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- Hochkulturelle Historiographie - |
Die
Antike war noch eine Frühkultur, als die Griechen begannen, die für
sie redundanten Konsonanten aus der phönokischen Schrift zu Vokalen zu machen.
Die griechische Schrift, d.h. das griechische Vokalalphabet kommt also selbst
noch aus der Frühgeschichte. | Der Begriff Hochgeschichte muß erklärt werden, damit keine Mißverständnisse entstehen. Dieser Begriff sollte nicht mit dem der Alten Geschichte verwechselt werden, denn im Unterschied zu diesem, der sich nur auf einen Zeitabschnitt bezieht, konzentriert sich jener ganz besonders auf die historiographischen Formen in den hochkulturellen Phasen einer jeden Kultur. Er bezieht sich auf die jugendhaft historiographierende Hochkultur, auf das sommerliche Quartal der historiographierenden Kulturen. Beispiele klassischer Geschichtsschreibung: | |||
Beispiel (Kultur) | Stufe der Historiographie | Text zur Kulturgeschichte | ||
Mesopotamien
* Antike * Abendland * |
Hochkultur (ca. 2850 bis 2510) Hochkultur (ca. 700 bis 359) Hochkultur (ca. 1453 bis 1789) | |||
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Geschichtsstufe |
Historiographische Werkzeuge | Hauptmotive | ||
| (1)
Bildkunst (1) + (2) Schrift (1) + (2) + (3) Hilfsmittel |
(1) Religion, Gedenkbild (1) + (2) Ökonomie, Besitz (1) + (2) + (3) Wissenstechnik | ||
- Geschichtsphilosophie und Geschichtswissenschaft - |
Um Erfahrung weiterzugeben, wollten die Griechen das Traditionsgut mit einem unbedingten Wahrheitsanspruch überliefern sowie Gründe und Zusammenhänge historischer Vorgänge aufzeigen. Sie wollten also eine ganz eigene, hochkulturelle Geschichtsschreibung, die sie von der eigenen Frühgeschiche befreite. (). Ihre Geschichtsschreibung wurde mehr und mehr ausdifferenziert und mündete schon bald in die Philosophie. In der Antike begann die Geschichtsphilosophie mit den Untersuchungen von Hekataios (560-480), Herodot (484-425) und Thukydides (460-400) über die Kräfte der geschichtlichen Bewegung, ging weiter über Xenophon (430-354), um mit dem Hellenismus ins zivilisatorische oder spätkulturelle Quartal zu münden, z.B. mit Alexanders Hofschriftsteller Kallisthenes (370-327), mit Polybios (201-120) bis hin zu der ganzheitlichen Auffassung des Poseidonios (135-51) und zur sittlich-politischen des Plutarch (45-120). ().Im Abendland erfolgte die Verbreitung einer modernen Staatengeschichte seit dem Ende des 15. Jahrhunderts (Renaissance-Ironie). Sie entwickelte sich einerseits aus dem entstandenen bürgerlichen Selbstbewußtsein, anderserseits aus der Abwendung von der Kirchenchronistik und der Hinwendung zu einer Weltchronistik, die der Humanismus beim gebildeten Bürgertum hervorgerufen hatte. Obwohl danach unter dem Einfluß der Glaubenskämpfe die von den Humanisten vernachlässigte Kirchengeschichte wiederentdeckt wurde, ging die Geschichtsbetrachtung - somit auch die Geschichtsschreibung - doch immer mehr in eine nicht-kirchliche, also weltliche Richtung. Einen uralten teutschen Beitrag zur deutschen Geschichtsschreibung leistete Johannes Turmayr (1477-1534). Im 16. Jahrhundert wurde eine reichspublizistische Geschichtsschreibung von Johannes Sleidanus (1506-1556) begründet, im 17. Jahrhundert brachten die inneren Auseinandersetzungen in England die Parteien-Geschichtsschreibung hervor. Die benediktinischen Mauriner entwickelten die philologische Quellenkritik und begründeten auch die historischen Hilfswissenschaften wie z.B. die Urkundenlehre (Diplomatik). Als Begründer der wissenschaftlichen Archäologie und damit auch der spätkulturellen oder zivilisierten Historiographie kann man jedoch nur einen ansehen, der gleichzeitig auch Wegbereiter des Klassizismus war: Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), dessen Hauptwerk Geschichte der Kunst des Altertums 1764 erschien. (). In Deutschland wurden die Hilfswissenschaften v.a. durch das wissenschaftliche Programm der 1819 von Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein (1757-1831) gegründeten Gesellschaft für Ältere Deutsche Geschichtskunde (vgl. Monumenta Germaniae historica = Historische Denkmäler Deutschlands) gefördert und damit zum Bestandteil spätkultureller oder zivilisierter Historiographie. ().Die Geschichtsschreibung der Aufklärung unterzog die historische Überlieferung und die herkömmlichen Autoritäten einer schonungslosen, an der Rationalität orientierten Kritik. Die Historiker der Aufklärung waren die ersten, die die Geschichte nicht mehr ausschließlich vom Standpunkt der Regierenden beurteilten, sondern auch aus der Perspektive der Untertanen. Sie überwanden die heils- und territorialgeschichtliche Verengung durch eine an der Entwicklung der Menschheit orientierte Universalgeschichte. Neue Sachgebiete wurden erschlossen oder entstanden: Kulturgeschichte, Rechtsgeschichte, Verfassungsgeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Kolonialgeschichte; Hauptanliegen war dabei die systematische Erforschung von Ursachen und Wirkungen. Von Bedeutung für die Entwicklung der deutschen Geschichtsschreibung war die deutsche Aufklärung, aber kaum die englische Aufklärung (Hume, Gibbon, Robertson), wohl aber die französische Aufklärung (Montesquieu und Voltaire). Eine methodisch-fortschrittliche deutsche Historiographie wurde aber trotzdem erst wesentlich gefördert durch die Göttinger Historische Schule (z.B. Gatterer, Heeren, von Schlözer, von Spittler u.a.), die Geschichtsvereine und die wissenschaftlichen Akademien, sie alle betrieben bereits zivilisierte Historiographie. (). | -
Vierkraft
- Die Antike entwickelte ein Vokal-Alphabet, das Abendland bewegliche Buchstaben und später ein Elektronik-Alphabet. Auch ohne Text-Elektronik war die Antike nicht weniger attraktiv als das spätere Abendland. Das
ewige Inferior Der Antike fehlte nicht die Moderne an sich, der Antike fehlte eine abendländische Moderne. (). |
Historiographierte Kelten und Germanen: 8. Jh. v. Chr. - 4. Jh. v. Chr.- Antike Historiker beschreiben Kelten und Germanen - |
Nachdem Griechenland seine Frühgeschichte mit den letzten frühhistoriographischen Vertretern wie Homer (8. Jh. v. Chr.) und Hesiod (um 700 v. Chr.) fast abgeschlossen hatte, begann es bald, immer mehr faktische Historiographie zu betreiben. Am Beispiel der Hallstattzeit kann man die Entwicklung der griechischen Geschichtsschreibung einigermaßen nachvollziehen. Um Hallstatt A, B und C, also die Zeit vom 12. Jh. v. Chr. bis etwa 600 v. Chr., zu studieren, benötigt man neben dem (früh-)historiographischen noch eine Menge archäologisches Material, aber für Hallstatt D, also für das 6. und 5. Jh. v. Chr., kann man mit umgekehrten Verhältnissen rechnen. Anfangs berichteten die Griechen über die Hallstattzeit nur durch beschreibende Reiseschilderungen, also illustrativ und auf eine Art des Umschreibens einfacher Zustände. Historiographisch gesehen ist das noch ein relativ dürftiges Material, weil die Quellen zu wenig über Personen, Beziehungen und andere Verhältnisse in den betreffenden Gebieten aussagen. Anders sieht das schon im 5. Jh. v. Chr. aus, als die Hallstattzeit allmählich zur Latènezeit wurde und die griechische Geschichtsschreibung schon Hochkonjunktur hatte, z.B. mit Hekataios (~560-480), Herodot (~490-430), Thukydides (~460-400). Für das nicht-antike Europa gibt es deshalb erst eine Frühgeschichte, als die griechische Historiographie bereits in die ausgeprägteste Phase einer Hochkultur eingetreten war, in den kulturklimatischen Hochsommer! (). (Vgl. Beispiel). |
- Ende der
Bronzezeit -
-
Hallstatt II - |
Die zyklische Kulturgeschichte und die Analogien zwischen Kulturen: Antike und abendländische Historiken sind nicht nur wegen ihrer kulturellen Symboliken zwei scharf voneinander zu trennende Sichtweisen über Geschichte, sondern auch, weil sie durch die Zeit selbst getrennt sind. Nicht nur deshalb ist jede Art von Entwicklung sowohl zyklisch als auch linear zu verstehen. Die Antike sah in der Geschichte Resultate politisch handelnder Körper, das Abendland sah und sieht in ihr die Resultate einer Raumpolitik. Von vergangenen Kulturen lernen konnten beide, aber nur das Abendland hatte das Glück, eine Kultur zu beerben, die trotz und wegen des in der Tiefe liegenden Gegensatzes immer attraktiv blieb. Nachdem Herodot (~ 490 - 430) die Heimat wegen Verschwörung gegen den Tyrannen Lygdamis hatte verlassen müssen, reiste er nach Ägypten, Mesopotamien sowie in skythische Gebiete und lebte dann in Athen, wo er Perikles und Sophokles nahestand. Herodot war wahrscheinlich auch Teilnehmer an der Kolonisation von Thurii (442) und trug in der Folgezeit sein Werk auf Festen vor; später in 9 Büchern eingeteilt, behandelt es die Entwicklung des Ost-West- (Perser-Griechen) Verhältnisses von den Anfängen bis zur Schlacht von Plataiai (479). Die Darstellung ergänzte Herodot durch in sich geschlossene ethnographisch-geographische Berichte (Logoi) nach dem Vorbild von Vorgängern, und durch Reden, Anekdoten und Reflexionen.
Herodots Bemühen, dem Geschehen metaphysischen Sinn zu geben, war Abschluß
vorklassischen Denkens, leitete aber zugleich über in die spätere Historiographie.
Historiographisches
Beispiel der das antike Ursymbol
deutlich machenden Perfektion ist Thukydides (~ 460-400). Ereignisse der
Gegenwart aus sich selbst heraus verstehend zu erleben, war sein Beitrag
zu jener Meisterschaft, die sein Vorgänger, der Geschichtsvater
Herodot.zuvor ins Leben gerufen hatte.Thukydides war ein erfahrener Staatsmann,
der selbst Feldherr und Beamter gewesen war. Diese praktische Erfahrung,
die man leider oft mit historischem Sinn verwechselt, machte ihn zu einem Muster
der schreibenden Geschichte - unerreichbar für bloße Gelehrte. Was
ihm aber vollkommen verschlossen bleibt, ist jener perspektivische Blick über
die Geschichte von Jahrhunderten hin, der für uns mit Selbstver-ständlichkeit
zum Begriff des Historikers gehört. Alle guten Stücke antiker Geschichts-darstellung
beschränken sich auf die politische Gegenwart des Autors, im schärfsten
Gegensatz zu uns, deren historische Meisterwerke ohne Ausnahme die ferne Vergangenheit
behandeln. | Ein kartographischer Vergleich: die folgenden zwei Karten der Hallstattzeit zeigen die Heimat der Kelten und Germanen im 8. und 7. Jh. v. Chr. und die beginnende erste Ausbreitungswelle im 7. und 6. Jh. v. Chr., während die nächsten Karten (Frühe Latènezeit und Mittlere Latènezeit) verdeutlichen, daß die Kelten im 5. Jh. v. Chr. nach Südwesten, Nordwesten und Südosten und somit auch in die Gebiete der Hallstatt-Kultur gezogen sind.-
Hallstattzeit
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In Mitteleuropa begann die Frühgeschichte im 5. Jh. v. Chr. - dank der griechischen Historiker. Infolge sozialer Wandlungen und einer Zeit der Unruhe und Wanderungen, in denen eine breite Adelsschicht der Hallstatt-Kultur mit ihrer Klientel die Kelten der Latènezeit führte, brach ein altes System zusammen, dessen Struktur ein neues übernahm und weiter differenzierte. (Vgl. dazu die Tafel). Die Geschichte der Latènezeit (ca. 5. bis 1. Jh. v. Chr.) kam sowohl in den Stammeserzählungen der Kelten retrospektiv zum Ausdruck als auch durch die Berichte der antiken Autoren über deren Völkerwanderungen und Königszwiste.-
Frühe Latènezeit
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Historiographie im Abendland: 15. Jh. - 18. Jh.- Abendländische (Sekundär-) Historiker beschreiben historiographierte Kelten und Germanen - |
Das auf Vergangenheit und Zukunft bezogene Bild eines Abendländers ist das
exakte Gegenstück zu dem eines Antiken, für den nur die Gegenwart zählte.
Selbst das Römische Reich war nicht primär aus bewußtem Antrieb
durch identitätsstiftende Geschichten, also durch eine Mythomotorik Die maßgeb-lichen
europäi-schen Mächte unternahmen immer neue Anläufe, ein Reich
nachzuspielen, das ihrer politischen Phantasie als unverlierbares Paradigma vorgeordnet
blieb. So könnte man geradezu sagen, daß Europäer ist, wer in
eine Übertragung des Reiches verwickelt wird. Dies gilt besonders für | Die ursprüngliche Heimat der Kelten war in der Spät-Bronzezeit der Raum östlich des Rheines im heutigen Bayern und Böhmen bis hinein in den Mittelgebirgsraum und zum Harz sowie am Rhein von der Quelle bis zur Mündung. Derjenige Teil des heutigen Deutschlands, der durch den Mittellandkanal im Norden und durch die Saale im Osten eingrenzbar ist, war also damals ein Gebiet der Kelten. Im Übergangsgebiet gab es auch Germanen. Ob man aber Kelten und Germanen räumlich wie ethnisch genau voneinander trennen kann, weiß niemand genau. Deshalb sollte man hier von Keltogermanen oder Germanokelten sprechen. ().Die abendländische Geschichtsforschung kann sich heute über diese keltische Heimat deshalb so sicher sein, weil sie sich nicht nur auf die antiken Schriftzeugnisse stützt, sondern auch auf archäologische Funde. In der Antike, die im Vergleich zum Abendland als ahistorisch bezeichnet werden kann, besaß die Archäologie keinen hohen Stellenwert, während sie im Abendland seit der Renaissance immer wichtiger wurde, aber bis zur eigentlichen Begründung noch einige Zeit vergehen mußte. (). Die Frage z.B., wer die Vorfahren der Deutschen waren, interessierte auch noch zu Luthers Zeiten nur wenige Leute, denn das Geschichtsbild war immer noch sehr von der Bibel bestimmt. Sie umfaßte Noah, Jerusalem, die Stämme Abrahams und die Gestalten der Apostel; man lebte in der christlichen Passionsgeschichte, hielt seinen Gottesdienst in den alten Kirchen der deutschen Kaiserzeit, die man bald romanisch oder gotisch nannte, und wußte von Fürsten und Päpsten. Nur einige gelehrte Herren, die sich mit lateinischen und griechischen Texten befaßten, studierten die Germania des Tacitus (ca. 55-120), die damals gerade wiederentdeckt worden war. Es gab zu dieser Zeit einen deutschen Herodot namens Johannes Aventinus bzw. Turmayr (1477-1534), der sozusagen Neuland betrat, als er seine bayrische Chronik, die Annales Bojorum, nicht nur in Latein, sondern auch in Deutsch verfaßte. Turmayr war Protestant und von der Sprachgewalt der Lutherbibel, die er wieder und wieder las, angerührt. Nachdem er 1523 die erste Karte Bayerns herausgegeben hatte, widmete er sich vor allem der Herausgabe seines Geschichtswerkes. Zu seinen Lebzeiten erschien allerdings nur der Bayrischer Chroniken kurzer Auszug. Das Hauptwerk und seine deutsche Ausgabe kamen erst nach seinem Tod, letztere 1566, auf den Markt, da Turmayr als Radikaler, d.h. als Protestant, keine Druckerlaubmis bekommen hatte. Sein Werk heißt: Chronica vom ursprung, thaten und und herkommen der uralten Teutschen - und für ihn waren die uralten Teutschen und die Germanen identisch. Nachdem dies einmal ausgesprochen war, leuchtete es jedem ein, denn die Germanen schienen ja in der Tat eben dort gelebt zu haben, wo man als Deutscher lebte. In der Zeit des Cäsarismus und der römischen Kaiserzeit war das auch so, aber nicht in der früheren Zeit, als Kelten und Germanen gemeinsam in Deutschland lebten. (Vgl. Karten: [3][4][5][6]).Die Methode der Interpretation historischer Textquellen, hier die der griechischen und römischen Historiker, wurde im Abendland nicht nur zu einer zentralen historiographischen Methode, sondern gleichzeitig auch ihr Problem. Wenn abendländische Wissenschaftler ins Detaill gehen und auf den Punkt kommen wollen, den antike Gelehrte schon längst ein- und abgegrenzt hätten, tut sich ihnen plötzlich ein ganzes Universum an neuen Fragen auf. Die für die abendländische Geschichtswissenschaft so wichtig gewordenen Hilfswissenschaften haben zwar stets stolze Erfolge gebracht, aber immer wieder auch neue Probleme aufgeworfen. Archäologie deckt vieles auf, aber auch einiges zu. Es ist fast so, als ob die von Archäologen freigelegte Erde, die einen ehemaligen Standpunkt zunächst zu widerlegen, zu korrigieren oder zu rechtfertigen schien, an ihrer neuen Stelle wiederum Wahrheiten verdecken wollte. Trotzdem ist gerade die Archäologie eine der exaxtesten und interessantesten Wissenschaften auf dem Feld der Historiographie, und zusammen mit anderen historischen Hilfswissenschaften, z.B. Geographie, Numismatik, Heraldik, Sphragistik, Epigraphih, Diplomatik, Genealogie, Chronologie und Paläographie, bildet sie eine notwendige Ergänzung, ohne die die abendländische Geschichtswissenschaft dem antiken Erbe verhaftet geblieben wäre. Die germanischen Kontrollgene waren es, die aus dem antiken und magischen Erbgut des Abendlandes ein eigenes Seelenbild und ein eigenes Ursymbol schufen, so daß durch sie solche einzigartigen, in der Kulturtiefe verwurzelten Wissenschaften entstanden, die so nur das Abendland entwickelte, nur entwickeln konnte. Lobend und tadelnd zugleich, muß festgehalten werden, daß eine Kultur gar nicht anders kann, als ihren Kontrollgenen von Anfang an zu folgen, so wie ein Lebewesen seit der Zeit, als sich das befruchtete Ei teilte. Es gibt meines Erachtens nur eine Kultur, die eine dem Abendland ähnliche psychosoziologische Kulturpersönlichkeit hätte ansteuern und steuern können und es zum Teil auch getan hat: China.Auch die Geschichte der Geschichtswissenschaft bleibt von der Ironie der Geschichte nicht verschont: der Einzug der Archäologie in die Geschichtswissenschaft fiel ausgerechnet in die Zeit der antiken Wiedergeburt, der Renaissance (deshalb ist Reformation zutreffender), wodurch sich das Abendland noch mehr als vorher von seinem antiken Erbe löste.(Vgl. auch den Unterschied zwischen Geschichtsphilosophie und Geschichtswissenschaft). |
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Die Germanen, zu den Indogermanen bzw. zur indogermanischen Sprachfamilie gehörend, gingen im End-Neolithikum aus Trägern der nach Westen vorstoßenden Megalithkultur, der Trichterbecherkultur () und Schnurkeramik- bzw. Streitaxtkultur () hervor. Sie bewohnten anfangs Südskandinavien und Schleswig. (Vgl. dazu die Tafel). | ||||
Um 750 v. Chr. siedelten die Germanen bereits weiter südlich, auch im deutschen Mittelgebirge, wo sie die Kelten als Nachbarn hatten. Man weiß nicht genau, wann und wo die germanische Runenschrift entstanden ist. Sie muß aber im 2. Jahrhundert vor Christus bereits entwickelt gewesen sein, weil sie in dieser Zeit der ersten Zeugnisse - d.h. der ersten, uns bekannten germanischen Schriftquellen - bereits so fertig ausgebildet war wie im Mythos: eine Lautschrift, geordnet in einer festen Reihe, dem sogenannten Futhark. Runen wurden auf Schildbuckeln, Schwertortbändern, Lanzenspitzen, Fibeln, Kämmen angebracht, aber hauptsächlich in Stein, Metall oder Holz geritzt (engl. write ist verwandt mit dt. ritzen). Diese graphischen Zeichen wurden mit dem Aufkommen der christichl-mittelalterlichen Frühkultur des Abendlandes immer seltener und wichen schließlich ganz der lateinischen Schrift. Ursprünge für den Grundstock des germanischen Alphabets könnten auch in der antik-magischen Zeichenwelt liegen, während andere Zeichen rein germanischen Ursprungs bzw. germanische Neuschöpfungen sein dürften. Die Runenschrift ist auch eine Begriffsschrift, d.h. die Runen besitzen nicht nur einen Lautwert, sondern repräsentieren auch einen Begriff, der mit dem betreffenden Laut beginnt.
Schon das Wort Rune enthält Zauberisches, denn es teilt mit dem Wort raunen dieselbe Wortwurzel. | -
Germanische Runenschrift - Germanisches
Futhark (Runen-Alphabet) f = Fahrhabe, Vieh; u = Ur, Auerochse; Umstritten ist, inwieweit die Runen nach Anzahl und Stellung in der Reihe auch zahlensymbolischen Wert hatten. Damit hängt das Problem der Runenmagie zusammen. Der Name Rune deutet auf eine Kunst, die Eigeweihten vorbehalten war (gotisch runa ist die Übersetzung von griech. mysterion = Geheimnis), in der literarischen Überlieferung Islands gelten die Runen als reginkunnar (den Göttern entstammend), die isländischen Sagen erzählen wiederholt vom magischen Gebrauch der Runen. |
Fortsetzung:
Anmerkungen:
Nie zum Nabel der Erde geh' ich mehr, zum heil'gen, flehend, auch zum Tempel von Abai nimmer oder nach Olympia, wenn dies nicht, mit Händen greifbar, allen Menschen gelten soll. Doch, o Gebieter, heißt du wahrhaft also, Zeus, Weltbeherrscher ... (Sophokles, ca. 496-406 v. Chr., König Ödipus, S. 411). Umstritten ist die sogenannte Nordwestdeutsche Gruppe: waren das Germanen oder Kelten? Es handelt sich um die Zeit des 6. Jahrhunderts v. Chr.; man wird auch hier wohl eher von einer keltogermanischen bzw. germanokeltischen Bevölkerung sprechen können, bei der sich die Züge der beiden später profilierten Völker nur vermischt nachweisen lassen. Dagegen sind die sogenannte Jastorf-Gruppe an und östlich der Elbe und die Gruppen zwischen Oder und Weichsel eindeutig als Germanen zu bezeichnen. Für die nächsten Jahrhunderte kann man davon ausgehen, daß sich die Germanen immer mehr Richtung Süden, Westen und Osten ausgebreitet haben und schon im 2. Jahrhundert v. Chr. sowohl in Südosteuropa, z.B. Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, u.s.w., als auch in Südfrankreich, in Norditalien und westlich des Rheins vertreten waren. Die westlichsten und südtlichsten Gruppen der Germanen waren also im 1. Jahrhundert v. Chr. auch Einwohner des Römischen Reiches (vgl. Karte) - die Kimbern, Teutonen und Ambronen schon im 2. Jh. v. Chr. (). Es war Cäsar, der die Kelten und Germanen mit politischen Hintergedanken aufteilte, obwohl die von ihm eroberten Gebiete in Gallien auch aus Germanen bzw. aus einer Mischung von Kelten und Germanen bestanden. Um die eroberten Gebiete westlich des Rheins zu sichern, erzeugte Cäsar ganz bewußt eine unter dem Begriff Germanengefahr bekannt geworden e hysterisierende Situation. Sie ist vergleichbar mit den Situationen, die die heutigen abendländischen Cäsaristen durch Schüren von Ängsten erzeugen. Keine Angst, ein solcher Cäsar steht uns erst noch bevor, denn im Abendland hat die Phase des Cäsarismus gerade erst begonnen (!). Seelenbild der Antike und Seelenbild des Abendlandes sind gegensätzlich: apollinisch und faustisch; ihre Ursymbole ebenfalls: Einzelkörper und Unendlicher Raum. Wie ein Dogma gegenüber aller Erfahrung, gelten auch Seelenbild und Ursymbol allgemein als unbeweisbar, deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß der Unterschied zwischen Antike und Abendland sogar am Beispiel Parallelenaxiom deutlich werden kann: Euklid hat in seinen Elementen (um 312 v. Chr.) die mathematische Entsprechung für das antike Beispiel gegeben und Gauß ca. 2112 Jahre später (um 1800) die für das abendländische. Sie stehen - wie unzählige andere Beispiele auch - für einen metaphysischen Mittelpunkt, um den eine Kultur kreist, während sie von Seelenbild und Ursymbol angetrieben und angezogen wird. (Vgl. Oswald Spengler, 1917, S. 155, 227ff., 234, 390). Vgl. dazu auch das Germanentum.Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, Bd I., Bd. II, 1918-1922Vorderasien oder Morgenland: diese Begriffe sindnicht ganz zutreffend, weil zum magischen Kulturkreis (Spengler nennt ihn arabisch) auch der ehemalige (griechische) Osten der Antike gehört, wenn auch nur pseudomorph. Mit Vorderasien bzw. Morgenland meine ich die Kultur der späteren Religionskulturformen, z.B. des altiranisch-parsistischen (mazdaistischen) Persertums, des manichäischen Babyloniens, des Judentums, des Arabertums, des Urchristentums u.a. magischer Elemente. Das Seelenbild der magischen Kultur ist ein dualistisches: Geist und Seele, ihr Ursymbol die Welthöhle. Die Vertreter der magischen Kultur berücksichtig(t)en stets den Consensus - die Übereinstimmung der Gelehrten als Grundlage für die religiöse (= wahre) Lehre. Das arabische Wort Idschma ist auch in diesem Sinne zu verstehen, und es gilt immer noch als eines der vier Grundprinzipien der islamischen Rechtslehre.Historische Pseudomorphosen nenne ich Fälle, in welchen eine fremde Kultur so mächtig über dem Lande liegt, daß eine junge, die hier zu Hause ist, nicht zu Atem kommt und nicht nur zu keiner Bildung reiner, eigener Ausdrucksformen, sondern nicht einmal zur vollen Entfaltung ihres Selbstbewußtseins gelangt. (Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, S. 784). Auch eine junge Kultur kann so mächtig sein, daß sie eine alte dort, wo sie zu Hause ist, überlagert. Das Beispiel zwischen der (alten) apollinischen Kultur, auch kurz Antike genannt, und der (jungen) magischen Kultur, auch Persien/Arabien genannt, macht es deutlich: Solange die Antike sich seelisch aufrecht hielt, bestand die Pseudomorphose darin, daß alle östlichen Kirchen zu Kulten westlichen Stils wurden. Dies ist eine wesentliche Seite des Synkretismus. ... Mit dem Hinschwinden der apollinischen und dem Aufblühen der magischen Seele seit dem zweiten Jahrhundert kehrt sich das Verhältnis um. Das Verhängnis der Pseudomorphose bleibt, aber es sind jetzt Kulte des Westens, die zu einer neuen Kirche des Ostens werden. Aus der Summe von Einzelkulten entwickelt sich eine Gemeinschaft derer, welche an diese Gottheiten und Übungen glauben, und nach dem Vorgange des Persertums und Judentums entsteht ein neues Griechentum als magische Nation. (Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, S. 800-801).Phase ist für mich der Inbegriff einer wohltemperierten Abrundung durch geistig-politische Tätigkeiten in einer bestimmten Zeitspanne, oft ausgedrückt durch technische und künstlerische Richtungen, aber auch durch ökonomisch-politische und geistig-metaphysische Richtungen. Sie kann nur 60-80 Jahre andauern, wie im Falle des Rokoko, oder 200-300 Jahre, die etwa jeweils Karolingik, Romanik und Gotik ausmachten. Eine Phase umfaßt im Mittel etwa 180 Jahre. Ein Kulturquartal umfaßt 3 Phasen und damit durchschnittlich 500-600 Jahre, manchmal auch nur 300-350 Jahre, wie im Falle der abendländischen Jugend (Renaissance, Barock und Rokoko). Ein Kulturquartal ist eine Jahreszeit in dem Sinne, daß an ihr erkennbar wird, was sie ist, wenn sie gewissermaßen innehält. Winter, Frühling, Sommer und Herbst sind wie unterirdisches Wachstum, zarte Blüten, Hochblüte und Verfall, wie die pflanzliche Welt immer wieder bezeugt, aber nicht nur sie: die 4 Jahreszeiten sind wie uterines, kindliches, jugendliches und erwachsenes Leben, z.B. auch vergleichbar mit dem der Säugetiere. Das erwachsene Leben kann mehrere Quartale umfassen; in dem Falle teilen die Älteren (Elter[e]n) ihr Leben mit den Kindern, Enkelkindern oder gar Urenkelkindern. In Kulturen war und ist dies auch möglich: China, Indien und die magische Kultur existieren als Zivilisationen (Erwachsene) schon länger als das Abendland.Quartal meint eine Jahreszeit (= 3 Phasen) oder ein Viertel der Uhrzeit (z. B. 0-6, 6-12, 12-18, 18-24 Uhr).China nenne ich die Kultur oder den Kulturkreis, zu dem nicht nur das heutige China gehört, sondern auch Japan, Korea und viele andere Teile Südostasiens. Japan stellt zwar einen Sonderfall innerhalb der chinesischen Kultur dar, weil es mittlerweile auch viele abendländische Kulturanteile übernommen hat - ähnlich wie Rußland, Osteuropa, der Balkan oder die Türkei (ähnlich auch wie früher die phönikischen Karthager antike Kulturanteile übernommen hatten). Aber welche fremde Kultur hat bislang nicht die Attraktivität der abendländischen Kultur für sich genutzt? Trotzdem kann auch Japan seine kulturelle Herkunft - eine großartige (!) - nicht verbergen, und das sollte es auch gar nicht.Mythomotorik bedeutet Antrieb durch formierende oder identitätsstiftende Geschichten. Den Ausdruck Mythomotorik hat m.W. Jan Assmann ... eingebracht. Vgl. Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerungen und politische Identität in den frühen Hochkulturen, München, 1992. (Peter Sloterdijk, Falls Europa erwacht, 1994, S. 64).Peter Sloterdijk, Falls Europa erwacht - Gedanken zum Programm einer Weltmacht am Ende des Zeitalters ihrer politischen Absence, 1994.
© Hubert Brune, 2001 ff. (zuletzt aktualisiert: 2014). |