahlrecht wird die Gesellschaft sozial.

„Das preußische Dreiklassenwahlrecht wollte den Aufstieg der unteren Schichten dadurch bremsen, indem es zuließ, daß die Interessen der Dritten Klasse von Vertretern der anderen Klassen wahrgenommen wurden, wenn sie von der Dritten Klasse dafür gewählt worden wären. Dieses Wahlrecht stellt eine hochinteressante Übergangsform ... dar. Wer zu denen gehörte, die zusammen allein ein Drittel aller Steuern zahlten, gehörte zur Ersten Klasse, und Adel oder Nicht-Adel spielte dabei schon keine Rolle mehr. Der bürgerliche Aufsteiger konnte in diese Klasse gelangen, der intelligente Besitzlose aber nicht.“ (Ebd., 2012, S. 66-67).

„Die Verpflichtung zu »sozialer Gerechtigkeit« ist auf diese Weise das Hauptmerkmal der einzig wirklich erlaubten Art Mensch, des Gutmenschen, geworden.“ (Ebd., 2012, S. 68).

„Wer heutzutage Gerechtigkeit fordert, fordert stets Umverteilung. Man darf deshalb sicher sein: Am Ende der Demokratie (genauer gesagt ihrer entarteten Form: Ochlockratie! HB **) wird ein Alleinherrscher stehen, der nur dann an die Macht kommen und sich behaupten kann, wenn er vorgibt, seine absolute Macht im Namen der sozialen Gerechtigkeit auszuüben. Und erst, wenn die Macht diesen Tarnmantel abgworfen haben wird und von »sozial« keine Rede mehr sein wird, ist der Kreislauf der politischen Verfassungen der Industriegesellschaft geschlossen und beginnt ein neues Zeitalter.“ (Ebd., 2012, S. 69).


Die bürgerliche Leistungsgesellschaft und ihre Feinde Die Geschichte der Intelligenzforschung als Anzeiger des gesellschaftlichen Wandels.

„Wenn heute ... IQ-Tests in allen Industrieländern als so eine Art angewandter Faschismus gelten, dann muß es nach 1950 und vor 1973 eine Umwertung der Werte gegeben haben. Wir belegen in diesem Buch, daß tatsächlich Volksbildung, der Intelligenzbegriff und insbesondere der IQ eine solche Umwertung erfahren haben, die wiederum als Anzeiger für fortschreitende Veränderungen im Kreiskauf der politischen Verfassungen gedeutet werden können.“ (Ebd., 2012, S. 79).

„Wenn in einer Bildungsstudie festgestellt wird, und es wird in jeder erneut festgestellt, daß der Erwerb höherer Bildungsgrade mit der sozialen Herkunft zusammenhängt, dann stimmen die Massenmedien schon am nächsten Tag einmütig die rituelle Wehklage an, wie verwerflich das doch sei. Ist man sich dabei im klaren, daß das, wenn es jemals anders kommen soll, nur durch eine ... unmenschliche Ausprägung von Kommunismus vollbracht werden könnte? Man müßte die Kinder ihren Eltern enteignen, jedes Wissen über ihre Herkunft versperren und die Kinder entweder zufallsverteilen oder in Heimen großziehen.“ (Ebd., 2012, S. 89).


Die bürgerliche Leistungsgesellschaft und ihre Feinde Intelligenz.wird als ein bürgerlicher Begriff durchschaut.

„Menschenmassen streben im Kreislauf der Verfassungen in dem gesellschaftlichen Entwicklungsstadium, in dem wir leben, stets eine Art von Sozialismus (genauer gesagt: Nihilismus, denn das, was der angebliche »Sozialismus« will, ist Umwertung, Umsturz, Umverteilung, Umerziehung, Umbau, Umkehrung aller bestehenden Verhältnisse, um eine noch viel größere Ungerechtigkeit und Ungleichheit unter Inkaufnahme der endgültigen Vernichtung der Menschheit zu erreichen; HB) an, der sich seinen entsprechenden Überbau an Begriffen schafft. Gedanken oder gar wissenschaftliche Ergebnisse ... sind für die einfache Umverteilungslogik im »starken Sozialstaat« nur störend. Wehe den Tatsachen und den Wissenschaftlern ....“ (Ebd., 2012, S. 109).


Die Intelligenz und ihre Feinde 3) Die Energiekosten bestimmern Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl.

–  Der unterirdische Wald (S. 115-125)
–  Die Grenzen des Wachstums (S. 125-131)
–  Die Beschleunigung des technischen und sozialen Wandels (S. 131-145)
–  Bürokratisierung und Zentralisierung (S. 145-148)
–  Die langfristige Vorhersage gesellschaftlicher Umbrüche (S. 148-166)
–  Der Wettlauf aller in die Armut (S. 166-172)

Die Energiekosten bestimmern Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl Der unterirdische Wald.

»Nur eine dichte Bevölkerung«, so schrieb Friedrich von Hayek, »kann jene Arbeitsteilung und Nutzung der Leistungen erreichen, von der wir heute abhängig sind. .... Es war die Bevölkerungsvermehrung, die die Arbeitsteilung möglich machte. .... Die allgemeine Wohlstandsentwicklung hilft vor allem den Armen, (wodurch) sich die Armen viel schneller vermehren als die Reichen. Daher ist es durchaus möglich, daß in einer Gesellschaft, in der alle Klassen zugenommen haben, sogar die Klassen reicher geworden sind. .... Das bedeutet nebenbei, daß die Prinzipien des Eigentums und der Privatwirtschaft den Armen am allermeisten geholfen haben. Es hat ihnen nämlich das Leben geschenkt. Sie wären nie auf die Welt gekommen, hätten nie leben können, wenn nicht die Marktwirtschaft zu unserer stark vermehrten Produktivität der Gesellschaft beigetragen hätte. – Wenn uns die Marxisten erzählen, daß der Kapitalismus das Proletariat geschaffen hat, so haben sie in gewissem Sinne recht - (zwar) nicht in dem Sinn, in dem sie es behaupten. .... Der Kapitalisms hat die Mittel geschaffen, durch die mehr Leute am Leben bleiben konnten; er ist die Grundlage der Bevölkerungsvermehrung, und das Proletariat verdankt dem Kapitalismus sein Leben.«“ (Ebd., 2012, S. 116).

Erdöl und Erdbevölkerung

„Wenn man den Anstieg der Weltbevölkerung und den Anstieg der Welt-Erdölförderung im 20. Jahrhundert in der Abbildung in einer vergleichbaren Skala darstellt, dann drängt sich der Eindruck auf, daß zwischen beiden eine unmittelbare gegenseitige Abhängigkeit bestand. Ist pro Kopf mehr Energie verfügbar, dann steigen die wirtschaftlichen Erwartungen und Gelegenheiten. Die moderne industrialisierte Landwirtschaft wandelt Öl in Nahrung um. Ohne Kunstdünger und Pestizide auf petrochemischer Grundlage und ohne Antriebsmaschinen hätte sich die Landwirtschaft nicht in dieser Geschwindigkeit entwickeln können. Die Bevölkerungsdichte konnte in vielen Ländern erst ansteigen, nachdem Stickstoff-Kunstdünger eingesetzt wurde, der auf Erdgasbasis am billigsten synthetisiert wird. Bereits um 1970 erreichte der weltweite Verbrauch industriell gewonnener Energie mit 2,3 Liter pro Person und Tag ein Maximum und sank bis 2000 wieder auf 1,7 Liter ab.“ (Ebd., 2012, S. 124-125).


Die Energiekosten bestimmern Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl Die Grenzen des Wachstums.

»Die Grenzen des Wachstums« ist eine 1972 ... im Auftrag des Club of Rome (**|**|**|**|**|**|**|**) veröffentlichte Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft. Die meisten Leser haben sicher schon davon gehört. 2005 ging ich bei einem Vortrag beiläufig auch auf dieses Buch und seine Prognosen ein. In der Diskussion meldete sich dann ein Student und meinte, diese angstmachenden Prognosen seien ja schon lange bekannt, wären aber nie eingetroffen. Falsch, denn der Prognosehorizont liegt noch vor uns. 1972 lautete die zentrale Schlußfolgerung des Berichts: Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Förderung von Rohstoffen anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen in Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht werden, also bis etwa 2072. Das Erreichen der Wachstumsgrenzen könnte zu einem ziemlich raschen und unaufhaltsamen Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazitäten führen, zum Großen Chaos. Mit dieser Vorhersage unterscheidet sich diese Studie von den bis dahin üblichen linearen Trendberechnungen und stellt die Abhängigkeit zwischen den wichtigsten Einflußgrößen und Regelkreisen her. Die Studie stellte fest, daß sich das exponentielle Wachstum der Weltwirtschaft zwar fortsetzen, dann aber in einer beispiellosen Krise enden wird.“ (Ebd., 2012, S. 125).

„1992 wurden die Modellrechnungen von 1972 erneut überprüft. Das Wachstum der Weltbevölkerung hat sich zwischen 1970 und 2000 so entwickelt, wie angenommen bzw. vorhergesagt. 2004 führten die genaueren Daten, die man in die Modellrechnungen eingeben konnte, zu der Präzisierung, weiterhin ungebrochenes Wachstum würde ab dem Jahre 2030 den Zusammenbruch der Weltwirtschaft nach sich ziehen. Um das zu verhindern, müßte es zur Einschränkung des Verbrauchs, zur Abschwächung des Bevölkerungswachstums und zahlreichen weiteren Einschnitten in die Entscheidungsfreiheit des einzelnen kommen, zu Maßnahmen also, deren Durchsetzung kaum zu erwarten sei. Der Australier Graham M. Turner (2008) hat für den Zeitraum 1970-2000 die Annahmen der Modellrechnungen mit der Wirklichkeit verglichen und eine sehr gute Übereinstimmung festgestellt. Auch er weist darauf hin, daß das Standardmodell den Zusammenbruch für die Mitte des 21. Jahrhunderts vorhersagt und nicht etwa bis zum Jahr 2020, wie das von böswilligen Kritikern von Meadows et al. unterstellt worden ist.“ (Ebd., 2012, S. 125).

„Wir nehmen deshalb in unserem Buch hier »Die Grenzen des Wachstums« in seiner Vorhersage als weitgehend richtig und gegeben an und suchen im weiteren nach weiteren wichtigen Einfluß- und Regelgrößen, die Meadows et al. entgangen sind, sowie nach den politischen Folgen der Entwicklungen.“ (Ebd., 2012, S. 126).

„Es gibt aber auch Wissenschaftler, die alle derartigen Vorhersagen rundweg ablehnen und versuchen, sie ins Lächerliche zu ziehen. Der bekannteste Vertreter derartiger Ansichten ist und war Julian Lincoln Simon (1932-1998), der meint, die Grenzen von Wachstum und Rohstoffen seien nicht naturgegeben, sondern könnten durch den technischen Fortschritt nahezu beliebig gedehnt und erweitert werden. Solange sich die Weltwirtschaft - insgesamt gesehen - im Aufschwung befindet, haben ihm die Zahlen recht gegeben. 1980 schloß Simon mit dem durch besonders schlimme Vorhersagen über bald bevorstehende Hungersnöte und Verknappungskatastrophen bekannt gewordenen Paul Ralph Ehrlich (geboren 1932) eine öffentliche Wette ab. Simon forderte Ehrlich auf, ihm fünf Metallmengen zu nennen, die, wie von Ehrlich und anderen angenommen, in absehbarer Zeit verknappt würden und damit auch eine deutliche Preissteigerung zu erwarten hätten. Ehrlich wählte Chrom, Kupfer, Nickel, Zinn und Wolfram in einem Zeitrahmen von zehn Jahren. Nach zehn Jahren war aber der Gesamtpreis all dieser Metalle gefallen, und Ehrlich hatte die Wette verloren. Ehrlich hätte auch verloren, wenn er auf Benzin, Nahrungsmittel, Zucker, Kaffee, Baumwolle, Wolle oder Phosphate gewettet hätte, denn alle diese Güter waren im Zeitraum 1980 bis 1990 inflationsbereinigt billiger geworden. Hätte Ehrlich die Wette aber auch verloren, wenn der Zeitrahmen der Wette sich statt über nur 10 Jahre auf 30 oder 60 Jahre erstreckt hätte? Die Entdeckung neuer Kupferlagerstätten zum Beispiel erreichte 1996 ihren Gipfel. Von 2003 bis 2006 vervierfachte sich der Kupferpreis auf dem Weltmarkt. Da Kupfer wieder aufbereitet werden kann, ist der hohe Kupferpreis weltweit ein Anreiz für Diebe geworden, die Rohre, Bleche und Drähte stehlen, wo immer sie können. Da bis 2006 die Rohstoffpreise vor allem auch durch die Spekulation hochgetrieben worden sind, um dann 2009 wieder abzustürzen, ist stets eine längerfristige Sichtweise notwendig. Aber auch für all diese Rohstoffe gilt die grundsätzliche Feststellung ..., daß endliche Vorräte bei exponentiellem Wirtschaftswachstum an ihre Grenzen stoßen und nach Überschreitung des Fördergipfels einen raschen Preisanstieg aufweisen, auch wenn das ein Julian Simon zu seinen Lebzeiten nicht mehr erfahren mußte. Mit den steigenden Preisen werden auch Lagerstätten von Kupfererz und anderen Erzen und Mineralien abbauwürdig werden, die es bisher noch nicht waren. Wir brauchen uns aber nicht näher damit zu befassen, da die Entscheidung, ob es tatsächlich zum Abbau dieser ärmeren Lagerstätten kommt, von den Energiekosten des Abbaus abhängt. Die Energiekosten waren stets der schrittbegrenzende Hauptfaktor aller Entwicklung und bleiben es auch in Zukunft.“ (Ebd., 2012, S. 126).

„Gescheitert sind aber die schwarzseherischen neomalthusianistischen Prognosen von Ehrlich und anderen, die schon für die letzten beiden Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts eine Welthungerkatastrophe vorhersagten, dabei aber die Möglichkeiten, die landwirtschaftlichen Erträge durch eine Grüne Revolution zu steigern, grob unterschätzten. 1944 hatte Norman Borlaug (1914-2009) in Mexiko mit der Züchtung neuer Weizensorten begonnen: Zwergsorten mit dicken Halmen, fetten Ähren und widerstandsfähig gegen Krankheiten, die unter sehr unterschiedlichen Bedingungen gedeihen konnten. 1963 standen auf 95% aller mit Weizen bestellten Flächen Mexikos Borlaugs Zwergsorten, und Mexiko war zum Weizenausfuhrland geworden. Die mexikanische Weizenernte war 1963 sechsmal höher als 1944. Um 1965 waren Pakistan und Indien von Hungersnot bedroht. Borlaug ließ Saatgut der in Mexiko erprobten Zwergsorten auf den indischen Subkontinent schaffen und setzte dort seine Züchtungsexperimente fort. In Pakistan war die Gefahr einer Hungersnot schon 1968 abgewendet, in Indien 1974. Von 1965 bis 2000 versechsfachte sich in Indien der Ertrag der Weizenernte. Die revolutionären Methoden, wie sie durch Borlaug in der Weizenzüchtung entwickelt wurden, wurden auf die Züchtung neuer Reissorten und anderer Nutzpflanzen übertragen. Die Denkkraft des Genies, der schöpferische Geist hatte wieder einmal den Ausweg gefunden, den er nach Meinung eines Julian Simon immer finden wird. Man könnte auch wirklich von ganzem Herzen wünschen, Julian Simon möge stets recht behalten. Allein, auch diese Medaille hat zwei Seiten: Die Ertragssteigerungen ermöglichten in zahlreichen Ländern eine Bevölkerungszunahme, die früher durch die von Ehrlich erwarteten Hungersnöte auf niedrigerem Niveau gebremst worden wäre. Es ist ja nicht so, daß nur die Sorten sich verändert haben und bei gleichbleibenden oder gar geringen Anforderungen an Wasser, Düngung u.s.w. die Erträge gestiegen sind; nein, es hat sich weit mehr verändert. Die Grüne Revolution brachte unter anderem auch Veränderungen in der Bewässerung, Düngung, Bodenbearbeitung und im Transportwesen mit sich und damit Abhängigkeiten von fossiler Energie für die Düngemittelherstellung, den Transport u.s.w.. Am Ende hat die weit höhere Menschenzahl einen weit höheren Energiebedarf, als das etwa in Indien vor 1965 der Fall gewesen war. Damit wird auch das letzte kleine Dorf in den Kreislauf der Industriegesellschaft hineingerissen. Um den erneut drohenden katastrophalen Entwicklungen auszuweichen, wäre eine zweite Etappe der Grünen Revolution notwendig, wie sie durch die Anwendung der Biotechnologie und Gentechnik inzwischen möglich wäre. Im Gegensatz zu 1965 stehen dem aber sich ausbreitende Vorurteile und Dummheit immer stärker entgegen.“ (Ebd., 2012, S. 126-127).

„Olduvai-Theorie“

„Die klarste, aber auch pessimistischste Theorie über den Zusammenhang zwischen Energie, Bevölkerungszahl und dem Schicksal der Industriegesellschaft formulierte 1996 der Elektroingenieur Richard C. Duncan. Er befürchtet, daß die moderne industrielle Zivilisation bereits ab 2012 in die Phase eines steilen Absturzes eintritt, durch den die Bevölkerungszahl der Erde schon ab 2030 auf 2 Milliarden verringert wird und damit, bildlich gesprochen, in eine Schlucht stürzt, die er mit der Olduvai-Schlucht der Vorzeit vergleicht, weshalb er seine Theorie »Olduvai-Theorie« genannt hat. Sie ist nicht aus der Luft gegriffen und stützt sich auf namhafte Vordenker. Henry Adams (1838-1918) hatte bereits 1893 die Befürchtung geäußert, daß der Hunger nach Elektroenergie die Welt letztlich und gesetzmäßig ins Chaos stürzen wird - als Vollendung einer einmaligen Beschleunigung der Evolution (vgl. Konrad Lorenz, Der Abbau des Menschlichen, 1983) und der menschlichen Geschichte, die schließlich in einer Katastrophe mündet. Andere Mitglieder der Schule der us-amerikanischen Technokraten, bei der auch der Erdöl-Prognostiker Hubbert ein- und ausging, kamen zu dem Schluß, daß das Schicksal der Industriegesellschaft durch die Pro-Kopf-Erzeugung an Energie bestimmt wird. Seit 1945 stieg diese Erzeugung exponentiell an, ermöglicht insbesondere durch weltweit steigende Fördermengen an Erdöl und Erdgas. Seit 1979 konnte diese Pro-Kopf-Erzeugung nicht mehr nennenswert gesteigert werden und ist sogar seit 2004 leicht rückläufig. Ab 2009 - so nach Vorausblick der Olduvai-Theorie - schafft es die Energieindustrie nicht mehr, den steigenden Bedarf zu decken und die Netze auszubauen. Immer häufiger kommt es zu großen Strom- und Netzausfällen, wie sich durch die internationalen Statistiken solcher Ausfälle tatsächlich belegen läßt.“ (Ebd., 2012, S. 127-128).

„Duncan versteht Elektroenergie als das Blut der industriellen Zivilisation. Fließt es nicht mehr oder unregelmäßig, dann brechen die Stromnetze zusammen und alles hinterher. Gewagte politische Entscheidungen, wie die Abschaltung von Kraftwerken, können die Versorgungssicherheit zusätzlich untergraben und erhöhen selbstverständlich die Energiekosten. Zur Katastrophe im Schlepptau von Revolutionen und Bürgerkrieg kommt es auch dadurch, weil immer mehr Menschen die steigenden Energiepreise und die in ihrer Folge steigenden Nahrungsmittelpreise nicht mehr bezahlen können. Wie es scheint, ist diese Entwicklung heute - 2012 - in den ärmsten Regionen der Welt bereits in vollem Gange.“ (Ebd., 2012, S. 128).

„Die Olduvai-Theorie ist deshalb keine Theorie für eine ferne Zukunft, sondern eine für unsere unmittelbare Gegenwart. Die Entwicklung der entscheidenden Kennziffern dieser Theorie ist nachprüfbar. Nicht unmittelbar für ein gegebenes Jahr, sondern mit etwa zwei bis drei Jahren Verzögerung, bis jeweils die gültigen statistischen Zahlen vorliegen. In der englischen Wikipedia gibt es zum Beispiel Seiten, auf denen die Statistiken der großen Stromausfälle (blackouts) und Spannungsminderungen (brownouts) gesammelt werden. Jeder kann diese Statistiken einsehen, so unvollständig sie auch sein mögen. Wie die Daten zeigen, ist die Entwicklung sehr beunruhigend. Duncan könnte recht behalten, wenn auch nicht 2012, sondern einige Jahre später, denn der von ihm vorhergesagte Ablauf droht sich anzubahnen.“ (Ebd., 2012, S. 128).

„Eine Gesellschaft, welche die Pro-Kopf-Erzeugung an Energie steigern kann, beschleunigt ihren eigenen sozialen Wandel. Eine Gesellschaft, die nicht mehr in der Lage ist, die weit vorausschauende Unterhaltung der elektrischen Energienetze zu finanzieren oder politisch durchzusetzen - ein sich wahrscheinlich ... bis 2030 immer mehr ausbreitender Zustand - beschleunigt hingegen ihren eigenen Untergang. Der Physiker Hans Thirring (1888-1976) sagte bereits 1956 für diesen Fall den Tod von drei Vierteln der Menschheit voraus und für die Überlebenden beklagenswertes Elend. Walter Youngquist (1997), ein kritischer Begleiter von Duncan, merkte jedoch an, daß seiner Meinung nach dieser Zustand erst 2050 erreicht sein wird und nicht schon 2030.“ (Ebd., 2012, S. 128).

„1899 hielt Clemens Winkler (1838-1901), der Entdecker des Germaniums (**), auf dem Allgemeinen Bergmannstag im böhmischen Teplitz einen Vortrag zum Thema »Wann endet das Zeitalter der Verbrennung?« und sagte: »Wie ärmlich erscheinen die Wunderwerke der alten Welt gegenüber den Riesenleistungen unserer Tage! .... Der Forschungsdrang, der unser Zeitalter kennzeichnet, hat eine mächtige materielle Stütze gefunden in der Heranziehung der fossilen Kohle zur Wärmeerzeugung. .... Das ist der große Wurf, der unserem Jahrhundert gelungen. .... Heute mutet es uns manchmal an, als befänden wir uns in einem Rausch, einem Taumel, als müßten wir den Atem anhalten, um zu fragen: Wo will das hinaus, wie wird das enden? Die riesigen Braunkohlenlager Böhmens, sie befinden sich bereits in einem weit fortgeschrittenen Stadium des Abbaus. .... Halten wir auch weise Haus mit dem uns in den Schoß gefallenen Gute? Wenn wir aufrichtig sein wollen, so müssen wir diese Frage verneinen. In Wirklichkeit hausen wir damit, wie der Hamster im Weizen. Wir machen es eben wie jedes andere Geschöpf und schwelgen im Überfiuß, solange wir ihn haben. Sollen wir uns deshalb Skrupel machen? Gewiß nicht! .... Es gilt auch hier das bekannte Wort: ›Nach uns die Sintflut!‹ Dennoch empfinden wir es vielleicht wie einen inneren Vorwurf, daß wir die fossile Kohle ohne alle Rücksicht auf die früher oder später drohende Erschöpfung ihrer Fundstätten durch Verbrennung vernichten. .... Denn wenn auch spätere Generationen uns nicht kümmern mögen, auf unsere Kinder und Kindeskinder spinnen sich die Fäden der Liebe, der Fürsorge, doch hinüber, und sie sind, die wir schädigen, wenn wir die Kohle, deren sie dereinst zu ihrer Existenz bedürfen, die sie vielleicht aus bitterer Not heraus schmerzlich herbeiwünschen werden, keineswegs allein dem wirklichen Bedürfnis, sondern in weitgehendem Maße auch den Zwecken des Luxus und des Vergnügens opfern, noch dazu unter Erzielung einer Wärmeausnutzung, ob deren Mangelhaftigkeit uns das Gefühl der Scham beschleichen könnte. .... An eine Beschränkung des Kohleverbrauchs ist fürs Nächste gar nicht zu denken, im Gegenteil wird derselbe fortgesetzte Steigerung erfahren, eine ungeheuere sogar. .... Die Kultur wird noch lange Zeit im Zeichen der Verbrennung stehen, das Zeitalter der Verbrennung eine Dauer nicht nur von wenigen, sondern von vielen Jahrhunderten haben.« Wie sich eben auch bedeutende Wissenschaftler in der Abschätzung von Zeiträumen irren können.“ (Ebd., 2012, S. 128-129).

„In engem Zusammenhang mit der Pro-Kopf-Produktion an Energie steht die Pro-Kopf-Produktion an Lebensmitteln. Seit 1990 hat sich die Ertragssteigerung bei Getreide abgeschwächt, ab 2007 kam es zu einem starken Anstieg der Lebensmittelpreise, von dem alle Länder mehr oder weniger betroffen sind. Je teurer Energie wird, desto größer die Versuchung, aus ursprünglich als Lebensmittel angebauten Pflanzen Energie zu gewinnen. Mais, Zuckerrohr und pflanzliche Öle lassen sich als Lebensmittel bzw. Viehfutter verwenden oder zu Treibstoff umwandeln. Letztere Verwendung trägt mit Sicherheit dazu bei, die Lebensmittelpreise in die Höhe zu treiben. Seit 1990 können im übrigen im Fischfang auf freier See keine Zuwachsraten mehr erreicht werden.“ (Ebd., 2012, S. 129).

„Unser gesamtes Buch hier könnte andere Aussichten aufzeigen und andere Schlüsse ziehen, wenn Energie billig wäre und bliebe. Es macht einen großen Unterschied, ob zum Beispiel der Wirkungsgrad für Solarzellen zwanzig Jahre früher oder später erhöht wird und die Kosten gesenkt werden. Wir wissen es nicht und können nur hoffen und nach Kräften mit unserer eigenen Arbeit dazu beitragen, daß die Entwicklung weniger dramatisch und eher glimpflich verläuft. Während in der Aufstiegsphase der Industriegesellschaft sinkende Energiekosten den Energieverbrauch anheizen, hat in der Niedergangsphase die Sparsamkeit einen tiefen Sinn. Neue Erfindungen auch auf diesem Gebiet könnten viel und rechtzeitig dazu beitragen, die möglichen verheerenden Auswirkungen des Großen Chaos zeitlich zu strecken und abzumildern.“ (Ebd., 2012, S. 129).

„Zu einer Energiewende bleiben uns also weltweit nur noch zwei bis vier Jahrzehnte Zeit, wenn überhaupt noch so viel Zeit ist. Die Hoffnung und das politische Streben, durch Sonne, Wind und Wasserkraft Kohle und Erdöl zu ersetzen, zugleich aber auch auf die Kernenergie zu verzichten, ist, langfristig gesehen, eine nachhaltige Orientierung. Die große Frage ist aber, ob die Kosten einer solchen Energiewende innerhalb eines so kurzen Zeitraums nichts weiter als eine Utopie sind und ein weiterer Faktor, der das Große Chaos eher beschleunigen wird, anstatt es vermeiden hilft. Denn im selben Zeitraum wird auch die Erdbevölkerung mit etwa 9 Milliarden Menschen ihr Maximum erreichen, mit einem entsprechenden Druck auf Nahrungs- und Energiequellen aller Art und einem sich daraus ergebenden politischen Druck bei Versagen und Versiegen der elementaren Lebensgrundlagen. Um dem steigenden Kostendruck zu begegnen, ist ein Erfindungsreichtum sondergleichen gefragt, der eine wirtschaftliche Ausnutzung der Energieträger Sonne, Wind, Wasserkraft und Erdwärme mit einem weit höheren Wirkungsgrad als heute erlaubt, und zu gleicher Zeit bei Motoren, Gebäudedämmungen u.s.w. gleichwirkende Entwicklungen durchsetzt. Dieser Erfindungsreichtum setzt intelligente und gebildete Menschen voraus, die in Freiheit nach technischen Lösungen suchen können und sie umsetzen. In Anbetracht des nur noch kurz zur Verfügung stehenden Zeitraums gehen diese Menschen heute bereits zur Schule oder werden in den nächsten zwei Jahrzehnten geboren. Wird es genügend intelligente junge Menschen geben, die innerhalb dieses - weltgeschichtlich gesehen - sehr kurzen Zeitraums als Erfinder, Manager und durchsetzungsfähige Politiker die Energiekosten in einem Bereich halten können, in dem die Grundversorgung für die alternden Bevölkerungsmassen der Industrieländer aufrechterhalten werden kann? Ob das bei den bedürftigen und hungernden Milliardenmassen der Dritten Welt auch gelingen wird? Oder wird die Lösung dieser Aufgabe an der Minderzahl fähiger Personen und der Überzahl unfähiger scheitern - an einer IQ-Lücke - und die Welt um 2030 oder 2050 im Großen Chaos versinken? Versinken darin dann auch fast überall Demokratie und freiheitliche Ordnung, sofern überhaupt je vorhanden?“ (Ebd., 2012, S. 129-130).

„Als im April 1945 in meiner Heimat die staatliche Ordnung zusammenbrach, hatten die Bauern noch vor dem Einmarsch der Sieger die Kartoffeln gelegt und sie so dem drohenden Zugriff durch die Besatzungstruppen entzogen. Mit ihren Pferden und den Kühen, die mit der Hand gemolken wurden, waren die Bauernhöfe in der Lage, sich zu behaupten. Beim nächsten Zusammenbruch besteht diese Möglichkeit nicht mehr. Pferde gibt es fast keine mehr, und beim Zusammenbruch der Treibstoffversorgung und des Elektrizitätsnetzes fallen auch Melkmaschinen und Heizpumpen aus. Beim derzeitigen Stand der Technik ist eine örtliche oder landschaftgebundene Selbstversorgung in einem Industriegebiet nicht mehr erreichbar und schon gar nicht mehr innerhalb der wenigen Wochen oder Monate, die zur Verfügung stehen werden. Schon nach kurzer Frist werden Schreckensbilder wahr werden, ähnlich denen, wie sie in Romanen wie »Die Stadt der Blinden«, »Das Tal des Lebens«, »Die Triffids«, »Die Memoiren einer Überlebenden« und ähnlichen Katastrophenszenarien vorgedacht worden sind. Relativ glücklich vermutlich die, welche intelligent und vorausschauend genug waren, sich in weniger besiedelte ländliche und vor allem schwer zugängliche Hochgebirgsregionen oder Insellagen abzusetzen, wo sie mit Gleichgesinnten rechtzeitig den Aufbau einer örtlichen Selbstversorgung und Selbstverteidigung begonnen haben - vor allem und leider auch notwendig zur Abwehr und Selektion der Flüchtlingswellen aus den Notstandsgebieten.“ (Ebd., 2012, S. 130).

„Ein Wort zu Energie und Klima läßt sich an dieser Stelle nicht vermeiden. Das Klima hat sich schon immer verändert. Das Klima hat sich im Laufe der Erdgeschichte ohne Zutun des Menschen schon viel stärker verändert als mit seinem Beitrag, und während der Eiszeiten sogar in mehreren Wellen.“ (Ebd., 2012, S. 130).

„In den letzten zwei Jahrhunderten hat es die Menschheit fertiggebracht, bereits die Hälfte aller in Jahrmillionen entstandenen fossilen Brennstoffe zu verbrennen, davon die Hälfte des Erdöls im letzten halben Jahrhundert. Es ist möglich und sogar wahrscheinlich, daß dadurch die Erde ein wenig aufgeheizt worden ist. Es ist mittelfristig nicht sicher, ob diese menschliche Beeinflussung die natürlichen Klimaschwankungen übertreffen wird. Und es ist deshalb auch nicht sicher, ob menschliche Anstrengungen das Weltklima in einer gewünschten Richtung verändern können.“ (Ebd., 2012, S. 130).

„Weltklima, die Atemluft und das Meerwasser sind Allgemeingüter der gesamten Menschheit. Bei Allgemeingütern gewinnt derjenige am meisten davon, der sie ohne Rücksicht auf die anderen ausnutzt. Und derjenige schädigt sich und seine Volkswirtschaft, der sich selbst Beschränkungen auferlegt, die von anderen nicht mitgetragen werden.“ (Ebd., 2012, S. 130-131).

„Länder wie Rußland, Kanada, Finnland und Schweden gewinnen mit Sicherheit von einer Weltklima-Erwärmung. Ihr Interesse an irgendeinem Abkommen kann deshalb nur Heuchelei sein. Für China, Indien und andere wäre ein Klimaabkommen wirtschaftlicher Selbstmord. Angesichts der Interessenlage bei Allgemeingütern kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß jede Weltklimakonferenz nichts anderes als Verschwendung von Zeit und Geld ist und nichts dabei herauskommen kann.“ (Ebd., 2012, S. 131).

„Weshalb also überhaupt die Klimahysterie? Soll sie vielleicht von einem viel wichtigeren und viel drängenderen Problem ablenken? Wenn wir gegenwärtig die Hälfte der Welterdölvorräte verbrannt haben und die Förderung soeben ihren Höhepunkt (Peak oil) überschritten hat (wenn ..., denn das wissen wir ja nicht genau, und eine Knappheit kann auch künstlich, also vorgetäuscht sein; HB [**|**|**]), dann können wir uns ausrechnen und sicher sein, daß es bei der Förderung der zweiten Hälfte zu einer sehr starken Verteuerung aller Energie kommen wird. Während 2050 das Klima sein kann, wie es will, und wir es nicht wissen, dürfen wir uns sicher sein, daß wir schon bis 2030 und 2040 (wenn nicht gar schon eher) überall als Folge der Energieverknappung und -verteuerung mit riesigen wirtschaftlichen Problemen und daraus sich ableitenden Unruhen und Kriegen kämpfen werden.“ (Ebd., 2012, S. 131).

„Der Gesamtenergieverbrauch der Menschheit wird sich nach 2050 sehr stark verringern, ob nur vorübergehend oder langfristig, kann heute keiner wissen. Ob das Klima im Jahre 2300 noch eine Erinnerung daran hat, daß die Menschheit zwischen 1900 und 2040 den größten Teil aller fossilen Brennstoffe in die Luft gejagt und sich dadurch dauerhaft hat beeinflussen lassen oder längst wieder seiner unbeeinflußten Eigendynamik folgt, wie in Millionen Jahren vorher und nachher, weiß niemand. Die Zeit und die Gezeiten brauchen den Menschen nicht.“ (Ebd., 2012, S. 131).


Die Energiekosten bestimmern Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl Die Beschleunigung des technischen und sozialen Wandels.

„In Übertragung auf soziale Sachverhalte bedeutet »Beschleunigung«, daß immer mehr Ereignisse, mehr Veränderungen und häufigerer sozialer Wandel pro Zeiteinheit stattfinden.“ (Ebd., 2012, S. 131).

„Dieser Antrieb für die Beschleunigung gilt auch für die politischen Parteien und ihre Programme. Je mehr sie versprechen und je rascher sie sich selbst dem sich beschleunigenden Wandel anpassen, desto größer sind lange Zeit ihre Erfolgsaussichten. »Konservativ« zu sein, gilt in einer solchen sich rasch wandelnden Welt als keine gute Empfehlung. Der Erfolg von Regierungen und ihre Fähigkeit, Zustimmung zu erlangen, hängt weitgehend davon ab, ob es ihnen gelingt, den Lebensstandard der Bevölkerung zu erhöhen oder wenigstens zu erhalten, der statistisch als Bruttosozialprodukt ausgewiesen wird. Um die Arbeitsfähigkeit des Kapital- und Aktienmarktes zu erhalten, muß das Vertrauen in die Wirtschaftskraft erhalten bleiben, das auf der Fähigkeit zu weiterem Wachstum beruht. Wenn dieses Vertrauen schwindet, dann fallen die Aktienkurse, das für Neuinvestitionen zur Verfügung stehende Kapital verringert sich sehr stark und stoppt das Wirtschaftswachstum. Die Arbeitslosenzahlen steigen, und es kommt eine rückgekoppelte Kettenreaktion in Gang, die in der Regel den Sturz der Regierung mit sich bringt. Deshalb streben alle Regierungen und alle Parteien stets ein weiteres Wachstum des Bruttosozialprodukts an, ohne Rücksicht auf die möglichen langfristigen Folgen. Für einen Ausstieg aus diesen technologischen und politischen Zwängen scheint es keinen durchsetzbaren Entwurf zu geben. Der Umschwung kommt auch hier erst dann, wenn die energetischen Grundlagen aufgebraucht sind oder übernutzt werden, wenn die Verschuldung des Staates und der öffentlichen Kassen alle Maße übersteigt und keine auch nur halbwegs glaubwürdigen Wahlversprechungen mehr gemacht werden können, weil es nichts mehr umzuverteilen gibt. In einer solchen Krise wird es zwangsläufig nicht nur zur Gefährdung jeder demokratischen, sondern zur Infragestellung jeder staatlichen Ordnung kommen.“ (Ebd., 2012, S. 133).

„Die Evolution führt nicht einfach nur zu einer Maximierung des Energiedurchflusses, denn dann wären die Ölverschwender am Golf die am weitesten fortgeschrittenen Gesellschaften, sondern zur Maximierung des schnellsten Zugewinns an Informationsentropie bei möglichst geringen Energiekosten auf allen Ebenen. Je höher die Informationsentropie der Strukturen ist, desto größer der Energiebedarf, der allein schon zur Aufrechterhaltung der Strukturen benötigt wird, geschweige denn zur ihrer Weitentwicklung. Deshalb geht der Zusammenbruch einer jeden Zivilisation mit dem Schwinden ihrer energetischen Grundlagen einher. Der Evolutionsmechanismus, der den jeweils Schnelleren überleben läßt, beschleunigt die Evolution in ihrem Gesamtgefüge. Er führt zur Selbstdomestikation und zur »Verhausschweinung« der Menschen (vgl. Konrad Lorenz, Der Abbau des Menschlichen, 1983) überfordert oder erschöpft die Energiequellen und führt dabei zum Umschalten von positiver auf negative Selektion (vgl. Eckart Knaul, Das biologische Massenwirkungsgesetz, 1985). Damit erweist er sich letztlich als ein im Plan der Welt vorgesehener Regulations- und Selbstzerstörungsmechanismus, dem auch die biologische, technische und soziale Entwicklung der Menschheit unentrinnbar ausgeliefert ist. Wer sich durch Erkenntnis oder Teilerkenntnis aus diesem Prozeß auszuklinken versucht, läuft Gefahr, gnadenlos auskonkurriert und in den Gesamtprozeß zurückgeworfen zu werden. Das alles hatte seine Grenzen, solange diese Zerstörung nur regional erfolgte und - ausgehend von einem niedrigen Niveau - eine Erneuerung der energetischen Grundlagen möglich war, wie das vor 1500 der Fall war. Die Entwicklung der Industriegesellschaft baut jedoch auf der Ausbeutung fossiler Energie auf, die gegenwärtig weltweit zur billigeren Hälfte abgebaut ist und sich nicht erneuern wird. Doch nach wie vor ist die Geschwindigkeit des Wandels ein Selektionsvorteil, selbst noch im Abschwung.“ (Ebd., 2012, S. 133).

„Es gibt gläubige Minderheiten, deren Stifter die allen früher oder später drohende Gefahr erkannt und für ihre Anhänger Lebensregeln erlassen haben, die zum Überleben beitragen sollen. Das bekannteste Beispiel sind die nordamerikanischen Amish, die technische und soziale Neuerungen nicht oder nur sehr verzögert in ihr Leben eindringen lassen. Man darf deshalb die Überlebensaussichten der Amish in der kommenden Weltenkrise des Großen Chaos als groß einschätzen, so sehr ihre gegenwärtige Lage auch randständig ist.“ (Ebd., 2012, S. 134).

„Die Beschleunigung des Wandels hat noch einen weitere Auswirkung: Noch nie war die Zukunft so wenig vorhersagbar wie in dieser Gegenwart. Schon was in zehn oder zwanzig Jahren eintreten wird, ist mit großer Unsicherheit der Vorhersage behaftet. Ein Prognosehorizont von einhundert Jahren gehört ins Reich der reinen Utopie. Auch unser Versuch, in diesem Buch die Grenzen der Ereignisse innerhalb der nächsten fünfzig Jahre auszuloten, ist deshalb bereits voller Unwägbarkeiten.“ (Ebd., 2012, S. 134).

„Nicht alles hat sich geändert oder ändert sich. Nach wie vor stehen die meisten Menschen früh auf und legen sich abends schlafen. Unser Leben besitzt eine Eigenzeit, die jedoch in den technischen und sozialen Wandel einbezogen und dadurch teilweise ausgeschaltet wird. Für eine erfolgreiche Familiengründung steht den jungen Frauen nur ein nach Jahren begrenztes Zeitfenster zur Verfügung. Je höher die Qualifikation ist, desto länger ist die Ausbildungszeit und desto kleiner das Zeitfenster für eigene Kinder. Getrieben von der Angst, den beruflichen Anschluß zu verlieren, bleiben sehr viele hochgebildete Frauen kinderlos oder bekommen nur ein Kind. Die kleinen Kinder müssen Kindergärten besuchen, wo sie zu unfreiwilligen Versuchspersonen im Wettlauf zwischen der Evolution der Bakterien und Viren und der Entwicklung ständig neuer Medikamente werden. Für die Männer ist die Situation nur bei oberflächlicher Betrachtung eine andere. Unter dem ständigen Zeitdruck und im Getriebe der beruflichen Anforderungen leiden Partnerschaft und Familie, für die der erzwungene Wechsel von Arbeitsstelle und Arbeitsort, die vielgerühmte Flexibilität der Arbeitnehmer, Gift sind. Das spielt sich in allen Industrieländern ab, und ist einer der wesentlichen Gründe, daß immer weniger Kinder geboren werden, je höher die Frauen qualifiziert sind. Auch auf diese Weise sägt sich die Industriegesellschaft den Ast ab, auf dem sie sitzt. Nüchtern betrachtet handelt es sich aber um einen Regulationsvorgang im Zeitfenster der negativen Selektion, der im Plan der Natur so vorgesehen ist.“ (Ebd., 2012, S. 134).

„Der Überlebenskampf im Arbeitsleben zwingt nicht wenige zur Schicht- und Feiertagsarbeit. Doch hat der Arbeitnehmer einen Fehler: Er stirbt nicht bereits bei Arbeitsunfähigkeit oder Eintritt ins Rentenalter, sondern die moderne Medizin läßt ihn bisher im Durchschnitt ständig ältere Jahrgänge erreichen, die eine immer bessere Betreuung verlangen. Das und die ständige Weiterentwicklung und damit Verteuerung der Medizin und nicht zuletzt der Wettbewerb der Arzneihersteller untereinander treiben die Kosten für die soziale und medizinische Altersversorgung zu immer neuen Höhen. Auch dieses exponentielle Wachstum wird bald an seine Grenzen stoßen. Danach wird sich die Lebenserwartung verringern und die Kindersterblichkeit wieder erhöhen, wie das inzwischen schon in den zuerst und am stärksten von Krise und Chaos erfaßten Ländern der Fall ist (Simbabwe, Haiti, Somalia, Kenia, ...).“ (Ebd., 2012, S. 134).

„Die Beschleunigung erfaßt auch den Alltag. Um 1990 waren rund 80% der neu in den Supermärkten eingeführten Nahrungsmittel während eines Jahres wieder aus den Regalen verschwunden. Unter der Schlagzeile »Viagra-Effekte« meldeten am 19. August 2009 die Zeitungen, daß in Brasilien zwei Drittel aller geschiedenen Senioren noch einmal eine mehr als 30 Jahre jüngere Frau heiraten. Brauchte die Pest im Mittelalter viele Jahre, ehe sie sich von Asien nach Europa ausbreiten konnte, schaffen das heute AIDS und andere neue Seuchen im Gefolge von Luftfahrt und weltweitem Tourismus in viel kürzerer Zeit.“ (Ebd., 2012, S. 134-135).

„Wer viel Geld hat - und Geld ist ja nichts anderes als ein Gegenwert für Energie -, zeigt das durch seinen Prestigekonsum, dessen Objekte der Mode unterliegen. Demzufolge beschleunigen sich die Modezyklen und die Vielfalt der Modenischen bis ins Überspannte. Je größer eine Stadt ist, desto geschäftiger ist das Leben in ihr, selbst das Schrittempo ist schneller. Geradezu als ein Sinnbild der Beschleunigung darf der Leistungssport gelten. Das Jahr 1880 wurde 1912, also nach 32 Jahren, in Büchern noch halb so oft erwähnt wie 1881; für das Jahr 1973 hatte sich diese Zeitspanne auf 10 Jahre verkürzt, also bis auf 1983. Anwendungen aus Erfindungen im Zeitraum 1840-1880 waren 50 Jahre später im allgemeinen Gebrauch, für den Zeitraum 1880-1920 war das schon nach durchschnittlich 27 Jahren der Fall. Kurzlebiger wird aber auch der Ruhm, wenn man die Erwähnung in Büchern so nennen will. Ruhm kann man schneller und in jüngeren Jahren erwerben, er verflüchtigt sich aber auch wieder schneller.“ (Ebd., 2012, S. 135).

„Wir wollen uns hier jedoch im folgenden auf einige Kernfragen beschränken, die für unsere Gesellschaftsprognose von Bedeutung sind: 1. Welche sozialen Auswirkungen hat die Beschleunigung des technischen Wandels? 2. Hat sich der soziale Wandel tatsächlich beschleunigt, und mit welchen Kennziffern läßt sich das belegen? 3. Hat sich in den letzten zwei Jahrhunderten der Wandel der politischen Systeme beschleunigt? 4. Wird sich diese Beschleunigung des Wandels fortsetzen oder abbrechen?“ (Ebd., 2012, S. 135).


1. Frage: Welche sozialen Auswirkungen hat die Beschleunigung des technischen Wandels?

„Bei meiner statistischen Auswertung der sozialen Mobilität in Sachsen über den Zeitraum 1550-1880 fiel mir auf, daß erst um 1800 einzelne Männer auftauchten, deren Beruf und sozialer Stand mehrfach gewechselt haben. Vorher gab es zwar auch Wandel während eines Erwerbslebens, aber der war in den allermeisten Fällen durch die Alterskurve der Arbeitsfähigkeit und Arbeitsfertigkeiten bedingt. Der Gipfel der Land-Stadt-Mobilität war bereits vor über einem Jahrhundert erreicht worden, als die überschüssigen Erben aus den Dörfern zur Existenzgründung in die Städte und Stadtnähe wandern mußten. Verlängert haben sich jedoch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die durchschnittlichen Arbeitswege, was durch den individuellen Autoverkehr und relativ niedrige Kraftstoffpreise möglich geworden war.“ (Ebd., 2012, S. 135).

„Das lebenslange Verbleiben im ursprünglichen Ausbildungsberuf und auf der ersten Arbeitsstelle ist heutzutage eher die Ausnahme. Betrug zum Beispiel die durchschnitt liche Betriebszugehörigkeit bei deutschen Industriebeschäftigen 1991/’92 11,6 Jahre, so war sie schon sieben Jahre später auf 11,0 Jahre gesunken. Im Jahre 2010 melden die Massenmedien, daß in Deutschland mehr als die Hälfte aller neugeschlossenen Arbeitsverträge nur noch Zeitverträge sind. Die Gewerkschaften laufen dagegen Sturm und weisen mit Recht darauf hin, daß unter derartigen Bedingungen oft keine vernünftige Zukunfts- und Familienplanung mehr möglich ist.“ (Ebd., 2012, S. 135-136).

Produkte-Verfallsdauer

„Ebenso wie der Energieverbrauch exponentiell angestiegen ist, so auch die Innovationsrate der technischen Evolution. Die Zyklen, in denen alte Produkte durch neue Produkte verdrängt werden, sind seit Jahrzehnten immer kürzer geworden. Wie man ersehen kann, beschränkt sich die Verkürzung der Produktlebenszyklen nicht nur auf Hochtechnologiebereiche, sondern hat alle Industriezweige erfaßt. In der Industrie verschiebt sich dabei das Verhältnis für den Aufwand von Forschung und Entwicklung zum Gewinn zuungunsten des Gewinns (**). Wer selbst Einblick in das Innere der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Hochtechnologiebranchen hat oder sie durch seine Kinder, Verwandte und Freunde in wirklichkeitsnaher und kritischer Weise vermittelt bekommt, den überraschen die Folgen des stattfindenden Innovationskrieges zwischen den Unternehmen nicht. Die Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung der Hochtechnologiefirmen sind einem gewaltigen Zeit- und Leistungsdruck ausgesetzt und haben den Eindruck, daß sich dieser Druck von Jahr zu Jahr verstärkt. Für Frauen mit Kindern ist das kein empfehlenswerter Arbeitsplatz, ihren »Lebensabschnittspartnern« geht es nicht viel besser. Ein Ausscheren aus diesem Wettbewerb würde jedoch für das betreffende Unternehmen den Konkurs bedeuten.“ (Ebd., 2012, S. 136).

F.-u.-E.-Aufwendungen und Nettogewinn

„Bei hochkomplexen technischen Innovationen, wie sie in der Elektronik, in der Pharmaindustrie, im Fahrzeugbau, in der Luftfahrt und anderen Branchen gefordert sind, ist die Zahl der Mitarbeiter klein, die noch die Komplexität wirklich überschaut und die eine sehr große Anzahl von Mitarbeitern zielgerichtet einsetzen und leiten kann. In den Finanzgeschäften der Gegenwart hat man gar den Eindruck, die Komplexität sei schon zu groß, um noch von irgend jemandem in ihren Auswirkungen voll begriffen zu werden. Als Experte gilt derjenige, der hinterher genau sagen kann, warum sein Vorschlag schiefgegangen ist. In der Industrie steht und fällt der Erfolg des Unternehmens mit dem Vorhandensein einer kooperativen Führungsgruppe, bei der von jedem einzelnen ein sehr hoher IQ und geeignete Persönlichkeitseigenschaften unverzichtbare Voraussetzungen sind. Oft hängt der Erfolg von einer einzigen überragenden Persönlichkeit ab, die derartige Eigenschaften in anderen erkennen und entsprechend einsetzen kann. Das heißt, zu den Fähigkeiten eines außerordentlich erfolgreichen Fußballtrainers müssen noch weitere hinzutreten.“ (Ebd., 2012, S. 136-137).

„Persönlichkeiten, die erfolgreich erfinden und führen können und zur schöpferischen Zerstörung des Bestehenden (vgl. Joseph Alois Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1946) fähig sind, sind das Kostbarste, was eine menschliche Gemeinschaft hervorbringen kann). Im Extremfall ist der Wert einer solchen Persönlichkeit nicht mit Gold aufzuwiegen. Wer das Glück hatte, unter einem solchen Leiter arbeiten zu dürfen, profitiert für sein ganzes Leben davon. Aus Nationen mit einem mittleren IQ um 100 gehen derartige fähige und schöpferische Persönlichkeiten in der notwendigen Zahl hervor, mit der sich auch schwere Krisen meistern lassen. Wir gehen darauf an anderer Stelle noch ausführlicher ein.“ (Ebd., 2012, S. 137).

„Die Beschleunigung der Produktlebenszyklen, der sich verringernde Grenznutzen der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung und die wachsende Komplexität der Probleme und Aufgabenstellungen bringen es mit sich, daß der Stellenwert der außerordentlichen schöpferischen Persönlichkeit ständig steigt.“ (Ebd., 2012, S. 137).

„Etwa während des Ersten Weltkrieges stießen die ersten Landvermesser in das unentdeckte Innere im Westen Kanadas vor. Sie schlugen ihre Lager auf, bestiegen zuerst die am leichtesten zugänglichen Berge und befuhren die Seen und Flüsse, die keine unüberwindbaren Hindernisse darstellten. Später erkundete man die schwierigeren Wegstrecken. Und noch heute gibt es dort viele Gipfel, die von keinem Menschen bestiegen worden sind. Das schrittweise Vordringen der Landvermesser soll hier als Gleichnis auf den menschlichen Erkenntnis- und Produktionsprozeß verstanden werden. Zuerst werden die offensichtlichen und naheliegenden Dinge entdeckt und erfunden, dann immer kompliziertere und aufwendigere. Heute sind wir in den Hochtechnologiebranchen bei einer Komplexität der Aufgaben angelangt, die nur noch von wenigen Fachleuten verstanden wird und nicht einmal von diesen vollständig. Der Ausfall eines einzigen erfahrenen Mitarbeiters kann Entwicklungsprozesse um Monate verzögern. Eine einzige Fehlentscheidung des Managements - das die notwendigen Einzelheiten gar nicht mehr verstehen oder nachvollziehen kann - kann das Aus für ein kostspieliges Projekt bedeuten, vollständig oder zugunsten des Wettbewerbers. Die Innovationsbeschleunigung bewirkt, daß schwerwiegende Entscheidungen in immer kürzeren Zeiträumen getroffen werden müssen, sich die Risiken und die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheidungen erhöhen (vgl. Christoph-Friedrich von Braun, Der Innovationskrieg, 1994). Die subjektive Meinung, der Wettbewerber erhöhe seinen Aufwand für Forschung und Entwicklung, genügt, um den eigenen Aufwand zu erhöhen. Es kommt zu einer stufenweisen Steigerung der Forschungs- und Bildungsausgaben - ähnlich wie bei der Rüstungseskalation. Die Verkürzung der Produktlebenszeit führt nicht selten dazu, daß Produkte bereits zu früh aus dem Markt genommen und durch neue ersetzt werden, sich aber dadurch der Umsatz verringert, statt erhöht. Volkswirtschaftlich gesehen, kommt es auf diese Weise zu einer Verschwendung von Rohstoffen und Investitionen.“ (Ebd., 2012, S. 137-138).

„Die Beschleunigung der Produktlebenszyklen als eine objektiv nachweisbare und meßbare Tatsache steht mit der Beschleunigung sonstiger wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Veränderungen in einem ursächlichen Zusammenhang.“ (Ebd., 2012, S. 137).


2. Frage: Hat sich der soziale Wandel tatsächlich beschleunigt und mit welchen Kennziffern läßt sich das belegen?

„Daß mehr Energie durch alle Adern des gesellschaftlichen Lebens fließt, wird an einigen Erscheinungen und Kennziffern deutlich, die wir eigentlich alle kennen. Die Geldmenge der Staatshaushalte - als Gegenwert von Energie - wächst und damit ihr Bestreben, dem Bürger immer mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. Es wachsen die Bürokratie und die produzierten Aktenberge. Man braucht nur einmal in ein Archiv zu gehen und sich in einem Schaubild zeigen lassen, wie seit 1600 die Menge der Archivalien gewachsen ist. Man erhält dann eine ähnliche Kurve wie für die Bevölkerungszunahme, aber in Richtung auf die Steigerung der Welterdölförderung verschoben, das heißt mit den absolut höchsten Zuwachsraten in den allerletzten Jahrzehnten. Jahrzehnt für Jahrzehnt ist auch die Anzahl der gedruckten Bücher gewachsen, von denen in den Nationalbibliotheken Belegexemplare aufbewahrt werden müssen. Noch dynamischer hat sich die Menge der elektronischen Information in den allerletzten Jahren entwickelt.“ (Ebd., 2012, S. 138).

„Das alles ließe sich ja noch als Fortschritt verstehen, wenn dabei nicht auch die Menge und Länge der Gesetzestexte und Vorschriften in vergleichbarem Umfange gewachsen wäre, folglich auch die Zahl und Dauer der juristischen Verfahren. Jede Regierung tritt mit dem erklärten Vorsatz an, die Bürokratie einzuschränken, und endet, wenn schon vielleicht mit zahlenmäßig weniger Personal, dann doch stets auf längere Sicht bei komplizierteren und längeren Texten. Bei der Suche nach Statistiken, wie lange Gesetze in den letzten Jahrhunderten galten, ehe sie novelliert oder ergänzt wurden, bin ich nicht fündig geworden. Aber alles spricht dafür, daß die Zeiträume immer kürzer geworden sind.“ (Ebd., 2012, S. 138-139).

„Für die Thematik unseres Buches ist aber ein Sachverhalt besonders wichtig: Um 2010 verändert fast jede neue politische Koalition, die sich in einem der 16 deutschen Bundesländer nach Neuwahlen zusammenfindet, die Struktur des bestehenden Schulsystems. »Die Schulen jagt man. ..von einem Durchlauferhitzer in den nächsten. .... Achtjähriges statt neunjähriges Gymnasium, sechsjähriges statt neunjähriges Gymnasium und sechsstatt vierjährige Grundschule in Hamburg, die erneute Reform der gymnasialen Oberstufe, die Zusammenlegung von Hauptschule und Realschule in mehreren Ländern, die Erfindung von sogenannten Bildungsstandards, ... die Computerisierung des Unterrichts, Ganztagsschulprogramme, neue Einschulungsstichtage, die regelmäßige Änderung der Regeln für den Übertritt an weiterführende Schulen, die ,Entrümpelungs'-Reformen, die permanenten Änderungen der Stundentafeln, die Rechtschreibreform u.s.w..« (Josef Kraus, Ist die Bildung noch zu retten?, 2009, 10) und ihre teilweise Rücknahme. Auch hier gelang es mir nicht, Statistiken ausfindig zu machen, wie lange die eben genannten Strukturen der Schulsysteme etwa in den letzten 150 Jahren Bestand hatten und wie sich die Strukturänderungen beschleunigt haben. Befinden wir uns hier etwa bereits nicht mehr in der Beschleunigung des Aufbaus, sondern in der des Verfalls?“ (Ebd., 2012, S. 139).

„Denn eines ist doch klar: Dieses exponentielle Wachstum der Aktenberge, der Büchermenge (Hermann Lübbe, Im Zug der Zeit, 2003) und die Innovationsbeschleunigung in den Bildungsstrukturen, das alles kann sich nicht unbegrenzt fortsetzen. Es wird jedoch zu keiner Sättigung und nicht zum Stillstand kommen, sondern mit dem Wegbrechen der energetischen Grundlage des Wachstums wird eine ebensolche Beschleunigung in eine andere Richtung einsetzen, nämlich die Beschleunigung der Verfalls- und Untergangsvorgänge. Ob wir uns zu diesem Zeitpunkt bereits in deren Anfangsphase befinden, wird man mit Sicherheit erst ein oder zwei Jahrzehnte später sagen können.“ (Ebd., 2012, S. 139).

„Es ist nämlich eine eigenartige Tatsache, daß selbst stürmisch ablaufende Verfallsprozesse von der öffentlichen Meinung der Zeitgenossen noch als Fortschritt gedeutet werden. Am Ende des Römischen Reiches war keine Rede von seinem Untergang, sondern von einem Übergang in eine bessere Zeit (vgl. Maier, Endzeit und Historie, a.a.O. 1995).“ (Ebd., 2012, S. 139).

„»Mit all dem stolpern unsere bildungspolitischen Schlaumeier in die stets gleichen Fallgruben: in die Egalitätsfalle, die Ideologie nämlich, daß alle Menschen, Strukturen, Werte und Inhalte gleich bzw. gleich gültig seien; in die Machbarkeitsfalle, den Wahn, jeder könne zu allem begabt werden; in die Falle der Spaß-, Erleichterungs- und Gefälligkeitspädagogik; in die Quotenfalle, die planwirtschaftliche Vermessenheit nämlich, es müssten möglichst viele Menschen mit dem Abiturzeugnis ausgestattet werden,. in die Beschleunigungsfalle, die Vision also, man könne in immer weniger Bildungsjahren und mit immer weniger Unterrichtsstunden pro Woche zu besser gebildeten jungen Leuten und zu einer gigantisch gesteigerten Abiturienten-, Studenten- und Akademikerquote kommen.« (Kraus 2009,10).“ (Ebd., 2012, S. 139).

„Während der Gebildete der Beschleunigung mehr oder weniger folgen kann, und nicht wenige Achtzigjährige noch den Umgang mit Computer und Internet erlernen, gerät der Ungebildete und Arme immer stärker ins Abseits. Der Ruf nach »Entschleunigung« wird deshalb laut. Peter Glotz fand dafür eine treffende Definition: »Entschleunigung wird zur aggressiven Ideologie einer gerade in der Entstehung befindlichen, rapide wachsenden Klasse (oder sozialen Schicht) von Modernisierungsopfern.« In diesem geistigen Zusammenhang ist auch die Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit zu sehen, auch um den Preis eines beträchtlichen Absinkens des Lebensstandards, und die geforderte Abkehr vom Leistungsprinzip.“ (Ebd., 2012, S. 139-140).

„Über 1922 hinaus hatten diese Regelungen aber keinen Bestand. Unmittelbar nach der Novemberrevolution 1918 in Deutschland hatten die Gewerkschaften in zahlreichen Betrieben die Abschaffung des Leistungslohnes und die Wiedereinführung des Zeitlohns durchgesetzt.“ (Ebd., 2012, S. 140).

„Dem geistigen Aufnahmevermögen nicht nur der weniger Intelligenten, sondern aller Menschen sind Grenzen gesetzt. Das hat zur Folge, daß die wachsende Flut von politischen Einzelheiten, denen der Mensch durch die Massenmedien ausgesetzt wird, mehr oder weniger an ihm abprallt. Indem sie Nachrichten über Katastrophen, Skandale und sonstige Ereignisse für die Öffentlichkeit in Wellen aufbereiten, versuchen die Medien, Problembewußtsein zu erzeugen. Die Politik hat jedoch ihre Eigenzeit, und politische Entscheidungen zur Problemlösung werden deshalb nicht oder nur mit großer Zeitverzögerung getroffen. Mehr Informationen der Öffentlichkeit führen zu keinen besseren oder schnelleren Entscheidungen.“ (Ebd., 2012, S. 140).


3. Frage: Hat sich in den letzten zwei Jahrhunderten der Wandel der politischen Systeme beschleunigt?

„Bereits 1848 hatte Karl Marx begriffen (im folgenden etwas frei zitiert): »Mit seiner ihm innewohnenden und verfügbaren Energie kann das Bürgertum nicht existieren ..., ohne sämtliche gesellschaftliche Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren. .... Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die bürgerliche Leistungsepoche vor allen anderen aus. Alle festen, eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern können. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen. .... Die bürgerliche Leistungsgesellschaft hat durch die Exploitation des Weltmarktes die Produktion und Konsumtion aller Länder global gestaltet. Sie hat ... den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird. .... An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzeInen Nationen werden Gemeingut. .... Das Bürgertum mit seiner ihm verfügbaren Energie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterte Kommunikation alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der es alle chinesischen Mauem in den Grund schießt. .... Es hat die Bevölkerung agglomeriert, die Produktionsmittel zentralisiert und das Eigentum in wenigen Händen konzentriert. Die notwendige Folge hiervon war die politische Zentralisation. Mit seiner ihm innewohnenden und verfügbaren Energie hat das Bürgertum in seiner kaum hundertjährigen Klassenherrschaft massenhaftere und kolossalere Produktionskräfte geschaffen, als alle vergangenen Generationen zusammen. .... Die moderne bürgerliche Gesellschaft gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor. .... In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus.«“ (Ebd., 2012, S. 140-141).

„Von 1993 bis 2005 hatten die Transaktionen der globalen Finanzmärkte in den USA, Großbritannien und der Eurozone um jährlich etwa 10% zugenommen, in China um 14% (vgl Financial Times, 18. Januar 2006). Hinter diesen Geldenergieflüssen stand jedoch kein tatsächliches Wirtschaftswachstum mehr, sondern es war, wie alle erfahren mußten, nur noch das Aufblasen eines Ballons. Die Luftpumpe nennt man jetzt jedoch »Hebel«. Das Geld wird auch nicht mehr durch lebende Menschen hin und her überwiesen, sondern durch Computer, die darauf programmiert sind, den geringsten Vorteil in kürzester Zeit auszunutzen. Im System der kapitalistischen Wirtschaft werden Wachstum und soziale Beschleunigung zu einem unentrinnbaren Sachzwang. Die Steigerung von Produktion und Produktivität und mithin das Streben nach Zeitvorsprüngen und Zeiteffizienz werden zu einer unausweichlichen Anforderung, welche die entsprechenden Bedürfnisse gleichsam mitproduziert.“ (Ebd., 2012, S. 141).

„Offensichtlich unterliegt auch die Vergänglichkeit der politischen Einrichtungen der Beschleunigung. Nehmen wir als Beispiel nur einmal die regionale Gemeindegliederung. Die Mehrzahl der Menschen hatte seit dem Mittelalter in Dörfern gelebt, die für sie den festen Rahmen ihres wirtschaftlichen und politischen Daseins boten. Rechte und Pflichten veränderten sich in Jahrhunderten nur wenig und allmählich. Mit den Veränderungen des Wahlrechts im 19. Jahrhundert begann dann eine unaufhaltsame Modernisierung. Gerade als der Verfasser diese Zeilen schreibt (im Februar 2010), drückt die Landesregierung des Bundeslandes Sachsen-Anhalt eine Reform durch, die alle Dörfer verpflichtet, sich in Großgemeinden mit mindestens 10000 Einwohnern zusammenzuschließen. Diejenigen, die sich das ausdenken, das beschließen und durchsetzen, haben offenbar keinen Sinn und kein Verständnis für die sehr kurze Dauer der geschichtlichen und energetischen Situation, in der wir uns befinden. Ein Oberbürgermeister einer größeren Stadt, in der ich 2005 einen Vortrag gehalten habe, kommentierte die gerade stattfindende Gebietsreform der Kreise mit den Worten, es lohne sich nicht, sich darüber aufzuregen, da diese Reform sowieso bald durch die nächste abgelöst würde. Und tatsächlich: Jahrhundertelang beständige Verwaltungsgliederungen werden seit dem 19. Jahrhundert in immer schnellerer Folge verändert. Die alte Frau ohne Internet und mit geringer Rente: Wen kümmert es, wenn sie im Dorf keinen Ansprechpartner mehr hat, keinen Laden und keine Poststelle? Der gegenwärtige Zustand, durch den Verwaltungskosten gespart werden sollen, kann, in geschichtlichen Zeiträumen betrachtet, nur ein kurzer und vorübergehender sein. Wenn die Energiekosten sehr stark steigen, wird die gegenwärtige, eben geschaffene Ordnung von Versorgung und Verwaltung nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. Eine offene und entscheidende Frage ist es, ob es dennoch gelingen wird, den elektronischen Nachrichtenaustausch aufrechtzuerhalten oder sogar noch weiter auszubauen, und zwar auch im Großen Chaos und darüber hinaus. Hier sind wir jedoch schon bei den Ausblicken und möglichen Szenarien; dazu mehr am Ende unseres Buches.“ (Ebd., 2012, S. 141).

„Jahrhundertelang blieb das politische Gefüge des Mittelalters in vielem unverändert, bis in die Neuzeit hinein. Die 91 größeren Staaten, die bereits vor 1940 bestanden, erlebten jedoch zwischen 1800 und 1971 396 verschiedene Regierungsformen bzw. politische Verfassungen, worunter plötzliche und tiefgreifende Veränderungen zu verstehen sind. Die mittlere Lebensdauer der politischen Systeme betrug 32 Jahre, in Europa jedoch meist nur 15-20 Jahre, dann wurde eine nächste Stufe im Kreislauf der Verfassungen erreicht. Von den Staaten, die es bereits 1914 gab, haben nur acht keine Revolution erlebt: die Schweiz, Schweden, die USA, Großbritannien und vier Commonwealth-Staaten. Veränderungen des Wahlrechts und anderer politischer Rahmenbedingungen haben jedoch in allen Staaten stattgefunden. Die sozialen Unruhen im Gefolge der Energiekrise werden den politischen Wandel weiter anheizen.“ (Ebd., 2012, S. 142).

„Nicht wenige sagen mit guten Gründen für diese Zeit das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen, voraus. Die anfangs nur regionale, aber sich dann wie ein Flächenbrand ausbreitende Weltrevolution würde keine Gewalt der Erde aufhalten, bis schließlich alles im Großen Chaos endet und neu beginnt. Viele der Denker, die Ursache und Wesen unserer globalen Beschleunigungskrise durchschaut haben und ihren zwangsläufigen, katastrophalen Ausgang ahnen, sind der Überzeugung, diese Krise führe unweigerlich zu einer sozialistischen Gesellschaft. Dahinter steht in der Regel eine lineare Geschichtsauffassung, nach der auf den Kapitalismus die Erlösung durch den Sozialismus und dann Kommunismus als paradiesischer Endzustand folgen wird. Vor 60 Jahren hat man in der DDR in der Schule versucht, mir - dem Verfasser dieses Buches - eine derartige Auffassung als einzig seligmachende beizubringen. Nach weiteren 40 Jahren erlebten Sozialismus in seinem Niedergang kann mich persönlich eine derartige Aussicht nicht erneut begeistern. Meine Erfahrung teilen im Westen jedoch nicht die Generation der 68er und ihre Schüler. Ihr Einfluß auf die Gesellschaft wird nicht geringer, sondern ständig größer. Da schon Aristoteles zu der Einsicht gelangt war, auf die Demokratie folge eine Herrschaftsform, bei der die Massen erfolgreich auf Umverteilung drängen und alle Anzeichen darauf hindeuten, daß wir uns tatsächlich auf einen derartigen Gesellschaftszustand hinbewegen, können wir dem Schluß nicht ausweichen, daß der gegenwärtige geistige Linkstrend in allen Industriegesellschaften zu sozialistischen Gesellschaftsformen führen wird. Für mich, den Verfasser, erscheint diese irgendwann notwendigerweise jakobinische Gesellschaftsform, wie sie vor dem absoluten Tiefpunkt der Produktion und Konsumtion eintreten wird, nur als Übergangszustand zu neuen Gesellschaftsformen, die laut Aristoteles anfangs eher wieder napoleonisch geartet sein werden. Den Kreislauf der Verfassungen begriffen nicht nur Platon und Aristoteles, ihnen folgten Polybios, Sima Qian und andere (vgl. Spranger, Die Kulturzyklentheorie und das Problem des Kulturzerfalls, 1926). »Die chaotischen Zustände (im Endzustand der Demokratie) dauern so lange an, bis die verrohte und vertierte Masse erneut einen starken Führer gefunden hat.« (Polybios 6.9.9, um 180 v. Chr.).“ (Ebd., 2012, S. 142).

»Dies ist der Kreislauf der Verfassungen, der mit Naturnotwendigkeit sich vollzieht und durch den die Verfassungen sich wandeln und miteinander wechseln, bis der Kreis sich geschlossen hat und alles wieder am Ausgangspunkt angelangt ist. Wenn man das klar erfaßt hat, wird man sich mit einer Zukunftsvoraussage vielleicht in der Zeit irren, kaum aber über den Punkt in der Kurve des Wachstums, Niedergangs und des Wechsels, der gerade erreicht ist.« (Polybios 6.9.10-11).“ (Ebd., 2012, S. 142).

„Dieses Buch hier ist mit solchen Aussagen mit Sicherheit keine Propagandaschrift für irgendeine politische Überzeugung oder gar politische Partei, sondern ein ernsthafter Versuch einer wissenschaftlichen Bewertung des Geschehens um uns. Und nichts anderes. Den Parteigängern und Heilsverkündern aller Richtungen mag das nicht gefallen. Ihre Ansichten sind von dieser Welt; doch in jener anderen gelten Gesetze, die wir bisher nur ahnen. Nur dort kennt man den Rhythmus der ewigen Ordnung der Dinge, den Goldenen Schnitt.“ (Ebd., 2012, S. 142-143).


4. Frage: Wird sich diese Beschleunigung des Wandels fortsetzen oder abbrechen?

„Die Antwort wurde schon gegeben. Es wird keinen Stillstand geben, nicht einmal eine Atempause. Nur die Marschrichtung beginnt sich unter unseren sehenden Augen umzukehren. Statt größerer Komplexität und Zentralisierung wird der Zerfall und die Auflösung energieintensiver Strukturen erfolgen (Tainter 2000).“ (Ebd., 2012, S. 143).

„In absehbarer Zeit wird die Wegwerfgesellschaft umdenken müssen. Bei Produkten wird nicht mehr zählen, wie schnell sie durch neue ersetzt werden, sondern vor allem Beständigkeit und Dauerhaftigkeit wie zu Urgroßväters Zeiten.“ (Ebd., 2012, S. 143).

„ln unserem Haus haben wir vor 17 Jahren den zwelten Schornstein gekappt und dle Helzung auf Erdgas umgestellt. Wenn es gutgeht, kann der jetzt elngebaute Brennwertkessel so lange arbelten, wle Erdgas bezahlbar blelbt. Dann wlrd man vermutlich umdenken müssen, die Helzung wieder umstellen oder noch weitsichtiger handeln und aus dem Ballungsraum wegzlehen. Diese Entscheidungen werden die Kinder und Enkel zu treffen haben.“ (Ebd., 2012, S. 143).

„Ob wir uns heute schon auf dem Scheitelpunkt befinden oder nahe daran sind, wer kann es wissen? Noch beschließt eine Regierung ein »Wachstumsbeschleunigungsgesetz«, benutzt also genau die Begriffe, von denen in diesem Abschnitt hier die Rede ist, wird aber damit auf längere Sicht nichts anderes erreichen als die Beschleunigung des Gegenteils. Ein Mittel, mit dem man schließlich versuchen wird, dem Chaos zu wehren, wird die Abschottung des Binnenmarktes und der Grenzen sein. Ohne starke Einschnitte in den erreichten Lebensstandard kann das alles nicht geschehen.“ (Ebd., 2012, S. 143).

»Der Zusammenbruch des Realsozialismus in Europa und die Verschlankungstendenzen des Kapitalismus (was auch den partiellen Abbau des Sozialstaats einschließt) sind gewissermaßen Alterserscheinungen der, ›Energiezeit‹. Ihnen gesellen sich die Geburtswehen der neuen ›Informationszeit‹ hinzu. Sie äußern sich in der Freisetzung großer Teile der Industriearbeiterschaft (strukturelle Arbeitslosigkeit). Diese ist vor allem dadurch bedingt, daß die Kontrolle, Steuerung und Manipulation der Maschinen nicht mehr begrenzt durch Träger ... natürlicher Intelligenz, die Industriearbeiter, erfolgt, sondern sprunghaft durch informationsverarbeitende Technik, durch Computer und computergesteuerte Roboter aller Größenordnungen.« (Ernst Schlegel, Transformationsforschung und Selbsttransformation der Wissenschaften, 1996, S. 115).“ (Ebd., 2012, S. 143).

„Jedoch kann keine Regierung hoffen, eine lange Periode mit hoher Arbeitslosigkeit zu überstehen (vgl. Daniel Bell, Die nachindustrielle Gesellschaft, 1975). Ständig müssen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, nicht irgendwelche als Ersatz für weggefallene, sondern solche, die den gängigen Wertmaßstäben entsprechen. Das erfordert Kapitalausgaben für jeden Beschäftigten, wenn nicht der Stand der Produktivität pro Person sinken soll. Um die notwendigen Investitionen vornehmen zu können, müssen Wirtschaftsunternehmen Gewinn erzielen. Um den Stand des Kapital- und Arbeitsmarkts zu sichern, muß das Vertrauen in die Wirtschaftskraft erhalten bleiben, die aber grundsätzlich von der Fähigkeit zu weiterem Wachstum abhängt. Wenn dieses Vertrauen schwindet, fallen die Aktienkurse, das für Investitionen zur Verfügung stehende Kapital verringert sich stark und stoppt weiteres Wachstum. Die Arbeitslosigkeit greift um sich. Weitere Aktienstürze folgen und die sich immer mehr verschärfenden Schwierigkeiten der Kreditaufnahme setzen eine Kettenreaktion in Gang. Das Realeinkommen sinkt, und der Zusammenbruch des Sozialstaates als Ganzes droht. Man blicke 2012 nach Griechenland, als ein Beispiel.“ (Ebd., 2012, S. 143-144).

„Um das zu vermeiden, streben die Regierungen gleich welcher Partei und Richtung stets ein Wachstum des Bruttosozialprodukts an. Jahrzehntelang waren ja Umverteilung und Wirtschaftswachstum auch keine sich ausschließenden Gegensätze. Radios, Autos, Fernseher, Waschmaschinen und vieles mehr wurden und werden erst billig, wenn sie als Massenprodukte in Millionen Stückzahlen auf dem Markt verkauft werden können. In einer Aristokratie bleiben Neuentwicklungen lange Zeit Luxusgüter. Die Wirtschaftskraft einer blühenden Demokratie kann auch energiesparende Heizungen, Wärmedämmungen und Solarzellen subventionieren und auf diese Weise die Entwicklung vorantreiben.“ (Ebd., 2012, S. 144).

„Hauptbeschleuniger des sozialen und politischen Wandels ist der Krieg. Er entfesselt die Energien der Kriegführenden aufs äußerste. Und an seinem Ende ronen die Kronen über das Pflaster, wehen die roten Fahnen und zerbrechen die Reiche; nicht nur 1815, 1917/18 und 1945. Die apokalyptischen Reiter satteln schon längst wieder ihre Pferde. »Ein Jegliches hat seine Zeit und alles Vornehmen unter dem Himmel seine Stunde: .... Der Krieg hat seine Zeit und ebenso der Friede.« Man lese in der Bibel Prediger, Kapitel 3.“ (Ebd., 2012, S. 144).

„Vor 100 Jahren hatte Eduard Bernstein (1850-1932) als orthodox-marxistischer Theoretiker und SPD-Mitglied die Gelegenheit, sich einmal über die Zukunft des sozialen Lebens zu äußern. Und er meinte, »weil die demokratische Gleichheit die größte soziale Triebkraft der Neuzeit ist, ist es auch nicht undenkbar, daß sie in spätestens hundert Jahren der Kompaß des ganzen sozialen Lebens sein wird«. Dieser Zustand dürfte tatsächlich eingetreten sein. Kompaß auf jeden Fan, wenn das Marschziel auch noch nicht erreicht ist. Und es ist auch bezeichnend, daß man 1908 zu diesem Thema einen Sozialdemokraten zu Wort kommen ließ und nicht einen Vertreter irgendeiner anderen Partei. Auch der Herausgeber des Sammelbandes hatte damals also schon die richtige Ahnung.“ (Ebd., 2012, S. 144).

„Denn es waren die Kommunisten, die schon in frühen Entwicklungsstadien der Industriegesenschaft mit scharfsinnigen Analysen und Prognosen die Zeichen der Zeit zu deuten versuchten. Friedrich Engels schrieb 1895 im Rückblick: »Alle bisherigen Revolutionen liefen hinaus auf die Verdrängung einer bestimmten Klassenherrschaft durch eine andere; alle bisherigen herrschenden Klassen waren aber nur kleine Minoritäten gegenüber der beherrschten Volksmasse. .... Wenn wir vom jedesmaligen konkreten Inhalt absehen, war die gemeinsame Form aller dieser Revolutionen die, daß sie Minoritätsrevolutionen waren«. Was Marx und Engels wollten und vorhersagten, war aber eine Majoritätsrevolution, die als Weltrevolution in anen Industriestaaten heranreifen und stattfinden sollte.“ (Ebd., 2012, S. 144).

„Die Oktoberrevolution 1917 in Rußland war statt dessen erneut eine typische Minoritätsrevolution, worüber auch der Parteiname Bolschewiki nicht hinwegtäuschen darf, und sie fand nicht in einem hochentwickelten Industriestaat statt, sondern in einem ziemlich rückständigen. Der Erfolg der Revolution erscheint auch nicht so ganz gesetzmäßig, sondern von einigen Zufänen abhängig gewesen zu sein, wie etwa von der Tatsache, daß der deutsche Generalstab Lenin in einem plombierten Zug aus der Schweiz nach Rußland reisen ließ. Lenin und Stalin hatten dann auch einige Mühe, die Existenz ihres politischen Systems in nur einem Land theoretisch zu begründen. Trotzki war es, der hartnäckig darauf hinwies, daß das langfristig nicht gutgehen könne und es der weiteren permanenten Hinarbeit auf die Weltrevolution bedürfe. Er sollte recht behalten. Der militärische Sieg der Sowjetunion 1945 und die folgende Ausdehnung ihres Machtbereichs waren keinesfalls gesetzmäßig, sondern das zeitweilige Nebenprodukt eines Koalitionskrieges an der Seite der Imperialisten. Das Sowjetsystem scheiterte im wirtschaftlichen Wettbewerb mit dem Kapitalismus. China hat zwar bis heute den ideologischen kommunistischen Überbau bewahrt, dürfte aber von der realen sozialen Gleichheit weiter entfernt sein als mancher kapitalistische Ausbeuterstaat. Sollten Marx und Engels mit der ursprünglichen Fassung ihrer Revolutionstheorie doch richtig gelegen haben?“ (Ebd., 2012, S. 144-145).

„Machen wir einmal das Gedankenexperiment, führen wir uns die derzeitige geistige und politische Lage in den wichtigsten Industriestaaten des Westens vor Augen und nehmen einmal an, die früheren Ostblockstaaten gäbe es gar nicht und das Sowjetsystem hätte es nie gegeben. Wäre die derzeitige geistige Lage eine andere? Wohl kaum, die Heiligen und Teufel wären die gleichen. Doch Marx an den Universitäten noch etwas heiliger, ohne daß man mit »aber« das Lob einschränken müßte, weil man sich für das Sowjetsystem entschuldigen möchte. Wie im Buch hier vielfach belegt, sind wir in der Bildungspolitik und in vielen anderen Bereichen inzwischen längst bei idealkommunistischen Wunschvorstellungen angelangt. Die Weltrevolution vollzieht sich nicht als blu tiger Umsturz, sondern als schleichende geistige Majoritätsrevolution, die mit Notwendigkeit alle Industriestaaten erfaßt hat. Gelegentlich gibt es wegen ihrer einschlägigen Erfahrungen in den ehemaligen Ostblockstaaten noch Vorbehalte, aber man wird auch sie eintakten.“ (Ebd., 2012, S. 145).


Die Energiekosten bestimmern Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl Bürokratisierung und Zentralsierung.

„Tocqueville begriff den Widerspruch zwischen Bürokratie und Demokratie: »Der Staat hat die Tendenz, alle zu gleichen Untertanen zu machen, Diese Tendenz begegnet einer demokratischen Tendenz zur Gleichheit. .... Am Ende kann diese demokratische Tendenz zur Gleichheit auch vor dem Bürgertum und dem Reichtum nicht halt machen. Solange sich aber diese demokratische Tendenz nicht mit einem Streben nach Freiheit verbindet, wird nur die Herrschaft einer Staatsexecutive über eine Masse gleicher Untertanen gefördert werden. Der Glaube, daß die gewählte Staatsgewalt den Willen des Volkes verkörpere und auf ihm beruhe, gibt der Staatsgewalt Macht über die Massen. Alle politischen Auffassungen kreisen nur noch um den Gedanken der Staatsmacht. .... Die beiden ausschlaggebenden Klassen der modernen Gesellschaft rufen ständig mehr staatliche Aktivitäten hervor. Die Unternehmer erklären zwar, daß sie keine Einmischung der Regierung in das Wirtschaftsleben wünschen, jede Gruppe von ihnen wünscht jedoch die Tätigkeit der Regierung auf ihre Seite zu ziehen und für sich auszunutzen, und stärkt dadurch die Rolle der staatlichen Executive. Die Arbeiterklasse wiederum hat es mehr als andere Klassen nötig, reglementiert und umsorgt zu werden. So werden der Staatsmacht immer neue Attribute und Aufgaben zugeteilt. .... Das Anwachsen der Industrie erfordert, daß Wege, Kanäle, Häfen gebaut werden, und die Tendenz ist, daß der Staat die Arbeiten übernimmt, die zunehmend die Kraft privater Unternehmer übersteigen. .... Um sich zu schützen, sind die unteren Klassen am meisten daran interessiert, alles staatlicher Verwaltung anheimzugeben, während die oberen Klassen die Tendenz haben, die Staatseinmischung in ihren Grenzen zu halten. .... Mit der Zunahme der zentralen Macht wächst die Zahl der Beamten. en sich dazu ältere und aktuelle Analysen), dann stellt man fest, daß die Prognosen etwa für den Zeitraum 2000 bis 2004 eine Grundtendenz zSie ersetzen in der modernen Gesellschaft die Aristokratie. .... Die Menschen des liberalen Zeitalters glauben persönlich frei bleiben zu können. Sie trösten sich damit, daß sie das Wahlrecht haben. .... Gegenüber der allmächtigen Executive löst sich der soziale Organismus in Staub auf. Aus der gleichzeitigen Zentralisierung von Verwaltung und Macht ergibt sich, daß kommende Diktatoren ein Gemisch von Kommis und Militär sein werden. Das Resultat aber wird ein absolutes Kommando über die Gesellschaft sein.«“ (Ebd., 2012, S. 147).


Die Energiekosten bestimmern Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl Die langfristige Vorhersage gesellschaftlicher Umbrüche.

In diesem Buch versuchen wir, Entwicklungslinien von Wirtschaft und Gesellschaft über das halbe Jahrhundert vorzuzeichnen, das unmittelbar vor uns liegt. Wir möchten etwas darüber erfahren, ob und wann unser Dasein gefährdet ist.“ (Ebd., 2012, S. 148-149).

„Wir gehen dabei anders vor, als inden bekannten, von den Regierungen bezahlten Vorhersagen. Diese projizieren in der Regel nur bereits erkennbare und bestehende Trends in die Zukunft. Kommt es zu einem Bruch in der Entwicklung, dann erweisen sich diese bestellten Prognosen als völlig falsch. Wenn man etwa die Prognosen der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute, der sogenannten »Wirtschaftsweisen«, aus späterer Sicht darauf untersucht, ob sie zutreffend waren oder nicht (auf der Internetplattform »Proportionen der Weltbevölkerung« (**) findu überhöhten Erwartungen ausdrückten. Man wollte eben den Auftraggebern gefallen, der Regierung gute Schulnoten erteilen. Als es im Herbst 2008 zur Krise kam, wagte man die Prognose eines »Nullwachstums« (**), die einige Politiker für Miesmacherei hielten und die sie in Rage brachte, doch es wurden minus 4,7%. Als es im Herbst 2010 dann wieder aufwärts ging, unterschätzte man den Aufschwung um 2%. Wenn man hört, daß die deutschen »Wirtschaftsweisen« für ein nächstes Jahr ein »Nullwachstum« (schon das Wort ist ein Witz, über den man aber nicht laut lachen darf) vorhersagen, dann kann man sich als Normalbürger fast mit Sicherheit auf eine leichte Rezession oder gar richtige Krise einstellen ( die man dann irn Orwellschen Neusprech »negatives Wachstum« nennt).“ (Ebd., 2012, S. 149).

„»Es gibt eine sichere Prognose in der Wirtschaft", meint Karl-Heinz Brodbeck, »nämlich die, daß Prognosen fast immer scheitern. .... Auguste Comte definierte eine positive Wissenschaft als eine, die fähig ist, gültige Prognosen zu formulieren. .... Ökonomen prognostizieren Wirtschaftsverläufe, beraten Regierungen oder lenken indirekt die Maßnahmen der Geldpolitik. Am Ende erweisen sich Prognosen nachweisbar als falsch,. verkehrte Maßnahmen werden ergriffen. .... Ich habe mehrfach vor Kollegen die Forderung erhoben, daß man Wirtschaftsforschungsinstitute, Zentralbankräte, Beratungsgremien der Regierung, die Prognosen erstellen, wenigstens in ihrer Entlohnung vom Prognoseerfolg abhängig machen sollte. .... Vergleichen wir die Situation in der Wirtschaft mit einer Wetterprognose. .... Wie viele Menschen auch immer davon wissen mögen, die Veröffentlichung der Vorhersage hat keinen Einfluß auf das Wetter. Deshalb funktionieren mechanische Theorien in der Natur. Zwischen dem Beobachter, dem Theoretiker und seinem Gegenstand gibt es keine Wechselwirkung. Ganz anders bei den Sozialwissenschaften. Die Wissenschaftler sind Teil der Gesellschaft. .... Deshalb gibt es bei Prognosen nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie sind nutzlos, weil sie unbekannt bleiben ..., ober aber sie werden beachtet, tauchen in den Medien auf, man spricht darüber. Dann beeinflußt die Prognose die Handlungen, die Entscheidungen, keineswegs nur in der Politik, auch in der Privatwirtschaft. Und deshalb hebt die Veröffentlichung der Prognose ihre eigene Voraussetzung auf. .... Grundlage jeder Prognose ist eine allgemeine Stabilitätshypothese, die besagt, daß gewisse Grundstrukturen in der Vergangenheit und Zukunft unverändert wirken. Man kann eine Mondfinsternis prognostizieren, weil die Gravitationsgesetze unverändert gelten. .... Vor allem werden Naturgesetze durch die Wissenschaftler in keiner Weise beeinflußt. Aber Prognosen von Banken für den Aktienmarkt, Prognosen der Bundesregierung, der Zentralbank oder der Fünf Weisen für die Gesamtwirtschaft beeinflussen Handlungen. Und das ist sogar die Absicht der Prognostiker. .... Eine Aussage, die aber nicht erklären ... möchte, sondern die darauf abzielt, Handlungen in eine bestimmte Richtung zu lenken, hört auf, eine positive Wissenschaft zu sein.« (Karl-Heinz Brodbeck, Warum Prognosen in der Wirtschaft scheitern, 2002).“ (Ebd., 2012, S. 149).

„Mittel- und langfristig haben die Demographen in den Staatsinstituten bisher nichts wesentlich Besseres als »Wirtschaftsweise« zustandegebracht, obwohl die Dauerhaftigkeit ihrer Ausgangswerte - Zahl und Altersstruktur liegen ja langfristig fest - eine viel günstigere ist als bei den Konjunkturforschern. Langfristiger, aber sicherer Wandel, der zu Krieg, politischem Umbruch oder Chaos führen wird, entzieht sich dem Vorstellungsvermögen der Bevölkerungsexperten. Es würde sie ja für eine derartige Prognose nicht nur keiner bezahlen, sondern sie müßten bei der Veröffentlichung derlrtiger Gedankengänge, etwa bei Einbeziehung der Bevölkerungsqualität in ihre Modellrechnungen, auch die Ächtung durch ihre Kollegen und ihre Entlassung befürchten. Sie sprechen deshalb vorsichtshalber davon, daß sie nur »Projektionen« machen - also Bevölkerungsvorausberechnungen - und keine Prognosen.“ (Ebd., 2012, S. 149-150).

„Eine Säule »der unrealistischen Weltanschauung, auf der die konventionelle Wirtchaftslehre aufbaut, ist die Vorstellung, alles laufe immer auf Ausgewogenheit hinaus. .... Das Standardrezept für ökonomische Spekulationen lautet, zuerst Behauptungen über die Absichten der an einer bestimmten Situation Beteiligten aufzustellen und anschließend zu erarbeiten, wie das Zusammenspiel der oft konträren Interessen dank wundersamer Marktmechanismen zu einem Ergebnis führt, in dem ein statistisches Gleichgewicht hergestellt wurde. Die begrenzte Sichtweise trübt den Blick darauf, daß sich alles im Waniel befindet und weiterentwickelt, aber auch auf die dynamischen Kräfte. .... Viele Wissenschaftler übersehen, daß ökonomische Analysen fälschlicherweise von der Existenz eines Gleichgewichts ausgehen, weshalb von vomherein das Verständnis für Situationen ausgeschlossen ist, in denen sich kein Ruhezustand einstellt.« (M. Buchanan, a.a.O., 2008). Marktmodelle, die auf der Basis natürlicher Ungleichgewichte beruhen, könnten hingegen reale Märkte abbilden.“ (Ebd., 2012, S. 150).

„Aber könnten Bevölkerungsmodelle, die natürliche Ungleichgewichte einbeziehen, auch die Vorhersage von Machtverschiebungen und politischen Umbrüchen leisten? Wir sollten annehmen, bei einer bestimmten Bevölkerungsdichte, einem bestimmten Energieverbrauch und einer bestimmten politischen Geschichte und Struktur eines Landes seien die Freiheitsgrade politischen Handels längst nicht mehr unbegrenzt, sondern in ihren Grenzen beschreibbar. Denn nur so erhalten die Analogien im Aufstieg und Untergang der Kulturen (vgl. Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918 und 1922 **) einen Sinn. Wenn wir verstünden, welche Kenngrößen unsere Handlungsfelder einengen und welche Entscheidungen in einem dichtbesiedelten, energiehungrigen Land überhaupt noch politisch durchsetzbar sind, dann ergäben sich daraus auch die zwangsläufigen Folgen, die Enge der möglichen Handlungsfelder und Entscheidungen und daraus wieder deren Folgen. Im Schlußteil dieses Buches werden wir sehen, wie weit wir mit unserem Vorhaben gekommen sind.“ (Ebd., 2012, S. 150).

„Manchmal entlasten die Bevölkerungswissenschaftler kurz vor oder im Ruhestand ihr Gewissen, indem sie in Interviews dann das aussprechen und schreiben, was sie insgeheim schon lange befürchten und ahnen. Ein sehr guter Beleg dafür sind die Bücher Herwig Birgs (geboren 1939). Seine Kollegin Charlotte Höhn (geboren 1945) wagte es, sogar einmal auszuscheren und bei einem Interview so nebenbei zu äußern, die durchschnittliche Intelligenz der Schwarzen in Afrika sei ja geringer als die von Bewohnern anderer Erdteile. Um nach dieser sachlich völlig zutreffenden Äußerung (wir gehen später darauf genauer ein) dennoch in ihrer Stellung als Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung bleiben zu dürfen, mußte sie auf den Knien nach Bonn rutschen und um Vergebung ihrer Sünden bitten.“ (Ebd., 2012, S. 150).

„Der Geologieprofessor Kenneth Deffeyes hatte sich jahrzehntelang in Prognosen damit befaßt, wie umfangreich die Lager bestimmter Bodenschätze sind und wie lange ihre Ausbeutung wirtschaftlich sein wird. Er stellt dabei fest, daß, wenn man Regierungsbeamte mit einer derartigen Fragestellung beauftragt, sie unweigerlich die statistischen Methoden wählen, die zu den optimistischsten Prognosen führen - das heißt zu Vorhersagen, die sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit als falsch erweisen werden. Dem Einkommen der betreffenden Bürokraten ist ein derartiges Verhalten jedoch zuträglich. Unser Buch hier bezahlt jedoch niemand, und der Verfasser ist inzwischen ein alter Mann, der seine Schlußfolgerungen aus jahrzehntelangen Erfahrungen zieht, unabhängig von Beifall oder Mißbilligung einer Menge oder irgendwelcher Vorgesetzter. Der einzige Richter, vor den dieses Buch tritt, ist der weitere Geschichtsablauf; es wird sich zeigen, inwieweit er mit den Grundaussagen dieses Buches in Einklang stehen wird oder nicht.“ (Ebd., 2012, S. 150-151).

„Wir sind nicht die ersten mit einem solchen Vorhaben, denn wir kennen bereits langfristige und zutreffende Prognosen großer gesellschaftlicher Entwicklungen und Umbrüche. Wir werden im folgenden an einigen Beispielen versuchen zu verstehen, auf welchen Grundlagen und Einsichten die zutreffenden Prognosen beruhten. Aber auch aus den falschen Vorhersagen und daraus, warum sie sich als falsch erwiesen, läßt sich lernen. Auf diese Weise versucht man ja auch, die Wetterprognose ständig zu verbessern, und es läßt sich nicht leugnen, daß es bei der Wettervorhersage in den letzten Jahrzehnten Fortschritte gegeben hat. Wiederholt sich eine bestimmte Wetterlage nach Jahren, dann ist auch die Verteilung der Energie in der Lufthülle eine sehr ähnliche. Für geschichtliche Vorgänge gilt jedoch diese Übereinstimmung nicht, sondern bestenfalls eine Entsprechung der großen Strukturen (vgl. Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918 und 1922 **), die sich in ihren Kennziffern ähneln. Also benenne und messe man diese Kennziffern!“ (Ebd., 2012, S. 151).

„Als Rom unterging, waren unter den Letzten, die Rom verteidigten, nur noch sehr wenige geborenen Römer.“ (Ebd., 2012, S. 164).

„In Rußland sank die Lebenserwartung bei Männern von 1989 bis 1994 von 64,4 auf 57,5 Jahre, bei Frauen im selben Zeitraum von 74,5 auf 71,1 Jahre.“ (Ebd., 2012, S. 166).


Die Intelligenz und ihre Feinde 4) Der Aufstieg der Intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft.

–  Die Meritokratie übernimmt die Zügel (S. 173-177)
–  Die Rolle der Intelligenzunterschiede in traditionellen Gesellschaften (S. 177-183)
–  Bildungsschichten (S. 183-186)
–  Soziale Herkunft und IQ (S. 186-187)
–  Ergebnisse der Hochbegabtenuntersuchungen (S. 187-192)
–  Schulleistung und IQ (S. 193-195)
–  Der mittlere IQ der Bildungsstufen (S. 195-209)
–  Die mathematisch-technisch Hochbegabten (S. 209-213)
–  Ein einfaches Modell für die Vererbung der Intelligenzunterschiede: Drei sich überlagernde Normalverteilungen (S. 213-231)
–  Stand der Forschungen zur Molekulargenetik der Intelligenzunterschiede (S. 231-239)
–  Die Unterschiede in der Kurzspeicherkapazität als eigentliche Basisgröße des IQ (S. 239-247)
–  Die Bedeutung der drei Leistungstypen für Schule und Gesellschaft (S. 247-250)
–  Sprachliche Ausdrucksfähigkeit, IQ und sozialer Status (S. 250-256)
–  Das zahlenmäßige Anwachsen der Berufe mit hohem IQ (S. 256-257)
–  Der wirtschaftliche Druck zur Siebung nach dem IQ (S. 257-258)
–  Der Wert von Intelligenzunterschieden in Euro oder Dollar (S. 258-261)
–  Die fortschreitende soziale Differenzierung (S. 262-270)
–  Die deutschen Beamten (S. 270-271)
–  Stadt und Land im Kreislauf von Aufbau und Verfall (S. 271-278)
–  Liebe, Ehe und IQ (S. 279-281)

Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Soziale Herkunft und IQ.

„Die Personen hinter den gleichmacherischen Bestrebungen, die immer größere Teile der Gesellschaft durchdringen, haben ihre Schwierigkeiten, die Ergebnisse der Hochbegabtenforschung zur Kenntnis zu nehmen. Sie haben aber eine Lösung gefunden: Sie deuten Hochbegabung erneut als eine Art Krankheit, die jetzt der sonderpädagogischen Behandlung bedarf; nur der Durchschnittsmensch sei noch ein normaler Gesunder. Diesen Bedenken verdanken zahlreiche Psychologen Arbeit und Brot, die jetzt die verunsicherten Eltern hochbegabter Kinder beraten.“ (Ebd., 2012, S. 192).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Schulleistungen und IQ.

„In vielen Untersuchungen konnte gezeigt werden, daß bei Schulzensuren die Korrelation zwischen Intelligenztest und Methematikzensur am größten ist. Im vorleigenden Fall ist sie 0,50, zu Deutsch 0,40.“ (Ebd., 2012, S. 193).

Leistungen im Intelligenztest

„In Abhängigkeit von der Wirtschafts- und Sozialstruktur eines jeden europäischen Landes sind die mittleren Testleistungen der Berufe von Land zu Land etwas verschieden, ohne daß dabei die regelhaften Zusammenhänge völlig verschwinden. Wird ein Beruf, der an und für sich einen hohen IQ erfordert, schlecht bezahlt, dann wird sich das auch auf den mittleren IQ des Berufes auswirken. Politiker sind deutlich schlechter bezahlt und haben ein höheres Berufsrisiko als Bankdirektoren und Industriemanager. Wer eine Bank oder eine große Fabrik geerbt hat und selbst intelligent ist, spürt deshalb nur einen geringen Antrieb, Berufspolitiker zu werden. Dieser Leidensweg ist eher für mehr oder minder intelligente Menschen von einer zumeist bescheidenen sozialen Herkunft, etwa den Söhnen von Handwerksmeistern, vorbehalten. Bestimmte hochqualifizierte Facharbeiterberufe sind in ihrem mittleren IQ manchen akademischen Berufen durchaus ebenbürtig. Aber der Meister, der um 1965 Fernsehgeräte reparierte, mußte andere Anforderungen erfüllen, als der Mechaniker, der heute nur noch Baugruppen austauscht. Jeder von uns kann auf Grund seiner eigenen Erfahrungen die Liste an Beispielen erweitern.“ (Ebd., 2012, S. 194).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Der mittlere IQ der Bildungsstufen.

„Über kein Thema der Schulpolitik läßt sich so gut streiten wie über die Frage, ob die Gymnasialzeit (im Anschluß an vier Jahre Grundschule) neun oder nur acht Jahre betragen soll. Gegen die neun Jahre spricht zum Beispiel die Erfahrung, daß Begabte, die entsprechend gefordert werden, zweifellos mit 18 Jahren die Hochschulreife erreichen, wenn nicht gar schon mit 17. Gezwängt in Gymnasialklassen, die 30 oder 50% der Schüler des Jahrgangs umfassen, läßt sich das Lerntempo der 5% Hochbegabten bremsen. Auch die Universität bietetbei dem Verhältnis von Masse zu Qualität in manchen Fachrichtungen keine Garantie, daß sich herausragende Leistungsvoraussetzungen endlich durchsetzen.“ (Ebd., 2012, S. 195).

„Aber die Schuldauer ist nur ein Nebenproblem gegenüber der Frage, ob im Schulsystem überhaupt Bildungsgänge nach Leistung selektiert werden sollen, in welchem Alter und welche Prozentanteile. Bei dem suchenden Blick nach »Modellen« wird rasch deutlich, daß die Bildungspolitik in Nordrhein-Westfalen und Bremen im Spannungsfeld zwischen Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit andere Prioritäten kennt als die in Bayern. Aufregung hatte nach der Öffnung der Mauer der bessere Notendurchschnitt der Abiturienten in der DDR verursacht. In der öffentlichen Debatte wurde dabei verschwiegen, daß der Prozentsatz der Abiturienten in der DDR viel kleiner war als der in der alten Bundesrepublik. Es gab dort nicht nur eine Auswahl nach politischem Wohlverhalten, sondern im Regelfall auch eine strengere Auslese nach Leistung. In der DDR wurden 12% aller Schüler zum Abitur geführt, mit einem mittleren IQ von 124 also; in der alten Bundesrepublik im Jahre 1988 in Gymnasien 30% mit dem mittleren IQ 116. Und im seiben Jahr, also vor dem Fall der Mauer, hatte Anweiler bei der Analyse des Schulsystems der DDR richtig bemerkt: »Wir haben es mit der paradox anmutenden Situation zu tun, daß Begabungsförderung im Einheitsschulsystem stärker und gerichteter betrieben wird als im gegliederten System einer sogenannten Leistungsgesellschaft.« (Oskar Anweiler, Schulpolitik und Schulsystem in der DDR, 1988). Was die Auswahl und Förderung von Begabten nach Leistungskriterien anbetraf, waren sich die DDR und Bayern ähnlicher als Bayern und Nordrhein-Westfalen; heute sind sich Sachsen und Bayern ähnlicher als Bayern und Bremen.“ (Ebd., 2012, S. 195-196).

„Auch wenn Studenten nur auf der Grundlage der Durchschnittszensur zu bestimmten Fächern zugelassen werden, ist das kaum etwas anderes als eine Zulassung nach dem IQ. Wenn zum Beispiel nur 0,1% aller Schüler einen Reifeprüfungsdurchschnitt von 1,1 erreichen, dann läßt sich das auch als ein »Schul-IQ« von 146 definieren. Nimmt man, wie für das Medizinstudium, auch noch echte Testergebnisse als Zulassungsmaßstab hinzu, kann man mit Mittelwerten aus »Schul-IQ« und Test-IQ auch bei den IQ-Spitzenwerten noch stärker Unterschiede herausarbeiten. Man spricht dabei in der Zulassungspraxis zwar nicht vom »Zulassungs-IQ«, aber genauso verfährt man.“ (Ebd., 2012, S. 196).

Bildungs-IQ
Zu den Quellen vgl. Volkmar Weiss, ebd. S. 202-203.

„Bis ich die Tabelle auf Seite 202 (**) berechnet hatte, war ich wie jeder andere davon überzeugt, wegen der unterschiedlichen Bildungssysteme seien die Bildungsabschlüsse verschiedener Länder kaum miteinander vergleichbar. Jüngste statistische Datensätze, in denen die Bildungsabschlüsse von Einheimischen und Einwanderern getrennt aufgeführt sind, erlauben es jedoch, die Auswirkungen der grenzüberschreitenden Wanderungen auf die IQ-Mittelwerte zu schätzen.“ (Ebd., 2012, S. 201).

„Bildungsabschlüsse wurden als IQ-Werte in der folgenden Weise skaliert: 41% der Einheimischen in allen OECD-Staaten haben nur eine elementare Grundbildung., das entspricht für diese Personen einem Prozentwert-Median von 41/2 = 20,5 und einem mittleren IQ von 89 (**). 40% aller Personen haben einen mittleren Bildungsabschluß, das ergibt einen Prozentwert-Median von 41 + 20 = 61, dem ein mittlerer IQ von 104 entspricht (**). 18% aller Erwachsenen haben höhere Bildung, das ergibt einen Prozentwert-Median von 41 + 40 + 9 = 90 und folglich den mittleren IQ 120 (**). Da jedoch der normierte Durchschnitt aller OECD-Staaten nicht 100 ist, sondern IQ 96 (siehe die Tabelle S. 202 **), so müssen wir IQ 89 zu IQ 85, IQ 104 zu IQ 100 und IQ 120 zu IQ 116 berichtigen. Um jetzt den mittleren »Bildungs-IQ« der einheimischen Bevölkerung Australiens zu berechnen, müssen wir folgende Zahlen multiplizieren: 46 x 85 = 3910, 15 x 100 = 1500, und 39 x 116 = 4524. Wir addieren 3910 + 1500 + 4524 = 9934, teilen durch 100 und erhalten den gerundeten »Bildungs-IQ« 99. In analoger Weise berechnen wir für die im Ausland geborene Bevölkerung Australiens einen mittleren IQ von 101. Da 25% der Australier Einwanderer sind, ergibt sich ein mittlerer Bildungs-IQ von 100 für die Gesamtbevölkerung.“ (Ebd., 2012, S. 201).

„Die große Übereinstimmung zwischen den Mittelwerten des Bildungs-IQ, des PISA-IQ und des psychometrischen IQ ist keine Überraschung. Rindermann hatte bereits in seiner zahlreiche Länder umfassenden Untersuchung eine Korrelation von 0,78 zwischen dem IQ und dem Bildungsstand der jungen Erwachsenen gefunden, operationalisiert durch einen Index, der sich aus drei Kennziffern zusammensetzte: 1. der Lesefähigkeit der Erwachsenen im Jahre 1991; 2. dem Prozentsatz derjenigen, die 1960 zwischen 12 und 19 Jahre alt waren und 1985 eine Sekundärausbildung abgeschlossen hatten; und 3. den Mittelwerten der Bildungsjahre, die 1990, 1995 und 2000 mindestens 25 Jahre alt waren.“ (Ebd., 2012, S. 201).

„Bildungs-IQ skaliert sind, und die PISA-Ergebnisse bestätigen - in den meisten Fällen innerhalb der Grenzen des zu erwartenden Meßfehlers - die Ergebnisse des letzten Jahrhunderts, in dem Intelligenztests erfunden und durchgeführt worden sind. Wer von den Bildungsökonomen hätte das jemals für möglich gehalten? Man kann nur hoffen, daß ihnen und den Regierungen, die sie bezahlen, ihre Unwissenheit erhalten bleibt, denn sobald sie begreifen würden, was sie eigentlich messen, ist zu befürchten, daß solche Untersuchungen wie PISA nicht mehr finanziert werden.“ (Ebd., 2012, S. 201-203).

„Jedoch sind nicht für alle Staaten die Bildungsabschlüsse so ohne weiteres in vergleichbarer Weise skalierbar. Ganz offensichtlich stimmt der Bildungs-IQ der USA nicht mit dem Lynn-Vanhanen-IQ und dem PISA-IQ überein. Da in den USA die CollegeAusbildung stark ausgeweitet worden ist, ist dort die Deflation des Wertes eines Bildungsabschlusses stärker ausgeprägt als in anderen OECD-Staaten. Auch Abschlüsse in den skandinavischen Ländern scheinen einer stärkeren Deflation zu unterliegen als etwa in den Niederlanden.“ (Ebd., 2012, S. 203).

„Es gibt eine Theorie der Entscheidungsfindung für den höheren Schulbesuch die sich grundlegend von der derzeit allein beachteten Humankapitaltheorie unterscheidet. Diese gegensätzliche Vorstellung geht davon aus, höhere Bildung würde nicht erworben, um erworbene Fähigkeiten und Wissen zu bestätigen, sondern um die Gesellschaft darauf aufmerksam zu machen, daß der Graduierte ein bestimmtes angeborenes Leistungsvermögen besitzt. Personen mit einem solchen höheren Leistungsvermögen erwerben höhere Bildungsabschlüsse, damit sie von den Arbeitgebern als besonders produktiv erkannt werden und ihnen mehr gezahlt wird. Eine solche Rolle der Bildung ist von verschiedenen Verfassern als Signalgeben, Sieben, Filtern oder Sortieren bezeichnet worden. Der Besitz eines akademischen Grades wird auch als ein Hinweis dafür angesehen, ob ein Bewerber aus einer wohlhabenden und gebildeten Familie stammt oder nicht. Auch dieses Wissen wird dazu verwendet, die Leistungsfähigkeit abzuschätzen, da wohlhabende und gebildete Familien im Durchschnitt leistungsfähiger sind. Diese Filtertheorie geht davon aus, daß höhere Bildung keinen Einfluß auf das Talent hat, da sie die Genotypen nicht verändert. Ein Arbeitgeber verwendet den Bildungsabschluß eines Bewerbers oder die Zahl seiner Ausbildungsjahre (d h. den Bildungs- IQ), um daraus auf dessen Platz in der Fähigkeitsverteilung zu schließen. Das Bildungssystem der meisten Staaten besteht aus Grundbildung, mittlerer und höherer Bildung. Wir können davon ausgehen, daß ursprünglich nur für die Grundbildung Schulpflicht bestand, bis diese auf die mittlere Bildung ausgedehnt wurde. Deswegen erhalten die Personen, die laut Filtertheorie geringe Fähigkeiten haben, jetzt anstatt Grundbildung eine mittlere Bildung. Da nun die durchschnittliche Leistungsfähigkeit der Beschäftigten mit mittlerer Bildung geringer ist als früher, werden sie auch schlechter bezahlt, denn die zusätzlichen Pflichtschuljahre verbessern weder die Leistungsfähigkeit der Schulabgänger, noch erhöhen sie deren IQ. Solche Binsenweisheiten gehören aber inzwischen für die meisten Bildungspolitiker zu den Tabuthemen.“ (Ebd., 2012, S. 203-204).

„Die zurückgehende Geburtenzahl der Oberschicht führte bereits im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in England zu der Annahme, es drohe ein Rückgang der durchschnittlichen Begabung. Entgegen allen solchen Erwartungen jedoch stiegen die erreichten Werte bei Intelligenztests über mehrere Jahrzehnte an. Für einen Genetiker besteht kein Zweifel, daß - in Analogie zu der bereits zitierten Akzeleration der Körperhöhe - ein solcher Anstieg nur ein Anstieg der phänotypischen Werte und nicht auch der genotypischen sein kann. Unter dem Eindruck des Flynn-Effekts (**|**) erschien einer breiteren Öffentlichkeit jedoch die Behauptung geradezu lächerlich, eine dysgenische Entwicklung stünde uns bevor.“ (Ebd., 2012, S. 204).

„In einer vergleichenden Untersuchung nationaler Geburtenerhebungen, die um 1970 stattfanden, war Finnland das einzige Land, in dem es eine positive Korrelation zwischen der Kinderzahl und dem Bildungsgrad des Ehemannes gab. Angesichts der gegenwärtigen Entwicklung in den skandinavischen Ländern kann bezweifelt werden, daß ein solcher Trend bis heute weiterbestanden hat.“ (Ebd., 2012, S. 204).

„Eine Untersuchung, die repräsentative Erhebungen in 26 Ländern ausgewertet hat (darunter 10 Länder in Schwarzafrika, jedoch auch Ägypten, Indonesien, Thailand, Brasilien, Mexiko und Peru), stellte in allen Ländern eine starke negative Korrelation zwischen den Bildungsjahren der Frau und der mittleren Zahl ihrer lebenden Kinder fest. Meisenberg (2008) konnte das mit Daten aus weltweiten Erhebungen in 78 Ländern aus den Jahren 1990, 1995 und 2000 bestätigen. Da eine derartige Korrelation sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern seit mehr als einem halben Jahrhundert besteht, beginnen die Ökonomen, sich über die möglichen Folgen Sorgen zu machen. Ausnahmen davon (so wie es zeitweilig Finnland war) gibt es sehr wenige, und die Elite der Manager und Freiberuflichen, die mancherorts eine relativ hohe Zahl bis ins Heiratsalter überlebender Kinder hat (und dadurch eine U-förmige Verteilung der Kinderzahlenunterschiede in einigen Ländern verursacht), ist zahlenmäßig zu klein, als daß es dadurch zu einer Trendänderung kommen könnte.“ (Ebd., 2012, S. 204).

„Im Laufe einer Generation oder nur innerhalb weniger Jahre dürften jedoch die Auswirkungen der dysgenischen Kinderzahlen auf die IQ-Mittel der Staaten geringer sein als die Auswirkungen von selektiver Migration.“ (Ebd., 2012, S. 204).

„Im Durchschnitt sind die Schulkinder, die bei den PISA-Untersuchungen getestet wurden, eine Generation später geboren als die Personen, deren IQ-Testergebnisse von Lynn und Vanhanen (2002) ausgewertet worden waren. Wenn wir die IQ-Mittelwerte von Lynn-Vanhanen mit denen von PISA vergleichen, erkennen wir deutlich, daß in Irland, Australien, Kanada und Neuseeland, wo der Bildungs-IQ der Einwanderer höher ist als der bei den Einheimischen, der IQ der Gesamtbevölkerung ansteigt. In Deutschland und Österreich hingegen, wo der Bildungs-IQ der Einwanderer niedriger ist als der bei den Einheimischen, befindet sich der IQ auf Talfahrt. Einem Anstieg von 5 IQ-Punkten in Irland ( die Wirtschaftskrise in dem Land mit folgender selektiver Auswanderung dürfte das inzwischen schon wieder in Frage gestellt haben) steht ein Absinken um 5 Punkte in Deutschland gegenüber. Hintergrundstatistiken aus zahlreichen Quellen (vgl. u.a. Gunnar Heinsohn, 2008 [**]; Klaus F. Zimmermann, 2005) bestätigen, daß dieser Anstieg und dieses Absinken tatsächlich stattfinden.“ (Ebd., 2012, S. 204-205).

Bildungs-IQ
Zu den Quellen vgl. Volkmar Weiss, ebd. S. 202-203.

„7% Einwanderer in Deutschland (siehe Tabelle **) sind eindeutig eine zu niedrige Zahl (Einwanderer aus der früheren Sowjetunion erhalten in den meisten Fällen die deutsche Staatsbürgerschaft und tauchen dann in den amtlichen Statistiken nicht mehr als Ausländer auf). Andere Quellen weisen mehr als 20% Schulkinder mit mindestens einem im Ausland geborenen Elternteil auf (der Mikrozensus 2007 zählte 27% solcher Familien). In den Ländern, in denen die Kinderzahl der Einwanderer höher ist als die der Einheimischen, ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund unter den Kindern natürlich oft viel höher als in der Gesamtbevölkerung. In Deutschland ist der mittlere IQ von Schülern mit türkischem Hintergrund, die bis zur Hälfte aller Einwanderer stellen, 18 IQ-Punkte niedriger als der IQ der Deutschen. In der zweiten Einwanderergeneration (die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist) ist er sogar 3 IQ-Punkte niedriger als in der ersten.“ (Ebd., 2012, S. 205-206).

„Betrachtet man aber die OECD-Staaten als Ganzes, dann ist der mittlere IQ der Einwanderer 2 Punkte höher als der bei den Einheimischen, wodurch die Auswirkungen der dysgenischen Kinderzahlen in so manchem Industriestaat überspielt werden. Dem Zugewinn an Denkkraft, besonders in den englischsprachigen Ländern ( (vgl. u.a. Gunnar Heinsohn, 2008 **), stehen Verluste in Ländern Osteuropas und der Dritten Welt (und eben nicht-englischsprachigen Ländern! HB) gegenüber. Die Kombination solcher Verluste mit dysgenischen Kinderzahlen führt zu einem raschen Niedergang des mittleren IQ, besonders in Südafrika und einigen südamerikanischen Ländern. Kinder der Einwanderer aus China, Indien und Vietnam in OECD-Staaten haben einen mittleren PISA-IQ von 106. Auch Auswanderer aus Deutschland, Südafrika, Großbritannien und den USA nach Australien und Neuseeland haben einen mittleren IQ über 100.“ (Ebd., 2012, S. 206).

„Bis in die 1990er Jahre hinein war der Großteil der Ausländer, die in die Schweiz einwanderten, niedrig qualifiziert. Seit 2005 liegt der Akademikeranteil bei den neu Zugewanderten bei fast 60%.“ (Ebd., 2012, S. 206).

„Selbst in einem PISA-Musterland wie Neuseeland droht sich in den nächsten Jahrzehnten die IQ-Lücke aufzutun. Laut Schätzungen der OECD wird in dem Land die Pasifika- und Maori-Bevölkerung zwischen 2001 und 2021 um rund 60% anwachsen, während die Bevölkerung europäischer Herkunft im selben Zeitraum nur um etwa 5% größer sein wird. Der mittlere IQ der Maori-Schüler lag 2000 um 9 IQ-Punkte unter dem der Europäer. Ob die erwartete stärkere Einwanderung intelligenter Asiaten eine IQMinderung des Landes verhindern kann?“ (Ebd., 2012, S. 206).

„Zusammenfassend läßt sich sagen, daß innerhalb einer Generation die Auswirkungen der selektiven Migration (dabei der Kindersegen der Migranten mit in die Betrachtung einbezogen) auf die IQ-Mittelwerte unbestreitbar deutlich höher sind als die Auswirkungen der unterschiedlichen Kinderzahlen bei den Einheimischen. Finnland scheint das einzige Land in der Welt zu sein, wo während des letzten halben Jahrhunderts eugenische Kinderzahlen zu einem Anstieg des mittleren genotypischen IQ beigetragen haben.“ (Ebd., 2012, S. 206).


Unterschieden sich bei standardisierten IQ-Tests die Werte der Schwarzen von denen der Weißen?

IQ

„Die Antwort ist ein klares Ja für jede repräsentative Stichprobe der Bevölkerung der USA.“ (Ebd., 2012, S. 206).

„Wie groß ist der Unterschied zwischen Schwarzen und Weißen? Die übliche Antwort auf diese Frage ist eine Standardabweichung (SD). Wenn man IQ-Tests diskutiert, dann wird der Mittelwert der Schwarzen in der Regel mit 85 angegeben, der Mittelwert der Weißen mit 100, und eine Standardabweichung (SD) entspricht eben 15 IQ-Punkten. Jede einzelne Untersuchung für sich stimmt selten mit diesen Zahlen überein. In der folgenden Abbildung sind 156 Untersuchungen ausgewertet worden. Der mittlere Unterschied zwischen Schwarzen und Weißen beträgt nach diesen 156 Untersuchungen 1,08 Standardabweichungen oder ungefähr 16 IQ-Punkte.“ (Ebd., 2012, S. 206-207).

„Wenn man sich auf die Untersuchungen beschränkt, die den üblichen Maßstäben für die Stichprobenauswahl und den Eigenschaften der Test voll genügen, so bleiben dann 45 Untersuchungen; es stellt sich heraus, daß die Unterschiede im Bereich von 0,5 bis 1,5 SD liegen, mit einer mittleren Abweichung von 1,06 SD. Auch eine noch strengere Kritik von Tests und Auswahlkriterien ändert nichts an diesem Ergebnis. Das Ergebnis ändert sich auch nicht nennenswert, wenn man über alle Einzeluntersuchungen hinweg einfach einen Mittelwert berechnet oder wenn man die Einzeluntersuchungen nach der Größe ihrer Stichproben wichtet.“ (Ebd., 2012, S. 208).

„Wenn man sich aber die Größe der Unterschiede veranschaulichen will, dann erhält man durch die bloße Angabe der Unterschiede in den Standardabweichungen keinen guten Eindruck. Man kann sich aber vor Augen führen, was es bedeutet, wenn von einem Unterschied von 1 SD die Prozentrangwerte 16 und 84 abgeschnitten werden (vgl. die Abbildung auf Seite 207 **).“ (Ebd., 2012, S. 208).

„In den USA kommen ungefähr sechs Weiße auf einen Schwarzen. Insgesamt zählt die schwarze Bevölkerung rund 30 Millionen Menschen. Das heißt, rund 100 000 Schwarze gehören zu der intellektuellen Schicht mit einem IQ von 125 oder höher. Hunderttausend Menschen sind eine beträchtliche Zahl. Und es ist deshalb kein Wunder, daß es Schwarze in jedem Arbeitsgebiet gibt, das hohe Anforderungen an die Denkkraft stellt. Wenn wir die Abbildung (**) betrachten, stellen wir darüber hinaus fest, daß es in absoluten Zahlen am unteren Ende der IQ-Verteilung ungefähr ebenso viele Schwarze wie Weiße gibt. In der oberen Hälfte der IQ-Verteilung ergeben sich aber sehr große Ungleichgewichte. Wenn diese Unterschiede tatsächlich Unterschiede der Denkkraft widerspiegeln, dann lassen sich die sozialen Folgen durch keine Macht der Welt verbergen.“ (Ebd., 2012, S. 208).

„Es hat viele Versuche gegeben, diese Unterschiede dadurch zu erklären, daß die Schwarzen durch die Tests benachteiligt würden, aber diese Ansätze haben zu keinen positiven Ergebnissen geführt. Die Tests haben für Schwarze und Weiße eine annähernd gleiche Vorhersagekraft. Auch bei solchen, von Kultureinflüssen weitgehend freien Tests wie Gedächtnisspanne und Wahlreaktionszeit, die in der Informationspsychologie eine große Rolle spielen, lassen sich die Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen bestätigen.“ (Ebd., 2012, S. 208).

„Wenn man Schwarze und Weiße in den USA miteinander vergleicht, dann taucht oft der Gedanke auf, die Neger in Afrika müßten höhere durchschnittliche IQ-Werte haben, da sie nicht wie die Neger der USA Erfahrungen mit Sklaverei und Ausgrenzung gemacht haben. Der Median-IQ der afrikanischen Neger liegt etwa bei IQ 75, d. h. noch 10 IQ Punkte niedriger als bei den Negern der USA. Der IQ der farbigen Schüler in Südafrika - also der von Mischlingen (»coloured«) - ist dem der Schwarzen der USA ähnlich.“ (Ebd., 2012, S. 208).

„In den letzten Jahrzehnten hat sich der Unterschied zwischen Schwarzen und Weißen in den USA um ungefähr drei IQ-Punkte verringert. Diese Verringerung ist hauptsächlich durch eine sinkende Zahl von Personen mit sehr niedrigen Werten bei der schwarzen Bevölkerung verursacht worden und nicht durch die Zunahme der Personen mit hohen Werten. Verbesserungen der wirtschaftlichen Situation der Schwarzen, der Qualität der Schulen, die sie besuchen, der besseren Gesundheitsfürsorge und vielleicht auch des zurückweichenden Rassismus können als Ursache hierfür angesehen werden .... Wir müssen dabei auch beachten: In den USA sind die Gene von schwarzer und weißer Bevölkerung miteinander gemischt. Der Anteil von Genen weißen Ursprungs bei den Schwarzen beträgt mindestens 10%, im Norden der USA bis zu 25%.“ (Ebd., 2012, S. 208-209)


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Die mathematisch-technisch Hochbegabten.

„Persönlichkeit ist ... mehr als IQ und Intelligenz, das darf man nie außer acht lassen.“ (Ebd., 2012, S. 211).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Ein einfaches Modell für die Vererbung der Intelligenzunterschiede: Drei sich überlappende Normalverteilungen.

3 Phänotypen des Hauptgens der Intelligenz
Die Einträge „104|105“, „123|124“ und „- - ›“sind von mir; HB.

„Für jemanden, der die Mendelschen Gesetze und die sich daraus ergebenden statistischen Verteilungen vor Augen hat, drängt sich bei diesen Befunden die folgende Hypothese förmlich auf: Nehmen wir an, die Spitzen-IQ-Berufsgruppe wäre homozygot für ein mendelndes Allel M1, also Genotyp M1M1, die ungelernten Arbeiter wären M2M2, die Berufe mit einem IQ-Mittel um 110 wären heterozygot M1M2.“ (Ebd., 2012, S. 214).

„Ich stellte 1971 die Hypothese auf, daß die Existenz eines Hauptgens M1 die Häufigkeitsverteilung von Berühmtheit und Hochbegabung unter den Blutsverwandten von Hochbegabten erklären könne. Ich schätzte die Häufigkeit q dieses hypothetischen Allels M1 für eine Bevölkerung mit einem mittleren IQ von 100 mit 0,20. .... Aus all dem folgt: Personen mit einem genotypischen IQ über 123 sollten homozygot M1M1 sein, diejenigen mit einem IQ von 105 bis 123 heterozygot M1M2 und die mit einem IQ unter 105 homozygot M2M2. In Wirklichkeit markieren die Schwellenwerte IQ 105 und IQ 123 keine scharfen Grenzen, sondern die mittleren Trennlinien der Überlappungszonen der Phänotypen des getesteten IQ. Anschaulich ausgedrückt gibt es drei Typen von Menschen: Menschen (mit einem IQ über 123), die Maschinen erfinden, Menschen (mit einem IQ über 104 und unter 124), die Maschinen reparieren, und Menschen (mit einem IQ unter 105), die Maschinen bedienen. (**|**).“ (Ebd., 2012, S. 216-218).

Table of IQs smart fractions and GDP **
CountryAverage
verbal
IQ
Smart
fraction*
as a
percentage
of the
population
Actual
Real GDP
per cap
(1998)
Theoretical
Real GDP
per cap
(1998)

Equatorial Guinea

59

0,10

1817

57

Ethiopia

63

0,23

574

136

Sierra Leone

64

0,28

458

167

Congo

65

0,34

822

205

Zimbabwe

66

0,42

2669

250

Guinea

66

0,42

1782

250

Nigeria

67

0,51

795

303

Ghana

71

1,06

1735

634

Tanzania

72

1,26

480

755

Sudan

72

1,26

1394

755

South Africa

72

1,26

8488

755

Kenya

72

1,26

980

755

Jamaica

72

1,26

3389

755

Uganda

73

1,49

1074

895

Congo (Brazzaville)

73

1,49

995

895

Zambia

77

2,84

719

1701

Nepal

78

3,30

1157

1978

Barbados

78

3,30

12001

1978

Guatemala

79

3,82

3505

2291

Ecuador

80

4,41

3003

2643

India

81

5,07

2077

3037

Egypt

83

6,61

3041

3965

Puerto Rico

84

7,51

8000

4505

Marshall Islands

84

7,51

3000

4505

Iran

84

7,51

5121

4505

Fiji

84

7,51

4231

4505

Morocco

85

8,50

3305

5099

Philippines

86

9,59

3555

5750

Lebanon

86

9,59

4326

5750

Tonga

87

10,78

3000

6460

Western Samoa

87

10,78

3832

6460

Mexico

87

10,78

7704

6460

Iraq

87

10,78

3197

6460

Brazil

87

10,78

6625

6460

Suriname

89

13,45

5161

8066

Indonesia

89

13,45

2651

8066

Colombia

89

13,45

6006

8066

Peru

90

14,95

4282

8963

Turkey

90

14,95

6422

8963

Croatia

90

14,95

6749

8963

Thailand

91

16,55

5456

9925

Greece

92

18,27

13943

10952

Malaysia

92

18,27

8137

10952

Ireland

93

20,09

21482

12042

Israel

94

22,01

17301

13195

Slovenia

95

24,03

14293

14409

Portugal

95

24,03

14701

14409

Uruguay

96

26,15

8623

15681

Argentina

96

26,15

12013

15681

Spain

97

28,37

16212

17009

Finland

97

28,37

20847

17009

Canada

97

28,37

23582

17009

Taiwan

97,5

29,51

13000

17692

France

98

30,67

21175

18388

United States

98

30,67

29605

18388

Norway

98

30,67

26342

18388

Australia

98

30,67

22452

18388

Denmark

98

30,67

24218

18388

Japan

98,5

31,85

23257

19096

South Korea

99,5

34,26

13478

20544

Belgium

100

35,50

23223

21283

United Kingdom

100

35,50

20336

21283

New Zealand

100

35,50

17288

21283

Hong Kong

100,5

36,75

20763

22031

Sweden

101

38,01

20659

22788

Switzerland

101

38,01

25512

22788

Italy

102

40,57

20585

24325

Netherlands

102

40,57

22176

24325

Austria

102

40,57

23166

24325

Germany

102

40,57

22169

24325

Singapore

103

43,18

24210

25886


*Based on a threshold IQ of 105,58


Quelle: Http://www,lagriffedulion,f2s,com/sft2,htm 2004

„Jensen schrieb: »Die im sozialen und persönlichen Leben wichtigsten Schwellenwerte auf der IQ-Skala sind die, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Personen voneinander trennen, die eine akademische oder eine dahin führende vorbereitende Ausbildung erfolgreich abschließen können (d.h. mindestens einen IQ von 105 besitzen).« (Ebd., a.a.O., 1980, S.115). Unabhängig davon formulierte im Internet ein Verfasser (**) ... seine »Theorie des klugen Bevölkerungsanteils« (2004) und stellte fest: »In Marktwirtschaften ist das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (BIP) dem Bevölkerungsanteil mit einem IQ über 105 direkt propotional. .... Im Wonderlic Personnel Test and Scholastic Level Exam Users Manual (1992) kann man nachlesen, daß wir ab einem IQ von 106 Buchhalter finden, Kassenangestellte, Laboranten, Verkäufer und Sekretäre. Einen etwas höheren IQ haben ausgebildete Krankenpfteger, Bilanzbuchhalter, mittleres Verwaltungspersonal und Verkaufsstellenleiter. Solche Menschen sind keine Raketenfachleute. Sie sind jedoch für eine blühende Wirtschaft unentbehrlich. Jede Nation ... braucht einen intelligenten Kern, um etwas zustande zu bringen.« (**) Während Lynn and Vanhanen (2002) eine nichtlineare Beziehung zwischen dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) und dem mittleren IQ der Staaten fanden, behauptet dieser Verfasser (**), daß eine lineare Beziehung zwischen dem Pro-Kopf-BIP und dem »Prozentanteil der Klugen« bestünde (vgl. dazu auch die kopierte Tabelle [**]; HB). Wir können jetzt sogar noch einen Schritt weitergehen. Aus dem Hardy-Weinberg-Gesetz der Populationsgenetik ergibt sich für die Häufigkeit q des hypothetischen Hauptgens M1 des IQ (1-q)² + 2q (1-q) + q² = 1. Wenn q = 0,20 ist, folgt daraus, daß 2q (1-q) + q² = 0,36 als Summe der Homozygoten M1M1 und der Heterozygoten M1M2. Diese Häufigkeit von 0,36 und ihr Prozeritrangwert entsprechen nicht nur einem IQ von 105 (bei einer Bevölkerung mit dem IQ-Mittelwert 100), sondern ist auch identisch mit dem »Prozentanteil der Klugen«. Indem wir die Wurzel aus dem Anteil (1-q)² der Nichtklugen ziehen, erhalten wir die Häufigkeit q des Allels M1 in den jeweiligen Ländern.“ (Ebd., 2012, S. 218-219).

Über den Daumen gepeilt, ergibt diese Häufigkeit mal 1000 das theoretische Bruttoinlandsprodukt .... Tatsächlich erweist sich somit die Beziehung zwischen dem BIP und der Häufigkeit des Hauptgens, das einem Überdurchschnittlichen IQ zugrunde liegt, als linear.“ (Ebd., 2012, S. 219).

„Das Paretoprinzip (auch bekannt als die 80-20-Regel) - in unserem Falle verstanden als »Gesetz der lebensnotwendigen Wenigen« - besagt: Für viele Ereignisse gehen 80% der Wirkungen von 20% der Ursachen aus. Die Macht eines Staates hängt nicht nur von seiner bloßen Einwohnerzahl ab, sondern auch vom Prozentanteil der intellektuellen Elite, wie er durch die soziale Evolution optimiert worden ist. Hochintelligente Menschen bilden Netzwerke aus, und die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Netzes entsprechen dem Quadrat der Knoten im Netzwerk, d.h. in unserem Falle dem Quadrat der Sehr-Klugen. Forscher fanden heraus, daß die Dynamik des hyperbolischen Wachstums des Welt-BIP mit einer einfachen Gleichung beschrieben werden kann, die ein quadratisches Glied enthält. Es scheint kaum eine andere logische Möglichkeit zu geben, als dieses Glied mit q² gleichzusetzen, das in einer Bevölkerung dem Prozentsatz der Hochbegabten mit einem IQ über 123 entspricht.“ (Ebd., 2012, S. 219).

„1998 war das BIP pro Kopf eines Landes mit einer hypothetischen Genfrequenz von 0,20 für M1 ungefähr neunmal höher als bei einem Land mit einer Frequenz von 0,02; die absolute Differenz des BIP pro Kopf betrug ungefähr 19 000 $. Dieser Abstand zwischen industrialisierten und unterentwickelten Ländern wird seit dem Beginn der Industriellen Revolution immer größer.“ (Ebd., 2012, S. 219).

„In den nächsten Jahrzehnten werden die meisten Kinder nicht in den Ländern mit einem hohen mittleren IQ geboren werden, sondern in den Armenhäusern der Welt und in Ländern mit einem niedrigen mittleren IQ. (Vgl. dazu auch: Friedrich Wilhelm Burgdörfer, Sterben die weißen Völker aus?, 1934; Giselher Wirsing, Die Menschenlawine, 1956; UNO, World Population Prospects, 2006). Der dadurch erwartete Rückgang der Mittelwerts des weltweiten genotypischen IQ von 95 im Jahre 1950 auf IQ 87 im Jahre 2050 würde einen weltweiten Rückgang der hypothetischen Genfrequenz q von M1 von 0,12 auf 0,05 bedeuten und eine Abnahme des Prozentanteils der Klugen (also derjenigen mit einem IQ über 105) von 22% auf etwa 10%; das heißt eine Abnahme von etwa 4% pro Generation.“ (Ebd., 2012, S. 219).

„Es ist allgemein bekannt: Volkswitschaften, die keine Marktwirtschaften sind, weisen geringere Wachstumsraten des BIP pro Kopf auf als Marktwirtschaften. Während frühere nicht-marktwirtschaftliche Länder mit einem hohen mittleren IQ ... den Abstand verringern, scheinen die Länder mit einem niedrigen mittleren IQ keine Aufholchance zu haben. Doch selbst bei den Marktwirtschaften haben wir auf der einen Seite die eindrucksvolle Erfolgsgeschichte von Singapur und auf der anderen Seite so extreme Länder wie Haiti und Simbabwe, die nicht nur rückständig sind, sondern auch noch unter Mißwirtschaft und Abwanderung der klugen Köpfe leiden. 1968 hatte zum Beispiel die Pazifikinsel Nauru dank ihrer reichen Phosphatlager das höchste BIP pro Kopf in der Welt. Heute, nach der Erschöpfung dieser Lager, herrscht in Nauru das Chaos, und wegen Mißwirtschaft und Korruption ist das wirtschaftliche Leben zusammengebrochen. Das BIP von Nauru stimmt jetzt besser mit der Genfrequenz M1 seiner Bevölkerung überein als früher.“ (Ebd., 2012, S. 219-221).

„Eines der Kriterien, die Wissenschaft von Spekulation unterscheidet, ist ihre Vorhersagekraft. Das ölfördernde Äquatorialguinea hat zwar einen sehr niedrigen durchschnittlichen IQ, aber dennoch 2007 ein BIP pro Kopf von 44 100 $, eines der höchsten in der Welt. Wir prognostizieren, daß nach Erschöpfung der Öllagerstätten das BIP dieses Landes auf ein Niveau zurückfallen wird, wie es für Länder mit einer Genfrequenz von M1 unter 0,02 typisch ist. Solange das Öl sprudelt, machen Fachleute und Händler aus dem Libanon, China, Indien und anderen Herkunftsländern Geld; nach dem Boom werden sie das Land aber wieder verlassen.“ (Ebd., 2012, S. 221).

„In die Tabelle gegenüber (vgl. ebd., S. 220) haben wir nur Staaten aufgenommen, die schon lange Marktwirtschaften sind und die mindestens zweimal an den PISA-Untersuchungen teilgenommen haben. Der Gesamteindruck dieser Tabelle ist deswegen irreführend, weil drei Viertel der Weltbevölkerung ein BIP pro Kopf haben, das niedriger als das brasilianische ist. 2007 gab es in Schwarzafrika 12 Staaten mit einem BIP pro Kopf von unter 1000 $, wobei alle diese Staaten eine Genfrequenz von M1 unter 0,02 aufweisen. Bis jetzt scheint der Flynn-Effekt (**|**) in diesen Ländern noch kaum angekommen zu sein. Es wäre deswegen durchaus sinnvoll, die nationalen IQ-Mittelwerte auf ein Minimum von 80 zu begrenzen, doch hätte das auf die Genfrequenzen kaum Auswirkungen, da die Frequenz von M1 in diesem Meßbereich gegen Null strebt.“ (Ebd., 2012, S. 221).

„Einige Länder (zum Beispiel Brasilien, Israel und Südafrika) mit einer sozial und regional gegliederten und in hohem Maße geschichteten Bevölkerung (und folglich einem hohen Gini-Index [ein statistisches Maß zur Darstellung von Ungleichverteilungen; HB]) haben ein viel höheres BIP, als man nach ihrem mittleren IQ erwarten könnte. In solchen Ländern ist die Varianz des IQ für die Gesamtbevölkerung größer als 15, und man sollte deshalb die aus dem Mittelwert abgeleitete theoretische Häufigkeit von M1 durch die wirkliche Häufigkeit ersetzen. Am einfachsten ließe sich das aus dem Prozentanteil der Personen mit einem IQ über 105 errechnen, wenn er denn bekannt wäre.“ (Ebd., 2012, S. 221).

„Auch innerhalb entwickelter Staaten beträgt der Unterschied zwischen wirtschaftlich blühenden und eher rückständigen Regionen 10 IQ-Punkte und mehr. In Deutschland zum Beispiel ist der IQ-Mittelwert von Bayern ungefähr 10 Punkte höher als der Bremer; in Italien beträgt der Unterschied zwischen Venetien und Sizilien 13 Punkte; in Spanien zwischen Aragon und Andalusien 8 Punkte; in den USA derUnterschied zwischen New Hampshire und Mississippi 10 Punkte. Solche Unterschiede, die durch die Binnenwanderung zwischen den wirtschaftlichen Kernen und den rückständigen Gebieten verschärft werden - wenn auch nicht immer in dieser Größenordnung - kann man in jedem Land finden. Mit höherem Bildungsabschluß erhöht sich grundsätzlich das Migrationspotential. Ein mittlerer IQ von 102 für Italien als Ganzes (**), angegeben bei Lynn und Vanhanen (2002), kann niemals richtig gewesen sein und nur dadurch zustande gekommen sein, daß man nur in den nördlichen Landesteilen getestet hatte. In der beispielhaften Untersuchung einer süditalienischen Gemeinde, in der kaum die Hälfte der Bewohner eine einfache Bildung erhalten oder abgeschlossen hat, konnte Banfield (1958) zeigen, wie geringe Denkkraft, Bestechlichkeit und Beschränktheit auf das persönlich Naheliegende einen ausweglos erscheinenden Kreislauf der Rückständigkeit in Gang halten.“ (Ebd., 2012, S. 221).

„Da sich die Denkkraft in den Familien vererbt und Intelligenzunterschiede den beruflichen Status beschreiben, muß sich dieser Status in den Familien regenerieren. Eine Kontrolle dafür sind auch die Untersuchungen in Adoptivfamilien, in die die Kinder bereits in den ersten Lebensmonaten aufgenommen wurden. Dabei konnte man finden, daß sich der berufliche Status von biologisch verwandten Geschwistern ähnelt, obwohl sie in verschiedenen Umgebungen aufgewachsen sind. Im Gegensatz dazu gibt es zu den Geschwistern aus den Adoptivfamilien selbst keinerlei signifikante Korrelation hinsichtlich des beruflichen Status. Das allein schon widerlegt die weitverbreitete Annahme, vor allem die Umweltverhältnisse seien für die berufliche Laufbahn entscheidend.“ (Ebd., 2012, S. 223).

„Hinsichtlich des IQ bestand zwischen den Ehepartnern noch nie eine selbständige Übereinstimmung. Schon immer bevorzugen manche Männer bei ihren Partnerinnen einen größeren Brustumfang gegenüber einem hohen IQ. Manche Frauen sehen mehr auf Muskelkraft oder ererbtes Vermögen, oder sie bekommen einfach keinen anderen Mann ab. Deshalb korrelieren die Ehepartner in modernen Gesellschaften hinsichtlich ihres IQ mit r = 0,50. Diese Heiratssiebung hat zur Folge, daß sich der Anteil der Heterozygoten etwas verringert, so daß sich etwa die folgenden Häufigkeiten ergeben: 5% für M1M1, 27% für M1M2 und 68% für M2M2. Die Mediane der kumulierten Prozentrangwerte (M1M1 97,5; M1M2 81,5; M2M2 34 [**|**]) entsprechen daann den folgenden IQ-Medianen der Genotypen: M1M1 IQ 130; M1M2 IQ 112; M2M2 IQ 94 [**|**]). Auch aus der berühmten Terman-Studie über Hochbegabte hätte man bereits bei einer analogen statistischen Analyse sehr ähnliche Schlußfolgerungen ziehen können. Mit anderen Worten: Etwa bei den IQ-Werten 105 und 124, die zwischen den eben genannten Medianen liegen, beginnt hinsichtlich der Denkkraft jeweils eine andere Qualität Mensch (**), ein neuer Genotyp. Mit allen Folgen und Gefahren, von denen dieses Buch hier handelt.“ (Ebd., 2012, S. 223-224).

„Im Nürnberger Prozeß 1945 wurde mit dem Wechsler-Bellevue-Test auch der IQ der Angeklagten getestet und veröffentlicht: Hjalmar Schacht IQ 143, Arthur Seyß-Inquart IQ 141, Hermann Göring IQ 138, Karl Dönitz IQ 138, Pranz von Papen IQ 134, Erich Räder IQ 134, Dr. Hans Frank IQ 130, Hans Fritsche IQ 130, Baidur von Schirach IQ 130, Joachim von Ribbentropp IQ 129, Wilhelm Keitel IQ 129, Albert Speer IQ 128, Alfred Jodl IQ 127; Alfred Rosenberg IQ 127; Konstantin von Neurath IQ 125, Walther Funk IQ 124, Wilhelm Frick IQ 124, Rudolf Heß IQ 120, Fritz Sauckel IQ 118, Ernst Kaltenbrunner IQ 113, Julius Streicher IQ 106. Diese Zahlen »bestätigen die Tatsache, daß die erfolgreichsten Menschen auf jedem Gebiet menschlicher Aktivität - ob es nun Politik, Industrie, Militär oder das Verbrecherturn ist -mit überdurchschnittlicher Intelligenz ausgestattet sind«, lautet dazu der Kommentar des Berichterstatters. Man darf annehmen, daß auch Heinrich Himmler, der auf dem Gymnasium ein sehr guter Schüler war, einen hohen IQ besaß. Und ein Adolf Hitler hat sich in diesem Haifischbecken wohl nur behaupten können, wenn er intellektuell gleichrangig war. Wir haben diese Zahlen an dieser Stelle aber keinesfalls zitiert, um einen besonders hohen IQ der führenden Personen des Dritten Reiches zu belegen. Auch der durchschnittliche IQ des Führungspersonals anderer großer Industriestaaten und selbst der Luxemburgs dürfte in der gleichen Größenordnung liegen. Nur liegt leider für keinen anderen Staat ein vergleichbarer Datensatz vor.“ (Ebd., 2012, S. 230-231).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Stand der Forschungen zur Molekulargenetik der Intelligenzunterschiede.

Jahrzehntelang hatte man angenommen, die Mendelsche Genetik sei nur auf Sachverhalte anwendbar, bei denen man die genetischen Typen klar in qualitativer Weise trennen und Spaltungsverhältnisse zwischen ihnen feststellen kann. Doch ist der IQ, wie jeder weiß, ein quantitatives Merkmal mit fließenden Eigenschaften, das auf einer kontinuierlichen Skala gemessen wird. Das ist ein wesentlicher Grund, warum sich die Forschung jahrzehntelang immer wieder damit begnügt hat, die statistischen »Anteile« der Erb- und Umweltwirkungen auf die Denkkraft zu bestimmen, ohne zu den Ursachen und damit zu den Genen vorzustoßen. Auch diejenigen, deren Daten für die Erblichkeit der Intelligenzunterschiede sprachen, waren der Auffassung, es handele sich um die Wirkung von sehr vielen Genen, vermutlich von hunderten. Sicher trifft es auch zu, daß Hunderte, ja Tausende der rund 27 000 Gene des Menschen unter bestimmten Bedingungen einen Einfluß auf das geistige Leistungsvermögen ausüben können. Aber haben diese vielen Gene mit ihren oft nur sehr seltenen Schalterstellungen (Allelen) tatsächlich einen großen Einfluß? Oder haben die meisten eher nur einen ganz geringen, gar nicht nachweisbaren? Sind nicht Umweltunterschiede viel größer und wichtiger?“ (Ebd., 2012, S. 231).

„Von den Forschern, die für die stets kleinen Wirkungen von hunderten Genen eintreten, hat sich bisher noch keiner die Mühe gemacht, eine Erklärung zu liefern für den logischen Widerspruch zwischen der Annahme eines einzigen Hauptfaktors der Intelligenz und derAnnahme von hunderten Genen, die immer wieder diesen Hauptfaktor erzeugen sollen. Es wäre eben so. Dabei sollte man doch annehmen, die Wirkung von hunderten Genen, die sich unabhängig voneinander vererben, ließe ein buntes Muster von Faktoren entstehen und keinesfalls einen Hauptfaktor. Auch hätte auffallen müssen, daß die soziale Wirklichkeit gegen die hundert Gene spricht. Wenn nämlich die sozialen Unterschiede durch eine sehr große Zahl von Genen bedingt wären, die auch die Intelligenzunterschiede beeinflussen, dann wären diese Gene über die Jahrhunderte im Besitz- und Bildungsbürgertum in so einer Weise angereichert worden, daß der soziale Auf- und Abstieg von einem Ende der IQ-Skala zum anderen mehr als zwei Generationen benötigen würde und nicht zwei, wie das der Fall ist. Diese Möglichkeit des raschen sozialen Auf- und Abstiegs spricht für eine viel einfachere genetische Grundlage und für das Wirken von Hauptgenen. In diesem Buch haben wir den wissenschaftlichen Standpunkt belegt, den Denkkraftunterschieden, dem IQ also, läge ein einfacher genetischer Polymorphismus zugrunde, der das kastenähnliche Erstarren der Gesellschaft verhindert hat. Eine breite Mittelschicht, die aufwärts oder abwärts heiratet oder unter sich selbst, verbindet die sozialen Extreme. Die Kinder dieser Mittelschicht haben eine Chance von 25% zur geistigen Elite zu gehören, von 25% zur geistig gesunden Arbeiterschaft und von 50%, die mittlere gesellschaftliche Position der Eltern zu behalten. Während der vererbte Reichtum und ererbte Standesvorrechte die Gesellschaft mit Erstarrung bedrohen, verachtet der begabte Enkel eines ungelernten Arbeiters (und der Verfasser ist selbst einer) diese Privilegien; in einer modernen mobilen Gesellschaft - und jedes moderne Industrieland repräsentiert eine solche Gesellschaft - kann er Bildung erwerben und damit sozial aufsteigen.“ (Ebd., 2012, S. 231-232).

„Lange schon steht das polygenetische Dogma der molekulargenetischen Forschung im Wege. Noch im Jahre 1980 erklärte Jensen die Genotypen der Intelligenz zu einem bloßen »theoretischen Konstrukt. Niemand könne einen solchen Genotyp in einem Reagenzglas untersuchen«. Um 1990 begann aber durch die Kombination des Computers mit automatisierten Auswertungsmethoden und der Speicherung der Daten in Datenbanken eine so rasche Weiterentwicklung der Molekulargenetik, wie sie noch um 1980 niemand für möglich gehalten hätte.“ (Ebd., 2012, S. 232).

„Gene, die den Mendelschen Spaltungsgesetzen folgen, zeigen durch das Spalten, das Mendeln, ihre Existenz an. Und bei energischer Nachsuche haben die Genetiker diese Gene bisher stets früher oder später entdeckt. Auch die Gene, die 1865 Gregor Mendel bei seinen berühmten Erbsen untersucht hat, sind heute genau bekannt, auch ihre Biochemie.“ (Ebd., 2012, S. 232).

„So war und ist der Aufschwung der Molekulargenetik auch bei mir mit der Hoffnung verbunden, man würde den Hauptgenlocus der Allgemeinen Intelligenz früher oder später entdecken. Länger als 20 Jahre habe ich gehofft, daß, wenn man alle biochemischen und physiologischen Korrelationen mit Sozialstatus, Schulerfolg, IQ, Gedächtnisleistungen, Altersabbau der Intelligenz und vielem mehr registrieren und den möglichen Ursachen nachgehen würde, sich dann eine Schnittmenge ergeben sollte, die zu dem Stoffwechselschritt und dem gesuchten genetischen Polymorphismus führen müßte. Ich habe in diese Recherchen Jahre meiner Lebensarbeitszeit investiert, habe Daten gesammelt und nach kausalen biochemischen Beziehungen gesucht, immer in der Hoffnung, Ausdauer und Fleiß würden irgendwann belohnt werden. Manchesmal, wenn ich in den letzten Jahren schon resignieren wollte, ist der Eifer in Abständen wieder durch irgendeine Entdeckung angefacht worden, von der ich meinte, sie könne mit dem Hauptgen des IQ in Beziehung stehen. Doch im menschlichen Genom zählt man nicht nur rund 27 000 Gene, sondern Millionen genetische Polymorphismen; ein beträchtlicher Teil der Variabilität wird von uns bisher noch nicht verstanden oder ist uns noch gar nicht zugänglich. Wenn man in späteren Jahrzehnten einmal auf unseren Forschungsstand zurückblicken wird, dann wird unsere Zeit als die Steinzeit der Genetik gelten.“ (Ebd., 2012, S. 232).

„Deshalb wollen wir an dieser Stelle eine nüchterne Zwischenbilanz ziehen: Auf weltweit mindestens 200 Untersuchungen zur Genetik der Schizophrenie kommt eine zur Genetik des IQ. In sehr vielen Ländern ist es politisch völlig inkorrekt, an Untersuchungen zur Genetik des normalen IQ überhaupt zu denken, geschweige denn einen Antrag auf Finanzierung und Genehmigung eines solchen Forschungsvorhabens zu stellen.“ (Ebd., 2012, S. 232).

»Wenn man nachweisen kann, daß Intelligenz ... angeboren ist, dann verliert der Marxismus seine Existenzberechtigung« (Udo Sierck, Normalisierung von rechts - Biopolitik und »Neue Rechte«, 1995, S. 28). Auch Deutschland gehört selbstverständlich zu den Ländern, in denen diese Furcht vor der Bewahrheitung dieses eben zitierten Satzes das Denken und mögliches Handeln einengt. Wenn Forscher dennoch über Vererbung von Intelligenzunterschieden arbeiten, dann forschen sie offiziell über die Genetik der Dyslexie, die Alzheimer-Erkrankung und andere geistige Leistungsminderungen, niemals aber über den IQ im Normalbereich, und sie tun gut darall, ihre anderen Mit-Absichten -wenn sie welche haben sollten -zu verstecken. Manchmal untersuchen sie ja sogar Kontrollgruppen normaler gesunder Personen. Um den IQ der Probanden zu schätzen, reichen in Industriestaaten Bildungsjahre und Beruf völlig aus, man kann auf die Anwendung strittiger IQ-Tests verzichten. Es ist deshalb nicht ganz aussichtslos, daß die Genetik des normalen IQ als Nebenprodukt medizinischer Fragestellungen entdeckt werden wird.“ (Ebd., 2012, S. 232-233).

„Dennoch ist der gegenwärtige Forschungsstand (im Herbst 2011) sehr ernüchternd, und zwar nicht nur für den IQ, sondern auch in der Genetik anderer geistiger Eigenschaften, bei denen man einen genetischen Hintergrund vermuten muß. Inzwischen ist es möglich, daß man mit speziellen Chips mit einem einzigen Arbeitsgang eine Million einfacher genetischer Polymorphismen (SNPs) auf einen Zusammenhang testen kann. Im Sommer 2011 können wir davon ausgehen, daß bereits mehr als 3 Millionen SNP auf einen Zusammenhang mit IQ oder Bildungsgrad untersucht worden sind. Jede Woche wird Lotto gespielt. Ein Hauptgewinn ist höchst unwahrscheinlich. Dennoch gibt es fast jede Woche einen. In der Genetik ist so ein Haupttreffer jedoch der falsche positive Befund. Das heißt, man findet bei jeder großangelegten Untersuchung einen Zusammenhang oder mehrere, die hochsignifikant sind, wie es in der Sprache der Wissenschaft heißt, aber die dennoch Luftnummern und durch reinen Zufall entstanden sind. Wiederholt man die Untersuchung, bleiben immer noch Befunde übrig, die nichts weiter als Scheinzusammenhänge sind. Die Fachzeitschriften der Genetik sind vollgestopft mit derartigen Ergebnissen, und es ist derzeit sehr schwer, aus diesen Schuttbergen an Unsinn etwas Dauerhaftes auszugraben. Der Status eines Wissenschaftlers wird nun einmal auch daran gemessen, wieviel Forschungsmittel er verbraucht.“ (Ebd., 2012, S. 233).

„Am 3. Februar 2009 eröffnete die Zeitschrift »Nature« unter der bezeichnenden Überschrift »Wissenschaft, von der man die Finger lassen soll« (»Untouchable Science«) zum Thema »Sollen Wissenschaftler Rasse und IQ untersuchen?« ein Forum, in dem Steven Rose (London) zum Auftakt die Gelegenheit gegeben wurde, Forschungen über Populationsunterschiede des IQ zu verteufeln und zu ihrer Ächtung aufzurufen. Nicht alle, die sich an der Diskussion beteiligten, stimmten ihm vorbehaltlos zu. Auch ich fühlte mich zu einer Meinungsäußerung herausgefordert.“ (Ebd., 2012, S. 233).

„Wenn ich es den letzten 15 Jahren für möglich gehalten hatte, daß ein genetischer Polymorphismus (SNP) etwas mit dem genetischen Hintergrund des IQ zu tun hätte, dann mußten immer einige Verteilungseigenschaften der Allelfrequenzen erfüllt sein, die sich aus den bisherigen Ergebnissen ergaben. Das heißt, das seltene Allel mußte eine Häufigkeit bei Eurasiern um 0,20 haben, bei Schwarzen niedriger. Das seltene Allel sollte bei Personen mit hohem Sozialstatus und folglich hohem IQ stark angereichert vorkommen. Mehrfach schienen diese Bedingungen erfüllt, und es gelang mir stets, Kollegen oder frühere Studienkollegen, die Hochschullehrer geworden waren, dafür zu gewinnen, den Sachverhalt zu klären. Bisher endete es stets mit einer großen Enttäuschung; ich habe auch Privatlabors bezahlt oder Kollegen im Ausland gewinnen können - auch dann bestenfalls nur mit einem Teilergebnis.“ (Ebd., 2012, S. 233).

„Die Diskussion in »Nature« brachte mich nun auf den Gedanken, systematisch die Frage zu stellen, wie viele bisher bekannte genetische Polymorphismen (SNP) es überhaupt gibt, die die geforderten Allelfrequenzen aufweisen. 2009 hatten die im Internet verfügbaren Datenbanken einen Kenntnisstand erreicht, bei dem man ernsthaft hoffen konnte, diese Frage zu beantworten. Dazu standen mir die HapMap-Datenbank und das Programm SNPlogic zur Verfügung. Das HapMap-Projekt hatte bei Stichproben an Europäern (CEU), Chinesen (CHB), Japanern (JPT) und bei Yorubas (YRI) in Nigeria die Allelfrequenzen ermittelt. An mögliche Verzerrungen der Stichprobenergebnisse durch den Sozialstatus hatte man dabei leider überhaupt nicht gedacht. (Andererseits logisch, da ja alle Menschen in diesem Punkt laut internationaler Definition gleich sein müssen.) Die Chinesen stammen von einer Pekinger Universität, wobei es aber keinerlei Angaben darüber gibt, inwieweit Hochschullehrer, Studenten oder einfaches Personal einbezogen worden sind. Die Stichprobe für die Japaner stammt aus Tokio, dürfte in bezug auf den Sozialstatus also auch verzerrt sein. Das zwang mich, von einer relativ großen Brandbreite der möglichen Allelfrequenzen in den Stichproben auszugehen.“ (Ebd., 2012, S. 233-234).

„Anfang 2009 befanden sich in der HapMap-Datenbank 76 690 nicht-synonyme, kodierende genetische Polymorphismen (SNPs). Das Programm SNPlogic filterte mir davon 204 heraus, deren Allelfrequenzen innerhalb der erwarteten Bandbreite für die untersuchten Populationen bzw. Rassen lag. Nach den bisherigen Ergebnissen sollte ein hochintelligenter Mensch homozygot für das seltene Allel sein. Bis 2009 war im Internet nur der genetische Code von Craig Venter vollständig veröffentlicht. In der Annahme, dieser herausragende Wissenschaftler müsse ein hochintelligenter Mensch sein, schloß ich alle SNPs aus, in denen er nicht homozygot für das seltene Allele war. Nach dieser Filterung blieben 22 SNPs übrig. Das im Internet ebenfalls verfügbare Genom von James Watson brachte leider keinen weiteren Erkenntnisgewinn. Es ist unvollständig und bietet anstatt sicherer Sequenzierungen oft nur Wahrscheinlichkeiten. Mit Hilfe von Steven Pinker konnten jedoch noch weitere SNPs ausgeschlossen werden und die Zahl auf verbleibende elf verdächtige halbiert werden.“ (Ebd., 2012, S. 234).

„Pinker ist Proband des Personal-Genome-Projekts, das in den USA als privates Forschungsvorhaben die vollständige Dekodierung von Personen und die Veröffentlichung ihrer Daten anstrebt. Zum Genotypisieren benutzt das Projekt, ebenso wie die Firma 23andMe den 500 K Affymetrix Chip, das heißt einen Chip, der die Genotypisierung von 500 000 SNPs in einem Durchlauf erlaubt. Da der Chip auch von der Forschungsgruppe Plomin et al. benutzt wurde, die damit keinerlei reproduzierbaren Zusammenhang mit dem IQ finden konnte, konnten alle auf diesem Chip befindlichen SNPs ausgeschlossen werden.“ (Ebd., 2012, S. 234).

„Die Liste der verbleibenden elf SNPs habe ich am 27. März 2009 in der »Nature«-Diskussion veröffentlicht, und man kann sie noch heute dort nachlesen, siehe http://network.nature.com/groups/naturenewsandopinion/forum/topics/3871?page=9 (**).Wenige Tage, nachdem ich den Text an »Nature« gepostet hatte, wurde das Forum geschlossen. Wenn ich dennoch die schwache Hoffnung hatte, daß die Liste irgendwo in der Welt Kollegen dazu bringen würde, die elf Hypothesen zu überprüfen, dann hatte ich mich geirrt. Auch der Dümmste merkt eben, daß die Hypothesen mit einem absoluten Tabubruch starten, nämlich der Annahme unterschiedlicher Allelfrequenzen eines IQ-Hauptgens für Schwarze, Gelbe und Weiße.“ (Ebd., 2012, S. 234).

„Anderthalb Jahre später, nach dem Erscheinen des Sarrazin-Buches (2010), gab es noch keinen weiteren Fortschritt in dieser Sache. Die öffentlichen Diskussionen um das Buch brachten mich jedoch im Herbst 2010 in Kontakt mit einem privaten Labor, das bereit schien, für 1100 Euro die elf SNPs zu untersuchen. Um die Kosten weiter zu verringern, schaute ich mich noch einmal beim Personal-Genome-Projekt um, ob dort inzwischen neue Daten veröffentlicht worden waren. Tatsächlich, sie lagen vor. Allerdings nicht in einer so eindeutigen Form, die Fehler ausschließt. Für manche Probanden fehlen biographische Daten, und es werden nur die Abweichungen vom Referenzgenom veröffentlicht, nicht aber Übereinstimmungen, die man für statistische Schlüsse ja ebenfalls braucht. Wie bei Watson sind auch bei anderen Probanden die Sequenzierungen oft nur mehr oder weniger sicher. Überdurchschnittlich intelligente Probanden dürften aber dennoch nicht Homozygote des häufigen Allels sein. Wenn man das Ausschlußkriterium in dieser Weise anpaßt, dann bleibt von den elf SNPs beim derzeitigen Kenntnisstand nur noch ein SNP übrig: das Gen C2orf16 mit rs1919128 (Allele A und G ), wobei Venter GG ist; und die Populationshäufigkeiten für das Allel G sind: CEU 0,24, CHB 0,56, J PT 0,62, YRI 0,04.“ (Ebd., 2012, S. 234-235).

„Das Gen C2orf16 kodiert ein bisher unbekanntes Protein, von dem man nur weiß, es habe etwas mit Phosphorylierung und Signalübertragung zu tun. Wenn man aus
der Wahrscheinlichkeit 204/76690 = 0,0027, daß die Allelfrequenzen der Populationen innerhalb bestimmter Schwellenwerte liegen;
der Wahrscheinlichkeit 0,0625, daß Craig Venter für das seltene Allel G homozygot ist;
und der Wahrscheinlichkeit 0,0317, daß die Probanden des Personal-Genome-Projekts nicht AA sind;
die Gesamt-Wahrscheinlichkeit dafür berechnet, ob C2orf16 nicht der Hauptgenlocus der Intelligenz ist, kommt man auf: 0,0027 x 0,0625 x 0,0317 = 0,0000053. Wenn man 12 weitere Probanden mit einem IQ über 105 (oder sicherheitshalber besser mit einem IQ über 115) genotypisieren und ihren Nicht-AA-Status bestätigen würde, könnte man diese Wahrscheinlichkeit um den Faktor 0,001 erhöhen.“ (Ebd., 2012, S. 235).

„Trotz dieser schon extremen Wahrscheinlichkeiten, die für C2orf16 rs1919128 sprechen, bin ich der Meinung, es dürfte sich um einen falschen positiven Befund handeln. Es ist eben der Sechser mit Zusatzzahl im Lotto - hier aber als Niete gezogen -, denn das Suchverfahren in seiner Art als Ausschlußverfahren provoziert geradezu den falschen positiven Befund.“ (Ebd., 2012, S. 235).

„Und wenn es doch stimmen sollte? Als Wissenschaftler möchte man Gewißheit haben. Eine Genotypisierung eines SNP bei zwölf Probanden ist heutzutage in einem guten Labor kein Problem mehr und kostet derzeit nicht mehr als 300 Euro. Ich mußte aber rasch feststellen, daß es in Deutschland kein Labor mehr gibt, das es wagen könnte, einen derartigen Auftrag auszuführen. Ich entschloß mich deshalb zur Veröffentlichung der gesamten Logik, die für C2orf16 rs1919128 als Hauptgenlocus des IQ spricht. Nach dem Erscheinen der Arbeit habe ich im Sommer 2011 per E-Mail geeignete Labors in der Welt auf die Hypothese und ihre Veröffentlichung aufmerksam gemacht. Man darf noch hoffen, daß es irgendwo in der Welt ein Labor geben wird, in dem man es wagt, das Dutzend Probanden zu genotypisieren und das Ergebnis mitzuteilen. Wenn dieses Buch hier gedruckt sein wird, könnte das Ergebnis vorliegen. Gehen wir an..dieser Stelle der Einfachheit halber schon davon aus, das Ergebnis wäre negativ und die Hypothese abgelehnt.“ (Ebd., 2012, S. 235-236).

„Aber was für Möglichkeiten bleiben dann noch, den Hauptgenlocus der. Intelligenzunterschiede zu finden? Es gibt inzwischen schon bessere Methoden als die riesigen Assoziationsstudien. Die Genorte seltener IQ-Minderungen, die ohne äußere körperliche Zeichen einhergehen, sucht man gezielt, indem man in den Chromosomen naher Verwandter, welche die gleiche IQ-Minderung aufweisen, durch Hybridisierung die homologen Abschnitte sucht. In einem der homologen Abschnitte liegt dann das gesuchte Gen, das die 10-Minderung verursacht. »Autozygosity mapping and microarray RNA expression« und »Homozygosity array mapping« nennen sich diese aufwendigen Methoden. In hochintelligenten Familien sind sie aber noch nie angewendet worden, obwohl es derartige Familien tausendfach häufiger gibt als die sehr seltenen autosomalen Syndrome mit 10-Minderungen, die man mit großem Aufwand in entfernten Ländern sucht.“ (Ebd., 2012, S. 236).

„In einem Sachbuch, das für einen breiten Leserkreis bestimmt ist, kann man über komplizierte Sachverhalte nicht in perfekter Fachterminologie schreiben. Noch dazu soll dieses Buch Aussagen enthalten, die nicht für den nächsten Tag und das nächste Jahr Gültigkeit haben, sondern länger. Was ich dem eher an allgemeinen Aussagen interessierten Leser vermitteln will, ist, daß er die heute in den Massenmedien und auch im größten Teil der Fachzeitschriften vertretenen Ansichten nicht für bare Münze nehmen soll: Intelligenzunterschiede seien vorwiegend umweltverursacht, und wenn Gene Einfluß haben, dann sehr, sehr viele Gene mit jeweils nur geringen Wirkungen. Das ist die politisch korrekte Meinung, mit der Sie heutzutage nicht anecken können. Stellen Sie das insgeheim in Frage!“ (Ebd., 2012, S. 236).

„Zu einem vollen Verständnis bei der Genetik der Schizophrenie, der Dyslexie, der Aufmerksamkeitsstörungen (ADHD), von Alzheimer und einer großen Zahl neurodegenerativer Erkrankungen wird man nur gelangen können, wenn man die Intelligenzunterschiede, den IQ und seinen genetischen Hintergrund als eine wichtige Störvariable mit in die Untersuchungen einbezieht. Erst in den letzten Jahren ist die Micro-RNA als ein Regulationsfaktor der Genexpression entdeckt worden, und man ist auf die Rolle aufmerksam geworden, die Micro-RNA bei verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen spielt. Micro-RNA könnte also auch für die normale Variabilität eine wichtige Rolle spielen. Micro-RNA bindet an die 3’UTR- Regionen der Boten-RNA, und die Micro-RNA-Gene liegen in anderen Regionen, als in denen, die oben zu der C2orf16-Hypothese geführt haben. Doch gibt es über Micro-RNA-Gene und ihre Populationshäufigkeiten in den Datenbanken derzeit noch keine verläßlichen Angaben.“ (Ebd., 2012, S. 236).

„Eine Spur, die ich 30 Jahre lang verfolgt habe, ist die zwischen Autooxidantien und dem IQ, insbesondere zwischen dem Glutathion-Redox-Status und dem IQ. Immer wieder gab und gibt es Hinweise auf einen solchen Zusammenhang, aber ein durchschlagender Erfolg blieb bisher allen Forschern versagt, die sich damit befaßt haben. Bei mehreren Krankheiten, die mit starken IQ-Minderungen verbunden sind, ist bekannt, daß das verursachende Gen nicht nur in einer Kopie, sondern in zahlreichen Kopien vorliegen kann. Da diese Kopien unterschiedliche Genotypen aufweisen können, kommt es im Phänotyp zu einer Kombination von quantitativer und qualitativer Vererbung, da ein die Minderleistung verursachendes Gen in mehrfacher Ausfertigung vorkommen kann und der Grad der Minderleistung von der Zahl der verursachenden Genkopien abhängt. Da es sehr gut vorstellbar ist, daß diese Art der genetischen Variabilität auch in der Genetik des normalen IQ eine wichtige Rolle spielt, konzentrieren sich die Hoffnungen gegenwärtig auf die weitere Erforschung dieser »Copy number variations« (CPV), wozu auch größere Unregelmäßigkeiten des Codes gehören, die sich bisher eben gerade deshalb einer genauen Sequenzierung entzogen haben. Selbst die Gene Glutathionperoxidase 1 (GP) und das Gen GCLC, welches das den Glutathionstatus schrittbegrenzende Enzym Glutamatcysteinligase kodiert, weisen genetische Polymorphismen auf (repeat polymorphisms) in Regionen (3’UTR and 5'UTR), an die Micro-RNA bevorzugt binden kann. Wer aber nun hofft, daß derartige starke Hinweise dazu führen, daß sich Forscher darauf stürzen würden, mögliche Zusammenhänge aufzuklären oder als unbegründet zurückzuweisen, der wird enttäuscht werden. Sobald ein möglicher Zusammenhang mit der Genetik des normalen IQ zu ahnen ist, was ja letztlich immer auch auf Ergebnisse mit Rassenunterschieden - man spricht aber stets nur von Populationsunterschieden - hinausläuft, läßt man die Finger davon.“ (Ebd., 2012, S. 236-237).

„Die Wissenschaft ist frei. Noch steht es so in der Verfassung vieler Staaten. Es deutet sich aber an, daß durch Internationales Recht die Feststellung und Verwendung von wissenschaftlichen Einsichten über genetische Intelligenzunterschiede verboten werden wird: »Auf verfassungs- und völkerrechtlicher Ebene ist der allgemeine Gleichheitssatz gewährleistet: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Untrennbar mit dem Grundgedanken dieses allgemeinen Gleichheitssatzes verbunden sind die Verbote, Menschen aufgrund bestimmter Eigenschaften zu diskriminieren. Das gilt grundsätzlich auch für genetische Merkmale. Im Gegensatz zum Verfassungsrecht untersagen insbesondere die jüngeren Diskriminierungsverbote auf europäischer und völkerrechtlicher Ebene ausdrücklich die Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer genetischen Dispositionen.« (Jens Kersten, Das Klonenn von Menschen - eine verfassungs-, europa und völkerrechtliche Kritik, 2004, S. 535). Setzt sich das durch, dann wird jeder Psychogenetiker zum Kriminellen, so wie das schon einmal unter Stalin im Ostblock der Fall war. Und das laut Kersten (ebd., 2004) nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der Allgemeinen Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte der UNESCO sowie der Biomedizin-Konvention (Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde in Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin). Wenn heute noch jemand wegen sehr guter Leistungen das Stipendium einer Stiftung erhält, die Forschung aber feststellen würde, er besäße auch leistungsfördernde Gene, dann könnte man das als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und damit den Gleichheitssatz auslegen und sich letztlich gegen jede Auslese in den Schulen wenden. Wissenschaft und Vernunft würden damit - wie die gesamte Gesellschaft auch - dem herrschenden Gleichheitsgrundsatz unterworfen.“ (Ebd., 2012, S. 237).

„Seitdem ich an einem Novemberabend 1970 die Mendelschen Spaltungsverhältnisse in den Familien der Hochbegabten und ihrer Verwandten nachweisen konnte, mußte ich als Genetiker an die Existenz des verursachenden Gens glauben. An einen direkten Nachweis mit molekulargenetischen Methoden war damals jedoch nicht zu denken. Diese Möglichkeit reifte erst in den letzten 20 Jahren. Ich lebte damals in der DDR in einer Gesellschaft mit einer offiziell egalitären Ideologie. Ich war der Überzeugung, daß meine Forschungsergebnisse zum Abbau ideologischer Vorurteile und zum Entstehen einer vernünftigeren Welt beitragen würden. Bis etwa 1992 sah ich keinen Grund, an dieser Hoffnung zu zweifeln. Im Gegenteil, um diese Zeit verstärkte sich die Hoffnung noch durch die Aussicht, das Gen wirklich zu entdecken. Ich hoffte, diese Entdeckung würde auch politische Folgen haben und zu vernünftigen Entscheidungen beitragen. Die Entdeckung ist bisher ausgeblieben, die Hoffnung verflogen.“ (Ebd., 2012, S. 237).

„Sollte die Entdeckung in den allernächsten Jahren gelingen, dann käme sie zu spät. Denn Folgen für die Bildungs- und Familienpolitik, wenn sie überhaupt durchsetzbar wären, brauchten Jahrzehnte, ehe sie wirksam würden. In den allernächsten Jahrzehnten entscheidet sich aber bereits das energetische Schicksal der Industriegesellschaft. Ob man viel oder wenig über die Genetik der Intelligenzunterschiede weiß, das wird auf dieses Schicksal keinen nennenswerten Einfluß mehr ausüben. Überdies wird die demokratische Massengesellschaft inzwischen durch eine Ideologie beherrscht, die es gar nicht mehr zuläßt, die mögliche Tragweite einer derartigen Entdeckung zu erfassen. Sie wird ihre Bedeutung erst in der neuen unbekannten Welt nach der Industriegesellschaft erlangen -falls es dann noch oder wieder jemanden geben sollte, der mit den wissenschaftlichen Ergebnissen der Zeit, die für ihn die Vorzeit sein wird, etwas anfangen kann.“ (Ebd., 2012, S. 238).

„Sollte der M1/M2-Hauptgenlocus der Intelligenz entdeckt werden, könnte es danach nur wenige Jahre brauchen, bis auch andere kühne Träume und Vorstellungen möglich werden. An dem sozialen Gefüge dieser Welt würde sich aber dadurch erst einmal nichts ändern, nur könnte man es besser begreifen. Es gibt heute mächtige politische Interessen, die dieses Begreifen verhindern oder zumindest verzögern wollen, und die Forscher, die an so etwas denken, außerhalb jeder sittlichen Ordnung stellen möchten, auch schon den bloßen Gedanken daran. Deswegen erscheint es viel wahrscheinlicher, die möglichen Entdecker erkennen selbst gar nicht, was sie gefunden haben. Und wenn doch, dann werden sie Schwierigkeiten haben, eine Fachzeitschrift zu finden, die sich an eine Veröffentlichung heranwagt. Es wird bestenfalls darauf hinauslaufen, die Forschungsziele und Ergebnisse als Beiträge zur Genetik einer neuen Krankheit zu deklarieren. »Hypermemorabilität« schlug mir zum Beispiel als Bezeichnung ein Kollege vor, der ein großes privates Laboratorium für molekulargenetische Diagnostik betreibt, als er 2010 in einem mutigen Moment, nach dem Erscheinen des Sarrazin-Buches, die Stellung eines Genehmigungsantrags an eine deutsche Ethikkommission ernsthaft erwog. Aber es war ihm dann doch zu heikel, und er ließ die Finger davon. Denn hätten wir Erfolg gehabt und wäre der Zusammenhang der »Hypermemorabilität« mit einem hohen IQ durchschaut worden, dann wären - machen wir uns doch nichts vor! - dem guten Mann linksradikale Randale und die Forderung auf Schließung seines großen privaten Labors für molekulargenetische Diagnostik ins Haus gestanden, also die Existenzvernichtung. So sind die Realitäten.“ (Ebd., 2012, S. 238).

„Um 2004 war es mir in Deutschland noch problemlos möglich, einfach irgendein geeignetes privates Labor zu beauftragen und zu bezahlen, um den möglichen Zusammenhang eines genetischen Polymorphismus (SNP) mit dem Sozialstatus und damit dem IQ zu klären bzw. auszuschließen. Ende 2010 erzeugte ein solcher Auftrag solche Angst, daß die angesprochenen Labors schon gar nicht mehr wagten, den Eingang des Auftrags auch nur zu bestätigen. Die Sonne drehte sich bis Kolumbus um die Erde, solange keiner einen anderen Gedanken überhaupt fassen konnte; und es wird keine erblichen Intelligenzunterschiede geben, wenn keiner mehr den Gedanken wagen darf, es gebe welche.“ (Ebd., 2012, S. 238).

„In der Mehrheitsgesellschaft besteht heute eine klare Tendenz, jeder Abweichung vom IQ-Mittelwert eine Krankheitsbezeichnung zuzuschreiben. Dyslexie, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen und was noch nicht alles grassieren unter den Schulkindern und ernähren ein wachsendes Heer von Psychologen und Sozialarbeitern. Millionen leiden heute unter Dyskalkulie, sogar mit Dyslexie kombiniert. Früher waren das in der Grundschule die weniger belichteten, aber gesunden Mitschüler. Wenn dem so ist, dann muß auch Hochbegabung eine Krankheit sein! Auch die hat bei einigen Eltern Seuchencharakter angenommen. Die psychologischen Beratungsstellen werden von Eltern eingerannt, deren mäßig geratenene Sprößlinge nicht die erwÜnschten Zensuren nach Hause bringen. Schuld sind natürlich die Lehrer, die noch nicht fähig sind, die Krankheit Hochbegabung zu erkennen, die in diesen, keinesfalls seltenen Fällen als Teilbegabung larviert ist. (Sie sind Lehrer und kannten den Ausdruck »Iarviert« noch nicht? Dann wird es Zeit, daß sie ihn kennenlernen, wenn sie weiterhin Kinder pädagogisieren wollen.)“ (Ebd., 2012, S. 238-239).

„Nach 1990 war das Forschungsgebiet Molekulargenetik der Intelligenz durch Plomin und seine Mitarbeiter besetzt. Er und seine Gruppe gingen von dem Ansatz aus, es gebe Hunderte von Genen, die einen Einfluß auf den IQ hätten - was aus bestimmter Sicht ja auch richtig sein mag -, aber keinen einzigen Genort, der große Wirkungen zeigt. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Dominanz der Umweltwirkungen. Demzufolge wurde Plomin landauf und land ab von Personen und Personenkreisen hofiert und zu Vorträgen eingeladen, denen sehr daran gelegen ist, die biologische Gleichheit aller Menschen zu betonen und die Bedeutung erblicher unterschiede herunterzuspielen. Der Gruppe Plomin wurden viele Jahre Forschungsmittel dafür bewilligt, möglichst nichts von Bedeutung zu finden, so könnte ein Kommentar lauten. Die Erwartungen der Geldgeber sind bis heute erfüllt worden. Ich habe selbst erlebt, wie auf internationalem Parkett Anträge auf Forschungsmittel mit der Begründung abgelehnt wurden, Plomin mache das schon und werde bald Erfolg haben.“ (Ebd., 2012, S. 239).

„An Erkenntnissen über die Genetik des IQ wird diese Welt nicht genesen. Wenn solche Erkenntnisse einmal Bedeutung erlangen, dann in einer anderen Welt nach dem Großen Chaos, in dem neuen Zyklus, der auf den Untergang der Industriegesellschaft folgen wird.“ (Ebd., 2012, S. 239).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Die Unterschiede in der Kurzspeicherkapazität als eigentliche Basisgröße des IQ.

„Eine Theorie der Intelligenz muß keine strukturelle sein. Die Betonung kann auf einem Prozeß anstatt auf einer Struktur liegen. Mit anderen Worten: Man könnte herausfinden, was eine Person tut, wenn sie ihre Intelligenz anwendet und nicht bei der Überlegung stehenbleiben, auf welchen einzelnen Antrieben die Denkkraft beruht. Jean Piaget (1896-1980), der große schweizerische Psychologe, begann seine Laufbahn mit der Aufgabenstellung, die IQ-Tests des Engländers Cyril Burt für Pariser Kinder anzupassen. Piaget war bald weniger daran interessiert, wie gut die Kinder abschnitten, sondern mehr daran, welche Art von Fehlern sie machten. Die Fehler würden die ablaufenden Denkvorgänge bloßlegen, glaubte Piaget. Es waren diese Vorgänge, die ihn während seiner langen und glänzenden Karriere faszinierten und die ihn später zu seiner Theorie der geistigen Entwicklung gelangen ließen.“ (Ebd., 2012, S. 239).

„Im deutschen Sprachraum ist in den letzten Jahrzehnten eine Arbeitsrichtung entstanden, die sich Informationspsychologie nennt (und im englischen Sprachraum als »Erlanger Schule«, vgl. Hans Jürgen Eysenck, Die biologischen Grundlagen der Intelligenz und Persönlichkeit, 1985, bezeichnet wird) und auf deren Beweisgründe wir im folgenden ausführlicher eingehen werden. Diese Informationspsychologie verbindet den informationstheoretischen Ansatz nicht nur mit der Vorstellung einer Allgemeinen Denkkraft im Spearmanschen Sinne, sondern auch mit dem Ansatz der Entwicklungspsychologie von Piaget.“ (Ebd., 2012, S. 239-240).

„Weil es wichtig ist, betonen wir es noch einmal: Intelligenzmaße haben mit einer bestimmten Zuverlässigkeit einen statistischen Zusammenhang mit wichtigen sozialen Erscheinungen, doch haben sie nur einen begrenzten Aussagewert, wenn es um eine ganz bestimmte Person geht. Man muß die Leser immer wieder darauf aufmerksam machen, wie wenig der IQ darüber aussagt, ob die Menschen, um die es geht, von ihren Mitmenschen bewundert und geliebt werden. Der IQ ist im Leben zweifellos wichtig, aber er ist keinesfalls ein Ausdruck für den Grad menschlicher Vortrefflichkeit. Die gesamte Persönlichkeit ist mehr als ihre Intelligenz, ihr IQ.“ (Ebd., 2012, S. 240).

„Die zentrale Bedeutung des unmittelbaren Behaltens, das oft Gedächtnisspanne genannt wird, ahnen die Psychologen seit mehr als hundert Jahren. Spricht man einem Erwachsenen eine Reihe von einsilbigen Wörtern vor, also etwa »Pferd«, »Hund«, »Kuh«, »Schaf« u.s.w. - jedes Wort nur einmal und etwa im Abstand von einer Sekunde -, und fordert die Versuchsperson auf, die Wörter zu wiederholen, dann stellt sich heraus, daß sich ein Erwachsener im Durchschnitt in der Regel sieben Wörter merken kann, höchstens aber neun, bei einem niedrigen IQ hingegen nur fünf. Das Ergebnis läßt sich immer wieder bestätigen, zum Beispiel beim Nachsprechen von einfachen Zufallszahlen. Eine erfahrene Testperson kann allerdings durch das Merken von Zahlengruppen bessere Ergebnisse erreichen. Sehen wir aber von solchen Tricks ab und auch davon, daß eine einzelne Person ihren Spitzenwert nicht immer, sondern nur bei einem Prozentsatz der Tests erreicht, dann ist der Zusammenhang ein beständiger.“ (Ebd., 2012, S. 240).

„Diese Gedächtnisspanne ist bei kleinen Kindern klein, sie umfaßt nur zwei oder drei Wörter und wächst dann bei intelligenten Kindern etwa alle zwei Jahre um ein Wort an. Es war der Psychologe Piaget, der die Bedeutung der Gedächtnisspanne erkannte und die Theorie aufstellte, das Ausreifen des Denkens bei Kindern hänge mit dem Wachsen der Gedächtnisspanne ursächlich zusammen. So groß wie die Gedächtnisspanne ist, so viele Elemente kann ein Kind gleichzeitig miteinander vergleichen oder in irgendeine logische Beziehung zueinander setzen. Je größer die Gedächtnisspanne ist, desto kompliziertere Denkvorgänge werden möglich. Und was für Kinder gilt, gilt auch für Erwachsene. Hochintelligente Kinder haben schon bei Beginn der Schule eine Gedächtnisspanne von fünf; eine Menge also, die weniger intelligente Menschen auch als Erwachsene nicht übertreffen. Die Denkmöglichkeiten lassen sich aber nicht nur durch Tricks, sondern auch durch systematisches Lernen und Üben über die einfache Gedächtnisspanne hinaus erweitern. Wiederholt man die einsilbigen Wörter »Pferd«, »Kuh«, »Schaf« u.s.w., dann kann sich die Testperson rasch einen Bauernhof vorstellen, in den sich die Tiere einordnen und mit dieser bildlichen Vorstellung lassen sich dann die Einzelelemente lückenlos wieder abrufen und die Spanne scheinbar erweitern. Auf der Bildung solcher durch Übung verbundenen Zusammenhänge, die sich dann im Gedächtnis nkht mehr wie verschiedene Elemente, sondern nur als ein einziges darstellen, beruhen offensichtlich alle höheren Denkvorgänge. Der Mathematiker ist, wie jeder andere Berufsausübende mit hohem theoretischem Gehalt, in der Lage, hochkomplizierte Denkoperationen zu vollziehen und zu verstehen, weil für ihn mehrere einfachere Elemente so zu einer neuen Einheit verschmolzen sind, daß er sie als logische Ketten so handhaben kann, wie ein Kind einsilbige Wörter. Auch der Autofahrer oder der Jäger hat für überraschende Situationen aufgrund seiner Erfahrungen schon eine Reaktion automatisiert, die sein Denken nicht voll besetzt, sondern noch Entscheidungsraum läßt. Jeder hat einmal Autofahren gelernt und kennt die Situation, wo diese Automatisierung noch nicht eingetreten ist und jeder Schritt bewußt nachvollzogen werden muß - mit der sich ergebenden Gefahr der chaosreaktion in einer plötzlichen Gefahrensituation. Dem Soldaten ergeht es beim ersten Kampfeinsatz nicht viel besser. Mit einem Wort: Der Zusammenhang von Gedächtnisspanne und Effektivität der Denkvorgänge ist von grundlegender Bedeutung.“ (Ebd., 2012, S. 240-241).

„Bei der Entwicklung der Nachrichtentechnik stellte sich heraus, daß eine Größe, die Kanalkapazität, von entscheidender Bedeutung ist. Bei der Nachrichtentechnik, aber auch vom Computer her, ist uns das Bit als das Maß für den Informationsgehalt bekannt. Eine einfache Alternative zwischen zwei Möglichkeiten, a oder b, hat nach der Definition den Informationsgehalt von 1 Bit. In den 1950er Jahren machte man dann von der gedanklichen Möglichkeit Gebrauch, von einer Analogie zwischen menschlicher und technischer Nachrichtenverarbeitung auszugehen. Der Physiker Helmar Frank (der dazu 1962 sein erstes Buch vorlegte) hatte in den 1950er Jahren die Aufgabe, über das Problem nachzudenken, wieviel Information ein Mensch bei einer komplexen Kunstdarbietung, etwa bei einem Bühnenbild, überhaupt aufnehmen und gedanklich verarbeiten kann und wieviel einfach vorbeirauscht. Frank hatte dabei den Einfall, die Durchlaßfähigkeit unseres Verstandes, aber auch seine Lernfähigkeit, als eine Art Kanalkapazität zu begreifen, und er definierte die Speicherkapazität C des Kurzzeitgedächtnisses (gemessen in Bit) als das Produkt aus der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit S (in Bit pro Sekunde) und der Gedächtnisspanne D (in Sekunden), also:
C (Bit) = S (Bit/Sek) x D (Sek)
Zur Veranschaulichung der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit genügt ein einfacher Selbstversuch:
»Wie setzt man die Reihenfolge fort?
3 4 6 9 13 18 24 ...
Was geht in einem vor? Erst muß man die Zahlen erfassen. Wegen der begrenzten Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit nimmt dieser Vorgang Zeit in der Größenordnung von Hundertselsekunden in Anspruch. Dann sind zwei benachbarte Zahlen im Kopf zu behalten, und es ist die Differenz zwischen ihnen festzustellen. Anschließend muß man die nächste Zahl wahrnehmen, die Differenz zur vorigen bilden und mit der vorher ermittelten Differenz vergleichen. Alle diese Vorgänge kosten Zeit. Umgangssprachlich ausgedrückt hat der Wenig-Intelligente »eine lange Leitung«. Der Zeitverbrauch addiert sich rasch zu Sekunden. Falls diese Vorgänge schließlich die zeitliche Grenze der Gedächtnisspanne, die allgemein bei etwa 5 Sekunden liegt, überschreiten, verfügt man nicht mehr bewußt über alle Zahlen. Ein Teil ist entfallen. Man muß von vorn anfangen. Wird die Kapazität des Kurzspeichers überschritten, können die einzelnen Elemente nicht richtig aufgenommen bzw. festgehalten werden. Die Kapazität des Kurzspeichers ist also ein Maß der Geistesgegenwart. Ausgeprägte Allgemeine Denkkraft setzt somit hohe Geistesgegenwart voraus.“ (Ebd., 2012, S. 241).

3 Phänotypen des Hauptgens der Intelligenz
Diese Abbildung stammt nicht von Weiss, sondern von mir; HB.

„In der Formel der Kurzspeicherkapazität C des Arbeitsgedächtnisses finden wir deshalb die Gedächtnisspanne D wieder - deren grundlegende Bedeutung uns wohlbekannt ist und für deren Testen es verschiedene Varianten gibt (Wiedergabe der Zahlenfolgen vorwärts oder rückwärts oder aus einer fortlaufenden Zahlreihe heraus) - und die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit S des Gehirns. Während der IQ eine Größe ist, die auf den Mittelwert einer bestimmten Bevölkerung bezogen ist, ist C eine absolute physikalische Größe und damit dem IQ als Maß eigentlich weit überlegen. Die IQ-Definition ist aber rund ein halbes Jahrhundert älter und bei Vergleichen innerhalb von Bevölkerungen anschaulich und bewährt; C hingegen ermöglicht Berechnungen des Energieverbrauchs beim Denken und auch die Vorhersage, daß auf der absoluten Skala der Kanalkapazität des Kurzzeitgedächtnisses ganzzahlige Relationen zwischen den Genotypen bestehen sollten. Die Druckerschwärze für diese Prognose war 1982 noch nicht richtig trocken, da konnte sie von Frank und Lehrl auch schon bestätigt werden. Nach Frank und Lehrl beträgt der Mittelwert für M1M1 140 Bit, für M2M2 70 Bit, d.h. der Beitrag eines einzelnen Allels M1 ist 70 Bit, eines M2 35 Bit. (Die Heterozygoten M1M2 haben folglich einen Kurzzeitspeicher von 70 Bit + 35 Bit = 105 Bit.)“ (Ebd., 2012, S. 241-242).

„Dabei läßt sich die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit S zum Beispiel als Lesegeschwindigkeit oder als Wahlreaktionszeit einfacher Handlungsalternativen meßbar machen. Lehrl und Mitarbeiter gaben einen Kurztest der Allgemeinen Intelligenz (KAI) heraus, bei dem die Lesegeschwindigkeit auf einfache Weise gemessen wird, indem die Testpersonen aufgefordert werden, einfache Zufallsfolgen von Buchstaben, zum Beispiel »u n r z t r f e« ... mit größtmöglicher Geschwindigkeit zu lesen. Die Lesegeschwindigkeit - also das, was bereits Peters (1915) mit allgemeiner Auffassungsgeschwindigkeit erfaßt hat -, ist in unseren Kulturen von einer so grundlegenden Bedeutung, daß die Zusammenhänge mit praktischen Anforderungen in Schule und Arbeitswelt für jedermann offenkundig sind. Es ist eines der bemerkenswerten Ergebnisse der Informationspsychologie, wie sich diese von Frank angeregte Denkschule nennt, daß festgestellt werden konnte: Die Beziehung der Kurzspeicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses zum IQ besteht unabhängig von der Art der Sinnesorganes, d. h. unabhängig davon, ob die Information mit Augen oder Ohren aufgenommen wird. Auch bei Blinden, die die Blindenschrift mit ihrem Tastsinn lesen, lassen sich die Zusammenhänge zum IQ auf diese Weise messen. Der hochintelligente Blinde liest, d. h. tastet und verarbeitet die Information doppelt oder dreimal so schnell wie ein wenig intelligenter Blinder. Der Test für die andere Basisgröße, die Gedächtnisspanne, ist im Kurztest für Allgemeine Intelligenz (KAI) das Verfahren, was uns seit fast 100 Jahren als Teiltest aus vielen IQ- Tests bekannt ist.“ (Ebd., 2012, S. 242).

„Auf diese theoretisch und empirisch sehr gut begründete Ausweitung folgten dann eine ganze Serie von Arbeiten, in denen Beziehungen der Kurzspeicherkapazität vor allem zur Energie-Spektraldichte des EEG bei evozierten Potentialen und zum Energiestoffwechsel des Gehirns gezeigt werden konnten. Sie folgen den Gesetzen der Statistischen Mechanik und sind deshalb unter Fachleuten, welche die für das Verständnis notwendige fachübergreifende Bildung haben, als »Quantenmechanik der Intelligenz« bekannt. Diese Arbeiten dürften einmal für die Konstruktion einer neuen Computergeneration Bedeutung erlangen.“ (Ebd., 2012, S. 242).

„Wenn man das und den folgenden Abschnitt verstehen will, so muß man über ein sehr spezielles fachwissen verfugen. Wer möchte, kann deshalb diesen Abschnitt auch überschlagen und auf S. 247 weiterlesen. Um etwas Spannung in die Sache zu bringen, werde ich jetzt auf sehr persönliche Weise den Weg schildern, durch den eine ganze Kette von Zusammenhängen entdeckt worden ist.

Gene kann man auch als Steueranweisungen für Energiequanten verstehen, die im Stoffwechsel wirksam werden. Es war deshalb schon ein Ereignis, als Frank und Lehrl 1982 meine Hypothese bestätigten, daß sich zwischen den Mittelwerten der lntelligenzleistungstypen ganzzahlige Beziehungen zeigen, wenn man die kognitive Leistungsfähigkeit nicht mit dem lQ mißt, sondern mit einem physikalischen Maß der geistigen Energie, so wie sie die Franksche Formel der Kurzspeicherkapazität darstellt.“ (Ebd., 2012, S. 242-243).

„ln dieser Formel der Kurzspeicherkapazität ist die Gedächtnisspanne ein unentbehrlicher Bestandteil. 1983 begann ich zu fragen: Was ist diese Gedächtnisspanne eigentlich? Warum ist sie begrenzt? Wer so fragt, wird auf das schon erwähnte Werk des Entwicklungspsychologen Jean Piaget stoßen, der 1958 in seinem Buch »Das Wachsen des logischen Denkens von der Kindheit bis zur Pubertät« das Wachsen der Gedächtnisspanne als Grundtage der geistigen Reifung der Kinder begriff. Plagets Schüler, die Neo-Piagetlaner, haben versucht, die Theorie ihres Meisters durch Experimente zu bestätigen und auszubauen. Zu diesen Schülern gehörte als Doktorand auch Juan Pascual-Leone. Er deutete die Gedächtnisspanne im physikalischen Sinne als Energiequanten und konnte bei Experimenten mit Kindern nachweisen, daß die Ergebnisse sich durch die Bose-Einstein-Statistik beschreiben lassen. Mit dieser Statistik war ich erneut bei der Physik angelangt.“ (Ebd., 2012, S. 243).„Nun fehlte mir aber 1984 die weiterführende Bildung, mit der ich diese Statistik hätte verstehen können. Ein weiterer Zusammenhang, der um diese Zeit meine besondere Aufmerksamkeit fand, war der zwischen lntelligenztestergebnissen und Geschwindigkeitsabläufen in den Wellen des Elektroenzephalogramms, des EEGs also. Die Zusammenhänge waren keinesfalls so eindeutig, wie man sich das gewünscht hätte, aber doch von einer ganzen Reihe Forscher gefunden und bestätigt worden. Das EEG besteht aus Wellen, und Wellen und Quanten sind Grundbegrijfe der Physik. lch begann, mich mit Wellenlehre und Quantentheorie zu befassen. Zwei Jahre lang wurde ich Stammleser in der Bibliothek des lnstituts für Physik der Universität Leipzig, wo ich die Bücher auch ausleihen konnte. lch hatte Probleme, über die aktuellen Lehrbücher zu einem Verständnis zu gelangen. Mit einem historischen Herangehen kam ich dann weiter. lch las in der Universitätsbibliothek die Arbeiten der Gelehrten, die als erste nach dem Warum von Wellen, Resonanzen und Quanten gefragt und.Antworten gefunden hatten. Sie mußten nämlich damals ihren Zeitgenossen - nichtsahnend wle lch - genau das ausführllch erklären, was heute bel einem Physlkstudenten rasch als bekannt vorausgesetzt wird. So las ich in den Originalen von Planck, Einstein, Maxwell, Fourier, Bernoulli und anderen, auch Grundlegendes über Nachrichtentheorie und notwendige Spezialgebiete der Mathematik. Vor allem aber die didaktisch geschickten Bücher von Feynman haben mir sehr geholfen.“ (Ebd., 2012, S. 243).

Gezielt habe ich nach einem Maß gesucht, einer Formel, mit der sich die Bose-Einstein-Statistik Ergebnisse von Pascual-Leone in Bit ausdrücken ließen. lch vermutete, daß dieser Wert dann mit den Ergebnissen von Lehrl vergleichbar sein müSse. Am Abend des zweiten Weihnachtsfeiertags 1985 war es soweit: lch hatte die Formel und berechnete die Äquivalenz der Ergebnisse von Pascual-Leone und Lehrl. Um diese Zeit kannte ich auch die Ergebnisse von W. T. Liberson (1904-1994), der seit 1936 die Meinung vertrat, daß die EEG-Wellen das Vielfache einer Grundfrequenz um 3,3 Hz seien. Als ich das las, fragte ich, wie viele Vielfache denn Liberson annimmt? Und siehe da: neun! Das aber ist doch das Maximum der Gedächtnisspanne! (Ebd., S. 243).

Zum Thema IQ

„Ich schrieb nun die mir bekannten Zusammenhänge auf ein einfaches Blatt Papier .... ln Wahrheit standen auf meinem Papier nur vier Spalten nebeneinander, nämlich die empirischen Daten von Liberson (1985) und Lehrl et al. (natürlich aus einer Auflage des Tests vor 1991), also die Spalten a, b, d und f (siehe Tabelle **). Am seIben Abend im Februar 1986 fuhr ich nach Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz), nahm den Zettel mit, zeigte ihn meinem Vater und diskutierte mit ihm die merkwürdige Parallelität der Spalten b (bei Liberson) und d (bei Lehrl et al.). Was verbarg sich dahinter? (Ebd., S. 243- 244).

Den nächsten Tag brach ich sehr früh auf, schnallte im Erzgebirge meine Langlauf-Skier an und war den ganzen Tag unterwegs. Am Abend stieg ich, körperlich völlig erschöpft, in Hartenstein in den Eisenbahnzug nach Leipzig. Es war schön warm, der Zug ratterte, und ich war am Einschlafen. lch erinnerte mich noch irgendwie an die Diskussion am Vorabend, und blitzartig stand die Lösung vor meinen Augen. Wenn die Gedächtnisspanne die Quntenzahl war, dann mußte man nach der Planckschen Formel diese Zahl mit der Frequenz einfach multiplizieren und kam dann auf die Energiedichte! lch zog den Zettel aus der Tasche und sah, daß die Rechnung aufging und die Produkte c und e ähnlich f waren. Man mußte ja bei Liberson und Lehrl et al. mit einigen Meßfehlern rechnen. Die Gedächtnisspanne ist somit das Wirkungsquantum des Gedächtnisses, des Denkens und der lntelligenz! Da nach dem Landauer-Prinzip für die Messung von 1 Bit die Energiemenge kT ln2 erforderlich ist, ist die physikalische Maßeinheit für die Spalten c, e,f und g identisch.“ (Ebd., 2012, S. 244-245).

Die ersten beiden Versionen meiner ,»Quantenmechanik der lntelligenz« wurden von Helmar Frank (von Hause aus Physiker) und Hans Jürgen Eysenck gedruckt. Eysenck schickte ich mein Manuskript auf Durchschlagpapier direkt zu, aber über mehrere Tage auf mehrere Briefe verteilt, wobei kein Brief das Gewicht eines emfachen Briefes von 20 g überschrltten hat. Damit unterlief ich die Postkontrolle. Für die Weitersendung des Begleitschreibens und des Titelblatts sorgte damals Siegfried Lehrl aus Erlangen. Auslandsveröffentlichungen waren mlr streng untersagt. Aber ich hielt die Sache furwichtig genug, mich über das Verbot hinwegzusetzen. Eysenck hatte ein Gespür dafür, daß ihm eine nicht alltägliche Arbeit auf den Tisch gekommen war. Er kannte die Verhältnisse im Ostblock hinter der Mauer; und bei ihm konnte ich mir sicher sein, daß er nicht durch Rückfragen oder gar durch die Zusendung der Korrekturen an meine Prlvatadresse die Aufmerksamkeit der Staatssicherheit auf mich ziehen würde. Eysenck versah meinen Beitrag mit einem Einführungstext, in dem er mitteilte, einer derpositiven Gutachter sei ein Nobelpreisträger fur Physlk gewesen.“ (Ebd., 2012, S. 245).

ln den Folgejahren bis 1995 brachte ich noch einige Ergänzungen diese»Quauantenmechanik der lntelligenz« in einschlägigen Fachzeitschriften unter; aber der Widerhall in der Fachwelt blieb geing. Daß diese erste Veröffentlichungsserie noch einen schwerwiegenden Denkfehler enthielt, war dafür nicht der Hauptgrund. lch war der Auffassung, daß den Vielfachen der EEG-Frequenzen eine Naturkonstante zugrundeliegen müsse. Was lag näher als die Kreiszahl Pi (3,14...), die auch bei jeder Welle eine Rolle spielt? Die Meßfehler, mlt denen die Zahlen von Liberson und Lehrl et al. nun einmal behaftet sind, ließen und lassen eine exakte Bestimmung der Konstanten allein aus empirischen Daten nicht zu. Die Bestimmung muß ebenso durch theoretische Elnsicht vorangebracht werden.“ (Ebd., 2012, S. 245).

Ab 1990 hatte ich beruflich andere Aufgaben, die oft den ganzen Mann forderten. Das Bewußtsein blieb, mit der »Quantenmechanik der lntelllgenz« ein Tor aufgestoßen zu haben, ohne inhaltlich weiterzukommen. lnzwischen hatte unser Sohn Harald Elektrotechnik studiert, arbeitete in der angewandten Forschung und Entwicklung bei einer Weltfirma und besaß das mathematisch-physikalische Rüstzeug über Wellen, Kodierungstheorie und lnformationsverarbeitung, das mir 1983 völlig gefehlt hatte. Er war zu der Auffassung gelangt, sein Vater sei kein Spinner. Und beide waren wir der Hoffnung: Wenn es gelänge, zu einem tieferen Verständnis des Warum zu gelangen, müßte der Schlüssel zum Kodierungsprinzip des Gehirns zu finden sein.“ (Ebd., 2012, S. 245).

lch erinnere mlch an viele Gespräche mit Harald: Es ist doch erstaunllch, wie eine Fliege mlt ihrem winzigen Gehirn sich blitzschnell orientieren und reagieren kann, sagte er, wie ein Fuchs sich zurechtfindet, wie in unserem Gehirn bei zehntausenden Begriffen und Bildern eine richtige Erlnnerung im Millisekundenbereich anklingt! Es muß eine fundamentale Gemeinsamkeit aller Gehlrne geben, die diese blitzschnelle Arbeitsweise erlaubt, die an Effektivität allen unseren Computern derzeit noch weit, welt überlegen ist.“ (Ebd., 2012, S. 245).

Ende 2001 machte ich Harald auf die Bücher von Peter Plichta aufmerksam. Ein deutscher Chemiker, der für viele nicht mehr als ein Verrückter ist, weil er zu völlig unkonventionellen Annahmen und Theorien über die Zahlen und das Wesen von Zeit, Raum und Energie gelangt ist. Ein ererbtes Vermögen hat es ihm gestattet, sich in seinem Leben über die üblichen Spielregeln des wissenschaftlichen Veröffentlichens hinwegzusetzen und seine Kritiker zu verhöhnen. Nur sehr wenigen dürfte deshalb aufgefallen sein, daß zum Beispiel der Südafrikaner Prof Jan C. A. Boeyens Plichtas ldeen aufgegriffen und in der Theoretischen Chemie zu einem seriösen Gedankengebäude weiterentwickelt hat. Für Harald und mich wurde Plichta zum Eisbrecher.“ (Ebd., 2012, S. 245).

Es begann eine zweijährige Suche nach dem Kodierungsprinzip des Gehirns. Was wir nicht alles lasen und heranzogen! lnzwischen war die Zeit des lnternets angebrochen, das uns rasch Zugänge, Kontakte und Möglichkeiten eröffnete, an die früher nie zu denken war.“ (Ebd., 2012, S. 246).

Wenn ich aufgeben wollte, hatte Harald eine ldee; wenn Harald meinte, wir seien auf dem Holzweg, glaubte ich, wieder eine Fährte gefunden zu haben, die weiterführte. Wir sahen uns manchmal nur im Abstand mehrerer Wochen, telefonierten dazwischen, tauschten Links, E-Mails und Kopien aus. Wir kamen manchmal monatelang nicht richtig voran, verrannten uns in Sackgassen, mußten aus dem Schutt, mit dem auch Verrückte und Phantasten das lnternet füllen, den rationalen Kern herausschälen.“ (Ebd., 2012, S. 246).

So genau weiß ich nicht mehr, wodurch uns dann im Herbst 2002 der Durchbruch gelang. Harald pochte auf Primzahlkodierung und hatte voll begriffen: Bei jeder komplexen lnformationsverarbeitung tritt das Pascalsche Dreieck in Aktion, damit aber auch die Fibonaccis. Es gab ein paar Bücher, die sich für die Fortschritte unseres Denkens als besonders wichtig erwiesen .... Tief beeindruckt war ich, als ich einen Faksimilie-Druck des Formel-Notizbuches von Srinivasa Ramanuyan (1887-1920) durchblätterte, in der sich eine Welt jenseits jeden alltäglichen Verständnisses ahnen ließ.“ (Ebd., 2012, S. 246).

Dann las ich irgendwo im lnternet: Der Resonanzpunkt, der den Eigenwerten und Nulldurchgängen eines Wellenpakets (Wavelets) entspricht, stimmt nicht mit der Grundfrequenz (also der ersten Harmonischen) überein, sondern mit der halben Grundfrequenz. Wenn wir die Grundfrequenz mit 3,236 Hz annehmen (was mit den empirischen Daten vereinbar ist), dann ist die halbe Frequenz 1,618 Hz. und das ist der Goldene Schnitt F!“ (Ebd., 2012, S. 246).

Damit hatten wir ein Tor in eine Welt der Mathematik aufgestoßen, die so wundersam und letztlich doch einfach ist, daß nur sie die Grundlage der lnformationsverarbeitung aller Gehirne sein kann. Durch Hinweise fanden wir auch zwei Herausgeber, in Argentinien und England, die zwei Versionen unseres Textes in Druck gehen ließert.“ (Ebd., 2012, S. 246).

Den Leser, der in diesem gesamten Abschnitt nichts verstanden hat, möchte ich trösten. Wenn es für einen unter 1000 Lesern eine Anregung gewesen ist, der Sache vielleicht gerlauer nachzugehen, dann haben diese Zeilen ihren Zweck erfüllt. Als die beiden Veröffentlichungen 2003 erschienen waren, sagte ich zu Harald, er dürfe sein ganzes Leben nicht darauf hoffen, jemals für diese Veröffentlichung eine Anerkennung zu bekommen, schon gar keine materielle. lch rechnete mit einem Zeitraum von rund 50 Jahren, ehe die Arbeit verstanden und zu technischen Anwendungen führen wird. Desto erfreulicher, daß es bereits acht Jahre nach Erscheinen der Veröffentlichung erste auf empirische Daten gestützte Veröffentlichungen Dritter gab, die meinen, daß Weiss und Weiss (2003) die einzige plausible Deutung der Gehirnwellen enthält. lch möchte hier auf Zitate und bibliographische Angaben verzichten, da ja die gesamte Thematik den Rahmen dieses Buches sprengt. Heutzutage weist jede einschlägige Suchmaschine die Zitierungen aus.“ (Ebd., 2012, S. 246).

Warum die 50 Jahre Wartezeit? lch hatte nicht umsonst geschrieben, man könne die Bedeutung von ldeen und Entdeckungen an den Zeiträumen messen, die sie zu ihrer Anerkennung oder Bestätigung brauchen. Es gibt auf dieser Welt Physiker, Mathematiker, Neurophysiologen, Genetiker, lnformationstechniker und manches mehr. Aber jemand, der gleichzeitig auf mehreren Forschungsfronten in den genannten Disziplinen Spitzenleistungen versteht und miteinander in Beziehung setzen kann, das gibt es in einer Person nicht. Jeder Spitzenkönner auf zwei oder drei benachbarten Gebieten muß in mindestens zwei weiteren Gebieten zwei oder mehrere Jahre zusätzliches selbständiges Lernen investieren, wenn er unsere Arbeit wirklich verstehen oder gar in Patente umsetzen und weiterentwickeln will Welcher Professor hat dafür Zeit und Motivation? Keiner. Auch sehr gute Leute und wir selbst als Verfasser haben nur eine ferne Ahnung, was wir für ein Tor aufgestoßen haben. Harald allein hätte es nicht geschafft, ich auch nicht; so kam es zu einem sehr seltenen Zusammenwirken von Vater und Sohn. Heute werden in der Forschungspraxis hochkomplexe Probleme von multidisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppen angegangen. Es ist deshalb kein Wunder, daß die ersten bestätigenden Veröffentlichungen für unsere Theorie aus solchen multidisziplinären Gruppen kamen.“ (Ebd., 2012, S. 246-247).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Die Bedeutung der drei Leistungstypen für Schule und Gesellschaft.

„Wenn es sich bei der Existenz der drei Begabungsstufen um eine Art naturwissenschaftliche Tatsache handeln sollte, dann dürfte es dazu führen, auf konservativer Seite das als Rechtfertigung für dreigliedrige Schulsysteme aufzufassen. Von der Gegenseite wird dann betont werden, teils als Reaktion auf derartige Meinungen, teils als allgemeines Abblocken, teils aus völliger Unkenntnis heraus: Vererbung und Anlagen hätten für Schule und Bildungspolitik überhaupt keine Bedeutung und nur die soziale Umwelt sei entscheidend. Tatsächlich haben IQ-Differenzen von 10 Punkten, wie sie durch Meßfehler, ungünstige Verhältnisse in der Umwelt oder eine Krankheit leicht entstehen können, keine praktische Bedeutung und können vielen möglichen Einflüssen zugeschrieben werden. Aber für IQ-Differenzen von 40 Punkten, wie zwischen dem Genotyp M1M1 der Intellektuellen Elite und dem Genotyp M2M2 der breiten Arbeiterschaft, dafür lassen sich soziale Ursachen allein nicht verantwortlich machen.“ (Ebd., 2012, S. 247).

„Man könnte ein dreigliedriges Schulsystem vielleicht ohne Vorbehalt verteidigen, wenn unsere Gesellschaft eine Art indische Kastengesellschaft wäre. Aber gerade auch die indische Kastengesellschaft, die versucht hat, den Sozialstatus mit der Geburt zu verteilen, ist an zweierlei Dynamik gescheitert: an der Vererbung selbst und an der modemen Wirtschaft. An der Vererbung selbst, weil die größte Zahl von Hochbegabten nicht aus Ehen von Hochbegabten untereinander stammt, sondern aus Ehen des Mittelstandes, trotz der gegenwärtig ablaufenden Herausbildung einer Intellektuellen Elite. Man berechne einmal die Heiratskombinationen, zum Beispiel M1M1 x M1M1 und ihre Häufigkeiten in der Bevölkerung, in diesem Falle 0,05 x 0,05; sie ergeben nur 0,0025 M1M1-Kinder. Aber M1M2 x M1M2 ist 0,27 x 0,27 = 0,0595. 0,0595 geteilt durch 4, das ist die Häufigkeit der hochbegabten M1M1-Kinder aus diesen Ehen. Da es kaum je M1M1 x M2M2 Ehen gibt, stammen die meisten Hochbegabten aus Verbindungen, in denen entweder Vater oder Mutter M1M1 ist, der Partner M1M2, oder beide M1M2; abgesehen davon, daß sich Sozialstatus und IQ in der Wirklichkeit nur mehr oder weniger entsprechen, je nach dem Maßstab, den man an den Status anlegt. Die jede Vererbung in Abrede stellen wollen, meinen, daß Vererbung einestatische Wirkung hätte, wodurch die sozialen Unterschiede und die Gesellschaft verfestigt würden. Im Gegenteil: Die Spaltung der Anlagen gewährleistet in jeder Generation die Mobilität der folgenden Generation! Weil eben Macht, Besitz, eigener IQ und der IQ des Ehepartners nur teilweise zusammenpassen.“ (Ebd., 2012, S. 247-248).

„Wenn die Anforderungen der Wirtschaft an Schulbildung und Ausbildungsdauer immer gleich geblieben wären, hätte sich das Streben auch der mittleren Leistungsstufe M1M2 nach Gymnasialbildung und Hochschulstudium abblocken lassen. Wenn aber eine Wirtschaft nicht nur Bedarf an höherqualifizierter Arbeit hat und wenn die Gesellschaft eine längere Ausbildung für eine größere Zahl bezahlen kann, dann gibt es in einer freien Gesellschaft keine Mittel und keinen vernünftigen durchsetzbaren Grund mehr, den Umbruch aufzuhalten.“ (Ebd., 2012, S. 248).

„Für den sozialen Aufstieg spielen seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestimmte Aufstiegsfachrichtungen der Agrar-, Ernährungs- und Ingenieurwissenschaften sowie Lehramtsstudiengänge eine ähnliche Rolle wie die Plattformberufe der Geschulten im 19. Jahrhundert.“ (Ebd., 2012, S. 248).

„Die Argumente für und wider die Gesamtschule, die das soziale Verständnis fördern soll, und für und wider das dreigliedrige Schulsystem haben wir schon weiter vorn dargestellt. Wenn eine Gesamtschule tatsächlich verschiedene Bildungswege unter einem Dach anbietet, dann ist es nicht Aufgabe eines Genetikers in seiner Rolle als Wissenschaftler, sich zugunsten einer bestimmten Schulform zu äußern. Aber als Staatsbürger kann er sich sehr wohl dazu äußern. Der Blick aus dem deutschen Sprachraum nach den USA, England, Finnland, Frankreich oder Japan zeigt, daß ein bestimmter Leistungsstand mit verschieden aufgebauten Bildungssystemen erreichbar ist.“ (Ebd., 2012, S. 248).

„Das eigentliche Problem ist aber ein anderes: Wenn die Gymnasialstufe zum Beispiel (ab 5. Klasse) 10% der Leistungsstärksten eines jeden Jahrgangs erfaßt und die Auswahl nach der Leistung der Schüler und kaum nach dem Geldbeutel und Willen der Eltern erfolgt, dann dürften in diesen Klassen tatsächlich in Landkreisen etwa 4% Hochbegabte (M1M1) und 6% M1M2 vertreten sein. In Großstädten, Universitätsstädten und Ballungsrandgebieten können es vielleicht sogar 8% M1M1 sein. Auf jeden Fall dürfte das Lernklima in diesen Klassen sehr gut sem. Und vermutllich ist eine vollständige Trennung der drei Leistungsstufen in unterschiedliche Bildungswege gar nicht das beste, weil sowohl Schüler als auch Lehrer dann sehr stark die Leistungsmaßstäbe verlieren, die nun einmal den Vergleich mit Mitschülern voraussetzen. Erfaßt aber eine Gymnasialklasse oder eine Mathematik-Klasse einer Gesamtschule 50% eines Jahrgangs, dann ist das ohne Niveausenkung kaum vorstellbar. Die Hochbegabten sind in diesen Klassen eine Minderheit. Und leicht kann die Mehrheit auf Meinungen pochen, die wirklicher Hochleistung abträglich sind. Beschränkt sich die Mathematik-Leistungsklasse (oder der Leistungskurs) einer die gesamte Stadt erfassenden Gesamtschule auf die 5% Leistungsstärksten, dann dürfte diese Klasse ein höheres Niveau haben als eine Gymnasialklasse, die 30% der Schüler ohne Aufnahmeprüfungen erfaßt. Bei der Studienbewerbung kommt es dann wieder zu einer Entmischung. Hochbegabte drängen in Fächer mit sehr guten Verdienst- und Berufschancen (wie Medizin und Pharmazie) oder in Fächer mit hohen Anforderungen (wie Physik). Sozialwissenschaftliche Fächer hingegen werden von einer so großen Zahl mittelmäßiger Bewerber überlaufen, daß der Hochbegabte den Eindruck bekommen kann, sollte er sich in so ein Fach verirrt haben, er sei fehl am Platze. Die Folge ist ein erschreckendes niedriges mittleres Niveau in bestimmten akademischen Fächern und ein immer weiter um sich greifendes nicht-akademisches, oft politisch weit linksgerichtetes geistiges Klima in den betroffenen Fakultäten. Häufiges Überschreiten der Regelstudienzeit und viele vorzeitige Abgänge ohne Abschluß sind dann abgeleitete Probleme; mangelhafte personelle Ausstattung auch von Fächern, die noch vorwiegend den Hochbegabten vorbehalten sind, eine Folge der allgemeinen Überforderung der Hochschulen, verbunden mit immer schlechter werdenden Wohn- und Arbeitsbedingungen für Hochschullehrer und Studenten. Die Überfüllung der Hörsäle, Seminarräume und Bibliotheken, all das sind Zeichen einer Entwicklung, die seit langem in vollem Gange ist und die durch die allgemeine Finanzkrise des Sozialstaats ständig verschärft wird. Die eben von Ihnen gelesenen Sätze stehen irn übrigen bereits in meinem Buch »Die IQ-Falle« (2000, S. 96ff.). Sie haben sich bestätigt, und diese Entwicklung kommt weiter voran.“ (Ebd., 2012, S. 248-249).

„Ein IQ-Unterschied zwischen IQ 94 und IQ 130 führt zu der Vorstellung, es bestände ein Unterschied von etwa 36%; also etwa vergleichbar dem Unterschied zwischen zwei Menschen, der eine 1,50 m, der andere 1,85 m, die bei gemeinsamem Sportunterricht schon gewisse Probleme haben. Der tatsächliche Unterschied der geistigen Leistungsfähigkeit zwischen IQ 94 und IQ 130 beträgt aber 70 zu 140 Bit, also das Doppelte; d.h. auf die Körpergröße übertragen: Neben dem einen Menschen von 1,80 m stehen 13 von 0,90 m (und sechs von 1,35 m). Kein vernünftiger Lehrer würde mit so unterschiedlichen Schülern allzulange in einer einzigen Klasse Volleyball spielen oder Kugelstoßen veranstalten; das aber ist die wirkliche Größenordnung in den Unterschieden der geistigen Leistungsvoraussetzungen.“ (Ebd., 2012, S. 249).

„Tillmann charakterisiert das gegliederte Schulsystem der alten Bundesrepublik so: »Nach dem 2. Weltkrieg wurde das gegliederte Schulsystem der Weimarer Zeit restauriert. ... .Zu Beginn der 60er Jahre, als dieses System noch von keiner Reform angegriffen war, gingen knapp 70% eines Altersjahrganges auf die damals noch achtklassige Volksschule, etwa 12% besuchten die Realschule, ca. 15% das Gymnasium. Der Volksschulabschluß führte überwiegend in eine handwerkliche Lehre, der Realabschluß in Büroberufe. Nur das Gymnasium führte zum Abitur, zum Hochschulstudium und damit in die höheren Etagen der Gesellschaft.« (Tillmann, Einheitlichkeit und Differenzierung?, 1990). Neben dem Frontalangriff durch die Gesamtschule kam es zu einem heimlichen Umbau. »1965 besuchten noch 65% aller Siebenkläßler eine Hauptschule, 1988 waren es noch 32%. In der gleichen Zeit stieg der Anteil der Gymnasiasten von 17% auf 30%, der der Realschüler von 15% auf 27%.« (Ebd.). In Hamburg waren noch 18%, in Göttingen nur noch 10% der Schüler in Hauptschulen, die damit zur »Restschule« für Ausländerkinder und lernschwache deutsche Kinder geworden ist. In manchen Städten besuchten sogar 50% aller Schüler ein Gymnasium, für das es keine Aufnahmeprüfungen mehr gab.“ (Ebd., 2012, S. 249).

„In der DDR sind ähnliche Ausweitungen der Zahlen an Abiturienten und Studenten, die sich um 1965 mit 14% Abiturienten und 17% Studenten ebenfalls andeuteten, durch eine gezielte antibildungsdeflationäre Politik gestoppt und bis 1980 auf je 11% Abiturienten und Studenten zurückgefahren worden.“ (Ebd., 2012, S. 249).

„Mißachtet ein Bildungssystem in den allgerneinbildenden Schulen zu stark das Vorhandensein der drei Leistungsstufen der Begabung und bietet den Hochbegabten nur Schulklassen an, in denen sie zur Minderheit werden, dann wird es in einer freien Gesellschaft zwangsläufig zu Bestrebungen kommen, daß diejenigen, die jGeld haben und deren Kinder hochbegabt sind, sich Privatschulen schaffen und Eliteuniversitäten fördern (in denen dann auch in den Sozialwissenschaften strenge Leistungsmaßstäbe gelten).“ (Ebd., 2012, S. 249).

„Wenn es ein gegliedertes Schulsystem gibt, dann ist nicht die Bezeichnung der Schule entscheidend, sondern der Prozentsatz der Schüler an der Gesamtbevölkerung, der nach strengen Leistungsmaßstäben ausgelesen wird. Wenn es so etwas wie IQ-Akzeleration in den letzten Jahrzehnten gegeben hat und das Durchschnittsniveau eines Jahrgangs heute etwa zehn IQ-Punkte höher liegt als der vergleichbare Maßstab dreißig Jahre früher, so hat sich dadurch nichts an den Relationen der Begabungsstufen zueinander geändert. Wenn statt 5% auf Gymnasien bald 50% in Gesamtschulen das Abitur bekommen sollten, wird die Bildungsentwertung früher oder später zwangsläufig zu einer Gegenbewegung führen, indem sich dann vielleicht 5% auf ein »Leistungsabitur« berufen, das besonders hohen Anforderungen genügt. Wenn die Massenuniversität nicht mehr vom Staat in der notwendigen Qualität unterhalten werden kann - und dieser Punkt ist erreicht -, wird der Geldbeutel der Eltern wieder wichtiger werden. Der Ruf nach der Einrichtung von besonders gut ausgestatteten »Forschungsuniversitäten«, in denen nur die Leistungsbesten studieren sollen, ist die zwangsläufige Antwort auf den Alleinvertretungsanspruch der Massenuniversitäten.“ (Ebd., 2012, S. 250).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Sprachliche Ausdrucksfähigkeit, IQ und sozialer Status.

„Bei Erwachsenen gilt rasches Auffassungsvermögen und Wendigkeit in Wort und Schrift als Zeichen geistiger Regsamkeit. Der Altersabbau, insbesondere bei Alzheimer, geht mit einem Verlust dieser Fähigkeit einher, die Kopplung zwischen Wortlaut und Sinn zerfällt. Bei Kindern erwecken zeitiges Sprechenlernen, deutliche Aussprache, ein großer Wortschatz und das zeitige Beherrschen der Satzgefüge Hoffnungen auf eine vielversprechende Entwicklung der Denkkraft.“ (Ebd., 2012, S. 250).

„Im Alltag zweifelt kaum jemand, ein rasches Verstehen mündlicher Anweisungen und gedruckter Texte gehöre zu einem gesunden Menschenverstand, ebenso die Fähigkeit, sich selber mündlich und schriftlich treffend auszudrücken. Blinde und Gehörlose haben beim Erlernen dieser Fähigkeiten große Schwierigkeiten. Aber auch unter ihnen gibt es von Person zu Person Unterschiede in der Verarbeitung mündlicher oder schriftlicher Informationen, die darauf hinweisen, daß die Unterschiede in der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit auch bei Gesunden in der Regel im wesentlichen nicht durch unterschiedliche Sehkraft oder unterschiedliches Hörvermögen verursacht werden - auch wenn es solche Einflüsse gibt -, sondern durch die unterschiedliche Denkkraft.“ (Ebd., 2012, S. 250).

„Da der gesunde Menschenverstand bei der Entwicklung der Intelligenztests Pate stand, erdachte man schon ganz am Anfang auch Tests, mit denen man die Fähigkeit messen konnte, Sprache zu beherrschen. Auf den Lückentest von Ebbinghaus (vgl. Hermann Ebbinghaus, Über eine Methode zur Prüfung geistiger Fähigkeiten und ihre Anwendung bei Schulkindern, 1897) hatten wir bereits auf S. 71 hingewiesen. Auch Oehrn testete schon 1896 das Schreiben nach Diktat mit größtmöglicher Schnelligkeit und die Höchstgeschwindigkeit des Lesens. Damals verstanden die Psychologen die sprachlichen Testergebnisse als ein Maß der Denkkraft, als ein Maß der Allgemeinen Intelligenz und damit des IQ. Heute neigen viele Fach-Psychologen und Pädagogen dazu, Hören, Lesen, Begreifen des Gelesenen, kurzzeitiges Merken von Gehörtem, langfristiges Merken von Gehörtem oder Gelesenem, Nacherzählen, Schreiben und manches mehr als einzelne und getrennte Fahigkeiten oder »Kompetenzen« aufzufassen, die getrennt entwickelt, in der Schule gefördert und von der »Wissenschaft« gernessen und untersucht werden sollten. Das schafft Beschäftigung und »Diskurs«.“ (Ebd., 2012, S. 250-251).

„Wenn das so verwickelt wäre, warum ist es dann möglich, die Denkkraft in guter Näherung bereits mit so einfachen Tests zu erfassen, wie dem KAI, dem Kurztest für Allgemeine Intelligenz (vgl. S. 242 **), der die Lesegeschwindigkeit mißt? Wenn es um das Verständnis des Gelesenen geht, dann hängt das ebenso wie das Verständnis von Gehörtern mit dem IQ der Personen zusammen. Schon bei Kleinkindern läßt sich nachweisen, wie die Sprachentwicklung mit dem Anwachsen der Gedächtnisspanne einhergeht, und dieser Zusammenhang läßt sich bei derTestentwicklung anwenden. .... Lander veröffentlichte (2000) die Ergebnisse eines Lesegeschwindigkeitstests, der in Österreich 1999 als Ergänzung der PISA-Studie gelaufen war, und eine langgestreckte, mehrgipflige Verteilung zeigt, die weit von einer Normalverteilung entfernt ist. Schätzt man den IQ von Probanden anhand von einfachen Lesetests und ihrer sozialen Herkunft, dann kommt man zu ähnlichen Ergebnissen wie bei der Schätzung des IQ anhand von Bildungsjahren u.s.w.. Wie aus bekannten Zusammenhängen ( nicht anders zu erwarten ist, läßt sich auch eine Beziehung zwischen evozierten Potentialen des EEG und der Länge und Häufigkeit von Reizwörtern nachweisen.“ (Ebd., 2012, S. 251).

„Nicht alle Psychologen und Lehrer lassen sich durch das Wuchern von tausend neuen »Intelligenzen« und »Kompetenzen« davon abbringen, weiterhin ihrem gesunden Menschenverstand zu vertrauen. Sie halten die Begabung für Sprache und das Erlernen von Fremdsprachen als ein Ausdruck der Denkkraft einer Person, also ganz im Sinne von Charles Spearman. DieseAuffassung läßt sich durch eine Reihe einfacher Beobachtungen und Erfahrungen stützen. Wer in Mathematik und Physik in der Schule eine Eins hat, der hat in den allermeisten Fällen auch in Deutsch und in den Fremdsprachen eine sehr gute oder gute Zensur. In der DDR war die Mathematik an den Universitäten die einzige Fachrichtung, die ihren Diplomanden ohne Substanzverlust die Kenntnis dreier Fremdsprachen abfordern konnte, nämlich Englisch, Französisch und Russisch.“ (Ebd., 2012, S. 251).

„Von Befürwortern der Intelligenzforschung und ihren Gegnern werden zwei Zusammenhänge niemals bestritten: Der IQ von Kindern und Erwachsenen hängt eng zusammen mit ihrer sprachlichen Ausdrucksfähigkeit und diese wiederum mit dem sozialen Status und der beruflichen Qualifikation der Personen, bei Kindern mit ihrer sozialen Herkunft. Anfangs wurde das Unterschieden der Denkkraft zugeschrieben, bis Bernstein 1958 die Erklärung anbot, die Ursache der Unterschiede läge allein im Sprachverhalten der sozialen Schichten.“ (Ebd., 2012, S. 252).

„Die Angehörigen der Mittel- und Oberschicht (also der Personenkreis mit einem IQ über 105 [**|**]) verwenden laut Bernstein eine Variante der gemeinsamen Einheitssprache. die sich eines entwickelten (»elaborierten«) Codes bedient, die Unterschicht eines eingeschränkten (»restringierten«) Codes. Der entwickelte Code führe zu besser ausgebildeten intellektuellen Fähigkeiten als die in der Unterschicht, daraus ergäben sich die besseren Schulerfolge der Kinder gehobener Schichten und damit ihre besseren Chancen im gesamten späteren Leben. Dieser Kausalmechanismus einer rein sozialen Weitergabe eines »Codes« - der absolut nichts mit dem Code der Genetik gemein hat - wird seit etwa 1970 als Heilige Kuh von der Mehrzahl der Soziologen, Pädagogen und Soziolinguistiker auf die Weide getrieben und verehrt.“ (Ebd., 2012, S. 252-253).

„Der eingeschränkte Code wird dem »Sprachgebrauch bildungsferner Schichten zugeordnet«, da von Personenkreisen mit einem IQ unter 100 ja keine Rede mehr sein darf. Dieser Code zeichnet sich durch kurze, grammatisch einfache und häufig unvollständige Sätze aus. Adjektive und Adverbien werden nur sparsam verwendet. Der Wortschatz ist gering. Der entwickelte Code verwendet hingegen einen viel größeren und treffenden Wortschatz, gebraucht auch das Passiv und ist grammatisch richtig. Ähnliche Unterschiede im sprachlichen Ausdruck findet man auch, wenn man Schüler unterschiedlichen Alters miteinander vergleicht oder Hilfsschüler mit Normalschülern. Ein wenig intelligenter Zwölfjähriger bewegt sich so auf dem sprachlichen Entwicklungsstand eines hochintelligenten Sechsjährigen oder umgekehrt.“ (Ebd., 2012, S. 253).

„Bernsteins Beobachtungen über Zusammenhänge zwischen Sprachverhalten und Sozialstatus sind in der Sache zutreffend und legen im Umkehrschluß ihrer Verursachung nahe, diese Unterschiede zu skalieren und zur Messung des IQ zu verwenden. Unstrittig ist dabei die Bedeutung des aktiven und passiven Wortschatzes. Der moderne Wortschatztest ist ein Teiltest zahlreicher Intelligenztests und tritt sogar als Mehrfachwahl- Wortschatz- Test nach Lehrl (1989) mit dem Anspruch auf, auch allein Aussagen über das Intelligenzniveau treffen zu können.“ (Ebd., 2012, S. 253).

„Der aktive Wortschatz läßt sich schon bei Vorschulkindern testen, wenn man sie auffordert, auf Bildern, die man ihnen vorlegt, Gegenstände und Handlungen zu benennen. Bildvorlagen gelten schon lange als ein geeigneter Anreiz, Schüler sprachlich und damit geistig herauszufordern.“ (Ebd., 2012, S. 253).

„»Der Aufbau der geistigen Welt des Kinder«, so der Titel eines lehrreichen Buches, das man als eine Frucht der Erfahrungen ansehen kann, die zig-tausende Deutschlehrer im Laufe eines Jahrhunderts gemacht hatten, vor allem in einem Aufsatzunterricht, der bis etwa 1970 vom Wirklichkeitsbezug geprägt war. Dann trat der geistige Wandel der Industriegesellschaft in sein vorjakobinisches Stadium ein ....“ (Ebd., 2012, S. 253-254).

„Es gibt Untersuchungen, die darauf hinweisen, daß sich die sprachliche Ausdrucksfähigkeit der Schüler verschlechtert, die IQ-Lücke öffnet. Zerahn-Hartung et al. (Normverschiebungen bei Rechtschreibleistungen und sprachfreier Intelligenz, 2002) mußten feststellen: Bei einer repräsentativen Untersuchung in Baden bei Personen im Alter von 16 bis 30 Jahren im Jahre 1995 lag die Rechtschreibeleistung um 1,2 Standardabweichungen (= 18 IQ-Punkte) niedriger als bei der Normierung des Tests 1968. Die absolute Zahl der gemachten Fehler hatte sich fast verdoppelt, trotz der ebenfalls bestätigten üblichen IQ-Akzeleration im CFT20- Test! Diese Testergebnisse passen zu weitverbreiteten Klagen aus der Wirtschaft über Lehrlinge, die kein vernünftiges und fehlerfreies Deutsch mehr schreiben können. Auch für die USA mußten Nie et al. (2008) feststellen, daß die Ausweitung der formalen Bildung nicht mit einer Verbesserung der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit einhergegangen ist.“ (Ebd., 2012, S. 254).

„In erinnere mich, wie in der Schulzeit in einer Aufsatzstunde um 1955 unser alter Deutschlehrer einmal eine Reproduktion des Gemäldes »Die Jäger im Schnee« von Pieter Brueghel dem Älteren (gemalt 1565) aufhängte und uns aufgab, das Bild zu beschreiben. Der klare Zusammenhang zwischen sprachlicher Ausdrucksfähigkeit und IQ ließ mich seit Jahrzehnten vermuten, es müsse möglich sein, aus einer Bildbeschreibung einen Intelligenztest zu entwickeln. Ähnliche Möglichkeiten dürften sich für das Nacherzählen - mündlich oder schriftlich - eines Lesestücks, einer Bildergeschichte oder eines kurzen Films und für das Weitererzählen einer abgebrochenen Geschichte ergeben. Der bei einer Bildbeschreibung verwendete begrenzte Wortschatz und Sprachgebrauch läßt sich aber vielleicht am ehesten in nachvollziehbare Auswertungsvorschriften umsetzen, was im folgenden umrissen werden soll. Denn die Zensurengebung des Deutschlehrers für Aufsätze, das wäre eine zu große Meßungenauigkeit.“ (Ebd., 2012, S. 254).

„Für die folgende Auswertung lagen uns 88 auswertbare Bildbeschreibungen des Gemäldes »Die Jäger im Schnee« vor. Den Schülern der 7. Klassenstufe standen für die Beschreibung 20 Minuten zur Verfügung. Sie sollten ganze Sätze in Form eines Aufsatzes schreiben. Die Schüler waren 12 bis 14 Jahre alt und gehörten je zwei Klassen von Hauptschule oder Gymnasien an. In die Stichprobe wurden nur Schüler einbezogen, deren beide Eltern deutschsprachig waren. Die Stichprobe kann nicht als repräsentativ für irgendein Bundesland gelten; da es uns aber nur um ein Methodenbeispiel geht, ist das nebensächlich. Als Intelligenztest wurde am seiben Tag der Kognitive Fähigkeits-Test KFT 4-13 mit einer Bearbeitungszeit von 60 Minuten eingesetzt, darin eine Pause von 10 Minuten zwischen Teiltests eingeschlossen. Bei den Tests in den Hauptschulen ließ die Disziplin zu wünschen übrig. Man muß erwähnen, daß sich die Leistungen einiger Schüler an der Grenze des Hilfsschulniveaus bewegten und manche nicht auswertbar waren. »Man geht vom Aufsatzschreiben weg, da die Kinder das einfach nicht können«, äußerte gar eine Lehrerin. In Anbetracht solcher Mängel bei der Stichprobe und Testdurchführung können diese Zeilen nur als eine Anregung verstanden werden, es besser zu machen.“ (Ebd., 2012, S. 254).

„Bei der Auswertung liegt es nahe, die bekannten Zusammenhänge zwischen der Wortlänge und dem Rangplatz im Wortschatz auszunutzen. Personen mit einem höheren IQ benutzen häufiger auch seltene Wörter und damit längere. Das hat zur Folge: Texte mit kurzen und häufigen Wörtern gelten für eine größere Personenzahl als leicht lesbar, Texte mit längeren und seltenen Begriffen als schwerverständlich. Für Zeitungsschreiber und für Verfasser von Anweisungen und Vorschriften hat das einige praktische Bedeutung, denn man will oder soll ja allgemein verstanden werden. Man ist deshalb bestrebt, die Verständlichkeit eines Textes mit einem Lesbarkeitsindex zu messen. Davon gibt es mehrere Varianten. Wir können daraus schließen, daß in einer Bildbeschreibung folgende, leicht erfaßbare Prozentanteile mit dem IQ korrelieren sollten: Der Anteil der einsilbigen Wörter; der Anteil der Wörter mit mehr als sechs Buchstaben; der Anteil der Wörter mit drei und mehr Silben. Es wird dabei stets von der Nennform bzw. Grundform eines Wortes in der Einzahl ausgegangen. Für eine Indexbildung eignen sich ferner: Der Anteil der Satzgefüge; die Summe der Anteile von Adverbien und Adjektiven; der Anteil von Sätzen irn Passiv; die Textlänge bei einer begrenzten Arbeitszeit.“ (Ebd., 2012, S. 254-255).

„Gibt es nicht noch eine elegantere Lösung, am besten eine einzige Maßzahl für den sprachlichen Reichtum oder die Armut eines Textes? Dafür bietet sich anscheinend die Informationsentropie an, gemessen in Bit; also der binäre bzw. duale Logarithmus der relativen Häufigkeit der Wörter (ich danke meinem Stiefvater Paul Martin für die aufwendige Auszählung der Worthäufigkeiten in allen Aufsätzen), multipliziert mit dieser relativen Häufigkeit und summiert über alle Wörter eines Textes; dann multipliziert mit der Textlänge, in unserem Fall der Gesamtzahl der Wörter eines Aufsatzes.“ (Ebd., 2012, S. 255).

„In unserer Stichprobe erreichten die Schlechtesten irn Intelligenztest (KFT-Werte von 15 bis 29) - ihr mittlerer IQ unter 80 - in der Bildbeschreibung von Brueghels Gemälde zwar Werte um die 200 Bit, die zehn Besten im Test (KFT-Werte von 76 bis 82) - ihr mittlerer IQ um die 115 - zumeist etwa 700 Bit, doch ist eine solche Auswertung zeitaufwendig und sehr mühselig. Es gibt dabei Ausreißer: Einzelne Schüler mit einem niedrigen Test-IQ treiben mit einer Aneinanderreihung einfachster Sätze wie »Man sieht Jäger. Man sieht Häuser. ....« mit vielen Wörtern ihre Bit-Zahl in die Höhe. Manche Schüler mit einem hohen Test-IQ schreiben grammatisch und stilistisch einwandfreie Sätze, aber insgesamt nicht allzuviel Text. Die Trennschärfe zwischen den Extremgruppen läßt somit bei der Einbeziehung aller Wörter zu wünschen übrig.“ (Ebd., 2012, S. 255).

„Ist es wirklich nicht möglich, die Einfalt und Armut eines Textes oder seinen Reichtum mit einer einzigen Maßzahl zu fassen, die noch dazu leicht zu ermitteln sein sollte? Ja, doch! Es ist die Informationsentropie der Vollverben, wenn man alle Hilfsverben zusammen als ein einziges Verb zählt (und sehen und stehen bei einer Bildbeschreibung, wie dieser, zu den Hilfsverben rechnet). Formen wie »ist gekommen« oder »wurde gebaut« zählen dabei selbstverständlich als je ein Vollverb. Zählt man dazu auch Hilfsverben, denen adverbiale Bestimmungen mit Wortgruppen folgen (also keinesfalls Sätze wie: »Der Himmel ist blau.«), dann gelingt es, auch den Reichtum des intelligenten Satzbaus mit in die Wertung einzubeziehen. Bei unserer Bildbeschreibung haben die 10 Schlechtesten eine mittlere Informationsentropie der Verben von 10 Bit (zwei besonders primitive Texte ergaben sogar den Wert 0 Bit, waren also Texte ohne jedes Vollverb). Die 10 Besten in dem IQ- Test erreichten eine mittlere Informationsentropie der Verben von 69 Bit. Diese Auswertung dauert pro Proband nur wenige Minuten. Fachpsychologie und empirische Pädagogik werden diese Anregung sicher früher oder später aufgreifen und bei der Entwicklung und Eichung eines ausgereiften Tests umsetzen.“ (Ebd., 2012, S. 255-256).

„Die Ergebnisse unterstreichen noch einmal: Eine Person mit einem IQ 140 ist nicht doppelt so intelligent wie eine Person mit IQ 70, sondern leistet bei Aufgaben, die Denkkraft erfordern, pro Zeiteinheit das Mehrfache! Was jedoch aber mißt die Denkkraft einer Person am besten und genauesten: der Intelligenztest, die Bildbeschreibung, die Schulzensur, der PISA-Test oder die spätere Lebensleistung? Jedes Verfahren, mit der man die Gültigkeit eines Tests durch den Zusammenhang mit einem anderen Test, Zensuren oder Lebensleistung bestätigen will, kann immer nur eine Näherung liefern. Denn jedes Verfahren ist mit Fehlern und Störungen behaftet und wird in Beziehung zu einer anderen Maßzahl gesetzt, die ähnlichen oder anderen Meßfehlern und Einflüssen unterliegen. Sollte einmal eine genotypische Bestimmung des IQ möglich sein, so wird auch das daran nichts ändern, der »wahre« IQ für immer eine meßfehlerbehaftete Größe bleiben.“ (Ebd., 2012, S. 256).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Das zahlenmäßige Anwachsen der Berufe mit hohem IQ.

„Der Zusammenhang des IQ zu Berufen ändert sich, wenn die Tätigkeit immer höhere Anforderungen an die Denkkraft stellt. So ziemlich jeder kann ein Tiefbauarbeiter werden, der mit Hacke und Spaten Gräben hackt, wenn er gesund ist. Viele können Möbeltischler werden, sofern sie genügend feinmotorische Fähigkeiten haben; doch Rechtsanwälte sollten eigentlich nur Menschen aus einem verhältnismäßig geringen Streubereich der Intelligenz werden. Wenn ein Rechtsanwalt mehr verdient als ein Möbeltischler, was geschieht, wenn sich die Zahl der Stellen für Rechtsanwälte erhöht? Eine größere Zahl von Personen mit hohem IQ wird dann Rechtsanwalt, was aber bedeutet, sie werden nicht Möbeltischler oder Tiefbauarbeiter.“ (Ebd., 2012, S. 256).

„Nun stellen Sie sich den Vorgang im großen vor und was mit der Handvoll von Berufen geschieht, bei denen die Siebung nach dem IQ am stärksten ist. Wir werden unsere Aufmerksamkeit auf ein Dutzend solcher Berufe richten, die wir als »Hochintelligenzberufe« bezeichnen. Einige dieser Berufe gibt es schon ebensolang wie die IQ-Tests, und sie sind in den Listen der Volks- und Berufszählungen schon um 1900 enthalten: Buchhalter, Architekten, Chemiker, Lehrer an Hochschulen, Ingenieure, Rechtsanwälte und Ärzte. Andere sind erst in der jüngeren Zeit entstanden oder sind umbenannt worden: Computerfachleute, Mathematiker, Naturwissenschaftler und nach Meinung von Herrnstein und Murray (1994) in den USA auch die Sozialwissenschaftler. Ob letztere in Deutschland in ihrer Mehrheit zu den »Hochintelligenzberufen« gehören, darf bezweifelt werden. Zweifellos arbeiten viele Sozialwissenschaftler mit statistischen Methoden, für deren Verständnis ein Intelligenzgrad erforderlich ist, wie er für Hochintelligenzberufe kennzeichnend ist. Aber schon die Studenten der Studienrichtung Marxismus-Leninismus, die vom Zentralinstitut für Jugendforschung der DDR getestet worden waren, wiesen um 1980 einen IQ auf, der rund eine Standardabweichung (also 15 IQ-Punkte) niedriger lag, als der bei Studenten der Mathematik und Physik. Die Marxisten hatten den niedrigsten IQ aller Studienrichtungen überhaupt. Sieht man sich das Niveau an, auf dem sich die »Diskurse« in den Sozialwissenschaften heute oft abspielen, dann kann man daraus schließen, daß der Durchschnitts-IQ bei Sozialwissenschaftlern eine Güteklasse (d.h. eine Standardabweichung) niedriger als der mittlere IQ von Mathematikern, Physikern, Diplom-Ingenieuren und Chemikern sein dürfte. Das Niveau der Diskussion und die Reaktionen, die das Erscheinen meines Buches »Die IQ-Falle« (2000) und des Sarrazin-Buches (2010) bei einer Reihe Sozialwissenschaftlern hervorgerufen hat, darf als weiterer Beleg dafür gelten.“ (Ebd., 2012, S. 256-257).

„Nach Herrnstein und Murrray (1994) ist in den USA der mittlere IQ für Personen, die in »Hochintelligenzberufen« arbeiten, ungefähr 120. Einige Untersuchungen finden etwas abweichende Werte, eher 125, und nach unserer Auffassung ist der IQ 125 in Mitteleuropa sogar eher der untere Schwellenwert für »Hochintelligenzberufe«. Theoretische Physiker haben dabei höhere Werte als Naturwissenschaftler im allgemeinen. Dessenungeachtet ist 120 ein praktischer Schätzwert, da er ungefähr ein Zehntel der Gesamtbevölkerung abschneidet, d.h. das leistungsfähigste Zehntel oberhalb des Prozentrangwertes 90 (**). Aber bei Prozentrangwert 95 (**) bzw. IQ 125, da beginnt erst die eigentliche geistige Elite (**|**).“ (Ebd., 2012, S. 257).

„Der gesunde Menschenverstand sagt uns: Leute, die bei großen Firmen in die führenden Ränge des Managements aufsteigen, sollten einen hohen IQ haben. Das Spitzenmanagement saugt in den USA einen großen Teil der Hochintelligenten auf, die nicht in den vorhin genannten Hochintelligenzberufen arbeiten. Wenn man die Zahl der Beschäftigten insgesamt überschlägt, kommt man in den USA (nach Herrnstein und Murray, 1994) zu dem Ergebnis, daß etwa 70 bis 80% der Personen mit einem IQ über 120 heute in Hochintelligenzberufen oder im gehobenen Management arbeiten. In der Mitte des 20. Jahrhunderts war USA noch eine Gesellschaft, in der die Mehrheit der Personen mit einem IQ über 120 noch über eine große Zahl von Tätigkeiten verteilt war, d.h. nicht in Hochintelligenzberufen und nicht im höheren Management. Gegen Ende des Jahrhunderts ist der größte Teil der Hochintelligenten in einigen wenigen Berufen konzentriert, die in hohem Maße nach ihrem IQ ausgelesen sind, meinen Herrnstein und Murray (1994).“ (Ebd., 2012, S. 257).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Der wirtschaftliche Druck zur Siebung nach dem IQ.

„Ein Hochschulabschluß ist nicht nur eine Urkunde, sondern auch ein Maß der Denkkraft. Personen mit akademischen Graden sind häufig intelligenter als Menschen ohne sie und demzufolge auf dem Arbeitsmarkt wertvoller. Die us-amerikanischen Arbeitgeber stellen Absolventen der Universitäten Stanford und Yale nicht nur ein, weil Absolventen dieser Universitäten mehr wissen als Absolventen weniger guter Universitäten, sondern weil sie auch mehr können und besser sind. In Deutschland gibt es unter den Universitäten keine solche Rangfolge, und ein guter Studienabschluß ist deswegen in Deutschland noch lange keine Garantie auf einen guten Arbeitsplatz. Auch auf diese Weise werden Bildungsabschlüsse entwertet. Selbst das begabteste Kind braucht Schulbildung, und für einige Tätigkeiten braucht man viele Jahre Spezialausbildung. Bei den akademischen Graden gibt es tatsächlich ein weitverbreitetes Problem: Für viele leitende Stellungen ergibt ein akademischer Grad keinen rechten Sinn. Jemand mit einem abgeschlossenen Lehrerstudium braucht kein guter Lehrer für die ersten Schulklassen zu sein; und ein Dr. phil. hat oft nichts mit der Arbeit zu tun, für die zahlreiche Dr. phil. bezahlt werden.“ (Ebd., 2012, S. 257).

„Intelligenzunterschiede stehen in einem ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Leistungsfähigkeit. Dieser Zusammenhang gilt nicht nur für hochqualifizierte Berufe, sondern für alle Tätigkeiten des Beschäftigungsspektrums. Dieser Zusammenhang bewirkt, daß es für jedes Gewerbe ein Anreiz ist, den IQ als einen wichtigen Einstellungsmaßstab zu benutzen. (Selbst bei den Callgirls haben die gebildeten und unterhaltsamen, der Körperbau dabei konstant gesehen, die höheren Tarife.)“ (Ebd., 2012, S. 257-258).

„Die Tatsache, daß zwischen IQ-Werten und der Leistung auf bestimmten Bildungsstufen nur eine schwache Korrelation besteht, wird von den Journalisten gern als Argument gegen IQ-Tests angeführt und gehört somit zu den am meisten verbreiteten Scheinweisheiten. Warum ist das so?“ (Ebd., 2012, S. 258).

„Für jede Tätigkeit gibt es nur einen bestimmten begrenzten Schwankungsbereich der Denkkraft, und für jede einzelne Tätigkeit für sich allein besteht nur ein schwacher Zusammenhang zwischen dem IQ und der Leistung in der jeweiligen Tätigkeit. Ähnliches gilt auch bei den Sportarten für den Zusammenhang von Körperhöhe und Leistung. Bei Volleyball und Basketball zum Beispiel sind die Großen ganz klar im Vorteil, und bei einem Schülerturnier, an dem alle Schüler teilnehmen müssen, wird man eine hohe Korrelation zwischen ihrer jeweiligen Körperhöhe und der Leistung finden. Mißt man jedoch bei einem Volleyballturnier der europäischen Nationalmannschaften die Körperhöhe aller Spieler und korreliert sie mit einem persönlichen Leistungsmaß, dann wird sich nur eine schwache Korrelation ergeben. Kein Trainer wird daraus die Schlußfolgerung ziehen, von nun an bei den Anwärtern auf ein Hochleistungstraining keinen Wert mehr auf die Körperhöhe zu legen. Dieses Beispiel zwischen dem Schülerturnier für alle Schüler und dem Turnier der Nationalmannschaften belegt anschaulich, wie sich die Verringerung der Schwankungsbreite der Körperhöhe auf die Größe des Korrelationskoeffizienten auswirkt. Auch innerhalb eines Berufes oder einer Berufsgruppe ist der Zusammenhang zwischen IQ und beruflicher Leistung relativ gering, eben auch wegen der verringerten Schwankungsbreite des IQ innerhalb der Berufsgruppe gegenüber der Schwankungsbreite in der Gesamtbevölkerung.“ (Ebd., 2012, S. 258).

„Wenn wir davon ausgehen, daß dem IQ tatsächlich drei sich überlagernde Normalverteilungen zugrundeliegen (**|**), die sich wie einfache genetische Typen verhalten, dann hat das schwerwiegende statistische Folgen: Hat man nur Personen eines Typs vor sich und macht man Untersuchungen, die nur aus Stichproben eines einzigen Typs bestehen (also zum Beispiel nur aus Hochbegabten mit einem IQ über 130), dann tendieren alle Variablen, die eng mit dem IQ zusammenhängen - also auch die Korrelationen berufliche Qualifikation oder Einkommen mit dem IQ - gegen null. Umgekehrt gilt das auch für Stichproben, die alle aus geistig gesunden Arbeitern mit einem IQ unter 100 bestehen. Auch für diese Arbeiter wird die Korrelation IQ zu Einkommen fast null sein. Faßt man aber diese beiden Stichproben (die Arbeiter und die Hochbegaben) zu einer Gesamt-Stichprobe zusammen, so erhält man dann auf einmal eine sehr hohe Korrelation zum IQ. Der Gedankengang gilt ebenso auch für die Korrelationen der Subtests einer Intelligenz-Testbatterie untereinander.“ (Ebd., 2012, S. 258).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Der Wert von Intelligenzunterschieden in Euro oder Dollar.

„Herrnstein und Murray fragen und antworten: »Wieviel ist die Schwankungsbreite der Arbeitsleistung wert? Um diese Frage zu beantworten, brauchen wir ein Geldmaß, wie groß die Unterschiede der Beschäftigten in einem bestimmten Beruf zu diesem Wert beitragen. Denken sie z.B. an eine Sekretärin. Sie haben die Wahl, entweder eine durchschnittliche Sekretärin einzustellen, die laut Definition den Prozentrangwert 50 (**) des IQ hat, oder eine erstklassige; wir nehmen an, jemanden mit Prozentrangwert 84 (**). Wenn sie die freie Entscheidung hätten, ihr Gehalt so anzusetzen, daß ihr eigentlicher Wert reflektiert wird, wie groß wäre der Unterschied? Wir können uns vorstellen, daß jedel; der schon mit durchschnittlichen und erstklassigen Sekretären gearbeitet hat, antworten wird: ›ziemlich groß‹. Unter Experten macht eine ›ziemliche große‹ Gehaltszulage im Durchschnitt einen Unterschied von etwa 40% aus. Fachlich korrekt und genau ausgedrückt, heißt das, daß eine Standardweichung der Verteilung der Produktivität der Beschäftigten 40% des Jahreseinkommens des Durchschnittsbeschäftigten in typischen Berufen wert ist. Neuere Arbeiten weisen darauf hin, daß der Unterschied sogar doppelt so groß sein könnte. Da die größeren Schätzwerte noch bestätigt werden müssen, werden wir unsere folgenden Berechnungen auf die kleineren Werte stützen. Um ein Beispiel zu nennen: Der zusätzliche Wert bei der Einstellung eines neuen Beschäftigten mit Prozentrangwert 84 (d.h. 1 SD über dem Mittelwert **) gegenüber dem Wert eines Durchschnittsarbeiters, der mit 20000 $ im Jahr richtig bezahlt wird, hat die Größe von 8000 $ pro Jahr. Die Einstellung eines Beschäftigten, der 1 SD unter dem Mittelwert ist, also bei Prozentrangwert 16 liegt (**), bringt dem Arbeitgeber einen Verlust von 8000 $ jährlich.«“ (Ebd., 2012, S. 258-259).

„In leitenden Stellungen des öffentlichen Dienstes ist der Schaden oder Nutzen, der angerichtet werden kann oder nicht, noch weit größer. Die Unterschiede des tatsächlichen Arbeitsvermögens haben eine andere Größenordnung, als sie der IQ vortäuscht, und der ausgedrückte Geldwert der Intelligenzunterschiede ist deswegen so groß, weil das Kurzspeichervermögen des Arbeitsgedächtnisses eigentlich die Größe ist, auf die man sich stets beziehen müßte. Testeiman nämlich die reine geistige Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, ohne die Rohtestwerte auf die Normalverteilung abzubilden, dann erhält man die Tabelle auf Seite 195 (**).“ (Ebd., 2012, S. 259).

„Wenn man sich diese Tabelle ansieht, dann stellt man fest: Die Besten der mathematisch Hochbegabten lösen in derselben Zeiteinheit rund viermal so viele Aufgaben wie die schlechtere Hälfte der Ungelernten; die Hochbegabten über 205 Aufgaben, die Ungelernten weniger als 60. Das heißt, während der Unterschied zwischen den IQ-Werten 70 (2 Standardweichungen unter dem Mittelwert **) und 140 (2,66 Standardabweichungen über dem Mittelwert **) formal das Doppelte ist, so beträgt der tatsächliche Unterschied zwischen den IQ-Extremen im normalen, gesunden Leistungsbereich etwa das Vierfache. Der Unterschied zwischen der Normalverteilungskurve, von der Herrnstein und Murray ausgingen, und der tatsächlichen lognormalen Verteilung der Denkkraft hat eine sehr große praktische Bedeutung. Wenn man, wie Herrnstein und Murray, die Normalverteilung als Maß aller Dinge sieht, dann unterschätzt man die tatsächlichen Leistungsunterschiede im Alltag, in der Schule und im Berufsleben.“ (Ebd., 2012, S. 259).

„Seit Jahrzehnten rätseln die Ökonomen, warum der IQ normalverteilt ist, Einkommensverteilungen aber schief. Da die Intelligenztestwerte ursprünglich aber gar nicht normalverteilt sind, sondern ebenfalls schiefe Verteilungen aufweisen, löst sich der Widerspruch bei näherem Hinsehen auf. In beiden Fällen handelt es sich um lognormale Verteilungen.“ (Ebd., 2012, S. 259).

„Die Wirtschaftlichkeit der Arbeitsleistung läßt sich in dem meisten zivilen und militärischen Tätigkeiten durch den IQ vorhersagen - und zwar mit einer Validität, die bei etwa 0,40 liegt.“ (Ebd., 2012, S. 260).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft Die fortschreitende soziale Differenzierung.

„Der fortschreitenden sozialen Differenzierung der Industriegesellschaft steht ... eine Bewegung gegenüber, die genau das Gegenteil anstrebt und die immer stärker an Einfluß gewinnt. Träger dieser Gegenbewegung ist das Intelligenzproletariat ....“ (Ebd., 2012, S. 262).

»Das sogenannte intellektuelle Proletariat entsteht aus einer Überproduktion ... und ist stets als ein Krankheitszustand zu betrachten. Dieser Zustand ist verursacht 1. durch eine geistige Oberschätzung der formalen Bildung im allgemeinen, 2. durch plötzliches Stocken des ,Konsums' an geistigen Gütern ..., 3. durch eine im Lande vorhandene industrielle Rückständigkeit, welche die Jugend einer unproduktiven, weil überlaufenen Beamtenlaufbahn oder den sogenannten liberalen Berufen konzentrisch zudrängt, 4. durch persönliche Liederlichkeit und Lebensunklugheit (verkrachte Existenzen).« (Robert Michels, Historisch-kritische Untersuchungen zum politischen Verhalten der Intellektuellen, 1933).“ (Ebd., 2012, S. 262).

„Die politische Bedeutung dieser Entwicklung für den Kreislauf der Verfassungen hat keiner in seiner vollen Tragweite besser erkannt als der Sozialistenführer August Bebel (1840-1913): »Die bürgerliche Welt schafft aber nicht nur Überproduktion an Waren und an Arbeitern, sondern auch an Intelligenz. Deutschland ist das klassische Land, das diese Überproduktion an Intelligenz [ an Bildung], welche die bürgerliche Welt nicht mehr zu verwerten weiß, auf großer Stufenleiter schafft. Ein Zustand, der für die deutsche Entwicklung jahrhundertelang als ein Unglück galt, hat wesentlich zu dieser Erscheinung beigetragen. ...Die Kleinstaaterei dezentralisierte das geistige Leben der Nation, sie schuf viele kleine Zentren geistigen Lebens, die ihren Einfluß auf das Ganze ausübten. ...So entstanden wie in keinem anderen Lande Europas Hochschulen und Universitäten in Menge. ... Das Bedürfnis nach Intelligenz steigerte sich, als die zunehmende Bildung, Hand in Hand gehend mit der materiellen Entwicklung des Bürgertums, das Verlangen nach politischer Beteiligung, nach Volksvertretungen und Selbstverwaltung der Gemeinden weckte. Es waren kleine Körperschaften für kleine Länder und Kreise, aber sie veranlaßten die Söhne der höheren Klassen, nach einer Stelle in denselben zu geizen und ihre Bildung danach einzurichten. .... Die Bourgeoisie war bereits zu entwickelt, um die vielen politischen Schranken, die zugleich ökonomische waren, innerhalb der vielen einzelnen Staaten, länger dulden zu können; sie machte Miene, revolutionär zu werden. ...Endlich fielen die Schranken, die ihre materielle Entwicklung gehindert hatten. Bei dem Reichtum Deutschlands an Kohlen und Erzen und einer intelligenten, aber genügsamen Arbeiterklasse erlangte die Bourgeoisie binnen wenigen Jahrzehnten eine riesenhafte Entwicklung. .... Diese rasche materielle Entwicklung hatte aber auch ihre Kehrseite. Das bis zur Gründung der Einheit Deutschlands zwischen allen deutschen Staaten bestehende Absperrungssystem hatte bis dahin einem ungemein zahlreichen Handwerker- und Kleinbauernstand die Existenz gefristet. Mit der jähen Niederreißung aller Schutzschranken sahen diese sich plötzlich einem sich zügellos entwickelnden kapitalistischen Produktionsprozeß gegenübe1: Diese kamen dadurch in eine verzweifelte Lage. .... In diesem Verzweiflungskampf suchen viele möglichst Rettung in der Veränderung des Berufs. Die Alten können diesen Wechsel nicht mehr vollziehen, Vermögen können sie in den seltensten Fällen ihren Kindern hinterlassen, so werden die letzten Anstrengungen gemacht und die letzten Mittel aufgeboten, um Söhne und Töchter in Stellungen mit fixem Einkommen zu bringen, wozu ein Betriebskapital nicht nötig ist. Dies sind die Beamtenstellen im Reichs-, Staats- und Kommunaldienst, das Lehrfach, der Post- und Eisenbahndienst, die höheren Stellen im Dienste der Bourgeoisie, auf den Kontors, in den Warenlagern und Fabriken, als Kontoristen, Lagerhaltet; Chemiket; Techniket; Ingenieure, Konstrukteure usw., fel:ner die sogenannten liberalen Berufe: Juristen, Ärzte, Theologen, Schriftstellet; Künstlet; Architekten, Lehrer und Lehrerinnen u.s.w.. Tausende und aber Tausende, die früher einen gewerblichen Beruf ergriffen hätten, sehensich jetzt, weil keine Möglichkeit ~.ur Selbständigkeit und einer auskömmlichen Existenz mehr vorhanden ist, nach irgendeiner Stellung in den erwähnten Berufen um. Alles drängt zur höheren Ausbildung und zum Studium. Realschulen, Gymnasien, Polytechniken usw. wachsen wie Pilze aus der Erde, und die bestehenden sind überfüllt; im gleichen Maßstab wächst die Zahl der Studierenden auf den Universitäten, der Eleven in den chemischen und physikalischen Laboratorien, in den Kunstschulen, den Gewerbe- und Handelsschulen, den höheren weiblichen Bildungsanstalten aller Art. In allen Fächern ohne Ausnahme besteht eine hochgradige Überfüllung, und immer stärker wird der Strom. Es werden immer neue Verlangen laut nach Gründung von Gymnasien und höheren Bildungsanstalten, um die Zahl der Schüler und Studierenden aufzunehmen. Behörden und Private erlassen Warnungen über Warnungen, indem sie bald vor dem Studium dieses, bald jenes Faches warnen. .... Weiter kommt hinzu, daß das große Heer der Reichs-, Staats- und Kommunalbeamten aller Grade in erster Linie seine Kinder für Berufe wie die erwähnten erzieht und erziehen muß. Soziale Stellung, der Bildungsstand und die Ansprüche dieser Kreise verlangen die Fernhaltung der Kinder von sogenannten niederen Beschäftigungsarten, die überdies ebenfalls überfüllt sind. Namentlich sind es viele wohlhabende Bauernsöhne, welchen die Rückkehr auf das Dorf und zum väterlichen Beruf nicht mehr zusagtInfolge aller dieser Umstände hat Deutschland mehr als jedes andere Land ein ungemein zahlreiches Gelehrten- und Künstlerproletariat, ein starkes Proletariat in den sogenannten liberalen Berufen, das stetig sich vermehrt und die Gärung und Unzufriedenheit mit dem bestehenden Zustand der Dinge bis in die höheren Kreise der Gesellschaft trägt. Diese Jugend wird zur Kritik an dem Bestehenden herausgefordert und gereizt und hilft die allgemeine Zersetzungsarbeit wesentlich beschleunigen. So wird von allen Seiten der bestehende Zustand der Dinge angegriffen und untergraben. Alle diese Verhältnisse führten dazu, daß die deutsche Sozialdemokratie in dem großen Riesenkampf der Zukunft die erste Führerrolle übernommen hat. Deutsche Sozialisten waren es, welche die Bewegungsgesetze der modernen Gesellschaft entdeckten und den Sozialismus als die Gesellschaftsform der Zukunft wissenschaftlich begründeten.« (August Bebel, Die Frau und der Sozialismus, 1892, S.388 ff.). Es ist also nur folgerichtig, wenn an dem Tage, an dem dieses Zitat in unser Buch hier eingefügt wird, eine SPD-geführte Landesregierung die von einer CDURegierung beschlossenen Studiengebühren wieder aufhebt, da diese ja den Zustrom zu den Hochschulen und damit die Vergrößerung des Intelligenzproletariats und die daraus folgende Zersetzungsarbeit vermindern könnten.“ (Ebd., 2012, S. 263-264).

„Otto von Bismarck (1815-1898) hatte bei der Debatte über die Verlängerung des Sozialistengesetzes auf der Reichstagssitzung am 12. Mai 1884 erstmals vom »Abiturientenproletariat« gesprochen.“ (Ebd., 2012, S. 264).

»Staatspolitisch betrachtet, gibt es mithin zwei Klassen Intellektueller. Die eine setzt sich aus denen zusammen, welchen es geglückt ist, an der Staatskrippe ein Unterkommen zu finden, während die andere aus denen besteht, die die Festung belagert haben, ohne daß es ihn:n gelungen ist, in sie einzudringen. ...Die anderen sind die geschworenen Feinde des Staates,. sind die ewig unruhigen Geistel; welche die bürgerliche Opposition führen und die Führerschaft der revolutionären Parteien des Proletariats übernehmen. Die staatliche Beamtenschaft besitzt dabei die generelle Tendenz, sich im langsameren Tempo zu vergrößern und zu erweitern, als es den unzufriedenen Elementen aus den Mittelklassen zupaß käme.« (Robert Michels, Historisch-kritische Untersuchungen zum politischen Verhalten der Intellektuellen, 1933). Zu wenig Lehrer, zu wenig Polizei usw., man kennt das.“ (Ebd., 2012, S. 264).

„Daß die unteren Schichten nicht in der Lage sind, in nennenswertem Umfang an der Vermögensbildung teilzunehmen, ist aufgrund ihrer knappen finanziellen Situation nicht weiter verwunderlich. Kaum etwas ist so ungleich verteilt wie die Zins- und Dividendeneinnahmen. Das reichste Fünftel der Haushalte kassiert gut vier Fünftel der Gesamtsumme. Auch hier hatten bis 1996 im Vergleich zu 1991 die Reichen ihren Anteil kräftig erhöht (Heuser 1997). Insgesamt gesehen nimmt die Ungleichheit in der Vermögensverteilung (Atkinson 1975) seit langem zu, wie ein Vergleich der Einkommens- und Verbrauchsstichproben von 1973, 1978, 1983 und 1988 für die Bundesrepublik Deutschland zeigt.“ (Ebd., 2012, S. 267).

„Der Wert des Gini-Koeffizienten zeigt mit 0 vollständige Gleichverteilung des Gesamteinkommens auf alle Haushalte an und mit 1 die Konzentration auf eine einzige Person. Von 1998 bis 2006 stieg in der Bundesrepublik Deutschland die Ungleichheit, gemessen mit diesem Gini-Koeffizienten, stetig von 0,27 auf 0,32. Die reichsten 10% der Bevölkerung haben im Vergleich zu den ärmsten 10% das rund 4,2fache Nettoeinkommen.“ (Ebd., 2012, S. 267). ** **

„Die mitteleuropäischen Staaten lagen 2008 mit ihren Gini-Werten, abgebildet auf dem Hintergrund der gesamten Welt, noch in einem mittleren Bereich: Österreich 0,29, Schweiz 0,34, Niederlande 0,31. Zum Vergleich: Dänemark 0,25; Schweden 0,25; USA 0,41, China 0,47; Brasilien 0,55, Südafrika 0,58). Im kommunistischen China lag 1983 der Koeffizient noch unter 0,30. Bei den statistischen Fehlerquellen und Unterschieden in den Berechnungsgrundlagen von Land zu Land sind alle derartigen Zahlen mit kritischer Vorsicht zu genießen. Bei den eben zitierten Zahlen zu Südafrika, Brasilien und China - im krassen Gegensatz etwa zu Schweden und Dänemark - werden aber unsere groben Einschätzungen über die Verteilung der Ungleichheit in der Welt und insbesondere innerhalb bestimmter Länder bestätigt. Die Höhe des Gini-Koeffizienten steht sowohl in Zusammenhang mit der regionalen und sozialen Streuung der IQ-Werte in den einzelnen Ländern als auch mit der Phase, in der sie sich im Kreislauf der politischen Verfassungen und der energetischen Grundlagen ihrer Volkswirtschaften befinden.“ (Ebd., 2012, S. 267).

„Bei den Reichen ist der Besitz nochmals stark auf wenige Superreiche konzentriert: 1% der Haushalte hatten schon 1980 fast ein Viertel (23%) des Gesamtvermögens auf sich vereint. Noch höher ist der Konzentrationsgrad im Bereich des Produktivvermögens bzw. Kapitals. Mit der Verfügungsgewalt über das Produktivvermögen verbindet sich besondere wirtschaftliche, soziale und politische Macht, da die Kapitaleigentümer erhebliche Einflüsse auf Arbeitsplätze, Investitionen und die wirtschaftliche Entwicklung im allgemeinen ausüben. 1966, dem Jahr der letzten verfügbaren Statistik, waren 45% des Produktivvermögens in der Hand von 1,7% der bundesdeutschen Privathaushalte konzentriert. Rechnet man den Teil des Produktivvermögens weg, der dem Staat oder ausländischen Eigentümern gehört, dann verfügen 1,7% der Privathaushalte über 74% des privaten inländischen Kapitals. Es muß gute Gründe geben, warum neuere Veröffentlichungen keinen Einblick in die weitere Entwicklung gestatten.“ (Ebd., 2012, S. 267).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft
Die deutschen Beamten.

„Eine deutsche Besonderheit ist die Beamtenschaft. Auffällig ist zunächst ihr zahlenmäßiges Wachstum. Seit 1950 wird das Heer der Staatsdiener ständig größer. Ihre absolute Zahl stieg von 791.000 im Jahre 1950 auf 2.022.000 im Jahre 1993 an, ihr Anteil an den Erwerbstätigen kletterte in diesem Zeitraum von 3,8% auf 7,1%; erst die Privatisierung von Bahn und Post hat das Wachstum gestoppt.“ (Ebd., 2012, S. 270).

„In ähnlichem Umfang nahm auch die absolute und relative Zahl der Angestellten im öffentlichen Dienst zu. Der Anteil der beim Staat Beschäftigten in der Erwerbsbevölkerung stieg von 11% im Jahre 1950 auf 16% im Jahre 1993. Hintergrund dieses Wachstums ist die Funktionserweiterung des Staates und die fortschreitende Tendenz zur Zentralisierung. Wie eine Krake saugt der Staat Geld und Energie des Gemeinwesens an. »Staat nenne ich es, wo alle Gifttrinker sind. Staat nenne ich es, wo der langsame Selbstmord aller das Leben heißt«, schrieb Nietzsche in »Also sprach Zarathustra« (**). Aber das war schon im 19. Jahrhundert. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erweiterte die Entwicklung des liberalen Rechtsstaats zum Einmischungs- und zum Versorgungsstaat die Vielfalt der staatlichen Aufgaben erheblich. Der Staat beschränkte sich nicht nur auf die traditionelle Sicherungs- und Ordnungsaufgabe, die er immer schlechter wahrnimmt, sondern er griff auch lenkend in immer mehr Bereiche des Lebens ein, ja er übernahm als Sozialstaat sogar Vor- und Fürsorgeaufgaben. Unter seiner Regie vollzog sich die Bildungserweiterung und Bildungsentwertung (vgl. Hans Maier, Die andere Bildungskatastrophe, 1970). Die umsichgreifende Bevormundung verlangt nach einer Erweiterung des Staatspersonals, also der Zahl der Beamten und der öffentlichen Angestellten.“ (Ebd., 2012, S. 270-271).

„Es gilt nicht für alle und nicht für den letzten kleinen Polizisten, aber Überdurchschnittliche Qualifikation und überdurchschnittliche Einkommen kennzeichnen die Beamtenschaft. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Qualifikationsstruktur der Beamtenschaft sogar nach oben verschoben. 1960 waren erst ein Drittel im gehobenen oder höheren Dienst tätig, 1993 bereits 55%, 2002 68%. Man kann das aber ebenso als Entwertung der Dienstgrade deuten. Mit dem Qualifikationsstand der Beamten hängt auch ihr höheres Nettoeinkommen zusammen: im Jahre 2002 lag es um 38% über dem eines durchschnittlichen Arbeiterhaushalts. Im Ruhestand, den jeder Beamte bestrebt ist, noch bei guter Gesundheit zu erreichen, nimmt der finanzielle Vorsprung noch weiter zu: die Haushaltsnettoeinkommen lagen in den 1980er Jahren bei pensionierten Beamten um 55% höher als bei Arbeitern im Ruhestand und sogar um 40% höher als bei Selbständigen im Ruhestand. Die Einkommen der Beamten sind nicht nur höher, sondern auch sicherer und besser berechenbar als die anderer Berufsgruppen, da Gehaltszulagen rechtlich geregelt und vorhersehbar sind und oft unabhängig von der Arbeitsleistung garantiert werden.“ (Ebd., 2012, S. 271).

„Geißler schließt seine Feststellungen mit dem treffenden Satz: »Die privilegierte Soziallage ermöglicht den Beamten ein vergleichsweise zufriedenes und von großen Sorgen freies Leben.« (Rainer Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands, 2006). Da auch die Professoren in Deutschland zur Beamtenschaft zählen, wäre die Verallgemeinerung falsch, die Beamtenschaft sei die deutsche Antithese zur Intellektuellen Elite. Die Sachlage ist komplizierter. Nur etwa die Hälfte aller Personen mit einem hohen IQ zeigt auch eine hohe Kreativität, die andere Hälfte dürfte aber stets fast noch zu einem guten oder mittelmäßigen Beamten taugen.“ (Ebd., 2012, S. 271).

»Beamte sind in der Lage, ihren Kindern besonders gute Bildungschancen zu vermittein« (so formuliert der Soziologe Geißler,und der Biologe denkt dabei auch an Gene); demzufolge sind an Gymnasien und Universitäten Beamtenkinder übermäßig stark vertreten. Beamte sind oft auch politisch aktiv. Die Ursache dafür dürfte nicht nur in ihrem hohen Bildungsstand zu suchen sein, sondern auch darin, daß sie durch ihre im Dienst gewonnenen Einsichten zur politischen Teilnahme angeregt werden und ihnen ihr Dienstwissen Kompetenz vermittelt.“ (Ebd., 2012, S. 271).


Der Aufstieg der intellektuellen Elite in der Industriegesellschaft
Stadt und Land im Kreislauf von Aufbau und Verfall.

In Mitteleuropa und anderswo können wir seit Jahrhunderten feststellen: Nicht nur die soziale Ungleichheit, sondern auch die Ungleichheit der Siedlungen nimmt ständig zu. Das nur von Bauern bewohnte, sich selbstversorgende Dorf ist ebenso Geschichte wie die Stadt, deren Bestand und deren Aufgabe untrennbar mit ihrem bäuerlichen Umland zusammenhing. Diese Städte lagen höchstens eine Tagesreise mit dem Pferdewagen auseinander, also gerade so weit, wie ein Bauer von der Mitte für eine Fahrt zum Markt hin und zurück brauchte. Und damit sind wir schon bei der entscheidenden Ursache der Siedlungsdifferenzierung angelangt, der Verfügbarkeit von Antriebsenergie für die Beförderungsmittel. Der Einsatz von Kohle und Erdöl hat auch die Siedlungsstruktur grundlegend verändert (vgl. Christian Pfister, Das 1950er Syndrom, 1997). Es wurde möglich, Lebensmittel aus Dörfern in immer größere und immer weiter entfernte Ballungszentren zu schaffen. Städte, die mit Schiffen erreichbar sind, und Bergwerkszentren lockern die Hierarchie des Siedlungsgefüges zwar auf, das aber auch in diesen Fällen den Gesetzen von Energiekosten und Energiebedarf folgt.“ (Ebd., 2012, S. 271-272).

»In den jeweiligen Zentren an der Spitze des hierarchischen Siedlungssystems«, so der Heidelberger Geograph Peter Meusburger (1998, 89), »war nicht nur die politische Macht konzentriert, hier wurden nicht nur die wichtigsten Handelsverflechtungen zusammengeführt, sondern hier haben sich die abwechslungsreichsten Elemente zusammengeschlossen. Einzelne Städte wie Venedig (nicht zu vergessen: Lübeck, Hamburg und die veielen anderen Hansestädte; HB), Amsterdam und London bildeten zur Zeit ihrer wirtschaftlichen Blüte das Lagerhaus der Welt, sie kontrollierten die Handelsströme der Welt und beherbergten die Niederlassungen der wichtigsten Handelshäuser aus ganz Europa. Den Gegenpol bildete die dünnbesiedelte Peripherie. .... Zwischen Zentrum und Peripherie bestand nicht nur ein Gefälle der Preise, der Löhne, des Lebensstandards, des Sozialprodukts und des Pro-Kopf-Einkommens, sondern vor allem auch ein Gefälle des Wissens.« (Peter Meusberger, Bildungsgeographie, 1998, S. 89).“ (Ebd., 2012, S. 272).


Die Intelligenz und ihre Feinde 5) Blicke in den Alltag der sozialen Schichten.

–  Armut, IQ und Kinderreichtum (S. 284-288)
–  Bildung (S. 288-302)
–  Familienleben (S. 303-309)
–  Unehelichkeit (S. 309-311)
–  Abhängigkeit von Sozialhilfe (S. 311-314)
–  Kriminalität (S. 314-316)

„Bei den Personen, die dieses Buch hier lesen, gehören aller Wahrscheinlichkeit nach alle Ihre Freunde und Ihre unmittelbaren Berufskollegen der Schicht I an der Spitze an, gehören also nach der Definition von Weiss zu den Hochbegabten des Genotyps M1M1 (vgl. S. 218 **), also zu der schmalen kleinen Glockenkurve am oberen Ende der drei Normalverteilungen (**|**). .... Zur intellektuellen Elite, der Schicht I gehören in der Bundesrepublik Deutschland reichlich 4 Millionen Menschen, im deutschen Sprachraum 5 Millionen Menschen.“ (Ebd., 2012, S. 283).


Blicke in den Alltag der sozialen Schichten Armut, IQ und Kinderreichtum.

„Warum leben in reichen Ländern so viele Kinder in Armut? Die Armut unter Kindern ist in »Familien« (Anführungszeichen von mir; HB), die nur eine alleinstehende Mutter hatten, stets größer gewesen, ob die Mutter nun geschieden war oder nie verheiratetet. In »Familien« (Anführungszeichen von mir; HB) von alleinstehenden Müttern waren in den USA 1991 36% arm, in allen anderen Familien (den echten Familien also; HB) 6%. Seit 1959, dem Jahr, seit dem es überhaupt derartige amtliche Statistiken gibt, waren stets mehr als 30% aller alleinstehenden Mütter arm. Und die Rechnung war bis 1996 in den USA von brutaler Einfachheit: Je höher der Anteil der Kinder ist, die in Haushalten mit einer alleinerziehenden Frau leben, desto größer ist der Anteil der Kinder, die in Armut leben. Ein großer Teil der wachsenden Armut unter Kindern kommt also dadurch zustande, daß ein wachsender Anteil der Kinder in solchen »Familien« (Anführungszeichen von mir; HB) aufwächst.“ (Ebd., 2012, S. 284-285).

„Auch »im deutschen System erhalten Familien mit niedrigem oller gar keinem Einkommen Prämien für ihre Kinder«, merkt Thilo Sarrazin (2010, S. 86) an. »Insoweit ist die soziale Schieflage in der deutschen Geburtenstruktur nicht verwunderlich. Auch für das einkommensunabhängige Kindergeld in Deutschland gilt: Wenn überhaupt, dann entfaltet es Anreizwirkungen im Bereich niedriger Einkommen und damit bei den Falschen. Die USA haben längst etwas gegen die hohe Zahl der Unterschichtgeburten in ihrem Land unternommen.«“ (Ebd., 2012, S. 285).

„In der Bundesrepublik Deutschland gehören zu den Gruppen mit dem höchsten Armutsrisiko die Alleinerziehenden. Ihre Zahl hat durch den Anstieg der Scheidungsraten und der unehelichen Geburten stark zugenommen; in Westdeutschland lag 1992 der Anteil Alleinerziehender an allen Familien mit Kindern unter 18 Jahren bei 14%; im Osten, wo zu diesem Zeitpunkt 42% der Sozialhilfebezieher Alleinerziehende waren, lag der Anteil bei 22%. ,2002 müssen zwei Fünftel der Alleinerziehenden unter der 60%-Grenze leben, bei zwei und mehr Kindern sind es fast drei Fünftel. Wichtige Ursachen dafür sind die unzureichende Versorgung durch die Väter sowie die Arbeitsmarktprobleme und die niedrigen Einkommen der Mütter.« (zitiert nach Rainer Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands, 2006, S. 207).“ (Ebd., 2012, S. 285).

„Auch Kinderreichtum ist in Deutschland eine häufige Ursache von Deklassierung. Mit zunehmender Kinderzahl scheiden immer mehr Mütter aus dem Arbeitsmarkt aus bzw. haben bei Bewerbungen keine Chance. Insbesondere das dritte Kind spielt dabei eine wichtige Rolle; es ist häufig Anlaß für den Verlust des zweiten Erwerbseinkommens der Familie. Daher war das Armutsrisiko von kinderreichen Familien schon früher hoch; ,2002 lebten 29% der Familien mit mindestens drei Kindern unter der 60%-Grenze.« (Rainer Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands, 2006, S. 208). Darauf folgt zwangsläufig, daß in Deutschland auch Kinder und Jugendliche, die in solchen armen Familien aufgewachsen sind, selbst wieder Überdurchschnittlich häufig in Not geraten. Auf Sozialhilfe, die schon in den 1970er und 1980er Jahren in Deutschland ständig zunahm, sind heute junge Menschen unter 18 Jahren besonders oft angewiesen; 2003 mit 7,2% mehr als doppelt so häufig wie alle Bundesdeutschen (3,4% ).“ (Ebd., 2012, S. 285).

„Sarrazin weiter: »Der Sozialstaat sorgt durch Umverteilung und Auffangnetze dafür, daß jeder Bürger materiell in der Lage ist, für seine Gesundheit zu sorgen, sich zu ernähren, zu kleiden und noch einiges mehr. .... Um eine Mindestabsicherung zu erhalten, ... sind weder schulische Grundkenntnisse noch ein gewisser Fleiß, noch Pflichtbewußtsein im sozialen und familiären Zusammenhang, ja eigentlich überhaupt keine Eigenschaften und Fähigkeiten erforderlich, die über das reine Existieren hinausgehen. Auch der Belohnungsmechnismus für solche Eigenschaften existiert in der Transferwelt nicht, damit bilden sich diese zurück oder werden gar nicht erst ausgebildet, ähnlich wie die Muskeln bei jenen atrophieren, die sich zu wenig bewegen. Für die moralisch und geistig Schwächeren in der Gesellschaft ist dies eine große Versuchung. Bleiben sie länger im Zustand des anforderungsfreien Lebens, auch wenn sie ohne ihren Willen oder durch Unglück dort hineingeraten sind, verlieren sie neben dem Willen auch die Fähigkeiten, die erforderlich sind, sich aus diesem Zustand wieder zu befreien. .... Je größer die Bedarfsgemeinschaft, desto höher ist der Betrag der monatlichen Grundsicherung. Ein Ehepaar mit zwei Kindern erhält 1710 Euro im Monat. Ein sozialversicherungspflichtiger Alleinverdienender müßte schon 2500 Euro brutto verdienen, um diese Summe zur Verfügung zu haben. Bei vier Kindern müßte er brutto 3500 Euro erreichen, um auf die Grundsicherung von 2300 Euro zu kommen. Mit jedem Kind erhöht sich die Grundsicherung um 322 Euro. Über die Ausgaben muß keine Rechenschaft abgelegt werden. Nahrungsmittel gibt es mittlerweile ... bei den verschiedenen Tafeln und gebrauchte Kinderkleidung wird ... sehr günstig angeboten. Eine Bedarfsgemeinschaft aus zwei Erwachsenen und vier Kindern kann auf diese Weise die Grundsicherung erheblich aufstocken. Es liegt eine gewisse Logik darin, daß der Anteil der Kinder aus Haushalten von Transferempfängern etwa doppelt so hoch ist wie der Anteil der Transferempfänger selbst. In Berlin stammen mittlerweile 35% der Schulkinder aus Haushalten von Transferempfängern, in Bremen sind es 30%, in Hamburg 25% und im Bundesdurchschnitt 16%. Nicht Kinder produzieren Armut, sondern Transferempfänger produzieren Kinder. Die Statistik scheint das zu belegen, denn in in der Bundesrepublik bekommen diejenigen, die von sozialer Unterstützung leben, deutlich mehr Kinder als der vergleichbare Rest der Bevölkerung. Damit wächst in unserem Bildungssystem der Anteil der Kinder aus bildungsfernen Unterschichtfamilien kontinuierlich.« (Politisch korrekt formuliert, denn es wächst der Anteil der Kinder mit niedrigem IQ - solchen Klartext wagt Sarrazin nicht zu schreiben bzw. sein Verlag zu drucken.)“ (Ebd., 2012, S. 285-286).

»Nach Abschluß einer meist wenig erfolgreichen Schullaufbahn schlagen die wenig qualifizierten Kinder großenteils den Weg ihrer Eltern ein und bekommen (bereits in jungen Jahren [diese eingeschobenen Anmerkung von Weiss zeigt, daß er mehr weiß als Sarrazin; HB]) wieder überdurchschnittlich viele Kinder: Systematische Unterschiede in der Fruchtbarkeit (und des Generationenabstandes [diese eingeschobenen Anmerkung von Weiss zeigt, daß er mehr weiß als Sarrazin; HB]) verschiedener Gruppen bedeuten in wenigen Generationen eine radikale Verschiebung der Bevölkerungsverhältnisse. Deshalb wird das unterschiedliche generative Verhalten von Unterschicht und Rest der Bevölkerung auf Dauer unsere Gesellschaft verändern. .... Die Grundsicherung beeinflußt also die Sozialisation und das generative Verhalten der Unterschicht. Sie bestimmt aber auch wesentlich das Migrationsgeschehen und die Integrationsbereitschaft der Migranten. Ohne die deutsche Grundsicherung wäre ein großer Teil der Migranten aus der Türkei, aus Afrika und Nahost niemals gekommen. ....Ohne Grundsicherung wäre auch der Familiennachzug geringer gewesen und Deutschland als Asyl nur halb so attraktiv. .... Insbesondere unter den Arabern in Deutschland ist die Neigung weit verbreitet, Kinder zu zeugen, um mehr Sozialtransfers zu bekommen, und die in der Familie eingesperrten Frauen haben im Grunde ja kaum etwas anderes zu tun«, glaubt der SPD-Politiker Sarrazin zu wissen. (2010, S. 147 ff.).“ (Ebd., 2012, S. 286).

„Und er fügt an anderer Stelle hinzu: »In der Grundsicherung für Kinder ist ein Differenzbetrag vorgesehen, der über den Mehrausgaben liegt, die alle deutschen Haushalte für Kinder durchschnittlich aufwenden. Man kann für seine Kinder aber durchaus auch weniger ausgeben als der Durchschnitt, ohne daß diese hungern müßten. Das heißt letztlich, daß der Empfänger von Transferleistungen seinen Lebensstandard erhöhen kann, indem er Kinder bekommt. Damit ist die natürliche Ordnung der Welt auf den Kopf gestellt. .... Kinder und insbesondere viele Kinder machen es der Unterschicht leichter, das Leben ohne reguläre Arbeit recht angenehm zu gestalten, denn die Geldleistungen für Kinder können als ›Deckungsbeitrag‹ für den Lebensstandard der Erwachsenen zweckentfremdet werden.« (Thilo Sarrazin 2010, S. 385). Statt von »Transfer« sprechen wir in diesem Buch an anderen Stellen schlicht und einfach von Umverteilung. Es bedeutet stets: das, was den einen gegeben wird, wurde anderen vorher weggenommen.“ (Ebd., 2012, S. 286).

„Nicht nur in Deutschland ist die Gefahr, an den Rand der Gesellschaft zu geraten, bei Ungelernten und Angelernten um ein Vielfaches höher als unter Hochschulabsolventen, sondern in allen Industriestaaten. Bei Menschen ohne Ausbildungsabschluß gibt es häufig längere Armutsperioden, bei Abiturienten und Akademikern in den richtigen Berufen gehört das zu den Ausnahmefällen. Der Regelsatz für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ist in den letzten Jahrzehnten in Deutschland dynamisch an die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung angepaßt worden. »Sein Realwert ist zwischen 1965 und 2000 prozentual sogar deutlich stärker gestiegen (um fast 80%) als die durchschnittlichen Nettorealverdienste der Arbeitnehmer (um 44%).« (Rainer Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands, 2006, S. 209). Dennoch wird auch in Deutschland die Armutskluft, der Abstand im Lebensstandard zwischen den Armen und dem Durchschnitt der Bevölkerung (von der Oberschicht ganz abgesehen), stetig und allmählich größer. Legt man die Preise von 1991 zugrunde, dann stieg in Westdeutschland seit 1965 der Eckregelsatz der Sozialhilfe um 106 Euro, die Löhne und Gehälter dagegen um durchschnittlich 357 Euro. Die Armen haben also in bescheidenem Maße an der Wohlstandsentwicklung teilgenommen, und sie leben 2000 in etwas weniger kümmerlichen Verhältnissen als 1965. Gleichzeitig hat sich jedoch die Schere zwischen Armutsgrenze und Durchschnittseinkommen weiter geöffnet. Eine Minderheit, sie umfaßt etwa ein Drittel der Armen, ist sogar dazu verurteilt, mindestens fünf Jahre lang oder auch noch länger in extremer Wohnungsnot oder an bzw. unterhalb der Grenze des Existenzminimums zu leben.“ (Ebd., 2012, S. 287).

„Bei Obdachlosen werden 60% des Einkommens für ihre Zahlungsverpflichtungen aufgezehrt. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter den Obdachlosen betrug 2003 22%. Kinderreiche Familien mit mindestens drei Kindern machen 40-50% der Bewohner von Obdachlosenunterkünften aus. Etwa die Hälfte der Kinder aus obdachlosen Familien werden in Sonderschulen überwiesen und nur etwa 20% erlernen einen Beruf. Diese Zahlen weisen darauf hin, daß es sich nicht nur um eine Folge der sozialen Umwelt handelt, sondern um eine Gemengelage aus geringer Denkkraft, Persönlichkeitsstörungen (auch mit genetischen Komponenten) und Umweltschäden.“ (Ebd., 2012, S. 287).

„Kein untersuchter Indikator für Probleme des Sozialverhaltens ist aussagekräftiger als der Zusammenhang zwischen dem IQ des Kindes und dem IQ der Mutter. Mütter, die Kinder von sechs Jahren und älter im schlechtesten Dezil der IQ-Verteilung hatten, hatten selbst einen mittleren IQ von 81. 94% dieser Kinder hatten Mütter mit einem IQ unter 100. In der Humangenetik wird in diesem Grenzbereich immer noch mit dem Begriff »erblicher Schwachsinn« argumentiert. Man könnte ebensogut von »physiologischer Dummheit« sprechen. Dahinter verbirgt sich eine große Anzahl von Genen, bei denen der normale Stoffwechsel gestört sein kann und bei denen dann bestimmte Allele in doppelter Dosis zu beträchtlichen geistigen Ausfallserscheinungen führen können, nicht selten auch zusammen mit körperlichen Ausfällen und Mißbildungen. Der Schwachsinn ist dann nur eine Begleiterscheinung.“ (Ebd., 2012, S. 287).

„In den letzten Jahren ist es gelungen, bei einer immer größer werdenden Zahl von genetischen Defekten den genauen biochemischen und genetischen Mechanismus aufzudecken, so daß die Restgruppe »erblicher Schwachsinn,« für die die Ursache noch immer unklar ist, von Jahr zu Jahr kleiner wird und mit dem weiteren Fortschreiten der humangenetischen Forschung ganz verschwinden sollte. Auch unser Modell, bei dem Intelligenz nur durch einen einzigen Locus mit den Allelen M1 und M2 bestimmt wird, wird sich im Laufe der weiteren Forschung als eine Vereinfachung herausstellen, mit der Wesentliches zwar richtig erfaßt wurde, hinter der sich aber eine viel komplexere Wirklichkeit verbergen dürfte. So könnten die Allele M1 und M2 die Abstraktion von zwei Allelserien sein, deren Eigenschaften sich innerhalb einer Serie nur geringfügig unterscheiden, und es könnte weitere, seltene Allele geben. Unter bestimmten Bedingungen sollten auch andere genetische Faktoren bzw. Loci von Bedeutung sein. Auch bei den Blutgruppen kannte man am Anfang nur die Haupt-Blutgruppen und ihre Eigenschaften. Heute ist die Genetik der Blut- und Serumgruppen eine Wissenschaft für sich, wobei man inzwischen für die meisten Blutgruppen die genaue genetische Kodierung kennt. Oft handelt es sich dabei um einfache genetische Polymorphismen (SNPs), manchmal aber auch um komplexere genetische Hintergründe. Eine analoge Ausweitung und Differenzierung der Ergebnisse und Sichtweisen sollte man auch für die Genetik der Denkkraft erwarten.“ (Ebd., 2012, S. 287-288).

„Herrnstein und Murray ziehen den Schluß, ein großer Anteil der Menschen, mit deren Verhalten und Problemen sich die Sozialpolitik befassen muß, hätte eine niedrige Intelligenz. Oft bewegt sich ihre Denkkraft nahe der Grenze zur Schwachsinnigkeit. Wenn man erfolgreiche Sozialpolitik machen will, dann muß man sagen, wie man die am wenigsten intelligenten Menschen erreichen will, ohne sie durch Transfers zu einer übermäßigen Vermehrung anzuregen.“ (Ebd., 2012, S. 288).

Blicke in den Alltag der sozialen Schichten Bildung.

„Um 1965 brach in der Bundesrepublik Deutschland »eine heute nicht mehr vorstellbare Bildungshysterie aus, in der nahezu alles falsch gemacht wurde, was falsch gemacht werden konnte. Die Politiker, aus Furcht vor dem Verlust ihrer Mandate bei der nächsten Wahl, übertrafen sich gegenseitig in der Erfüllung der in dieser Situation auftretenden Forderungen, durch deren Befolgung es ... alle paar Jahre zu einer Verdoppelung der Bildungsausgaben kam. Das Studium als Karriereleiter nach oben für alle in der Gesellschaft, die noch nicht oben waren, wurde angepriesen von einer Partei, in der es Männer und Frauen mit Volksschulabschluß schon immer über die sozialistische Aufstiegsleiter im Namen der sozialen Gerechtigkeit zu etwas gebracht hatten, nun aber sollte auch noch die letzte Hürde genommen werden. In langer Tradition gewachsene und bewährte Strukturen im Bildungswesen galten jetzt plötzlich nichts mehr und wurden zertrümmert. Lehrerseminare stufte man zu Pädagogischen Hochschulen hoch, ... die man schließlich einfach in die alten Universitäten integrierte. .... Ebenso verfuhr man mit den Ingenieurschulen. .... Die Leistungsanforderungen des Abiturs wurden abgesenkt, um möglichst viele Studierende zu produzieren, die dann die Universitäten überfüllten und oft Fächer studierten, für die sie sich gar nicht interessierten und oft genug war ihnen das Studieren überhaupt wesensfremd. .... Die Abbrecherquoten der Studierenden stieg in den Folgejahren und bis heute in früher nichtgekannte Höhen.« (Klaus Oehler, Blicke aus dem Philosophenturm., 2007, S. 206 ff.).“ (Ebd., 2012, S. 289).

„In den USA scheint, so meinen Herrnstein und Murray (1994), die Beziehung zwischen dem IQ und dem Erreichen eines bestimmten Bildungsgrades über die Zeit bemerkenswert stabil geblieben zu sein. Vor vierzig Jahren stand in einem Lehrbuch über den Wechsler-IQ: Der mittlere IQ derjerugen, die eine schulische GrundausbIldung (die High School der USA) abgeschlossen haben, lag bei einem IQ von 105; der Mittelwert bei denjenigen mit dem us-amerikanischen College-Abschluß lag bei einem IQ von 115; der Mittelwert für Personen mit abgeschlossenem Medizinstudium und Ph. D. bei 125. Das sind ziemlich genau die Schwellenwerte zwischen den Genotypen M1M1, M1M2 und M2M2, d.h. eben die IQ-Werte, mit denen man die drei sich überlagernden Normalverteilungen dieser Typen am besten trennen kann (**). Herrnstein und Murray (1994) können das mit ihren Zahlen bestätigen: der Mittelwert für Personen mit High-School-Abschluß lag bei IQ 106, für Personen mit College-Abschluß bei IQ 116, für Personen mit Hochschulabschluß bei IQ 126.“ (Ebd., 2012, S. 288-289).

Zum Thema Qualifikation und IQ

„Über längere Zeiträume bleiben derartige IQ-Mittelwerte aber nicht unverändert. In allen Industrieländern ist es im 20. Jahrhundert zu einer derartigen Ausweitung der Zahl der Personen mit Hochschulabschluß gekommen, daß ein Absinken des mittleren IQ in einigen Fachrichtungen (zum Beispiel in den Massenstudienfächern der Sozialwissenschaften) die Folge sein muß. Auch wenn man wie Herrnstein und Murray davon ausgeht, daß früher nur ein Teil der Hochbegabten zusammen mit Mittelmäßigen studierte, heute aber alle Hochbegabten irgendwann zu den Studenten gehören, bedeutet die Bildungsausweitung zwangsläufig auch eine Bildungsentwertung, d.h. Personen mit der formal gleichen Qualifikation haben 1990 einen niedrigeren IQ als im Jahre 1950. In Deutschland haben sich die Anteile der Qualifikationsgruppen seit 1950 in folgender Weise verändert (vgl. Abbildung; HB).“ (Ebd., 2012, S. 289).

„Wie man sieht, ist die Entwicklung in Ost und West im wesentlichen gleich verlaufen, die Entwicklungsschübe waren in der DDR sogar früher und umfassender. Aus Ungelernten wurden Facharbeiter, teils durch tatsächliche Bildung, teils durch einfache Zuschreibung von Bildung und ohne daß sich ihr M2M2-Status dadurch änderte. In beiden Gesellschaften nahm der Anteil der Absolventen von wissenschaftlichen Hochschulen langsam aber stetig zu. Mitte der 1960er Jahre betrug der Akademikeranteil unter den Erwerbstätigen in beiden Gesellschaften etwa 3% und bestand überwiegend aus M1M1-Personen; 1993 hatte er in den neuen Ländern 10% und in den alten 7,4% erreicht, bestand aber jetzt etwa zur Hälfte aus M2M2. Der Durchschnitts-IQ des deutschen Geistes- und Sozialwissenschaftlers war damit kräftig gesunken. In Europa lag Deutschland schon 1995 mit einern Anteil von 22% Hoch- und Fachschulabsolventen bei den 25- bis 64jährigen auf einern Spitzenplatz. Die Unterschiede zwischen den Ländern werden aber mehr davon beeinflußt, ob in einem Land auch alle Krankenschwestern und Unterstufenlehrer dieser Kategorie zugeordnet werden oder nicht, als daß es sich um wirkliche Unterschiede handelt.“ (Ebd., 2012, S. 289).

Bildungsexpansion als Bildungsentwertung
 
Bildungsexpansion als Bildungsentwertung

„Die Ausweitung der Bildung in allen höheren Qualifikationsstufen bedeutet stets ein Absinken des mittleren IQ aller Bildungsstufen. Besonders augenfällige Auswirkungen hat das bei den Ungelernten, die sich immer stärker als eine Gruppe mit besonders niedrigem Durchschnitts-IQ herausschälen. Bei Frauen wirkt sich das noch stärker aus als bei Männern. Für das Geburtsjahr 1923 sagte der Bildungsgrad einer Frau noch weniger über ihren IQ aus als für Männer. 60% aller Frauen hatten nur Volksschulbildung ohne einen Berufsabschluß und damit den mittleren IQ 92. Für den Geburtsjahrgang 1965 zeigt diese Un-Bildungsstufe jedoch nur noch einen mittleren IQ von 79 an. Für die Tabelle und die Abbildung wurde dabei angenommen, von 1923 bis 2004 sei der mittlere IQ der Bevölkerung im Westen mit 100 gleich geblieben und die Leistungsselektion durch das Bildungssystem vollständig und uneingeschränkt. Da diese Annahmen in der Wirklichkeit nicht voll zutreffen, dürften die Werte von Hochschulabsolventen und Ungelernten noch um 2 oder 3 IQ-Punkte zum Mittelwert hin abweichen. Das ändert aber nichts an den Entwicklungen und Einschätzungen.“ (Ebd., 2012, S. 290).

„Noch aussagekräftiger ist, wieviel Prozent eines jeweiligen Geburtsjahrgangs das Abitur ablegen und ein Hochschulstudium beginnen.“ (Ebd., 2012, S. 290).

„Wie man sieht, explodierte im Westen die Abiturientenquote von 6%, überwiegend M1M1, im Jahre 1960 auf 27% im Jahre 2003. Von diesen 27% können die M1M1 höchstens noch ein Fünftel ausmachen und dementsprechend muß der Durchschnitts-IQ aller Abiturienten in diesem Zeitraum von etwa 128 auf etwa 117 gesunken sein. Analoges gilt für die Studienanfänger an den Hochschulen: 1993 nahmen in den alten Bundesländern 38% eines Jahrgangs ein Studium an einer Fachhochschule (die durch die Bildungsinflation aus der Fachschule entstanden ist) oder Universität auf. Damit sind praktisch alle M1M1- und M1M2-Personen für ein Studium ausgesiebt. Eine weitere Ausweitung des studierenden Personenkreises wäre nur noch durch ein deutliches Absenken des Anspruchsniveaus möglich bzw. des mittleren IQ der Studenten, der jetzt bei etwa 115 liegt. Die Bildungsausweitung hat eine Eigendynamik entwickelt und sich zu einer Bildungsspirale erweitert, die den Keim der Selbstzerstörung in sich trägt. Junge und kluge Frauen werden in Laufbahnen getrieben, in denen sie - unter den gegenwärtigen Bedingungen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen in der kapitalistischen Gesellschaft - für ein Familienleben keinerlei ausreichende Sicherheit mehr haben und demzufolge bereits jetzt zu 40% unverheiratet und kinderlos bleiben. Auf diesen Punkt und seine Folgen gehen wir an anderer Stelle ausführlich ein (siehe S. 379).“ (Ebd., 2012, S. 290-291).

„»Mit der steigenden Aufenthaltsdauer haben sich die Chancen der Zuwandererkinder im deutschen Schulsystem erheblich verbessert. Während in den 1970er Jahren mehr als die Hälfte ohne Schulabschluß blieb, schafften 1993 fast fünf von sechs mindestens den Hauptschulabschluß und ein immer größerer Anteil absolviert erfolgreich die weiterführenden Schulen. .... Der Trend zu besseren Schulabschlüssen hat sich allerdings in den 1990er Jahren abgeschwächt. .... Die Ursachen für die weiterhin bestehenden, erheblichen Bildungsdefizite der Migrantenkinder hängen zu einem großen Teil mit dem relativ niedrigen soziökonomischen Status der Migrantenfamilien zusammen. .... Deutschland ist durch Migranten stärker unterschichtet als andere Gesellschaften.« (Rainer Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands, 2006, S. 244 f.).“ (Ebd., 2012, S. 291).

„Die zunehmende Bürokratisierung und Verwissenschaftlichung der Berufswelt haben dazu geführt, daß berufliche Werdegänge immer stärker an bestimmte Laufbahnvorschriften gebunden sind und der Einstieg in bestimmte Laufbahnen wiederum immer enger an bestimmte Schulabschlüsse gekoppelt wurde. Weil die Zahl der mittleren und höheren Abschlußzertifikate erheblich vermehrt wurde, verringert sich ihr Wert. Das gilt für die Akademiker als Masse, nicht aber in gleichem Maße für die Eliteberufe, für die nach wie vor ein sehr hoher IQ die Grundvoraussetzung ist. Dafür sind die Anforderungen von der Sache her, wie etwa in der Theoretischen Physik, Mathematik und Biochemie, so hoch, daß es bisher noch zu keiner Absenkung des mittleren IQ dieser Berufe gekommen ist und kommen konnte. In den anderen Berufen aber haben die höheren Bildungsabschlüsse für die soziale Plazierung an Bedeutung eingebüßt. Ein Hochschulabschluß ist heute Voraussetzung, aber keine Garantie für einen höheren Sozialstatus. Da in Deutschland formal alle Universitäten gleich gut sind, entfällt - im Unterschied zu den USA - der Besuch von Eliteuniversitäten als weiteres Differenzierungsmerkmal. Ein bestimmter Bildungsabschluß hat immer weniger eine Signalfunktion, wenn man damit Vorteile erlangen will; gleichzeitig wird er aber immer notwendiger, um die Chancen auf diese Vorteile zu wahren.“ (Ebd., 2012, S. 291-292).

„Von den Soziologen wird immer wieder die Frage gestellt: Wie hat sich die Bildungsausweitung und -entwertung auf die schichtspezifische Ungleichheit der Bildungschancen ausgewirkt? Bei der Beantwortung der Frage hantieren die Bildungsstatistiker leider oft mit so unsauberen statistischen Kategorien, daß damit eher etwas zur Verkleisterung als zur Erhellung beigetragen wird. Welchen Bildungsgrad haben zum Beispiel »Selbständige« als Väter?“ (Ebd., 2012, S. 292).

„Da auch die altbundesdeutsche bildungssoziologische Forschung seltsamerweise von der - eigentlich zutiefst marxistischen - Wunschvorstellung durchdrungen ist, sie habe die Aufgabe, eine immer größere Angleichung der Bildungschancen nachzuweisen, und nur das sei als ein positives Ergebnis zu werten - ob nun nur in der Forschung oder der gesellschaftlichen Wirklichkeit, spielt dabei keine Rolle; und wehe den Daten, wenn sie nicht die Wunschvorstellung bestätigen -, denken nicht einmal die Max-Planck-Institute für Bildungsforschung und Psychologie daran, den IQ von Vater, Mutter und ihren Kindern zu erheben und mit Bildungsgraden und Berufen in Beziehung zu setzen. Vieles muß also indirekt erschlossen werden.“ (Ebd., 2012, S. 292).

Schulbesuchs- und Studierquoten

„Wie meist wird auch in dieser Tabelle soziale Herkunft allein durch den Vater bestimmt. Der Bildungsgrad und der IQ der Mutter werden völlig außer acht gelassen, obwohl gerade das interessant wäre. Geißler selbst interpretiert die altbundesrepublikanischen Daten so: »Beim Wettlauf um die höheren Schulabschlüsse haben insbesondere die Kinder der gesellschaftlichen Mitte aufgeholt, die Arbeiterkinder, insbesondere die Ungelernten, haben weiter an Boden verloren. Noch krasser wirkt der soziale Filter beim zunehmenden Run auf die Universitäten. .... Die universitären Studienchancen der Kinder von selbständigen Akademikern liegen mit 82% um das 41-fache höher als diejenigen der Kinder von Ungelernten, die häufiger eine Sonderschule (8%) als ein Gymnasium (7%) oder gar eine Universität (2%) besuchen.« Und wie Herrnstein und Murray (1994) für die USA kommt auch Geißler für Deutschland zur gleichen Schlußfolgerung: »Die Bildungsexpansion verbessert zwar die Bildungschancen aller Schichten, verstärkt aber gleichzeitig die soziale Ungleichheit auf dem Weg zu den höheren Bildungsniveaus. Die Hauptverlierer sind die Arbeiterkinder, trotz besserer Chancen hat sich ihr Abstand zu allen anderen Schichten erheblich vergrößert.«“ (Ebd., 2012, S. 292).

„Eine ähnliche Entwicklung war auch in der DDR abgelaufen: Zu den revolutionären Umwälzungen in der Startphase der sowjetischen Besetzung und der DDR gehörte auch die »Brechung des bürgerlichen Bildungsmonopols«. Ziel war die Heranbildung einer neuen sozialistischen Führungsschicht, die sich anfangs vor allem aus den Söhnen und Töchtern von Arbeitern und Bauern, später aus allen Klassen und Schichten, proportional ihrem Bevölkerungsanteil, rekrutieren sollte, also genau der Vorgabe der kommunistischen Utopie entsprechend. Ab 1945 wurde mit einem ganzen Bündel bildungspolitischer Maßnahmen - Einheitsschule, Landschulreform, in Schnellkursen ausgebildete Neulehrer aus den unteren Schichten, intensiver Bildungswerbung unter Arbeiter- und Bauernkindern - sowie Behinderungen für Akademikerkinder beim Besuch von weiterführenden Schulen und bei der Aufnahme eines Studiums, das Bildungssystem umgewälzt; hunderttausende Akademiker und Selbständige und ihre Familien wurden so über die offene Grenze in den Westen getrieben. Durch die besondere Förderung (zum Beispiel in Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten), aber auch durch eine gezielte Bevorzugung von systemloyalen Arbeiter- und Bauernkindern, die für die ideologische Übereinstimmung schon damals ein wichtiger zusätzlicher Pluspunkt bei der ansonsten an Leistung orientierten Auswahl darstellte, wurden die Universitäten für Arbeiterkinder geöffnet. Ende der 1950er Jahre hatte es die DDR geschafft, sich dem kommunistischen Ziel der proportionalen Chancengleichheit in beachtlichem Maße zu nähern. Aber was geschah dann?“ (Ebd., 2012, S. 293).

„1961 wurde die Mauer gebaut, und die soziale Entwicklung der DDR schmorte fortan im eigenen Topf. In den 1960er Jahren wuchs bei den Abiturienten von Jahr zu Jahr der Anteil derer, deren Eltern einst nach dem Krieg als Arbeiter- und Bauernkinder eine besondere Förderung erfahren hatten und die inzwischen selbst leitende Angestellte oder Angehörige der Intelligenz geworden waren. In der Statistik zählten ihre Kinder nicht mehr als Arbeiter- und Bauernkinder. Alle politischen Kunstgriffe, mit denen man zum Beispiel hauptamtliche Parteifunktionäre, Offiziere und viele andere zu Angehörigen der »führenden Arbeiterklasse« und ihre Kinder damit ehrenhalber zu Arbeiterkindern der zweiten Nachkommengeneration deklarierte, halfen nicht darüber hinweg, daß auch die Parteifunktionäre und Offiziere inzwischen Hochschulbildung hatten und ihre Kinder nicht mehr der besonderen Förderung von Arbeiterkindern teilhaftig wurden, Das war den Vertretern der »führenden Arbeiterklasse« ärgerlich und peinlich, und man schaffte die besondere Förderung von Arbeiterkindern Mitte der 1960er Jahre ab, Inzwischen gab es auch schon in der DDR eine Sozialforschung, die, da sie mit so absichtlich verschwommenen Kategorien wie »Arbeiterklasse« nichts anfangen konnte, mit klaren Zuordnungen (klarer als im Westen) arbeiten mußte und deshalb von »Bildungsschichten« zu sprechen begann. In den Jahren nach 1970 definierte diese empirische Sozialforschung alle Hoch- und Fachschulabsolventen (also etwa alle mit einem IQ über 115), unabhängig von ihrer Arbeitsstelle, Macht oder Funktion, als Angehörige der »Intelligenz«.“ (Ebd., 2012, S. 293-294).

„Untersuchte man nun die soziale Herkunft dieser Intelligenz, so bereitete das der Machtelite in der DDR ziemliches Kopfzerbrechen. »Während sich in den Anfangsjahren der DDR die soziale Schicht der Intelligenz tatsächlich in ihrer Mehrheit aus Arbeiterkreisen rekrutierte (logischerweise könnte man anmerken: weil traditionelle bürgerliche und kleinbürgerliche Schichten durch teilweise recht rigide Methoden von akademischen Bildungswegen ausgeschlossen wurden), schlug der Mobilitätsmechanismus keimhaft in den 1960er und offen in den 1970er Jahren um. Nun rekrutierte sich der bei weitem größte Teil der Intelligenz wieder aus dem gleichen sozialen Milieu (in den anderen sozialistischen Ländern übrigens gleichermaßen).« (Manfred Lötsch, Intelligenzproblematik in der DDR, 1995, S. 184).“ (Ebd., 2012, S. 294).

„Schon 1972 konnten die führenden Bildungsplaner der DDR in einer Dissertation (Weiss, 1972), die unter ihrer Aufsicht entstanden war und bei der es um die soziale Herkunft von Mathematik-Hochbegabten in dem historisch kurzen Zeitraum von 1963 bis 1970 gegangen war, nachlesen: »Geht man auf die einzelnen Jahre zurück, so stellt man fest, daß 1963 54 Intelligenzkindern 65 Kinder von Hand- und Maschinenarbeitern und Bauern gegenüberstehen, und der Quotient Intelligenz : Arbeiter- und Bauernkindern beträgt 0,8. 1970 stehen jedoch 130 Intelligenzkindern 35 Kinder von Hand- und Maschinenarbeitern gegenüber, und der Quotient beträgt 3,7. Die Entwicklung ist dabei kontinuierlich, d.h. alle drei Jahre kommt es zu einer relativen Verdopplung der Zahl der Intelligenzkinder gegenüber der Zahl der Kinder von Hand- und Maschinenarbeitern und Bauern. Geht man anhand der Fragebogen von 1970 auf die reale Qualifikation zurück (und rechnet dann alle Angestellten mit entsprechendem Studienabschluß zur Intelligenz), so stellt man fest, daß der Quotient 1970 in Wirklichkeit bereits 5,7 beträgt. .... Seit 1963 hat sich die Zahl der Lehrerkinder mehr als verdoppelt. Aus den Fragebögen von 1970 läßt sich nun ermitteln, daß es sich bei den Vätern zu 86% um Neulehrer handelt, die in den Jahren 1945-’55 ausgebildet worden sind .... Von den unter ›Intelligenz‹ Zusammengefaßten hat die knappe Hälfte ein Diplom. .... Unter den Hand- und Maschinenarbeitern gibt es nur 14 ungelernte Arbeiter, also nur 1,2% des Gesamtmaterials. In der Reihenfolge ungelernter Arbeiter - Facharbeiter - Meister - Ingenieur - Hochschulabsolvent - Hochschullehrer - Akademiemitglied gibt es eine ständige Steigerung der Unter- bzw. Überrepräsentation, so daß ein Kind eines Akademiemitgliedes eine fünftausendfach größere Chance hat, an der Endrunde eines Hochbegabtenwettbewerbs teilzunehmen, als das Kind eines beliebigen ungelernten Arbeiters. .... Die theoretische Deutung dieser sozialen Prozesse wirft schwerwiegende Probleme auf, und es scheint tatsächlich nur zwei Möglichkeiten als Ursache zu geben: 1. traditionell-konservative Elemente, also etwa der Einfluß des Eltemhauses, bekämen bei der Begabtenförderung in der DDR die Oberhand, oder 2. die Gesellschaft hat nach der Beseitigung der Bildungsschranken eine Generation später eine neue Qualität erreicht, und zum erstenmal werden für ihre innere Dynamik die Moglichkeiten der Vererbung von Begabungen relevant.« Diese Dissertation wurde unter Geheimhaltung gestellt. Ihre Statistiken gehörten zwar fortan zum Herrschaftswissen der Machtelite, was aber an der sozialen Wirklichkeit nichts änderte.“ (Ebd., 2012, S. 294-295).

Sziale Herkunft der Studenten

„»Was die DDR angeht«, so der Soziologe Manfred Lötsch (1995, S. 184), »so wäre sie wahrscheinlich ohne solche ›asozialistischen‹ Verhaltensmuster (im Sinne des Fortbestehens und der Reproduktion einer Intellektuellenschicht jenseits der ›Annäherung der Klassen und Schichten‹) weit früher in wirtschaftliche, soziale und politische Existenzkrisen geraten.«“ (Ebd., 2012, S. 294).

„In einer repräsentativen Umfrage (n = 6000) des Zentralinstituts für Jugendforschung unter den Studenten der DDR (vorwiegend des 2. Studienjahres) stellte man 1979 fest, daß in 56% der Familien mindestens ein Elternteil Hoch- oder Fachschulbildung hatte (bei 33% beide Eltern) und nur in 9% der Familien ein Elternteil ohne Berufsabschluß war. Zehn Jahre später, 1989, hatten sich die Prozentsätze auf 78% mit mindestens einem Elternteil Hoch- oder Fachschulbildung und nur noch 2% mit einem Elternteilohne Berufsabschluß verändert. Bei den Müttern war der Anteil von 16% im Jahre 1977 mit Hoch- oder Fachschulabschluß auf 56% im Jahre 1989 gestiegen, was sowohl die gestiegene formale Qualifikation in der Generation der Mütter belegt, als auch die durchschnittliche hohe Zahl von Kindern, die in der DDR von Akademikerinnen geboren wurden. Vom Vorrücken der gut ausgebildeten Frauenjahrgänge ins Alter von Studenteneltern ging ein erneuter Impuls zur Verschärfung der sozialen Auslese aus. Bei Hochschulabschluß der Mütter hatten 82% der Väter ebenfalls einen Hochschulabschluß, 91% mindestens einen Fachschulabschluß.“ (Ebd., 2012, S. 294).

„Migrantenkinder haben ein 2,5-mal höheres Risiko, Hilfschüler zu werden ....“ (Ebd., 2012, S. 298).

„Schon ein dreitägiges Praktikum in einer »Förderschule für gesitige Behinderte« sollte die Umweltapostel eigentlich von ihrer Naivität heilen. Aber sie werden alles daransetzen, der Konfrontation mit der Praxis auszuweichen. Denn sie müßten dann vor sich selbst und anderen zugeben, daß ihre Erklärungen nicht ausreichen. Wer nur soziale Ursachen der kognitiven Minderleistung sehen will und nicht auch genetische, schiebt die gesamte Schuld auf die Eltern, die Erzieher und das Umfeld, denen damit dauerhaftes Versagen vorgeworfen und damit in vielen Fällen bitteres Unrecht angetan wird.“ (Ebd., 2012, S. 301).


Blicke in den Alltag der sozialen Schichten Familienleben.

„Das vergangene 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert einer beispiellosen Individualisierung, weg von der Familie und vom Bezug auf eine größere Gemeinschaft, wie sie in der ersten Hälfte des Jahrhunderts mit Selbstverständlichkeit das eigene Volk noch war. Die Höhe der erreichten Scheidungsziffern, der Anteil der nur mit einem Elternteil aufwachsenden Kinder, die geringe Zahl von geborenen Kindern überhaupt und die allerletzten Errungenschaften wie die »Homo-Ehe«, lassen es als völlig unzeitgemäß erscheinen, etwas über Familienverbände zu schreiben. Denn auch die weitere Entwicklung deutet eher auf Verstärkung der Vereinzelung als auf eine Stärkung der Familienbande hin: Wer ein Kind will, wird es sich (oder auch nur den fehlenden Zeugungspartner oder »Lebensabschnittsgefährten«) vielleicht bald im Versandhaus bestellen oder klonen lassen können (falls der Preis dafür nicht viel zu hoch sein wird; HB), mit oder ohne »Stammbaum«. Das alles könnte so weit getrieben werden, daß es während und nach dem Großen Chaos eine kraftvolle Gegenbewegung auslösen wird, die wieder neue Werte setzen wird. Denn paradoxerweise bedeutet ja mehr Individuum auch immer mehr Staat: Die Regeln, die früher in überschaubaren Gemeinschaften gültig waren, werden heute durch Gesetze und Beamte ersetzt; die Sicherheit, die früher die Familie gegeben hat, soll heute die Pflegeversicherung bieten.“ (Ebd., 2012, S. 303).

„Doch ist nicht die gesamte Gesellschaft in diesen Verfallsprozeß einbezogen, der sich unaufhaltsamer Fortschritt nennt. Zwar löschen die über 40% der Frauen mit akademischer Ausbildung, die heute in Deutschland kinderlos bleiben, sich und ihre persönlichen Wertevorstellungen schon binnen einer Generation aus und damit auch ihre Gene, doch gibt es aus den verschiedensten Gründen und Wertevorstellungen auch heute noch Mütter, Väter und Großmütter sowie Großväter mit mehreren Kindern und zahlreichen Enkeln. Die Wertevorstellungen dieser Minderheiten werden daher zwangsläufig wieder an Gewicht gewinnen, weil die anderen, die Mehrheit, die heute weitgehend die öffentliche Meinung bestimmt, sich von dieser Erde verabschiedet haben wird.“ (Ebd., 2012, S. 303).

„Der Blick auf die Zukunft der Familie wird durch den Blick in die Vergangenheit eher verstellt statt erhellt. Wenn wir an die Familienverbände in der Geschichte denken, fällt uns zuerst der alte Adel ein. Die Familienverbände der ständischen Gesellschaft hatten den Zweck, Macht, Besitz und Rechtsansprüche innerhalb des Namensstammes oder wenigstens innerhalb der durch Heirat verwandten Stämme zu erhalten und zu mehren. Auf Leistung im bürgerlichen Sinne waren diese Ansprüche nicht oder nur in geringem Maße gegründet. Das hatte zur zwangsläufigen Folge, daß diese Familienverbände des alten Adels mit der Entstehung der bürgerlichen Leistungsgesellschaft nicht nur in Frage gestellt wurden, sondern ihr auch juristisch die Grundlagen entzogen worden sind. Auch das erfolgreiche Bürgertum sah lange Zeit ein wichtiges Ziel daran, in den Adel aufzusteigen und bildete Familienverbände, deren Zweck sich von der des alten Adels wenig unterschied. Die Absicht dieser Verbände, über Generationen hinweg Macht und Besitz an Erben weiterzureichen, die sie durch eigene Leistung gar nicht verdient hatten, und die sich durch ihre eigenen Fähigkeiten nicht oder nur in geringem Maße von der Menge abhoben, diese Absicht zur Standesbewahrung stieß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den entschiedenen Widerstand nicht nur der Sozialisten und Kommunisten, sondern auch liberaler Bürger, die danach strebten, jeder solle vor allem nur das besitzen, was er selbst geschaffen hat. In der französischen Revolution und bei den utopischen Kommunisten galt es als ein erklärte Ziel, das Erbrecht vollständig abzuschaffen. Jedoch kam es in der Praxis bei Revolutionen höchstens kurzzeitig dazu, da die Sozialdemokraten das Interesse an durchgreifenden Erbrechtsreformen aus zweierlei Gründen verloren: Erstens, weil die meisten Proletarier sowieso kaum etwas zu vererben hatten und mit dem Thema als Wähler kaum angesprochen werden konnten. Zweitens, weil sich die Einsicht durchsetzte, daß eine Enteignung der Erben oder ihre zu starke Besteuerung beim Tod eines Unternehmers zum Ruin zahlreicher Betriebe führen und die gemeinsame Kette der Weitergabe von Begabungen und Kapital zerstören kann. Deshalb geht man in den Industriestaaten im allgemeinen nicht über eine leichte Besteuerung der Erben hinaus.“ (Ebd., 2012, S. 303-304).

„Die Auseinandersetzungen um das Erbrecht führten zu einem jahrhundertelangen Kampf, in dem schließlich nicht nur die feudalen Familienfideikommisse zerschlagen worden sind, sondern darüber hinaus auch bürgerlichen Familienstiftungen jede vernünftige wirtschaftliche Grundlage entzogen worden ist. Nachdem bereits von der französischen Revolution die Fideikomisse in Frage gestellt worden waren, war in den 1849 von der Frankfurter Paulskirchenversammlung erarbeiteten Grundrechten des Deutschen Volkes im Entwurf der Reichsverfassung die Auflösung der Familienfideikommisse vorgesehen. Aber erst auf der Grundlage der Weimarer Verfassung erging am 11. August 1919 die klare Bestimmung: »Die Fideikommisse sind aufzulösen.« Der verfassungspolitische Durchbruch zur Demokratie war damit folgerichtig mit dem Abbau der Einrichtungen verbunden, die in der Geschichte einem Stand in Staat und Gesellschaft ein Übergewicht über die anderen Stände verliehen hatte, und das waren Fideikommisse und Familienstiftungen. Das Fideikommißverbot, wie es in modernen Staaten (darunter auch in der Schweiz) durchgesetzt worden ist, sollte das System von Erbfolgen verhindern, in der die Verfügungsfreiheit der Erben eingeschränkt wird und Vermögenswerte in den nachfolgenden Generationen ausschließlich zugunsten der Namens- bzw. Stammlinie sichergestellt werden. Obwohl die Familienstiftung einem ähnlichen Zweck dient, nämlich den Interessen einer Familie bzw. eines Nachfahrenverbandes, unterscheidet sie sich vom Fideikommiß dadurch, daß sie kein dem allgemeinen Rechtsverkehr entzogenes Sondervermögen darstellt, das vom jeweiligen Erben beherrscht wird. Die Familienmitglieder haben teil an dem Vermögen der Familienstiftung und ihren Erträgen, und zwar aufgrund ihrer satzungsmäßigen Rechte und gewisser in der Satzung festgelegter Möglichkeiten des Einflusses auf die Verwaltung.“ (Ebd., 2012, S. 304).

Von der Öffentlichkeit wenig beachtet, wurde auch die Familienstiftung ein Opfer der gleichmacherischen antikapitalistischen Strömung, die wir als »68er« bezeichnen. Der Übergang von Vermögen auf eine Stiftung, sei es durch Übergang unter Lebenden oder von Todes wegen, war und ist ein besteuerbarer Vorgang. Bis 1974 war jedoch das Vermögen von Familienstiftungen nach einem solchen Vermögensübergang über mehrere Generationen der Erbschaftsteuer entzogen, und zwar bis zum Zeitpunkt ihrer Auflösung. 1974 jedoch ist im Zuge des Erbschaftssteuerreformgesetzes der Bundesrepublik Deutschland die Erbersatzsteuer erfunden worden. Mit der Erbersatzsteuer wird für Familienstiftungen alle 30 Jahre eine Schenkung in Höhe des gesamten Stiftungsvermögens fingiert, die erstmals 30 Jahre nach Gründung der Stiftung zu einer Steuerpflicht führt bzw. zur Wegsteuerung des Stiftungsvermögens. Damit wurde die »systemwidrige Privilegierung« der Familienstiftung, wie es hieß, abgeschafft, und die Institution ist seither ziemlich bedeutungslos. Dies gilt auch für die Familienverbände, in denen noch Familientraditionen und der Zusammenhalt von Generationen und Verwandten mehr oder weniger gepflegt werden.“ (Ebd., 2012, S. 304).

„Die in der Folge der Novemberrevolution (1918; HB) 1919 erlassene Bestimmung über die Auflösung der Fideikommisse ist auch von den Nationalsozialisten umgesetzt, ja durch das Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse vom 6. Juli 1938 sogar beschleunigt worden. Es war zwar in den Jahren ab 1933 viel von notwendigen neuen gesetzlichen Regelungen für Familienverbände und -stiftungen geschrieben worden, jedoch war bis 1945 nichts davon in Gesetzesform gegossen worden; die Modernisierung zu einer Leistungsgesellschaft wurde ungebrochen fortgesetzt. Der sozialrevolutionäre Schwung, der Teilen der durch innere Widersprüche gekennzeichneten Nationalsozialistischen Partei eigen war, hatte darüber hinaus noch eine ganz andere Zielrichtung, die in dieser Art und in ihrer angestrebten Konsequenz in der Welt einmalig und erstmalig war. Der Buchtitel »Neuadel aus Blut und Boden« (1930) von Richard Walther Darré (1895-1953) ist kennzeichnend für ein Programm, in dem sich Elemente von genealogisch verbrieftem Erbhof und auf Menschen angewandte Viehzucht miteinander kombinierten. Noch klarer hat das im Heiratsbefehl der SS seinen Ausdruck gefunden, die sich nach Himmlers und Darrés Willen als ein Orden verstehen sollte, der auf einer ganz im Sinne der Viehzucht verstandenen Leistungszucht gegründet werden sollte. Die Kombination dieser Ideen mit einem fanatischen Antisemitismus und der Untergang der SS im Krieg haben dazu geführt, daß die einzelnen Elemente dieser Ideologie bisher als untrennbar und als in verbrecherischer Weise miteinander verknüpft erscheinen.“ (Ebd., 2012, S. 304-305).

„Das ist ein Punkt, bei dem ich zu zweifeln wage, ob es künftigen Generationen - also nach dem Großen Chaos - in ihrer Gänze auch stets so erscheinen wird, daß alle diese Elemente (also Adelsgedanke bzw. geschlossener Heiratskreis, bäuerliche Siedlung, Partnerwahl mit quasi-wissenschaftlichem Hintergrund plus Rassismus und Organisation durch den Staat) eine untrennbare Einheit bilden und ob sich nicht zwei oder drei der erstgenannten Elemente (also die vor dem Plus) aus dem Ideenkonglomerat von 1932 lösen und mit anderen Vorstellungen kombinieren lassen. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Diese Zweifel meinerseits sind keine Empfehlung und keine Entschuldigung, sondern nur ein geistiges Ausloten dessen, was die Zukunft an Möglichkeiten enthalten könnte. Dieses Ausloten erscheint berechtigt angesichts des Entwicklungsstandes, den die Humangenetik und Reproduktionsmedizin heute erreicht haben. Eugenik als Begriff und Programm gibt es seit etwa drei Generationen, aber wirksame Veränderungen hat die »eugenische Bewegung« bisher kaum erreicht - schon gar nicht in dem Umfang, den ein Francis Galton ihr gewünscht hatte. Die Eugenik konzentrierte sich von Anfang an darauf, ihre Ziele durch den Eingriff des Staates in die Entscheidungsfreiheit der Einzelperson zu erreichen, und Eugenik sollte durch staatliche Gesetze, Reformen und Beihilfen befördert werden. Bei diesen Versuchen, Einfluß auf die Gesetzgebung des Staates und damit auf die Politik zu gewinnen, geriet die Eugenik unweigerlich in das Fahrwasser totalitärer Bestrebungen, die darauf hinausliefen, die Freiheit des einzelnen bei der Wahl des Ehepartners und der Zahl der Nachkommen einzuschränken.“ (Ebd., 2012, S. 305).

„Wenn es nach diesen Erfahrungen als aussichtlos und fragwürdig erscheint, Eugenik durch staatliche Gesetze voranzubringen, so könnte man fragen, ob es noch unbegangene Wege gibt. Nehmen wir an, eine Gruppe Menschen - nennen wir sie kurz einen Clan (vgl. Volkmar Weiss, Der Clan aus Geld und Genen, 2003) - wüßte heute oder wäre sich einig, wie sie sich zu verhalten hätte, damit sie und noch mehr ihre Nachkommen kraft ihrer Intelligenz, ihrer Kreativität und damit ihres Einflusses, ihres Einkommens und Besitzes, ihrer Gesundheit, Langlebigkeit, ihrer Kultur, vielleicht ihrer Religion oder Weltanschauung, ihre Werte erhalten und ständig mehren könnte. Ihre Ziele und Werte brauchen dabei nicht mit denen des jeweiligen Staates der Gesellschaft in Übereinstimmung zu stehen; auch eine direkte Förderung des Clans und seiner Werte durch staatliche Gesetze in absehbarer Zeit wäre nicht zu erwarten. Was gäbe es für Möglichkeiten?“ (Ebd., 2012, S. 305-306).

„Positive Eugenik bedeutet immer die Veränderung der Natürlichen Selektion und der Darwinschen Fitneß in eine bestimmte Richtung. Theoretisch gäbe es viele Möglichkeiten, wie ein Clan sein Evolutionstempo erhöhen und sich biologisch durchsetzen könnte: relativ hohe Kinderzahlen, selektive Partnerwahl, selektiver Abort, Präimplantationsdiagnose, Polygamie, heterologe Insemination und Surrogat-Mutterschaft - aber bereits diese Beispiele enthalten Elemente, die einerseits naheliegend (selektive Partnerwahl), andererseits fragwürdig oder gesetzlich ungeklärt wären oder für den einen oder anderen Clan ethisch unannehmbar sein dürften (wie die heterologe Insemination und die Surrogat-Mutterschaft). Als Mindestprogramm für einen jeden sich selbstzüchtenden Clan bliebe der Ausschluß der Nachkommen, die nicht den selbstgestellten Normen entsprächen. Das aber wäre nichts anderes als der Rückgriff auf das Grundgesetz des alten Adels (in Venedig ab 1297 durch die Eintragung ins »Goldene Buch« verwirklicht), diesmal aber auf einer höheren Stufe, sozusagen wissenschaftlich untersetzt. Dennoch wäre dieser Punkt als unabdingbare Forderung einer inneren Gesetzgebung zugleich der schwierigste und problematischste, denn die Haltung zum Ausgeschlossenen wäre zugleich der Gradmesser, an dem die Haltung des Clans zum Mitmenschen gemessen würde. Es wären schrittweise Übergänge vorstellbar, bei denen die Ausgeschlossenen assoziiert sind, d.h. an den Familienfeierlichkeiten u.s.w. teilnehmen (wie das bei den Vereinen des alten Adels auch heute der Fall sein kann), ohne die Förderung von Vollmitgliedern aus den Finanzmitteln des Clans zu erhalten und ohne Vollerben zu sein, aber noch die Nachkommen den Status der Vollmitgliedschaft zurückerlangen können, wenn sie wieder den Normen entsprechen, bis hin zur völligen Schließung des Heiratskreises als Endstadium einer möglichen Entwicklung (ein Vollmitglied kann dann nur der sein, dessen beide Eltern Vollmitglieder waren und der selbst den Normen entspricht). Wobei Fusionen bzw. Heiratsabkommen zwischen verschiedenen Clans vorstellbar wären, ebenso aber Teilungen zweckmäßig, wenn eine bestimmte Zahl an Kernfamilien überschritten worden ist. So vielfältig die Traditionen und Kulturen sind, ebenso wären vielfältige Formen von Normen und Satzungen von sich selbstzüchtenden Clans denkbar.“ (Ebd., 2012, S. 306).

„Ein Clan gründet sich zweifellos auf Vermögen und Einfluß, oft auf ein Familienunternehmen. Er würde versuchen, den Vollmitgliedern eine Unterstützung und Förderung zu bieten, die über staatliche Maßnahmen fühlbar hinausgeht (also Beihilfen für Familien, Stipendien, Urlaubsziele, gesellige Veranstaltungen, Beziehungen, Alterssicherung). Als reiner Familienverband sollte sich ein solcher Clan niemals vordergründig politisch engagieren, Abstand zur Tagespolitik halten und für seine Satzung und Ziele nicht öffentlich werben. Clans könnten sich aus berufsständischen Organisationen, aus einem Freundeskreis, Vereinen wie »Mensa« oder aus schon bestehenden Sippen- oder Familienverbänden in Verbindung mit Familienunternehmen entwickeln. Der Unterschied zu den heute schon bestehenden Verbänden bestände in der Selbstzucht, d.h. inder Rolle, die die Genetik und biologische Evolutionstheorie bei derAusarbeitung der Satzung spielen könnten.“ (Ebd., 2012, S. 306).

„Die Evolution des Menschen braucht kein vorwegbestimmtes einheitliches Wunschbild, sondern eine Vielzahl, auf die Entscheidungsfreiheit leistungsfähiger Personen gegründete, überschaubare Gemeinschaften, die sich selbst selektieren und wirtschaftlich miteinander konkurrieren - so könnte irgendwann einmal eine Zielstellung lauten. Im Gegensatz dazu wird es politische Programme geben, die andere oder völlig entgegengesetzte Ziele stellen oder solche Glasperlenspiele für Unsinn oder gar gefährlichen Unfug halten.“ (Ebd., 2012, S. 306-307).

„Aus dieser Sicht würde der Globalisierung eine teilweise Tribalisierung der Welt entgegenwirken, die auch eine Art Refeudalisierung wäre. Die Postmoderne jenseits des Großen Chaos könnte geprägt werden durch das Wiederauftauchen von überschaubaren Gemeinschaften, jetzt aber in einem Kontext von Spitzentechnologie und weitreichendem Austausch. Während die Neuadelsbewegung der 1920er Jahre einem bäuerlichen Siedlungsideal nachstrebte, das angesichts der zwei oder vier Prozent der Arbeitskräfte, die heute in Industriestaaten noch notwendig sind, um die Nahrung für alle zu erzeugen, bislang utopisch war, könnten die neuen Gemeinschaften sowohl auf der Grundlage von Spitzenberufen der Hochtechnologie als auch in eher traditionellen Bereichen entstehen; differenziert nach Ziel und gemeinsamem Glauben und sowohl lokal als auch überregional. Die Bedeutung mancher Ideen wird an den Zeiträumen gemessen, die zu ihrer Anerkennung gebraucht werden - wir hatten das schon in den Anmerkungen zu Platon zitiert.“ (Ebd., 2012, S. 307).

„Doch nun zurück von diesem hohen Gedankenflug ins Diesseits: Hat das traditionelle Ehemodell heute ausgedient? Die voreheliche Partnerschaft ist mittlerweile fast schon zu einer Norm geworden. Von 1972 bis 2004 stieg in Westdeutschland die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit gemeinsamem Haushalt von 137.000 auf 1,8 Millionen an, im Osten im Zeitraum von 1981 bis 2004 von 327.000 auf 580.000. Vom Heiratsjahrgang 1980 haben 85% der Partner vor der Eheschließung als Lebensgemeinschaft zusammengewohnt, 1970 waren es erst 10% und 1950 gar nur 4% gewesen. »Mittlerweile gilt es - zumal angesichts steigender Scheidungsziffern - als leichtsinnig, eine Person zu heiraten, mit der man nicht vorher eine Zeitlang probeweise zusammengelebt hat.« (Rainer Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands, 2006, S. 341).“ (Ebd., 2012, S. 307).

„Überwogen bei diesen Lebensgemeinschaften anfangs die höheren Bildungsschichten, so verteilen sich die Lebensgemeinschaften inzwischen über alle Soziallagen und Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland. In Deutschland ist bei Männern und Frauen die Heiratsneigung in wenigen Jahren sehr stark gesunken. Während 1970 von 100 ledigen Männern rund 90% eine Ehe eingingen (Frauen 97% ), waren es 1994 nur noch 53% (Frauen 60%; seither gab es nur geringe Veränderungen), die zumindest einmal in ihrem Leben heiraten; mit großen sozialen Unterschieden zwischen den Bildungsschichten.“ (Ebd., 2012, S. 307).

„Das durchschnittliche Heiratsalter ist bei Frauen im alten deutschen Bundesgebiet von 1960 bis 2002 von 23,7 auf 28,8 Jahre gestiegen und bei Männern von 25,9 auf 31,8 Jahre. Solche Verschiebungen können nur dadurch zustande komf men, wenn sich der Blick auf die eigene Perspektive und die einer eigenen Familie in negativer Richtung verändert hat (oder so gedeutet wird; HB) bzw. sich die Hoffnungen auf eine lange glückliche Ehe mit Kindern verringert haben (oder so gedeutet werden; HB). Männer und Frauen, die der Unterschicht angehören, heiraten jedoch häufiger und früher als Angehörige der oberen Bildungsschichten (aber das war nicht immer so; HB). Aus Mangel an Weitsicht oder im Vertrauen auf die sozialen Netze? 57% der jungen Mütter unter 25 Jahren verfügen nur über einen Hauptschulabschluß. 40% der verheirateten Frauen der unteren Sozialschichten sind Nur-Hausfrauen. Ein Viertel der jungen Familien ist hochgradig verschuldet. Ihre Chancen, ihre Situation durch Erbschaft zu verbessern, sind gering.“ (Ebd., 2012, S. 307).

„An dieser Stelle lohnt sich auch einmal ein Rückblick mit einer größeren historischen Tiefe. Einige Historiker halten nämlich ein früheres Heiratsalter schon im 18. Jahrhundert als eine der wichtigen Ursachen der damals einsetzenden Bevölkerungsvermehrung. So schreibt zum Beispiel Medick (1977): »Der Abstieg des Heiratsalters konnte in entscheidendem Maße den Anstieg der Bevölkerung in Regionen ländlichen Gewerbes bestimmen. .... Die Tendenz zum niedrigen Heiratsalter gilt gleichermaßen für Männer und Frauen.« Statt dessen findet man aber andere Zusammenhänge: In ausgesprochenem Gegensatz zu allen anderen Klassen und Schichten stand nämlich das Besitz- und Bildungsbürgertum. Viele Männer erkauften Besitz und Bildung durch eine sehr, sehr späte Heirat und bezahlten ihren sozialen Aufstieg in vielen Fällen mit langer Ehelosigkeit. Bei der Heirat war ein Drittel der Männer des Besitz- und Bildungsbürgertums um 1780 älter als 31 Jahre, 10% älter als 38 Jahre. Bald danach trat jedoch eine neue Gruppe auf, die jungen Unternehmer. Besonders die Gründer von Firmen heiraten früh und erfolgreich, d.h. ihre kinderreichen Ehen werden nicht geschieden. Ihr Heiratsverhalten ähnelt dem der städtischen Handwerker, von denen sie zum Teil auch abstammen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß, je höher der soziale Status ist, desto größer ist der mittlere Altersunterschied zwischen den Ehepartnern. Ein einfacher Satz, der früher richtig war und heute noch gilt. Bei Besitz- und Bildungsbürgertum betrug der Altersunterschied zwischen Mann und Frau um 1780 über sieben Jahre, bei Vollbauern über vier Jahre, bei Stadthandwerkern und Kleinbauern drei, bei armen Häuslern nur zwei Jahre. Der in »reifen« Jahren um die 30 heiratende Besitz- und Bildungsbürger hatte eine Ehefrau um die 22, die damit so jung war wie bei anderen Klassen und Schichten auch (bei den Bauern zum Beispiel 21 Jahre). Demzufolge war auch die eheliche Fruchtbarkeit keineswegs geringer und wegen der niedrigeren Kindersterblichkeit die Zahl der wirklich groß gewordenen Kinder höher als bei den Armen.“ (Ebd., 2012, S. 308).

„Bei Statusumkehr kann es indes zu einer Umkehr des üblichen Altersabstandes kommen: Reiche Witwen heirateten früher häufig jüngere Männer oder wurden von ihnen geheiratet; und manche gealterte Filmdiva leistet sich heute einen viel jüngeren Partner, ohne daß dadurch die Welt aus den Fugen gerät. Den reichen und mächtigen Mann mit einer um Jahrzehnte jüngeren Partnerin an seiner Seite, mit der er in einer Art serieller Polygamie lebt, den sehen wir täglich auf den Seiten der Illustrierten.“ (Ebd., 2012, S. 308).

„Auch in beiden Teilen Deutschlands gehört, wie in anderen Industriestaaten auch, der Anstieg der Scheidungen zu den hervorstechendsten Merkmalen einer fortschreitenden Zersetzung der Ehen und Familien. In Deutschland hat sich die Wahrscheinlichkeit einer Eheauflösung von den Heiratsjahrgängen 1950 bis heute fast verfünffacht. Gegenwärtig werden über 40% der in den letzten Jahren geschlossenen Ehen wieder geschieden. Die relativ niedrige durchschnittliche Kinderzahl der Scheidungsehen von 0,75 zeigt: Kinder verringern die Scheidungswahrscheinlichkeit. Dennoch läßt sich seit einigen Jahren ein Trend zu steigenden Kinderzahlen in Scheidungsehen beobachten. 2004 waren bei 52% der geschiedenen Ehen minderjährige Kinder vorhanden. Während es 1960 45.000 Zugänge an »Scheidungswaisen« gab, hat sich deren Zahl mittlerweile stark erhöht: Obwohl es in Deutschland immer weniger deutsche Kinder gibt, waren 1993 bereits über 100.000 Kinder von Scheidungen betroffen. Der größte Teil der Scheidungen findet bereits nach vier oder fünf Ehejahren statt. Gegenwärtig werden über 65% der Scheidungen von Frauen beantragt, und es gibt dabei einen klaren Zusammenhang mit der zunehmenden Erwerbstätigkeit der Frauen und ihrer damit verbundenen größeren Unabhängigkeit.“ (Ebd., 2012, S. 308).

„Eine Ursache der Scheidung wird so häufig erwähnt, daß man unbedingt darauf eingehen muß, nämlich geschiedene Eltern in der vorangegangenen Generation. Die Kinder von geschiedenen Eltern haben ein erhöhtes Risiko, selbst wieder geschieden zu werden. Die Gründe kann man sich leicht vorstellen: sie haben selbst nicht erlebt, was eine erfolgreiche Ehe ist. Sie sehen Scheidung als eine annehmbare Möglichkeit an. Keiner dieser Gründe hat einen direkten Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht; nicht-kognitive Persönlichkeitsfaktoren (und Gene) dürften dabei eine Rolle spielen.“ (Ebd., 2012, S. 308-309).

„Mittlerweile kann man geradezu von einem sich selbst tragenden Prozeß der Scheidungsdynamik ausgehen. Die Tradierung des Scheidungsrisikos ist auch in Deutschland durch statistische Zahlen klar belegt: Bezogen auf eine Zeitspanne von 20 Jahren ab Eheschließung ist in Westdeutschland das Risiko, daß die Ehe aufgelöst wird, bei Scheidungswaisen doppelt so hoch wie bei Personen, die mit beiden Eltern aufgewachsen sind. Vor diesem Hintergrund kann von einer sich selbst verstärkenden »Scheidungsspirale« gesprochen werden.“ (Ebd., 2012, S. 309).


Blicke in den Alltag der sozialen Schichten Unehelichkeit.

„»Unehelichkeit der Kinder, eines der zentralen sozialen Probleme unserer Zeit, steht in engem Zusammenhang mit Intelligenzunterschieden, meinen Herrnstein und Murray (1994) und glauben, sich dabei auf die Statistik der USA stützen zu können, wo 1920 3% aller Kinder von alleinstehenden Frauen geboren wurden, 1990 dann 30%. 1960 gab es in den USA 73.000 Mütter im Alter von 18 bis 34 Jahren, die nie verheiratet waren. 1980 waren es dann 1,0 Million, 1990 rund 2,9 Millionen. »Wenn der IQ ein Faktor dabei ist, so müssen wir davon ausgehen, daß er es ... nur in Kombination mit anderen Ursachen sein kann. Denn das Intelligenzniveau hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht so dramatisch verändert, als daß eine solche Veränderung für das explosive Wachstum bei der Zahl der unehelichen Kinder verantwortlich sein könnte.« An diese richtige Einschränkung fügen aber Herrnstein und Murray die Überlegung an: »Für die Gründe, daß Intelligenz mit der Unehelichkeit in einem Zusammenhang stehen könnte, gibt es ein einfaches kausales Modell: Je klüger eine Frau ist, desto wahrscheinlicher ist es, daß sie ein Kind mit gewollter Absicht bekommt und daß sie dafür die beste Zeit ausrechnet. Je dümmer eine Frau ist, desto wahrscheinlicher ist, daß sie vergißt, beim Sex an die mögliche Zeugung zu denken oder daß sie gar keine Ahnung von Schwangerschaftsverhütung hat und Geburten wenig plant. Dasselbe gilt für ihren nicht gerade übermäßig intelligenten Partner: Das Ergebnis sollte eine direkte und starke Korrelation zwischen IQ und Ehelichkeit bzw. Unehelichkeit der Kinder sein.«“ (Ebd., 2012, S. 309).

„Herrnstein und Murray meinen: »11 Weiße Frauen bis Prozentrang 5 (**) des IQ haben ein sechsmal höheres Risiko, als erstes Kind ein uneheliches Kind zu bekommen, als Frauen im 5%-Spitzenbereich. Im Spitzenquartil des IQ werden die Kinder nicht nur in der Ehe geboren, sondern auch in der Ehe gezeugt; Dampfhochzeiten sind selten. In den höheren Bildungsbereichen gibt es fast keine weißen Frauen, die uneheliche Kinder haben. Die traditionelle Vorstellung war, die soziale Herkunft einer Frau sei entscheidend, ob sie ein uneheliches Kind bekommt oder nicht. Unehelichkeit trat besonders bei den Mädchen der Unterschichten auf, mit gelegentlichen Ausrutschern bei Mädchen der höheren Stände.«“ (Ebd., 2012, S. 309).

„Herrnstein und Murray ergänzen an dieser Stelle noch, daß in den USA die Zahl der hochgebildeten Frauen, die sich mit voller Absicht dafür entscheiden, ein Kind ohne Ehe zu haben, im Ansteigen sei. Von 1982 bis 1992 stieg in den USA die Zahl der Frauen mit einem Hochschul-Zwischenabschluß, die ein Kind hatten, aber nie verheiratet waren, von 3 auf 6%. Bei weißen Frauen mit einem Diplom als Hochschulabschluß waren sogar 13% der Kinder unehelich geboren.“ (Ebd., 2012, S. 309-310).

„Daß sich innerhalb weniger Jahrzehnte der Anteil der unehelich geborenen Kinder stark verändert hat, ist keine Besonderheit der USA. Während bis Anfang des 18. Jahrhunderts in Mitteleuropa der Prozentsatz der unehelich Geborenen sehr niedrig lag, kam es in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zu einem raschen Anstieg und dann bereits in dieser Zeit und dann im 19. Jahrhundert zu Zahlen, hinter denen sich die amerikanischen von heute nicht zu verstecken brauchen. Was war geschehen? Bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Kinder, vor allem uneheliche, in eine Welt geboren, die durch sich ständig wiederholende Hungerkrisen gekennzeichnet war. In dieser rauhen Welt hatten uneheliche Kinder kaum eine Chance, groß und erwachsen zu werden, und sie starben früh. Mutter eines unehelichen Kindes zu werden, galt als unverantwortlich. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam es aber durch Kartoffeln, Kleeanbau und Sommerfütterung des Viehs zu einem Ansteigen der landwirtschaftlichen Erträge und zu einer allgemeinen Verbesserung der Lebensverhältnisse. Uneheliche Kinder überlebten immer häufiger. In Notfällen konnte die Gemeinde jetzt tatsächlich helfen und war dazu auch verpflichtet. Die Einstellung zur Geburt von unehelichen Kindern begann sich zu wandeln, und die Kinder und ihre Mütter selbst wurden eher akzeptiert, die drakonische Kirchenbuße für uneheliche Mütter abgeschafft. Als nach 1900 und der Zeit der ganz großen Land-Stadt-Wanderung die Entwicklung wieder in ruhigere Bahnen kam, verringerte sich auch wieder die Zahl der unehelichen Kinder. Auch in Mitteleuropa galt das oben bei Herrnstein und Murray zitierte Stereotyp, uneheliche Kinder würden vor allem von armen Dienstmädchen geboren, und der Vater stamme entweder aus dem gleichen Milieu, sei Soldat oder der verheiratete Arbeitgeber. Daß die Wirklichkeit möglicherweise eine andere war, davon handelte 1996 ein Vortrag von Hermann Metzke auf der Tagung des Arbeitskreises Historische Demographie der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaften. Metzke hatte umfangreiche Zahlen zu unehelichen Geburten vom 17. bis 19. Jahrhundert aus Dörfern im heutigen Sachsen-Anhalt zusammengetragen und kam zu dem überraschenden Ergebnis, daß uneheliche Kinder als Mütter vor allem sitzengebliebene Vollbauerntöchter in etwas reiferem Alter hatten und als Väter Angehörige der Unterschicht, die oft jünger als die Mütter waren. Das läßt den Schluß zu: Auch die Partnerbeziehungen, die zu unehelichen Kindern geführt haben, sind ganz normalen »Marktmechanismen« gefolgt.“ (Ebd., 2012, S. 310).

„Auch in der DDR waren 1982 29,3% der geborenen Kinder unehelich, und damit hatte die DDR zu diesem Zeitpunkt einen Anteil, den die USA dann 1990 erreicht hat. In Berlin-Ost betrug der Prozentsatz sogar 40,2% (zum Vergleich die Bundesrepublik Deutschland im seIben Jahr: 8,5%; 1970: 5,5%; 1997: 14,3% ). Bei den Studentinnen an den Hoch- und Fachschulen war dieser Prozentsatz keinesfalls geringer, sondern sogar noch etwas höher. Die Studentinnen und Studenten reagierten, wie alle Betroffenen, damit in durchaus rationaler Weise auf familienpolitische Maßnahmen, die 1976 in der DDR in Kraft getreten waren. Die Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs und die kostenfreie Abgabe der Pille zur Schwangerschaftsverhütung hatten 1972 zu einem Absinken der Geburtenzahlen in der DDR geführt, denen 1976 mit ergänzenden familienpolitischen Maßnahmen erfolgreich gegengesteuert wurde.“ (Ebd., 2012, S. 310).

„Zwiespältig in ihren Auswirkungen sah man in der DDR auch die besondere Unterstützung der sogenannten kinderreichen Familien mit vier und mehr Kindern. Diese Unterstützung konnte beim Bezug einer Wohnung, durch Mietzuschüsse und durch die Versorgung mit knappen Konsumgütern und Dienstleistungen sowie bei der Bereitstellung von Arbeitsplätzen wirksam werden. Auch in der DDR gab es unter diesen Familien einen Teil, der sich zur Asozialität hin bewegte und diese »besonderen Unterstützungen« schamlos ausnutzte und ausbeutete.“ (Ebd., 2012, S. 311).

„Darüber hinaus gab es in der DDR eine besondere familienpolitische Komponente, die ursprünglich aus der gutgemeinten Absicht heraus Gesetz geworden war, die vorhandenen Startnachteile von unehelichen Kindern auszugleichen. Deshalb wurden alleinstehende Mütter und Väter, ob nun geschieden oder nie verheiratet, zum Beispiel bei der Vergabe von Krippenplätzen bevorzugt oder längere Zeit als Verheiratete bei der Erkrankung eines Kindes bezahlt freigestellt. (Das war also so etwas ähnliches wie die beabsichtigte Bevorzugung der körperbehinderten Frau, die heute in jeder bundesdeutschen Stellenannonce im öffentlichen Dienst Pflicht ist; in den USA gilt analog die Bevorzugung der »anders befähigten« farbigen Frau). Für die studierenden Mütter gab es noch zusätzliche Kinderzuschläge auf die Stipendien, großzügige Krippen und Kindergärten an Hochschulen sowie Sonderregelungen in Wohnheimen und für den Studien- und Prüfungsablauf. Die Kombination beider Faktoren - Begünstigung von alleinstehenden Müttern und besondere Förderung von Studenten mit Kindern - führte ab 1976 zu einer starken Zunahme der Zahl der Studenten mit Kindern und insbesondere der mit unehelichen Kindern. In Wirklichkeit hatte sich aber das Partnerverhalten wenig verändert, denn sehr viele Studenten lebten in eheähnlichen Lebensgemeinschaften zusammen und heirateten später. Als in der DDR Mitte der 1980er Jahre die Begünstigung der alleinerziehenden Mütter gegenüber den verheirateten wieder rückgängig gemacht wurde, stieg auch die Zahl der unehelichen Studentenkinder nicht mehr weiter an.“ (Ebd., 2012, S. 311).

„Zusammenfassend läßt sich sagen: Junge Frauen reagieren auf eine großzügige Unterstützung von unehelichen Kindern in durchaus gleichartiger Weise und nutzen staatliche Hilfen - und das erst einmal völlig unabhängig vom IQ - und erfüllen dann ihren natürlichen Wunsch, eigene Kinder zu haben. Ob sie nun Schwarze in den USA, Universitätsstudentinnen in der DDR oder Frauen mit oder ohne Hauptschulabschluß in der Bundesrepublik sind oder waren. Daß unter verschiedenen sozialen Traditionen der Ausgang dann doch verschieden sein kann, und in den USA die junge schwarze Mutter oft allein bleibt, die DDR-Studentinnen aber zumeist stabile Bindungen eingegangen sind, das steht schon wieder auf einem anderen Blatt.“ (Ebd., 2012, S. 311).


Blicke in den Alltag der sozialen Schichten Abhängigkeit von Sozialhilfe.

„Der Anstieg des Prozentanteils der Personen, die von Sozialhilfe abhängig ist, läßt sich sicher nicht durch Intelligenzunterschiede erklären oder schon gar nicht allein dadurch. Auch in Deutschland stieg, wie in anderen europäischen Staaten, die Zahl der Empfänger »von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt« jahrzehntelang stetig an. Nach dem Tiefststand von 510.000 im Jahre 1969 wurde 1982 die Millionengrenze Überschritten, 1992 die Zweimillionengrenze und 1997 mit 2,51 Millionen allein in den alten Bundesländern ein bisheriger Höchststand erreicht. »Rechnet man die Dunkelziffer zur Zahl der Sozialhilfeempfänger hinzu, dann lebten in Deutschland Ende 2003 3,7 bis 4,7 Millionen bzw. 4,5 bzw. 5,7% der Bevölkerung an oder unter der offiziellen Armutsgrenze.« (Rainer Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands, 2006, S. 204).“ (Ebd., 2012, S. 311-312).

„Damit hatte sich in Deutschland binnen drei Jahrzehnten die Anzahl der Personen, die zur Sicherung ihres Existenzminimums auf staatliche Hilfe angewiesen sind, mehr als vervierfacht. War 1965 noch die Hälfte aller Empfänger älter als 50 Jahre, so sank ihr Anteil 1997 auf 17%. 3,0% der Deutschen und 8,7% der gemeldeten Ausländer sind auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen (Geißler 2006,203).“ (Ebd., 2012, S. 312).

„In früheren Auflagen seines Buches hatte Geißler (2006) allerdings schon viel höhere Zahlen genannt, was die Aufmerksamkeit auf ein Problem von allgemeiner Bedeutung lenkt. Warum werden Sozialstatistiken - man lese »Sozial-« hier als »Umverteilung«, also: Umverteilungsstatistiken - rückwirkend geschönt, frisiert oder gar gefälscht? Ganz einfach: Regierungen in demokratischen Sozialstaaten werden vom Wähler daran gemessen, wie erfolgreich sie im Umverteilen sind. Wie hoch dadurch die Verschuldung des Staates und der Gemeinden getrieben wird, wie stark die Investitionsquote in der Wirtschaft und bei den öffentlichen Ausgaben gesenkt wird, das interessiert den Wähler erst einmal weniger oder nur dann, wenn die Auswirkungen ihn selbst schwer treffen, also Brücken verfallen, Bäder, Theater und Museen wegen Nichtfinanzierbarkeit geschlossen werden müssen. Die Regierenden stecken deswegen in einer Zwickmühle: Da es mittel- und langfristig nur bergab geht, man aber gern wiedergewählt werden möchte und dafür Erfolge vorweisen muß, bietet sich als ein Ausweg das Frisieren der Sozialstatistiken an. Über lange Zeiträume sind derartige Statistiken so gut wie nie vergleichbar. Zwar ahnt auch der Politiker, daß er durch das Frisieren der Statistiken den Maßstab für langfristige objektive Bewertungen verliert, aber was kümmert ihn die übernächste Legislaturperiode, wenn es gilt, die nächste Wahl zu gewinnen? Der verantwortungsvolle Beamte wird ihn zwar auf die Gefahren aufmerksam machen, die Veränderungen der statistischen Maßstäbe und Grundsätze mit sich bringen. Aber auch der Beamte will letztlich Karriere machen und läßt sich etwas einfallen, wie man eine bestimmte Kategorie aus der Arbeitslosenstatistik herausfallen lassen kann, wie man Sozialhilfe neu definieren kann und die Zahl der Umverteilungsempfänger (»Leistungsempfänger« heißen sie im Orwellschen Neusprech) verringern kann. Reformen - in der Bundesrepublik etwa die Hartz-IV-Reform - erreichen vielleicht auch vorübergehend dieses Ziel, bis sich die langfristigen Trends auf unser aller Weg ins Große Chaos wieder durchsetzen. In Volksdemokratien ist das alles noch einfacher: Die Regierung verbietet einfach die Erhebung oder Veröffentlichung bestimmter Statistiken, und für die Medien sind bestimmte Themen tabu. In pluralistischen Demokratien läuft das komplizierter ab, aber auf etwas Ähnliches hinaus.“ (Ebd., 2012, S. 312).

„Für die Haushalte der Städte ergeben sich wegen der Umverteilungsverpflichtungen drückende Lasten: Die Sozialhilfeausgaben der westdeutschen Gemeinden stiegen von 13 Milliarden 1980 auf 55 Milliarden im Jahre 1995, zugleich fiel der Anteil der Gemeinden am Gesamtsteueraufkommen von 14,1% auf 11,6%. Diese Entwicklung hat sich bis heute, mal mit einem oder zwei Jahren kurzer Erholung dazwischen, ungebrochen fortgesetzt. Ende 1998 bezogen bereits 15.500 Leipziger Sozialhilfe, Ende 1996 waren es erst 10.600 gewesen. Knapp die Hälfte der Hilfeempfänger ist jünger als 18 Jahre.“ (Ebd., 2012, S. 312).

„Von 2000 bis 2005 stieg laut Gemeindefinanzbericht des Deutschen Städtetages der Anteil der Sozialleistungen an den Ausgaben der Gemeinden von 17,9% auf 22,9% und blieb bis 2009 auf diesem Niveau. Der für Sachinvestitionen verfügbare Teil sank von 18,8% 1995 auf 16,9% im Jahre 2000 und auf 12,2% 2005 und verharrte bis 2009 ebenfalls auf diesem Stand. Das bedeutet, daß notwendige Instandsetzungen an Brücken, die Unterhaltung der städtischen Einrichtungen oder gar ihre Neuanlage gefährdet sind oder gar nicht mehr daran zu denken ist, gleich welche Partei im Stadtrat das Sagen hat. Nur im Schuldenmachen oder Ausverkauf städtischer Einrichtungen kann man sich vielerorts noch überbieten. Um irgendwie zu Geld zu kommen, verstricken sich die Städte selbst oder ihre städtischen Betriebe in riskante Geschäfte, aus denen unüberschaubare Zahlungsverpflichtungen erwachsen können. In Leipzig geht es gegenwärtig um Hunderte von Millionen Euro, die von ausländischen Banken gefordert werden.“ (Ebd., 2012, S. 312-313).

„Die statistischen Zahlen aus Österreich, der Schweiz oder anderen Industriestaaten sehen ähnlich aus. Regionale und lokale Unterschiede ergeben sich aus der Alters- und Sozialstruktur der Gemeinden. Nur wenige Gemeinden mit hohen Gewerbesteuereinnahmen sind noch relativ sorgenfrei.“ (Ebd., 2012, S. 313).

„Meine Heimatstadt Leipzig wird von einem breiten Auwaldgürtel geteilt, mit zahlreichen Wasserläufen und demzufolge vielen kleinen und großen Brücken. lmmer wieder werden kleine Fußgängerbrücken wegen Baufälligkeit auf Jahre gesperrt, was kilometerweite Umwege notwendig macht. Der Neubau einer jeden kleinen Brücke ist inzwischen ein Kampf geworden, an dem sich sämtliche Fraktionen und Stadträte beteiligen. Bei meinem letzten Antrag kam es sogar zu einer Wiederholung einer Kampfabstimmung, da der Oberbürgermeister persönlich den Neubau einer kleinen Brücke auf Jahre hinaus verschleppen wollte. Diese Brücke ist inzwischen gebaut worden. Um des schleichenden Verfalls der lnfrastruktur gewahr zu werden, brauche ich nur aus der Haustür zu gehen. Die breite Asphaltstraße, in der wir seit 36 Jahren wohnen, hat seitdem noch nie eine neue Fahrbahndecke erhalten; die Reste des Fahrbahnbelags dürften noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammen, als die Straße angelegt wurde. Noch werden die größten Schlaglöcher geflickt, und zwar wieder auf eine derart oberflächliche Weise, wie uns das schon aus den letzten Jahren der DDR bekannt war. Nach 1990 hatte man einige Jahre lang sorgfältiger gearbeitet. Was den Zerfall der lnfrastruktur und der Qualitätsstandards anbetrifft - jeder wird aus der Umgebung, wo er wohnt, eigene Beispiele anfuhren können.“ (Ebd., 2012, S. 313).

„Wie jeder weiß, sind die Sozialhilfeempfänger in den Städten nicht gleichmäßig verteilt, und die Unterschiede zwischen ausgesprochenen Villenvierteln und den Elendsvierteln der Armen sind groß. Untersucht wurden diese Unterschiede zum Beispiel in Essen und Bielefeld: 1982 reichten die Unterschiede zwischen den Essener Stadtbezirken von einem Anteil von minimal 0,4% »Sozialhilfebetroffenen« bis maximal 18,5%.1988 betrug die Spanne schon zwischen 0,5% und 17;0%, und die Untersucher gelangten zu der Schlußfolgerung: »Die Unterschiede der räumlichen Verteilung von Sozialhilfebetroffenen sind enorm und vergrößern sich zunehmend.«“ (Ebd., 2012, S. 313).

„Es ist zwar kein Gegenstand der öffentlichen Diskussion, aber es gibt viele gute Gründe zu der Annahme, daß Mütter, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, zum unteren Ende der IQ-Verteilung gehören. Frauen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, haben einen geringeren Bildungsgrad als Frauen, die keine Sozialhilfe brauchen, und chronische Empfänger von Sozialhilfeunterstützung haben weniger Bildung als nicht-chronische Empfänger. Aus den USA ist bekannt, daß die Lesefähigkeit von Müttern, die auf Sozialhilfe bzw. Wohlfahrtsunterstützung (in den USA auf »welfare«) angewiesen sind, drei bis vier Schuljahre unterhalb dessen liegt, was für einen normalen Schulabschluß gefordert wird. Schlechte Lesefähigkeit und eine nicht abgeschlossene Schulausbildung sind aber Kennzeichen der Bevölkerungsteile mit unterdurchschnittlicher Denkkraft. Man kann deshalb sogar ohne IQ-Testergebnisse den Schluß ziehen, daß auf Sozialhilfe angewiesene Mütter mit unterdurchschnittlicher Intelligenz ausgestattet sind. Je klüger eine Frau ist, mit desto größerer Wahrscheinlichkeit wird sie eine Arbeit finden (falls sie will! HB) oder andere Geldquellen erschließen (bei den Eltern oder beim Vater des Kindes) und desto weitsichtiger wird sie der Gefahr vorzubeugen versuchen, auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, meinen Herrnstein und Murray (1994). Das gilt selbstverständlich nicht für den Einzelfall. Zum Beispiel durch Krankheit (etwa durch Depression) oder Unfall kann auch eine hochintelligente Frau in die Lage geraten, Sozialhilfe beantragen zu müssen.“ (Ebd., 2012, S. 313-314).

„60% der Familien, in denen Fälle von Kindesmißbrauch (Daten der USA vom Jahre 1967) untersucht worden sind, waren abhängig von Sozialhilfe. Die Hälfte der Familien befand sich unterhalb der Armutsgrenze, die meisten nur knapp darüber. Nur in 6% der Familien war ein mäßiges Einkommen vorhanden. Viele der Eltern in den betroffenen Familien hatten einen IQ an der Grenze zum Schwachsinn. Das sind Ergebnisse, die auch in Deutschland seit langem bekannt und bestätigt worden sind. Dennoch wird immer wieder von Sozialwissenschaftlern fälschlich behauptet, Kindesmißbrauch und -vernachlässigung und sogar Inzest beträfen alle Schichten, unabhängig von Rasse, Religion oder wirtschaftlicher Lage der betreffenden Familien. In Fachbüchern zu diesen Problemen sucht man das Stichwort »Intelligenz« vergeblich. Auch zwischen der Säuglingssterblichkeit und dem Bildungsgrad - und damit dem IQ - besteht eine klare Beziehung. Zum Beispiel starben bei weißen Müttern im Jahre 1978 in Kalifornien von 1000 Neugeborenen bei Frauen mit weniger als 12 Jahren Schulbildung 12,2 Säuglinge, bei Frauen mit 12 Jahren Schulbildung 8,3 und bei Frauen mit 13 und mehr Jahren Ausbildung 6,3 Säuglinge.“ (Ebd., 2012, S. 314).

„Diese Beziehung zwischen Bildungsgrad, sozialem Status der Mutter und der Säuglingssterblichkeit besteht vermutlich schon immer. (Und wurde nur dann in historischer Zeit einmal ins Gegenteil verkehrt, als in Frankreich die Mode aufkam, Neugeborene von Frauen von hohem Stand zu Ammen zu geben, wo ihre Sterblichkeit dann erschrekkend hoch war.)“ (Ebd., 2012, S. 314).


Blicke in den Alltag der sozialen Schichten Kriminalität.

„Eine der am besten gesicherten Feststellungen über Rechtsbrecher ist, daß sich ihre IQ-Verteilung von der der Gesamtbevölkerung deutlich unterscheidet. Wenn man die wissenschaftlicheLiteratur insgesamt überblickt, dann stellt sich heraus: Rechtsbrecher haben einen Durchschnitts-IQ von 92, Gewohnheitsverbrecher haben noch niedrigere Werte. Manche werden behaupten, sehr intelligente Personen würden weniger häufig gefaßt und der Zusammenhangentstünde auf diese Weise. Aber dafür gibt es keine statistischen Belege.“ (Ebd., 2012, S. 314).

„Richten wir unser Augenmerk erst einmal auf eine außerordentliche Herausforderung an die soziale Angepaßtheit: »Wegen Fahnenflucht wurden bis 30. Juni 1944«, so der Militärhistoriker Franz Seidler (1996), »insgesamt 13.550 Wehrmachtsangehörige verurteilt. .... Über 6.000 wurde die Todesstrafe verhängt. .... Zu den Ermittlungsakten aller kriegsgerichtlichen Verfahren gehörte ein Auszug aus dem Strafregister des Angeklagten. .... Die exemplarische Durchsicht von Fahnenfluchtakten zeigt, daß ein beträchtlicher Teil der Angeklagten, in einigen Verbänden sogar die Hälfte, bereits im Zivilleben vorbestraft war. Unerwartet viele hatten sogar mehrfache Gefängnisstrafen hinter sich, bevor sie eingezogen wurden. Die meisten Soldaten stammten aus einfachen Verhältnissen, oft aus zerrütteten Familien. Eine große Anzahl hatte keine abgeschlossene Schulausbildung. Ohne vollständige Berufsausbildung waren sie vor ihrer Einberufung als ›Hilfsarbeiter‹ tätig gewesen. Da es im Dritten Reich keine Kriegsdienstverweigerung und außer tür Zuchthäusler und untauglich Gemusterte keinen Wehrdienstausschluß gab, wurden Kriminelle, häufig sogar aus dem Strafvollzug, zusammen mit den anderen Wehrpflichtigen des aufgerufenen Jahrgangs in die Wehrmacht eingezogen. Die Anpassungsschwierigkeiten, die die Vorbestraften, Einsitzenden und Arbeitsunwilligen bereits im Zivilleben aufwiesen, multiplizierten sich in der strafrechtlichen Ordnung des Truppendienstes und führten bei einigen bereits vor dem Ende der militärischen Ausbildung zur Fahnenflucht. .... Nur ganz wenige Deserteure handelten aus politischen Gründen. .... Überraschend viele Soldaten wurden fahnenflüchtig, weil ihnen wegen eines strafwürdigen Delikts wie Unterschlagung, Diebstahl, Schwarzhandel oder Raub ein Kriegsgerichtsverfahren drohte.«“ (Ebd., 2012, S. 314-315).

„In den USA ist es, wie in vielen anderen Industrieländern, seit 1950 zu einer starken Zunahme von Gewaltverbrechen (Raub, Mord, gewalttätiger Überfall und Vergewaltigung) gekommen. Insgesamt stieg in der alten Bundesrepublik Deutschland die Zahl der erfaßten Straftaten von 1,68 Millionen 1963 auf 4,33 Millionen 1990 und bewegt sich in Gesamtdeutschland seit 1992 bei rund 8 Millionen. Da Rentner seltener kriminell werden als Jugendliche, bremst die Altersstruktur einen weiteren absoluten Anstieg aus.“ (Ebd., 2012, S. 315).

„Die tatsächliche Zahl der Straftaten liegt aber viel höher, denn die Polizeiliche Kriminalstatistik enthält nur die der Polizei bekannt geworden en Fälle, die jeweils bei Abgabe des Vorgangs an die Staatsanwaltschaft erfaßt werden. 2008 wurden in Deutschland 210.885 Personen Opfer eines bekannt geworden en Delikts der Gewaltkriminalität. »Besonders bemerkenswert ist (im Langzeitvergleich) die Zunahme bei den Raubtaten sowie bei den gefährlichen und schweren Körperverletzungen« (Hans-Dietre Schwind, Kriminologie, 2010, S. 35). Nach 1970 sanken einige Aufklärungsquoten: bei Mord und Totschlag von 94% auf 88%, bei Raub von 58% auf 46%, bei schwerem Diebstahl von 25% auf 13%, bei Wohnungseinbruch von 34% auf 15%. Das Risiko, für einen leichten Diebstahl oder für einen Einbruch büßen zu müssen, ist in Deutschland inzwischen lächerlich gering. Die Aufklärungsquote beträgt kaum 5%. Immer häufiger kommen leichte Diebstähle deshalb auch gar nicht mehr zur Anzeige, da den Bestohlenen, angesichts der sehr geringen Erfolgschance, damit etwas zu erreichen, eine Anzeige als zwecklos erscheint und die zeitliche Belastung des Bestohlenen durch die langwierigen Prozeduren des polizeilichen Protokolls oft größer sind als der Schaden selbst.“ (Ebd., 2012, S. 315).

„Bei einem ausländischen Bevölkerungsanteil in Deutschland von 8,5% im Jahre 1995 betrug der ausländische Anteil beim Rauschgifthandel als Mitglied einer Bande 72%, bei Taschendiebstahl 65%, bei Geldfälschung 58% und bei Hehlerei mit gestohlenen Kraftfahrzeugen 53% (vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik, 1995 [die Prozentzahlen liegen in Wirklichkeit noch sehr viel höher! HB]). Neuere Statistiken sind nicht aussagekräftiger, da es inzwischen leichter geworden ist, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben und dadurch in den Statistiken die Unterschiede zwischen den verschiedenen Herkunftsgruppen der Bevölkerung verwischt werden.“ (Ebd., 2012, S. 315).

„Besonders bei ausländischen Jugendlichen (14 bis unter 18 Jahre) ist die Bereitschaft zur Gewalt erschreckend hoch: Erfaßt wurden 1995 3603 Fälle von Raub, räuberischer Erpressung und räuberischem Angriff auf Kraftfahrer, verglichen mit 4151 Fällen, verursacht durch deutsche Jugendliche (auch hier ist die Statistik pro-ausländisch, wurden die Zahlen zugunsten der Ausländer extrem frisiert, so wurden z.B. 70% ausländische Straftaten auf durchschnittliche 0,7% reduziert, also verfälscht [**]; HB). Bei einem Ausländeranteil um 9% im Jahre 2005 betrug der Bevölkerungsanteil der Ausländer, auf die das deutsche Jugendstrafrecht Anwendung findet, 17%. Mit diesen Zahlen wird auch die Verschiebung der Bevölkerungsanteile innerhalb einer Generation belegt, also fast die Verdoppelung des Ausländeranteils.“ (Ebd., 2012, S. 315-316).

„Wenn sich die Verbrechensziffern ändern, dann wird man die Ursache zuerst in veränderten sozialen Bedingungen und nicht in persönlichen Eigenschaften suchen. In welcher Weise sollten da Intelligenzunterschiede eine Rolle spielen? Herrnstein und Murray (1994) meinen, geringe Denkkraft führe oft zu Enttäuschungen in der Schule und bei der Arbeitssuche. Wenn zum Beispiel Personen mit niedrigem IQ keine Arbeit finden, dann gibt es Gründe für sie zu versuchen, ihren Lebensunterhalt durch Verbrechen zu verdienen. Wenn sie auf normale Weise keine Anerkennung erlangen können, wie zum Beispiel Ausländer, die in Deutschland leben, aber keine Arbeitserlaubnis erhalten, aber auch nicht ausgewiesen werden, oder die illegal eingewandert sind, dann können Verbrechen für sie als ein Ausweg erscheinen.“ (Ebd., 2012, S. 316).

„Höhere Intelligenz verleiht auch einen gewissen Schutz gegen Wiederholungskriminalität selbst für Personen, die sonst als besonders gefährdet gelten. Auch diejenigen, die in ungeordneten Verhältnissen groß geworden sind, und bei Eltern, die selbst kriminell sind und die in der Kindheit Charakterzüge gezeigt haben, die prognostisch mit Kriminalität korreliert sind, sind als Erwachsener mit geringerer Wahrscheinlichkeit Verbrecher, wenn sie einen hohen IQ haben. Nichtsdestoweniger leben die meisten Menschen mit niedrigem IQ nach Recht und Gesetz. Am Anstieg der Verbrechensrate müssen dennoch Faktoren beteiligt sein, für die ein Teil der Personen mit niedrigerem IQ ein höheres Risiko aufweist.“ (Ebd., 2012, S. 316).


Die Intelligenz und ihre Feinde 6) Die Intelligenz in der sozialen Wirklichkeit.

–  Intelligenzunterschiede zwischen Völkerrn (S. 317-321)
–  Die Juden und der Staat Israel (S. 321-348)
–  Die Chinesen in Südostasien ... (S. 348-352)
–  Der Schmelztiegel Brasilien (S. 352-357)
–  Die Demograpie der Intelligenz (S. 357-359)

Die Intelligenz in der sozialen Wirklichkeit Intelligenzunterschiede zwischen den Völkern.

„Zweifellos sind die Unterschiede zwischen den Einzelpersonen viel größer als die Unterschiede zwischen Gruppen. Wenn z.B. in den USA alle ethnischen Intelligenzunterschiede über Nacht verschwänden, dann bliebe dennoch der größte Teil der Schwankungsbreite der Denkkraft davon völlig unberührt. Die verbleibende Ungleichheit ist auch in einheitlichen Gesellschaften, so wie das in Europa der Fall war, so groß, daß die politischen Abläufe davon beeinflußt und geprägt werden.“ (Ebd., 2012, S. 318).

„Der Zusammenhang zwischen IQ und Rasse ist nicht von primär-kausaler Art, sondern entsteht sekundär über den Sozialstatus. Hochintelligente Menschen gibt es in allen Rassen, jedoch mit unterschiedlicher Häufigkeit, woraus die IQ-Mittelwertunterschiede der Menschengruppen folgen.“ (Ebd., 2012, S. 321).


Die Intelligenz in der sozialen Wirklichkeit Die Juden und der Staat Israel.

„Nur 22% der Einwohner Israels sind Juden europäischer Herkunft; rund 50% Mizrachim, das sind Juden, die aus arabischen bzw. muslimischen Ländern nach Israel ausgewandert oder geflüchtet sind. .... Der überdurchschnittliche mittlerer IQ wurde nur bei den Aschkenasim (Askenazis; vgl. Wikipedia.en: Askenazi intelligence [Ashekenazi bezeichnet den deutschen Juden {wö:rtlich: Jude in Deutschland}, d.h. denjenigen Juden, dessen Vorfahren nach dem Bar-Kochba-Aufstand {132-135} ins Rheingebiet ausgewandert waren und einen deutschen Dialekt - das Jiddische {Juden-Deutsch, Judaeo-German} - entwickelt hatten; HB]) gefunden .... Die Juden aus arabischen Ländern,die Mizrachim, haben einen mittleren IQ wie die Araber dieser Länder auch. Damit wäre eigentlich schon der mittlere IQ Israels erklärt.“ (Ebd., 2012, S. 324).

„Etwa 10% der Juden in Israel bekennen sich zu den Haredim, den Gottesfürchtigen. Zu diessen Ultraorthodoxen zählt man zahlreiche Zweige mit mehr oder weniger unterschiedlichen Glaubens- und Wertvorstellungen, »aber ihre Geburtenzahl ist fast dreimal so hoch wie die der Säkularen. .... Ein Viertel der jüdischen Erstkläßler ist bereits ultraorthodox.« (Juliane von Mittelstaedt, Im Namen der Tugend, in: Der Spiegel, 2, 2012, S. 91). Rund 60% der Väter haben kein Einkommen aus Erwerbsarbeit.“ (Ebd., 2012, S. 324-325).

„In Israel fehlt es nicht an Personen, die meinen: »Wenn man diesen langfristigen Entwicklungen nicht entgegenwirkt, stellen sie eine Bedrohung für die politische, soziale und kulturelle Position des jüdischen Staates und seine Sicherheit dar.« (P. Ritterband [Hrsg.], a.a.O., 1981, S. 259). Bei den Aschkenasim gibt es einen aktiven pro-eugenischen Flügel. Der Staat Israel gestattet die künstliche Befruchtung, und die Knesset hat am 3. März 1996 die Leihmutterschaft per Gesetz legalisiert. Auf der anderen Seite ist »die Bevölkerungspolitik Israels darauf gerichtet, ... die Familiengröße der Unterschichten durch Geburtenkontrolle zu verkleinern« (P. Ritterband, ebd., S. ,267). Die Beihilfen für Kinder wurden 2004 dreimal beschnitten und sollten bis 2009 nicht mehr angehoben werden. Nach sechs Jahren relativer Stabilität markierte das Jahr 2003 in Israel den Beginn des Anstiegs der Armut. Der Anteil der als arm eingestuften Familien in der israelischen Gesellschaft schnellte auf 19% der Gesamtbevölkerung, der Anteil der als arm geltenden Kinder stieg sogar auf 31% .Der Vergleich der beiden Prozentzahlen belegt eine dysgenische Entwicklung. Alle wesentlichen politischen Kräfte sehen in der Liberalisierung der Wirtschaft und der Kürzung von Subventionen das einzige erfolgreiche Wirtschaftsprogramm. Die soziale Desintegration der Unterschichten wird dabei einkalkuliert.“ (Ebd., 2012, S. 325).

„Jede Bevölkerung, die ihr eigenes Dasein bewahren und sich nicht selbst auflösen will, schützt sich auf irgendeine Weise gegen eine Überzahl von fremden Einwanderern. In allen Kulturen waren Juden irgendwann einmal Einwanderer, die wegen ihrer einzigartigen Religion wenig Neigung zeigten, vollkommen in der einheimischen Bevölkerung aufzugehen. Besondere Regeln für Juden und den Umgang mit ihnen gab es deshalb bei allen Völkern und Kulturen ....“ (Ebd., 2012, S. 325).

„Im 11. Jahrhundert stellten die Aschkenasim - das Wort bedeutet im Hebräischen »Juden in Deutschland« (**) - im Rheinland etwa 3% aller Juden der Welt. 1931 stammten dann 92% des Weltjudentums von ihnen ab (vgl. Wikipedia.en: Askenazi Jews). Nur bei ihnen hatte jahrhundertelang die Selektion stattgefunden ....“ (Ebd., 2012, S. 343).

Ein Artamane im Einsatz
Ein Artamane im Einsatz. Er hilft einer Frau bei der Ernte. (Das Bild stammt nicht von Weiss, sondern von mir; HB.)
Bestandteil der zionistischen Utopie war die Siedlungsbewegung, die in Palästina zur Gründung der Kibbuzim führte. Die erste schriftliche Niederlegung der Ideale, die sich die Kibbuzbewegung gab, wurde 1923 auf einer Konferenz festgelegt. Analog zu anderen politischen Utopien war die Gründergeneration der Kibbuzim davon überzeugt und gewillt, in Palästina einen neuen Menschen zu schaffen, der abgehärtet, wehrfähig und sich selbst erziehend eine neue sozialistische Gesellschaft errichtet. (Interessant wäre es einmal, die Parallelen und Unterschiede mit der Siedlungsbewegung der Artamanen herauszuarbeiten, die zur selben Zeit in Deutschland einen Teil der Jugend unter ihre Fahnen rief!)“ (Ebd., 2012, S. 343).

„Handlungsmaxime der Kibbuzbewegung waren die zentrale Rolle der Gemeinschaft, der Gleichheit und der kollektiven Kindererziehung. Neben dem Kinderhaus stand im Zentrum eines jeden Kibbuz eine Gemeinschaftsküche mit einem großen Speisesaal, in dem alle ihre Mahlzeiten gemeinsam einnehmen konnten. Jedes Mitglied war verpflichtet, abwechselnd für die Gemeinschaft zu kochen, abzuwaschen und an den Tischen zu bedienen. Gleichheit erschöpfte sich jedoch für die Siedler nicht nur in der gleichen Verteilung der materiellen Güter, sondern man strebte eine radikale Verwirklichung der Gleichheit in allen Lebensbereichen an. Das Geld war als Zahlungsmittel geächtet. Das Essen und die Wohnungen waren einfach, Luxus verboten. Es galt als bürgerlich, eigene Kleidung besitzen zu wollen. Es wurde eine Kleiderkammer eingerichtet, in der die persönliche Kleidung abgegeben werden mußte; sie wurde dort gewaschen und ausgebessert. Man mußte sich einer einheitlichen Kleiderordnung fügen. Wenn in Dystopien oft Gesellschaften geschildert werden, die in ihrer Totalität in das gesamte Leben eingreifen und den einzelnen mit ihren Regeln beherrschen, hier haben wir eine der Vorlagen in der Wirklichkeit!“ (Ebd., 2012, S. 343-344).

„Eine selbstverständliche Konsequenz eines derartigen Systems war die Aufhebung des Leistungsprinzips. Jeder Arbeit wurde die gleiche Wertigkeit zugesprochen, auch jeder körperlichen Arbeit. Lohn und Leistung wurden vollständig voneinander entkoppelt. Strikt wurde auch die Einhaltung der Gleichheit der Geschlechter gefordert. Männer und Frauen mußten gemeinsam duschen. Beliebtes Mittel der sozialen Kontrolle war der Klatsch. Jeder kannte jeden, nichts blieb verborgen.“ (Ebd., 2012, S. 344).

„Leitungspositionen wurden rotiert, aber man hielt es für sinnvoll, die dafür Geeigneten durch Abstimmungen auszuwählen. In der Tatsache, daß arbeitsteilige Gemeinschaften Leitungen und Führer brauchen und dafür Personen mit unterschiedlichem IQ auch unterschiedlich geeignet sind, trug natürlich auch die Kibbuz-Bewegung - wie alle derartigen Utopien - den Keim in sich, der auf längere Sicht zu ihrer inneren Zersetzung führen mußte; es bildete sich nämlich eine »Kibbuz-Aristokratie« heraus (vgl. Mathias Lindenau, Requiem für ein Traum?, 2007, S. 229). Die starke soziale Kontrolle erzeugte eine Gegenbewegung und führte zum Wunsch nach Unabhängigkeit und Abstand. Die Gleichrangigkeit der Arbeit und damit das Prinzip der Gleichheit begannen zusehends zu erodieren. Die Trennlinie zwischen Handarbeit und den Arbeiten einer relativ geschlossenen Verwaltungs-, Funktionärs- und Expertenelite wurde immer schärfer. Ab 1991 wurde die kollektive Kindererziehung endgültig aufgegeben.“ (Ebd., 2012, S. 344).

„Während in der Generation der Staatsgründer von 1948 einige aus der Kibbuz-Bewegung hervorgegangen waren, sind ihre Ideale heute Geschichte.“ (Ebd., 2012, S. 344).

„Was fallt einem persönlich nicht alles ein, wenn man über den Untergang der Kibbuz-Bewegung schreibt? ln der DDR mußten die Studenten jedes Jahr im Herbst für wenige Wochen zur Kartoffeternte ausrücken. Unterkunft und Essen waren an jedem Einsatzort gemeinschafttich. 1965 arbeitete ich mit Physik-Studenten in einem Dorf des Oderbruchs. Etwa ein Dutzend Mann hildeten eine »sozialistische Brigade«, deren Arbeitsteistung gemeinsam abgerechnet wurde. Es war ein geselliger Ernteeinsatz, mit mäßigem Verdienst. lch hatte den Eindruck, etwas schneller zu arbeiten als die meisten anderen, die sich wiederholt von nächttichen Atkohotexzessen erholen mußten. lch bremste meinen Arbeitseifer, indem ich mit einem Freund auf dem Kartoffelfetd blind Schach spielte. Zum Schluß wurden dann drei Mann aus der Brigade exmatrikutiert, weil sie in der Kneipe den Dorfpotizisten mit unflätigen Gesängen herausgefordert hatten.“ (Ebd., 2012, S. 344).

„Ein Jahr später lasen wir wieder Kartoffeln, im Nachbardorf; diesmal arbeitete jeder einzelne indes auf eigene Rechnung. ln dem Alter hatte ich auch an körperlicher Kraft und Ausdauer noch einiges drauf und war wieder einmal Rekord-Kartoffelleser. Von dem Verdienst konnte ich mir einen sehr schönen Wintermantel kaufen. An einem Tag in diesem Einsatz mußten wir unseren Lohn jedoch »freiwillig« für den Vietnamkrieg spenden (natürtich nicht für die USA, sondern für die Kommunisten). An diesern Tag wurde die Arbeitsteistung nicht einzeln abgerechnet, sondern gemeinsam, und unsere Leistung lag weit unter dem Durchschnitt der anderen Tage. Ein Chemie-Student hatte sich bei uns hervorgetan, indem er sogar zum Langsamarbeiten aufgefordert hatte. Am Abend versammelten sich die Genossen der Sozialistischen Einheitspartei in einer Baracke und berieten. lch belauschte sie und erfuhr, daß der Chemie-Student Ralf X. von Exmatrikulation bedroht war. lch bat Ra!f, mit mir allein zu sprechen, und beide gingen wir tange neheneinander in einer sternenklaren Nacht auf einer einsamen Landstraße. lch war damals schon von der Endtichkeit des herrschenden Systems fest überzeugt und meinte, der Widerstand brauche keine Märtyrer, das System würde sich setbst richten. lch brachte Ralf dazu, gegenüber den Genossen nach Ausflüchten für sein Verhatten zu suchen, verbunden mit seinem Angebot, einen weiteren Tageslohn für Vietnam zu spenden. Das rettete die Situation. 1990 sind wir uns wieder begegnet. Er hatte promoviert, eine Familie gegründet, und heide haben wir den gemeinsamen Weg damals in jener Nacht nie vergessen.“ (Ebd., 2012, S. 344-345).

„Als 1948 der Staat Israel gegründet worden war, hatten die Aschkenasim die Kontrolle in allen Schlüsselpositionen. Sie stellten die politische und kulturelle Elite des Landes. Ab Mitte der 1950er Jahre wurden die Einwanderer der zweiten Welle aus Nordafrika nach der Einreise oft direkt in die Entwicklungsstädte überwiesen, wo sie als Arbeiter in den Industriebetrieben eingestellt wurden. Diese Mizrachim »wurden von den Aschkenasim als minderwertig für den Aufbau einer modernen Gesellschaft angesehen, nicht nur aufgrund fehlender Qualifikationen, sondern auch ,aufgrund ihrer religiösen und kulturellen Praktiken.« (Mathias Lindenau, Requiem für ein Traum?, 2007, S. 327). Bis 1988 erreichten die Mizrachim durch ihre hohe Kinderzahl und damit durch ihr in einer Demokratie steigendes Gewicht eine Quotenregelung bei der Besetzung von Ämtern und verstärkte Beihilfen für ihre Wohngebiete. Als 1989 eine neue Einwanderungswelle aus der Sowjetunion einsetzte, gelang es vielen dieser Russischsprechenden verhältnismäßig rasch, Fuß zu fassen und Arbeit zu finden, während insbesondere die äthiopischen Juden an den Rand der Gesellschaft gerieten; ihr Jude-Sein wurde noch dazu von Teilen der Gesellschaft bezweifelt: »Sie wurden nicht selten wie eine Herde von Schafen behandelt, und als Neger beschimpft« (Mathias Lindenau, ebd., 2007, S. 315).“ (Ebd., 2012, S. 345).

„Die Emigranten der Einwanderungswelle aus der alten Sowjetunion ab 1990 gehörten zu 70% der Intellektuellen Elite an (in der Sowjetunion, wohlgemerkt! HB). Dadurch waren bestimmte qualifizierte Arbeitsplätze in Israel Mangelware geworden, was zu einer außerordentlich hohen Arbeitslosigkeit unter Akademikern führte und zwangsläufig zu ihrer Wieder-Auswanderung in Drittländer. Allein die Zahl der Ärzte war in Israel binnen dreier Jahre von 12.000 auf 22.000 hochgeschnellt. Eine Folge ist seitdem auch, daß die palästinensische Intelligenz im eigenen Land kaum qualifizierte Arbeitsmöglichkeiten finden kann und auswandert. Da sich bisher in jedem entwickelten Wirtschaftsraum der mittlere IQ aller Einwohner um 95 bewegt, bewirkt ein höherer IQ bei einer Ethnie schon mittelfristig einen niedrigeren mittleren IQ bei einer anderen Ethnie.“ (Ebd., 2012, S. 345).

„Ob die angestrebte Homogenisierung der Juden in Israel bereits als gescheitert angesehen werden muß, ist eine kluge Frage: »Die nach wie vor bestehende Ungleichheit zwischen den unterschiedlichen ethnischen Gruppen hat zu einer signifikanten Schichtung in der israelischen Gesellschaft geführt. Diese sozioökonomischen Disparitäten zwischen den unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen bergen ein enormes Konfliktpotential für die israelische Gesellschaft in sich.« (Mathias Lindenau, Requiem für ein Traum?, 2007, S. 327). Die Ungleichheit hat in der zweiten Generation der Einwanderer deutlich zugenommen. Das Zentralamt für Statistik berichtet seit Jahren über ein Wachstum des Einkommens bei der Oberschicht, während die Einkommen der Unterschicht zum Beispiel 2004 um 9% sanken.“ (Ebd., 2012, S. 345).

„Die Wandlung Israels von einer Schmelztiegelgesellschaft zu einer Mosaikgesellschaft, deren unterschiedliche ethnische Gruppierungen ihre Tradition behalten und pflegen wollen, hat zur Entstehung eines Post-Zionismus beigetragen. Einige Post-Zionisten fordern ein Ende der Sonderbehandlung der jüdischen Staatsbürger, eben keinen jüdischen Staat, sondern einen normalen Staat für alle seine Einwohner, mit gleichen Rechten und Pflichten. Ihre Gegner, die Neo-Zionisten meinen, daß die Erfüllung dieser Forderung das Ende des Staates Israel bedeuten würde.“ (Ebd., 2012, S. 345-346).

„Wenn Intelligenz (und damit korrelierter Besitz) schon seit zig Generationen einen großen evolutionären Vorteil gebracht hat, warum ist die Intelligenzverteilung in der Bevölkerung nicht eine völlig andere? Menschen leben seit Jahrtausenden in den verschiedenen Erdteilen unter verschiedenen Kulturen und unter verschiedenen Selektionsbedingungen. Das Erstaunliche dabei ist, daß, wenn es überhaupt Unterschiede zwischen Völkern und Rassen gibt oder geben sollte, sie hinsichtlich der IQ-Verteilung so gering sind. Das setzt doch einen Selektionsmechanismus voraus, der bei Spaniern, Japanern und Tamilen, trotz ihrer unterschiedlichen Geschichte und Kultur, irgend etwas grundlegend Gemeinsames haben muß, wenn diese starken sozialen Selektionsdifferentiale nicht zu einer viel stärker auseinanderdriftenden Entwicklung geführt haben. Die Antwort liegt in der Universalität der sozialen Hierarchie: Es gibt so etwas wie ein feststehendes zahlenmäßiges Verhältnis zwischen der Anzahl der Führungspositionen und der Anzahl der Untergegeben, die Zahl der Zwischenglieder und nachwachsenden Anwärter auf Führungspositionen inbegriffen (die Hervorhebung stammt von mir; HB). Dieses Verhältnis ist durch alle Zeiten hindurch annähernd gleichgeblieben, und es gilt auch für die multiplen Hierarchien der Staatsverwaltung und der modernen Industrie, für die bei 8-9% für Stab und technisches Personal eine Sättigungsgrenze erreicht ist. Ändert sich das Verhalten, so daß ein relativer Überschuß an Hochbegabten aufwächst (wie zum Beispiel in den Familien der französischen Hugenotten vor ihrer Vertreibung) und geht das bei einer Gruppe mit einer entsprechenden Vermehrung von verdeckten Machtpositionen - zum Beispiel wirtschaftlichen Positionen -einher, droht die gewaltsame Entladung der entstehendensozialen Spannung; dann drohten bisher in der Geschichte Bartholomäusnächte und Vertreibung. Der Teil an qualifizierten und einträglichen Stellungen, der von einem Bevölkerungsteil besetzt ist, kann nicht gleichzeitig auch von einem anderen Bevölkerungsteil besetzt werden. Der Spielraum, in dem soziale Systeme einen Überschuß an Intelligenz ohne Führungskompetenz ertragen, scheint gering. Unter demokratischen oder sonstwie geregelten Verhältnissen werden Kinderzahlen durch Steuern, Wohnungen und Arbeitsplätze reguliert, und die Sozialdemokratie sorgt dafür, daß eine Steuerpolitik mit qualitativen Aspekten für die Bevölkerung keine allzu große Chance hat, je ein Thema zu sein (vgl. dazu aber auch Michael Schwartz, Sozialistische Euegnik, 1995). Ein solches Ziel läßt sich nur dann teilweise verwirklichen, wenn es offiziell kein Ziel ist und nicht als solches offen diskutiert wird, sondern aus dem schweigenden Einverständnis der politisch Handelnden überparteilich wächst. In den totalitären Auswüchsen des Kreislaufes der Eliten (KZ, Gulag) hingegen werden die Menschen der Gegenelite regelrecht verheizt; in Kambodscha mit einer solchen Gründlichkeit bis zur Auszehrung des Landes. Auch die wirtschaftlichen Probleme Rußlands und der Ukraine heute dürften darin eine wesentliche Ursache haben. Was vernichtet worden ist und ausgerottet worden ist, sind nicht nur die Denkkräftigen, sondern ein risikobereiter, zugleich aber verantwortungsvoller Typ von Personen, der als Gründer in einer freien Wirtschaft unerläßlich ist. Auch die Flucht aus dem Osten in den Westen Deutschlands hat dem Osten diesen Persönlichkeitstyp entzogen. Natürlich ist er noch vorhanden, aber in zu geringer Zahl und mit zu geringem Bevölkerungsanteil.“ (Ebd., 2012, S. 346).

„Das allbekannte schöne Beispiel, daß unsere Wahrnehmungen darauf gerichtet sind, soziale Einseitigkeiten aufzuspüren, beschönigt auch hier den Sinn und die mögliche Brutalität dieses Mechanismus, der dazu führt, daß die weiße Krähe von den schwarzen gehackt wird. Eine biologische Art konkurriert nämlich nicht nur gegen die geographische Umwelt und gegen alle anderen biologischen Arten, sondern es gibt auch Mechanismen, um die innerartliche Varianz zu begrenzen (die Hervorhebung stammt von mir; HB). Je größer diese Streuung ist, desto größer ist auch die Anpassungsbreite einer Art (stellen wir uns das Berufsspektrum einer Menschheit vor, die in ihrer Körperhöhe von 10 bis 300 cm schwanken würde), desto größer wird aber auch die Gefahr, daß die Art in mehrere Arten zersplittert, die dann voll gegeneinander konkurrieren. Adel und Kasten waren bisher keine ernste Gefahr, weil sie keiner sinnvollen und völlig durchgehaltenen genetischen Trennung entsprachen. Ob es irgendeiner sich selbst manipulierenden Intellektuellen Elite je gelingen kann, oder ob es sinnvoll erscheint, sich der sozialen Kontrolle der Gesamtart voll zu entziehen, kann hier nicht beantwortet werden. Das ist aber der Stoff, aus dem die Science-Fiction lebt (vgl. Volkmar Weiss, Der Clan aus Geld und Genen, 2003; ders., Das Reich Artam, 2011).“ (Ebd., 2012, S. 346-347).

„Für die Betroffenen ist der angesprochene »Mechanismus des Bewahrens des Mittelmaßes« dumm, gemein und bösartig - und dennoch unzweifelhaft vorhanden und manchmal geradezu Alltag. Die Hexen, die auf den Scheiterhaufen verbrannt worden sind, was mögen sie gedacht haben und was ihre Denunzianten? Wir sind aber mit größerer Wahrscheinlichkeit die Nachkommen der letzteren.“ (Ebd., 2012, S. 347).

„Angesichts des prozentualen Anwachsens der ultraorthodoxen religiösen Juden, die in Israel zum Teil die aktive Wehrpflicht verweigern, und der anderen inneren Verschiebungen der Bevölkerungsanteile und damit des Aufreißens der IQ-Lücke, steht dem Staat Israel die eigentliche Bewährungsprobe vor der Geschichte in diesem Jahrhundert erst noch bevor. Der Historiker Avraham Barkai (geboren 1921), der seit 1938 in einem Kibbuz lebt, stellt im Rückblick auf das Gesamte seit 1985 ernüchtert »eine Senkung des Lebensstandards auf allen Gebieten« fest (vgl. Avraham Barkai, Erlebtes und Gedachtes, 2011, S. 205) sowie »daß das Niveau des Erziehungswesens, vom Kindergarten bis zu den Universitäten, von Jahr zu Jahr sinkt« (S. 187). Die Auflösung strenger Kriterien für das Jude-Sein und die Staatsangehörigkeit, das Absinken des durchschnittlichen IQ und damit der durchschnittlichen wirtschaftlichen Tüchtigkeit, das in einer Demokratie notwendige Buhlen um die Stimmen der Bevölkerung, die zahlreichen Minderheiten angehört, schaffen keine allzu guten Voraussetzungen dafür, daß Israel die Wirren des Großen Chaos unbeschadet überstehen wird. »Israel ähnelt in vielem schon jetzt mehr Iran als Europa. Es ist ein Land, in dem es keine Zivilehe gibt, wo Rabbis über Hochzeit und Scheidung bestimmen, wo strenggläubige Schüler weder Mathematik noch Englisch lernen. Wo jeder Kindergarten und jedes Kampfbataillon einen Rabbi hat. Ein Land, wo ein Infrastrukturminister die Kraftwerke des Landes unter die Oberaufsicht der Rabbiner stellen will, damit auch der Strom den göttlichen Reinheitsgeboten folgt.« (Juliane von Mittelstaedt, Im Namen der Tugend, 2012, S. 91).“ (Ebd., 2012, S. 348).

„»Ich meine, die Juden werden immer genug Feinde haben, wie jede andere Nation. Wenn sie aber auf ihrem eigenen Boden sitzen, können sie nie mehr in alle Welt zerstreut werden. Wiederholt kann die Diaspora nicht werden, solange die ganze Cultur der Welt nicht zusammenbricht.« (Theodor Herzl, Der Judenstaat, 1897). Wenn also überhaupt, dann wird das Schicksal Israels im Großen Chaos entschieden werden.“ (Ebd., 2012, S. 348).

„In einem Zukunftsroman habe ich eine Oberschicht geschildert (vgl. Volkmar Weiss, Der Clan aus Geld und Genen, 2003), die in abgeschotteten Wehrsiedlungen lebt, die in Abständen mit Raketen beschossen werden. Am Schluß stehen die politischen Führer der Oberschicht vor der Frage, ob und wie sie zur Sicherung ihrer Existenz die vorhandenen Atomwaffen einsetzen sollen. Als ich den Roman »Der Clan aus Geld und Genen« 1975 geschrieben habe - an eine Drucklegung war in der DDR nicht zu denken -, habe ich damals nicht an Israel, die Hamas und die aus dem Gaza-Streifen abgefeuerten Raketen denken können. Es ... droht der gesamten Welt eine sehr gefährliche Entwicklung. Abgeschlossene Siedlungen, hinter deren Sicherheitseinrichtungen sich die Reichen und Schönen verschanzen, sind auch in Brasilien, Südafrika und den USA vielerorts schon eine Notwendigkeit.“ (Ebd., 2012, S. 348).


Die Intelligenz in der sozialen Wirklichkeit Die Demographie der Intelligenz.

Im Familienverhalten weisen die Schwarzen der USA gegenüber den Weißen und den Latinos grundlegende Unterschiede auf. Diese Unterschiede waren in den Jahrzehnten vor 1996 sogar immer größer geworden. 1960 wurden 24% aller schwarzen Kinder unehelich geboren, aber nur 2% aller Weißen. 1991 waren bei den Schwarzen 68% aller geborenen Kinder unehelich, bei den Latinos 39% und bei den nicht-hispanischen Weißen 18%. Bei den Schwarzen war die nicht-eheliche Geburt geradezu zum Regelfall geworden. Daraufhin haben die USA laut Sarrazin (2010, S. 386) »etwas gegen die hohe Zahl der Unterschichtgeburten in ihrem Land unternommen - mit Erfolg: Am 22. August 1996 unterschrieb Präsident Clinton den ›Personal Responsibility and Work Opportunity Reconciliation Act‹. Damit war die einfache Möglichkeit unterbunden, durch Kinder an Welfare-Zahlungen zu kommen. Bill Clinton mußte sich dafür vielfach als Rassist beschimpfen lassen. .... Im deutschen System erhalten Familien mit niedrigem oder gar keinem Einkommen Prämien für ihre Kinder. Insoweit ist die soziale Schieflage in der deutschen Geburtenstruktur nicht verwunderlich. .... Wer aber vom Staat alimentiert wird, soll nicht dazu verführt werden, diese Unterstützung durch Kinder zu erhöhen.«“ (Ebd., 2012, S. 358).

„Wenn sich die Bevölkerung eines Landes von Generation zu Generation durch Geburten und Einwanderung erneuert, werden die Menschen, die sterben, nicht immer im Verhältnis 1:1 durch Menschen mit dem gleichen IQ ersetzt. Das ist das, was wir unter Demographie der Intelligenz verstehen. Wenn Frauen mit niedrigem IQ ihre Kinder früher in die Welt setzen als Frauen mit hohem IQ, wird auch der mittlere genotypische IQ der Bevölkerung sinken, selbst dann, wenn die Kinderzahlen bei beiden Bevölkerungsschichten gleich groß sein sollten. Wenn die Kinderzahl über die IQ- Verteilung hinweg nicht gleich ist, so wird die nächste Generation eine andere Verteilung der IQ-Werte aufweisen. Wenn man über die Zukunft eines Volkes etwas aussagen will, dann ist die Beobachtung wichtig, ob und wie sich die IQ-Verteilung verändert. Eine zweite Frage betrifft dann das Warum.“ (Ebd., 2012, S. 357-358).

„In allen Industrieländern ist mit der Modernisierung ein Rückgang der Geburtenzahlen einhergegangen; ein Vorgang, der in der Fachsprache als »demographische Transition« (**) bezeichnet wird. Da bei den gebildeten, den »studierten« Frauen die Geburtenzahlen früher, rascher und stärker fallen als bei den ungebildeten - ein Vorgang, der sich derzeit in vielen Entwicklungsländern in breiter Front vollzieht -, kann man deswegen ein Absinken des mittleren IQ in der nächsten Generation erwarten. Es reicht dafür auch schon aus, daß die gebildeten Frauen ihre Kinder in einem höheren Lebensalter haben, wie das tatsächlich der Fall ist. Im allgemeinen geht man davon aus, daß 2,1 Geburten pro Frau das Minimum sind, um die vorhergehende Generation zu ersetzen. In den USA hatten 1992 die Frauen mit akademischen Abschlüssen 1,56 Kinder, das ist ein Kind weniger als Frauen ohne jeden Schulabschluß. Setzt man den Durchschnitts-IQ der Bevölkerung der USA mit 100, dann wäre er bei den Müttern knapp 98. Der genotypische Wert der nächsten Generation dürfte damit etwa einen IQ-Punkt niedriger sein. In der für die USA repräsentativen Längsschnittuntersuchung, die den meisten Graphiken von Herrnstein und Murray zugrunde liegt, betrug der durchschnittliche IQ der Mütter sogar nur 96. Das mittlere Alter der Mutter, in dem die Kinder geboren wurden, betrug bei Weißen 24,3 Jahre, bei Latinos 23,2 Jahre, bei Schwarzen 22,3 Jahre. Der mittlere IQ aller geborenen Kinder für die Stichprobe von 4200 Personen, die 1979 auf den Mittelwert 100 genormt worden war, betrug 1988 nur 92. Herrnstein und Murray hoffen, daß dies nicht der endgültige Wert ist, da gerade von hochintelligenten Frauen in höherem Lebensalter noch Kinder geboren werden und so der Mittelwert noch etwas steigen sollte.“ (Ebd., 2012, S. 358).

Eine genetisch reine Linie bleibt genetisch eine reine Linie. Eltern, die für hohe Intelligenz reinerbig M1M1 sind, haben Kinder, die alle wieder M1M1 sind (**). Die Paarung von Homozygoten mit Homozygoten desselben Allels ergibt immer wieder nur Reinerbige mit unveränderten wahren genotypischen Werten, unbeschadet einer dabei auftretenden statistischen Regression der Meßwerte. Erst wenn wir auch Nebengene betrachten, wird das alles etwas komplizierter. Jedoch werden durch statistische Regression niemals Genhäufigkeiten verändert. Es ist deshalb grundfalsch, Regression als einen selbständigen Mechanismus ins Feld zu führen, der über Generationen hinweg ein allgemeines Einebnen von Unterschieden bewirken könnte. Deutlich wird das auch durch folgende Überlegung: Die Kinder von Eltern mit hohem IQ zeigen eine Regression ihrer mittleren Meßwerte. Nun kehrt man die Logik und Reihenfolge um: Als Folge zeigen nun die Eltern von Kindern mit einem hohen IQ die Regression zur Mitte. Jetzt sind die Kinder zuerst gemessen und nach ihren Meßwerten in Gruppen geordnet worden, danach die Eltern. Auf einmal ist die Streuung der Kinderwerte größer als die der Elternwerte. Man könnte bei dieser Betrachtung also von »umgekehrter Regression« sprechen.“ (Ebd., 2012, S. 359).


Die Intelligenz und ihre Feinde 7) Die Altersstruktur der Weltbevölkerung, Einwanderung und Politik.

–  Wie weit ist der Kreislauf der Verfassungen vorangeschritten? (S. 361-369)
–  Das Ungewöhnliche an der Sozialstruktur der Ostblockstaaten 1989 (S. 369-375)
–  Lohnnebenkosten, Altersstruktur der Bevölkerung und gegenwärtige Kinderzahlen (S. 375-387)
–  Lösen Einwanderer unsere Probleme? (S. 387-393)
–  Wie die muslimische Einwanderung im allgemeinen und die der Türken im besonderen die IQ-Lücke weitet (S. 393-401)
–  Bevölkerungswandel (S. 401-404)
–  Rassismus und das Weltversuchslabor Südafrika (S. 404-415)

Die Altersstruktur der Weltbevölkerung, Einwanderung und Politik Wie weit ist der Kreislauf der Verfassungen vorangeschritten?

„Es hat und wird immer wieder Versuche gegeben, die politischen Entscheidungsmöglichkeiten auf solche zwischen nur zwei Polen zurückzuführen, und rechts und links sind dafür die üblichen Begriffe (**). Sich nur scheinbar davon abhebend, schreibt Radnitzky (1998): »Unser Jahrhundert ist gekennzeichnet durch den Gegensatz zweier politischer Philosophien: die kollektivistische Gesellschaftstheorie einerseits und den klassischen Liberalismus auf der anderen Seite. .... Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist freilich der bekennende, fundamentalistische Sozialismus unverkäuflich geworden. Der Sozialismus tritt daher nur mehr in der Form des schleichenden Sozialismus auf, unter dem Deckmantel der Demokratie. .... Nahezu alle westlichen Demokratien sind teilweise sozialistisch. .... Ein grober, aber brauchbarer Indikator für den Grad von ›sozialistisch‹ ist die Staatsquote: der Anteil von Steuern und anderen Zwangsabgaben am Volkseinkommen. Die Besteuerungsquote stieg ständig. 1960 betrug sie 33 Prozent, heute liegt sie weit über 50 Prozent (**|**|**|**|**). Ein anderer wichtiger Indikator ist die Abgabenquote (**). Sie ist definiert als der Anteil vom Durchschnittseinkommen eines Arbeitnehmers, der ihm in Form von Steuern und Sozialversicherungsabgaben abgezogen wird. Sie liegt in Deutschland ebenfalls höher als 50 Prozent. .... Sie ist ein Indikator für das Ausmaß, in dem der Staat seinen Bürgern ansieht, ihre eigenen Geschäfte verantwortungsvoll zu führen. Die Abgabenquote ist eine Art Entmündigungskoeffizient oder Gängelungskoeffizient. Nicht minder wichtig ist die Regelungsdichte, aber sie ist schwierig zu messen. In Deutschland bildet sie eine Art Dschungelddickicht - von Baugenehmigungsverfahren ... bis zu den Ladenschlußzeiten. .... Ein anderer wichtiger Indikator ist die staatliche Schuldenquote (**). Sie ist eine Art ›Leben-auf-Pump‹-Koeffizient. Der kreditfinanzierte Ausbau des Wohlfahrtstaates hat uns eine interessante Entwicklung beschert: Die Schuldenquote stieg in raschem Takt: 1970 waren es 20 Prozent, 1981 schon 35 Prozent, 1996 rund 60 Prozent. .... Gleichzeitig hält die Tendenz zur Nivellierung an. .... Ideologische Pfadfinder ... konstruieren den Begriff der Umverteilungsgerechtigkeit. .... Der Effekt der Umverteilungsmaßnahmen besteht vor allem darin, daß die Verbindung zwischen Beitrag und Leistung einerseits und Nutzen oder Belohnung andererseits verdünnt und im Endeffekt zerschnitten wird.« Auf längere Sicht führt das stets zwangsläufig dazu, daß die Wirtschaft und letztlich der Staat zerstört werden, wenn nicht irgendwann zuvor das Steuer herumgerissen wird. Radnitzky geht dann darauf ein, wie schwer das sei, da das Zusammenwirken von Massenmedien, der Erwartungshaltung von weiten Kreisen der Bevölkerung und die Parteipolitik eine solche Wende praktisch unmöglich machten und in demokratischen Wahlen der verlöre, der den notwendigen »Sozialabbau« entweder eingeleitet habe oder einleiten wolle. Die Krise muß schon sehr weit fortgeschritten sein, ehe eine demokratische Mehrheit zu einem zeitweiligen Umdenken bereit ist. In der Regel korrigiert sie angesichts der Zumutungen, denen sie ausgesetzt wird, diese Entscheidung bei den nächsten oder übernächsten Wahlen, und der Sozialstaat entwickelt sich weiter.“ (Ebd., 2012, S. 361-362).

„Radnitzkys Begriffspaar kollektivistisch gegen liberal erweist sich bei näherem Hinsehen nur als eine Lesart von egalitär gegen anti-egalitär, sozialistisch gegen nicht-sozialistisch, Freiheit gegen Gleichheit. Das ist nicht völlig deckungsgleich mit dem Begriffspaar rechts gegen links, da wir auf der rechten Seite auch das Phänomen der nationalen Sozialismen haben, die antiliberale und totalitäre Tendenzen aufgewiesen haben oder aufweisen. Von links gesehen wird »rechts« stets in diesen totalitären Zusammenhang gestellt und »bekämpft«; umgekehrt - die Tendenz gibt es bereits in den eben zitierten Sätzen von Radnitzky - wird linken Positionen die verborgene Neigung zu totalitärkommunistischen Positionen unterstellt. Dennoch scheint das Begriffspaar rechts und links im Verständnis der meisten Menschen etwas auszudrücken, was einen tiefen und erstaunlich klaren Sinn hat.“ (Ebd., 2012, S. 362).

„Politik gibt es eigentlich nur, weil es Ungleichheit gibt, die sich wiederum aus dem Kampf um knappe Nahrung, begrenzten Raum und Geschlechtspartner ergibt. Ameisen brauchen und haben keine politischen Parteien. Aber schon bei höheren Tieren, die in sozialen Verbänden leben, gibt es Rangordnung und Ansätze zur Politik. Jüngere Tiere schließen sich zusammen, um gemeinsam gegen das ältere Leittier vorzugehen. Eine Mehrzahl von statusniederen Tieren kann dahinterkommen, wie sie durch ihre größere Zahl dem statushöheren Vorrechte streitig machen kann. Ist in einem Hühnerhof erst einmal die Hackordnung an der Spitze in Frage gestellt worden, muß sie zwischen vielen Tieren neu bestimmt werden. Der Ausfall des Leitwolfs führt in einem Wolfsrudel zu Rangordnungskämpfen, desgleichen der Rücktritt eines Parteivorsitzenden. Darüber hinaus haben Menschen das Erbrecht erfunden.“ (Ebd., 2012, S. 362).

„Daß es sich lohnen kann, dem Volk aufs Maul (und damit in den Kopf und in die Gedanken) zu schauen, haben die Meinungsforscher bewiesen. Es war eine große Überraschung für sie (vgl. Elisaebeth Noelle-Neumann, Später Sieg des linken Zeitgeistes, 1998), als sich bei der »Internationalen Wertestudie« herausstellte, daß es »in allen Ländern der Welt weitgehend verwandte Werte gibt, die von den Linken hochgehalten werden, und eine ähnliche Übereinstimmung findet man unter denjenigen in der ganzen Welt, die sich als rechts eingestellt beschreiben. .... 1978 erscheint zum ersten Mal in einem Allensbacher Interview die Frage: ›Parteien werden ja manchmal danach eingestellt, ob sie links, in der Mitte oder rechts stehen. Ich habe hier ein Blatt, auf dem ein Bandmaß aufgezeichnet ist.‹ (Interviewer überreicht Bildblatt mit Bandmaß.) ›Wie würden Sie ihren eigenen politischen Standort beschreiben, wo auf diesem Bandmaß würden Sie sich selbst einstufen?‹ Das Bandmaß zeigte Werte von 0 = ganz links bis 100 = ganz rechts.« 1981 wurde der Fragebogen mit diesem Maß für die »Internationale Wertestudie« in allen teilnehmenden Ländern eingesetzt, 1990 dann bei der ersten Wiederholung der Wertestudie in 43 Ländern auf fünf Erdteilen. Bis dahin war es für die empirische Sozialforschung ein ungelöstes Rätsel, warum die Frage nach dem eigenen politischen Standort - links oder rechts - in mehr als vierzig Ländern der Welt von fast 100% der Bevölkerung mit einer konkreten Angabe beantwortet wurde. Wir möchten an dieser Stelle die Auffassung vertreten, daß dieses Selbstverständnis - links oder rechts - in sehr starkem Maße darauf beruht, ob der Befragte bereit ist, die »natürliche Sozialstruktur« als gegeben hinzunehmen,oder ob er sie ändern will. Da Denkkraft, Persönlichkeitsstruktur, Beruf und soziale Stellung miteinander in einem klaren Zusammenhang stehen, kann man das als gegeben hinnehmen oder dagegen Sturm laufen. .... Rechts und links sind deshalb keine verrotteten Wegmarken der politischen Landschaft, sondern ihre grundlegenden Marken. Wenn rings um den Erdball repräsentative Bevölkerungsquerschnitte zu über 90% den eigenen politischen Standort mit den Begriffen rechts und links beschreiben, dann muß diesen Begriffen ein sehr wichtiger Sachverhalt zugrundeliegen. Leider fehlt aber den Daten der Meinungsforscher gerade dieser Bezug zu den »harten Fakten«, also zum IQ der Befragten, ihrem Einkommen, ihrem Beruf und ihrer sozialen Herkunft, so daß im Moment nur eine indirekte, aber keine direkte Argumentation möglich ist, die als Beweis gelten kann. »Als wichtigstes Ziel nennen ›Recht und Ordnung aufrechterhalten‹ im Durchschnitt der sechs europäischen Länder Westdeutschland, den Niederlanden, England, Frankreich, Spanien und Italien die Linksstehenden zu zwölf Prozent, die Rechtsstehenden zu 44 Prozent, in den USA und Kanada die Linksstehenden zu neun Prozent, die Rechtsstehenden zu 33 Prozent.« (Elisaebeth Noelle-Neumann, ebd., 1998). Wie sollte es auch anders sein, bedeutet Linksstehen doch Veränderung des Bestehenden, und das läßt sich in der Regel nur über den Durchgangszustand der Unordnung erreichen, die jeder richtige junge Linke offen oder heimlich begrüßen muß, wenn sich seine eigene Chancen zur Machtteilhabe oder Machtübernahme verbessern sollen.“ (Ebd., 2012, S. 362-363).

„Noelle-Neumann stellt die Hypothese auf, »daß der Polarität von links und rechts zwei Werte entsprechen müssen, die in einem antagonistischen Verhältnis zueinander stehen, so daß je höher der eine Wert in der Gesellschaft rangiert, desto tiefer der andere angesiedelt ist und umgekehrt. Dies trifft nun genau auf die Werte von Gleichheit und Freiheit zu. .... Wenn man nun prüft, wie die empirisch mit Umfragen in der ganzen Welt festgestellten linken Werte zu diesem antagonistischen Werte-Paar stehen, so kann man mühelos erkennen, daß die linken Werte die als soziale Gerechtigkeit verstandene Gleichheit befördern - nicht Chancengleichheit, wie oft schnell unterstellt wird, sondern faktische Gleichheit, Gleichheit des sozialen Ranges, Gleichheit der Einkommen, Gleichheit der äußeren Erscheinung (also Mao-Look), um nur einige Stichwörter zu nennen.« Noelle-Neumann erkennt richtig: Es handelt sich um das uralte, in seinem innersten Wesen kommunistische Wunschbild, daß viele Menschen seit eh und je aufgrund ihrer Wahrnehmung der biologischen und sozialen Ungleichheit entgegensetzen. Das zentrale Problem, um das sich jede Politik dreht, ist, wie man mit der sozialen Ungleichheit umgeht und wie damit, daß die Mitmenschen sich in ihrer Denkkraft unterscheiden.“ (Ebd., 2012, S. 363).

»Am anderen Ende der politischen Polarität läßt sich die Nähe zwischen den rechten Werten und dem Grundwert der Freiheit erkennen: nicht so leicht wie die Nähe der linken Werte zum Wert der Gleichheit, aber dennoch ganz unverkennbar. Alle gesellschaftlichen Modelle, bei denen dem Individuum so viel Entscheidungsfreiheit wie möglich eingeräumt wird - Wettbewerb, Schutz des Eigentums, Übernahme von Verantwortung, Risiko, Betonung von Rangunterschieden, Distanz, Unterschieden des religiösen Glaubens -, beinhalten rechte Werte, wobei hier unterschieden werden muß zwischen den Werten rechtsgerichteter Demokraten ... und dem rechtsextremistischen Weltbild, das in weiten Teilen auf fundamental anderen Grundwerten beruht«, meint Noelle-Neumann weiter. Es gibt eine einfache Fassung für das Wunschbild der politischen Rechten: Freiheit zur Ungleichheit, auf den Punkt gebracht in der einprägsamen Antithese: Freiheit statt Sozialismus! Das heißt, die Freiheit, verschiedene soziale Ränge zu erreichen und diesen Rang und seine Leistung nicht verheimlichen zu müssen; die Freiheit, verschiedene Bildungswege gehen zu können; die Freiheit, viel verdienen zu können und der Schutz des Eigentums; die Freiheit zur Mode, die Freiheit zum Wettbewerb und vieles mehr. Wer hingegen kommunistische Vorstellungen ernst nimmt und sie verwirklichen will, muß - da er die natürliche Ungleichheit und die unterschiedliche Denkkraft der Menschen nicht aus der Welt schaffen kann - zu Methoden der Unfreiheit und der Unterdrückung greifen. Einheitsschule, Abschaffung der Zensuren, einheitliches Kindergeld, übermäßige Besteuerung und Reglementierung, Beschränkung der Freizügigkeit (die wurde in allen kommunistischen Staaten beschränkt), Abschaffung der Gewerbefreiheit, praktische Einschränkung der Religionsfreiheit, Enteignung von Betrieben u.s.w.. Das ist und das war stets das Repertorium der Gleichmacherei und der Unfreiheit.“ (Ebd., 2012, S. 363-364).

„Die Kommunisten, auch die Genossen der SED in der DDR, wollten den »Unterschied zwischen geistiger und körperlicher Arbeit« aufheben, d.h. im Grunde genommen die Arbeitsteilung durch Berufe und den »Unterschied zwischen Stadt und Land« (Karl Marx, Das Manifest der Kommunistischen Partei, 1848). Da das mit einer modernen Wirtschaftsweise, die im Gegensatz dazu auf immer größere Differenzierung der Berufe und der Siedlungsstruktur hinausläuft, unvereinbar war, gab es die unterschiedlichsten Arten von geistiger Verrenkung, um Theorie und Praxis irgendwie aufeinander zu beziehen. Für den Verfasser, der selbst jahrzehntelang in gesellschaftswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen der DDR gearbeitet hat, waren diese geistigen Verrenkungen der Kollegen so sehr ernstgemeinter Alltag, daß man staunt, wie rasch man die Erinnerung daran bis fast zur Unwirklichkeit verdrängen kann. Die angestrebte Gleichmacherei war aber von den kommunistischen Dogmatikern ernst gemeint, für die eher sozialdemokratisch gesinnten SED-Genossen hingegen ein ideologisches und ritualisiertes Glasperlenspiel, mehr nicht.“ (Ebd., 2012, S. 364).

„Die Aufhebung der erblichen Standesschranken in der französischen Revolution bedeutete, daß fortan stärker das Prinzip der eigenen Leistung gelten sollte. Die Modernisierer von damals versprachen »Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit«. Goethe bemerkte dazu: »Gesetzgeber oder Revolutionäre, die Gleichheit und Freiheit zugleich versprechen, sind entweder Phantasten oder Scharlatane.«“ (Ebd., 2012, S. 364).

„Zu den Mechanismen, die der Erhaltung der sozialen Gruppenidentität dienen, gehören auch Formen der erzieherischen Aggression, die Gleichförmigkeit erzwingen und damit der Erhaltung der jeweiligen Gruppennormen dienen. Mitglieder von traditionellen Kleinverbänden, die einander gut kennen, nehmen Anstoß am deutlich abweichenden Aussehen oder Verhalten eines Gruppenmitgliedes. Individualität ist nur innerhalb einer bestimmten Schwankungsbreite erlaubt. Wer von der Schwankungsbreite abweicht, wird Zielscheibe kollektiver Aggressionen. Der Außenseiter wird ausgelacht, verspottet, ja sogar angegriffen. Das veranlaßt ihn in der Regel, sein Verhalten wieder nach der Gruppennorm auszurichten. (**). Vermag er das nicht, dann droht ihm der Ausschluß.“ (Ebd., 2012, S. 364).


„Dem gleichen Mechanismus sieht sich auch der kreative, hochintelligente Wissenschaftler oder Erfinder ausgesetzt. Nur erwartet man von ihm, daß er sich durchsetzen sollte. Das ist aber eine rein ideale Forderung. Je origineller seine Theorien und seine Erfindungen sind, desto länger dauert der Zeitraum, in dem sie Anerkennung finden werden. Außerordentliche Kreativität kann deshalb einen Lebensweg mit ständig neuen Konflikten mit sich bringen. Dem ruhigen Beamten bleibt das erspart.“ (Ebd., Anmerkung 20).

„Dieses Anstoßnehmen hat mit der Normangleichung auch eine angleichende Wirkung. Ähnliche Wirkungen hat auch das Streben nach »political correctness«. Während in Orwells »1984« Sprachregelungen durch ein totalitäres Regime erzwungen werden, erleben wir einen ähnlichen Vorgang durch die Selbstzensur, die sich in einer »Freien Welt« in immer stärkerem Maße etabliert. Wer abweicht, hat zum Beispiel keine Chance mehr, jemals in einem ordentlichen Berufungsverfahren an einer Hochschule von einer Mehrheit der Berufungskommission akzeptiert zu werden. (**).“ (Ebd., 2012, S. 365).


„Schwanitz in »Der Zirkel« (1998) ließ noch die Berufung eines Rene Schneiders mit abweichenden Ansichten zu; in Wirklichkeit ist der Fall so schon unmöglich.“ (Ebd., Anmerkung 21).

„Man muß sich schon die Augen reiben, wenn man in einer für Studenten bestimmten Zeitschrift (»Unicum. Das Hochschulmagazin«, 16, 1998, Nr. 1, S. 12) liest: »Zufrieden ist (der) Asta- Vorsitzende an der Fachhochschule Münster/Steinfurt trotzdem nicht. Schort seit Jahren sei (seine) ›rassistische und antidemokratische Gesinnung‹ bekannt gewesen. Er habe ... eine Reihe ›geschichtsrevisionistischer‹ Bücher aus dem Programm einschlägiger Verlage bestellt. .... Die Bücher würden seitdem ›unter Verschluß‹ liegen.« Man mag über die Sache denken, wie man will - und die Kritik an dem FH-Professor, auf dessen Namen es hier nicht ankommt, kann berechtigt sein -, der letzte, hier von mir unterstrichene Satz sollte aber, allein für sich gesehen, für jeden Demokraten Anlaß sein, Sturm zu laufen, genauso, als hätte man irgendwo ein Haus mit Ausländern angezündet. Was war das doch 1990 für die DDR-Bürger für eine Errungenschaft, als die jahrzehntelang gesperrte und verbotene Literatur auf einmal frei zugänglich wurde! (**). Und dann rühmt .sich 1998 eine Studentenzeitschrift, daß man Bücher freiwillig »unter Verschluß legt«? Bücher, an deren Inhalt man seine kritische Meinung bilden sollte, was man erwachsenen Menschen mit Abitur in einer demokratischen Gesellschaft ja zutrauen könnte und sollte. Aber mir ist zu dem Fall kein Aufschrei der Empörung, der durch alle Nachrichtenmittel hätte laufen müssen, bekannt geworden . Die selbst verordnete Unfreiheit war 1998 schon Normalität und ist in der deutschsprachigen Wikipedia inzwischen zur Institution geworden.“ (Ebd., 2012, S. 365).


„Von den ersten Reisen nach Westen brachte ich mir und den Verwandten Orwells »1984« und »Animal Farm«, Solschenizyns »Archipel Gulag«. Bauers »Soweit die Füße tragen« und andere Bücher mit, deren Besitz, Lektüre und Weiterverbreitung in der DDR mit mehreren Jahren Zuchthaus bedroht waren, was insbesondere für Orwell galt. Und in den wissenschaftlichen Bibliotheken wurden die »Giftschränke« geöffnet und die bisher gesperrte Literatur, darunter zum Beispiel Augenzeugenberichte (Heinz Esser, Die Hölle von Lamsdorf - Dokumentation über ein polnisches Vernichtungslager; Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien; Freya Klier, Verschleppt bis ans Ende der Welt - Schicksale deutscher Frauen in sowjetischen Arbeitslagern ) über die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten und über Erlebnisberichte (Hermann Melcher, Die Gezeichneten - Das Erleben eines sechzehnjährigen Kriegsfreiwilligen der Waffen-SS beim Endkampf um Prag und in sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1945-1950; Hildebrandt 1993) in Zwangsarbeits- und Kriegsgefangenenlagern. Das heißt, Bücher über Sachverhalte, über die man bisher nur unter vorgehaltener Hand etwas erfahren hatte können. wurden frei zugänglich.“ (Ebd., Anmerkung 22).

Umfrage

„Für den altbundesrepublikanischen Teil Deutschlands ließ sich indes schon im Zeitraum 1990 bis 1998 eine dramatische Verschiebung im Ringen um die Werte Freiheit und Gleichheit feststellen. (Vgl. Elisaebeth Noelle-Neumann, Später Sieg des linken Zeitgeistes, 1998 [da es aber hierbei sehr auf die Linguistik ankommt und demzufolge die Fragen so rhetorisch gestellt sein können, daß das jeweilige »Umfrageergebnis« lediglich die jeweilieg Macht bestätigt und rechtfertigt, ist Große Vorsicht angesagt bei allen »Umfragen«, »Umfrageergebnisse« und »Statistiken«, die Menschen betreffen! HB). Am Beginn des Wahljahres 1998 hatte zum erstenmal der Wert »Gleichheit, soziale Gerechtigkeit« (dito - denn »soziale Gerechtigkeit« ist NICHT »Gleichheit«! HB) einen Vorsprung vor dem Wert »Freiheit«. Für nur noch 54% der Menschen im Westen hatte Freiheit seinen klassischen Sinn behalten: »Freiheit bedeutet, für sich selbst verantwortlich zu sein, sich frei für einen bestimmten Beruf zu entscheiden, für ein Land, eine Stadt, in der man leben möchte, und sich für ein Ziel einsetzen zu können, das man erreichen möchte.« Die Politik reagiert darauf mit einer fortschreitenden Sozialdemokratisierung der ursprünglich bürgerlichen Parteien.“ (Ebd., 2012, S. 365).

„Wenn man die Wähler in allen Ländern der westlichen Welt fragen würde, wie sie die Parteien auf der Rechts-Links-Skala einstufen, so käme ein ähnlich klares Ergebnis zustande wie bei der Einstufung der Einzelpersonen selbst. Die Parteien bedienen sich sogar bewußt dieser Skalierung. Fast keine Partei versäumt, ihren Standort im Parteienspektrum anzugeben: rechte Mitte, linke Mitte, linkssozialistisch, rechtsliberal oder sonstwie. Traditionell verstehen sich linke oder sozialistische Parteien eher als Arbeiterparteien, selbst dann noch, wenn die Arbeiter in der Mitgliedschaft nur noch eine Minderheit stellen, so wie das bei der SED der DDR in der Schlußphase ihrer Herrschaft der Fall war. Linke Parteien bringen aber mehr oder weniger klar zum Ausdruck, daß sie ihre Wähler eher in den einkommensschwächeren und »unterprivilegierten« Teilen der Gesellschaft suchen oder vermuten und tragen den Erwartungen und Wertevorstellungen ihrer Wähler in ihren politischen Forderungen Rechnung, die in irgendeiner Weise und mehr oder minder deutlich auf eine Verringerung der sozialen Ungleichheit hinauslaufen. Das sollte dazu führen, daß die Wähler der großen Volksparteien, die links wählen, einen im Durchschnitt 5 bis 10 Punkte niedrigeren mittleren IQ haben als Wähler, die rechts wählen.“ (Ebd., 2012, S. 366).

„Statistische Zahlen aus Deutschland, die den Zusammenhang IQ zu Wahlverhalten eindeutig belegen, gibt es nicht, dafür aber eine ganze Menge Hindergrundstatistiken, die belegen, daß die Aussage im wesentlichen richtig sein dürfte. Gleiches dürfte auch für die USA gelten und für Großbritannien oder für andere Länder, in denen die politischen Lager mehr oder weniger klar beschrieben sind. Anschauliche Zahlen sind bisher nur in Großbritannien veröffentlicht worden, wo ja die Unterscheidung Labour-Partei zu Konservativen der Unterscheidung Sozialdemokraten zu Christdemokraten in Deutschland ähnelt.“ (Ebd., 2012, S. 366-367).

Zum Thema IQ1 = Elite, 2 = Mittelschicht, 3 = Unterschicht; 111 = der Wähler selbst, sein Vater und sein Schwiegervater gehören zu 1;222 = Der Wähler selbst, sein Vater und sein Schwiegervater gehören zu 2 usw. + 56 bedeutet: Der Stimmenanteil für die Konservative Partei liegt 56% über dem Stimmenanteil für die Labour Party (im konkreten Fall für 111 70% der Stimmen für die Konservativen, 14% für Labour).
Stichprobe: Oxford Social Mobility Group; 10.000 Männer im Alter von 25 bis 65 Jahren Die absoluten Zahlen in jedem Rechteck sind: 111-86;112-85;121-65; 122-159;113-67;123-150; 132-122;133-261;211-34; 212-67;221-67;222-345; 213-74;231-55;223-384; 232-304; 233-755; 311-7; 312-24;313-42;331-75; 322-218;323-502;332-533; 333-2371.
Quelle: Anthony Heath Social Mobility, 1981, S. 240

„In einer Sozialstudie der Universität Oxford wurden im Jahre 1972 10.000 Männer befragt, die für die gesamte Bevölkerung repräsentativ waren. Anthony Heath, der das Material aufbereitet hat, hat die stärker differenzierte Gliederung der ursprünglichen Untersuchung zu drei großen Sozialschichten zusammengefaßt. In der folgenden Abbildung werden diese Sozialschichten so bezeichnet: 1 Oberschicht, 2 Mittelschicht, 3 Unterschicht.“ (Ebd., 2012, S. 367).

„Hat ein Mann der Oberschicht einen Vater und Schwiegervater der Oberschicht, so ist er in Gruppe 111 zu suchen; d.h. die zweite Ziffer bezeichnet stets die Sozialschicht des Vaters, die dritte des Schwiegervaters. Die Abbildung macht es möglich, den vermuteten Auswirkungen der eigenen sozialen Herkunft und der Herkunft der Ehefrau nachzugehen und beides in Zusammenhang mit der eigenen Stellung zu sehen. Da die eigene soziale Stellung und die Herkunft wieder mit dem eigenen IQ, dem der Ehefrau und der beiderseitigen Väter korrelieren, läßt sich so indirekt auch auf die Auswirkungen des IQ schließen. Die Ergebnisse liegen genau in der erwarteten Richtung: Die Zahl + 56 bedeutet, daß die Konservative Partei bei der Gruppe 111, wo die Befragten (deren mittlerer IQ mindestens 115 sein dürfte, wenn nicht deutlich höher), deren Väter und Schwiegerväter alle der sozialen Oberschicht angehören, einen Vorsprung von 56% der Wählerstimmen gegenüber dem Anteil der Labour-Partei hat. Im konkreten Falle gingen 70% der Stimmen an die Konservativen und 14% an Labour. Die Größe der Rechtecke steht für die absolute Anzahl der Personen. Erwartungsgemäß stimmt die Gruppe 333, unqualifizierte Arbeiter und Facharbeiter mit ebensolchem sozialem Hintergrund, deren mittlerer IQ bei 90 oder darunter liegen dürfte und die fast ein Viertel aller Befragten ausmacht, in ihrer überwiegenden Zahl für die Labour-Partei. Immer dort, wo man einen Effekt des sozialen Hintergrunds vermuten kann, gehen die Abweichungen in die erwartete Richtung. Aber selbst bei den Absteigern bis in die Unterschicht, also der Gruppe 311 oder den anderen in dieser Zeile, überwiegen die Labour-Stimmen. Man sieht auch, nebenbei bemerkt, daß ein solcher Abstieg zwei Schichten hinunter binnen einer Generation ein sehr seltenes Ereignis ist. Wer selbst einmal eine solche Berufs- und Sozialklassifikation bei einer großen Zahl von Personen durchgeführt hat, weiß, daß eine solche Arbeit immer mit unzureichenden oder ungenauen Angaben bei Einzelfällen zu kämpfen hat und sich deshalb eine gewisse Unschärfe der Ergebnisstatistiken nie ganz vermeiden läßt. Da die Fehler bei Befragtem, Vätern und Schwiegervätern der Schichten 1 und 3 immer nur in eine Richtung gemacht werden können, nämlich hin zu 2, tragen diese Fehler zu einer Nivellierung der Ergebnisse bei. Die tatsächlichen Unterschiede sind stets größer, im Falle der von Heath veröffentlichten Untersuchung aber groß genug, um langgehegte Vermutungen klar zu bestätigen.“ (Ebd., 2012, S. 367-368).

„In welch starkem Maße der Nationalsozialismus eine zweifellos linke Komponente hatte (vgl. Ernst Niekisch, Hitler, ein deutsches Verhängnis, 1932), soll an zwei Zitaten aus Hitlers »Mein Kampf« (1925) verdeutlicht werden: »Daß ich (Hitler selbst über seine Jugend) mittellos und arm war, schien mir noch das am leichtesten zu Ertragende zu sein, aber schwerer war es, daß ich nun einmal zu den Namenlosen zählte. .... Dazu kam noch die Schwierigkeit, die sich aus meinem Mangel an Schulen ergeben mußte. Die sogenannte ›Intelligenz‹ sieht ja ohnehin immer mit einer wahrhaft unendlichen Herablassung auf jeden herunter, der nicht durch die obligaten Schulen durchgezogen wurde und sich das nötige Wissen einpumpen ließ. Die Frage lautet ja doch nie: Was kann der Mensch, sondern was hat er gelernt? Diesen ›Gebildeten‹ gilt der größte Hohlkopf, wenn er nur in genügend Zeugnisse eingewickelt ist, mehr als der hellste Junge.« (S. 243) »Im allgemeinen sind es die Kinder höherstehender, zur Zeit gut situierter Eltern, die wieder einer höheren Ausbildung tür würdig erachtet werden. Fragen des Talents spielen dabei eine untergeordnete Rolle. .... Ein Bauernjunge kann weit mehr Talente besitzen als das Kind von Eltern aus einer seit vielen Generationen gehobenen Lebensstellung. .... Würde der talentierte Bauernknabe von klein auf ebenfalls in solcher Umgebung herangewachsen sein, so wäre seine geistige Leistungsfähigkeit eine ganz andere. .... Unerträglich ist der Gedanke, daß alljährlich Hunderttausende vollständig talentlose Menschen einer höheren Ausbildung gewürdigt werden, während andere Hunderttausende von großer Begabung ohne jede höhere Ausbildung bleiben. .... Wenn in den letzten Jahrzehnten der Reichtum an bedeutenden Erfindungen besonders in Nordamerika außerordentlich zunahm, dann nicht zuletzt deshalb, weil dort wesentlich mehr Talente aus untersten Schichten die Möglichkeit einer höheren Ausbildung finden, als dies in Europa der Fall war. .... Der völkische Staat ... hat nicht die Aufgabe, einer bestehenden Gesellschaftsklasse den maßgebenden Einfluß zu wahren, sondern die Aufgabe, aus der Summe aller Volksgenossen die fähigsten Köpfe herauszuholen und zu Amt und Würden zu bringen. Er hat nicht nur die Verpflichtung, dem Durchschnittskind in der Volksschule eine bestimmte Erziehung zu geben, sondern auch die Pflicht, das Talent auf die Bahn zu bringen, auf die es gehört. Er hat es vor allem als seine höchste Aufgabe zu betrachten, die Tore der staatlichen höheren Unterrichtsanstalten jeder Begabung zu öffnen, ganz gleich, aus welchen Kreisen sie stammen mögen. .... Es wird die Aufgabe eines völkischen Staates sein, in seinem Unterrichtswesen dafür Sorge zu tragen, daß eine dauernde Erneuerung der bestehenden geistigen Schichten durch frische Blutzufuhr von unten stattfindet.« (S. 481) (Der letzte Nebensatz könnte auch von Mao Tse-Tung in der Zeit der »Kulturrevolution« geäußert worden sein.)“ (Ebd., 2012, S. 368-369).

„Eine tiefergehende Analyse von Hitlers auszugsweise zitierten Gedanken sollte die Mischung aus linkem Revolutionär und rechter Grundhaltung, letztere ja verbunden mit der Anerkennung von natürlicher Hierarchie und ererbter Begabung, noch deutlicher herausarbeiten können. (**).“ (Ebd., 2012, S. 369).


„Ausgelassen habe wir einige Sätze dazwischen, in denen Hitler einen gebildeten Neger als »Wunderdressur eines ... gebildeten Halbaffen« bezeichnet, und den »schlauen Juden« dafür verantwortlich macht, daß er den Völkern die »Theorie von der Gleichheit der Menschen« eintrichtern wolle, d.h. jüdisch ist für Hitler faktisch gleich kommunistisch.“ (Ebd., Anmerkung 23).


Die Altersstruktur der Weltbevölkerung, Einwanderung und Politik Das Ungewöhnliche an der Sozialstruktur der Ostblockstaaten 1989.

„Die kommunistischen Parteien der Ostblockstaaten in Europa und Asien ... gerieten in die Zwickmühle aller linken Ideologen, der Orwell in seiner Satire »Animal Farm« (»Die Farm der Tiere«) eine zeitlose und so klassische Form gegeben hat, daß man ihr eigentlich kaum etwas hinzufügen braucht. (**). Das Dilemma besteht vor allem darin, daß zur Ausübung hochqualifizierter und leitender Funktionen selbst in einem Staat mit kommunistischer Ideologie ein überdurchschnittliches Maß an Denkkraft ein Vorteil ist, und sei es auch nur darum, um seine Intelligenz zu benutzen, Intrigen zu schmieden und seinen eigenen kritischen Standpunkt zu verbergen.“ (Ebd., 2012, S. 369).


„Wenn Sie das Büchlein noch nicht als Schulkind gelesen haben sollten, sollten sie es rasch nachholen. “ (Ebd., 2012, S. 369).war 1998 schon Normalität und ist in der deutschsprachigen Wikipedia inzwischen zur Institution geworden.“ (Ebd., Anmerkung 24).

„Meine erste Arbeitsstelle nach Abschluß eines naturwissenschaftlichen Studiums war 1970 die dem Zentralinstitut für Philosophie in Berlin angeschlossene Forschungsabteilung Soziologie der Akademie der Wissenschaften der DDR; und Philosophie, das hieß im wesentlichen Marxismus-Leninismus. Ich war zu deiesem Zeitpunkt der einzige Wissenschaftliche Mitarbeiter der Instituts, der nicht der sozialistisch-kommunistischen Einheitspartei SED angehörte.“ (Ebd., 2012, S. 369-370).

„Als Lötsch ... sich bei den Soziologen im Westen umsah, was die nach der »Soziologischen Wende« zur Ungleichheit sagten, las und zitierte er: »In seinem neuesten Beitrag zur Theorie sozialer Schichtung ... stellt Talcott Parsons (1970) die These aut egalitäre Prinzipien seien in modernen Gesellschaften in einem solchen Grade institutionalisiert, daß sich die Beweislast. ..umgekehrt habe. Habe man Ungleichheiten früher grundsätzlich anerkannt und Egalisierungen nur gefordert, um exzessive Privilegierungen und Unterprivilegierung abzubauen, so müsse nun jegliche Form sozialer Ungleichheit legitimiert werden. Nicht Veränderungen gegebener Ungleichheitsstrukturen in Richtung größerer Gleichheit müßten gerechtfertigt werden, sondern Abweichungen vom Zustand sozialer Gleichheit. .... Die Institutionalisierung von größerer sozialer Gleichheit ist notwendig geworden, um die Zustimmung zur Gesellschaftsordnung sicherzustellen. ....  A u c h   Z i e l s e t z u n g e n ,   d i e   d i e   S t r u k t u r   u n d   d e n   G r a d   b e s t e h e n d e r   U n g l e i c h h e i t   e r h a l t e n   o d e r   g a r   v e r g r ö ß e r n   w o l l e n ,   m ü s s e n   i n   d i e   R h e t o r i k   v o n   G l e i c h h e i t s f o r d e r u n g e n   v e r k l e i d e t   s e i n .   (hervorgehoben durch V. W.). .... Die demokratischen Leidenschaften lodern dann gerade am stärksten aut wenn sie am wenigsten Nahrung findenDer Grund tür diese Erscheinung: Sind die gesellschaftlichen Bedingungen alle ungleich, so fällt keine noch so große Ungleichheit kränkend auf,« wogegen der kleinste Unterschied inmitten der allgemeinen Gleichförmigkeit Anstoß erregt. .... Alle sozialen Werte und Güter ...sind in gleicher Weise zu verteilen, es sei denn, eine ungleiche Verteilung einiger oder aller dieser Werte und Güter sei zu jedermanns Vorteil.« (zitiert nach: Karl-Ulrich Mayer, Soziale Ungleichheit und Mobilität, 1977, S. 151 f.). Die letztgenannte Form der Ungleichheit beansprucht natürlich stets die herrschende Kaste für sich, da sie bekanntlich zu keinem anderen als zu jedermanns Vorteil regiert. Diese zwingende Logik der Mächtigen mußte Lötsch bekannt vorkommen. Heute sprechen die Politiker zum Beispiel von der »Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene«. Dabei werden seit Jahrzehnten die Güterbahnhöfe abgebaut. Der Finanzminister verkündet in der Haushaltsdebatte den »Schuldenabbau« als sein Hauptziel. Dabei nimmt er gerade wieder Milliarden neue Schulden auf und hat fast noch nie welche abgebaut. Doch wem fällt das schon auf oder wer kann etwas dagegen tun?“ (Ebd., 2012, S. 371).

„Nicht immer jedoch ziehen sich Verfallsvorgänge länger als die Dauer eines Menschenlebens hin. Lötsch bekam deswegen nach 1989 Gelegenheit, auch seine tieferen Einsichten zu veröffentlichen (und damit das zu bestätigen, was ich schon 20 Jahre früher dachte, aber keinesfalls öffentlich sagen durfte): »Letzten Endes scheiterte das Gesellschaftsexperiment ›Sozialismus‹ wegen seiner Unfähigkeit zu wissenschaftlich-technischen und technologischen Innovationen. .... Der eigentliche und verhängnisvollste Effekt bestand darin, daß ...die sozialen Träger wissenschaftlicher, technischer und gesellschaftlicher Innovationsprozesse ... an den Rand der gesellschaftlichen Wertehierarchie gedrängt wurden. So verloren wissenschaftliche Karrieren, um dies an einem instruktiven Beispiel darzutun, immer mehr an sozialem Prestige und damit an unmittelbarer Attraktivität. .... Das sowjetische Konzept ging von der Annahme aus, daß soziale Gleichheit künstlich herstellbar sei. .... Soziale Unterschiede galten summarisch als zu überwindende historische Relikte. .... Der Grundprozeß der Intelligenzentwicklung wurde als ›Annäherung an die Arbeiterklasse‹ definiert, ... [was] letztlich zu einer Aufhebung der sozialen und kulturellen Eigenheiten der Intelligenz .führen müsse. .... Was sich aus heutiger Sicht so augenscheinlich als blanker Unfug darstellt, stützte sich ... darauf, daß (alle) auf dem Wege zur ›sozialen Gleichheit‹ wären« (Manfred Lötsch, Intelligenzprobelamatik in der DDR, 1995). Und Lötsch an anderer Stelle: »Wenn nun erstens der Kommunismus als Gesellschaft definiert wird, in der soziale Gleichheit bestehen wird, und zweitens der Sozialismus als ›erste Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation‹, dann muß logischerweise der Grad des gesellschaftlichen Fortschritts im Grad der Annäherung an diese zweite Phase gesehen werden. .... Sozialstrukturell galt dann folgerichtig das Maß an Unterschiedslosigkeit als Maß des gesellschaftlichen Fortschritts.« Auf diese besondere Weise sind die Staaten des Ostblocks in die IQ-Falle getappt.“ (Ebd., 2012, S. 372).

„Es gab in den letzten zwei, drei Jahrzehnten stets bestimmte Floskeln und Seitenhiebe, an denen sich »SED- Realos« wie Hansgünter Meyer und Manfred Lötsch gegenseitig erkannten und auch für Parteilose erkennbar waren, ohne daß dazu offene oder geheime Absprachen notwendig gewesen wären.“ (Ebd., 2012, S. 373).


Die Altersstruktur der Weltbevölkerung, Einwanderung und Politik Lohnnnebenkosten, Altersstruktur der Bevölkerung und gegenwärtige Kinderzahlen.

Demographie
Diese Abbildung stammt nicht von Weiss, sondern von mir; HB.
„Wenn man die mittlere Lebenserwartung in allen Ländern der Erde auf einer Achse abträgt und die mittleren Kinderzahlen pro Frau auf einer anderen, dann versammeln sich in der Abbildung alle hochindustrialisierten Länder der Welt in einer Ecke: Es sind die Länder mit einer mittleren Lebenserwartung von 75 und mehr Jahren und einer mittleren Kinderzahl pro Frau deutlich unter zwei. Das sind fast alle europäischen Länder, aber auch Japan, Südkorea und weitere. Der Zusammenhang kann deshalb kein Zufall sein und kein vorübergehender, sondern eher einer von einer fast naturgesetzlichen Art. Sobald die mittlere Lebenserwartung eine bestimmte Schwelle überschreitet, steigen in all diesen Ländern die Sozialausgaben in einem bisher nicht bekannten Maße an.“ (Ebd., 2012, S. 376).

„Wissenschaftler sind der Frage nachgegangen, ob Lebenserwartung und Zahl der Nachkommen in einem bestimmten optimalen Verhältnis zueinander stehen. Aus Forschungen bei Tieren ist der Zusammenhang schon längst bekannt, und er durfte also auch beim Menschen erwartet werden. Tatsächlich zeigt sich der in nationalen Statistiken nachgewiesene Zusammenhang auch in statistischen Untersuchungen, die das Leben von Einzelpersonen bzw. Familien auswerten: Etwa bei einer Lebenserwartung von 75 und mehr Jahren sinkt die mittlere Zahl der Kinder wieder deutlich ab. (**). Das Optimum liegt zwischen 60 und 70 Jahren.“ (Ebd., 2012, S. 373).


„Man hätte auch die zahl der Enkel zur Lebenserwartung ihrer Großeletern in Beziehung stellen sollen.“ (Ebd., Anmerkung 26).

„Langfristig gute Perspektiven haben die Länder, in denen es religiöse Minderheiten wie Mennoniten und Rutteriten gibt, in denen junge Paare mit etwas gedrosselten Ansprüchen noch immer große Familien haben, die auf diese Weise zeigen, daß ein selbstbestimmtes erfülltes Dasein unterhalb des letzten Standes der Technik noch möglich und sinnvoll sein kann. Denn nach der Verlängerung der Lebenserwartung ist die steigende Produktivität nicht nur Segen, sondern droht zum Fluch zu werden.“ (Ebd., 2012, S. 373).

„Eine gebildete Generation, die in Wohlstand aufgewachsen ist, sieht keinen Sinn darin, ihre Einkommenserwartungen herunterzuschrauben und in verhältnismäßiger Bescheidenheit selbst Kinder in die Welt zu setzen und großzuziehen. Ein Drittel aller Frauen und Männer bleiben kinderlos und beuten die Arbeit und die Leistungen der Familien aus. In der Bundesrepublik wird mehr Geld für Hundefutter (und Silvesterknaller) ausgegeben als für Babynahrung. Die Weltvorstellungen, an denen die Kulturvölker der Industriegesellschaft noch festhalten, stammen aus der Generation ihrer Eltern und Großeltern, deren durchschnittliche Lebenserwartung immer noch anwächst und die bei ziemlich guter Gesundheit die Schaltstellen der Macht und der Wirtschaft nicht nur lange und allzulange besetzt halten, sondern auch mit der größten Selbstverständlichkeit.“ (Ebd., 2012, S. 377).

Kinderlose Frauen

„Aus folgender Tabelle lassen sich die Ergebnisse der Förderung der Studentenkinder in der DDR ablesen, noch dazu im Vergleich mit der alten Bundesrepublik Deutschland. Diese Tabelle beweist: Die DDR war zwischen 1972 und 1990 der einzige Staat der Neuzeit gewesen, in dem es gelungen war, eine außerordentlich erfolgreiche qualitative Bevölkerungspolitik durchzusetzen. Von der Geburtskohorte 1950-1959 hatten 2005 Faruen mit Hochschulabschluß in den alten Bundesländern im Durchschnitt 1,38 Kinder, ohne beruflichen Abschluß 2,32 Kinder, Frauen dieser Kohorte mit Hochschulabschluß haben häufig kein Kind oder aber zwei und mehr Kinder, während die Ein-Kind-Familie eine vergleichsweise geringe Rolle spielt. .... Aus den Daten der Tabelle läßt sich schätzen, daß in der alten Bundesrpublik der IQ der von dieser Alterskohorte geborenen Kinder 7 IQ-Punkte niedriger lag als der von dieser Alterskohorte geborenen Kinder in der DDR.“ (Ebd., 2012, S. 378-379).

„1989/90 brachte auch für die Menschen in der DDR die ersehnte Demokratie die Freiheit. Das ging mit dem Fall der Geburtenrate 1991 auf 1990 (um 40%) und 1992 auf 1991 (um 19%) einher. Dieser Absturz war in den neuen Bundesländern bei Studenten noch stärker als bei anderen, nahezu total. Die Studentin mit Kind verschwand wieder von der akademischen Bildfläche. Die Kinderwagen in den Seminargebäuden, an die man sich längst gewöhnt hatte, waren plötzlich weg, vom Winde des gesellschaftlichen Wandels verweht. Der Anteil von Studentenkindern fiel sogar unter Westniveau.“ (Ebd., 2012, S. 384).

„Sowohl aus den Augen der Öffentlichkeit als auch für die Sozialwissenschaftler war das Thema Studieren mit Kind verschwunden. In der deutschsprachigen Wikipedia findet man zwar seitenlange Ausführungen übel »Arbeiterkinder« und ihre tatsächlichen und angeblichen Benachteiligungen, nicht aber das Stichwort »Studentenkinder«. Erst in jüngster Zeit wird vereinzelt und vorsichtig wieder an einen Beitrag der Studentenschaft zur Geburtenzahl, an die Reproduktion der Intelligenz (vgl. Thilo Sarrazin, 2010), an die Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft gedacht.“ (Ebd., 2012, S. 384-385).

»Das Studieren mit Kind gehört zu den eigenartigsten Phänomenen der deutschen Hochschulgeschichte. Ob es eine Fußnote bleibt, ... ist noch nicht entschieden. Es müßte sich viel ändern, nicht nur an den Hohen Schulen, sondern in der gesamten Gesellschaft und ihrer reproduktiven Kultur«, stellt Starke abschließend fest (vgl. Kurt Starke, Kinderwagen im Seminargebäude, 2007, S. 90). Es ist ja nicht so, daß die Studentinnen und Hochschulabsolventinnen in der DDR Kinder wollten, die in der Bundesrepublik Deutschland und anderen Ländern hingegen nicht. Nein, es ist die Furcht, nach Abschluß des Studiums auf dem freien Arbeitsmarkt keine Chance zu haben, die in der Freien Welt die Kinder verhütet. Wenn es zu Änderungen kommen soll, dann kann das nur dadurch geschehen, daß sich die Wettbewerbssituation für die Mütter im Arbeitsleben grundlegend verbessert. In einer freien Wirtschaft, in der ein Arbeitgeber, der eine Mutter von kleinen Kindern beschäftigt, die Risiken, zum Beispiel durch erhöhte Ausfallzeiten bei Krankheit der Kinder und geringere Disponibilität der Frau, voll zu tragen hat, entsteht - allen Beteuerungen zum Trotz - ein kinderfeindliches Klima. Würden die Risiken des Arbeitgebers bei der Beschäftigung von Müttern kompensiert und überkompensiert, in Deutschland wäre das zum Beispiel durch eine starke Verringerung des Arbeitgeberanteils bei den Lohnnebenkosten möglich, sollte sich auch in einer freien Wirtschaft das kinderfeindliche Klima mildern lassen. Der Vorschlag wurde von mir schon früher gemacht (vgl. Volkmar Weiss, Die IQ-Falle, 2000, S. 248). Er scheint aber derart abseits der eingefahrenen Gleise zu liegen, daß ihn Abgeordnete politischer Parteien bisher noch nicht aufgegriffen haben.“ (Ebd., 2012, S. 385).

„Wenn man je in einer Demokratie etwas in dieser Richtung erreichen will, so sollte man ohne viel Aufheben einen parteipolitisch übergreifenden Konsens der Vernünftigen anstreben. Begriffe wie Bevölkerungspolitik, Eugenik oder Dysgenik sind da fehl am Platze. Die Wirkungen des Sarrazin-Buches (2010) sind das krasse Gegenbeispiel: Viel Staub wurde aufgewirbelt und den linken Umverteilern, die jede Förderung von Mittel- und Oberschichtgeburten als »Eugenik« in Verruf bringen möchten, wurde Wasser auf ihre Mühlen gegossen.“ (Ebd., 2012, S. 385).

„Dabei scheint jeder Gedanke an Bevölkerungsqualität (vgl. Rudolf Goldscheid, Höherentwicklung und Menschenökonomie, 1911) reine Zeitverschwendung. Schon der bloße Begriff läuft so sehr dem Zeitgeist zuwider, daß er gar nicht mehr gedacht werden oder mit ihm argumentiert werden kann. Er wird auch gar nicht mehr verstanden. Als Beispiel nehme man die Einführung des Elterngelds in Deutschland. Die statistischen Daten, daß hochqualifizierte Frauen nur sehr wenige Kinder haben, mögen für die ursprüngliche Idee bei einigen eine Rolle gespielt haben; auch die Überlegung, daß das - aus welchen Gründen auch immer - für die Gesellschaft nicht gut sein kann (vgl. Ulrich Pfeiffer und Reiner Braun, Private Lebensökonomie und staatlicher Einfluß, 20054). Man braucht das ja nicht genetisch zu begründen; auch das Fehlen qualifizierter Mütter als Erzieherinnen ihrer Kinder kann man ja bedauern und Abhilfe für wünschenswert halten. Also entschloß man sich, ein Elterngeld für bis zu einem Jahr nach der Geburt auszuloben, das bis zu einem Höchstbetrag proportional dem Arbeitseinkommen der Mutter entsprechen sollte. Rasch meldete sich dann aber das »soziale« Gewissen: Also zahlte man auch einen Sockelbetrag für alle die Mütter, die gar keine Arbeit haben. Für die wird das so eine lockende Einnahmequelle, mit der Folge, daß der Großteil der Zahlungsempfänger die Mütter mit mehreren Kindem sind, die sowieso von Sozialhilfe leben; darunter wieder viele muslimische Familien (vgl. Thilo Sarrazin, 2010). Ergebnis: Ende 2010 strich man die Zahlungen an die nicht-berufstätigen Mütter.“ (Ebd., 2012, S. 385-386).

„Da man wegen der fehlenden Einsicht ja nicht leise über Bevölkerungsqualität denken und schon gar nicht laut darüber diskutieren kann, ist man inzwischen in eine zweite IQ-Falle getappt: Da sich die Höhe des Elterngelds nach dem Einkommen der Frau richtet, lohnt es sich für die, erst einmal richtig Geld zu verdienen und erst dann ein Kind zu bekommen. Neben der Kinderzahl ist aber das Alter, in dem die Kinder geboren werden, ein wichtiger und unabhängiger Faktor der menschlichen Evolution. Jetzt bekommen diejenigen, die sowieso nur wenig verdienen und auch keine großen Einkommenssteigerungen zu erwarten haben, ihre Kinder früher, qualifizierte Frauen möglichst spät. Wenn das Elterngeld überhaupt einen Sinn haben sollte, ist er damit als Masseneffekt wieder in sein Gegenteil verkehrt. Was man von Anfang an hätte beschließen sollen: Eltern, die ein Abitur haben oder eine gleichwertige Bildung, sollten ab 18 Jahre bis meinetwegen 30 Jahre (in höherem Alter aber weniger) einen recht beträchtlichen Sockelbetrag ausgezahlt bekommen, unabhängig von jedem Einkommen, also auch als Studenten und für Hausfrauen; sowohl Väter als auch Mütter (Väter vielleicht weniger, aber das sind nebensächliche Details). Das würde frühe Geburten bei jungen und intelligenten Müttern fördern. Aber es scheint in einer freien und sozialen Gesellschaft undenkbar, eine so einfache Überlegung in Gesetze zu gießen und diese folgerichtig umsetzen. Denn alle Menschen sind ja gleich. An einem bestimmten Punkt erreicht eine Demokratie einen Entwicklungsstand, an dem sich auch ursprünglich gute Ideen bei ihrer Anwendung ins Gegenteil verkehren (vgl. Peter Nitschke, Der Tod der demokratischen Ordnung, 2007).“ (Ebd., 2012, S. 386).

„Es ist ein sehr altmodischer Zopf, daß Studenten von ihren Eltern unterhalten werden oder Ausbildungshilfe (BAFÖG) nach dem Einkommen ihrer Eltern erhalten. Es wäre ein Zeichen der Modernität, endlich an alle - und wirklich alle - Stipendien zu zahlen und Leistungszuschläge. Nicht mehr die Eltern sollten im Vordergrund stehen, sondern ab einem bestimmten Lebensalter sollte der junge Staatsbürger mit seinen Leistungen die Höhe der Zuzahlungen und Stipendien selbst beeinflussen können und damit auch den Grad seiner Abhängigkeit vom Elternhaus. Gymnasiasten und die Eltern von Gymnasiasten sollten demzufolge höhere Zahlungen erhalten als gleichaltrige Nicht-Gymnasiasten, Studenten in anspruchsvolleren Studienrichtungen höhere Stipendien und Leistungszulagen als solche in Fächern mit durchschnittlich geringeren geistigen Anforderungen. (Gerade dieser leistungsfähige Personenkreis wird ja später als Steuerzahler noch kräftig zur Kasse gebeten.) Derartige Vorstellungen sind jedoch utopisch. Sie zielen darauf, den Kreislauf der politischen Verfassungen zu sprengen. In einer Demokratie wird der Aufschrei nach »sozialer Gerechtigkeit« stets ihre politische Verwirklichung verhindern.“ (Ebd., 2012, S. 386).

„Wenn inzwischen in der Bundesrepublik für Akademiker eine durchschnittliche Ausbildungsdauer von 20 Jahren erreicht worden ist und das mit Recht beunruhigend gefunden wird, dann ist es bisher den Kultusministerkonferenzen dennoch keine Bemerkung wert gewesen, es könnte ein Unterschied sein, ob das Männer oder Frauen betrifft. Das Durchschnittsalter der Absolventinnen in der DDR war zwei Jahre niedriger als in der alten Bundesrepublik.“ (Ebd., 2012, S. 386).


Die Altersstruktur der Weltbevölkerung, Einwanderung und Politik Wie die muslimische Einwanderung im allgemeinen und die der Türken im besonderen die IQ-Lücke weitet.

»In Deutschland arbeiten ein Heer von Integrationsbeauftragten, Islamforschern, Soziologen, Politologen, Verbandsvertretern und eine Schar von naiven Politikern Hand in Hand und intensiv an Verharmlosung, Selbsttäuschung und Problemleugnung«, meint der bekannte SPD-Politiker Thilo Sarrazin (2010, S. 279).“ (Ebd., 2012, S. 393).

„»Die besondere Problematik islamischer Einwanderer«, so stellt Sarrazin fest, »ist nicht auf England beschränkt. In allen betroffenen Ländern - ob England, Frankreich, Deutschland, Niederlande, Belgien, Dänemark oder Norwegen - macht man bei der Gruppe der muslimischen Migranten vergleichbare Beobachtungen, nämlich:
unterdurchschnittliche Integration in den Arbeitsmarkt;
überdurchschnittliche Abhängigkeit von Sozialtransfers;
unterdurchschnittliche Bildungsbeteiligung;
überdurchschnittliche Fertilität,
räumliche Segregation mit der Tendenz zur Bildung von Parallelgesellschaften;
überdurchschnittliche Religiosität mit wachsender Tendenz zu traditionalen beziehungsweise fundamentalistischen Strömungen des Islam;
überdurchschnittliche Kriminalität, von der ›einfachen‹ Gewaltkriminalität auf der Straße bis hin zur Teilnahme an terroristischen Aktivitäten.“
Überall in Europa ging man zunächst ... davon aus, daß diese Migranten das abendländische Wertsystem ... teilen und daß sich die Unterschiede in zwei, spätestens drei Generationen verwischen würden. Das geschah nicht, im Gegenteil: Unter den eingewanderten Muslimen und ihren Nachkommen nahm die Tendenz zu, sich kulturell und räumlich abzugrenzen. .... Die traditionalen autoritären Familienstrukturen blieben erhalten. Der soziale Druck auf Mädchen und Frauen, Kopftuch zu tragen, sich zu verhüllen und traditionell zu kleiden, stieg, und die optische Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft trat immer deutlicher hervor. Das hatte zur Folge, daß in allen betroffenen europäischen Ländern die Aggressionen der autochthonen Mehrheitsbevölkerung gegen diese fremde Bevölkerungsgruppe wuchsen. ....
Das westliche Abendland sieht sich durch die muslimische Immigration und den wachsenden Einfluß islamistischer Glaubensrichtungen mit autoritären, vormodernen, auch antidemokratischen Tendenzen konfrontiert, die nicht nur das eigene Selbstverständnis herausfordern, sondern auch eine direkte Bedrohung unseres Lebensstils darstellen. ....
Das alles haben wir eigentlich gar nicht nötig. Wirtschaftlich brauchen wir die muslimische Migration in Europa nicht. In jedem Land kosten die muslimischen Migranten aufgrund ihrer niedrigen Erwerbsbeteiligung und hohen Inanspruchnahme von Sozialleistungen die Staatskasse mehr, als sie an wirtschaftlichem Mehrwert einbringen. Kulturell und zivilisatorisch bedeuten die Gesellschaftsbilder und Wertvorstellungen, die sie vertreten, einen Rückschritt. Demographisch stellt die enorme Fruchtbarkeit der muslimischen Migranten eine Bedrohung für das kulturelle und zivilisatorische Gleichgewicht im alternden Europa dar.«“ (Ebd., 2012, S. 394-395).

„In einer demokratischen Gesellschaft erhöht sich das politische Gewicht einer Zuwanderergruppe, wenn ihre Kinderzahl auf längere Zeit höher ist als die des Einwanderungslandes. Die Geschichte kann mit 0% beginnen und dort enden, wo der Kosovo um 2000 stand - denn dort ist eine solche Entwicklung abgelaufen. Die Zuwanderer, deren Ausgangsposition am Anfang immer zu wünschen übrig lassen wird, sollten oder könnten also mittelfristig ein Interesse haben, mehr Kinder und größere Familien zu haben, auch wenn das ihren raschen sozialen Aufstieg eher bremst. Nun sind von der sinkenden Fruchtbarkeit alle europäischen Staaten betroffen, weswegen die Zuwanderer in das christlich geprägte Europa und nach Deutschland auch weiterhin vor allem aus Nordafrika und Vorderasien kommen dürften -also aus vorwiegend vom Islam geprägten Gebieten. Es gab schon seit langem Anzeichen, daß ein militanter Islam Fuß zu fassen beginnt, der auch mit dem Mittel des Bevölkerungsdruckes agiert.“ (Ebd., 2012, S. 395).

„Sarrazin ... (2010, S. 278 f.): »Wir dulden das Anwachsen einer kulturell andersartigen Minderheit, deren Verwurzelung in der säkularen Gesellschaft mangelhaft ist, die nicht unsere Toleranzmaßstäbe hat und die sich stärker fortpflanzt als ihre Gastgesellschaft. Wir dürfen die widersprüchlichen Bewegungen in der islamischen Welt und die Tendenz zur Ausbreitung von Radikalisierung nicht ausblenden, die übrigens nichts mit Armut und Unbildung zu tun hat, wie immer wieder suggeriert wird. Die Geschichte des islamischen Terrorismus zeigt vielmehr, daß gerade gebildete junge Männer aus wohlhabenden muslimischen Familien - und zunehmend auch Konvertiten aus europäischen Ländern - besonders anfällig sind für radikale Positionen bis hin zur Unterstützung von Terror. Aus 285 Biographien von ›Märtyrern‹ ergibt sich: Sie kommen selten aus armen Familien und haben vielfach ein College oder eine Universität besucht.«“ (Ebd., 2012, S. 396).

„»Parallelgesellschaften ... nehmen dort leicht einen Ghettocharakter an, wo die Bevölkerung bei hoher Unterbeschäftigung großenteil von Sozialtransfers lebt«, hat Sarrazin beobachtet (2010, S. 296). »Das gilt für das nördliche Neukölln mit seiner türkischen und arabischen Bevölkerung. .... Nur 3% der jungen Männer und 8% der jungen Frauen mit türkischem Migrationshintergrund heiraten einen deutschen Partner. ....
Von den muslimischen Migranten kehrt kaum einer in sein Heimatland zurück. Dort sind nämlich die Löhne niedriger als hierzulande Arbeitslosengeld II (Hartz IV! HB) und Kindergeld. Nur von den Qualifizierten kehrt ein Teil dorthin zurück, weil die in Deutschland erworbene Ausbildung auch in der alten Heimat Chancen bietet. Das Ergebnis ist eine negative Auslese innerhalb der muslimischen Parallelgesellschaft.«“ (Ebd., 2012, S. 397).

„Sarrazin weiß (2010, S. 322 f.): »In der Türkei gibt es keine Grundsicherung oder Sozialhilfe, wie in Deutschland, in anderen muslimischen Ländern auch nicht. Wer es irgendwie nach Deutschland oder in ein anderes westeuropäisches Land schafft und dort einen legalen Status erreicht, der sichert sich allein durch die Sozialtransfers ohne Arbeit ein Einkommen, das weit über dem liegt, was er im Herkunftsland mit Arbeit erwerben könnte. Das gilt noch mehr, wenn man Familie hat. Unsere Form finanzieller Familienförderung ist in den Herkunftsländern gänzlich unbekannt. .... Die migrantischen Haushalte, die Grundsicherung beziehen, ... kommen durch die Größe der Familie häufig auf Transferzahlungen von 3000 Euro und mehr im Monat, weit mehr als das, was man angesichts niedriger Bildung und mangelhafter Sprachkenntnisse am Arbeitsmarkt erzielen und weitaus mehr, als man jemals im Herkunftsland verdienen könnte. .... Das System ist pervers .... Aufgrund der üppigen Zahlungen des deutschen Sozialstaats ziehen wir eine negative Auslese von Zuwanderern an. Das Transfersystem setzt auf deren Fruchtbarkeit hohe Prämien aus und zieht so die migrantische Unterschicht von morgen heran.«“ (Ebd., 2012, S. 399).

„Sarrazin stellt mit Bedauern fest (2010, S. 327): »Bei uns muß sich niemand integrieren. Es reicht, wenn er jemanden findet, der ihm den Antrag auf Grundsicherung ausfüllt und bei der Wohnungssuche behilflich ist. Die Integration, die in klassischen Einwanderungsländern durch die Teilnahme am Arbeitsleben erzwungen wird, wird für muslimische Migranten in Deutschland zum Luxus, den man sich leisten kann, aber nicht leisten muß.«“ (Ebd., 2012, S. 399).

„Beim Blick über die Landesgrenzens fällt Sarrazin auf (2010, S. 309): »In kleineren Ländern, wie Holland, Belgien und Dänemark, ist das Gefühl der Bedrohung bereits stärker als in Deutschland, darum sind dort die Diskussionen schärfer, die Einwanderungsgesetze strenger, und rechtsnationale Strömungen haben stärker an Boden gewonnen.«“ (Ebd., 2012, S. 399).

„Da in Demokratien Parteien, die auf die Umverteilungswünsche der Wähler setzen und sich Sozialisten, Linke, Grüne oder anders nennen, in den von der Umverteilung abhängigen Migranten ein Wählerreservoir sehen, setzen sie sich für eine ziemlich rasche Einbürgerung ohne große Hindernisse ein. So versprechen sie, wenn der Neubürger sie wählt, nicht nur mehr Geld für das Integrationsgewerbe locker zu machen, sondern auf diese Weise das Füllhorn der Transferleistungen auszuweiten statt es in Frage zu stellen. Anschließend an den Abschnitt »Sozialstaat und Integration« lesen wir in Sarrazins Buch eine ganze Reihe Vorschläge, was man tun könne und müsse, um die Integration voranzubringen. In Deutschland ist aber keine aus demokratischen Wahlen hervorgehende Regierungskoalition erkennbar, die gewillt wäre, derartige Vorschläge in die Tat umzusetzen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Heutige Regierungen meinen, sich nur mit Versprechungen und weiterer Umverteilung an der Macht halten zu können. Das Buch Sarrazins wird heute von einer gebildeten Minderheit zur Kenntnis genommen, die in demokratischen Wahlen durch keine in Deutschland als koalitionsfähig geltende politische Partei repräsentiert wird und demzufolge auch ohne den Einfluß ist, die das immer weitere Aufreißen der IQ-Llicke verhindern könnte. Die Aufmerksamkeit, die das Sarrazin-Buch bisher gefunden hat, dürfte somit im Kreislauf der politischen Verfassungen nur eine Fußnote der Geschichte bleiben.“ (Ebd., 2012, S. 399).

„Sarrazin (2010, S. 330) schließt sein Kapitel über »Zuwanderung und Integration« mit den Sätzen: »Wenn wir den Zuzug nicht steuern, lassen wir letztlich eine Veränderung unserer Kultue, unserer Zivilisation und unserer Volkscharakters in eine Richtung zu, die wir gar nicht wünschen. Es würde nur wenige Generationen dauern, bis wir Minderheit im eigenen Land geworden sind. Das ist nicht nur ein Problem Deutschlands, sondern aller Völker Europas.«“ (Ebd., 2012, S. 399-400).


Die Altersstruktur der Weltbevölkerung, Einwanderung und Politik Bevölkerungswandel.

„Die Menschen gehen mit wenigen Ausnahmen an einer der hervorstechendsten Eigenschaften der Natur vorbei, nämlich der inneren Abgeschlossenheit der Arten bei sämtlichen Lebewesen dieser Erde und einer teilweisen Abgeschlossenheit von Populationen innerhalb der Arten als Voraussetzung ihrer weiteren Entwicklung. Abgrenzung als Grundlage jeder weiteren Entwicklung beobachten wir auf allen Ebenen des Lebendigen. Der Reviergesang der männlichen Singvögel signalisiert in unermüdlicher Wiederholung: »Hier ist ein Mann mit Wohnung. Das Revier ist besetzt.«“ (Ebd., 2012, S. 401).

„Der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt hat sich auf besonders treffende Weise über Territorialität und Vorbehalte gegen Fremde geäußert: »Menschen besetzen und verteidigen ebenfalls Territorien, und zwar bereits auf der Stufe der Jäger und Sammler: Das Heim einer Familie ist bereits auf dieser Stufe ein von anderen als Eigentum respektierter und notfalls auch gegen sie verteidigter Privatbezirk. Die verschiedenen Lokalgruppen beanspruchen Rechte auf das Land, von dem sie leben, und verteidigen diese auch. .... Im Laufe der Geschichte wuchsen die Kleinverbände zu größeren Gemeinschaften heran. Grund für diese Entwicklung war wohl die Tatsache, daß eine Gruppe in Konkurrenz mit anderen Vorteile hat, wenn sie mehr Personen als der Gegner zur Verteidigung oder für Eroberungskriege rekrutieren kann. .... Die Lokalgruppen der Naturvölker umfassen selten mehr als 100 Personen, dann teilen sich die Gruppen wegen innerer Reibereien. Die Hutterer in Nordamerika, die nach einem christlich-egalitären Ethos leben, wissen, daß für diese Art Leben eine Gruppengröße von 150 Personen nicht überschritten werden sollte. Nur in einer kleinen Gruppe funktioniert die persönliche Normenkontrolle. Eine Schlüsselerfindung in der kulturellen und intellektuellen Entwicklung der Menschheit ist sicher die Führungshierarchie. Erst durch sie wird es möglich, größere Gemeinschaften auf der Basis persönlicher Verbundenheit zu regieren.« (Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Wider die Mißtaruensgesellschaft, 1994). Im Prinzip funktioniert das auch in großen Betrieben, in Vereinen und in der Verwaltung der modernen Staaten auf solche und ähnliche Weise.“ (Ebd., 2012, S. 401-402).

„Die Abgrenzung der Arten, die Territorialität der Arten und auch der Populationen innerhalb einer Art, also der Völker, ist ein lebenswichtige Sache. Der geographische Raum ist in mehrfacher Hinsicht strukturiert. Bevölkerungen, die in verschiedenen Räumen leben, ob nun Tier oder Menschen, sind nicht gleich, sondern ungleich, und unterscheiden sich mehr oder weniger voneinander und bilden geographische oder ökologisch - d.h. auch sozial - verschiedene Bevölkerungen, Völker und Rassen. Die Amseln in Korea sehen etwas anders aus und singen etwas anders als die Amseln in Frankreich. Auch Bevölkerungsgruppen innerhalb einer Art, und nicht nur Bayern und Preußen, sondern auch größere Völker leben in einer ständigen Konkurrenz miteinander, die zuweilen auch unfriedlich ausgetragen werden kann. Die Geschichte der europäischen Völker ist die Geschichte von vielen Jahrhunderten Rangordnungskämpfen, Kriegen, Gebietsabtretungen und Wanderungen, vor allem in den letzten zwei Jahrhunderten der ausgesprochen nationalen Kämpfe. Manche meinen, das hätte heute ein Ende, da man eine europäische Friedensordnung vereinbart hätte. Da man aber die grundlegenden Ursachen des Wandels nicht ausschalten kann, als da wären unterschiedliches Wirtschaftswachstum, unterschiedliche Kinderzahlen und Ein- und Auswanderung, kommt es mittelfristig zu neuen Unruhen und Kriegsherden, auch in Europa und erst recht in der weiten Welt. Der Bevölkerungswandel des einst serbischen Amselfelds in das albanische Kosovo ist das jüngste Beispiel. Wenn man in so einem Fall einen Frieden verordnet, kann der Moment kommen, an dem die ständige Aufrechterhaltung des Friedens bzw. des friedlichen Anscheins der multiethnischen Utopie teurer zu stehen kommt, als wenn ein siegreicher Krieg für die eine oder andere Seite ausgefochten oder ein Schiedsspruch und eine Teilung zur rechten Zeit vereinbart worden wäre. Ist so ein Streit erst einmal offen ausgebrochen, hat es früher oder später stets Krieg gegeben, und es wäre ein Wunder, wenn die Welt anders geworden wäre. Wer glaubt, ein glückseliger Zustand ewigen Vorfriedens sei schon erreicht, der hat sich aus der Geschichte freiwillig abgemeldet. Und wer seine Augen zuhält und glaubt, daß die Verhältnisse so stabil seien, daß sich eine Gemengelage aus sozialen und ethnischen Konflikt nicht zu einem inneren Krieg ausweiten könne (wie gegenwärtig in Nordkaukasien), der schafft Tag für Tag die Grundlagen für kommende schwere Konflikte.“ (Ebd., 2012, S. 404).


Die Intelligenz und ihre Feinde 8) Zum Kreislauf der Bevölkerungsqualität: Betrachtungen und Schlußfolgerungen.

–  Kapiteleinführung (S. 417-418)
–  Die Demographie der Standesgesellschaft und ihr Ende (S. 418-427)
–  Die soziale Dichte als Regulationsfaktor der Kinderzahlen (S. 427-438)
–  Entstehung und Erschöpfung des Sozialstaates (S. 438-463)
–  Wann schlägt eine demographische Krise in eine nationale Existenzkrise um?(S. 463-471)
–  Die Zukunftsszenarien der Psychohistorik (S. 472-484)

Zum Kreislauf der Bevölkerungsqualität: Betrachtungen und Schlußfolgerungen Kapiteleinführung.

Demographie

„In den Industriestaaten steigt die Zahl der eingeborenen Bevölkerung nicht mehr, sondern fällt. Wieviele Generationen lang die Zahl fallen wird und wie die Welt dann aussehen wird, weiß niemand. (Vgl. Richard Korherr, Geburtenrückgang, 1927; Korte, Bevölkerungsbewegungen als Beispiel ungeplanter Prozesse, 1977). Die etablierten Demographie-Professoren (vgl. Tilman Mayer, Die demographische Krise, 1989) haben dafür keine Theorie, wenn auch der Beginn des Geburtenrückgangs sofort erfaßt und seine unmittelbaren Folgen richtig vorhergesagt wurden. (Vgl. M. Westergaard, The Horoscope of the poulation in the 20th Century, 1908; Julius Wolf, Der Geburtenrückgang, 1912). Die Alterspyramide und daraus sich ergebenden Probleme, die Burgdörfer (1932) bereits für 1975 prognostiziert hatte (vgl. Friedrich W. Burgdörfer, Volk ohne Jugend - Geburtenschwund und Überalterung des deutschen Volkskörpers, 1932), entsprechen etwa denen um 2005 (mehr aber denen um 2050 [**] !  HB). Das heißt, von 1934 bis etwa 1970 sind mehr Kinder geboren worden, als Burgdörfer voraussehen konnte, danach aber setzte sich die krisenhafte demographische Entwicklung wieder durch.“ (Ebd., 2012, S. 417).

„Jahrzehntelang begnügte man sich mit der Theorie des demographischen Übergangs (**), die behauptet, es käme irgendwann zu einem Gleichgewicht. Doch zum Erstaunen der Professoren, die nicht bemerkt haben wollen, daß es in Natur und Gesellschaft wenig Gleichgewichte, vielfach aber Zyklen gibt, stürzen die Geburtenziffern immer weiter ab. Warum stürzen sie und wohin? (Vgl. Gerhard Mackenroth, Bevölkerungslehre, 1953) Die etablierten Demographen liefern ihnen dazu zwar hundert Antworten und Meinungen, Stellgrößen und Ursachen scheinen ihnen aber verborgen zu bleiben.“ (Ebd., 2012, S. 418).

„Die Lösung des Rätsels findet man in den Arbeiten einiger Ökonomen, denen folgendes aufgefallen ist: Es gibt für den Sachverhalt, daß die Wohlhabenden von einem bestimmten Punkt an weniger Kinder haben als andere, bisher keine allgemein anerkannte Theorie (insbesondere dann, wenn man zum Beispiel Fritz Lenz, Menschliche Auslese und Rassenhygiene, 1931; Erwin Baur, Der Untergang der Kulturvölker im Lichte der Biologie, 1932; R. A. Fisher, The Social Selection of Human Fertility, 1932; H. J. Muller, The Dominance of Economics over Eugenics, 1933 nicht zur Kenntnis nimmt). Eine Erklärung haben die Ökonomen darin gefunden, daß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, gleichlaufend mit dem Rückgang der Kindersterblichkeit, in einem Zyklus ein Umschlag eingesetzt haben muß, von dem ab die Armen mehr Kinder haben als die Reichen. Fortgesetzter wirtschaftlicher Aufstieg ist möglich geworden, weil - anstatt in die Geburt weiterer Kinder - in die Bildung der überlebenden Kinder investiert worden ist und investiert wird. Das ist zweifellos richtig.“ (Ebd., 2012, S. 418).

„Kinderarmut der Eltern war und ist oft der Preis für den sozialen Aufstieg der Begabten. Auch die Ökonomen hoffen, daß diese Entwicklung einen Gleichgewichtszustand ansteuert und sehen nicht, daß ein noch tiefergehender Zyklus der wirtschaftlichen Beschleunigung und der Umwertung der Werte - die genotypische Wertigkeit der Bevölkerung darin eingeschlossen - einen verhängnisvollen Kreislauf steuert. Die Ökonomen haben aber begriffen, daß der demographische Umschlagpunkt ... auch ein politischer Umschlagpunkt war, von dem ab sich die Gesellschaft von größerer Ungleichheit zu größerer Gleichheit in der Ausübung der politischen Rechte entwickelt. Wenn wir heute immer wieder davon hören, daß sich Reichtum immer stärker bei wenigen konzentriert, so ist das nur ein scheinbares Paradox. Dazu trägt auch bei, daß sich durch die geringen Kinderzahlen der Mittel- und Oberschicht) die Vermögen immer stärker konzentrieren, während die Massen relativ zahlreicher und ärmer werden. Am Beispiel einiger Originalarbeiten wollen wir belegen, wie sich die Zusammenhänge zwischen sozialer Stellung und Kinderzahl entwickelt haben.“ (Ebd., 2012, S. 417).


Zum Kreislauf der Bevölkerungsqualität: Betrachtungen und Schlußfolgerungen Die Demographie der Standesgesellschaft und ihr Ende.

„Bis etwa 1800 blieb das Gesamtwachstum der Bevölkerung sehr gering. Die Energie, die menschlichen Bevölkerungen zur Verfügung stand, stammt ziemlich direkt von der Sonne, die die Pflanzen zum Wachsen brachte; deren jährlich Ernte gewährleistete das Überleben von Mensch und Tier. Wind- und Wasserkraft waren nur eine Ergänzung, aber auch sie sind Abkömmlinge der Sonne, die den Wetter- und Wasserkreislauf antreibt. Während jede biologische Art und damit auch der Mensch das Vermögen hat, sich zahlenmäßig über seinen Nahrungsspielraum hinaus zu vermehren, fielen die Ernten von Jahr zu Jahr unterschiedlich aus; Kriege, Unruhen, Seuchen, Mißernten und Zusammenbrüche der politischen Ordnung bewirkten, daß sich die Einwohnerzahlen in Grenzen hielten, die mit der Tragfähigkeit eines Landes übereinstimmten, wie in England Malthus 1798 zutreffend feststellte. Darauf aufbauend zog Darwin den Schluß, es sei die Natürliche Selektion, die den Ausgleich zwischen zu großer Vermehrung und Tragfähigkeit des Raumes schafft, wobei die Selektion die Ungeeigneten, Kranken und Kinderlosen aussondert.“ (Ebd., 2012, S. 420).

„Doch gerade als zu Malthus’ Lebzeiten England begann, sich von den Fesseln der sonnenenergiebegrenzten Wirtschaftsweise freizumachen und fossile Energie in Form von Kohle in immer größerem Maße (auch dank der Erfindung der Dampfmaschine; HB) einsetzte, lieferte Irland ein klassisches Beispiel dafür, wohin eine Bevölkerungsvermehrung führt, die ihren Nahrungsspielraum gesprengt hat. Das Hauptnahrungsmittel der irischen Volksmassen waren um 1840 Kartoffeln. Sie ließen sich leicht anbauen, und mit ihnen ließ sich eine Familie bereits mit einem kleinen Stück Land ernähren. Das war die Grundlage, auf der sich von 1800 bis 1840 die irische Bevölkerung von 4 auf 8 Millionen verdoppelt hatte. Doch 1845 kam es zu einer schlimmen Mißernte, verursacht durch den Pilz Phytophtora infestans, der die Kartoffeln faulen ließ und fast die gesamte Ernte vernichtete. Das wiederholte sich in den nächsten Jahren und führte in dem überbevölkerten Land zu einer furchtbaren Hungerkatastrophe, in deren Folge die Bevölkerung der Insel sich von über 8 auf 4 Millionen verminderte - auch infolge Auswanderung und Ehelosigkeit. Irland schien damit ein Paradebeispiel für eine Katastrophe im Sinne von Malthus zu sein. Nur ganz allmählich begann sich Irland davon zu erholen und schien lange Zeit von der Dynamik der Industriegesellschaft abgekoppelt.“ (Ebd., 2012, S. 420).

„Die Kindersterblichkeit und die Zahl der überlebenden Nachkommen pro Erwachsenen sind die entscheidenden Faktoren der Natürlichen Selektion im Sinne Darwins. In einem vielbeachteten Buch hat Clark Statistiken aus England zusammengestellt, die belegen, daß in der Zeit von 1500 bis 1800, wahrscheinlich sogar schon seit 1250 - weiter reichen geeignete Quellen nicht zurück - die wirtschaftlich Erfolgreicheren auch die höheren Kinderzahlen hatten. Wenn Persönlichkeitsmerkmale auch durch erbliche Eigenschaften mitbedingt sind, dann bedeutet das - so schließen Clark und Hamilton -, daß sich seit 1500 in England auch die Genfrequenzen verändert haben müssen. Da wirtschaftlicher Erfolg in England (und überall in der Welt) mit einem höheren IQ korreliert ist, müssen sich folglich seit 1500 die Gene, die einen höheren IQ mitbedingen, angereichert haben. So einleuchtend und selbstverständlich diese Logik für einen Genetiker ist, so revolutionär ist die Veröffentlichung dieser Einsicht in einem nach 2000 veröffentlichen, einflußreichen Buch der Wirtschaftsgeschichte. Nach Clark war diese Veränderung der Genfrequenzen eine entscheidende und notwendige Voraussetzung, daß England im 19. Jahrhundert als Folge der Industriellen Revolution die Weltmacht Nummer eins werden konnte.“ (Ebd., 2012, S. 420-421).

„So weit, so richtig. Wenn Clark, der nur englische Quellen zitiert, auch die deutsche, niederländische, französische und skandinavische Literatur zur Kenntnis genommen hätte, so hätte er feststellen können, daß auch in den später industrialisierten Ländern eine zu England parallele demographische Entwicklung stattgefunden hat. Wir gehen im folgenden darauf ein. Und es ist zu vermuten, daß auch in Japan und China und anderswo in bestimmten historischen Epochen ähnliche Selektionsmechanismen gewirkt haben.“ (Ebd., 2012, S. 421).

„Bereits in der Mitte des 16. Jh. bestand in vier besonders gewerbefleißigen Dörfern der Kirchgemeinde Markersbach im sächsischen Erzgebirge fast die Hälfte der Bevölkerung aus Handarbeitern und landarmen Häuslern, die andere Hälfte aus Bauern und anderen Erbbegüterten. Von 1547 bis 1791 wurden in Erst-Ehen der Häusler 4,8 Kinder geboren, von denen zwei Drittel vor Erreichen des Heiratsalters starben und im Mittel nur 1,6 heirateten. Im Gegensatz dazu wurden in den Bauernfamilien 6,8 Kinder geboren, von denen die Hälfte, das sind 3,4, heirateten. War auch der Schwiegervater ein Bauer, so wurden sogar 7,6 Kinder geboren. In Markersbach starben in 83% der Unterschichtfamilien Vater oder Mutter oder beide, ehe die Mutter 45 Jahre alt war, d.h., die Kinder wurden Halbwaisen oder Waisen, ehe sie selbst das Heiratsalter erreichten. Da die Verwandten dieser Kinder vielfach auch arm waren, hatten sie in Hungersnöten keine Unterstützung zu erwarten. Die frühen Todesfälle betrafen sowohl Männer als auch Frauen. Besonders auffällig sind die häufigen Arbeitsunfälle der Väter; sie verunglückten tödlich in den Hämmern und Schmieden, in den Bergwerken, unterwegs mit Fuhrwerken oder bei der Waldarbeit. Da wohlhabende Witwer eine weit größere Chance hatten, beim zweiten (oder wiederholten) Male eine viel jüngere Frau zu heiraten als arme Witwer, wurden durch Wiederverheiratung die sozialen Unterschiede noch verschärft.“ (Ebd., 2012, S. 421).

„In drei Dörfern bei Birmingham in England konnte Skipp herausfinden, daß in einer Hungerkrise drei Phasen aufeinanderfolgten: In der ersten werden bei den Armen noch Kinder geboren, die jedoch wegen Unterernährung als Säuglinge sterben. In der zweiten Phase sind die Frauen der Armen so schlecht dran, daß es zu keinen weiteren Konzeptionen mehr kommt; in der dritten Phase werden auch arme Frauen wieder schwanger, aber es kommt zu vielen Fehlgeburten. Ähnliche Verhältnisse finden wir heute in den Entwicklungsländern vor.“ (Ebd., 2012, S. 421).

„In den von Adler untersuchten Gemeinden Aach und Schönmünzach in Württemberg ergab sich folgendes Bild: »In Aach galt vom Ende des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, daß die Geburtenzahl mit der sozialen Schicht stieg. Auch in Schönmünzach ließ sich für die Zeit vor der Mitte des 19. Jahrhunderts feststellen, daß die Wohlhabenden mehr Kinder als die weniger Begüterten hatten. .... Verursacht wurden diese sich stark unterscheidenden Geburtenzahlen wohl nicht zuletzt durch das unterschiedliche Heiratsalter; verehelichten sich doch die Oberschichttöchter wesentlich früher als jene der Unterschicht. Dadurch verlängerte sich ihre gebärfähige Phase innerhalb der Ehe, und zwar um jene Jahre, in denen die Fruchtbarkeit am höchsten war: .... Da der Zeitpunkt der Heirat aber bewußt gesteuert werden konnte, mußte bei der Oberschicht auch die Bereitschaft dagewesen sein, viele Kinder zu bekommen. .... Bei den ab 1880 geschlossenen Ehen verkehrte sich das während der vergangenen zwei Jahrhunderte in Aach festgestellte Verhaltensmuster, demzufolge die Kinderzahl mit dem sozialen Status einer Familie stieg, ins Gegenteil. Die Kinderzahlen der Oberschicht- und Bauernfamilien verringerten sich stark, während die Taglöhnerfamilien mit 7,8 Kindern pro vollendete Erst-Ehe so fruchtbar wie nie zuvor waren. .... Parallel dazu senkte sich das Heiratsalter der Aacher Unterschicht ab. .... Diese Geburtenfreudigkeit in der Unterschicht hielt freilich nur etwa zwei Jahrzehnte an. Danach glich sich deren Verhalten dem anderer Schichten an.« (Renate K. Adler, Demographie und Familiengeschichte der beiden Schwarzwalddörfer Aach und Schönmünzach im Kreis Freudenstadt, 1991). Insbesondere in der Zeit der beginnenden und bewußten Geburteneinschränkungen um 1850 bis 1900 schränken in vielen Gegenden die Bauern und generell die soziale Oberschicht - auch in den Städten, dort sogar lokal noch früher - die Geburten früher ein als die Unterschicht. Dadurch werden, wie eben beispielhaft zitiert, soziale Unterschiede, die oft jahrhundertelang bestanden hatten, in ihr Gegenteil verkehrt. (Vgl. Peter Mersch, Hurra, wir werden Unterschicht!, 2007 **).“ (Ebd., 2012, S. 422).

„Die seit Jahren wiederkehrende und dabei von großen Teilen der Bevölkerung in den jeweiligen Ländern mit Angst und Sorge geführte Debatte um das Aussterben ... hat historische Vorläufer. Schon im Jahr 1849 prophezeite der friesische Privatgelehrte Heinrich Georg Ehrentraut (1798-1866) das Aussterben der reichen Marschbauern wegen ihrer wenigen Kinder (vgl. Eckart Voland, Die Evolution der reproduktiven Selbstbeschränkung, 1985, S. 31). Er hat bis heute nicht recht bekommen. Dennoch scheint es ein Rätsel: Was bewegt Menschen, trotz ausgezeichneter wirtschaftlicher Verhältnisse, in denen sie leben, ihre Kinderzahl zu beschränken, auf nur zwei oder gar nur ein Kind, auch wenn es ihnen gar nicht schwerfiele, eine größere Kinderschar großzuziehen, so wie ihre ärmeren Nachbarn, mit denen sie zur selben Generation gehören? Wissenschaftler haben diesem Rätsel die Bezeichnung »Demographisch-ökonomisches Paradoxon« (**|**|**|**|**|**) gegeben. Paradox ist es schon, denn nach Malthus und Darwin setzen Lebewesen so viele Nachkommen wie möglich in die Welt. An dem Überschuß setzt dann die Natürliche Selektion an. Nicht anders war es im Frühstadium der Industriegesellschaft, wie wir hier belegt haben.“ (Ebd., 2012, S. 424).

„Dann aber, zu einem bestimmten Zeitpunkt, geschieht etwas anderes. Die Wohlhabenden und später alle Schichten beschränken ihre Kinderzahlen. Wird damit auch die Natürliche Selektion außer Kraft gesetzt? Was tritt an ihre Stelle oder kehrt sich gar die Selektionsrichtung um? Kann man von nun an Darwin und seine Lehre in bezug auf die menschliche Evolution als überholt ansehen und beiseite schieben? Oder besteht die Selektion und Natürliche Evolution fort und wird nur eingebettet in einen größeren Rahmen, der fortan die Bedingungen stellt? Liegt es daran, daß energetische Grenzen erreicht sind und anstelle des zahlenmäßigen Bevölkerungszuwachses die Bevölkerungsqualität stärker gefragt ist? Oder auch nicht?“ (Ebd., 2012, S. 424).

„Die Zukunftsorientierung der Kinderzahlen mündet in der allgemeinen Frage: Wie reagieren Paare, wenn sie zu der Meinung gelangen, daß weiterer gesellschaftlicher Aufstieg immer schwerer wird, unmöglich ist oder gar der Abstieg droht?“ (Ebd., 2012, S. 425).

„Die hohen Kinderzahlen des Landadels hatten ab 1830 dazu geführt, daß die Zahl derjenigen, die ein Landgut kaugfen wollten, größer war als die Zahl der verfügbaren Güter. Um 1850 war es deshalb bereits schwierig, ein adliges Landgut zu kaufen. Drie Viertel der Landadelsfamilien waren deshalb um 1860 auf Zusatzeinkünfte angewiesen .... Die absolute Zahl der englischen Adligen, die nur von ihrem Landbesitz lebten, sank von 31261 im Jahre 1851 auf 25510 im Jahre 1871. Von 1871 bis 1880 hatten die Landadeligen noch 3,47 Geburten pro Ehe, von 1881 bis 1890 nur noch 2,18 Geburten und damit die niedrigste Zahl aller Berufsgruppen.“ (Ebd., 2012, S. 425-426).

„Sozialer Aufstieg und soziale Platzbehauptung der Nachkommen verlangte jedoch entsprechende Bildung, was bei sinkender Kindersterblichkeit immer mehr Paare veranlaßte, auf diese Karte zu setzen. Dabei wurde es immer kostspieliger, die Kinder sttandesgemäß auszubilden.“ (Ebd., 2012, S. 426).

„Die höchsten Kinderzahlen hatten oder haben in den Industrieländern noch lange Zeit Gruppen der Unterschicht, die keinen sozialen Abstieg zu fürchten haben, weil sie schon ganz unten sind, und zwar insbesondere dann, wenn die der Sozialstaat alimentiert (vgl. Peter Mersch, Irrweg Bürgergeld, 2007 **).“ (Ebd., 2012, S. 426-427).


Zum Kreislauf der Bevölkerungsqualität: Betrachtungen und Schlußfolgerungen Die soziale Dichte als Regulationsfaktor der Kinderzahlen.

„Die Denkmodelle von Malthus und Darwin können die geringen Kinderzahlen der siebenbürgischen Vollbauern, der weißen Bevölkerung Südafrikas wie auch, in der Gegenwart, der wohlhabenden Bevölkerung aller Industrieländer nicht erklären. Um dieses Verhalten zu deuten und das Ergebnis einer solchen Entwicklung vorherzusagen, brauchen wir Einsichten, die uns weiterführen als die Spenglerschen Analogien vom Wachsen, Reifen und Vergehen aller Kulturen (**|**|**|**|**|**|**|**). Es gibt zahlreiche Erklärungsversuche von Bevölkerungsökonomen und aus verwandten Disziplinen, die mehr oder weniger zutreffen. Den eigentlich springenden Punkt kann man aber bei der Bevölkerungswissenschaftlerin Virginia D. Abernethy lesen (1999):   P a a r e   b e g r e n z e n   d a n n   i h r e   K i n d e r z a h l e n ,   w e n n   s i e   b e f ü r c h t e n ,   d a ß   i h r e   N a c h k o m m e n   d e n   s o z i a l e n   S t a t u s   d e r   E l t e r n   n i c h t   m e h r   h a l t e n   k ö n n e n ,  wenn sozialer Aufstieg unwahrscheinlich ist und Auswege durch Auswanderung oder Neulandbesiedlung ausfallen. Da Oberschichtplätze nun einmal seltener sind als die Plätze weiter unten, beginnt die Geburtenbeschränkung in der Oberschicht.  W e n i g e r   d i e   a b s o l u t e   B e v ö l k e r u n g s d i c h t e   i s t   v o n   B e d e u t u n g ,   s o n d e r n   d i e   r e l a t i v e   s o z i a l e   D i c h t e .   Karl Valentin Müller hatte die Geburtenkontrolle auf Furcht vor »dem spezifischen sozialen Elend eines Unterliegens im verschärften Sozialwettbewerb« zurückgeführt. »Das trifft sowohl die wirtschaftliche Führungsschicht im letzten Drittel des 19. Jh., die mit dieser Übung begann, wie die bedrängten Mittelschichten-Angestellte und qualifizierte Arbeiter -, die nach der Jahrhundertwende kinderarme Klassen wurden, um ihre spezifischen sozialen Ziele sichern zu können. .... Es handelt sich demnach um die Wirkungen jeweils sozial differenzierter Überbevölkerungstatsachen und -empfindungen.« (Karl Valentin Müller, Bevölkerungslehre, 1957; S. 1225 f.). Die gefundene Regel erklärt das Verhalten der Vollbauern in Dithmarschen und Siebenbürgen, des englischen Landadels und der Oberschicht in allen Industrieländern. Sie erklärt auch, warum die Gründer der großen Industriebetriebe im 19. Jahrhundert oft jung geheiratet haben und kopfstarke Familien hatten. Denn sie waren der berechtigten Überzeugung, ihren Kindern stünde mit dem vorhandenen Schwung der Firma und der Familie die Welt offen. Noch heute gibt es einige Superreiche, die große Familien haben. Für die demographische Gesamtsituation hat das aber kaum Bedeutung.“ (Ebd., 2012, S. 427).

„Nicht nur in allen Industriestaaten -also auch in Japan, Taiwan und Südkorea, auch bei der weißen Bevölkerung Nordamerikas, Australiens und Südafrikas - haben die Geburtenzahlen pro Frau die magische Zahl Zwei schon lange unterschritten (vgl. Patrick Buchanan, Der Tod des Westens, 2002); in den letzten Jahren folgten mit rasanter Beschleunigung die industriellen Schwellenländer. Selbst in der arabischen Welt in Tunesien und im einstmals kommunistisch regierten Bundesstaat Kerala in Indien werden von den Frauen weniger als zwei Kinder geboren. Diese Entwicklung war von keiner demographischen Theorie vorhergesagt worden.“ (Ebd., 2012, S. 427).

„In den letzten 30 Jahren sind in Frankreich, Deutschland und anderswo mehrere Bücher erschienen, in denen eine staatliche Bevölkerungspolitik gefordert wird, die sich gegen den drohenden Bevölkerungsschwund richtet. In diesen Studien wird die Schuld für die Entwicklung oft den regierenden Politikern und ihrem tatsächlichen oder angeblichen Nicht-Handeln zugewiesen. Jedes Industrieland hätte also seine eigenen Schuldigen. In Deutschland wird vor allem darauf hingewiesen, die seit Jahrzehnten stattfindende Umverteilung von den Familien mit Kindern auf die Kinderlosen setze seit Jahrzehnten falsche wirtschaftliche Anreize (vgl. Hans-Werner Sinn, Ist Deutschland noch zu retten?, 2003; Hermann Adrian, Kinderlosigkeit - die ungleiche Lastenverteilung, 2005; Christan Schmitt & Ulrike Winlkelmann, Wer bleibt kinderlos?, 2005). Die Rentenversicherung und die daraus folgende Umverteilung machten Kinder praktisch zu einem Allgemeingut, zu einer Allmende. Am meisten profitiert der von Kindern, der keine hat. Die Kritik daran ist zweifellos richtig, und bei einer anderen Politik dürfte die demographische Lage deutlich besser sein. Aber grundsätzlich anders? Müßte man bei einem anderen Rentensystem heute nicht für die armen und kinderlosen Alten zusätzliche Unterstützungen auszahlen, die auf eine ähnliche Umverteilung hinausliefen? In Ländern mit anderer Altersversorgung ist die Situation doch um keinen Deut besser als in Mitteleuropa!“ (Ebd., 2012, S. 428).

„Sieht man sich die Kurven an, mit denen in den Industriestaaten und in den Schwellenländern die Geburtenzahlen fallen, die Altersverteilungen, in denen von den Frauen Kinder geboren werden, das Heiratsalter und ähnliche demographische Kennziffern, so ist die Konvergenz der Kurvenverläufe zwischen Osteuropa, dem katholischen sowie protestantischen Europa so groß, daß sich der Gedanke aufdrängt, es walte eine Gesetzmäßigkeit. Aber welche? Wenn alle Industriestaaten - und inzwischen auch die industriellen Schwellenländer - trotz aller Unterschiedlichkeit in ihrer Geschichte von einem einheitlichen Rückgang der Geburten weit unterhalb des Selbstreproduktionsniveaus betroffen sind, dann muß die Ursache viel tiefer liegen als in der jeweiligen Landespolitik, die sich - wie schon in Sparta und im Alten Rom - als fast völlig machtlos erweist. (Vgl. Heinrich Schade, Völkerflut und und Völkerschwund, 1974).“ (Ebd., 2012, S. 428).

„Eine Begleiterscheinung des Bevölkerungszyklus ist stets die fortschreitende Konzentration der Einwohner in den großen Städten. »Das kulturfähige Menschentum wird von der Spitze her abgebaut, zuerst die Weltstädte, dann die Provinzstädte, endlich das Land, das durch die über alles Maß anwachsende Landflucht seiner besten Bevölkerung eine Zeitlang das Leerwerden der Städte verzögert«, schrieb Spengler in seinem Buch »Der Untergang des Abendlandes« (**|**), indem er in typologischer Weise und mit Blick auf die Antike wesentliche Elemente der Spirale richtig erfaßt hat, ohne die Gesetzmäßigkeiten im einzelnen statistisch zu belegen. Bis weit ins 19. Jahrhundert - also auch in der (modernen [i.e.S. **] !   HB) Aufstiegsphase Europas - starben in allen großen Städten mehr Menschen als in ihnen geboren wurden. Die großen Städte wachsen und blühen also stets auf Kosten des Umlandes (Gerhard Schweizer, Zeitbombe Stadt, 1987), und im Gedränge einer großen Stadt gedeihen seit jeher zwar Kultur, Wirtschaft und der Sexrummel, weniger aber die menschliche Fortpflanzung. Inzwischen leben eine Milliarde Menschen in städtischen Slums. Wie weiter vorn schon ausgeführt, hatte die vollbäuerliche Bevölkerung in Mittel-, West- und Nordeuropa in der Aufstiegsphase vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts weit mehr Kinder, die das Heiratsalter erreichten, als die Armen in Land und Stadt, in deren Familien oft weniger als zwei Kinder groß wurden. Da in Europa - im Unterschied zu den damaligen Siedlungsräumen der Weißen in Übersee - die vollbäuerlichen Stellen aber im 19. Jahrhundert alle besetzt waren, setzte in dieser Sozialschicht und ebenso bei der städtischen Oberschicht die bewußte Geburtenbeschränkung zuerst ein.“ (Ebd., 2012, S. 428-429).

„Vielleicht kommen wir weiter, wenn wir jede soziale Klasse oder Schicht, jede Glaubensgemeinschaft oder in ihrem Eigeninteresse handelnde Struktur - damit auch die Staatsbürokratie - einmal abstrakt als eine biologische Art betrachten, die auf Kosten aller anderen ihre Zahl und ihren Anteil am gesellschaftlichen Kuchen maximieren will. Da der Mensch zu den Arten zählt, bei denen bewußte Geburtenkontrolle möglich ist, würden demnach die Gruppen bzw. Strukturen, bei denen der Gedrängeeffekt der steigenden sozialen Dichte zuerst spürbar wird und für die Abwanderung als Ventil keine große Rolle mehr spielt, auch zuerst mit der Geburtenbeschränkung einsetzen. Da die Geburtenbeschränkung in den verschiedenen Sozialschichten zu verschiedenen Zeiten einsetzt, verschieben sich ihre zahlenmäßigen Gewichte. Als das um 1900 offensichtlich wurde, veranlaßte es Francis Galton, die Eugenik anzupreisen. Angesichts der geringen Kinderzahlen der Oberschicht, sagte Galton ein Absinken des geistigen Leistungsniveaus vorher. Das Gegenteil war aber der Fall: Die verbesserten Lebensbedingungen und die bessere Schulbildung führten nach 1900 in allen Industrieländern zu einem deutlichen Anstieg der IQ-Testwerte, im Mittel etwa um 15 IQ-Punkte. Bei diesem Anstieg handelt es sich zwar um einen phänotypischen, nicht um einen genotypischen Anstieg; aber durch ihn erschienen der breiten Öffentlichkeit die Befürchtungen Galtons und seiner Anhänger als übertrieben und unglaubwürdig. Wie wir heute wissen, macht sich der von Galton vorhergesagte Abfall der IQ-Werte in den phänotypischen, d.h. den wirklich getesteten Werten, erst zwei bis drei Generationen später bemerkbar, also bis zu einem Jahrhundert später. In dieser Zeit hat sich aber das politische Klima grundlegend geändert. Heute, reichlich 100 Jahre nach Galton, gilt seine politische Zielstellung, die Kinderzahlen bei den Begabten zu fördern, als nicht mehr zeitgemäß, da ja alle Menschen in ihrer geistigen Begabung als genetisch gleich angesehen werden müssen. Galtons Zielstellung hat deshalb nicht die geringste Chance, irgendwo in größerem Rahmen als eine staatliche Politik durchsetzbar zu sein, geschweige denn, daß mit Galtons Erkenntnissen der Marsch der Lemminge ins »Große Chaos« noch aufgehalten werden könnte.“ (Ebd., 2012, S. 432).

„Als die Einsicht einsetzte, hatte sie noch nicht die erwarteten Folgen; wenn dann schließlich die Folgen eintreten, sind sie politisch nicht mehr vermittelbar. Der frühere Staatschef von Singapur, KuanYew Lee, dürfte in den letzten Jahrzehnten das einzige erfolgreiche Regierungsoberhaupt gewesen sein, für den Galtons Argumente kein absoluter Blödsinn waren (vgl. Lee Kuna Yew, From Third World to First, 2000). Aber selbst in der eigenen Regierung und im eigenen Land blieben seine Einsichten nicht unwidersprochen. Auch Singapurs hochentwickelte Forschung befaßt sich im übrigen nicht mit IQ-Genetik.“ (Ebd., 2012, S. 432).

„Bei Nagetieren - aus denen sich ja das Säugetier Mensch entwickelt haben soll - gibt es bei Überbevölkerung Regulationsmechanismen, die zu einem ständigen Auf und Ab führen, von einer Mäuse- und Rattenplage bis zum katastrophalen Zusammenbruch der Population. (Vgl. Wilhelm Schäfer, Der kritische Raum, 1971; Heinrich von Loesch, Stehplatz für Milliarden?, 1974)Bei soziallebenden Säugetieren, die in der Regel eine soziale Hierarchie aufbauen, wird der Zusammenbruch der Population und der Neuanfang durch eine von der Natur vorgegebene Ereigniskette erzwungen: Das Gedränge der Überbevölkerung -die innerartliche Konkurrenz -führt zu einem Streben nach Gleichheit und zur Zerstörung der sozialen Hierarchie (vgl. Paul Leyhausen, Soziale Organisation und Dichtetoleranz bei Säugetieren, in: ders & Konrad Lorenz, Antriebe tierischen und menschlichen Verhaltens, 1968). Indem diese Hierarchie zerstört wird, wird die Population handlungsunfähig und die in Not geratenen Individuen fallen übereinander her. In einem überfüllten Rhesusaffenkäfig kommt es zu Mord und Totschlag, bei Nagetieren schließlich zu Apathie, Sterilität und Kannibalismus (vgl. Fritz Frank, Untersuchungen über den Zusammenbruch von Feldmausplagen, 1953). Solche Erscheinungen werden beim Menschen aus überfüllten und schlecht versorgten Gefangenenlagern berichtet. Nicht nur auf der Osterinsel hat sich dieser Zyklus in allen seinen Phasen und schrecklichen Ausprägungen vollzogen, sondern auch wie- derholt und mehrfach in komplexen menschlichen Gesellschaften. (Vgl. Hans-Dieter Striening, Das Osterinsel-Syndrom, 2001; Nicolas Werth, Die Insel der Kannibalen - Stalins vergessener Gulag, 2006).“ (Ebd., 2012, S. 433).

„Entscheidend ist, daß mittels dieser Regulation Bevölkerungsdichte und Verhaltensänderungen ständig rückgekoppelt (vgl. Karl Kälin, Populationsdichte und soziales Verhalten, 1972) sind und der volle Ablauf des Zyklus die vollständige Zerstörung der sozialen Hierarchie (vgl. L. Peter und R. Hull, Das Peter-Prinzip oder die Hierarchie der Unfähigen, 1972) und die totale Desorientierung der weiblichen Individuen voraussetzt (vgl. Eckart Knaul, Das biologische Massenwirkungsgesetz, 1985). Desorientierung meint hier ihre Ablenkung von einer erfolgreichen Fortpflanzung und Jungenaufzucht, die Menschen nennen es Emanzipation und Feminismus. Je länger eine Frau außer Haus ist und arbeiten geht, desto weniger hat sie Zeit, sich um ihre Kinder zu kümmern. Je mehr die Frauen erwerbstätig werden, desto stärker sinken die Geburtenzahlen in diesen Ländern. Je höher eine Frau qualifiziert ist, desto größer ist ihr Bestreben, ihr Wissen und Können auch im Berufsleben anzuwenden. Je mehr eine Frau auf völlige Gleichstellung pocht, desto geringer sind ihre Chancen, Kinder und Beruf in Einklang zu bringen und eine glückliche Ehe zu führen. Fast stets kinderlos sind deshalb linksorientierte Journalistinnen (vgl. Fritz Frank, APO und Establishment aus biologischer Sicht, 1969), um so größer aber ihr Anteil an der Bildung der öffentlichen Meinung. Nichtsdestoweniger könnte die Natürliche Selektion bewirken, daß ihre Generation durch die Nachkommen der unterwürfigen kopftuchtragenden Frauen ersetzt wird.“ (Ebd., 2012, S. 433-434).

„Im Normmalfall dienen die Zurschaustellung von Potenz - die kraftkostende Brunft der Hirsche und das Balzen der Hähne, beim Menschen die Zurschaustellung von Sozialprestige und der teure Prestigekonsum - dazu, den sozialen Status sowie die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe zu unterstreichen und sein Revier, seinen Lebensraum abzugrenzen (vgl. Edward T. Hall, Die Sprache des Raumes, 1976; Wolfgang Wieser, Vom Sein zum Werden, 1986). In aufsteigenden Gesellschaften haben die Männer mit der größten Potenz, der größten Antriebsenergie, also die Erfolgreichsten, auch die attraktivsten Frauen und die meisten Nachkommen. In Gesellschaften jedoch, die den Wendepunkt des Zyklus überschritten haben, wird das Balzen von Mann und Frau, ihr Modebewußtsein, ihre Automarke, ihre Prestigereise auf die Seychellen und ihr Gurren auf den Fernsehschirmen, immer mehr zum Selbstzweck und hat immer weniger Zusammenhang mit der Anzahl und der Qualität der Nachkommen. Die gebildeten Frauen werden im Berufsleben unter einen Leistungsdruck gesetzt, der - wenn überhaupt - nur noch ein Kind zuläßt. Die wenigsten können Dienstpersonal bezahlen, das Beruf und eine kopfstarke Familie vereinbar macht. So schön das Wunschbild der voll berufstätigen Mutter ist: Bei drei Kindern ist eine Unterbrechung der Berufstätigkeit von wenigstens sechs bis acht Jahren einl Segen für Mutter und Kinder, da sich oft nur so die wiederkehrenden Erkrankungen bei Kleinkindern in Kindereinrichtungen beherrschen lassen.“ (Ebd., 2012, S. 434).

„Wenn eine biologische Art den ihr zustehenden Raum übernutzt, dann richtet sich die Natürliche Selektion gegen die Art als Ganzes und reguliert sie durch eine Katastrophe auf eine Größe herunter, die einen Neuanfang möglich macht. Während in der Aufstiegsphase die Individualselektion eine große Rolle spielt und die Genfrequenzen für Gene, die mit Leistungsparametern positiv korreliert sind - also insbesondere mit dem IQ - steigen, so überwiegt in derAbstiegsphase die negative Selektion und die Gruppenselektion. Dieses Umschalten von Individualselektion auf Gruppenselektion ist der entscheidende Punkt in unserem Gedankengang, der über Darwin und Marx hinausführt. Es ist wie bei einem Heer nach verlorener Schlacht. Die Besiegten werden als Gruppe vertrieben, umgebracht oder versklavt; die Gruppe, der Stamm, das Volk dezimiert oder ausgelöscht. Das hat sich in der Geschichte tausendfach abgespielt. So als sei die Erde einer Population, die sie übernutzt, überdrüssig, so versucht die Evolution die im Überlebenskampf unterlegene Population in die Schranken zu weisen und programmiert sie von einem bestimmten Umschlagpunkt an in Richtung Katastrophe. Bisher waren alle derartigen Katastrophen, wenn sie menschliche Populationen betrafen, regionaler Natur. Zum ersten Mal hat jetzt die Menschheit im Zeitalter der fossilen Kohlenstoffverbrennung die Weichen für eine globale Katastrophe der Art Mensch gestellt, wobei sich die verschiedenen Weltregionen noch in verschiedenen, aber immer rascher konvergierenden Phasen des Zyklus befinden.“ (Ebd., 2012, S. 434).

„Wenn wir davon ausgehen, daß der Mensch durch Jahrhunderttausende von Jahren der Evolution seines Gehirns in die Lage versetzt wurde, logisch zu denken, erfinderisch und einfallsreich zu sein, so daß er die vorhandenen natürlichen Lebensbedingungen in mehreren großen Schritten für sich verbessern konnte, was, insbesondere nach dem Schritt der Industrialisierung, seine - aus der Sicht der Erde - übermäßige Vermehrung zur Folge hatte, so ist diese Entwicklung für die geschundene Erde und Natur eine Fehlentwicklung, die es zu korrigieren gilt. Die Erde ist der vielen Menschen überdrüssig und muß, um sich selbst vor Verschmutzung, Klimawandel und schrankenloser Ausbeutung ihrer Ressourcen zu schützen, einen Großteil der Menschen binnen kurzer Frist vernichten. Das geschieht voraussichtlich im Großen Chaos (Manfred Wöhlcke, Das Ende der Zivilisation, 2003; Peter Mersch, Ich beginne zu glauben, daß es wieder Krieg geben wird, 2011).“ (Ebd., 2012, S. 434 - 435).

„Der knapper werdende Raum bewirkte, daß in Mitteleuropa bereits während des 19. Jahrhunderts der Prozentsatz der auf Unterstützung und Hilfe Angewiesenen unaufhaltsam zu steigen begann. Die Dörfer, in denen sie Heimatrecht hatten, waren verpflichtet, Alte und Erwerbsunfähige zu unterstützen. Als die Zahl der Menschen, die in das Umland der großen Städte abgewandert waren, über alle Maße wuchs, sahen sich die Dörfer außerstande, den Verpflichtungen des Heimatrechts nachzukommen. Um das Elend der verstädterten Massen zu lindern, erließ Bismarck die ersten Sozialgesetze, um den Forderungen der nach allgemeiner Gleichheit drängenden Sozialisten und Kommunisten die Spitze zu nehmen. Hatten die Leistungsschwachen Kinder, so forderten und erhielten sie für sie staatliche Unterstützung; je leistungsschwächer die Mutter war, desto mehr Unterstützung erhielt sie und erhält sie. Auf diese Weise begann die Züchtung der Dummheit - die « Verkuckuckerei« - , vor der Townsend schon 1788 gewarnt hatte. Seit etwa 1900 haben die Armen im Durchschnitt die meisten Kinder.“ (Ebd., 2012, S. 435).

„Beim Menschen ist es nicht anders als bei den Tieren. Fördert man die Vermehrung von Ackergäulen, erhält man Ackergäule und keine Rennpferde. Die Leistungskraft eines Volkes steht aber in einem direkten Verhältnis zur Prozentzahl der vorhandenen Klugen und Tüchtigen. Die Klugen und Tüchtigen lassen sich nicht durch Schule und Ausbildung je nach Bedarf erzeugen, ihre Zahl ist vielmehr genetisch angelegt (wie die der Rennpferde auch). Es ist der Irrglaube der 68er, daß dumme, kranke und schwächliche Nachkommen, wenn sie nur gut genährt und gebildet würden, später in der Lage seien, das erreichte hohe Niveau der abendländischen Kultur zu halten oder gar weiter auszubauen.“ (Ebd., 2012, S. 435).

„Mangel an Nahrung wird sofort bemerkt. Der Mangel an genügendem Raum, der die Menschen hinderte, ihre Reichweite zu erproben, entwickelte sich hingegen langsam. Er wird von allen Angehörigen eines Volkes als unangenehm empfunden, und zwar proportional zur bestehenden Enge. Als sich um 1880 die Menschen vom Land und den Kleinstädten auf der Suche nach Arbeit und Brot in den gewerbefleißigen Dörfern rund um die großen Städte ballten, da war mit dieser Ballung der Menschen der Aufstieg der Sozialdemokratie verbunden, die Forderung nach Gleichheit und dem allgemeinen Stimmrecht. Die ersten sozialistischen Reichstagsabgeordneten wurden in Sachsen gewählt, in dem industriellen Ballungsgebiet zwischen Chemnitz und Zwickau mit der damals größten Bevölkerungsdichte weltweit. Selbst noch während der Kampagne 1878 gegen die »rote Gefahr« stieg die Zahl der sozialdemokratischen Stimmen dort weiter an. 1903 bereits waren bis auf einen alle 23 sächsischen Wahlbezirke an die Sozialdemokraten gegangen.“ (Ebd., 2012, S. 435).

„Der Leipziger Vorort, in dem ich wohne, war um 1885 - selbst in einem internationalen Vergleich - ein außerordentlich gewerbefleißiges sächsisches Dorf. Auf den Wiesen in den Schrebergartenanlagen tummelten sich große Kinderscharen. Damals baute man eine große neue evangelisch - lutherische Kirche. Heute steht die Kirche zwar noch, in ihr findet aber nur noch selten ein Gottesdienst statt. Ist Gott drauf und dran, das Land zu verlassen? .... Ist diese Entwicklung begrenzt oder eine allgemeine Regel? Götter sind gestiftet worden, um mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß es einige gibt, die größere Rechte haben als andere, um Regeln und Ziele zu setzen und um Gefolgschaft einzufordern. Zu der Zeit, in der man die soziale Hierarchie in Frage stellt, beginnt auch stets der Niedergang der bis dahin herrschenden Religion. Das Einsetzen von Kirchenaustritten ist - wie der Abfall der Römer von ihren alten Göttern - ein weiteres untrügliches Kennzeichen dafür, daß eine Gesellschaft den Scheitelpunkt überschritten und die gleichmacherische Abstiegsphase begonnen hat. Wer keinen Herrn mehr über sich dulden will, braucht auch keinen Gott mehr.“ (Ebd., 2012, S. 435 - 436).

„Unter der Losung »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« dezimierte die französische Revolution, die erste Revolution in unserem gegenwärtigen ... Zyklus, nicht nur die Aristokratie, sondern köpfte alsbald auch die aus der Masse herausragenden Geister (vgl. Eduard Spranger, Die Kulturzyklentheorie und das Problem des Kulturverfalls, 1926). Danach sanken erstmals die Geburtenzahlen in Frankreich dramatisch. Dumont und Spengler (**|**) haben dieses Ineinandergreifen der Entwicklung, diese gesetzmäßige Parallelität zwischen politischen, wirtschaftlichen und demographischen Abläufen, in seiner vollen Tragweite begriffen. Das Rad der Geschichte, das im Sinne Aristoteles’ den Kreislauf der Verfassungen treibt (vgl. Wilhelm Roscher, Politik, 1892; Heinrich Ryffel, Der Wandel der Staatsverfassungen, 1949), äußert sich in einer gesetzmäßigen Sukzession (vgl. u.a. Rolf Peter Sieferle, Das Ende der Fläche, 2006) des Zeitgeists, der sozialen Ordnungen, der politischen Verhältnisse und der Zahl der in den Sozialschichten geborenen Kinder.“ (Ebd., 2012, S. 436).

„Die Judenpogrome in der Ukraine, die Hunderttausende Juden nach Mitteleuropa trieben, sind nichts anderes als eine weitere Erscheinungsform des Kampfes gegen das Ungleiche im enger werdenden Raum gewesen. Waren in der sozialen Oberschicht die Angehörigen einer anderen Rasse oder eines anderen Volkes besonders häufig, so wurden sie früher oder später zwangsläufig zur Zielscheibe, nicht nur die Juden. Regionale Wirtschaftseliten wie die Chinesen in Südostasien, die Libanesen in Westafrika, die Inder in Ostafrika, die vor 1941 zahlreichen Deutschen in Osteuropa, die Armenier in Kleinasien - sie alle wurden früher oder später zum Gegenstand von Terror und Vertreibung, ja Ausrottung. Wer bei demokratischen Wahlen die Masse gegen eine rassisch, ethnisch und sozial abgehobene Wirtschaftselite aufbringt, hat gute Chancen, die Wahlen und die Macht zu gewinnen (vgl. Jürgen Schwab, Die Mitschuld der Rechten am Volkstod, 2009). Nach ihrer Vertreibung oder Ausrottung standen die »befreiten« Regionen mittel - und langfristig zwar stets wirtschaftlich schlechter da als zuvor, aber das Untergangszenario war in seiner inneren Logik einen notwendigen Schritt vorangekommen.“ (Ebd., 2012, S. 436).

„1941 lebten in Indien 114.000 Parsen. Diese 0,03% der Bevölkerung Indiens stellten vor 1940 7% aller Ingenieure und 5% der Ärzte des Riesenlandes. 98% aller Parsen können lesen und schreiben, mehr als jeder andere Bevölkerungsteil Indiens. Seit Generationen schon sind auch ihre Frauen gebildet und ins geistige Leben einbezogen. Seit 1953 ist die Geburtenzahl bei den Frauen der Parsen unter die magische Zahl Zwei gesunken. Um 1980 wurde ein Stand erreicht, wie er für die europäische Bildungsschicht typisch ist. In Indien wurden um diese Zeit aber pro Frau durchschnittlich vier Kinder mehr geboren. Ab 2000 sank bei den Parsen die Geburtenzahl pro Frau unter ein Kind - wie wir das aus unseren großstädtischen, sonnenenergiehungrigen Bildungsmilieus auch kennen. Demzufolge war die Gesamtzahl der Parsen auf 69.000 im Jahre 2001 geschrumpft. Ihr Altersaufbau ähnelt der eines alten Industrielandes und steht damit in krassem Gegensatz zu der noch klassischen Alterspyramide Gesamtindiens. Eine wachsende Zahl der Parsen bleibt unverheiratet oder heiratet spät. 2050 wird es deshalb voraussichtlich nur noch etwa 39.000 Parsen in Indien geben. Viele fähige Leute sind auch ausgewandert; unter dem ständig weiter schrumpfenden Rest häufen sich die Fälle für die Sozialhilfe. Die Parsen sind - noch ausgeprägter als die säkularisierten Juden - damit das Sinnbild für das Schicksal der Industriegesellschaft und der sie tragenden Eliten (vgl. Wilhlem Stahl, Der Elitekreislauf in der Unternehmerschaft, 1973; Robert Scheithauer, Deutschland nach Verlust seiner Eliten, 2003), die wie in einem Meer untergehen; die Parsen sind unter den inzwischen weit über eine Milliarde zählenden Indem im Zeittakt nur eine Generation fortschrittlicher. Den Parsen, die 1974 ein Buchtitel als »Motoren des sozialen Wandels« (Kulke 1974) bezeichnet hat, geht es damit wie den kinderlosen Feministinnen. Haben sie sich eines Tages selbst ausgerottet (vgl. Susanne Gaschke, Die Emanzipationsfalle, 2005), wird auch der von ihnen verkörperte Wandel wieder verschwunden sein.“ (Ebd., 2012, S. 436-437).

„Das volle Durchlaufen eines Zyklus der Verfassungen setzt voraus, daß sich in einer langen Aufschwungsphase der mittlere IQ der Bevölkerung deutlich erhöht, die Hexenverbrennungen eingestellt werden und der Rechtsstaat entsteht, der eine Voraussetzung der Industriegesellschaft ist. Preußen, Sachsen, England und andere Staaten waren Rechtsstaaten, ehe sie Demokratien wurden. Den Scheitelpunkt ihres wirtschaftlichen Aufstiegs erreichten diese Staaten vor 1890 (vgl. Ehrhardt Bödecker, Preußen und die Marktwirtschaft, 2006) zu einer Zeit, in der sie nach heutigem Verständnis keine entwickelten Demokratien waren.“ (Ebd., 2012, S. 437).

„Staaten mit viel zu kurzen Aufschwungsphasen und niedrigem mittleren IQ haben keine Chance, das Stadium einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung überhaupt zu erreichen, sondern oszillieren zwischen Oligarchie und Tyrannis, ehe sie in den Strudel gerissen werden. So simpel diese Einsicht ist, so versperrt ist sie den Politikern, die Milliarden Dollar an Militärausgaben sparen könnten, mit denen sie Menschen eine politische Ordnung aufzwingen möchten, in die diese aus sich selbst heraus nur in sehr langen Zeiträumen hineinwachsen könnten. Wer meint, heute zum Beispiel im Kongo mit einer Abstimmung eine Demokratie errichten zu können, die diese Bezeichnung auch nur annähemd verdient, zeigt damit nur, daß er - ebenso wie mit der Handlungsunfähigkeit gegenüber der Masseneinwanderung und fehlgeleiteter Welthungerhilfe - hoffnungslos den Denkschablonen des Zeitgeists und der sich daraus ergebenden Serie von Fehlentscheidungen und Entwicklungen verhaftet ist, aus denen das weltweite Katastrophenszenario folgt. Wirtschaftlicher Aufschwung hat in den letzten Jahrzehnten, ebenso wie in Europa vor 1890, vor allem in Staaten mit autoritären Regierungen und hohem mittleren IQ der Bevölkerungen stattgefunden: in Südkorea, Taiwan, Singapur, Malaysia.“ (Ebd., 2012, S. 437).

„Während des Aufschwungs kommt es in allen Staaten zu einer Phase, in der eine sehr junge Bevölkerung lebt, mit zahlreichen jungen Männem - drittgeborene, viertgeborene, fünftgeborene Söhne - die nach einem Lebensinhalt suchen. Wie zahlreiche Statistiken bestätigt haben, führt eine derartige Bevölkerungsstruktur fast zwangsläufig zu einer expansiven kriegerischen Politik der betreffenden Staaten. Wo diese scheiterte und mit dem Ventil der überseeischen Auswanderung nicht genügend Dampf abgelassen worden war, brach sich die Gleichheitsideologie ... in Europa Bahn.“ (Ebd., 2012, S. 437-438).

„Für die Stunde, die das Zeigerblatt der Geschichte 2030 in Europa zeigen wird, macht es fast keinen Unterschied, ob England, das Deutsche Reich, Italien oder Rußland sich im Ersten oder Zweiten Weltkrieg auf der Seite der Sieger befanden oder nicht. In den wesentlichen Krisensymptomen sind sie sich ähnlich, und im Abgrund der Geschichte ist Platz für alle (vgl. Heinrich Karl Erben, Leben heißt sterben, 1981).“ (Ebd., 2012, S. 438).


Zum Kreislauf der Bevölkerungsqualität: Betrachtungen und Schlußfolgerungen Entstehung und Erschöpfung des Sozialstaates.

„Der Kreislauf, den wir erleben und der etwa am Ende des 17. Jahrhunderts begann und bis in die Mitte des 21. Jahrhunderts dauern wird, besteht aus Auf- und Abstieg, jedoch niemals geradlinig abwärts, sondern unter Beibehaltung der Grundrichtung wellenförmig, manchmal beschleunigt, manchmal gebremst. Wann war dabei der Umkehrpunkt erreicht, von dem an es kein Zurück mehr gibt? Es ist im übertragenen Sinne der Punkt, an dem der Brennsatz der Rakete erlischt. Von diesem Punkt an verläuft der Flug nach Gesetzen einer ballistischen Kurve, anfänglich noch steigend, dann aber langsam umkippend und schließlich immer rascher abwärts führend. Für das Deutsche Reich lag dieser Punkt zweifellos bereits zwischen den Jahren 1880 und 1890. Dieser Punkt ist nicht zu verwechseln mit dem Gipfelpunkt einer Kultur, von dem es dann mehr oder wenig schnell, aber ständig abwärts geht (vgl. Edgare Julius Jung, Die Herrschaft der Minderwertigen, 1927). Dieser Gipfelpunkt, erkennbar vor allem an der Weltgeltung der deutschsprachigen Wissenschaft, lag nach 1918 (diese Weltgeltung - den 1. Weltrang [mit weitem Abstand, in allen Bereichen Weltmeister {**}] - hatte Deutschland auch schon im19. Jahrhundert! HB).“ (Ebd., 2012, S. 438).

„Vor 1820 betrug die Armenunterstützung in allen späteren Industriestaaten weniger als 3% des Bruttosozialprodukts, in England 1776 zum Beispiel 1,6%. Noch 1910 war im Deutschen Reich die Marke von 1% nicht überschritten. Unterstützungen dieser und ähnlicher Art - sie tragen in den einzelnen Ländern zu verschiedenen Zeiten verschiedene Bezeichnungen - belaufen sich heute in den meisten entwickelten Demokratien auf etwa 20% des Bruttosozialprodukts, wobei seit etwa 1980 eine weitere Steigerung mehr möglich war; in einigen Ländern sind die Leistungen seit diesem Zeitpunkt gekürzt worden. Was trieb im 20. Jahrhundert die Politik vorwärts und veranlaßte eine derartige Steigerung der Umverteilung?“ (Ebd., 2012, S. 438).

„Der Umschlagpunkt, von dem an es kein Entrinnen mehr aus dem Kreislauf der Verfassungen gibt, ist die Einführung des allgemeinen und gleichen Stimmrechts. In England wird dieser Zeitpunkt durch den Second Reform Act 1867 markiert, von dem an der Einfluß der Sozialisten auf die Gesetzgebung zunahm. Der Historiker Willibald Steinmetz hat die Parlamentsdebatten im Vorfeld dieser Entscheidung eingehend analysiert: »Seit 1831/’32 beschleunigte sich also der paradox erscheinende Prozeß, daß die Politiker praktisch und in kleinen Schritten immer neue Machbarkeitsansprüche formulierten oder zuließen, während sie in der Theorie jedoch weiterhin mehrheitlich eine Ideologie vertraten, die gegen jede gewollte Expansion staatlicher Daueraufgaben und entsprechender Finanzzuweisungen gerichtet war.« (Willibald Steinmetz, Das Sagbare und das Machbare, 1993, S, 320). Und weiter: »Wir beobachten also, daß zwischen fortschreitender Demokratisierung und einhergehender Expansion der staatstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestand« (Ebd., S. 377).“ (Ebd., 2012, S. 438-439).

„Dadurch verringerte sich zwar einige Jahrzehnte lang die Ungleichheit, aber um den Preis höherer Steuern. Ohne daß den Massen die Folgen bewußt sind, bejubeln sie in einer Demokratie mit allgemeinem Stimmrecht, so als wären sie biologisch gesteuert, stets jene Maßnahmen, die ihre momentane Lage erleichtern. Diese jedoch führen mit Sicherheit mittel- und langfristig zu einer Zuspitzung der gesamtwirtschaftlichen Lage, bringen eine Verschlechterung der Lebensbedingungen mit sich und münden letztlich in eine Katastrophe. Der Politiker, der eine Wahl und damit die Macht gewinnen will, muß in der Regel zur Heilung der Mißstände die verstärkte Gabe des Mittels anpreisen, das die Übel erst verursachte, nämlich die progressive soziale Umverteilung. Versucht eine Partei gegenzusteuern, scheitert sie spätestens bei der übernächsten Wahl. Nach der Einführung des allgemeinen Wahlrechts führt der politische Wettbewerb um Wählerstimmen unweigerlich zur Ausweitung der Staatsausgaben und vor allem ihres unmittelbar wählerwirksamen Teils, den Sozialausgaben.“ (Ebd., 2012, S. 439).

»Die persönliche Gleichheit als Grundprinzip der modernen Demokratie, etwa die Gleichheit aller im Wahlrecht oder aber die Gleichheit aller vor dem Gesetz ... sind der sozialen Gleichheitsforderung vorangegangen«, stellte der Sozialwissenschaftler und Volkswirtschaftler Hans Achinger fest (vgl. ders., Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik, 1958, 55 f.). »Der Glaube an die Gleichheit von Personen ungleicher sozialer Stellung führt notwendigerweise zu der Ansicht, daß die Mehrung sozialer Ungleichheit immer ein Übel, die Minderung sozialer Ungleichheit immer ein Fortschritt sei. Wie lebhaft diese Konsequenzen gezogen werden, hängt freilich zunächst davon ab, welchen Rang im Wertsystem überhaupt die sozialen Zustände, die ,irdischen Güter: einnehmen, wieweit also das diesseitige Leben mit seinem Herr- oder Knechtsein Gewicht hat. Die soziale Gleichheitsforderung gewinnt deshalb erst den richtigen Schwung, wenn die Säkularisierung weit genug fortgeschritten ist. Die für diese Säkularisierung entscheidenden Jahrzehnte sind zugleich die Entstehungszeit des Sozialismus und der sozialen Frage, wie sie auch von den Gegnern des Sozialismus verstanden wurde. .... Ist also der Ausgleich sozialer Unterschiede ein ernsthaftes Ziel, ist einmal der Glaube gefestigt, daß soziale Unterschiede nicht aus Wertunterschieden der Subjekte hervorgehen, so muß die Gleichheitspolitik sehr bald darauf gerichtet werden, daß das, was an der jetzigen Ordnung, unter den jetzt Erwachsenen an bedauerlicher Ungleichheit nicht mehr auszugleichen ist, wenigstens an den Kindern ausgeglichen werde. Die Gleichheitsforderung geht damit über in die Forderung nach gleichen Startchancen.«“ (Ebd., 2012, S. 439).

„Der Wirtschafts - und Sozialwissenschaftler Eduard Heimann war schon 1929 zu dem Schluß gekommen: »Die Wucht, mit der die Masse der arbeitenden Menschen von der sozialen Idee ergriffen ist, äußert sich in der Stellung der aufWahlstimmen angewiesenen Parteien zur Sozialpolitik,. die sozialpolitischen Bekenntnisse sind Anpassungserscheinungen« (Eduard Heimann, Soziale Theorie des Kapitalismus, 1929, 180). Und: »Sozialpolitik ist der institutionelle Niederschlag der sozialen Idee im Kapitalismus und gegen den Kapitalismus.« (Ebd., 1929, S. 290).“ (Ebd., 2012, S. 439).

„Die im 19. Jahrhundert gereifte Einsicht, der Staat solle fortan der Gestaltung der gesellschaftlichen Bedingungen und somit allen zugute kommen, ftihrte an der Schwelle zum 20. Jahrhundert zur Entstehung des Sozialstaats, der die bürgerliche Gesellschaft veränderte und liberale Gegenströmungen zurückdrängte. Wenn wir uns noch einmal vergegenwärtigen, daß »sozial« in der Regel »umverteilen« bedeutet, dann ist auch hier wieder der Gleichklang beeindruckend, mit dem die Entwicklung in allen entwickelten Industriestaaten abgelaufen ist. »Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gab es im nordatlantischen Wirtschaftsraum kein einziges Parteiensystem, das nicht von der neuen Sozialpolitik tieferschüttert worden wäre«, merkte der US-Historiker Daniel T. Rodgers an und führte weiter aus: »In Großbritannien verabschiedete die liberale Regierung der Jahre 1906 bis 1914 eine ganze Reihe von Gesetzen, die Franklin Roosevelt noch 25 Jahre später ihrer Kühnheit wegen im Gedächtnis geblieben waren. Für die mittellosen Alten führte sie ein aus Neuseeland übernommenes Rentensystem ein. Aus Deutschland übernahm sie die obligatorische Krankenversicherung für Lohnempfänger. .... Eine Reihe von Lohnkommissionen nach australischem Vorbild stattete sie mit der Befugnis aus, zugunsten der am stärksten ausgebeuteten Arbeiter gesetzliche Mindestlöhne festzulegen. Zur Herstellung steuerlicher Gerechtigkeit führte sie eine progressive Grund- und Einkommensteuer ein. Für die Arbeitslosen gab es von nun an wie in Deutschland ein Netzwerk von staatlich betriebenen Arbeitsämtern, sowie für Arbeiter in Berufen mit besonders unsicheren Beschäftigungsverhältnissen den bisher noch unerprobten Versuch, durch eine staatlich verwaltete Versicherung die Risiken der Arbeitslosigkeit zu vergemeinschaften. Die Koalitionen von Radikalen, die zwischen 1899 und 1914 Frankreich regierten, hatten ähnlich Ziele: eine progressive Einkommenssteuer, staatliche medizinische Unterstützung für die älteren Armen, eine gesetzlich festgelegte maximale Dauer eines Arbeitstages, Steuersubventionen für gewerkschaftliche Arbeitslosenunterstützung, staatliche Vermittlung in Arbeitskonflikten und ... eine obligatorische Altersversicherung nach deutschem Vorbild. ....Auf beiden Seiten des Atlantiks nutzten Politiker die neuen Themen, um zu Macht und Popularität zu gelangen. David Lloyd George und der junge Winston Churchill in Großbritannien, Georges Clemenceau in Frankreich, Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson in den Vereinigten Staaten. Parteien und Interessengruppen formulierten radikale soziale Programme. .... Für den Rest des 20. Jahrhunderts konnte keine Politik mehr ohne Berücksichtigung sozialpolitischer Aspekte gemacht werden.«“ (Ebd., 2012, S. 439-440).

„Walter L. Bühl führte mit Blick auf den Wohlfahrtsstaat aus: »Die Wohlstandsgesellschaft wird gesichert vom Wohlfahrtsstaat, insofern der Staat die Garantie für ein bestimmtes Mindesteinkommen bzw. für die Daseinsvorsorge im Falle von Krankheit und Unfall, von schulischer und beruflicher Ausbildung oder Altersrente, von Arbeitslosigkeit oder Wohnungsmangel übernimmt und schließlich auch noch in die Angleichung und Umverteilung des Arbeitseinkommens einzugreifen versucht. .... Wenn die Leistungen des Wohlfahrtsstaates genutzt werden, ohne daß dieser Nutznießung vergleichbare eigene Anstrengungen gegenüberstehen (bzw. wenn der Staat diejenigen, die zusätzliche produktive Leistungen hervorbringen, überproportional zu Steuern und Abgaben heranzieht, während er seine sozialen Leistungen großzügig. ..verteilt), dann gerät der wohlfahrtsstaat in das Dilemma der massenhaften Ausbeutung kollektiver Güter, d. h. die vom Staat bereitgestellten Güter dienen nur noch zum Teil der kollektiven Daseinsvorsorge, während sie zu einem beträchtlichen Teil durch Schwarz- und Trittbrettfahrer genutzt werden, die selbst durch Leistungsrückhalt glänzen. ...Die Kombination von Wohlfahrtsstaat und Konsumgesellschaft trägt so ein Moment der Selbstzerstörung in sich.
Der unbestrittene Sinn des Wohlfahrtsstaates - und auch der Ausgangspunkt seiner Krise - liegt im Versicherungsprinzip und im Schutze des Bürgers vor nichtverschuldeten Unglücksfällen und Belastungen durch die Versicherungsgemeinschaft aller Staatsbürget: ...Private Versicherungsgesellschaften staffeln ihre Leistungen und Beiträge nach versicherungsmathematischen Prinzipien, eine staatliche Zwangsversicherung aber hat die Tendenz, die Versicherten ohne Ansehen der Risiken und der zu erwartenden Beitragsleistungen zu versichern und den Kreis der Mitglieder ( oder/und ihre Beitragszahlungen) laufend zu erhöhen, ... je stärker der politische Einfluß der sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien ist. Doch mit zunehmender wirtschaftlicher Höhe verschwinden selbst die Unterschiede zwischen verschiedenen politischen Systemen und Regierungskoalitionen: Das ... Dilemma ist für alle Wohlfahrtsstaaten schließlich das gleiche. Die übermäßige Ausweitung des Versicherungsangebotes führt einerseits zu einer dauerhaften und für das Staatsganze schädlichen Verhaltensänderung bei den Staatsbürgern, komplementär dazu (als Ursache wie als Folge) führt es aber auch zu einer überproportionalen Vergrößerung des öffentlichen Sektors und zu einer Schwächung der Marktkräfte. Die nächste Konsequenz auf seiten der Verhaltensänderung ist die Förderung des Anspruchsdenkens und - in der weiteren Folge - dann auch die Unselbständigkeit und psychische Abhängigkeit von den Wohlfahrtsleistungen und - einrichtungen des Staates. Zunächst, d.h. in Zeiten der wirtschaftlichen Expansion, erfolgt eine exzessive Steigerung der Erwartungen und desto größer wird seltsamerweise die Differenz zwischen dem tatsächlichen schon erreichten und dem für erreichbar gehaltenen Stand. Den Politikern wie den Wählern aber ist in der Zeit der Expansion entgangen, daß die Ausweitung der Wohlfahrtsleistungen nicht umsonst zu haben wal; sondern durch (relativ gleichbleibende, aber absolut gestiegene) Steuereinnahmen finanziert worden ist. Erst in einer Zeit der Rezession wird ihnen wieder klal; daß der Staat nicht mehr geben kann, als er einnimmt - und sogar einiges wenigel; wenn die nicht geringen Verwaltungskosten des Staates in Abzug gebracht werden. Umgekehrt glauben die Politiker an den Erfolg ihrer bisherigen Wohlfahrts - und Umverteilungspolitik, oder sie glauben jedenfalls, daß die Höhe ihrer Wahlstimmen ... von der Höhe der Wohlfahrtszahlungen bzw. der Aufrechterhaltung der falschen Hoffnungen abhängig ist. .... In gewisser Weise ist der Wohlfahrtsstaat ein Opfer seines Erfolgs geworden: Indem er nämlich die an ihn gestellten Erwartungen zunächst voll erfüllt hat, hat er neue und schwerer zu erfüllende Bedürfnisse geweckt, die selbst in einer Wachstumsphase kaum und in einer Rezessionsphase schon gar nicht mehr zu erfüllen sind.« (Walter Ludwig Bühl, Ökologische Knappheit, 1981, S. 106 ff.).“ (Ebd., 2012, S. 440-441).

„Bühl an anderer Stelle: »In Wirklichkeit hat der Wohlfahrtsstaat nur in Friedenszeiten und bei wirtschaftlichem Wachstum funktioniert; gerade in dieser Zeit aber wurde die Logik des Wohlfahrtsstaates umgekehrt: der Staat hat seine Wohlfahrtsleistungen aufgestockt, weil und wann immer er es sich leisten konnte, nicht weil eine Aufstokkung nötig gewesen wäre. .... Die Grenze ist dort erreicht - in der Krankenversicherung wie in der Arbeitslosenversicherung -, wo die Selbstbeteiligung oder der durch individuelle Anstrengungen zu erreichende Differenzbetrag zu gering ist, als daß eigene Anstrengungen noch lohnend erscheinen würden. Das Gesetz vom abnehmenden Nutzenzuwachs gilt eben auch für die Sozialversicherung. ....
Mehr oder weniger zu einem öffentlich geförderten und gerechtfertigten Betrug aber wird der Wohlfahrtsstaat, wenn er seine Bürger für Versicherungsleistungen bezahlen läßt, die er tatsächlich nicht erbringen kann. Das gilt vor allem für die ... Geldwertstabilität: denn wenn die Ansprüche über die Mittel hinausgehen, dann müssen die Mittel rationiert werden, und die Ansprüche werden ihre inflationäre Wirkung nicht verfehlen. Was der Staat auf diese Weise erreichen kann, das ist allein die öffentliche Verschuldung, die durch Erhöhung von Steuern und Abgaben und schließlich durch die Geldentwertung unter Kontrolle gebracht werden soll. ....
Die Fortentwicklung der Wohlfahrtspolitik wird vor allem durch die in den Verbänden organisierten (und mit den Parteien und Bürokratien verbundenen) Interessengruppen ... bestimmt, die im Vertrauen auf die Aufrechterhaltung des ›sozialen Netzes‹ durch den Staat, die Interessen ihrer Klientel auf Biegen und Brechen verfolgen können oder die - noch schlimmer - den größten Teil der Mittel für den paternalistischen Apparat von Sozialarbeitern und -beratern ... verbrauchen. Diese Tendenz wird noch dadurch verstärkt, daß diese Interessen zunehmend von Funktionären in beamtenähnlichen Stellungen und mit starken bürokratischen Apparaten verfochten werden, von Funktionären also, die von den negativen Konsequenzen ihres Handelns ... selbst nicht betroffen werden. Der Fehler der Wohlfahrtsdemokratie liegt ... in der unzureichenden Kontrolle, der Verteilung und Effektivität der Leistungen, die von den organisierten Gruppen beansprucht und durchgesetzt werden, ohne daß damit ... das Entwicklungspotential des Gesamtsystems verbessert würde.« (Walter Ludwig Bühl, Krisentheorien, 1984, S. 156 ff.).“ (Ebd., 2012, S. 441-442).

„Im Verlaufe des 20. Jahrhunderts sind alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Sozialstaaten geworden. Je weiter eine Nation auf dem Wege zur Industriegesellschaft vorangeschritten ist, desto stärker mußte sich der Staat sozialpolitisch engagieren und desto mehr mußte sich der Staat die Umverteilung kosten lassen, desto mehr mußte er deshalb Steuern eihtreiben. Hierzu nochmals Achinger: »Unter den umfassendsten gesellschaftlichen Auswirkungen der Sozialpolitik ist wohl die augenfälligste Erscheinung das Anwachsen der Staatsaufgaben. .... Der moderne Staat unternimmt es, in jedem einzelnen Haushalt mitzureden, dafür Beträge und Steuern abzuziehen, an anderer Stelle Renten auszuwerfen; und das nicht um irgendwelcher Staatszwecke willen, um die es früher ging, sondern um dem einzelnen beim Leben zu helfen, das er allein nicht mehr meistern kann.« (Hans Achinger, Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik, 1958, S. 155).“ (Ebd., 2012, S. 442).

„Als diese Sätze 1958 gedruckt wurden, betrug die Staatsquote noch um die 30%, gegenüber mehr als 50% heute (**|**|**|**|**). Dennoch ahnten Weitblickende wie Achinger schon die Probleme: »Offensichtlich wird die Kunst, die Gesellschaft mit politischen Mitteln zu gestalten, in großem Umfang geübt. Aber diese Kunst ist noch nicht in ihren Voraussetzungen erkannt oder gar in den Weiterwirkungen des Handelns berechnet, vielfach sind sich die Akteure ihrer Reichweite kaum bewußt. .... Daher auch die heute international dominierende Meinung, das einfachste Mittel, die Einkommensverteilung nämlich, sei tatsächlich das dominierende Werkzeug des sozialen Fortschritts. Es ist unmöglich, die bisherige Entwicklung ohne große Sorgen zu betrachten.« (Hans Achinger, Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik, 1958, S. 158 f.).“ (Ebd., 2012, S. 442).

„Eine Erfindung der Demokratien mit allgemeinem Stimmrecht, die den Umschlagpunkt vom Aufstieg zum Abstieg einer Gesellschaft ebenfalls nachhaltig markiert, ist die Steuerprogression. Wie richtig diese Einschätzung ist, sollen einige Kernsätze belegen, die schon im 19. Jahrhundert geschrieben worden sind: »Kein finanzwissenschaftliches Prinzip ist heute so populär wie das der Steuerprogression. Die demokratische und sozialistische Strömung der Zeit spendet begreifticherweise einem Satz der Wissenschaft Beifall, dessen Tendenz die Ueberwälzung der Steuerlast von den Schultern der Minderbemittelten auf die der Reichen ist.« (Max Grabein, Beiträge zur Geschichte der Lehre von der Steuerprogression, in: Finanzarchiv, 12, 1895, S. 471).“ (Ebd., 2012, S. 442).

»Die Verknüpfung mit den kommunistischen Theorien und Massnahmen des Revolutionszeitalters war in der That die Veranlassung geworden für die so verbreitete Auffassung der Steuerprogression als Mittel zur Vermögensnivellierung. .... Vor allem kommt hinzu, daß unsere heutige, auf dem Gleichheitsprinzip beruhende Kultur zu einer gewaltigen Steigerung der Macht der unteren Klassen geführt hat. .... Das allgemeine gleiche Wahlrecht, ... und Schulunterricht geben den unteren Klassen einen enormen Einftuß.« (Max Grabein, Beiträge zur Geschichte der Lehre von der Steuerprogression, in: Finanzarchiv, 13, 1896, S. 115 ff.).“ (Ebd., 2012, S. 442).

„Manchmal hatten zwar Staaten Gesetze erlassen, um die Reichen besonders stark zu belasten oder gar zu enteignen, aber das nur in ausgesprochenen Kriegs- und Notzeiten, und die Gesetze wurden nach Beendigung des Krieges wieder außer Kraft gesetzt. Als 1891 dem Preußischen Haus der Abgeordneten zum ersten Mal ein Gesetzentwurf über Steuerprogression zur Zustimmung vorlag, veranlaßte das den nationalliberalen Abgeordneten Rudolf von Gneist (1816-1895) zu einer grundsätzlichen Rede dagegen (1891,907 f.): »Der Vorschlag ist das Schlimmste, was je von diesem Haus beschlossen werden könnte. ...Unsere Zeit ist ja durchdrungen mehr und mehr von der Idee der Gleichheit und Gleichberechtigung für alle Schichten der Gesellschaft. Die allerheiligsten politischen Grundsätze der Gleichheit werden sich aber untreu, wenn wir an die Frage der Progressivsteuer herangehen. Da verleugnet selbst die absolute Demokratie. .. ihre Grundsätze, wenn es sich darum handelt, den Reichen schärfer zu treffen. ...Verlassen wir aber den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz auf diesem Gebiet, so machen wir uns keine Illusionen darüber, daß damit jeder Halt gegen die Begehrlichkeit und die Maßlosigkeit der besitzlosen Klassen uns aus den Händen geht. ...Von dem Moment ab, wo Sie den Grundsatz der Gleichheit verlassen, wird Ihnen die Sozialdemokratie sofort beweisen, daß man ebensogut 10 Prozent (statt 4 Prozent) nehmen kann. ...Und wenn Sie dann wirklich die 10 Prozent erlangt hätten, so würde die Sozialdemokratie sagen, man kann auch 30 und 40 Prozent Einkommensteuern geben. ...Ich h öre schon die Wahlreden bei den nächsten Reichstags - und Landtagswahlen, wie man da dorthin hinaufweisen wird, wo noch viel mehr zu holen sei, und wie man die Armen und Bedrückten von ihrer Steuerlast immer noch mehrerleichtern kann. ...Denn bei den Wahlen kommt es auf das Urtheilder Massen an, und sobald die Massen auf diesen Wegweiser hingewiesen sind, so siegen stets die extremen Forderungen. Einen Historiker, der diese Verhandlungen mit anhört, könnte ein unheimliches Gefühl beschleichen in Erinnerung an ähnliche Vorgänge der Girondisten. ...Sie glaubten, man könne jeden Rechtsgrundsatz beiseite legen, wenn man nur nach Möglichkeit entgegenkäme der Begehrlichkeit der besitzlosen Klassen.« (Heinrich Rudolf Hermann Friedrich von Gneist, Rede auf der 35. Sitzung vom 17. Februar 1891 - Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 1891. S. 907 f.).“ (Ebd., 2012, S. 442-443).

„Um diese Zeit galt die Forderung von Obermüller (1840), den Spitzensteuersatz der Reichen bis auf 50% anzuheben, noch als reine Utopie. Heute ist aber in einigen Industrieländern dieser Spitzensteuersatz nahezu erreicht, ohne daß damit allein schon dem »Elend der arbeitenden Volksklassen« abgeholfen worden wäre, wie das Obermüller bei seinem Vorschlag vorschwebte. Über seinen Realismus kann man anderthalb Jahrhunderte später dennoch staunen. Obermüller hielt nämlich die vollständige GÜtergleichheit, wie sie die utopischen Kommunisten Babeuf (1760-1797), Robert Owen (1771-1858) und Charles Fourier (1772-1837) wollten, für unmöglich: »Auf diese Art wären diejenigen, welche ein reines Einkommen von solcher Größe haben, gezwungen, am Ende fast ihr ganzes Einkommen abzugeben, so daß sie weniger übrig behielten, als wenn sie nur halb so reich gewesen wären. Die notwendige Folge davon wäre, daß sich Jedermann hüten würde, so reich zu werden. .... Es gibt aber Leute, deren produktive Talente so groß sind, daß sie allein 100 Mal mehr leisten, als eine Menge Anderer zusammen. Es wäre kein geringer Verlust, ihren Eifer durch eigensinnige, pedantisch durchgeführte Gütergleichheit zu lähmen. Bloß die Hoffnung großen Gewinnes treibt die Menschen zu gewaltigen Anstrengungen, sobald erstere genommen und Jedem schon zum Voraus sein Ziel gesteckt ist, hat alle besondere Lust und Regsamkeit zum Erwerb ein Ende. Es geht dann Alles so den Schlendriansweg. .... Die Progression darf nie das gesamte Einkommen verschlingen.« (Wilhelm Obermüller, Das Gütergleichgewicht, 1840, S. 29 ff.). Obermüller erkannte, daß ein Spitzensteuersatz über 50% die Spitzenkönner zur Auswanderung treiben würde. Und tatsächlich wird heute der Spitzensteuersatz durch den Wettbewerb der Staaten untereinander unter diesem Prozentsatz gehalten (Razin und Sadka 2005).“ (Ebd., 2012, S. 443).

„Obermüller erteilte aber auch noch einen anderen Ratschlag: »Der Staat lasse sich nie verleiten, aufs Betteln und Kinderzeugen Prämien zu setzen« (Wilhelm Obermüller, Das Gütergleichgewicht, 1840, S. 73). Dagegen wurde nun gründlich verstoßen. Auf derselben Parlamentssitzung, auf der 1891 in Preußen die Steuerprogression verabschiedet wurde, lag auch ein allererstes Gesetz zur Abstimmung vor, durch das Geringverdiener mit Kindern von Steuern befreit wurden. Wir wissen heute: An diesem Tag begann die Züchtung der Dummheit. In der gesamten Menschheitsgeschichte war bis dahin die wirtschaftliche Tüchtigkeit der Eltern die voraussetzung, daß ihre Kinder aufwachsen konnten. Waren die Eltern untüchtig, so sollten oder durften sie nicht heiraten; hatten sie dennoch Kinder, so war deren Schicksal meist beklagenswert und ihre Überlebenschance gering. Das änderte sich fortan und bis auf den heutigen Tag. Es wird sich wieder ändern, wenn niemand mehr die Kraft haben wird, denen zu helfen, die sich nicht selber helfen können, und zwar nicht nur in Ostafrika oder in Haiti.“ (Ebd., 2012, S. 444).

„Das Ende der Ständegesellschaft brachte damit nicht nur die Demokratie und die Leistungsgesellschaft, sondern auch die Einführung der Steuerprogression und des Wohlfahrtsstaates mit Kinderprämien für Habenichtse. Lebten in den Gutshäusern Preußens bis dahin kopfstarke Adelsfamilien, die Beamte, Gelehrte und Offiziere stellten und kopfstarke Familien in den Häusern der tüchtigen Bauern und Bürger, so begann sich das umzustellen - bis hin zur Situation heute, in der mancher, der keine Arbeit hat, aber ein große Hecke Kinder, über mehr Geld aus Sozialleistungen verfügt als ein anderer, der arbeitet und wenige Kinder hat (vgl. Thilo Sarrazin, 2010).“ (Ebd., 2012, S. 444).

„Die Steuerprogression begann fortan den Geldüberschuß umzuverteilen, der einst überall Rittergüter, Gutsparks, Stiftungen und Investitionen aller Art getragen oder ermöglicht hatte). Der Staat glaubt heute, das Geld gerechter verwenden zu können. In Mitteldeutschland reichen diese Einnahmen in den meisten Gemeinden aber nicht dafür aus, um die Kultur weiterzutragen, die das Landesbild geprägt hat. Nur einige Orte erfreuen sich an Unternehmerfamilien, die trotz Steuerprogression so wohlhabend sind, daß sie über die eigene Familie und Firma hinaus wirken können.“ (Ebd., 2012, S. 444).

„Vor 1891 haben die sehr großen, durch keine Steuerprogression erfaßten Einkommen bei der Finanzierung des wirtschaftlichen Fortschritts eine große Rolle gespielt, insbesondere beim Erproben technischer Neuerungen. Fast jede Neuerung, die nach und nach auch den großen Massen zur Selbstverständlichkeit geworden ist, von den sanitären Anlagen über Radio und Fernsehen bis hin zum Auto, haben einst als teure Luxusartikel begonnen, die nur sehr wenigen erschwinglich waren. Die starke Steuerprogression verringert heute die mögliche Gewinnspanne und mindert damit die Risikobereitschaft der Unternehmer, aber auch die Anreize zum sozialen Aufstieg. In einer gefestigten Demokratie wird jedoch das als nachgeordnete Folge der Einkommensangleichung in Kauf genommen. Steuerfreiheit des Existenzminimums bzw. Degression in den unteren Einkommensbereichen sind getarnte Formen der Steuerprogression. »Die finanzielle Gleichmachungspolitik«, so der Volkswirt Bruno Molitor »hat eine kommunistische Fiktion zur Voraussetzung, nämlich die, daß alle Einkommen letztlich staatliche Dotationen darstellen, über die nach politischen Maßgaben bestimmt werden kann, und daß alles Vermögen und alle wirtschaftlichen Positionen eigentlich unter dem Vorbehalt einer Art staatlichen Lehens stehen, das bei Bedarf und dann immer wieder für Interventionen verfügbar ist. Diese Fiktion widerspricht jedoch schlankweg der Moral, wie sie in den Grundrechten unserer Verfassung ihren Niederschlag gefunden hat. Man darf sich da nichts vormachen, zumindest in seinen sozio - psychischen Wirkungen hat uns der Mythos bereits dahin gebracht, daß sich die Beweislasten nahezu umkehren: Die überdurchschnittliche Einkommenshöhe wird scheel angesehen und bedarf der Rechtfertigung, nicht dagegen der stets hungrige Fiskus, der sie wegsteuert. Wer erfolgreich Vermögen bildet, darf kein gutes Gewissen haben. .... Es gibt gewichtige politische Gruppen, die an den Sätzen der geltenden Steuerprogression, die bekanntlich bereits die Masse der Einkommensbezieher trifft, nichts anderes auszusetzen finden, als daß sie zu niedrig seien. .... Wer Ergebnisgleichheit sicherstellen will, muß Zwang anwenden. ....Unternehmen, die Zugeständnisse in der Hoffnung machen, dann unbehelligt weiterproduzieren zu können, sehen sich ... bald einer neuen Runde von Forderungen gegenüber. Und so wird der Ring von Fesseln immer enger.« (Bruno Molitor, Der Sozialstaat auf dem Prüfstand, 1984, S. 11 f.)“ (Ebd., 2012, S. 444-445).

„Das Zusammenwirken von Steuerprogression einerseits und Steuererleichterungen oder direkten Zuzahlungen andererseits führt im Sozialstaat dazu, daß die ursprünglichen Einkommensunterschiede bei kinderreichen Familien nicht nur stark ausgeglichen, sondern sogar ins Gegenteil verkehrt werden.“ (Ebd., 2012, S. 445).

Einkommen
 
Krankheitstage

„1960 mußten die schwedischen Steuerzahler etwa 30% des in der Volkswirtschaft erarbeiteten Bruttosozialprodukts an Staat, Gemeinden und Sozialversicherungen abführen, 1970 dann bereits 41% und 1977 51% (vgl. Dorothea Strömberg, Krise des Wohlfahrtsstates - Beispiel Schweden, 1981, S. 8). Die Sozialleistungsquote betrug in Schweden 1960 11% (die deutsche im selben Jahr 21%),1993 dann 38% (die deutsche 28% und 2009 31% ). Die Folgen für Arbeitsmoral und Wirtsl;:haftskraft blieben nicht aus. Bei dem ursprünglich vierfachen Unterschied im Nominaleinkommen einer Familie mit zwei Kindern reduzierte sich 1981 nach der Besteuerung der Unterschied im verfügbaren Einkommen auf rund 25% (siehe Abbildung links bzw. ebd., 1981, S. 35).“ (Ebd., 2012, S. 446).

„Staaten der EU mit einer sehr kurzen demokratischen Tradition, wie die baltischen Republiken Estland (das ja sogar die Staatsfinanzen noch im Griff hat), Lettland und Litauen, aber auch Rumänien, Bulgarien und die Slowakei, hatten 2007 eine Sozialschutzquote von nicht höher als 16% des Bruttoinlandprodukts. Staaten, in denen sich die demokratischen Parteien schon seit Generationen in Versprechungen überbieten, hatten viel höhere Anteile: Frankreich 30,5%, Schweden 29,7% (das 2004 mit 32,9% an der Spitze lag).“ (Ebd., 2012, S. 446).

„Während sich bei den Geringverdienern durch Zuwendungen das Einkommen erhöht, wird es bei den höheren Gehaltsgruppen weggesteuert, so daß nur noch geringe Unterschiede bleiben.“ (Ebd., 2012, S. 446).

„Ebenso lehrreich ist die Entwicklung der durchschnittlichen Krankheitstage in Schweden:
Wie man sieht: Mit der Erhöhung des Krankengeldes stieg die Zahl der durchschnittlichen Krankheitstage. Statistiken mit dieser inhaltlichen Aussage lassen sich in allen Sozialstaaten finden, und die Aussage gilt für alle möglichen Umverteilungen. Werden Armenunterstützungen ausgezahlt, so erhöht sich die Anzahl der Armen; und erhöht man irgendwelche Unterstützungen, so wächst die Zahl der Unterstützungsempfänger. Zahlt man Wohngeldzuschüsse, so beginnt die Zahl der Anträge und der geforderten Beträge zu steigen. Es erhöht sich damit auch stets die Zahl der Wähler, die von Kürzungen oder Verbesserungen betroffen wären und damit der Anreiz für demokratische Parteien, mit Wahlversprechungen Aufmerksamkeit zu erregen (vgl. Hans-Olaf Henkel, Der Kampf um die Mitte, 2007). Zahlt man Kindergeld und Unterstützungen für Bedürftige und unehelich geborene Kinder, dann wächst die Zahl der Unterstützungsempfänger immer weiter. Die Paare heiraten auch gar nicht mehr, da sie ja dann die Unterstützungen für ihre formal unehelich geborenen gemeinsamen Kinder verlören. In der DDR führte das dazu, daß die Mehrzahl der Kinder als unehelich geboren galt, bis man versuchte umzusteuern.“ (Ebd., 2012, S. 446).

„»Das Streben nach Stimmenmaximierung treibt die Regierung dazu, die zahlenmäßig stärksten Gruppen von Einkommensempfängern - die Empfänger niedriger Einkommen - zu begünstigen. Daher zeigt sie die Tendenz ..., das Einkommen umzuverteilen, indem es der Gruppe mit höherem Einkommen entzogen wird. .... Je wirksamer die Demokratie praktisch wird, desto größer ist das Ausmaß der Regierungseingriffe in den normalen Ablauf der Wirtschaftsvorgänge«, hatte Downs schon 1957 in seiner klassischen Arbeit über »Die Ökonomische Theorie der Demokratie« erkannt. »Wer Macht erringen oder erhalten will«, so der Staatsrechtler Walter Schmitt Glaeser (in: Ders., Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes, 2008, S. 234 f.), »muß die Mehrheit der Wähler gewinnen, und die Mehrheit ist bei den Geringverdienern und Vermögenslosen, nicht bei den Besserverdienenden und Vermögenden zu holen, so daß jenen zu geben und diesen zu nehmen ist. Und weil jede politische Partei Mehrheiten und Macht will, übertrifft man sich gegenseitig bei den Geschenken, so daß die Kosten des Sozialstaats immer höher werden und schließlich explodieren. Man mag dieses Verhalten der Politiker verantwortungslos nennen, aber es ist auch nicht zu leugnen, daß es rational ist. .... Demokratische Politiker lieben es, fremden Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen und es an andere fremde Menschen zu verteilen.«“ (Ebd., 2012, S. 446-447).

„Der wachsende Bedarf an Umverteilung ist somit ein gesetzmäßiger Prozeß, dem sich auf die Dauer in der Industriegesellschaft kein Staat und keine Demokratie entziehen kann. Die Schweiz hatte 1913 eine Staatsquote von nur 2,7%, eine Zahl, die uns heute unfaßbar niedrig erscheint, die USA lagen damals sogar nur bei 1,8%; nach 1995 erreichte auch die Schweiz über 30%, während Deutschland schon bei über 50% lag (**|**|**|**|**). Gerd Habermann (1997) definierte den Wohlfahrtsstaat vor diesem Hintergrund als »eine politische Veranstaltung mit dem Ziel, die Gesamtheit der Staatsbürger mit ihren eigenen Mitteln von staatlichen Zahlungen abhängig zu machen«.“ (Ebd., 2012, S. 447).

„Erst in der Weimarer Republik, also in der Demokratie und eine Generation nach dem Umschlagpunkt der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, beginnen sich Wesen und Begriff des Wohlfahrtsstaates zu formen. In England und den skandinavischen Ländern meinte man, Vollbeschäftigung und Sicherheit der Arbeitsplätze könnten nur vom Staat garantiert werden. Man erwartete dort nach der Weltwirtschaftskrise 1929/’32, »daß es zu den Aufgaben des Staates gehöre, die industrielle Massengesellschaft wirtschaftlich und sozial zu gestalten, wirtschaftlich Schwache in Schutz zu nehmen und soziale Leistungen zu verteilen«, wie der Jurist Rudolf Zorn feststellte (in: Ders., Illusion und Wirklichkeit des Wohlfahrtsstaates, 1963), der dann weiter ausführte: »Die Minderbemittelten forderten vor allem, daß der Staat einen Mindestlebensstandard garantiere. .... Durch progressive Besteuerung müßten die Einkommen neu verteilt werden. Jeder Bürger sollte sicher sein, in Notfällen eine entsprechende Hilfe zu erhalten, gleichgültig, ob diese durch Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit oder andere Wechselfälle des Lebens nötig wäre, ... während die Wohnungssuchenden billige Wohnungen wünschten. .... Man war der Meinung, daß es eine veraltete Anschauung wäre, vom Staate nur die Aufrechterhaltung der Ordnung zu verlangen,. er müsse vor allem kollektive Leistungen für die Gesellschaft bringen, die jeden Bürger vor Not und Sorgen schützen sollten.« (Ebd., 2012, S. 448).

„Der tiefe Sinn des Bibelwortes des Apostels Paulus, der im 2. Brief an die Thessaloniker (3,10) schrieb »Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen«, entzog sich mehr und mehr dem Verständnis.“ (Ebd., 2012, S. 448).

„Wenn dem durchschnittlichen Facharbeiter in Deutschland gegenwärtig die Hälfte seines Einkommens für Umverteilungszwecke abgenommen wird, so wird ihm damit die Möglichkeit entzogen, selbst gegen die Standardrisiken von Einkommensverlusten durch Alter und Krankheit vorzusorgen. Der Angestellte, der heute etwa ein Fünftel seines Einkommens an die Bundesversicherungsanstalt zwangszahlen muß, hätte den Betrag vor 1880 für seine Zukunftsvorsorge kapitalisiert. Wenn sich heute ein Sozialminister der Höhe seines Budgets rühmt, weil es das weitaus höchste im Staatshaushalt ist, so ist das in etwa so, als wenn sich die Feuerwehr die Zahl ihrer Einsätze rühmte, dabei aber verschwiege, daß sie die Brände selber hat legen helfen. In einer Demokratie ist der Staat aber kein Abstraktum (vgl. Erwin K. Scheuch und Ute Scheuch, Cliquen, Klüngel und Karrieren, 1992). Die Gesetzgeber sind die Parteien, die sich mit Umverteilungsversprechen die Wählerstimmen erkaufen; und die Verursacher letztlich die Wähler, die dem Meistbietenden ihre Stimme geben. Die langfristigen Folgen werden nur von wenigen durchschaut, und die Stimmen der wenigen zählen wenig. Ein beträchtlicher Teil der zweiten Nachkriegsgeneration hat sich darauf verlassen, daß ihre Altersrente von anderer Leute Kinder bezahlt werden wird und man selbst keine Kinder mehr haben braucht oder höchstens eins. Der Sozialstaat zehrt auf diese Weise immer stärker von seiner Substanz.“ (Ebd., 2012, S. 448).

„Die Demokratisierung von Volk und Staat »zieht als letzte wirtschaftliche und soziale Konsequenz mehr oder weniger automatisch die wohlfahrtsstaatlichen Maßnahmen nach sich. Als Grundlage unserer Demokratie wird ... das Gleichheitsprinzip gepriesen. Es hat sich allerdings im Laufe der Zeiten erheblich gewandelt. Die Forderung nach Gleichheit hatte zu der Zeit, als sie das erste Mal erhoben wurde, lediglich die Gleichheit vor dem Gesetz und die Einräumung gleicher Chancen zum Inhalt. Heute ist sie zu einer sozialökonomischen Forderung geworden, die keine gesellschaftliche Gliederung, kein Oben und Unten mehr anerkennen will. ....
Auch die modernen Regierungsmethoden ... fördern die wohlfahrtsstaatlichen übertreibungen. .... Zu den verfassungsmäßigen Gewalten hat sich im Laufe der letzten Jahre eine neue Macht gesellt, nämlich die Volksmeinung, die durch die Meinungsforschungsinstutute festgestellt wird (oder durch die Massenmedien artikuliert wird). Die politischen Entscheidungen richten sich in den meisten modernen Staaten weitgehend nach derern Feststellungen. .... Die Demoskopen (und Journalisten) stellen auch fest, welche Wahlgeschenke den größtmöglichen Nutzen bringen und an welche Adresse sie geleitet werden müssen. Der hat am meisten Chancen, an der Macht zu bleiben oder sie zu erobern, der die Wähler am besten zu beeinflussen versteht. .... Die oppositionelle Kritik beschränkt sich im wesentlichen auf Versprechungen, die Leistungen der Regierungen zu übertreffen. Die Parlamente in ihrer Gesamtheit zügeln die Ausgabefreudigkeit der Regierungen nicht mehr, sie bestärken sie vielmehr darin und treiben sie vorwärts. Da die Abgeordneten ja schließlich wiedergewwählt werden wollen, wirken sie meist nur als Motor der Wohlfahrtspolitik.« (Rudolf Zorn, Illusion und Wirklichkeit des Wohlfahrtsstaates, 1963).“ (Ebd., 2012, S. 448-449).

Konrad und Zschäpitz fassen das in einem Satz zusammen: »Vor der Wahl polieren dann die Politiker ihr Image durch höhere schuldenfinanzierte Ausgaben.« (Kai A. Konrad & Holger Zschäpitz, Schulden ohne Sühne, 2010))“ (Ebd., 2012, S. 450).

„Bühl führt dazu aus: »Die weitgehende Ausrichtung der Politik auf die Massenmedien und die Funktionsweise der Massenmedien -mit ihrer schnellen Verbreitungsgeschwindigkeit, aber auch der Trivialisierung der Politik zum Spektakel- machen die Politik zu einer Art Massenbewegung oder auch Modeerscheinung, in der Stimmungen und Werturteile dominieren. ...Der Wahlzyklusscheint in dieser Massenpolitik noch der Zyklus der längsten Dauer zu sein. Für einen demokratisch regierten Staat mit periodisch wiederkehrenden Wahlen und instabilen Mehrheitsverhältnissen gibt es kaum einen anderen Weg als den in ein System der permanenten Staatsverschuldung. .... Die Politiker haben keine Mittel in der Hand, in guten Jahren einen Abbau der Schulden herbeizuführen und Rücklagen zu bilden. Im Gegenteil wird eine längerfristige und den Wirtschaftszyklen angepaßte Wirtschaftspolitik den relativ kurzfrisligen Wahlzyklen untergeordnet. .... Die Inflation ist die Krankheit der wohlfahrtsstaatlich organisierten Demokratie.« (Walter Ludwig Bühl, Ökologische Knappheit, 1981, S. 160 f.).“ (Ebd., 2012, S. 450).

„Und Schmitt Glaeser dazu: »Steigen die Beitragssätze, ist es rational, noch mehr Sozialkosten nachzufragen, weil auf diese Weise oft mehr hereingeholt werden kann, als mehr an Beiträgen bezahlt werden muß. Selbst höhere Beiträge können also den Verbrauch nicht drosseln, sondern führen im Gegenteil zu einer verstärkten Nachfrage sozialer Leistungen. .... Der Sozialstaat muß das Geld, das er den einen zukommen läßt, den anderen wegnehmen. Das geschieht hauptsächlich über Abgaben und Steuern, vornehmlich über die progressive Besteuerung der mittleren und höheren Einkommen, seit einigen Jahrzehnten auch über Schulden, die inzwischen so hoch geworden sind, daß der Schuldendienst den Staatshaushalt zu erdrücken droht. Selbstverständlich muß auch der Schuldendienst und ebenso die Schuldenrückzahlung (irgendwann) wiederum in erster Linie von den Besserverdienenden aufgebracht werden. Je mehr der Staat zum Umverteilungsstaat ... wird, desto mehr (direkte und indirekte) Steuern braucht der Staat und desto höher muß auch die Progression der Besteuerung angesetzt werden. .... 2003 zahlten (in Deutschland) ... die oberen 20 Prozent ( ab 48.960 Euro Einkommen) knapp 70 Prozent der gesamten Einkommenssteuer.« (Walter Schmitt Glaeser, Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes, 2008, S. 239 ff.). Es gilt also auch hier annähernd die Pareto-Regel.“ (Ebd., 2012, S. 450-451).

»Einen ernsthaften Versuch, die Widersprüche innerhalb des Systems der sozialen Leistungen zu beseitigen und die Ausgabendynamik des Wohlfahrtsstaates mit der sinkenden Ertragskraft ... der Wirtschaft in Einklang zu bringen, hat bisher noch keine Regierung unternommen«, konnte Michael Jungblut noch 1983 feststellen. Er sah aber damals schon weiter: »Der moderne Sozialstaat droht zur Plage der Nation zu werden und sich selbst wieder zu zerstören. .... Jedesmal, wenn sich herausstellte, daß zwischen Ausgaben und Einnahmen eine anders nicht zu überbrückende Kluft entsteht, setzten die ... von den Lobbyisten hart bedrängten Politiker den Rotstift da an, wo sie die schwächste Interessevertretung vermuten ... - bei den Rentnern oder gar beim Taschengeld für Altersschwache und bettlägerige Bewohner von Pflegeheimen. .... Nicht der Widersinn, die Unzweckmäßigkeit oder fehlerhafte Gestaltung bestehender sozialer Leistungen, sondern der geringste politische Widerstand wird so in fast allen europäischen Ländern immer wieder zum Kriterium einer von leeren Kassen diktierten ›Reformpolitik‹.« (Michael Jungblut, Der Wohlstand entläßt seine Kinder, 1983, S. 168 f.).“ (Ebd., 2012, S. 450-451).

„Einige Leser könnten meinen, bei den zitierten Äußerungen über die drohende Selbstzerstörung des Sozialstaats handele es sich um Außenseitermeinungen, die der Verfasser mit Eifer zusammengetragen hat, um seine Einsicht oder Vorahnung zu stützen, wir befänden uns auf einem geradezu naturgesetzlichen Weg (vgl. Peter Mersch, Ich beginne zu glauben, daß es wieder Krieg geben wird, 2011) ins Große Chaos. Lassen wir deshalb mit Manfred G. Schmidt (geboren 1948) noch einmal einen gestandenen Professor für Politikwissenschaft zu Wort kommen, der zweifellos zu den angesehensten Persönlichkeiten seines Faches gehört, noch dazu in Sachen Sozialstaat. Schmidt geht »von der sehr starken Nachfrage nach sozialer Sicherheit auf Seiten eines Großteils der Bevölkerung aus. Infolge der demographischen Entwicklung, insbesondere der Alterung der Gesellschaft und anhaltend hoher Arbeitslosigkeit, wird diese Nachfrage auch in der Zukunft in den meisten oder allen fortgeschrittenen Wohlfahrtsstaaten stark bleiben. Demokratische Institutionen stärken diese Nachfrage, insbesondere der Parteienwettbewerb, die Dauerbeobachtung der Politik durch die Medien und die häufigen Wahlen, bei denen Regierung und Opposition gleichermaßen danach streben, mit der Sozialpolitik einen möglichst großen Ertrag in Form von Wählerstimmen zu erzielen. Das ist eine lohnende Strategie, weil die Wohlfahrtsstaatsklientel eine der größten Gruppen auf dem Wählerstimmenmarkt ist. Die Schätzungen ihrer Größe variieren, doch kann man davon ausgehen, daß rund 30 bis 50 Prozent der Wählerschaft in den westlichen Industrieländern mittlerweile den größten Teil ihres Einkommens aus Sozialleistungen oder aus der Beschäftigung im Wohlfahrtsstaat bestreiten und deshalb elementar an der Beibehaltung oder dem Ausbau der Sozialpolitik interessiert sind.« (Manfred G. Schmidt, Wirkungen der Sozialpolitik, 2007, S. 420). In unaufgeregten Worten hätten wir damit noch einmal eine Aussage, die die weiter oben zitierten Meinungsäußerungen unterstützt.“ (Ebd., 2012, S. 451).

„Es gab ja bereits vor der Einführung des Euros Stimmen, die warnten, die Gemeinschaftswährung müsse bereits mittelfristig wegen der unterschiedlichen Sozial- und Steuerpolitik der Mitgliedsstaaten scheitern. Denn ein Mitgliedsland »profitiert vom Umverteilungsprozeß, wenn es schneller inflationiert, d.h., wenn es höhere Defizite hat als andere«. Auf diese Weise »tendiert das System zur Selbstsprengung« (Philipp Bagus, Die Tragödie des Euros, 2011, S164). Bei wirtschaftsschwachen Staaten, die sich in den ersten Jahren der Gemeinschaftswährung Vorteile verschafft haben, zweifeln inzwischen nicht nur die Rating-Agenturen, ob die Staatsschulden je zurückzahlbar sind. Die betroffenen Staaten drängen auf immer mehr Umverteilung, diesmal von den wirtschaftsstarken oder wenig verschuldeten Ländern auf die tiefverschuldeten Länder. Als Folge der europäischen Schuldenkrise gehen inzwischen die Beschneidungen des Sozialstaats, die einige Regierungen beschließen müssen, schon ans Eingemachte. Am Wettbewerb der Parteien um die Gunst der Wähler, jetzt aber nur noch um die Einschnitte, die bestimmte Schichten am wenigsten treffen, ändert das erst einmal nichts. Wenn aber alle Parteien und alle Regierungen nur noch Verschlimmbesserungen anzubieten haben, hat irgendwann ihre letzte Stunde geschlagen. Wann ist eine revolutionäre Situation herangereift? Das war die Standardfrage meiner Geschichtslehrer in der DDR. Wenn die Not der Massen über das bis dahin bekannte und erträgliche Maß angestiegen ist, mußte und wußte ich dann zu antworten. Diese Lektion scheint haftengeblieben zu sein.“ (Ebd., 2012, S. 451-452).

„Die Ausweitung der Abiturienten- und Studentenzahlen hat noch ganz andere Folgen, auf die wir bisher noch nicht eingegangen sind. Der Prozentanteil der Hochintelligenten überschreitet in den Industrieländern kaum die Fünfprozentmarke, wie vorn belegt worden ist (siehe S. 220). Solange der Anteil der Abiturienten und Studenten an der Bevölkerung nicht die Zehnprozentmarke übersteigt, stellen die Hochintelligenten bei Abiturienten und Studenten die Mehrheit. Nach 1960 ist der Anteil der Abiturienten an einem Jahrgang aber auf 20% und heute auf 40% angestiegen. Die Hochintelligenten sind damit unter den formal Gebildeten zu einer Minderheit geworden. Nach ihrem Abitur studieren die Hochintelligenten bevorzugt Naturwissenschaften und technische Fächer (und Mathematik [einschließlich Informatik] HB) oder werden in der Wirtschaft tätig. In ihrem Tagesablauf stehen sie oft unter einem starken Leistungsdruck. Viele sind zwar politisch interessiert, aber Zeit zu aktivem politischem Engagement verbleibt den meisten kaum. Ein solches Engagement erscheint ihnen auch nicht besonders attraktiv. Denn das Feld ist bereits besetzt. Von wem? Von denen, die aus ihrer Altersgruppe Geistes- oder Sozialwissenschaften studiert haben und in der Schule nicht zu den Besten gehört haben.“ (Ebd., 2012, S. 452).

„Machen Sie die Erfahrung und versuchen Sie bitte doch einmal in der deutschsprachigen Wikipedia für politisch strittige Themen, wie sie von Sarrazin (2010) angesprochen worden sind, eine ausgewogene Darstellung zu schreiben! Nach kurzer Zeit werden Sie feststellen müssen, daß Sie nie die Zeit aufbringen können, um gegen die Mehrheit recht dummer Beiträge und Beiträger, gegen den »digitalen Maoismus«, einen in der Sache zutreffenden Text durchzusetzen. Man wird ihren Beitrag todsicher löschen, Sie bei stärkerem Widerstand wegen »Vandalismus« verteufeln und sperren. »Verdampfen« nannte das Orwell.“ (Ebd., 2012, S. 452).

„Der gleiche Mechanismus beherrscht aber auch die Medienlandschaft insgesamt! »Wir haben seit den späten 1960er Jahren immer eine deutliche linke Mehrheit unter den Journalisten«, bestätigt der Kommunikationsforscher Hans M. Kepplinger und schreibt weiter: »Ahnliche Ergebnisse liegen aus Amerika vor: Das hat im wesentlichen zwei Ursachen: Die eine Ursache ist die Selbstselektion im Journalismus. Junge Linke wollen eher in den Journalismus und verwandte Berufe, junge Rechte wollen eher in die Wirtschaft. Von daher gibt es einen Drang von jungen begabten Linken in die Medien. Und die Medien nehmen sie natürlich auch deshalb gerne, weil sie schon links sind und halten sie aus dem gleichen Grund für besonders entwicklungsfähig. Der zweite Grund besteht darin, daß die Mehrheit der Menschen, die sich für Politik intensiv interessieren, linksliberale Meinungen hat. Das sind die Jüngeren, die Hochgebildeten, die in den Großstädten Lebenden. Der Markt der politisch relevanten Medien bietet im linken Meinungsspektrum mehr Chancen. Das zeigt sich daran, daß die meisten großen überregionalen Tageszeitungen auf dem linken Spektrum lokalisiert sind. Auch das ist international so. Beide Faktoren, auf der einen Seite der Drang der jungen Linken in die Medien, auf der anderen Seite die größeren Marktchancen linker Medien, führt zu einer relativ stabilen linken Mehrheit unter Journalisten.« (Hans M. Kepplinger, Die grünen Medienlieblinge, 2011).“ (Ebd., 2012, S. 452).

„Unter den heute formal Gebildeten, den »Akademikern« der heute beruflich aktiven Generation, stellen die Hochintelligenten in allen hochentwickelten Industrieländern nur noch eine Minderheit. Die Mehrheit stellen die Mittelmäßigen, formal jedoch Hochgebildeten, die zum Teil schlecht bezahlt und unterbeschäftigt sind, am Tropf der Förderprogramme hängen oder völlig arbeitslos sind und das Intelligenzproletariat bilden, das die Umverteilung und die Zerstörung des kapitalistischen Systems auf seine Fahnen geschrieben hat. An den geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten werden Zehntausende Soziologen, Psychologen, Historiker usw. zu »Intellektuellen« ausgebildet, während in den naturwissenschaftlichen, technischen und ingenieurwissenschaftlichen Fächern die Zahl der Studenten sinkt. Während in diesen volkswirtschaftlich wichtigen Fächern der prozentuale Anteil derjenigen, die in der Lage sind, ein derart anspruchsvolles Studium erfolgreich abzuschließen, geringer wird, erhöhen die geisteswissenschaftlichen Disziplinen ihre Studentenzahlen Jahr für Jahr. Und sogar der Notendurchschnitt der Studenten wird ständig besser, da die geistigen Anforderungen für eine sehr gute Note ständig heruntergeschraubt werden, ihre Professoren sich aber dadurch einbilden können, auch jedes Jahr besser zu werden. Was sie aber in Wirklichkeit lehren und ihre Studenten studieren, ist ihre Massenarbeitslosigkeit. Dafür hassen die Intellektuellen die kapitalistische Gesellschaft, die Unternehmer, die Ingenieure und Erfinder und mißtrauen ihnen, und erdenken sich ihrerseits immer neue Visionen einer idealen Gesellschaft, in der alle Menschen zwar gleich sind, die Denker, die selbst nicht produzieren und erfinden, jedoch die Macht haben. Daß diese Gesellschaften bisher immer totalitäre waren, stört die Intellektuellen dabei nicht. Um der aktuellen Arbeitslosigkeit zu entgehen, müssen die Intellektuellen - gemeinsam mit der ebenfalls wachsenden Zahl von Juristen - sich immer neue gesellschaftliche Aufgaben ausdenken, mit der sie dem produktiven Sektor knebeln und Mittel entziehen. Neben der Bewältigung der Vergangenheit, der Kontrolle der politischen Korrektheit, der Erforschung des Friedens und aller psychischen Probleme sind es nicht nur die Gefahren der Gentechnik, sondern die Gefahren jedweder Technik und Veränderung, die nach der Gründung von Vereinen, Stiftungen, Kommissionen und Lehrstühlen rufen, die sich gegenseitig in ihrer Wichtigkeit als Bedenkenträger bestätigen. Besonders begehrt sind Dauerarbeitsplätze im öffentlichen Dienst und Abgeordnetenmandate. Von dort aus läßt sich die bürokratische Hemmung jedweden unternehmerischen und wissenschaftlichen Fortschritts am besten betreiben. Nur der Kapitalismus kann sich bisher leisten, ein akademisches Proletariat in wachsender Zahl auszubilden, stellt Baader (in: Ders., Totgedacht, 2002) richtig fest. Aber wie lange noch, ohne daß die gesamtwirtschaftlichen Schäden dieser Entwicklung offensichtlich sind und kaum noch zu reparieren, fragt sich der Leser. .... Denn die Zahl der Studenten pro Professor wird immer größer, weil eben auch das nicht mehr wie bisher vom produktiven Sektor bezahlt werden kann. Und die Hälfte dieser Akademikerinnen bleibt kinderlos, und verläßt sich auch in diesem Punkt auf die anderen. Diese Intellektuellen und die von ihnen beherrschten Medien treiben die Parteien und mit ihnen die Mehrheit des Volkes vor sich her. Sie sind fester Bestandteil des Regulationskreislaufs, des Umschaltens der Evolution auf negative Selektion, der die demokratischen Systeme der Industriestaaten ins Große Chaos treibt. Es ist kein Mittel erkennbar, wie dem beizukommen wäre. Elitäre Schulbildung und elitäres Studium nach reinen Leistungskriterien? Das kann man nirgendwo politisch durchsetzen, der Zug ist schon vor Generationen abgefahren. Die Zahl der Eltern und damit die Zahl der Wähler, deren Kinder eher mittelmäßig sind, aber dennoch zum Abitur und zu einem studium drängen, ist fünf- bis zehnmal höher als die Zahl der Eltern mit hochintelligenten Kindern. Allein daraus ergibt sich, daß die Entwertung der Bildungsgrade in einer Demokratie auf die Dauer durch nichts aufzuhalten ist. Wenn alle Abitur haben, hat keinermehr Abitur. Der Vorgang ist somit ein wesentlicher Teil des SelbstzerstÖrungsmechanismus, der den Kreislauf der politischen Verfassung vorantreibt (vgl. Eckart Knaul, Das biologische Massenwirkungsgesetz, 1985).“ (Ebd., 2012, S. 452-453).

„An dem Tag, an dem ich diese Zeilen schreibe, melden die Nachrichten aus Thüringen die neuesten Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD: längere gemeinsame Schulzeit aller Schüler, ehe der Wechsel aufs Gymnasium möglich wird; gemeinsame erste Schuljahre ohne Zensuren und mit wahlweiser Versetzung in eine höhere Klassestufe; kein Sitzenbleiben in bestimmten Klassenstufen mehr usw. Auf diese Weise läßt die bürgerliche Leistungsgesellschaft Schritt für Schritt ihre Zerstörung zu. Es gibt keine Partei mehr, die es wagt, den Vorgang offen beim Namen zu nennen, denn die Zahl der Wähler mit hochintelligenten Kindern ist eine wahlarithmetisch verschwindende Größe. Ohne viel Aufheben versucht man in Bayern und Sachsen noch gegenzusteuern - noch. Denn kein Koalitionspartner läßt es sich nehmen, auf »Fortschritte« in der Bildungspolitik zu drängen.“ (Ebd., 2012, S. 453).

„Man könnte meinen, daß die Hochintelligenten trotz ihrer geringen Zahl durch ihre Berufe, ihre Stellungen und ihren Einfluß Gelegenheit hätten, wirksam für bürgerliche Werte einzutreten. Gewiß, das war einmal so, vor 1960. Doch nur ein Teil der Hochintelligenten ist politisch engagiert, viele sind desinteressiert oder entmutigt und alle Kinder der Gesellschaft, in der sie leben und damit den Massenmedien und den herrschenden Mehrheitsmeinungen ausgesetzt. Modern und fortschrittlich zu sein, ist »schick« und »geil«. Und wer hat schon das Rückgrat, anders sein zu wollen? Zu widersprechen, wenn gerade ein linksliberaler Homosexueller meint, er wisse über die Zukunftsthemen am besten Bescheid?“ (Ebd., 2012, S. 454).

„Wenn man eigene intelligente Kinder hat, dann zieht man in ein Wohngebiet - wenn man nicht schon längst da wohnt -, wo die Schulbedingungen noch gut oder sehr gut sind. Eine Gemeinschaftsschule in einem Wohnviertel mit hohem Durchschnittseinkommen, das kann eine sehr feine Sache sein. Die Schule kann sich dort auch nennen, wie sie will. In anderen Wohnvierteln und Schulen werden die Lehrer desto häufiger Patienten der Psychiater sein. Die auszubildenden Betriebe werden immer häufiger die Hände ringen, da ja schon für qualifizierte Facharbeiterberufe geeignete Bewerber immer mehr zur Mangelware werden. Doch der Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Die Käufer des Sarrazin-Buches (2010) sind - sofern sie im Inhalt Resonanz auf eigene Gedanken und Befürchtungen finden - trotz ihrer großen Zahl eine Minderheit unterhalb jeder Fünfprozenthürde, und sie werden demzufolge durch keine etablierte politische Partei vertreten. Das Buch wird deswegen schon auf mittlere Sicht nicht mehr als eine Fußnote der politischen Geistesgeschichte bleiben.“ (Ebd., 2012, S. 454).

»Nach der letzten Repräsentativbefragung unter deutschen Journalisten«, so noch einmal Kepplinge, »bekennen sich 34 Prozent zu Bündnis 90/Die Grünen, weitere 25 Prozent zur SPD. Das sind also weit über 50 Prozent. Nur der Vollständigkeit halber: acht Prozent fühlen sich der CDU/CSU nahe, sechs Prozent der FDP. Wenn man diese Zahlen als Basis nimmt, kann man davon ausgehen, daß mehr als dieHälfte der Journalisten Präferenzen für eine rot-grüne Koalition hat. Und ein erheblicher Teil der angesprochenen Journalisten hat die Chance ergriffen, die das Erdbeben und der Tsunami geliefert hat, um die Kernenergierisiken auch deshalb hochzuspielen, weil es den Grünen nutzt. .... Was ist zuerst da, der Wertewandel oder der Wandel des Medientenors? Beides bedingt sich gegenseitig. Aber soweit man hier Ursache und Wirkung trennen kann, zeigen unsere über viele Jahrzehnte laufenden Vergleiche zwischen dem Tenor der Medienberichterstattung und der Entwicklung der Bevölkerungsmeinung, daß der Tenor der Medienberichterstattung in der Regel ein bis drei Jahre dem Meinungswandel in der Bevölkerung vorausläuft. Mir ist auch aus der internationalen Forschung kein Fall bekannt, in dem der Meinungswandel der Bevölkerung dem Tenor der Medienberichterstattung vorausgelaufen ist. Das deutet darauf hin, daß der Wandel in den Einstellungen, Meinungen, Sichtweisen der Bevölkerung nicht alleine, aber doch wesentlich durch die Medien verursacht wird. Das aktuellste Beispiel ist zweifellos die Entwicklung der Meinungen zur Kernenergie. Die deutschen Medien haben die Kernenergie Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre sehr positiv dargestellt. Danach wurde die Darstellung immer negativer. Hierbei sind die Meinungen der Journalisten, die in der Berichterstattung deutlich wurden, den Meinungen der Politiker vorangegangen, die in der Berichterstattung zu Wort kamen. Der Tendenzwandel der Medienberichterstattung ist wiederum ungefähr zwei bis drei Jahre dem Meinungswandel in der Bevölkerung vorangegangen. Die Bevölkerungsmeinung ist dem Medientenor gefolgt, der von einem Meinungswandel im Journalismus initiiert war.« (Hans M. Kepplinger, Die grünen Medienlieblinge, 2011).“ (Ebd., 2012, S. 454-455).

„Mit einem ins Unvernünftige gesteigerten Druck auf die Energiepolitik und damit die Energiepreise wird ein hochentwickelter Industriestaat ins Mark getroffen. Diese Wechselwirkung zwischen Intelligenzproletariat, Massenmedien und Parteien ist Teil des Selbstzerstörungsprozesses, in dem die Dummheit der Halbintelligenten schon seit langem die Regie führt. In allen demokratischen Sozialstaaten, d.h. in allen Umverteilungsstaaten, vollzieht sich eine ähnliche Wechselwirkung zwischen Wahlvolk, Intelligenzproletariat, Berufspolitik und Massenmedien. Was hier mit deutscher Politik (vgl. Hans-Olaf Henkel, Der Kampf um die Mitte, 2007) belegt worden ist, dafür ließen sich ebenso Zitate aus Frankreich, Großbritannien, Spanien, Griechenland und anderswo finden. Die Verschuldungskrise der Staaten schreitet mit der ihr innewohnenden Beschleunigung fast überall und unaufhaltsam voran und droht bekanntlich schon längst, jeder politischen Kontrolle zu entgleiten. Seit etwa 1980 ist jedoch die Sozialleistungsquote der europäischen Industrieländer bemerkenswert stabil oder zeigt eine leichte Zunahme, verursacht durch die Kosten der hohen Arbeitslosigkeit. Selbst in ihrem Programm anti-wohlfahrtsstaatlich eingestellte Parteien sehen sich gezwungen, soziale Wohltaten zu verteilen, wenn sie ihre Wahlchancen wahren wollen. Auch nach einem Regierungswechsel lassen sich höchstens 5% der Staatsausgaben umschichten, so starr und beständig ist inzwischen der wohlfahrtsstaatliche Rahmen aller Politik. Aber irgendwann folgen Zusammenbruchs-Vorszenarien mit stärkeren Einsparungen, wie sie 2010 schon in Griechenland, Irland und Portugal auf der Tagesordnung stehen. Und die Seuche wird weiter um sich greifen, wer zweifelt noch daran?“ (Ebd., 2012, S. 455).

„Michael N. Ebertz formulierte das in dem Sammelband »Endzeitfieber« so: »Die Eigendynamik der Sozialstaatsentwicklung scheint sogar dahin zu wirken, ihre eigenen Voraussetzungen aufzubrauchen und sozusagen eine Art Selbsttötungsmechanismus zu aktivieren: So trug die Entfaltung des Sozialstaats (Krankenversicherung,. Rentenversicherung) selbst zu demographischen und sozialen Verschiebungen bei (Erhöhung der durchschnittlichen Lebensdauer; Rückläufigkeit der Geburten; Individualisierung). Diese wiederum untergraben die Bedingungen der Fortsetzung einer Sozialpolitik erster Ordnung, ja die Voraussetzungen der bestehenden sozialen Sicherungssysteme. Stehen wir vor einer Krise des Rechts- und Sozialstaats? Kann der Staat die Gewährleistung der von ihm verwalteten Güter ... noch garantieren? Selbst nüchterne Soziologen weisen darauf hin, daß das gegenwärtige Unvermögen der Politik einer Entwicklung Vorschub leistet, in deren Verlauf die konstruktiven Potentiale des Wertewandels blockiert und seine destruktiven verstärkt werden. Und die Frage gewinnt an Brisanz, was die moderne Gesellschaft überhaupt noch zusammenhält bzw. in Zukunft zusammenhalten kann.« (Michael N. Ebertz, Anfällig für apokalyptische Rufer?, 1997, a.a.O. S. 198).“ (Ebd., 2012, S. 455).

„Der Historiker Wolfgang Reinhard, der sich tiefgründig mit der Entwicklung der verfassungsgeschichte der modernen Staaten befaßt hat, hat daraus die unvermeidlichen Schlußfolgerungen gezogen: »Der demokratische Sozialstaat erweckt zwar mit seiner Allzuständigkeit immer noch den Eindruck von Stärke, ist aber im Hinblick auf seinen Handlungsspielraum längst zum schwachen Staat geworden. Er wurde zum Opfer der Anspruchsdynamik der von ihm selbst geschaffenen sozialpolitischen Besitzstände und der Verschuldungsdynamik. .... Unter diesen Umständen ist der Sozialstaat in seiner hergebrachten Form am Ende. .... Weltweit ist wegen des allgemeinen Überangebots an Arbeitskraft unter den Bedingungen eines enthemmten Kapitalismus eine in neuer Weise polarisierte Gesellschaft zu erwarten. Ein Teil der Bevölkerung, der in der jeweils gerade gefragten Weise qualifiziert ist, wird in Reichtum und Luxus leben. Dem Rest bleibt die Wahl zwischen planmäßig ausgeweiteter Niedriglohnarbeit und Arbeitslosigkeit .... Das politische Problem wird binnenstaatlich im Zahlenverhältnis der beiden Gruppen bestehen. Eine Zweidrittelgesellschaft von Reichen und einigermaßen Wohlhabenden hätte die Mehrheit und könnte bei der Demokratie bleiben. In einer Gesellschaft mit zwei Dritteln Armen hingegen würde Demokratie die rücksichtslose Bereicherung gefährden, sie müßte zu einem autoritären Regime oder Schlimmerem übergehen. Weitsichtige Strategen rüsten bereits für neuartige Konflikte, die der ›Planet der Slums‹ hervorbringen wird. .... Die Ausgestoßenen haben die Götter des Chaos auf ihrer Seite.« (Wolfgang Reinhard, Geschichte des modernen Staates, 2007; 114 ff.). Mit seinen Einsichten und diesem düsteren Schlußsatz steht der Verfasser keineswegs allein auf weiter Flur (zum Beispiel Schmölders im selben Sinne schon 1983). Der kritische Beobachter der tagespolitischen Meldungen fürchtet, ihm recht geben zu müssen.“ (Ebd., 2012, S. 456).

„Es gibt vereinzelt durchaus Politiker, die den Teufelskreis durchschauen und ihn durchbrechen möchten, Männer und Frauen gegen die Zeit. Sie haben aber keine Chance, sich dauerhaft durchzusetzen. Die Transformation der Gesellschaft ist ein unaufhaltsamer politischer Prozeß, in dem alle Schlagwörter-Säkularisierung, Modernisierung, Globalisierung, Feminismus u.s.w. u.s.f. - ihren richtigen Platz haben, mit denen die Gesellschaft unentrinnbar ihrem Ziel zuzustreben scheint: dem Großen Chaos.“ (Ebd., 2012, S. 456).

„Es ist dabei keinesfalls die Frauenerwerbstätigkeit an sich, die mit zur Zerstörung der Gesellschaft beiträgt. Von alters her trugen die Frauen der Bauern und Handwerker nach Kräften zum Familienerwerb bei, tauchten aber in keiner Erwerbsstatistik auf. Die Industrie trennte jedoch für die Mehrzahl der Menschen Arbeitsplatz und Familie und macht für die meisten Frauen eine sinnvolle Verbindung von Kleinkinderbetreuung und beruflicher Arbeit schwer oder unmöglich.“ (Ebd., 2012, S. 456).

„Einer der herausragenden Markierungspunkte im Kreislauf der Verfassungen ist die Einführung des Frauenwahlrechts. Der Liberale Robert von Mohl bemerkte noch 1874: »Der völlige Ausschluss des weiblichen Geschlechts kann selbst bei Solchen, welche die Theilnahme an staatlichen Wahlen als ein natürliches Recht ansehen, kaum einem verständigen Zweifel begegnen. Auch sie müssen einsehen, daß ein Hereinziehen der Weiber in das politische Leben gegen deren Natur ist und von den verderblichsten Folgen für alle wäre.« (Robert von Mohl, Über Staatsdienstprüfungen, 1874, S. 539). Im Eisenacher Programm 1869 der Sozialdemokraten wird das Frauenwahlrecht nicht erwähnt. Als August Bebel es 1875 beim Gothaer Kongreß beantragte, wurde er überstimmt. Erst 1891 änderte sich das; 1918 und 1919 wurde in Österreich und in Deutschland das allgemeine Wahlrecht auf Frauen ausgedehnt. Die Schweiz folgte erst 1971. Auch heute noch haben Frauen in Saudi-Arabien, Brunei und Bhutan kein Stimmrecht. Wenn sich mit den Kinderzahlen pro Frau der Entwicklungsstand einer Gesellschaft kennzeichnen läßt, dann ebenso durch die Zusammenhänge mit Frauenerwerbstätigkeit und Frauenstimmrecht.“ (Ebd., 2012, S. 456-457).

„In den demokratischen Massengesellschaften ist das Funktionieren des politischen Apparats nicht wesentlich verschieden von den Vorgängen auf dem Warenmarkt. Die Massen hören auf die Reklametrommeln, und Tatsachen bedeuten wenig im Vergleich zu dem suggestiven Lärm, mit dem gehämmert wird. Die Parteien stellen für die Wahlkämpfe Manager ein, die in der Wirtschaft gelernt haben, wie man die Massen dazu bringt, alles zu kaufen, für dessen Reklame genügend Geld vorhanden ist. Diese Manager benutzen das Fernsehen, um das Bild eines politischen Führers in der gleichen Art populär zu machen, wie sie ein Waschmittellancieren. Worauf es ankommt, ist wirksamer Dummenfang, indem irgendeine Umverteilung in Aussicht gestellt wird, nicht aber die Vernünftigkeit oder gar langfristige Nützlichkeit. Bei demokratischen Wahlen sinkt der Durchschnittsbürger in ruhigen Jahren auf ein geistiges Niveau herab, das noch niedriger ist als sein sonst schon niedriges. Der Bürger gibt seine Stimme ab, und er soll in der Illusion leben, er sei der Urheber von Entscheidungen, während sie in Wahrheit weitgehend von Kräften bestimmt werden, die sich seiner Kontrolle und seiner Kenntnis zunehmend entziehen. Kein Wunder, daß sich in politischen Dingen ein tiefes Gefühl der Ohnmacht des Durchschnittsbürgers bemächtigt. Sobald sich jedoch eine Gelegenheit ergibt, wählt der Wutbürger Protest. Wenn eine Protestpartei die Fünfprozenthürde überspringt, dann stellt sie in einem deutschen Bundesland einen unfähigen Haufen völlig überforderter Abgeordneter, die - von ihrer Wahl überrascht - weder über die Kenntnisse noch die Persönlichkeit verfügen, irgend etwas dauerhaft zu verändern, und die in der Regel schon bei der nächsten Wahl wieder von der politischen Bühne verschwunden sind.“ (Ebd., 2012, S. 457).

„Joseph A. Schumpeter (1883-1950) äußerte sich dazu schon 1942 in seinem Hauptwerk »Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie«: »Die Art und Weise wie Probleme des öffentlichen Lebens und der Volkswille manipuliert werden, ist den Methoden der geschäftlichen Reklame völlig gleich. Wir finden dieselben Versuche, das Unterbewußtsein zu erreichen. Wir erkennen die gleiche Technik, günstige und ungünstige Assoziationen zu schaffen, die um so wirksamer sind, je weniger rational die Begründung ist. Wir beobachten dasselbe Ausweichen und Verschweigen und den gleichen Trick, durch die Wiederholung von Behauptungen eine bestimmte Meinung herzustellen, der genau in dem Maße erfolgreich ist, als er rationale Argumente vermeidet und die kritische Urteilskraft einschläfert. Und so fort. .... Die demokratische Methode besteht in denjenigen institutionellen Vorkehrungen zur Erreichung politischer Entscheidungen, dank welchen gewisseJ Personen mittels des Konkurrenzkampfes um die Stimmen der Wähler die Macht erhalten, Entscheidungen zu treffen.« (Joseph A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1940).“ (Ebd., 2012, S. 457).

„Wenn man die Ergebnisse der Arbeitsgruppe betrachtet, die sich damit befaßt hat, die Entwicklung der westlichen Wohlfahrtsstaaten zu vergleichen, dann kann man sich dem Schluß nicht entziehen, daß es sich um einen gesetzmäßigen Ablauf handelt, bei dem ein Schritt früher oder später den anderen nach sich zieht, sich aber sowohl die Handelnden als auch die das Geschehen untersuchenden Wissenschaftler im unklaren sind, worauf das alles hinauslaufen soll. Das übergreifende Stichwort lautet »Modernisierung«, mit dem der Glaube an den linearen sozialen Fortschritt eine Bezeichnung bekommen hat.“ (Ebd., 2012, S. 457).

„Ein funktionierender Staat verlangt die Erhebung von Steuern, ursprünglich geschah das fast nur zur Abwehr äußerer Feinde (also etwa die »Türkensteuer« der frühen Neuzeit). Wenn das Militär effektiver werden soll, so braucht es mehr Geld und eine Steuerbürokratie, die es eintreibt. Eine energiegeladenere dynamische Wirtschaft wird dann zur Voraussetzung der Kriegsmaschinen, die sich Nationen nennen und die um die Vorherrschaft kämpfen. Das Gegenstück zur allgemeinen Wehrpflicht, ist die Massendemokratie, die ihrerseits den Wohlfahrtsstaat nach sich zieht.“ (Ebd., 2012, S. 458).

„Bürgerliche liberale Demokratien mit einem durch Besitz-, Steuer- oder Sozialstatus-Kriterien eingeschränkten Wahlrecht neigen dazu, die staatlichen Eingriffe im allgemeinen und die öffentliche Fürsorge im besonderen einzuschränken, und sie wünschen sogar, die Wohlfahrtsausgaben trotz wachsender sozialer Probleme zu verringern. Sie erhalten oder entwickeln verhältnismäßig einfache und lokale Wohlfahrtseinrichtungen und beschränken die Fürsorgeleistungen in der Regel auf arbeitsunfähige Personen. Sie widersetzen sich der Einführung von Pflichtversicherungen.“ (Ebd., 2012, S. 458).

„Weil sie einem organisierten Druck der Arbeiterklasse ausgesetzt sind und ein Wettbewerb um die Stimmen der breiten Volksmassen stattfindet, tendieren Massendemokratien dazu, ausgedehnte, differenzierte und zentralisierte Wohlfahrtssysteme auf der Grundlage von sozialen Rechten und Zwangsbeiträgen zu entwickeln. Heute deuten »liberal« oder »sozial« in Namen von Parteien nur noch auf Nuancen im Umverteilungskampf hin. Wenn es heute um Wählerstimmen geht, dann wird auch eine liberale Partei Steuersenkungen in Aussicht stellen und gegen »soziale Unsicherheit« agitieren.“ (Ebd., 2012, S. 458).

„Wenn noch jemand Zweifel hatte, daß die Demokratie zwangsläufig den Sozialstaat nach sich zieht, der den Staatshaushalt ruiniert, dem sollten sie durch das Buch von Carles Boix über Demokratie und Umverteilung (2003) ausgeräumt worden sein. In einer weltweiten Analyse stellt Boix (Figure 2.1.) fest, daß 1950 20% aller unabhängigen Länder Demokratien waren, nach 1990 dann über 50%. Bitter, aber zugleich überzeugend, ist sein Ergebnis, daß das Ausmaß der Umverteilung in Demokratien von der Wahlbeteiligung abhängt.“ (Ebd., 2012, S. 458).

Umverteilung

„Autoritäre Regierungen teilen von Besserverdienenden etwa ein Drittel der Summe um, im Vergleich mit Demokratien mit einer Wahlbeteiligung von über 50%; Demokratien mit einer Wahlbeteiligung unter 50% ein Drittel weniger als Demokratien mit hoher Wahlbeteiligung (siehe Abbildung). Das heißt, der Zulauf der Parteien hängt davon ab, wieviel Umverteilung sie versprechen. Und ist die Umverteilung einmal in Gang, dann strömen die Wähler zu den Urnen, um sie aufrechtzuerhalten und zu verstärken:. Das ist genau das, durch Boix mit genauen Zahlen belegt, was andere hier in diesem Buch Zitierte behaupten und was mit der Alltagsbeobachtung politisch wacher Menschen übereinstimmt. Boix belegt dann auch, wohin das letztlich führt: Während in autoritären Herrschaftssystemen das Verhältnis der Einkommen zwischen Arm und Reich lange Zeit verhältnismäßig stabil bleiben kann, kommt es in einer Demokratie zu einer relativen Angleichung bis zu einem Umschlagpunkt, von dem alle Einkommen stetig und unaufhörlich fallen. Dieser Umschlagpunkt dürfte in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1994 überschritten worden sein (vgl. Thilo Sarrazin, 2010).“ (Ebd., 2012, S. 458-459).

„Die Umverteilung geschieht nicht immer oder nur von oben nach unten. Daß höhere Bildung in den meisten Staaten und zum größten Teil noch frei von direkter Bezahlung oder Zuzahlung ist, ist eine historische Folge des Strebens nach Chancengleichheit. Sobald der tiefverschuldete Staat versucht, diese Privilegien aus der meritokratischen Traumzeit anzutasten, gehen die Studenten dagegen auf die Straße. Wieviel und für wen Bildung finanziert wird, darum kämpfen in Demokratien alle politischen Richtungen.“ (Ebd., 2012, S. 459).

„In einer Stadt wie Leipzig werden die Einnahmen des Stadthaushalts in drei Richtungen umverteilt: der weitaus größte Teil nach unten in soziale Leistungen, ein beträchtlicher Teil in die Hochkultur (Oper, Gewandhaus, ...), die nur von einem kleinen und gebildeten Teil geschätzt und genutzt wird, und ein dritter Teil in Prestigebauten, wie zum Beispiel Anlagen für Wassersportler, die von noch einer geringeren Anzahl benutzt werden. Für notwendige Investitionen und Reparaturen bei Brücken, Straßen, öffentlichen Bädern usw. steht jedes Jahr relativ weniger Geld zur Verfügung, und die Schulden der Stadt steigen von Jahr zu Jahr. Wehe dem oder derjenigen demokratischen Partei, die ernsthaft versuchen sollte, an dieser Entwicklung etwas Grundsätzliches zu ändern. Es ist unmöglich, und das gilt für die allergrößte Zahl der Gemeinden.“ (Ebd., 2012, S. 459).

„Vergangenes Frühjahr hörten wir bei einer Exkursion im Wollmatinger Ried am Bodensee mehr Kuckucksrufe als je zuvor. Auch die Teichrohrsänger machten ihrem Namen Ehre. Der Kuckuck baut kein eigenes Nest, sondern legt sein Ei in die Nester kleiner freihrütender Singvögel Der kleine Kuckuck wirft dann, wie jeder weiß, »in unmenschlicher Weise« die Jungen seiner Stiefeltern aus dem Nest und wird von ihnen als einziger großgefuttert. Das spielt sich in 9% aller Teichrohrsängernester ab (vgl. Schulze-Hagen, Parasitierung und Brutverluste durch den Kuckuck [Cuculus canorus] bei Teich- und Sumpfrohrsängern [Acrocephalus scirpaceus, A. palustris] in Mittel- und Wetseuropa, in: Kournal für Ornithologie, 133, 1992; eine Übersichtsarbeit über 34 Untersuchungen; n = 15461 Teichrohrsängerbruten). An manchen Teichen enthalten his zu zwei Drittel aller Teichrohrsängernester ein Kuckucksei. Darüber hinaus verwüsten die Kuckucksweibchen viele Nester, wenn sie an dem Tag kein Ei mehr legen können, und fressen die fremden Eier, wodurch sie die Rohrsänger zu Nachgelegen zwingen und sich dadurch die Chancen des Kuckucks erhöhen, an einem späteren Tag nochmals ein geeignetes Nest zu finden. Wenn man es den Kindern in der Schule erzählt und einen Film dazu zeigt, kann es schon vorkommen, daß ein vorwtziges Kind fragt, warum sich das die kleinen Singvögel gefallen lassen und warum sie nicht das Kuckucksei oder den geschlüpften Kuckuck aus dem Nest werfen. Erinnern Sie sich an die Antwort, die lhnen der Lehrer gegehen hat? Verriet er lhnen sogar, daß ein Teil der Rohrsänger es ablehnt, das Kuckucksei zu hebrüten oder es hinauswirft? ln Flandern schaffen das 9% der betroffenen Teichrohrsänger, im Elsaß 32%; Sumpfrohrsänger hingegen sind bei der Kuckucksabwehr viel energischer und erfolgreicher: 79% der Sumpfrohrsänger werfen das fremde Ei aus dem Nest. Unter den Rohrsängern einer Art finden sich demzufolge auch Unterschiede: Es gibt kuckucksfreundliche, naive Rohrsänger, die ihre eigenen Gene zugunsten der Vermehrung des Kuckucks opfern; und es giht kuckucksunfreundliche kluge, die ihre eigenen Jungen großziehen und ihre eigenen Gene bewahren. Die Vogelkundler nehmen an, der Unterschied zwischen den heiden Rohrsängerarten hestehe deswegen, weil der Teichrohrsänger insgesamt gesehen noch ein junger und naiver Kuckuckswirt sei, hei dem die Natürliche Selektion noch nicht lange gegensteuern konnte, der Sumpfrohrsänger hingegen sich schon viel länger der Kuckucke erwehren muß.ln England fand man 1835 keine Kuckuckseier in Teichrohrsängernestern, erst seit etwa 1940kam es zu einem steilen Anstieg his auf etwa 7% aller Teichrohrsängerbruten.“ (Ebd., 2012, S. 460).

„Vermehren sich die Kuckucke immer stärker, dann muß die Zahl der Rohrsänger sinken. Die Kuckucksweibchen finden keine Nester, in die sie ein Ei legen können, und im nächsten Jahr giht es weniger Kuckucke. Das begünstigt nun wieder den Bruterfolg der Rohrsänger, bei denen inzwischen zugunsten der Gene selektiert worden ist, die zur Kuckucksabwehr befähigen. So wie sich die Zahlenverhältnisse von Kuckucken zu Rohrsängern in Wellen entwickeln, also zwischen Brutparasiten und Wirten, so allgemein auch zwischen Wirten und Parasiten, zwischen Füchsen und Hasen, zwischen Räubern und Beute, zwischen Dieben und Besitzern. ln der Populationsdynamik läßt sich das mit Gleichungen heschreiben, nach Nicholson-Bailey und Lotka-Volterra, die man in jedem Ökologie-Lehrhuch nachlesen kann und die Schulstoff der Gymnasien sind. Bei soziallebenden Tieren - also auch heim Menschen - kommt hinzu, daß der Schwächere und Unterlegene durch Unterwerfungsgesten gegenüber dem Überlegenen eine Beißhemmung auslösen kann, wonach der Schwächere in die Nahrungsverteilung einbezogen werden kann und bei manchen Arten sogar zur Fortpflanzung gelangt. Die Kuckucke können sich nur behaupten, weil ein Großteil der Teichrohrsänger nicht fähig oder willens ist, gegen das Kuckucksei vorzugehen. Bei den meisten Rohrsängern überwiegen die Antriebe der Brutfürsorge, und das Kuckucksei wird bebrütet und der Kuckuck gefüttert, egal ob und wie viele junge Teichrohrsänger dadurch das Lehen verlieren..“ (Ebd., 2012, S. 460).

„Zu jedem menschlichen Gemeinwesen gehören zahlreiche Personen, die nicht oder nicht unmittelbar zum Nahrungserwerb beitragen, zeitweise - also Kinder, Alte, Erkrankte - oder ständig, also Schwerbehinderte und andere. Zu den anderen gehören auch Personen, die sich auf Kosten der Mehrheit unterhalten und vermehren (vgl. auch: Tragik der Allmende; HB). Je nach wirtschaftlichem Entwicklungsstand oder Notsituation kann jede menschliche Gemeinschaft mehr oder weniger viele Nicht-Produktive aushalten und unterhalten, das war schon immer so. Die Ausnutzung fossiler Brennstoffe in der Industriegesellschaft hat in der Aufschwungsphase diesen Spielraum sehr stark vergrößert und zur Entstehung des Sozialstaats geführt. So wie die meisten Teichrohrsänger nicht fähig und willens sind, die Kuckuckseier aus dem Nest zu werfen, so sind auch die Mehrheiten, die in Demokratien das Sagen haben, uneinsichtig und unfähig, der Parasitierung des Gemeinwesens, seiner Verkuckuckerei, Einhalt zu gebieten. Mögliche wirksame Abwehr, die vielen Sozialarbeitern den Job kosten würde, wird als »unmenschlich« definiert. Der Sachverhalt ist tabu, schon seine bloße Nennung. So bleibt nur als gemeinsamer Ausweg das Versinken im Großen Chaos, durch das die negative Selektion eine Neujustierung der Anzahlen und Wertvorstellungen erzwingt. Während sich die wellenförmigen Bewegungen in der relativen und absoluten Anzahl von Parasiten und Wirten, von Räubern und Beute über Zyklen von einigen Jahren oder wenigen Jahrzehnten erstrecken, dauern die Regulationszyklen großer Gesellschaftsformationen (vgl. Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918 und 1922 **) oder großer Reiche mehrere Jahrhunderte.“ (Ebd., 2012, S. 460-461).

„Wer an Arme Brot ohne nennenswerte Gegenleistung verteilt - wie im Alten Rom - oder Geld an Mütter mit unehelichen Kindern, wird stets und überall auf der Welt erreichen, daß die Zahl der Bedürftigen rasch und ständig steigt. Im Frühjahr 2011 fand auf den Seiten der »Leipziger Volkszeitung« (LVZ) eine heftige Polemik zwischen den Verantwortlichen der städtischen Drogenpolitik und ihren Kritikern auf seiten der Polizei statt. Leipzig rühmt sich einer vorbildlichen Betreuung der Drogenabhängigen, an die innerhalb eines Jahres kostenlos 29.943 Spritzen und 31.472 Kanülen (so die LVZ am 13. Mai 2011, S.17) abgegeben wurden. Da die Betreuung in Leipzig großzügiger ist als in anderen Städten, wirkt die Stadt auf Drogensüchtige wie ein Magnet. Sieben Suchtberatungsstellen betreuen über 4000 Klienten junger Altersgruppen, und das bei rund einer halben Million Einwohner. Aufgabe der Polizei ist es, den Drogenhandel zu verhindern und Drogen zu beschlagnahmen. Da sie dieser Aufgabe nachkommt, sinkt das Angebot im Drogenhandel, und bei dem hohen Bedarf steigen die Preise für illegale Drogen kräftig. Das ist nach Meinung der Polizei wiederum die Ursache für das Ansteigen der Beschaffungskriminaliät und der fast 300 Raubüberfälle allein im ersten Halbjahr 2011. Der von der Mehrheit der Stadtverordneten gewählte Sozialbürgermeister, nach Meinung der Polizei ein »Sozialromantiker«, bestreitet einen jeden derartigen ursächlichen Zusammenhang. Die von der Stadt bezahlten Streetworker warnen Drogensüchtige, deren Vertrauen ihnen wichtig ist und von denen die Allerwenigsten noch einen Arbeitsplatz haben, vor bevorstehenden Polizeirazzien. Die nicht-süchtige arbeitende Bevölkerungsmehrheit bezahlt alles, Suchtberatung und Strafverfolgung, aus dem bereits mit Hunderten von Millionen Euro überschuldeten Stadthaushalt, wozu die Schäden aus den Raubüberfällen hinzukommen. Es ging hier aber nicht darum, der einen oder anderen Seite recht zu geben in dem Streit, wie man den Drogenkonsum eindämmt, sondern darum, die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Politik mit Beißhemmung aufzuzeigen, die Teil eines Regulationszyklus ist, der wiederum zum Gesamtzyklus der Industriegesellschaft gehört. Die Zahl der Kuckucke verringert sich letztlich nicht durch eine ideologische Wende unter den Teichrohrsängern, sondern durch den Schaden, den sie der Vermehrung der gutmütigen Rohrsänger zufügen.“ (Ebd., 2012, S. 461).

„In den gegenwärtigen Finanzkrisen wird immer häufiger die Meinung laut, es sei nicht nur die Begehrlichkeit der nach Umverteilung lechzenden Massen, sondern auch die Maßlosigkeit und Verantwortungslosigkeit der Reichen und Verantwortlichen, die Wirtschaft und Staat ruinierten. Hat sich seit der Revolution der Manager tatsächlich etwas Grundsätzliches geändert? Ja! In der Ständegesellschaft hafteten die Mächtigen bei ihrem Scheitern nicht nur mit ihrem eigenen Leben und oft mit ihrem gesamten Besitz, sondern auch mit der Existenz ihrer Familie. In der Gegenwart gibt es hingegen unzählige Fälle, daß Personen, die für Milliardenverluste ihrer Firmen oder die Schuldenkrisen der Staaten verantwortlich sind, sich mit Abfindungen, ihren Einnahmen und früheren Gewinnen zurückziehen können, ohne daß ihnen vollständige Enteignung, Todesstrafe und Existenzverlust der Familie droht. In Demokratien werden Abgeordnete und Politiker in Regierungsverantwortung in der Regel nur für kurze Zeiträume gewählt, die im historischen Rückblick noch viel kürzer erscheinen. Auch haften sie nicht für schwerwiegende Schäden, die durch ihre Tätigkeit ausgelöst worden sind. Die schlimmste Bestrafung ist die Nicht-Wiederwahl und der Verlust der Macht. Es gilt als eine Errungenschaft der geordneten Demokratie, daß ihnen und ihrer Familie Jahre nach ihrer politischen Tätigkeit keine Strafe an Leib und Leben droht. Und doch hat diese fehlende existentielle Dauerbedrohung - wie sie für einen Monarchen in Krieg und Krisen besteht - ihre Kehrseite. Nicht in den Demokratien, doch aber in einigen von Managern geführten Firmen sind ernsthafte Überlegungen und Bestrebungen erkennbar, wie man wenigstens die Bezahlung und den Lebensstandard der Familien mehr vom langfristigen Erfolg abhängig machen könnte, als vom Börsenkurs am nächsten Jahresende. Ein Unternehmer wie Trigema-Chef Wolfgang Grupp ist eine Ausnahmeerscheinung und wird eher belächelt als begriffen. Auch an diesem Punkt ist, anstatt einer auf Höherentwicklung des Menschen gerichteten Evolution im Sinne Darwins, eine auf Zerstörung gerichtete Gegenregulation in vollem Gange, die von den allerwenigsten begriffen wird. Noch besitzt aber gerade der deutsche Sprachraum eine größere Zahl Unternehmen, die auf ihrem klug beschränkten Gebiet Weltmarktführer sind. Wie lange wird Deutschland diesen Platz als Exportweltmeister noch behaupten können? Wann wird die IQ-Lücke bei Unternehmern und Belegschaft aufreißen?“ (Ebd., 2012, S. 462).

„In einer reifen freiheitlichen Demokratie ist allem Denken und Handeln ein bestimmter Rahmen vorgegeben, der so gefaßt ist, daß die Gesellschaft aus der demokratischen Entwicklungsrichtung nicht mehr ausbrechen kann, bevor sie nicht an ihrem Ziel angelangt ist. Ein Journalist, der aus diesem Rahmen ausbricht, verliert seine Stellung; ein Hochschullehrer ebenso, oder er wird erst gar nicht berufen; und für einen Politiker der Volksparteien reicht ein falscher Zungenschlag. »Ich kenne kein Land, in dem im allgemeinen weniger geistige Unabhängigkeit und weniger wahre Freiheit herrscht als in Amerika. .... Die Mehrheit umspannt inAmerika das Denken mit einem erschreckenden Ring«, schrieb Alexis de Tocqueville schon 1835, und setzt fort: »Innerhalb dessen Begrenzung ist der Schriftsteller frei, aber wehe ihm, wenn er ihn durchbricht. .... Er ist allen möglichen Verdrießlichkeiten und täglichen Verfolgungen ausgesetzt.« Was wir heute als politische Korrektheit bezeichnen, ist damit keinesfalls eine neue Erscheinung, sondern das Wesensmerkmal einer demokratischen Gesellschaft (vgl. Elisabeth Noelle-Neumann, Die Schweigespirale, 2001). Doch »kein politisches System existiert ewig. Jede politische Ordnung stirbt einmal- das gilt auch fiir die demokratische Ordnung«, bestätigt ein Professor für Politikwissenscha!t (vgl. Peter Nitschke, Der Tod der demokratischen Ordnung, 2007, S. 161).“ (Ebd., 2012, S. 462-463).


Zum Kreislauf der Bevölkerungsqualität: Betrachtungen und Schlußfolgerungen Wann schlägt eine demographische Krise in eine nationale Existenzkrise um?

„1971 hatte sich Hans Harmsen (1899-1989), ein herausragender Vertreter der deutschen Bevölkerungswissenschaft in der Nachkriegszeit, zum Thema »Zum Geburtenrückgang in der Bundesrepublik Deutschland« geäußert: »Eine beachtliche Zahl von ausländischen Arbeitskräften sind bereits 7 oder mehr Jahre in der BRD - sie sind Einwanderer geworden, deren Probleme hinsichtlich Wohnung und Erziehung der Kinder nicht allein mit ausländerpolizeilichen Maßnahmen geregelt werden können.« Diese erstmalige gedankliche Verknüpfung von eigenem Geburtenrückgang mit der Notwendigkeit einer qualifizierten Einwanderungspolitik brachte nicht nur den deutschen Blätterwald zum Rauschen, der gerade begann, die »politische Korrektheit« zu installieren und die Nähe von Harmsen zur nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik entdeckte, sondern auch die Auflösung der Deutschen Akademie für Bevölkerungswissenschaft. Die einzige erlaubte politische Lesart war damals, die ausländischen Arbeitnehmer würden wieder in ihre Ursprungsländer zurückkehren.“ (Ebd., 2012, S. 463).

„In den folgenden Jahrzehnten war bei den beamteten deutschen Demographen Anpassung an den Zeitgeist die erste Bürgerpflicht. Nur Personen, die sich außerhalb dieses engeren Zirkels bewegten, konnten es wagen und wagten es, ihre Stimme zu erheben. So unterzeichneten 1981 zwanzig deutsche Universitätsprofessoren das »Heidelberger Manifest« (siehe Theodor Schmidt-Kaler, Das Heidelberger Manifest von 1981, 2003), das im selben Jahr zur Gründung des »Schutzbundes für das deutsche Volk« führte.“ (Ebd., 2012, S. 463).

„Alle Warnungen in den 1970er oder 1980er Jahren über die eine Generation später drohende Gefährdung der Sozialsysteme, die wir nun endlich erleben dürfen - wir sind ja damit erst am Anfang, da kommt noch viel, viel mehr auf uns zu -, sind in den Wind geschlagen worden. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Demographie in Bielefeld 2004 waren sich alle Experten einig: Bis 2030 verschlechtern sich die demographischen Rahmenbedingungen ständig, weswegen schließlich die gegenwärtige Rentenhöhe halbiert werden muß, um den Beitragssatz zu halten, oder der Beitragssatz muß auf 40% erhöht werden, wenn die Rentenhöhe gehalten werden soll. Schmidt-Kaler hatte dazu eigentlich schon in seiner Rede auf der Politischen Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung 1988 alles gesagt, was zu sagen war: »Als ich 1973 erstmals (in einem Memorandum an Regierung und Opposition) darauf hinwies, daß die Rechnung fehlender Geburten auch im Bereich der Renten und Altersversorgung präsentiert werden wird, erntete ich nichts als Unglauben und Anfeindungen. Inzwischen ist die Erkenntnis Allgemeingut geworden, daß die Verwirklichung von heute erarbeiteten Rentenansprüchen davon abhängt, wie sich die Geburtenzahlen entwickeln. .... Die einzige natürliche Lösung des Dilemmas heißt: wieder mehr Kinder zur Sicherung des Generationenvertrages und zur sozialen Versorgung. Nur dies führt zu einer dauerhaften Stärkung des sozialen Systems.«“ (Ebd., 2012, S. 463).

„Inwieweit kann man langfristige demographische Entwicklungen und Risikofaktoren, aus denen geschichtliche Brüche folgen, überhaupt vorhersagen?“ (Ebd., 2012, S. 464).

„1879 hatte sich der in seiner Zeit als sehr bedeutend geltende Historiker Heinrich von Treitschke (1834-1896) unter dem bezeichnenden Titel »Unsere Aussichten« einmal mit Gesellschaftsprognose versucht und geschrieben: »Die Zahl der Juden in Westeuropa ist so gering, daß sie einen tühlbaren Einfluß auf die nationale Gesittung nicht ausüben können; über unsere Ostgrenze dringt aber Jahr tür Jahr aus der unerschöpflichen polnischen Wiege eine Schar strebsamer hosenverkaufender Jünglinge herein, deren Kinder und Kindeskinder dereinst Deutschlands Börsen und Zeitungen beherrschen sollen; die Einwanderung wächst zusehends, und immer ernster wird die Frage, wie wir dieses fremde Volkstum mit dem unseren verschmelzen können.« (Heinrich von Treitschke, Unsere Aussichten, 1879, S. 572). Daß er damit als Historiker früh auf ein mögliches Konfliktpotential aufmerksam gemacht hat, das in den folgenden Jahrzehnten tatsächlich große Bedeutung erlangen sollte, dafür hat er die Kritik von allen Seiten erfahren, die auf jeden einbricht, der den Mut hat, sich zu grundlegenden Problemen in vorausschauender Weise zu äußern. Denn für die später organisiert auftretenden Antisemiten war die Assimilation der Juden kein Thema; für die Zionisten ebenso nicht, denn sie wollten die Auswanderung nach Palästina. Mir kam es an dieser Stelle nur darauf an zu belegen, wie Treitschke 1879 eine sich anbahnende Überschichtung erfaßt und nicht nur die künftige Machtstellung der jüdischen Minderheit in Finanzwirtschaft und Zeitungswesen richtig erahnt hat, sondern auch das sich daraus ergebende mögliche Konfliktpotential.“ (Ebd., 2012, S. 464).

„Wann wird der kritische Punkt erreicht, von dem ab die Zeichen unwiderruflich auf Krieg, Bürgerkrieg und Vertreibung des einen Bevölkerungsteiles deuten, auch wenn der Ausbruch von blutigen Auseinandersetzungen noch Jahrzehnte auf sich warten lassen kann? Wie viele Jahrzehnte sind dann noch Zeit? Und wie lange noch gibt es Spielraum zum Gegensteuern?“ (Ebd., 2012, S. 464).

„Der schon zitierte Gewährsmann aus Böhmen schrieb 1912: »Es war ein Fehlel; die nationale Bedeutung des Reichtums zu überschätzen. .... Wir haben ... zu viele Leute mit höheren Ansprüchen an die Lebensführung, daher an höheren Löhnen, kürzerer Arbeitszeit, Leute mit größerem Selbstbewußtsein und geringerer Fügsamkeit. .... Für niedrige Arbeit sowie für persönliche Dienste mußte man nach tschechischen Arbeitskräften greifen.« (Franz Jesser, Das Wesen des nationalan Kampfes in den Sudetenländern, 1912). Im Frühjahr 1914 schauten gebildete und wohlhabende deutsche Bürger in Prag, Riga, in Laibach und Preßburg auf ihre ungebildeten Mitbürger herab, ebenso wie ... der US-Amerikaner in Los Angeles im Jahre 2000 auf die eingewanderten Mexikaner herabschaut - und wie manche vielleicht auf die Türken in Berlin, Hamburg und Düsseldorf herabschauen.“ (Ebd., 2012, S. 466).

„Die PISA-Studie hat zweifelsfrei belegt: Die bei uns eingewanderten Türken sind nicht nur weniger qualifiziert, sondern haben auch einen durchschnittlichen IQ von nicht höher als 85. An den höheren Bildungseinrichtungen sind die Einwanderer, insbesondere die aus der Türkei, nur halb so stark vertreten, wie es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Aber sie sind vertreten! Und nun rechnen sie einmal bitte, und es ist eine ganz einfache Rechnung ....“ (Ebd., 2012, S. 466).

„lm geschichtlichen Rückblick ist das Tempo eindrucksvoll, in dem ein vollständiger Bevölkerungswandel in an und für sich voll besiedelten Räumen vor sich gehen kann. Wir hatten vorn (S. 430 und S. 429) die Beispiele Kosovo und Siebenbürgen. Ein Wandel, der in den ersten Jahrzehnten zumeist völlig friedlich verläuft. Der Wechsel von der Dominanz des einen Volkes bis zu seiner Vertreibung oder Ausgrenzung braucht oft weniger als ein Jahrhundert. In Palästina bzw. Israel brauchte es, beschleunigt durch die außerordentlichen Umstände und Folgen des Antisemitismus in zahlreichen Ländern, von 1890 bis 1948 58 Jahre, um die Araber zu Flüchtlingen zu machen. Auch die Geschwindigkeit des vollständigen Elitenwechsels hat man bisher stark unterschätzt. Bei manchen Völkern, wie etwa den Slowenen, hat es deutscher Hochmut kaum für möglich gehalten, sie könnten sich selbst regieren und wirtschaftlich behaupten. Man kann sich aber schwer vorstellen, wie sich Niederländer, Dänen, Tschechen und Schweizer durch außereuropäische Einwanderer allmählich aus ihrer Heimat verdrängen lassen, ohne von einem bestimmten Punkte an energischen Widerstand zu leisten.“ (Ebd., 2012, S. 467).

»Die Höhe unserer materiellen Kultur steht in untrennbarem Zusammenhang mit der nationalen Zersetzung unseres Lebensraumes«, schrieb unser, hier schon mehrfach zitierter weitsichtiger böhmischer Gewährsmann im Jahre 1912. Und er setzt fort: »Wir Deutsche ... haben kein für unsere nationale Existenz notwendiges Interesse an einer Verzögerung der Modernisierung des tschechischen Wirtschafts- und Gesellschaftslebens. Im Gegenteil: Je differenzierter und moderner die wirtschaftliche und soziale Struktur des tschechischen Volkes wird, ... desto geringer wird das Ausbreitungsbedürfnis der tschechischen Nation.« (Franz Jesser, Das Wesen des nationalan Kampfes in den Sudetenländern, 1912).“ (Ebd., 2012, S. 467).

„Eine große Chance besteht für unsere nationale und europäische Existenz darin, daß die bei uns schon vorhandenen Einwanderer und weiter Hinzukommenden keine national geschlossene Einheit bilden, sondern sich auf viele Herkunftsländer verteilen. Gelingt es, die Vielfalt aufrechtzuerhalten, dann sollten wir optimistisch sein. Was Geburtenschwund und Masseneinwanderung anbetrifft, hat uns Frankreich einige Jahrzehnte an Erfahrungen voraus. Bis heute ist Frankreich noch nicht (aber fast! HB) untergegangen, auch wenn seine Probleme mit den Einwanderern aus Nordafrika immer komplizierter werden und irgendwo jede Nacht einige oder viele Autos in den Vorstädten ausbrennen .... Die einzige Nation, die in Mitteleuropa zahlenmäßig schon so stark ist, daß die Assimilation der schon Anwesenden Vorrang vor jedem weiteren Zuzug haben sollte, sind die Türken. Jahrhundertelang sah sich das Alte Rom dem Einwanderungsdruck seiner Nachbarvölker ausgesetzt und ist damit viele Jahrhunderte ganz gut fertiggeworden (vgl. Alexander Demandt, Der Fall Roms, 1984); es konnte immer neue Zuwandererströme in sein Reich einbinden. Durch eine kluge Politik, die die Fremden niemals als eine Einheit betrachtet hat, sondern immer zwischen Personen von großer Nähe und weiter Ferne unterschieden hat, so daß aus den Nahestehenderen gute Staatsbürger geworden sind. Ein gewisses Maß an Bevölkerungsaustausch, an Einwanderung und Auswanderung, ist etwas ganz Normales und hat stets und immer stattgefunden.“ (Ebd., 2012, S. 468).

„Die Völker Europas, die für das Entstehen ihrer Nationalstaaten einen hohen Preis gezahlt haben, stehen jetzt vor der Entscheidung, ob sie ihre relativ geschlossenen und christlich geprägten Nationalstaaten aufs Spiel setzen. Schrumpfende Bevölkerungen, und das sind mit Ausnahme der Albaner derzeit alle europäischen Völker, besiedeln »Unterdruckgebiete«, auf die ein Einwanderungsdruck mit ständig wachsenden Kosten (für Grenzschutz, Asylbewerber usw.) ausgeübt wird. 1995 hatten die Europäische Union 375 Millionen Einwohner und der islamisch geprägte Nahe Osten und Nordafrika zusammen 313 Millionen. Nach der UN-Prognose (von 1996) soll bis 2050 die Zahl der EU-Einwohner auf 338 Millionen sinken, die im Nahen Osten und Nordafrika hingegen auf 661 Millionen steigen. Diese Prognose ist naiv, denn die ausgleichende Wanderungsbewegung ist bereits in vollem Gange. Der gegenwärtige Zustand in Mitteleuropa mit sinkenden Rüstungslasten und relativer politischer Ruhe und Stabilität ist ein Übergangszustand, der - wenn der gegenwärtige Trend nicht gebrochen wird - mittelfristig in einen Zustand mit schweren inneren und vielleicht auch damit zusammenhängenden äußeren Konflikten übergehen kann (vgl. Alexander Demandt, Endzeit?, 1993).“ (Ebd., 2012, S. 468-469).

„Im produzierenden Sektor verschieben sich die Anteile der Weltproduktion zuungunsten der europäischen Länder. In jedem Jahr, in jedem Monat, an jedem Tag wird Europa kleiner; nicht nur sein Anteil an der Weltbevölkerung, sondern auch sein Anteil an der Weltindustrieproduktion und am Welthandel wird geringer. Die Gewinner sind Völker und Staaten in Übersee, bei denen die Lebenserwartungen des Einzelnen, der Anteil der Alten an der Gesamtbevölkerung, die Sozial- und Gesundheitsausgaben und die Ausgaben für den Umweltschutz und die Rechtspflege noch viel geringer sind. Bei ihnen gibt es keine Arbeitslosen- und schon gar keine Pflegeversicherung sowie kein Gesetz, das jedem Kind einen Kindergartenplatz garantiert. Bei ihnen wird die Hochschulreife auch nicht erst nach 13 Schuljahren erworben. Die Gewinner sind Völker und Staaten in Übersee, die sich in einem ähnlichen Stadium der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung befinden, wie Deutschland vor 200 Jahren, als es steil zur Weltmacht aufstieg (**). Damals kannte Deutschland noch keine Arbeitslosen- und schon gar keine Pflegeversicherung, keinen wochenlangen Erholungsurlaub, keine Auslandstouristik für jedermann und keine staatlich garantierten Kindergartenplätze. Statt dessen gab es Kinder in jeder Straße und in jedem Haus und eine Zusammensetzung der Alterspyramide wie heute in Brasilien. Schon haben selbst Bayern und Baden-Württemberg 10% ihrer Industriearbeitsplätze verloren. Und das ist nur der Anfang.“ (Ebd., 2012, S. 469).

„Wie wäre es denn einem deutschen Spitzenpolitiker in den letzten Jahren gegangen, der unverblümt die Wahrheit ausgesprochen hätte, es müsse zu einer fundamentalen Umverteilung zuungunsten der Rentner und Kinderlosen und zugunsten der deutschen (Nicht-Unterschicht-)Familien mit Kindern kommen und zu einer Umverteilung zuungunsten des Konsums, aber zugunsten von Investitionen und Forschungsinvestitionen? Dieser Politiker wäre am längsten Spitzenpolitiker gewesen, die Mehrheit des Wahlvolkes hätte ihm, wenn sie die Auswirkungen am eigenen Leib zu spüren bekommen hätten, bei der nächsten besten Gelegenheit seine Stimme entzogen. Nein, es geht dem deutschen Volk und den (west)europäischen Völkern noch viel zu gut für ein Umdenken. Erst wenn der weltumspannende Wettbewerb die Lebenshaltungskosten noch stärker erhöhen wird und wenn die Kosten für die Bekämpfung von Armut und Kriminalität im Land immer unbezahlbarer werden, erst dann, wenn der Bürgerkrieg, der schleichend mit der Polizeirazzia gegen Drogendealer, der Kameraüberwachung von öffentlichen Plätzen, dem Abhören von Privattelefonen im Kampf gegen das organisierte Verbrechen, dem Aufspüren von illegalen Einwandereren und Arbeitern schon längst begonnen hat, erst wenn das alles so sehr Alltag wird, daß es für sehr viele zu einer alltäglichen Last und Bedrohung geworden ist:. so wie es heute schon in einigen Städten und Stadtvierteln Last und Bedrohung ist -, erst dann werden Politiker sich Gehör verschaffen können, die Abhilfe fordern und wirksame Verhaltensänderungen vorschlagen; Politiker wohlgemerkt, die für neue oder sehr alte Werte eintreten werden. Wenn man die Trends von heute richtig deutet, dann wird dieser Zustand in etwa 10 bis 15 Jahren eintreten. Erst nach 2020 wird die zahlenmäßige Schrumpfung des deutschen Volkes im besonderen und der europäischen Völker im allgemeinen ihre volle Eigendynamik entfalten.“ (Ebd., 2012, S. 469).

„Zu einem ernsten Problem wird der Bevölkerungsrückgang erst dann, wenn es mit einem Verlust an Bevölkerungsqualität einhergeht ....“ (Ebd., 2012, S. 470).

„Der Wille zum Kind ist der Wille zum Leben.“ (Ebd., 2012, S. 470).

„Wir zitieren noch einmal Spenglers Weitsicht: »Das kulturfähige Menschentum wird von der Spitze her abgebaut, zuerst die Weltstädte, dann die Provinzstädte, endlich das Land, das durch die über alles Maß anwachsende Landflucht seiner besten Bevölkerung eine Zeitlang das Leerwerden der Städte verzögert.« (Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, S. 681 **). In der Phase, die wir jetzt erleben, stimmt das aber noch nicht: Die großen Städte werden (noch! HB) nicht einfach leer, sondern füllen sich zuvor mit anderssprachigen Flüchtlingen aus den Notstandsgebieten aller Weltteile und aller Hautfarben, die - wenn sie so unqualifiziert sind wie die Türken in Berlin - die Städte wirtschaftlich ruinieren, allein schon durch die notwendigen Ausgaben für Sozialhilfe (vgl. Thilo Sarrazin, Klasse statt Masse, 2009). Der Verfasser der vierbändigen »Deutschen Gesellschaftsgeschichte«, Professor Hans-Ulrich Wehler, brachte es in einem Interview ... am 10. September 2002 auf den Punkt: »Die Bundesrepublik hat kein Ausländerproblem, sie hat ein Türkenproblem. Diese muslimische Diaspora ist im Prinzip nicht integrierbar. Man soll sich nicht freiwillig Sprengstoff ins Land holen.«“ (Ebd., 2012, S. 471).

„Wir sollten jedoch nicht zu pessimistisch sein: Wenn es uns gelingt, qualifizierte Zuwanderer in eine freie Wirtschaft und freie Gesellschaft zu integrieren, dann braucht uns vor der Zukunft nicht bange zu sein. Bisher waren alle Prognosen der Demographen von sinkenden absoluten Bevölkerungszahlen falsch, sofern es sich um wirtschaftlich blühende Staaten handelte. Die Einwohnerzahl wurde stets durch Einwanderer ergänzt und mehr als ergänzt, wenn es wirtschaftlich vorwärts ging. Es gibt aber ... Regionen, in denen es wirtschaftlich und nit den Einwohnerzahlen bergab geht. Wird sich das noch umkehren?“ (Ebd., 2012, S. 471).

„Mittelfristig gäbe es nur eine gesunde Möglichkeit: Ein Wiederanstieg der deutschen Geburtenzahlen um mindestens 15%. Aber selbst das erscheint eher als eine Wunschvorstellung als eine wirklichkeitsnahe Zielstellung irgendeiner Bevölkerungspolitik. Etwa 10% Einwanderer pro Generation kann eine wirtschaftlich intakte Gesellschaft integrieren. Ein Viertel zu niedrige Geburtenzahlen md ihre zahlenmäßige Ergänzung durch Einwanderer - für dieses Szenario gibt es noch kein Beispiel, wie das ohne tiefgreifende Existenzkrise abgehen kann. Wenn Familienpolitik erfolgreich sein sollte, dann müßte sie nicht nur einen neuen geistigen Rahmen setzen, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
1.die Belastungen von den Familien mit Kindern auf die Kinderlosen umverteilen (denn bislang profitiert von Kindern derjenige am meisten, der keine hat);
2.die Arbeitgeber, die Frauen mit Kindern beschäftigen, vom Arbeitgeberanteil der Lohnnebenkosten befreien;
3.die Familienbildung bei jungen Frauen mit Abitur fördern und das auch schon während eines Studiums oder ohne;
4. für junge Frauen mit akademischen Abschlüssen Arbeitsstellen mit einer Laufzeit von sieben bis zehn Jahren schaffen und fördern -mit entsprechender Verlängerung, wenn in dieser Zeit Kinder geboren werden. Denn jede Gesellschaft gebiert sich die Zukunft, die ihr zusteht.“ (Ebd., 2012, S. 471).


Zum Kreislauf der Bevölkerungsqualität: Betrachtungen und Schlußfolgerungen Die Zukunftsszenarien der Psychohistorik.

„Einige Variablen sind in ihrer Bedeutung unstrittig, nämlich Energie, Informationsentropie der Strukturen, Bevölkerungszahlen, Bevölkerungsdichte, Rohstoffe und Entfernungen. Diese Variablen sind alle quantifizierbar und modellierbar. Künftige reale Modelle der Psychohistorik dürften noch eine ganze Reihe weiterer Variable enthalten: Klima, Preise, Aktienkurse, Wechselkurse, Goldvorräte u.s.w., die zumeist bei aktuellen Ereignissen im Vordergrund stehen. Sie sind so sehr Gegenstand der Tagespolitik, daß sie oft die Aufmerksamkeit von den langfristigen Veränderungen im Hintergrund ablenken, mit denen wir uns hier in diesem Buch befaßt haben.“ (Ebd., 2012, S. 472-473).

„Die Phase, die im Kreislauf der politischen Verfassungen erreicht worden ist, bestimmt die nächste Phase, bei der die Freiheitsgrade des politischen Handelns nicht mehr vollständig, sondern eingeschränkt sind. Die Massengesellschaft in ihrem Streben nach immer größerer Gleichheit erzeugt eine sich selbst verstärkende Ideologie, die selbst dann, wenn Minderheiten die Ursachen der krisenhaften Entwicklung durchschauen, einem Gegensteuern solange durch Meinungsterror entgegenwirkt, bis es zu spät ist und der Absturz ins Große Chaos unabwendbar geworden ist.“ (Ebd., 2012, S. 473).

„Wozu dann überhaupt Psychohistorik? Die Motive könnten oder sollten ähnlich wie bei Seldon („Science-Fiction“-Figur von Isaac Asimov; HB) und Meadows et al. liegen, nämlich katastrophale Niedergangsszenarien durch frühe Erkenntnis und durch unmittelbare oder mittelbare politische Beeinflussung zu vermeiden oder wenigstens abzumildern. Wer aber könnte Psychohistorik bis zur Anwendungsreife betreiben? In Demokratien, wie sie sich in reifen Industriegesellschaften ausbilden, stehen sowohl die kurze Zeit, für die Abgeordnete gewählt werden, als auch die ideologische Struktur, die bestimmte wichtige Variablen, etwa der erblichen Bevölkerungsqualität als gar nicht wichtig oder nicht vorhanden definiert, einer langfristigen wirklichkeitsnahen Modellierung entgegen (weshalb Müller-Benedict 2004 scheitern muß). Auch unabhängige Institute dürften dafür kaum die notwendige langfristige Finanzierung erlangen. Wer aber könnte solche langfristigen Interessen haben? Große Energiekonzerne? Vielleicht, aber kennen Sie ein Beispiel? Eher darf man bei den Geheimdiensten der großen Staaten je eine Abteilung oder zugeordnete Forscher vermuten, die sich mit langfristigen Prognosen der Machtstrukturen und Machtrelationen befassen, so wie Hari Seldon geduldet oder gar gefördert wurde, weil sich die Mächtigen von der Vorausschau seiner Modelle einen wichtigen Beitrag zu Machterhalt oder Machtzuwachs erhofften.“ (Ebd., 2012, S. 473).

„Ob mit oder ohne Hari Seldon, ob mit oder ohne Thilo Sarrazin (2010) - der große Rahmen der geschichtlichen Abläufe bleibt dadurch unverändert. Ein Buch oder eine Person hat darauf so gut wie keinen Einfluß, weder im Vordergrund des politischen Alltags und der Wirtschaft noch im Hintergrund der Forschung. Die möglichen Aussagen der Psychohistorik gelten nur für große statistische Massen, eine persönliche Einzelmeinung oder Tat zählt fast nichts.“ (Ebd., 2012, S. 473).

- Der Kreislauf der Industriegesellschaft bis zum Großen Chaos -
Kreislauf der Industriegesellschaft
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„Aus verständlichen Gründen waren es mathematisch Gebildete und Denkende, die eine Modellierung des Geschichtsablaufs für erstrebenswert und möglich hielten. Solche Äußerungen, Hoffnungen oder Vermutungen lassen sich bei einigen bedeutenden Männern des 19. Jahrhunderts nachweisen .... Das wäre jedoch ein Thema für sich. .... In die Fußstapfen der »Sozialen Physik« ... traten die Kybernetiker und treten heute diejenigen, die in den Disziplinen Soziophysik, Ökonophysik und Soziodynamik - oder wie sie sich noch nennen werden - die Voraussetzung für die mathematische Modellierbarkeit von Wirtschaft und Gesellschaft schaffen wollen. In der Physik sind alle Teilchen eines Gases gleich; Prognosen über das Verhalten der Einzelteilchen führen zu keinen Verhaltensänderungen. Menschen sind jedoch ungleich, und Prognosen verändern ihr Verhalten. Wenn die Physiker Ernst machen würden und in hierarchische Modelle der Sozialstruktur und der Struktur der Siedlungsräume die genetische Ungleichheit der Einzelmenschen, auch hinsichtlich ihres IQ, einführen würden, müßten sie um ihre Lehrstühle bangen. Deshalb scheuen die Soziophysiker und Soziodynamiker die Modellierung der wirklichen Wirklichkeit wie der Teufel das Weihwasser, und ihre Modelle bleiben bisher nur Glasperlenspiele. Etwas mehr Wagemut als bisher das Projekt Futur-ICT beweisen da schon einige Ökonomen.“ (Ebd., 2012, S. 476).

„Mit »Culturomics« hat eine spannende Entwicklung begonnen. Begriffe und Schlagwörter tauchen dann auf und werden dann verwendet, wenn für brennende Fragen nach treffenden Bezeichnungen gesucht wird. Man kann also aus dem Entstehen von Begrif fen und der Häufigkeit ihrer Verwendung auf gesellschaftliche Entwicklungen und ihren Brennwert schließen. Sucht man zum Beispiel mit dem Google-Books-Ngram-Viewer in deutschsprachigen Büchern der Jahre 1800 bis 2000 nach dem Begriff »Begabung«, dann erhält man fast eine Normalverteilung, deren Anstieg und Abfall die einstige Weltgeltung deutscher Wissenschaft widerspiegelt (den 1. Weltrang, denn Deutschland war in allen Bereichen Weltmeister [**]! HB).“ (Ebd., 2012, S. 476).

„»Monarchie« und »Demokratie« beschäftigen die Bücherschreiber um 1850 und 1920 besonders, also in zeitlichem Einklang mit den revolutionären Ereignissen 1848 und 1918. Die Monarchie wird dabei bis 1910 mindestens doppelt so häufig genannt wie die Demokratie. Dann aber, um 1930 kreuzen sich die Häufigkeitskurven, und die Monarchie spielt seitdem eine immer geringere Rolle.“ (Ebd., 2012, S. 476-477).

„»Kommunismus« erreichte seinen Gipfel kurz nach 1960, und mit dem Verfall seiner Macht verfiel auch die vordergründige Beschäftigung mit der Idee. Aber auch die »Demokratie« erlebte ihren Gipfel um 1970 und verliert seitdem an Bedeutung, mit einem kurzen Zwischenhoch um 1990. Was tritt an ihre Stelle? Als neue geistige Klammer dient der »Antifaschismus«, der erst seit etwa 1990 so richtig in Schwung kommt. Ich erinnere mich: In der Sowjetischen Besatzungszone war von 1945 bis 1949 die »antifaschistischdemokratische Umwälzung« die Vorstufe zur »Volksdemokratie«, womit man die Abschaffung der freiheitlichen Demokratie bezeichnete.“ (Ebd., 2012, S. 477).

„Immer häufiger lesen wir »sozial« (seit 1880 verwendet) und »Sozialstaat«, dessen Anwendung seit 1940 stetig und exponentiell wächst. Wenn man die im Titel unseres Buches und in den Überschriften seiner Kapitel und Abschnitte verwendeten Begriffe nachschlägt, bekommt man die schon früher getroffenen Feststellungen noch einmal in eindrucksvoller Weise bestätigt: »Zentralisierung« und »Bürokratisierung« wachsen seit 1880 exponentiell, »Steuergerechtigkeit« seit 1860, der »Energiepreis« seit 1900. Vom »Leistungsprinzip« ist erst seit 1920 die Rede, da es vorher für das Bürgertum selbstverständlich war. Die »Einheitsschule« wird erstmals um 1880 gefordert. Und man schlage »Bildungswachstum«, «Frauenwahlrecht«, »Kinderzahl«, »Lohnnebenkosten«, »Sozialhilfe«, »Reichensteuer«, »Überbevölkerung«, »Bevölkerungsdichte«, »Unterwanderung«, »Staatsverschuldung« und vieles andere mehr nach, und man wird die grundlegenden Entwicklungen bestätigt bekommen, mit denen wir uns in diesem Buch hier befaßt haben. Wörter sind klingende Waffen, wenn man die Sachverhalte dazu verändern will oder sich von Veränderungen bedroht sieht und dagegen ankämpfen will. Weswegen hätte irgend jemand vor 1920 etwas über »Altersstruktur« schreiben sollen? Man schrieb statt dessen über »Wehrfähige«. Wenn es gelingt, in Büchern und Nachrichten aller Art nicht nur den einzelnen Begriff, sondern auch den Sinnzusammenhang zu erschließen, in dem er verwendet worden ist, dann lassen sich tief- und hintergründige Veränderungen auf diese Weise messen. Schon ist es gelungen, auf diese Weise politische Unruhen einige Zeit vorher zu erkennen. Wenn aber die Modelle so weit entwickelt worden sind, daß man damit den Zusammenbruch des Ostblocks einige Jahre vorher ziemlich jahresgenau hätte berechnen können, wird man auch über den Zeitpunkt des Großen Chaos etwas sagen können.“ (Ebd., 2012, S. 477).

„Wohlgemerkt, an keiner Stelle wurde von mir behauptet, Bevölkerungsdichte oder Bevölkerungsqualität würden den Gang der Geschichte bestimmen. Sie sind jedoch Teil eines Kreislaufs von Wirtschaft und Verfassung, der bei jedem Schritt mit Dichte, Ausbildung und Qualität der Bevölkerung rückgekoppelt ist. Die Politik ist der Schaum, der dabei auf den Wellen geschlagen wird, mehr nicht. Die Politiker indes halten sich für die Treibenden der Geschichte, sind aber 'nur Getriebene und versuchen etwas zu regeln, was sich allein regelt. Mögen sie als Einzelne durchaus zu richtigen Einsichten fähig sein, so ist ihnen in einer Massengesellschaft die Macht und die Fähigkeit versagt, den statistischen Gesetzen der Geschichte wirkungsvoll und dauerhaft entgegenzutreten. Obwohl ein Teil der Gesellschaft die verhängnisvollen Zusammenhänge durchschaut (so wie ein Teil der Leser von Sarrazin 2010) und eine Gegensteuerung anstrebt, sind die Entscheidungen der gewählten Politiker in das ideologische Korsett des Zeitgeistes gepreßt, der den Spielraum der Handlungsmöglichkeiten einengt.“ (Ebd., 2012, S. 477-478).

„Die Extremisten aller politischen Richtungen verkünden mit voller Überzeugung: Unsere Zeit wird kommen! Sie werden alle recht bekommen, nur die Reihenfolge, der Zeitpunkt und die Dauer der Zwischenschritte bleibt die offene Frage. Auch künftige Zeiten werden ihre Robespierres und Napoleons haben.“ (Ebd., 2012, S. 478).

„»Es sind vor allem zwei innerlich verwandte Erscheinungen«, so Domarus, »die wir in den Verfallszeiten der Nationen immer wiederfeststellen können. Die eine ist der Ersatz des Persönlichkeitswertes durch einen nivellierenden Begriff in der Demokratie. Die andere ist. ..die Verneinung der Verschiedenartigkeit der Veranlagung, der Leistung. .... Es ist nur logisch, daß die Demokratie, die im Inneren eines Volkes den besonderen Wert des einzelnen negiert ..., im Völkerleben genau so verfährt und dort zum Internationalismus ausartet. Im großen heißt es: Es gibt keine angeborenen Volkswerte, sondern es treten höchstens vielleicht augenblickliche Erziehungsunterschiede in Erscheinung. ... Diese Auffassung, die die Basis unserer ganzen heutigen internationalen Gedankenwelt ist, ... führt zwangsläufig in der weiteren Konsequenz dahin, daß man gleicherweisen erst recht innerhalb eines Volkes Unterschiede im Werte der einzelnen Angehörigen dieses Volkes negiert. Damit kann natürlich auch jede vorhandene besondere Fähigkeit, jeder vorhandene Grundwert eines Volkes praktisch wirkungslos gemacht werden. Denn die Größe eines Volkes ergibt sich nicht aus der Summierung aller Leistungen, sondern letzten Endes aus der Summierung der Spitzenleistungen. .... Dieses ganze Kulturgebäude ist in den Fundamenten und in allen Steinen nichts anderes als das Ergebnis der schöpfe~ischen Fähigkeit, der Leistung der Intelligenz, des Fleißes einzelner Menschen, in den größten Ergebnissen auch die große Schlußleistung einzelner gottbegnadeter Genies, in den Durchschnittsergebnissen die Leistung der durchschnittlich fähigen Menschen und im Gesamtergebnis zweifellos das Resultat aus der Anwendung der menschlichen Arbeitskraft zur Verwertung der Schöpfung von Genies und Talenten. Damit aber ist es natürlich, daß, wenn immer die in der Minderzahl befindlichen fähigen Köpfe einer Nation wertmäßig gleichgesetzt werden all den anderen, damit langsam. ..eine Majorisierung der Fähigkeit und des Persönlichkeitswertes einsetzen muß, eine Majorisierung, die man fälschlicherweise dann als Volksherrschaft bezeichnet. Denn dies ist nicht Volksherrschaft, sondern in Wirklichkeit Herrschaft der Dummheit, der Mittelmäßigkeit, der Unzulänglichkeit. .... Damit aber wird die Demokratie praktisch zur Aufhebung der wirklichen Werte eines Volkes führen. Es ist daher auch erklärlich, daß Völker mit einer großen Vergangenheit, von dem Zeitpunkt an, da sie sich unbegrenzter demokratischer Massenherrschaft hingeben, langsam ihre frühere Stellung einbüßen: denn die vorhandenen und möglichen Spitzenleistungen Einzelner auf allen Gebieten des Lebens werden nunmehr dank der Vergewaltigung durch die Zahl praktisch unwirksam gemacht. Damit aber wird ein solches Volk allmählich nicht nur an kultureller, nicht nur an wirtschaftlicher Bedeutung, sondern an Gesamtbedeutung überhaupt verlieren. ....
Das Privateigentum ist nur dann moralisch und ethisch zu rechtfertigen, wenn ich annehme, daß die Leistungen der Menschen verschieden sind. .... Wenn aber die Ergebnisse der Leistungen der Menschen verschieden sind, ist es zweckmäßig, auch die Verwaltung dieser Ergebnisse ungefähr im entsprechenden Verhältnis den Menschen zu überlassen. .... Dies jedoch zugegeben, ist es jedoch Wahnsinn zu sagen: Auf wirtschaftlichem Gebiete sind unbedingt Wertunterschiede vorhanden, auf politischem Gebiete aber nicht! Es ist ein Widersinn, wirtschaftlich das Leben auf dem Gedanken der Leistung, des Persönlichkeitswertes ... aufzubauen, politisch aber diese Autorität der Persönlichkeit zu leugnen und das Gesetz der größeren Zahl, die Demokratie, an dessen Stelle zu schieben. Es muß damit langsam ein Zwiespalt zwischen der wirtschaftlichen und politischen Auffassung entstehen. .... Wenn aber behauptet wird, daß auf politischem Gebiet besondere Fähigkeiten nicht nötig seien, ... dann wird man eines Tages diese selbe Theorie von der Politik auch auf die Wirtschaft übertragen. .... In einem Staat, in dem das ganze politische Leben sich auf den Gedanken der Demokratie aufbaut, muß die Armee allmählich ein Fremdkörper werden. .... Zwei Prinzipien stehen sich schroff gegenüber: das Prinzip der Demokratie ... und das Leistungsprinzip.« (Max Domarus, Hitler - Reden und Proklamationen 1932-1945, 1962, S. 71 ff.).“ (Ebd., 2012, S. 478-479).

„Für den Weitsichtigen geht es heute jedoch nicht mehr um Staaten, Staatspolitik oder das Überleben von Völker, sondern nur noch darum, welche Minderheiten überleben werden, und zwar wo, warum und wozu. In aller Regel verbindet ein Prophet des Untergangs seine Botschaft zugleich mit einer Heilslehre. Man müsse nur schnell das und jenes ändern und das und jenes glauben, dann würde schon alles noch gut werden. Ich habe nichts dergleichen anzubieten. Das Große Chaos bedeutet nicht den Weltuntergang. Wenn sich der Kreis geschlossen hat, werden für einen neuen Anfang neue Werte gesetzt werden. Es wird in den einzelnen Weltregionen unterschiedliche Neuanfänge geben. In einer untergehenden Ordnung zeichnen sich bereits die ersten Umrisse der Zukunft ab. Im untergehenden Römischen Reich gewann das Christentum allmählich und lange an Boden, ehe es reif war, den Staat zu beherrschen. Heute bekennen sich immer mehr Menschen nicht nur zum Islam, sondern zum Beispiel in Lateinamerika auch zu den protestantischen Freikirchen. In den Katastrophen verschwanden stets die großen und hochspezialisierten Tiere, die kleineren und anspruchslosen Arten überlebten. Wenn Sie in den nächsten Jahren wissen wollen, mit welcher Geschwindigkeit wir uns dem Großen Chaos nähern, dann verfolgen Sie aufmerksam die nach oben weisende Kurve der weltweiten Statistik der großflächigen Stromausfälle. Elektrischer Strom ist das Blut der Industriegesellschaft, wenn er ausfällt, bricht unsere Zivilisation zusammen. Indem die Politik und die Medien Druck auf die Netzbetreiber ausüben, Kraftwerke abschalten, den Bau neuer Kraftwerke und Überlandleitungen behindern und verzögern und damit die Stromnetze an ihre Belastungsgrenze bringen, erhöhen sie - so Gott will - die Wahrscheinlichkeit des unausbleiblichen Zusammenbruchs. Man blicke nach Südafrika.“ (Ebd., 2012, S. 479).

„In dem Buch hier bin ich dem Thema Atomkraft und Atomausstieg aus dem Wege gegangen. Aus gutem Grund: So wie die fossilen Brennstoffe, so ist auch die Atomenergie eine endliche Energiequelle, noch dazu mit schwer einzuschätzenden Risiken. Ihre Verwendung oder Nicht-Anwendung schafft keine völlig neuen Tatsachen. Dennoch kann sie als Brückentechnologie gerade dann, wenn sich die fossilen Brennstoffe in den nächsten Jahrzehnten stark verteuern, eine große Bedeutung erlangen. Nach Fukushima forcieren einige wenige Länder den Atomausstieg so, als wollten sie das Eintreffen des Großen Chaos beschleunigen und seine Auswirkungen verstärken. In Deutschland sind es insbesondere die Umverteilungsparteien, die in dieser Richtung agieren. Sie beschwören die rettenden Innovationskräfte, die sie - und das ist das Erstaunliche und dabei Erfreuliche - weniger bei staatlicher Planung als im freien Unternehmertum vermuten. Die Umverteilungsparteien glauben mit ihrer Politik, deutsche Unternehmer zum Weltmarktführer bei Technologien für »erneuerbare Energien« (Anführungszeichen von mir, weil es »erneuerbare Energien« nicht gibt [**]; HB) und Energieeinsparungen zu machen. Gott gebe, sie mögen recht behalten! Wenn die Energiekosten steigen - und sie steigen in jedem Falle -, dann wird es die Wähler der Volksparteien am stärksten treffen. Ob sie dann noch die Begeisterung und Meinung der Parteiführungen teilen, werden wir alle erleben. Andere Länder und Parteien kennen vernünftige Gründe, die Atomenergie weiterhin zu nutzen. Wann wirbt in Mitteleuropa eine Partei um die Wählerstimmen, die sich solchen Gründen nicht verschließt?“ (Ebd., 2012, S. 479-480).

„Die »erneuerbare Energien« (Anführungszeichen von mir, weil es »erneuerbare Energien« nicht gibt [**]; HB) sollte man zutreffender als unzuverlässige Energien bezeichnen. Stellen Sie sich eine sehr kalte, stabile Hochdruck-Wetterlage im November oder Februar vor, in der wochenlang kein Lüftchen weht und dicker Hochnebel die Sonne verdeckt. Bei solchen Wetterlagen erreicht der Energiebedarf in ganz Mittel- und Osteuropa ein Maximum. Wenn Deutschland dann in dieser Situation in erheblichem Maße auf Sonnen- und Windenergie angewiesen sein sollte, so kann man sich ausmalen, was sich abspielen wird, wie verwundbar und erpreßbar das Land werden wird. Um den wochenlangen Fast-Totalausfall von Sonne und Wind zu kompensieren, müßte dann eine Überkapazität an Speichern und Kraftwerken auf anderern (d.h. aber fossiler) Energiebasis bereitstehen, deren Bau in der Gegenwart ja gerade auch politisch verhindert werden soll.“ (Ebd., 2012, S. 480).

„»Ohne Gott und Sonnenschein, bringen wir die Ernte ein!«, meinten in den 1950er Jahren die Kommunisten in der DDR. Ohne Atom und Kohle, aber auf Sonne und Wind und einige anderen Zutaten, darauf will oder muß man/frau in Zukunft setzen. Einerseits ist man technik- und fortschrittsgläubig ..., andererseits traut man bewährten und seit Jahrzehnten ohne Katastrophe laufenden Kraftwerken keine weiteren Verbesserungen der Sicherheit zu und malt den Teufel an die Wand. Wie von einem Wahn befallen, gibt man ohne zwingende Not Sicherheiten und Alternativen preis, schaltet Anlagen ab und zerstört sie, auf die man in tatsächlicher Not wieder setzen könnte und müßte. Planung und Aufbau neuer Kraftwerke dauern stets mehrere Jahre, und die entstandenen Schäden am wirtschaftsleben werden sich dann so schnell nicht mehr beheben lassen. Wie viele Menschen werden überhaupt in der Lage sein, die »sauberen« »Energien« (die letzten Anführungszeichen von mir, weil es die Pluralform für »Energie« nicht gibt [**]; HB) noch zu bezahlen? So sauber, daß man weltweit nach den seltenen Rohstoffen suchen muß, die man zur Fertigung einer Solarzelle braucht. Wer hat Kenntnis davon, wieviel Energie in Konstruktion, Material und Bau eines wirksamen Windrades gesteckt werden muß, ehe es die Vögel am Himmel schrecken kann? Wie oft es gewartet und wie rasch es ersetzt werden muß?“ (Ebd., 2012, S. 480).

„Die Frage ist eigentlich nur, ob auf das Große Chaos ein lange währendes neues Mittelalter folgen wird, in dem ein großer Teil unser Zivilisation verlorengeht und technischwissenschaftlicher Fortschritt erst nach sehr langer Zeit wieder möglich sein wird. Oder wird unser Wissen im wesentlichen erhalten bleiben? Werden genügend fähige Ingenieure ausgebildet werden und überleben? Der klare nüchterne-Blick in den Abgrund, der sich vor uns auftut, kann deshalb für Minderheiten, die sich vorbereiten wollen und können - und um die geht es eigentlich nur noch -, eine Überlebenshilfe sein. Die utopische Literatur empfiehlt bei weltweiten Katastrophen Bergregionen und Inseln für Überlebensentschlossene. Auch ist die Abfolge der Ereignisse und die Tiefe des Sturzes ins Chaos keineswegs heute schon vorgezeichnet, sondern kann durch unser aktives Handeln zeitlich gestreckt und gemildert werden, mit sich daraus ergebenden besseren Aussichten im Hinblick auf die Bewahrung geistiger und materieller Werte. Wer meint, daß die Erde am Ende dieses Jahrhunderts nur noch zwei Milliarden Einwohner haben wird, gegenüber neun Milliarden um 2040, der möchte nicht recht behalten, sondern gern widerlegt werden.“ (Ebd., 2012, S. 480-481).

„Wer British-Columbia oder Australien bereist, der begreift, daß eine hochentwickelte Zivilisation auch mit einer geringen Bevölkerungsdichte möglich ist. Keine Katastrophe bisher konnte die Menschheit bis auf den Faustkeil zurückwerfen. Die technische Entwicklung vollzog sich nicht als Kreislauf, sondern als Spirale. Die Welt danach könnte also eine hochtechnisierte sein - viel, viel höher als die unsere heute -, und eine Welt, in der viel weniger Menschen leben. Die Frage, ob diese Menschen, die in einen neuen Kreislauf eintreten, auch eine Sozialstruktur erfinden, die dauerhaft einen durchschnittlich höheren IQ erträgt oder gar voraussetzt, kann niemand beantworten. Denn einer patriarchalischen Gesellschaft mit einer nicht-egalitären Religion könnte das nächste Imperium so lange gehören, bis auch sein Zerfall wieder einsetzen wird. Fritz Lenz ahnte das: »Die abendländischen Völker werden voraussichtlich durch kinderreichere ersetzt werden. .... Das Erdreich werden voraussichtlich jene besitzen, die entweder eine naive Fortpflanzung bewahren oder denen die Kultur der Familien im Mittelpunkt der religiösen Bindung steht.« (Fritz Lenz, Diesseits von Gut und Böse, 1931, S. 10).“ (Ebd., 2012, S. 481).

„Im Schoße unserer alten Welt ist die neue daran zu erkennen, daß durch die neue Technik Millionen Geringqualifizierte freigesetzt und dauerhaft arbeitslos werden. In vielen Situationen sind die nationalen Regierungen nichts weiter mehr als die von den international handelnden Konzernen, Spekulanten und Banken Getriebenen, von einer Krise in die nächste. Weltweit werden Milliarden Menschen überflüssig und fallen oft ohne persönliche Schuld, in die Sozialsysteme, sofern vorhanden. Ausgerechnet in dieser Entwicklungsphase - um 2035 - kulminieren dann auch die Altenanteile in den Industrieländern und das Ansteigen der Energie- und Rohstoffpreise, ehe sinkende Bevölkerungszahlen nach 2050 eine Entlastung verheißen. Die Geschichte muß sich durch ein Nadelöhr zwängen; der Gang durch das Fegefeuer des Großen Chaos wird uns und unseren Kindern und Enkeln kaum erspart bleiben.“ (Ebd., 2012, S. 481).

„»Der molekulare Bürgerkrieg beginnt unmerklich, ohne allgemeine Mobilmachung. Allmählich mehrt sich der Müll am Straßenrand. Im Park häufen sich Spritzen und zerbrochene Bierflaschen. An den Wänden tauchen überall monotone Graffiti auf. .... Im Schulzimmer werden die Möbel zertrümmert, in den Vorgärten stinkt es nach Scheiße und Urin. Es handelt sich um winzige, stumme Kriegserklärungen, die der erfahrene Städtebewohner zu deuten weiß. .... Reifen werden zerstochen, Nottelefone mit der Drahtschere unbrauchbar gemacht, Autos angezündet. .... Die Jugendlichen sind die Vorhut des Bürgerkriegs. .... Doch ist alles, was sie exekutieren, latent auch bei ihren Eltern vorhanden: eine Zerstörungswut, die nur notdürftig in gesellschaftlich geduldeten Formen kanalisiert wird, als Autowahn, Arbeits- und Freßsucht, Alkoholismus, Habgier, Prozeßwut, Rassismus und Familiengewalt. ....
Wenn ich spät abends in die S-Bahn steige, passiert folgendes. .... Der Zug hält, und es steigen vier Kerle um die zwanzig ein. Die üblichen Lederjacken, die üblichen Stiefel. Sie sind ziemlich laut und reden in einer Sprache, die ich nicht verstehe, vielleicht Arabisch. Ihre Haltung ist herausfordernd, sie bewegen sich durch den Wagen, als seien sie auf der Suche nach Opfern. Sie kommen näher, und sofort fühle ich mich bedroht. Sie fixieren mich. .... Dann gehen sie weiter, und mein Blick fällt auf die Gesichter der anderen Passagiere. Sie sind verbittert, wuterfüllt, von einer eigentümlich verzerrten Häßlichkeit. Die Sätze, die sie hervorstoßen, kenne ich nur zu gut. Sogar der alte Mann ist aufgewacht und murmelt etwas von Aufhängen und Abknallen. ....
Der Schulausflug meiner Tochtern ... scheitert daran, daß es in ihrer Klasse drei Türkinnen gibt; die Eltern verbieten die Teilnahme, weil ihnen das Risiko zu groß ist. Das ist ein Indiz dafür, daß es öffentliche Räume gibt, ... die man nicht mehr ungefährdet betreten kann. Neu ist das nicht. Schon vor Jahren wurde Berlin-Kreuzberg von zweihundert Personen beherrscht, die sich Autonome nannten. .... In manchen Stadtteilen gilt das Faustrecht. Die Polizei, die sich unterlegen fühlt, wagt sich nicht mehr hinein und wird damit zum stillen Komplizen. ....
Unter solchen Bedingungen kommt es zu einer doppelten Migration: zur Zuwanderung von Schlägerbanden im rechtsradikalen Kostüm, und zur Flucht der Gefährdeten, zu denen anfangs Ausländer und Andersdenkende zählen, letzten Endes aber alle, die sich dem Terror nicht unterwerfen wollen. Die Perspektive ist der Zerfall des Territoriums. Ein wesentlicher Faktor bei solchen Prozessen ist, wie in den USA, die Deindustrialisierung. Es entstehen geschützte Gebiete mit eigenen Sicherheitsdiensten auf der einen, Slums und Ghettos auf der anderen Seite. In den preisgegebenen Stadtteilen haben Ämter, Polizeistreifen und Gerichte nichts mehr zu sagen. ....
Ein Sonderfall sind die Grenzregionen mit ihren eigenen Spielregeln und Turbulenzen. Schmugglen, Schleppergeschäft und Kriminalität haben dort die Standards des Umgangs bereits gründlich verändert. Dazu tragen auch die illegalen Zuwanderer bei, die ... für die üblichen Verkehrsformen kaum Verständnis aufbringen. Aber auch von den Einheimischen fallen die Normen der Zivilisation rasch ab. .... Am Ende zählt nur noch die Knarre. ....
Wer nicht flieht, mauert sich ein. .... Auch im Innern der Metropolen bilden sich Archipele der Sicherheit, die verteidigt werden. In den großen amerikanischen, afrikanischen und asiatischen Städten gibt es längst Bunker der Glückseligen, die von hohen stacheldrahtbewehrten Mauern umgeben sind. Manchmal sind es ganze Viertel, die nur mit Sonderausweisen betreten werden können. Schranken, elektronische Kameras und scharf dressierte Hunde kontrollieren den Zugang. Maschinengewehrschützen auf Wachtürmen sichern die Umgebung. ....Werden Polizei und Justiz der Lage nicht mehr Herr, sofern überhaupt noch verhaftet wird, verwandeln sich die überfüllten Gefängnisse in Trainingslager für die Kombattanten. .... Immer mehr Menschen werden in den Strudel von Angst und Haß gezogen, bis der Zustand völliger Asozialität erreicht ist.« (Hans Magnus Enzensberger, Aussichten auf den Bürgerkrieg, 1993 S. 10 ff.).“ (Ebd., 2012, S. 481-482).

„Zum Abschluß bleibt uns nur noch übrig, zwei Szenarien zu umreißen: Im ersten Szenario führt, wie eben angedeutet, katastrophaler Niedergang im Großen Chaos zum Zusammenbruch der Zivilisation. Der Welthandel erlischt. Kriege, Bürgerkriege, Pogrome, Hungersnöte und Seuchen dezimieren die Einwohnerzahlen. Alle großen Städte verfallen. Es bleiben nur noch wenige Kerne in entlegenen Gebieten verhältnismäßig intakt. Sie stehen aber untereinander nicht mehr im Austausch, so daß die wissenschaftliche und technische Entwicklung abbricht. Erst nach Jahrhunderten setzt eine neue Höherentwicklung wieder ein.“ (Ebd., 2012, S. 482).

„Im zweiten Szenario droht alles wie im ersten Szenario abzulaufen. Jedoch wird der Niedergang gebremst, weil rechtzeitig neue Energiequellen zu erschwinglichen Preisen erschlossen werden und die Verteufelung und Behinderung der bewährten Energiegewinnung in einigermaßen vernünftigen Schranken gehalten werden kann. Auf dem brandwichtigen Feld der Energiewirtschaft gelangen einige bahnbrechende Entdeckungen und Erfindungen bis zur Anwendung. Auch im zweiten Szenario verringert sich die Weltbevölkerung dramatisch, viele große Städte und ganze Gebiete versinken irn Großen Chaos, jedoch bleiben einige Kerne mehr oder weniger intakt und stehen weiterhin im Austausch von Gütern und Ideen. Obwohl das Entwicklungstempo zeitweise stark gebremst ist, setzt sich die Entwicklung von Technik und Wissenschaft fort. Durch neue Technologien, wie Gentechnik und Nanotechnik, entstehen völlig neue Felder wirtschaftlicher Betätigung. Jeder vernünftige Mensch wird danach streben, seinen Beitrag zu leisten, damit dieses zweite Szenario eine größere Wahrscheinlichkeit hat als das erste.“ (Ebd., 2012, S. 483).

„Mit dem allergrößten Fragezeichen für eine globale Entwicklung und Prognose ist die künftige Rolle Chinas verbunde. Als Außenstehender, der nicht Chinesisch kann, ist mir jedoch kein qualifizierter oder gar kritischer Einblick in die inneren Probleme Chinas möglich. So wie sich die meisten Kremlkenner gründlich geirrt haben, so kann auch das Expertenwissen über China irreführend sein. Die energetischen Grundlagen, auf denen sich der Aufstieg Chinas zur neuen Hegemonialmacht vollzieht, sind heute vor allem kohlegetrieben und endlich. Auch China droht deshalb wieder einmal der innere Verfall und Zerfall. Aber in welcher zeitlichen Relation wird dieser Verfallsprozeß zu dem stehen, der in den USA abläuf? Ob das eine Land zwanzig Jahre früher oder später irn Chaos versinkt, wenn der Gegenspieler zu dem Zeitpunkt noch verhältnismäßig stabil ist, das kann der entscheidende Unterschied sein. Um diese Frage beantworten zu können, müßte die Psychohistorik die Realität so gut modellieren können, wie es vielleicht frühestens im nächsten Zeitalter, also nach der Industriegesellschaft, der Fall sein könnte.“ (Ebd., 2012, S. 483).

„Bei einem meiner Vorträge äußerte ein Zuhörer, er ziehe es trotz meiner Ausführungen vor, Optimist zu bleiben. Was unterscheidet Optimisten (nd Pessimisten? Als mir vor dreizehn Jahren ein Arzt beibringen wollte, ich hätte nur noch drei Monate Lebenserwartung, lehnte ich seine Diagnose rundweg ab, lachte und blieb Optimist. Durch das Fortschreiten der Krankheit eines Besseren belehrt, unterzog ich mich dann doch der notwendigen Chemotherapie, die mich an einen Punkt führte, an dem ich den baldigen Zusammenbruch der eigenen Verteidigungskräfte vorhersah, und ich war Pessimist. Der Arzt versicherte mir, mein Körper besitze noch eine letzte Verteidigungslinie, die er nun aktivieren würde, was auch geschah.“ (Ebd., 2012, S. 483).

„Der Arzt war in keiner Situation Optimist oder Pessimist, sondern zog nur aus seinen mir weit überlegenen Fachkenntnissen die richtigen Schlüsse. So verstehe ich mich mit diesem Buch hier als ein Arzt am Krankenbett der Geschichte. Aber als einer, der kein Heilmittel kennt, sondern der nur diagnostiziert.“ (Ebd., 2012, S. 483).

»Man hat die Demokratie eine ›Vollendung‹ nennen wollen«, stellte der Soziologe Robert Michels fest und setzte dem entgegen: »Das aber ist pure Ideologie. Es muß erklärt werden, daß es keine Vollendungstheorie geben kann. Die Entwicklung hat keine erkennbaren Ziele; die Geschichte vollzieht sich nicht in einer geraden Linie. Sie stellt sich, ganz besonders in den Staatsformen und Massengefühlen, umgekehrt in wahrnehmbarem Gewoge des Hin und Her dar: .... Die Geschichte besteht aus in ewiger Aufeinanderfolge einander abwechselnden demokratischen und aristokratischen, sozialen und nationalen Perioden. Wohin führt uns letztlich die Geschichte? Zur Erkaltung der Erde? Zu Gottes ewigem Gericht? Wir wissen es nicht; aber das können wir schon sagen: genau wie die Aristokratie, so ist, historisch gesprochen, auch die Demokratie, als Staatsform wie als Massengesinnung, nicht eine Vollendung.« (Robert Michels, 1928, Grundsätzliches zum Problem der Demokratie, S, 290).“ (Ebd., 2012, S. 483-484).

Zitate: Hubert Brune, 2007 (zuletzt aktualisiert: 2013).

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