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Erdgeschichte und EvolutionErdgeschichte und Evolution Erdgeschichte und EvolutionErdgeschichte und Evolution

Spätgeschichtliche Historiographik
Antike Sicht:
Kelten und Germanen
Germanen
Abendländische Sicht:
Germanen
Spracharchäologie
- Tafeln und Karten -
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- Spätkulturelle Historiographie -

Kinematographische Mobilmachung
Text in spätabendländischer, bereits verbildeter Schriftsprache.

Die nächste Zukunft wird zeigen, ob die abendländische Spätkultur mit der modernen Technik eine wichtige Vorarbeit geleistet, einen „Vorrat“ für das nächste, „winterliche“ Quartal gesammelt hat.
(Neu- / Nachgeschichte).
Vom Leben der Natur kann eine Kultur lernen, wie man sich auf den kommenden Winter richtig vorbereitet. Vom Bio-Natursymbol lernen heißt, über den Weg der Öko-Kultur die „Übertragungstechnik“ so einzuüben, daß ein neues Kultur-Ursymbol entstehen kann..

Der Begriff „Spätgeschichte“ muß vor eventuellen Mißverständnissen geschützt werden. Er ist nicht deckungsgleich mit „Posthistorie“ oder „Postmoderne“ (Postmoderne) und konzentriert sich insbesondere auf die historiographischen Formen in den spätkulturellen Phasen einer jeden Kultur. Er bezieht sich auf die „erwachsen historiographiernde Spätkultur“, auf das „herbstliche“ Quartal der historiographierenden Kulturen. Dazu Beispiele:

 

Späthistoriographie (Beispiele)
Beispiel (Kultur) Stufe der Historiographie Text zur Kulturgeschichte
Mesopotamien *
Antike *
Abendland *
Spätkultur (ca. 2510 bis 2070)
Spätkultur (ca. 359 bis 80 n.C.)
Spätkultur (ca. 1789 bis 2230)
Frühherbstliche Kulturphase  Mittelherbstliche Kulturphase  Spätherbstliche Kulturphase

Geschichtsstufe Historiographische Werkzeuge Hauptmotive
Nächste Stufe
Nächste Stufe
Nächste Stufe
Nächste Stufe
(1) Bildkunst
(1) + (2) Schrift
(1) + (2) + (3) Hilfsmittel
(1) + (2) + (3) + (4) Kritikmittel
(1) Religion, Gedenkbild
(1) + (2) Ökonomie, Besitz
(1) + (2) + (3) Wissenstechnik
(1) + (2) + (3) + (4) Markt
 

 

- Geschichtsphilosophie und Geschichtswissenschaft -

So wie der Herbst dem Frühling gegenübersteht, so steht die zahlenmäßige, geheimnislose, zerlegte und zerlegbare Natur des Aristoteles (383-322) und Kant (1724-1804), der Sophisten und Darwinisten, der moderen Physik und Chemie, jener erlebten, grenzenlosen, gefühlten Natur Homers (9.-8. Jh.) und der Edda, des frühantiken und frühabendländischen Menschen gegenüber. In einem Kulturfrühling ist Geschichtsbetrachtung direkt erlebbar, in einem Kulturherbst ist sie naturwissenschaftlich geworden. Aus Natürlichkeit ist längst Natuwissenschaftlichkeit geworden. Der Geschichtskenner wird geboren, die Naturerkenntnis anerzogen. Mit dem Hellenismus mündete die antike Geschichtsphilosophie ins „herbstlich-zivilisatorische“ oder spätkulturelle Quartal, z.B. mit Alexanders Hofschriftsteller Kallisthenes (370-327), mit Polybios (201-120) bis hin zur ganzheitlichen Auffassung des Poseidonios (135-51) und zur sittlich-politischen des Plutarch (45-120). Mit der deutschen Romantik mündete die abendländische Geschichtswissenschaft ins „herbstlich-zivilisatorische“ oder spätkulturelle Quartal, z.B. mit Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), dem Wegbereiter des Klassizismus und dem eigentlichen Begründer der Archäologie, weiter mit Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein (1757-1831), dessen Initiative 1819 zur Gründung der Gesellschaft für Ältere Deutsche Geschichtskunde führte, mit Leopold von Ranke (1795-1886), der die historische Methode entwickelte und den Historismus stark prägte, mit Theodor Mommsen (1817-1903), dessen wissenschaftliche Leistungen grundlegend für Epigraphik, Numismatik und Rechtsgeschichte wurden, bis hin zur „globalistischen“ Auffassung unserer jetzigen und zur sittlich-politischen unserer zukünftigen Historiker. (Vgl. Globalismus).

„Systeme werden nicht erträumt, Kunstwerke nicht errechnet oder, was dasselbe ist, erdacht.“

(Christian Friedrich Hebbel, 1813-1863)

 

- Vierkraft -
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Der Pfeil einer „linearen“ Geschichte trennt Repräsenteme (Weltbild, Schrift) von den Referemen (Welt, Kultur).
Die „Darsteller“-Hälfte im weißen Feld macht deutlich, daß z.B. eine Frühkultur (0/1), um als Kultur zu gelten,
keine Schrift entwickeln muß:      Schrift = 0   und   0 < Kultur < 2
.

Die Antike entwickelte ein Vokal-Alphabet, das Abendland bewegliche Buchstaben und später ein „Elektronik-Alphabet“. Aber auch ohne Text-Elektronik war die Antike nicht weniger attraktiv als das spätere Abendland. Ein „Inferior“ scheint es immer und überall zu geben, also auch in Kulturen. Zu wenig ausgeprägt war in der Antike das Zusammenspiel zwischen Ökonomie und Medien einerseits und Wissen und Technik andererseits. Diese Bereiche wurden offenbar wie Einzelkörper behandelt, mit glänzender Intelligenz auf einen Punkt gebracht, aber leider deshalb auch genau voneinander abgegrenzt. (Kosmologie). Schon das antike Seelenbild sorgte dafür, daß auch das scharfsinnige Denken als ein vom Rest abgegrenzter Körper angesehen wurde. Der Antike fehlte nicht die Moderne an sich, der Antike fehlte eine „abendländische Moderne“. (Analogien).

 

Historiographierte Kelten und Germanen: 4. Jh. v. Chr. - 1. Jh. n. Chr. Historiographierte Germanen (4. Jh. v. Chr. - 1. Jh. n. Chr.)

- Antike Historiker beschreiben Kelten und Germanen -

Im 4. Jh. v. Chr. begann eine starke Kelten-Expansion. (Vgl. Karte). Kelten ließen sich in Norditalien nieder; 387 v. Chr. kam es zur Schlacht bei Allia und zur Belagerung des Kapitols: („Vae victis“ = „Wehe den Besiegetn“), 369 v. Chr. gab es laut Xenophon (430-354) Kelten als Söldner auf der Peloponnes. Ein knappes Jahrhundert später (279 v. Chr.) drangen Kelten auf dem Balkan bis nach Delphi vor. Eine weitere Gruppe wurde nach 275 v. Chr. von dem Seleukidenherrscher Antiochos I. Soter in der nach ihnen benannten Landschaft Galatien angesiedelt. In Italien begann jedoch nach der Schlacht bei Sentinum (293 v. Chr.) der Rückzug der Kelten.

- 4. Jahrhundert v. Chr. -
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Karte und Text (Antike
Antike Welt sowie Kelten und Germanen (4. Jh. v. Chr.)
- Die starke Kelten-Expansion führte zur „Keltisierung“ der einheimischen Bevölkerung -


- 4. bis 2. Jahrhundert v. Chr. -
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Karte und Text (Antike
Anike Welt sowie Kelten und Germanen (4. bis 2. Jh. v. Chr..)


- Rückzug der Kelten (ab 3. Jh. v. Chr.) -

Die Kelten-Expansion im 4. Jh. v. Chr. wurde von den Römern im 3. Samnitenkrieg (298-290) durch die Schlacht von Sentinum (295 v. Chr.) beendet und durch die anschließenden „Keltenkriege“ (285-282) endgültig besiegelt: Roms Herrschaft in Mittelitalien war gesichert, denn von nun an ging von Etruskern, Samniten und Kelten keine Gefahr mehr aus. Gefahren kamen ab jetzt aus südlichen und östlichen Richtungen, wie die Kriege mit Tarent (bzw. Epirus), dann mit Karthago, später auch mit Makedonien und dem hellenistischen Seleukiden-Reich zeigen sollten. (Vgl. Roms Kriege mit Tarent, dann die Punischen Kriege usw.).

Durch die Auseinandersetzung Roms mit Karthago (Punische Kriege) gingen die keltischen Gebiete in Spanien und Südfrankreich an die Römer verloren. 52 v. Chr. wurde ganz Gallien von Cäsar unterworfen und okkupiert, so daß nur noch Britannien als Rückzugsgebiet in Frage kam. Doch diese Zeit währte nur knapp 100 Jahre, denn 43 n. Chr. begann unter Kaiser Claudius die römische Eroberung Britanniens, die bis 54 n. Chr. dauerte und nur noch Schottland und Irland unbesetzt ließ.

Die Kelten waren also ein bedeutendes frühgeschichtliches Volk, dessen Herkunft zwar nicht ganz geklärt ist, aber in etwa eingegrenzt werden kann, wenn man 3 Hypothesen berücksichtigt (vgl. dazu auch die Karten: [1][2][3][4][5]):

a) Mittel-Bronzezeit (16. - 13. Jh.): Mögliche Teilhabe an der Hügelgräber-Kultur
Spät-Bronzezeit (13. - 8. Jh.)
: Mögliche Teilhabe an derUrnenfelder-Kultur
b) nach Herodot (~490-430): Quellgebiet der Donau (Schweiz und Schwarzwaldgebiet). Nachbarn: Ligurer
c) unter Berücksichtigung von a) und b): West-Mitteleuropa: tendenziell wie in Karte [2]

Zu berücksichtigen ist allerdings, daß Kelten und Germanen zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Gebieten nicht voneinander zu trennen sind und man in diesem Zusammenhang von „Keltogermanen“ oder „Germanokelten“ sprechen sollte. Dies betrifft z.B. im 8. Jh. v. Chr. das deutsche Mittelgebirgsgebiet zwischen Rhein und Elbe sowie Nordwestdeutschland (Germanen oder Kelten?), seit dem 3. Jh. v. Chr. Nordost-, Ostfrankreich, Elsaß-Lothringen und Belgien. Deshalb kann man davon ausgehen, daß auch Germanen an der sogenannten Keltisierung vieler Gebiete Europas beteiligt waren.

Weil die antike Geschichtsschreibung zu dieser Zeit bereits gut entwickelt war, wissen wir heute mehr über die damaligen Völker, als wir ohne Berichterstattung der antiken Autoren über sie wüßten. Daß dadurch auch eine nicht als „neutral“ zu bewertende Information weitergegeben wurde, dürfte jeden historisch Interessierten bewußt sein. Dennoch muß man solche Informationen als Quellen ernst nehmen, insofern es die Kritik erlaubt, und berücksichtigen, daß in jeder Kultur Informationen vorab zurechtgerückt werden. Weil die damaligen Kelten und Germanen selbst keine Schrift entwickelten, sind „fremde“ Quellen einerseits unerläßlich, andererseits hinterließen Kelten und Germanen jede Menge Artefakte, so daß auch schon anhand der archäologischen Funde deutlich wird, daß beide Völker keineswegs „Barbaren“ waren, wie die antiken Autoren immer behaupteten. Überdies entpuppten sich in der Geschichte schon häufiger die kulturell überlegenen Völker gerade dann als die wahren „Barbaren“, wenn sie dabei waren, diese Rolle auf andere, meistens unterlegene Völker zu projizieren. ('Zivilbarbaren'). Projektionen gehören zu den urtümlichsten seelischen Regungen im Menschen. Ob innerhalb der Hominiden-Familie, der Primaten-Ordnung oder der gesamten Säugetiere-Klasse: je weiter man in der Evolution zurückgeht, desto „natürlicher“ treten sie zutage, und je mehr man sich der Gegenwart nähert, desto mehr müssen sie kanalisiert werden. Um dem Gruppenzwang genügen zu können, müssen solche Lebewesen ihren Erfolg immer mehr durch Tarnung, Täuschung und Lüge sichern und sich in eine immer „seelischer“ werdende Fluchtwelt retten. Projektionen haben offenbar einen stark mammalischen Zug und setzten sich seit dem „Tertiär“ auch auf kulturelle Art immer mehr durch, weil sich die Kultur insgesamt immer mehr behaupten konnte. (Tertiär (Paleozän, Eozän, Oligozän, Miozän, Pliozän)). Anpassung und Distanz

Daß historiographische Informationen mit Vorsicht zu genießen sind, zeigen auch die vielen Begriffe, d.h. Wörter, deren Referenz verrät, wer die Welt in wessen Namen interpretierte. Trotzdem gibt es zu ihnen keine historiographisch verwertbare Alternative, wenn die historiographierten Völker selbst keine schriftliche Sprache entwickelten: „Oppida“ (Singular: „Oppidum“) war niemals ein keltisches, sondern ursprünglich ein lateinisches Wort und bezeichnete zunächst altitalische Burgen und stadtähnliche Siedlungen, dann (nach Cäsar) große keltische Stadtanlagen des 2. und 1. Jhs. v. Chr., die von Frankreich bis zum Karpatenbecken verbreitet waren. Diese keltischen Stadtanlagen ähnelten sich in Befestigung, Innenbebauung (stadtviertelähnliche Gliederung) und Funktion, z.B. als Orte der Münzprägung und damit wohl als Sitz der Zentralgewalt eines Stammes. Bedeutende Oppida waren z.B. Alesia, Gergovia, Magdalensberg. (Vgl. Spät-Latènezeit). Mit der römischen Eroberung war die Latènezeit zu Ende; damit aber auch die Sprache, die Kunst und die weitere eigenständige Entwicklung der Kelten. Doch muß man gerade im Hinblick auf die Kelten daran erinnern, daß sie ohnehin im Schatten einer apollinischen Kultur gestanden hatten: der Antike.

 

Historiographierte Germanen: 4. Jh. v. Chr. - 1. Jh. n. Chr.

- Antike Historiker beschreiben Germanen -

Um 325 v. Chr. befuhr der Seefahrer und Geograph Pytheas aus Massilia die heutige Nordsee sowie das Elbmündungsgebiet und verfaßte darüber einen Reisebericht, der mit seinen sorgfätigen Beobachtungen und genauen Schilderungen der Gezeiten, der Mitternachtssonne und der nördlichen Meere bei seinen Zeitgenossen Kopfschütteln hervorrief. Er nannte nicht den Namen „Germanen“, wohl aber die Namen germanischer Volksstämme, die an der Ostsee siedelten. Er erwähnte die Gewinnung von Bernstein, von dem man glaubte, er bestehe aus Stücken „gefrorenen Meeres“. Diese Nachricht war die (uns bekannte) erste aus jenem geographischen Raum, den man bald den Germanen zuordnete. Bis man die Germanen als eigenes Volk „entdeckte“, vertrat man die griechische Auffassung, die alle Völker im Nordwesten Europas Kelten und alle im Nordosten Skythen nannte. Manche Gelehrte nannten die Germanen deswegen anfangs auch Keltoskythen.

Pytheas schrieb: „Gegenüber einem Küstenstrich ... liegt die Insel Abalus (Helgoland) ... Im Frühling wird dort reichlich Bernstein angespült, der ein Auswurf des gefrorenen Meeres ist. Die Einwohner sammeln ihn und verwenden ihn, weil er in solchen Mengen vorkommt, anstelle des Holzes zum Heizen. Auch verkaufen sie den Bernstein den Teutonen, die ihnen auf dem Festland am nächsten wohnen.“

Im 2. Jahrhundert vor Christus zogen die germanischen Kimbern und Teutonen - zusammen mit den Ambronen - aus Jütland in das Gebiet des Römischen Reiches und waren den Römern zunächst absolut überlegen. Die Römer entgingen im Krieg gegen die Kimbern und Teutonen (113-101) nur knapp einer völligen Niederlage.In der Schlacht von Noreia (113 v. Chr.) wurden die Römer von den Germanen vernichtend geschlagen, und nur der germanische Gott Donar konnte die Römer noch retten: die Germanen hatten mehr Respekt vor Blitz und Donner als vor den Römern. Schon bald folgten zwei weitere Niederlagen der Römer gegen die Germanen in Gallien (Arausio, 105 v. Chr.). Erst danach besiegten die Römer die Germanen, dank der Heeresreform, die Marius durchgeführt hatte (seit 104 v. Chr.). In der Schlacht von Aquae Sextiae (102 v. Chr.) wurden die Teutonen, in der Schlacht von Vercellae (101 v. Chr.) die Kimbern besiegt. Den Kimbern war die Freiheit mehr Wert als das Leben in der Sklaverei: Frauen, die ihre Brüste entblößt hatten, um ihre Männer im Kampf „anzufeuern“, nahmen sich genauso das Leben wie andere Überlebende des Kampfes. (Freiheit). Ab jetzt sollten die kleinwüchsigen Römer und ihr Reich ohne die mindestens einen Kopf größeren Germanen nicht mehr auskommen.

Als die Kimbern und Teutonen im 2. Jh. v. Chr. in die blühenden Provinzen Roms einbrachen, war die Frage nach den Germanen schon näher ins Blickfeld gerückt worden. Poseidonios aus Apameia (135-51), ein bedeutender Philosoph („Mittlere Stoa“) und der bekannteste Gelehrte seiner Zeit, hielt sich auf einer seiner ausgedehnten Forschungsreisen, die ihn von Rhodos aus nach Spanien, Italien und Sizilien brachte, längere Zeit in Rom und Massilia auf, nur um herauszufinden, woher diese riesengroßen, Angst einflößenden Kimbern und Teutonen gekommen sein könnten. Heute ist ziemlich sicher, daß sie aus Jütland und dem Raum zwischen Ostsee und Ostfriesland stammen. Poseidonios kam jedoch zu keinem Ergebnis und stellte resigniert fest, daß man von deren Herkunft nichts wissen könne, weil der von ihnen zurückgelegte Weg zu groß, ihre Heimat zu weit entfernt sei. Immerhin nannte er als erster Autor die rechtsrheinischen Stämme Germanen, und Cäsar (110-44), auf der Höhe der Bildung seiner Zeit, übernahm diese Bezeichnung und setzte sie gleich auch politisch um, indem er Kelten und Germanen sprachlich spaltetete, beide rhetorisch gegeneinander aufhetzte, um die Gallier für sich gewinnen, d.h. die Rheingrenze halten zu können. In Wirklichkeit waren Kelten und Germanen im nördlichen und östlichen Gallien eine Mischbevölkerung: Germanen lebten also schon vor Cäsars Zeiten längst auch auf der linksrheinischen Seite.

 

- Germanen (1. Jh. v. Chr.) -
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Germanischer Raum in Mitteleuropa (1. Jh. v. Chr. und 1. Jh. n. Chr.)

 

Nach Kenntnis der uns noch erhaltenen Quellen wurde also um 90 v. Chr. der Name Germanen von Poseidonios zum ersten Mal schriftlich erwähnt und dann von Cäsar in Literatur und politische Rhetorik eingeführt. Die Züge der Kimbern und Teutonen schilderte u.a. Titus Livius (59 v. Chr. - 17 n. Chr.). Wichtige Aufschlüsse über die Germanen gaben Plinius d. Ä. (23-79), in seiner „Naturalis Historia“, Tacitus (ca. 55-120) in seiner „Germania“ und die Weltgeographie des Griechen Ptolemäus (ca 100-160).

Aus der Zeit, als die Römer die Germanen zu unterwerfen versuchten, sind besonders viele römische Texte erhalten. Das römische Weltreich führte damals im wesentlichen nur an der Rheinfront und in Pannonien Kriege. Die Raubzüge der Kelten, die 387 v. Chr. mit ihren Heerhaufen bereits bis ans Kapitol gelangt waren und fast auch diese Bastion Roms überwältigt hätten, wären die Gänse nicht wachsam gewesen, sowie die Schrecken der Kimbern- und Teutonenzüge (120-101), die Marius (156-86) beendete, waren noch in frischer Erinnerung. Als Cäsar 52 v. Chr. die Kelten in Gallien - nach dem vorangegangenen Aufstand unter Vercingetorix - endgültig niederwarf und als geschickter Politiker den Römern zugleich die Germanengefahr ins Bewußtsein rief, interessierte man sich verständlicherweise in Rom für Germanen. Aus dieser Zeit sind uns die meisten schriftlichen Quellen überliefert. Allerdings stammen diese Berichte vorwiegend von Männern, die keine Forscher, sondern allenfalls Soldaten waren; die meisten dieser Leute sprachen keinen germanischen Dialekt und verstanden vom Leben der Germanen vielleicht soviel wie ein deutscher Kolonialoffizier der wilheminischen Ära von den Hottentotten.

Hauptgegner Cäsars war Ariovist († 54). Diesen germanischen Heerführer charakterisierte Cäsarin seinem De bello Gallico sehr eindrucksvoll, obwohl auch dieses Produkt mit Cäsars politischen Motiven, seinen rein privaten Machtinteressen in Zusammenhang gebracht werden muß, wenn man es richtig verstehen will. Cäsar wollte und mußte abgerundete Tatsachen schaffen, um eine Gefolgschaft aufrecht erhalten zu können. Ruhe und Ordnung konnte man in Gallien offenbar nur schaffen, wenn man Gallier und Germanen, zumindest rhetorisch, voneinander trennte - nicht weil es diesen beiden Völkern, sondern Cäsars Imperium dienen sollte. Erst unter Augustus drehten sich diese Verhältnisse um: Agrippa siedelte 38 v. Chr. die germanischen Ubier auf dem linken Rheinufer an. Die Niederlage des Marcus Lollius gegen die Sugambrer, 16 v. Chr., führte zu den römischen Offensiv-Kriegen gegen die Germanen von 16 v. Chr. bis 16 n. Chr., die nicht zufällig genau in die Zeit fallen, die das christliche Abendland später Christi Geburt nennen sollte. Die römische Provinz Germania wurde eingerichtet, als von 12 v. Chr. die Reichsmacht bis zur Elbe vorgestoßen war. Auch die linksrheinischen Germanen-Stämme gehörten zu diesem Gebiet, dessen religiöser und politischer Mittelpunkt vermutlich Köln, die Colonia Claudia Ara Agrippinensis, gewesen ist. Zunächst versuchte Drusus mit zahlreichen Feldzügen das rechtsrheinische Germanien zur römischen Provinz zu machen (12-9). Von 8 bis 6 v. Chr. hatte Drusus' Bruder Tiberius sein erstes Kommando in Germanien und drang bis zur Elbe vor. Während seines zweiten Kommandos in Germanien (4-6) handelte er einen Vertrag mit den Cheruskern aus, unterwarf die Langobarden, errichtete eine Provinzialverwaltung ein, baute Straßen und sicherte die neugewonnenen Gebiete durch Legionslager. Nach seiner Regierungsübernahme zügelte er die Expansionsbewegungen des Germanicus in Germanien und hielt die römischen Positionen im Osten. Tiberius war konservativ im Sinne des Augustus. Auf den Senat gestützt, geriet seine Herrschaft allerdings immer mehr unter den Einfluß seines Günstlings und Prätorianerpräfekten Seian, der die Garde in ein Standlager am Stadtrand Roms verlegte. Seine Anklagen führten zu Majestätsprozessen, Hinrichtungen und Selbstmorden. Tiberius zog sich verbittert nach Capri zurück (27). Seian setzte auch die Ermordung des Kaisersohnes Julius Caesar Drusus durch, schaltete die Familie des Germanicus aus und wurde später wegen einer Verschwörung gegen den Kaiser verhaftet und hingerichtet (31). Aber die Prozesse gingen weiter. Tiberius' Sohn Drusus unterdrückte 14 n. Chr. als Heerführer den Aufstand der pannonischen Legionen und war 17 n. Chr. Statthalter in Illyrien. Er trug maßgeblich zur Unterwerfung des germanischen Markomannenkönigs Marbod bei.

 

- Germanische Provinzen im Römischen Reich (16 v. Chr. - 16. n. Chr.) -
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Germanische Provinzen im Römischen Reich (16 v. Chr. bis 16 n. Chr.). Grenze: Elbe-Donau

 

Die Germanenkriege, in deren Verlauf Rom immer mehr Verluste beklagen mußte, vor allem durch den Sieg des Cheruskers Arminius über Varus (9 n. Chr.), stellten eine Zäsur in der antiken Germanenpolitik dar und waren somit eine Besiegelung des Schicksals der beginnenden abendländische Geschichte. Die Schlacht im damals herbstlichen Teutoburger Wald bedeutete nicht nur den Verlust von drei Legionen, sondern auch eine kulturhistorische Wende, weil wahrscheinlich mit dieser gesamtgermanischen Provinz schon damals aus den Germanen römische Germanen und aus den Römen germanisierte Römer, also aus beiden Rom(germ)anen geworden wären. Das wiederum bedeutet, daß das kommende Abendland, wenn es unter solchen Bedingungen überhaupt entstanden wäre, ganz anders ausgesehen hätte, als es hinterher aussah. Vielleicht hätte sich später ein solches Römisches Imperium ein anderes neues Weltbild zugelegt, ein mehr germanisches, weniger christliches und damit ein mehr faustisches und weniger magisches entwickelt: das heutige Abendland hätte ein mehr antikes, weniger christliches und damit ein mehr apollinisches und weniger magisches Ursymbol in seiner Tiefenseele. (Ursymbol). Das werdende Kind hätte anders ausgesehen, das ist sicher. Es hätte, genetisch gesprochen, mehr antike als magische Information erhalten.Aber es sollte ja anders kommen. Die bereits erreichte Grenzverlegung an die Elbe wurde bald aufgegeben.

Ursprünglich mag man sich von der Provinz Germania einen Aufschwung erhofft haben. aber gerade der plumpe Versuch, aus der neuen Provinz Steuern zu ziehen, führte zur Rebellion, weil derartige Praktiken von den Angehörigen eines Ackerbau betreibenden Naturvolkes mit einer Naturalwirtschaft überhaupt nicht verstanden werden konnten. Die von den Germanen den Römern zugefügte Niederlage im Jahre 9 n. Chr. () zwang Kaiser Augustus zum Umdenken. Zunächst reorganisierte er das einheitliche 6-Legionen-Heer und teilte den Oberbefehl. Jeder der neuen Oberbefehlshaber erhielt das Kommando über 4 Legionen. Die Verwaltungsstruktur wurde umgestaltet, indem man u.a. die linksrheinischen Gebiete mit der Provinz Belgica vereinigte, von wo auch die Provinz Germania verwaltet worden war. Das Wort Verwaltung gibt allerdings ein irreführendes Bild, denn der einzige Zusammenhang zwischen der Belgica und der Germania bestand in der Finanzverwaltung, deren Zentrale sich in Trier befand. Die politische und gerichtliche Herrschaft über die germanischen Landesteile fiel den Legaten zu. Zur Zeit des Augustus war der Legat Vertreter des Kaisers und der Oberbefehlshaber in der Provinz, dem allerdings die Verwaltungsfunktion, d.h. die Eintreibung der Steuern, entzogen war.

Auch die wenigen Historiker, die zu betreffender Zeit oder viele Jahrzehnte später die Kämpfe gegen die Germanen schilderten, bezogen ihre Kenntnisse meist aus zweiter oder dritter Hand - ganz abgesehen davon, daß sie mit ihren Schilderungen keine Völkerkunde gaben, sondern politische Ereignisse mit bestimmter Tendenz darstellen wollten. Das war ganz im Sinne Cäsars wie des Cäsarismus überhaupt.

In einem gefundenen Tempelbezirk in der Nähe des Ortes Miltenberg, wo auch der „Teutonenstein“ gefunden wurde, entdeckte man auch Altäre, Reliefs, die Statuette eines Gottes - und wieder eine Inschrift. Aus ihr ging der Name des Gottes hervor: „In honorem domus divinae deo Mercurio Cimbriano“ („Dem Merkur der Kimbern geweiht“). Es waren Votivgaben, gestiftet von römischen Besatzungssoldaten. Die in den Provinzen des Reiches dienenden Legionäre pflegten sich nämlich auch an die lokalen Gottheiten zu wenden, und der lokale Gott war auf jeden Fall leichter zu erreichen als der im fernen Rom. Sie gingen aber (noch) nicht so weit, den Namen des fremden Gottes zu übernehmen, sondern setzten den des entsprechenden eigenen - Merkur in diesem Falle - an seine Stelle. Der germanische Wotan wurde in diesem Fall also Merkur angeglichen, was man als die „römische Lösung“ eines schwierigen religiösen Problems ansehen kann.

 

- Germanische Provinzen im Römischen Reich (69 -96) -
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Germanische Provinzen im Römischen Reich der Flavier (69 bis 96). Die Elbgrenze wurde aufgegeben.

 

Germanische Schriftquellen sind uns überliefert seit dem 2. Jahrhundert vor Christus als Runenschriften auf Waffen oder Schmuckstücken und seit dem 4. Jh. n. Chr. auch als literarisch umfassendere Schriftquellen, z.B. die gotische Bibel von Wulfila (ca. 311-383). Germanische Historiographie gibt es erst seit dem 5. / 6. Jh. n. Chr., die auch die germanischen Anfänge zu schildern versuchte, über Jahrhunderte zurückgriff, aber eher Sagen als Historie hinterließ. Nicht Sage, sondern historische Tatsache ist, daß die Germanen die Gründer Europas sind. Kontrollgene

Es gibt bekanntlich verschiedene Methoden, Geschichte zu betreiben. Eine dieser Methoden befaßt sich vor allem mit den historischen Textquellen. Griechische und römische Historiker äußerten sich, als sie ihre Welt und deren Geschichte beschrieben, auch über die Germanen wie über andere Völker außerhalb ihrer eigenen Kultur - ähnlich wie sich die spanischen Eroberer über die indianischen Eingeborenen oder die Europäer über die Tungusen, Kirgisen oder Jakuten geäußert haben. Wenn man Historigraphie mittels einer Historiographie praktiziert, muß man jedoch aufpassen, daß sich die vergangene Wirklichkeit nicht zu sehr mit der eigenen Wirklichkeit vermischt. Im Bezug auf die Germanen betrieb die Antike noch „Primärhistoriographie“, das Abendland aber bereits „Sekundärhistoriographie“. Deswegen ist eine auf Historiographie sich stützende Historiographie natürlich weitaus gefährdeter, an der damaligen Wirklichkeit vorbeizuschreiben, wobei gar nicht so sehr das eigene Wunschdenken - solange es selbstbezogen bleibt - eine Gefahr in sich birgt, sondern das der Herrscher einer modernen Mediokratie. Die Cäsaristen als Entscheidungsträger, die Plutokraten als Geldträger und die Demokraten als Meinungsträger verhalten sich zueinander wie Machtwille, Herrschaftsanspuch und Wunschbild. Alle drei zusammen ergeben ein System, das Entscheidungen hinsichtlich Praxis und Theorie - hinsichtlich Erfolg und Erkenntnis, hinsichtlich Wirklichkeit und Wunsch -, über das Geld regelt.

 

- Germanen und ihre Runenschrift-

Die Germanen, zu den Indogermanen bzw. zur indogermanischen Sprachfamilie gehörend, gingen im End-Neolithikum aus Trägern der nach Westen vorstoßenden Megalithkultur, der Trichterbecherkultur () und Schnurkeramik- bzw. Streitaxtkultur () hervor. Sie bewohnten anfangs Südskandinavien und Schleswig. (Vgl. dazu die Tafel).

Kartographische Geschichte

Germanen

Germanen

Germanen (1. Jh. v.Chr.)

Römische Provinzen in (16. v.Chr. - 16 n.Chr.)

Römische Provinzen in (69 - 96)

Germanen

Germanen

Germanen

Germanen

Germanen

Um 750 v. Chr. siedelten die Germanen bereits weiter südlich, auch im deutschen Mittelgebirge, wo sie die Kelten als Nachbarn hatten.

Man weiß nicht genau, wann und wo die germanische Runenschrift entstanden ist. Sie muß aber im 2. Jahrhundert vor Christus bereits entwickelt gewesen sein, weil sie in dieser Zeit der ersten Zeugnisse - d.h. der ersten, uns bekannten germanischen Schriftquellen - bereits so fertig ausgebildet war wie im Mythos: eine Lautschrift, geordnet in einer festen Reihe, dem sogenannten Futhark.

Runen wurden auf Schildbuckeln, Schwertortbändern, Lanzenspitzen, Fibeln, Kämmen angebracht, aber hauptsächlich in Stein, Metall oder Holz geritzt (engl. „write“ ist verwandt mit dt. „ritzen“). Diese graphischen Zeichen wurden mit dem Aufkommen der christichl-mittelalterlichen Frühkultur des Abendlandes immer seltener und wichen schließlich ganz der lateinischen Schrift. Ursprünge für den Grundstock des germanischen Alphabets könnten auch in der antik-magischen Zeichenwelt liegen, während andere Zeichen rein germanischen Ursprungs bzw. germanische Neuschöpfungen sein dürften. Die Runenschrift ist auch eine Begriffsschrift, d.h. die Runen besitzen nicht nur einen Lautwert, sondern repräsentieren auch einen Begriff, der mit dem betreffenden Laut beginnt.

 

Schon das Wort „Rune“ enthält Zauberisches, denn es teilt mit dem Wort „raunen“ dieselbe Wortwurzel.

- Germanische Runenschrift -
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Germanisches „Futhark“ (Runen-Alphabet) - benannt nach den ersten 6 Zeichen. Der Zeichenvorrat umfaßt 24 Runen (mit graphischen Varianten). Sie sind in 3 sogenannte Geschlechte zu je 8 Runen eingeteilt. Neben ihren Lautwert bezeichnet jede Rune auch einen bestimmten Begriff, der mit dem betreffenden Laut beginnt:

f = Fahrhabe, Vieh; u = Ur, Auerochse;
th = Thurse, Riese; a = Ase, Seelengottheit;
r = Ritt, Wagen; k = Krankheit, Geschwür;
g = Gabe; w = Wonne; h = Hügel; n = Not;
i = Eis; j = (gutes) Jahr; p = pertho: Fruchtbaum;
s = Sonne; t = Tyr, Gott; b = Birkenreis;
e = ehwaz: Pferd; m = Mann, Mensch;
l
= laguz: Wasser; ng = Ing, Gott der Fruchtbarkeit;
o = Odal, Erbbesitz.

Form und Anzahl der Runen unterlagen im Laufe der Zeit in einzelnen Gebieten mancher Veränderung, aber die Namen blieben.

Umstritten ist, inwieweit die Runen nach Anzahl und Stellung in der Reihe auch zahlensymbolischen Wert hatten. Damit hängt das Problem der Runenmagie zusammen. Der Name „Rune“ deutet auf eine Kunst, die Eigeweihten vorbehalten war (gotisch „runa“ ist die Übersetzung von griech. „mysterion“ = Geheimnis), in der literarischen Überlieferung Islands gelten die Runen als „reginkunnar“ (den Göttern entstammend), die isländischen Sagen erzählen wiederholt vom magischen Gebrauch der Runen.


Kein Mensch habe die Runen erfinden können, auch kein Held. Odin (Wotan) selbst opferte sich, er hängte sich 9 Tage lang an den sturmdurchtosten Weltenbaum, die Esche, er verwundete sich mit seinem Speer, und als er stöhnend herabsank, konnte er die Runentafeln entziffern. So wuchs ihm neues und geheimes Wissen zu. Erst durch Kenntnis der Runen wird der Gott zur Verkörperung germanischer Allweisheit. Wahrscheinlich erinnert diese Selbstpeinigung des Gottes Odin an die schamanistischen Praktiken aus einer früheren Kulturstufe, denn ohne solche Foltern und Prüfungen kam kein Schamane zu höherem Wissen; für die Kulturschicht des frühen Jägertums sind diese Züge charakteristisch. An diesem Mythos fällt aber auch auf, daß der Gott sich selbst verletzt - magische Zeichen sind ja nicht selten mit Blut geschrieben.

Tacitus (ca. 55-120) schrieb in seiner „Germania“, die Germanen brächten bestimmte Zeichen auf Holzstäben an, die „zum Wahrsagen und zu anderen magischem Gebrauch“ dienten. Wahrscheinlich handelte es sich tatsächlich um Buchenstäbe - daher vielleicht auch unser Wort für Buchstabe - sogenannte „Lose“, die, mit Runen versehen, ausgeworfen wurden, um aus ihrer Endlage Voraussagen machen zu können: eine Orakelform also. Nach Tacitus wurden die Stäbchen des Losorakels auf ein weißes Tuch ausgeworfen und davon dann auf „gut Glück“ 3 Stäbchen aufgenommen. Eventuell geschah die Deutung in einem „alliterierenden“ Spruch: im „Stabreim“, der seinen Namen nach dem senkrechten Hauptstrich der Rune, dem „Stab“, erhielt. Als Stab (altsächs. „stab“) wurde auch das lateinische Schriftzeichen der aus Holztafeln bestehenden Büchern bezeichnet. Diese lat. „tabulae“, got. „bokos“, ahd. „buoh“ genannten Tafeln aus Buchenholz trugen also Buchstaben im Gegensatz zu den nichtlateinischen Runen.

Die Germanen, in Wäldern lebend, verehrten „Höhere Kräfte“ in heiligen Hainen. „Übrigens glauben die Germanen, daß es mit der Hoheit der Himmlischen unvereinbar sei, Götter in Wänden einzuschließen und sie irgendwie menschlichem Gesichtsausdruck anzunähern: sie weihen Lichtungen und Haine und geben die Namen von Göttern jener Macht, die sie allein in frommem Erschauen erleben“. (Tacitus, ca. 55-120, Germania). Diese religiöse Schlichtheit schilderte der gebildete Römer Tacitus in seiner Germania mit Erstaunen und Bewunderung, denn er selbst lebte am Vorabend des Christentums in einer Weltstadt voller Tempel und Götterstatuen, die keine wahre Frömmigkeit mehr wecken konnte. Das Pathos des Autors prägte bis auf den heutigen Tag die Vorstellungen von germanischer Religiosität, denn die Germania blieb für Jahrhunderte die einzige einigermaßen zuverlässige Quelle. Grabungsfunde und Religionsforschung der letzten Jahrzehnte haben das Bild inzwischen bestätigt und zugleich korrigiert. Tacitus berichtete nicht nur von den germanischen „Buchenstäben“ (vgl. Buchstaben und Runen), sondern auch von jenen heiligen „Rossen“, aus deren Wiehern und Schnauben die Priester die Zukunft deuteten: „Die Tiere werden auf Kosten des Stammes in den bereits erwähnten Hainen und Lichtungen gehalten, weißglänzend und durch keinerlei irdischen Dienst entweiht.“ Tatsächlich vollzogen die Germanen in heiligen Eichenhainen kultische Handlungen. Aber auch Quellen und Moore waren heilige Stätten, weshalb man Verbrecher im Moor versenkte, d.h. opferte. Unser Volksmund spricht vom Froschteich, aus dem die Kinder kommen; hier hat sich eine Ahnung aus jener Frühzeit erhalten, ebenso in den Sagen von Wasser- und Waldgeistern, Erdmännchen und Irrlichtern. Jahrtausende hat sich deren Geschichte erhalten, vor allem in Sagen und Märchen. (Vgl. auch die Rückbesinnung in der deutschen Romantik, z.B. durch die Märchensammlungen der Gebrüder Grimm).

Wotan (Wodan bzw. Odin), in der späteren Sage der „unheimliche wilde Jäger“ der Lüfte mit kläffender Meute, ist der Gott des Windes, des Sturmes, des Atems und damit der Seelen, der Toten und des Jenseits („Walhalla“). Daß dieser Gott kulturell der jägerischen Frühzeit angehörte, zeigen seine schamanistischen Züge: die Erinnerung an schreckliche Prüfungen, die ein Schamane, ein Jagdzauberer, vor Ausübung seiner Macht durchstehen mußte, ist in dem Bericht der „Edda“ erhalten, der erzählt, wie Odin (Wotan) ans Stammholz der Weltesche „Yggdrasil“ geschlagen, die Runen findet. Der „Wodanstag“, von den Christen zum „mittleren Tag“ der Woche erklärt, ist der Mittwoch (ahd. Mettawech, engl. Wednesday); die Namen Godesberg (bei Bonn), aus Wodansberg entstanden, Gutmannshausen (bei Weimar), einst Wodanshusen, und Wodeneswege (bei Magdeburg), das heutige Gutenswegen, sind einige der vielen Beispiele, die auf die alten Kultstätten verweisen. Odin, wie ihn die nordgermanische Edda überliefert, und Wodan (Wotan), der im südgermanischen Raum verehrt wurde, bedeuten im Grunde die gleiche Gestalt. Wodan (Wotan) war allerdings nicht zunächst Gott, sondern der Zauberer, wie ihn auch noch der zweite Merseburger Zauberspruch (10. Jh.) überliefert, in dem Wodan (Wotan) zi holza fährt, ins Holz, in den Wald. Aus diesem Bereich dürfte die Runenfindung stammen, hier bietet die Archäologie die meisten runengeritzten Lanzenspitzen, so kommt der Mythos der Runenfindung wohl von Wodan (Wotan) auf Odin.

Donar (nordisch: Thor), den Tacitus mit Herkules gelichsetzte, war der zweitwichtigste Gott der Germanen, der den Hammer schwingt und Blitze schleudert. (Donar). Begleitet von den Böcken „Zähneknirscher“ und „Zähneknisterer“ oder auf einem Ziegenwagen fahrend, deutet er auch in Richtung der Fruchtbarkeiskulte. Er wurde schon in der Jungsteinzeit verehrt, wie Felszeichnungen beweisen. Auch sein Hammer galt noch bis ins Mittelalter als Symbol der Fruchtbarkeit. Donar (Thor) bingt Regen, vertreibt den Frost, zerschmettert die Eisriesen, ist der zuverlässige Gott der Bauern. Wenn er mit seinem Wagen über den Himmel rollte, hörte man den Donar, den Donner; er schützt mit dem Hammer die heiligen Ordnungen, weiht Ehen wie der Schmied von Gretna Green, bekräftigte Verträge: noch heute kommt Versteigerungsgut „unter den Hammer“. Mit seiner gewaltigen Kraft war Donar (Thor) der Schrecken der Gegner. Diesem Gott ist die Eiche heilig. Orte wie Donnersberg, Donnern oder Donnersdorf u.s.w. erinnern am seinen Namen. Natürlich auch der Donnerstag, der Tag des Donar bzw. des Thor (engl. Thursday).

Auch einen echten Fruchtbarkeitsgott, den altorientalischen Göttern Adonis oder Dionysos vergelichbar, gab es bei den Germanen: Baldur, der lichte Frühlingsgott, dessen Sterben und Auferstehung im Mythos verklärt wurde. Die altnordischen Sagen berichten auch von Loki, dem Blutsbruder Odins (Wodans). Loki ist Gott des Feuers und der Unruhe, des Schöpferischen und der Zerstörung. Loki hütet das Herdfeuer, das er Freya, der Göttin der Liebe, Ehe und Fruchtbarkeit gestohlen hat. Er schmiedet Schwerter, sticht als Floh die hehre Freya, gebärt als Stute Wodans achtbeinigen Hengst Sleipnir - halb Kobold, halb Prometheus, häufig in Tiergestalt, ist er der witzige, eigenwillige Helfer. Freya, die Göttin der Fruchtbarkeit, und ihr Bruder Freyr (Fro), dem der Eber geweiht war und ebenso der Schimmelhengst, sind Fruchtbarkeits- und deshalb auch Liebesgötter. Freya rief man an, wenn man Liebesglück suchte (daher: freiern = werben, heiraten wollen). Und wenn zu Ehren des Freyr das Bild seiner mythischen Gattin auf dem heiligen Wagen durch das Gebiet eines Stammes rollte, feierte man diesen Kult mit sexuellen Praktiken wie in Griechenland den Dionysos: das war zwingende Sexualmagie. (Vgl. die antiken „Mysterien“). Freya und ihrem Bruder Freyr war natürlich der Freitag (engl. Fryday) gewidmet.

Die germanischen Kultgemeinschaften - z.B. die der Mannus-Stämme oder die Kulte um die Göttin Nerthus (Hertha) - sind mit den griechischen oder römischen Kultgemeinschaften durchaus vergleichbar. Bestimmte Heiligtümer durften nur Priester berühren, z.B. den geweihten Wagen, der mit einer Decke verhüllt war und sich auf einer Insel im Ozean im heiligen Hain befand. Freudig waren da die Tage, festlich geschmückt die Stätten, die der Gott oder die Göttin mit Ankunft und Besuch würdigte. Dann zog niemand in den Krieg, griff niemand zu den Waffen. Alles Eisen war eingeschlossen. Bekannt und geliebt waren jetzt nur Friede und Ruhe, bis der Priester der Gottheit des Umgangs mit den Menschen müde wurde. Den Gottesdienst verrichteten Sklaven, die danach von der See verschlungen wurden; daher auch: „Seele“ als „zur See gehörig“. Nur Todgeweihte durften hier schauen. (Todesstrafe).

 

Historiographie im Abendland: Ende 18. Jh. - 23. Jh. (?) Fortsetzung

- Abendländische (Sekundär-) Historiker beschreiben historiographierte Germanen -
Germanische Literaturquellen gibt es seit dem 4. Jh. n. Chr., germanische Historiographie aber erst seit dem 5. bzw. 6. Jh. n. Chr.; sie versuchte auch die germanischen Anfänge zu schildern, sogar über viele Jahrhunderte zurückgereifend, aber sie hinterließ trotzdem eher Sagen als Historie. Für die Geschichte der Germanen, wie sie wirklich war, geben diese Berichte eigentlich wenig her. Weitere, spätere Beispiele: im Übergang vom 7. zum 8. Jh. schilderte Beda Venerabilis (ca. 673-735) die Geschichte der Angelsachsen, im 8. Jh. Paulus Diaconus (ca. 720-797) die Langobardengeschichte, im Übergang vom 8. zum 9. Jh. Einhard (770-840) die erste Herrscherbiographie des Mittelalters, die seinen Vertrauten und Frankenkaiser Karl d. Gr. beschreibt, und im 10. Jh. Widukind von Corvey (ca. 925-973) die Geschichte der Sachsen.

Also muß die archäologische Forschung den Spaten in die Hand nehmen und diese Quellen ergänzen. Sie legt Skelette und Beigaben frei, Waffen und Schmuck in vielerlei Gräbern, die auf verschiedenartige Bestattungsformen schließen lassen, vom Hünengrab bis zum Urnengrab, ferner Abfälle von Siedlungen, Reste von Häusern, Befestigungen, Moorleichen u.s.w.; aber so viel diese Funde auch verraten, sie „sprechen“ nicht. Niemand kann einer Urne allein, einem Helm ansehen, welchen Dialekt sein Träger sprach, auch sagen die meisten Dinge des Alltags nur wenig über geschichtliche Ereignisse.

Da es schriftliche Quellen wie die „Ilias“ des Homer (8. Jh. v. Chr.) gab, fand Heinrich Schliemann (1822-1890) im Jahre 1868 Troja, da es schriftliche Quellen wie die „Annalen“ des Tacitus gab, fand man den Ort der Varusschlacht, den schon Justus Möser (1720-1794) und Theodor Mommsen (1817-1903) in Kalkriese vermutet hatten. Auch das von Tacitus in den „Annalen“ erwähnte Gräberfeld, das römische Soldaten anlegten, um die gebleichten Knochen ihrer in der Varusschlacht gefallenen Kameraden zu bestatten, wurde in Kalkriese gefunden.

Archäologische Funde bestätigen auch die Berichte von den Zügen der Kimbern und Teutonen (Kimbern und TeutonenNoreia (113 v. Chr.)). Doch manche Spuren von Kämpfen und Stammeszügen sind vergänglicher als das Mauerwerk von Städten und Palästen. Als letzte Zeugnisse bleiben in dem Fall nur Begriffe und Wortbestandteile, die als erstarrte Überreste von den lebendigen Sprachen eingeschlossen worden sind. Neben Inschriften entschlüsselt der Sprachforscher Namen von Orten, Flüssen, Wäldern, Bäumen, Blumen- und anderen Pflanzenarten sowie Tierarten, auch Eigennamen, und der Name des Heerführers Vercingetorix oder ein Ortsname wie Mainz verrät dem Kenner, ob es sich hier um keltische oder um germanische Namen handelt. Ein Problem ergibt sich jedoch sogleich, wenn ein bestimmter Name nicht nur für die Zeit seiner Entstehung, sondern auch für eine spätere Zeit als Beweis für daraus abgeleitete Situationen herhalten soll. Nicht jeder Name ändert sich mit den Eroberern, und nicht jede Namensänderung bedeutet Eroberung. Sprachwissenschaftler wissen das, und sprechen in dem Zusammenhang, je nach Situation, von Substrat, Superstrat oder Adstrat. Substrat, Superstart, Adstrat

- Sprachliche Entlehnung -
(Transferenz)

Es gibt viele Möglichkeiten der fremdsprachlichen Entlehnung, denn in einem Lehnwortschatz gilt es, Lehnwort (lexikalische Entlehnung) und Lehnprägung (semantische Entlehnung) zu unterscheiden. Ein Lehnwort kann assimiliert sein, z.B. „Wein“ => „vinum“ (lat.), oder auch nicht, z.B. => „Flirt“. Eine Lehnprägung dagegen ist als Lehnformung formal abhängig, z.B. „Wolkenkratzer“ => „sky-scraper“ (engl.), als Lehnschöpfung jedoch nicht, z.B. „Sinnbild“ => „symbolon“ (griech.), denn „symballein“ bedeutet „zusammenwerfen“.
(Vgl. „Werfen“ und Kultur-Ursymbol).


Jedenfalls muß sich der Historiker aus all diesem Material ein Gesamtbild formen, das so oder auch anders aussehen kann, je nachdem wie man die einzelnen Quellen wertet, die Ergebnisse zueinander in Beziehung setzt und selbst nicht jeder Meinungsmache nacheifert, um Erfolg zu bekommen. Die Versuchung, durch naheliegende Vermutungen jene leere Stellen zu ergänzen, die als „weiße Flecke“ des Nichtwissens zwischen den gesicherten Ergebnissen auftauchen, ist groß und um so größer, je mehr sie „gesponsort“ wird. Und gerade die Geschichte des „Germanenbegriffs“ zeigt, wie sehr Ideologien und politische Tendenzen das ungesicherte Historienbild verzerren können. Gerade historische „Wettbewerbsverzerrungen“ sind gewünscht und gewollt. Zur Zeit folgen die Ideologien und politischen Tendenzen dem Kurs, der den Germanen ein „negatives Image“ verpaßt. Und den „Kursleitern“ geht es dabei nur um das eigene Geschichtsbild. (Vgl. Medienlenker und ihre 'Zeitgenossen').

 


„Nicht die Samniten, nicht die Karthager, nicht die Gallier, nicht die Spanier, nicht einmal die Parther haben uns so oft herausgefordert wie die Germanen; ja gefährlicher noch als die Macht der Arsakiden ist dieses Volk mit seinem Freiheitswillen“
Publius Cornelius Tacitus

 

 

- Wie man eine Sprache ausgräbt -
(Spracharchäologie/Archäolinguistik)

Im Herbst des Jahres 1812 verließ ein junger Mann namens Franz Bopp (1791-1867) die Stadt Aschaffenburg, um sich, teils mit der Postkutsche, teils zu Fuß, nach Paris zu begeben. Exoriente lux, die Ansicht, daß alles Licht, daß alle Weisheit aus dem Osten komme, lag im Zuge seiner Zeit, die in der Geistesgeschichte die Bezeichnung „Romantik“ trägt. Den göttlichen Ursprung und die wahre Bestimmung der Menschheit suchte man in der Frühzeit der Völker. Man entdeckte das Urphänomen, die Urpflanze, uralte Mythen, Märchen, sprach von Urweisheit und stellte sich ein Urvolk vor, das, in den Weiten des Ostens, die Ursprache gesprochen habe. Aus dem fernen Indien waren Berichte gekommen, die das Feuer fernöstlicher Begeisterung noch stärker aufflammen ließen. Heute weiß man zwar, daß die Indogermanen nicht im fernen Osten ihre Anfänge nahmen, sondern in Europa. (Indogermanen). Jede große Errungenschaft muß ja bekannlich erst einmal den Bogen spannen und weit ausholen, um dann zum Ziel zu gelangen.

Sir William Jones (1746-1794), renommierter Orientalist und Richter am Obertribunal zu Kalkutta, hatte eine Sprache erschlossen, „vollendeter als die griechische, reicher als die lateinische, feiner gebildet als beide“ und älter als alle bekannten Sprachen, das Hebräische eingeschlossen, das bis dahin dafür gegolten hatte. Es war das Sanskrit, das kultische und gelehrte Idiom der Brahmanen, in der bis zum heutigen Tage alles geschrieben wird, was Kunst und Wissenschaft betrifft, eine Sprache, die Meisterwerke hervorgebracht hat wie die beiden großen Epen Mahabharata und Ramajana und ein Kleinod wie das Drama Sakuntala. Jones übersetzte nicht nur, ihm fiel auch als erstem eine gewisse Verwandtschaft auf zwischen dem Sanskrit auf der einen Seite, dem Griechischen, dem Lateinischen, dem Germanischen und dem Keltischen auf der anderen. So wurde Jones, der Richter aus dem indischen Kalkutta, zum Mitbegründer der abendländischen Sanskrit-Forschung durch seine Übersetzungen und durch die Ausgabe des „Ritusamhara“ (1972). Indogermanen

1808 erschien in Deutschland die Schrift „Über die Sprache und Weisheit der Inder“ von Friedrich Schlegel (1772-1829). Ihm war es durch einen glücklichen Zufall gelungen, an Originalhandschriften und Übersetzungen der Sanskritliteratur heranzukommen. Was für einen Europäer unendlich schwierig war, es sei denn, man verfügte über gute Beziehungen zu den großen Sammlungen in Paris und London. Auch Schlegel schwärmte vom Sanskrit als von einer Sprache, in der Philosophie und Poesie unzertrennlich verschmolzen, die reich war an Blumenschmuck und Bilderfülle, die Frucht eines „einfachen und seligen Wandels im Lichte der Besonnenheit“. Er sah im Sanskrit ein Sesam-öffne-dich zur Weisheit und zum Wissen des Ostens und prophezeite eine Wirkung auf Europas geistesgeschichte, wie sie nachahltiger und befruchtender nur in der Renaissance bei der Wiederentdeckung antiker Autoren geschehen sei. Der Romantiker Schlegel erkannte also ebenfalls die geheimnisvolle Verwandtschaft zwischen Indien und Europa und entwickelte eine Methode, die Sprachen miteinander zu vergleichen. Doch blieb das alles im Unbestimmbaren, im Nebulosen, die Anregung aber war gegeben, die große Aufgabe gestellt, die Sprache zur Erkenntnisquelle historischer Vorgänge zu machen. Aber wer würde sie erfüllen, wer sich ihr gewachsen zeigen?

Als Franz Bopp auszog, um in Paris das Fürchten zu lernen, denn nichts anderes war das Gefühl des jungen Mannes bei der Übersiedelung aus der Kleinstadt eines Duodezfürsten in die Hauptstadt der Grande Nation, da hatte er im Sinn, seine Kenntnisse in den orientalischen Sprachen zu vertiefen und Sanskrit zu lernen. Die Voraussetzungen waren genauso ungünstig wie die Chancen, daß diese Kenntnisse einmal ihren Mann ernähren würden. Bopp war das 6. Kind eines schlechtbesoldeten Beamten des kurmainzischen Hofes, eines Futter- und Wagenschreibers, was immer das gewesen sein mag, und nur auf das Dürftigste für sein Studium ausgerüstet. Was ihn da drängte und trieb, das trieb und drängte ihn zur Arbeit. Franz Bopp bot in dieser Zeit das Bild des Gelehrten, um den die Welt herum versinken kann, ohne daß er deshalb mit seinem Studien aufhören würde. Paris wurde während seines Aufenthaltes zweimal von deutschen, englischen und russischen Truppen erobert, aber der Studiosus notierte lediglich: „... all dieser wichtigen Vorkommnisse ungeachtet, habe ich diesen Winter für mein Studium nicht verloren. Es lag mir zu sehr am Herzen, als daß ich mich durch die äußeren Vorfälle davon hätte abhalten lassen können“. Eine solche Herkulesarbeit, wie Bopp sie leistete, war auch anders kaum zu bewältigen. So steht er für den oft geschmähten Stubengelehrten, ohne dessen Fleiß aber letztlich alles Geniale sinn- und fruchtlos bleiben muß. Und in diesem besonderen Fall: auch das Geniale eines Friedrich Schlegel.

Am 16. Mai 1816, nach dreieinhalb Jahren währendem Aufenthalt in Paris, erschien von Franz Bopp ein Büchlein, das nicht nur eine Wissenschaft begründete, sondern eine der ganz großen Leistungen des 19. Jahrhunderts auf dem Gebiet der Geisteswissenschaft darstellt. Es trägt den Titel „Über das Konjugationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache“ und erregte in Europas Gelehrtenwelt riesiges Aufregen. Was bei Herder Gefühl war, Phantasie, was bei Schlegel von mystischem Dunkel verhüllt, wenn auch genialisch erahnt, das wurde von Bopp durch kühle Analyse zur Erkenntnis verdichtet: aus Schein wurde Wahrheit, aus Glaube Wissenschaft. Bopp hatte durch seine methodische Arbeit Beweis für eine wissenschaftliche Sensation erbracht: daß fast alle wichtigen Kultursprachen Europas nah verwandt sind mit dem Indischen und Persischen in Asien und daß die Verwandtschaft zwischen diesen Sprachen, zu denen noch einige mehr gehören, sich nicht nur im gemeinsamen Wortschatz zeigt, sondern auch in der Grammatik. Und das ist für die Wissenschaft noch viel wichtiger. Was man beim Wortschatz noch einwenden könnte, daß nämlich die eine Sprache sich von der anderen, mangels eigener Begriffe, einige Worte geliehen habe, kann hier nicht zutreffen. Für Bopp ergab sich diese Verwandtschaft, als er darangegangen war, sie miteinander zu vergleichen. Er hatte den Weg zur Rekonstruierbarkeit des Indogermanischen vorbereitet und auch bereits damit begonnen, diese „tote Muttersprache“ vieler eurasischer „Geschwistersprachen“ spracharchäologisch auszugraben. Bopp verbrachte seine letzten Lebensjahre in Berlin und hatte es zum Professor an der Universität gebracht, war ein Freund des Neuhumanismus-Hauptvertreters im Deutschen Idealismus - Wilhelm von Humboldt (1767-1835) -, wurde von Jacob Grimm (1785-1863) verehrt, von den beiden Schlegel-Brüdern beneidet, von der wissenschaftlichen Welt gefeiert. Als er 1867 seine Feder für immer aus der Hand legte, fand man auf seinem Schreibtisch eine angefangene Arbeit, auf deren letzter Seite unter einigen Beispielen über den Schwund des auslautenden s im Gotischen gegenüber althochdeutschen Formen die Bemerkung stand „Man vergleiche ...“. Es waren seine letzten geschriebenen Worte und eine Botschaft an seine Schüler:


VERGLEICH ALS ANFANG ALLEN ERKENNENS


Das Lebenswerk, das Bopp hinterlassen hat, trägt den Titel
„Vergleichende Grammatik des Sanskrit, Zend, Griechischen, Lateinischen, Litthauischen, Gothischen und
Deutschen“
(6 Bände, 1816 bzw. 1833-55). Trotz einiger Korrekturen ist es noch heute vorbildlich. Erst später zeigten sich die Auswirkungen diese neuen Wissenschaft auf andere Disziplinen, wie z.B. Paläontologie, Anthropologie, Archäologie, Vor-/Urgeschichte und Frühgeschichte, Religionsgeschichte, Rechtsgeschichte.
PaläontologieArchäologieKult-Uhr

 

- Indogermanistik -
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Die Entwicklung Indogermanisch-Germanisch-Deutsch


-
1. (Germanische) Lautverschiebung -

Innerhalb der indogermanischen Sprachfamilie differenzierte sich das Germanische durch eine Veränderung in den grammatischen Formen aus, z.B. durch die Festlegung der zuvor freien Wortbetonung auf die Anfangssilbe und durch die phonetischen Veränderungen im Konsonantensystem. Diese „Germanische Lautverschiebung“ (auch: „1. Lautverschiebung“) wird auch „Grimmsches Gesetz“ genannt: Sie betrifft im wesentlichen die indogermanischen Verschlußlaute und 3 unabhängig voneinander ablaufende Vorgänge. Die stimmlosen Verschlußlaute p, t, k werden zu den stimmlosen Reibelauten f, th, ch und die stimmhaften Verschlußlaute b, d, g zu den stimmlosen Verschlußlauten p, t, k verschoben. Die aspirierten Verschlußlaute bh, dh, gh werden zu stimmhaften Reibelauten und bald darauf weiter zu den stimmhaften Verschlußlauten b, d, g verschoben. Die 1. Lautverschiebung muß beim intensiveren Sprachaustausch zwischen Germanen und Römern bereits abgeschlossen gewesen sein, weil kein lateinisches Lehnwort im Germanischen von ihr betroffen wurde: aus „camera“ (lat.) wurde „Kammer“ (dt.) und nicht *„chamer“. Vermutlich vollzog sich die 1. Lautverschiebung von Süden nach Norden vom 2. Jh. v. Chr. bis zum 5. / 6. Jh. n. Chr.; und mit dem Ende der „Germanischen Wanderungen“ ging die germanische Sprachentwicklung in den entsprechenden Gebieten in Richtung „Deutsch“.


- 2.
(Hochdeutsche) Lautverschiebung -

Aus dem Germanischen differenzierte sich das Althochdeutsche durch die „Hochdeutsche Lautverschiebung“ bzw. „2. Lautverschiebung“ genannt wird, heraus; im Unterschied zu den bedingungslosen Vorgängen der 1. Lautverschiebung geschah dies jedoch positionsabhängig: die stimmlosen Verschlußlaute p, t, k werden im gesamten hochdeutschen Gebiet nach Vokalen zu stimmlosen Doppelaspiranten zz, ff, hh verschoben, die aber überwiegend wieder vereinfacht werden, z.B. wird aus (altsächs.) „latan“, „skip“, „makon“ > (ahd.) „lazzan“,“ shif“ „mahhon“. Im Anlaut, im In und Auslaut nach Konsonant sowie in der Gemination (Konsonanten-Verdoppelung) werden p, t, k mit unterschiedkicher regionaler Ausbreitung nur bis zur Affrikata tz, pf, kh (=ch) verschoben: (altsächs.) „herta“, „penning“, „korn“ > (ahd.) „herza“, „pfenning“, „khorn“. Die aus der 1. Lautverschiebung hervorgegengen stimmhaften Verschlußlaute b, d, g werden mit unterschiedlicher Reichweite oberdeutsch, insbesondere bairisch, zu p, t, k: (altsächs) „beran“, „bindan“, „giban“ > (oberdt.) „peran“, „pintan“, „këpan“. Verschobene Formen sind auch in Namensüberlieferungen seit dem 5. bzw. 6. Jh. bezeugt (z.B. „Attila“ > „Etzel“). Da sich die 2. Lautverschiebung bei Baiern, Langobarden und Alemannen am konsequentesten durchgesetzt hat und sich aber nach Norden bis zur „Benrather Linie“, der hochdeutsch-niederdeutschen Grenze, immer mehr abschwächte, kann der Süden als Ursprungszentrum gelten. (Vgl. AHD).

Franz Bopp selbst wurde leider darüber allmählich vergessen. Auch gehört er zu jenen Männern, die weder zu Lebzeiten noch später einen Propagandisten fanden.
Franz Bopp ist zu verdanken, daß man der Erforschung unserer Urahnen näher kam und viele Forscher nach ihm vielleicht gar nicht oder später erst zu Ruhm gekommen wären. Bopp fand die „tote Muttersprache“ über den Weg des historischen Vergleichens ihrer „Tochtersprachen“, denn wenn Sprachen miteinander verwandt sind wie Geschwister, dann haben sie auch eine Mutter: wenn aber die Grundsprache der Tochtersprachen Griechisch, Germanisch, Keltisch, Italisch (u.a. Lateinisch, später: Romanisch), Hethitisch, Illyrisch, Indisch (u.a Sanskrit, Vedisch, Hindi, Urdu, Bengali, Maratki, Assamisch), Iranisch (u.a. Awestisch, Persich, Kurdisch, Afghanisch), Armenisch, Albanisch, Baltisch, Tocharisch, Slawisch u.a. nicht mehr existierte und sich auf keinem Pergament, keiner noch so alten Urkunde, auf keinem Grabstein, keiner Gedenktafel und anderen Relikten finden ließ, mußte die Linguistik die „tote Muttersprache“, gleichsam künstlich wie in einer Retorte, neu schaffen. Seit Bopps Zeiten, d.h. seit der Romantik sind die Linguisten dabei, das Indogermanische über diesen Weg zu rekonstruieren. So wie die Archäologen seit Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), d.h. seit Begründung der klassischen Archäologie und dem frühesten Beginn des Klassizismus, sich Schicht für Schicht in die Vergangenheit hinabgraben, „gruben“ sich die Sprachwissenschaftler zurück zu den Ursprüngen bzw. zu den ältesten Wortformen und den kleinsten bedeutungsunterscheidenden Lautformen, den Phonemen. Über die Lautgesetze fanden sie ihr Troja, ihr Mykenae, ihr Knossos.


- Germanistik -

Die Wissenschaft von der geschichtlichen Entwicklung der deutschen Sprache und Literatur nennt man Germanistik - meist im gleichen Sinne wie deutsche Philologie, gelegentlich auch wie germanistische Philologie gebraucht, oft auch die germanistische Altertumskunde selbst umfassend. Die Germanistik hat natürlich selbst auch eine Geschichte:

Ansätze zu einer Germanistik brachte schon der Humanismus hervor - aus Interesse an frühmittelalterlichen Textzeugnissen und Sprachformen, auch für die Grammatik der deutschen Sprache -, aber es waren insbesondere die deutschen Sprachgesellschaften, die die Sprachkunde und Textforschung förderten. (Althochdeutsche Textausgaben). Bedeutend hierfür war v.a. der Grammatiker und Schriftsteleller J. Georg Schottel (1612-1676) aus Einbeck mit seiner „Ausführlichen Arbeit von der Teutschen Haubtsprache“ (1663). Er untersuchte die Etymologie der deutschen Wörter, bekämpfte das Fremdwörterunwesen und plante zur Festigung und Reinerhaltung der deutschen Sprache eine normative Grammatik und ein allgemeines Wörterbuch.

Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts richtete sich das Augenmerk von der Frühzeit auf die Literatur des Hochmittelalters, deren Geschichte ebenfalls zu interessieren begann (J. G. Herder). Um Grammatik und Wortschatz bemühten sich F. G. Fulda und J. C. Adelung (1732-1806). Die Romantik griff v.a. die Ansätze Herders auf, aber auch andere Grundlagen, z.B. die W. von Humboldts. Die literarischen Zeugnisse des Mittelalters wurden als Zeugnisse des Wirkens eines Volksgeistes gesammelt (A. von Arnim und C. Brentano), übersetzt (Tieck), aufbereitet (A. W. und F. Schlegel, F. Bouterwek, L. Uhland). editiert (F. H. von der Hagen). Ihr geistiges und methodisches Fundament erhielten diese Versuche jedoch erst durch die Forscherpersönlichkeiten J. und W. Grimm und K. Lachmann, an deren Ruhm Franz Bopp nicht ganz unschuldig war. Ein Markstein in der germanischen Sprachwissenschaft ist die „Deutsche Grammatik“ (1819) von Jacob Grimm, in der er durch die Entdeckung der Ablautgesetze die deutsche Sprache in gesetzesmäßige Verbindung mit der germanischen und indogermanischen Sprachentwicklung brachte, ebenso die Konzeption für die „Geschichte der deutschen Sprache“ (1847 ff.) bzw. das „Deutsche Wörterbuch“ der Brüder Grimm (1854 ff.). Als Wilhelm Grimm 1847 seinen Plan zu einem deutschen Wörterbuch vortrug, war das also nicht die Geburtsstunde der Germanistik, aber einer ihrer Höhepunkte. Wilhelm und Jacob Grimm hatten 1847 - ein Jahr vor der Revolution - eine Arbeit aufgenommen, die erst 1960 abgeschlossen werden sollte. (Vgl. Spät-NHD). Denn in dem Maße, in dem die gründliche und geduldige Bestandsaufnahme der deutschen Wörter geleistet wurde, wuchs die Masse der Sprache selbst. Die erbrachten Grundlagen wichen immer präziseren Methoden.


NACH OBEN
Zu verstehen ist die Beschäftigung mit der Historie der deutschen Sprache, mit den „alten Teutschen“, den Germanen nur aus einer allgemeinen Geschichtsgläubigkeit, die dem heutigen Menschen nahezu völlig verlorengegangen ist; aber was heute als bizarre Ansammlung von Relikten ewig langer Zeiten erscheint, bot besonders in der Romantik eine Fülle von Material für das Selbstverständnis, und es erschien unerläßlich für das Verständnis der Gegenwart, ein Bild der Vorfahren, ihres Denkens und Fühlens, zu bekommen. Geschichte gilt heute als eine unter vielen Möglichkeiten, den Menschen zu verstehen, damals offenbarte sie einen Hauch des Weltgeistes und schien zu zeigen, wie der Geist allmählich „zum Bewußtseyn und zum Wollen der Wahrheit kommt ... „ (Hegel).

Also erforschte man die Vorfahren, und daß die Vorfahren der Deutschen eben jene Germanen gewesen seien, von denen die antiken Autoren berichtet hatten, blieb bis weit ins 19. Jh. eine von niemandem angezweifelte Tatsache. Diese Entwicklung setzte sich im Historismus fort und erfuhr erst ab 1917/18 eine Krise, in der Bewegungen veschiedener Neuorientierungen entstanden, aber eben auch sie bekämpfende Gegenbewegungen. (). Diese Krise wurde eigentlich erst seit etwa 1960 beigelegt, als die Arbeit am „Deutschen Wörterbuch“, die die Brüder Grimm 113 Jahre vorher begonnen hatten, abgeschlossen werden konnte. Selbst wenn wir etwas anderes anstrebten, sind wir durch den heutigen Globalismus mehr denn je dazu veranlaßt, neben den historischen auch viele andere Methoden zu berücksichtigen, um den „wahren“ Aussagen oder den Aussagen als „Waren“ näher kommen zu können. (Vgl. Cäsaren-Mediokratie; ).

Die Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft, seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bzw. seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts Disziplin oder Forschungsrichtung innerhalb der Sprachwissenschaft, beschäftigt sich seitdem mit der Rekonstruktion von Einzelsprachen, indem sie Ursprung, Entwicklungsgeschichte und Verwandtschaftsbeziehungen von Einzelsprachen mit der Methode des Vergleichs untersucht. Komparative Methode bedeutet, daß durch den Vergleich bestimmter Phänomene in mehreren verwandten (oder als verwandt vermuteten) Sprachen Formen früherer Sprachzustände aufgedeckt oder auch ausgeschlossen werden können und eine gemeinsame Ursprache rekonstruiert oder auch ausgeschlossen werden kann. Neben der materialbezogenen Historisch-Vergleichenden Sprachwissenschaft. die besonders durch die Entdeckung der Verwandtschaft des Sanskrit mit den indogermanischen Sprachen ausgelöst und begründet wurde und Methoden zum Nachweis „sprachgenetischer“ Verwandtschaft ausarbeitete, erzielte auch die allgemeine Sprachwissenschaft, besonders seit Wilhelm von Humboldt (1767-1835), größte Wirkung. Gerade Humboldts Unterscheidung von „Energeia“ (Sprache als „Tätigkeit“ oder „wirkende Kraft“) und „Ergon“ (Sprache als Produkt einer abgeschlossenen Tätigkeit oder „statisches Werk“) sowie von äußereren und innereren Sprachformen überhaupt und seine These von der Verknüpfung der Sprache mit Kultur, Mentalität und Weltsicht eines Volkes wirkten sich in unterschiedliche Weise auf spätere Sprachtheorien aus. (Zur weiteren Geschichte der Sprachwissenschaft: ).

 

- Beispiel einer archäologischen Widerlegung antiker Historiographie -
Friesen Die Beschreibung, die z.B. Plinius d.Ä. (23-79) über die „Urfriesen“ gab, kann jedenfalls nicht als zutreffend gelten: „Hier im hohen Norden am Meer haust ein elendes Völkchen auf hohen Hügeln. Vieh zu halten ist diesen Menschen nicht vergönnt, auch nicht, sich, wie ihre Nachbarn, von Milch zu nähren. Und diese Menschen behaupten, falls sie heute vom römischen Volk besiegt werden sollten, würden sie Sklaven!“ Heute ist bekannt, daß Plinius ziemlich falsch lag, weil z.B. deutsche Archäologen in der Nähe von Wilhelmshaven herausfanden, daß die Friesen schon im 2. Jh. v. Chr. ihre Siedlungen immer wieder neu um rund einen Meter künstlich erhöhten und auf den so entstandenen Wurten (Warften) ständig neue Gehöfte entstanden, die sich durch den dafür verwendeten dunkeln Marschenton bis heute erhalten haben, auch Haushaltsgegenstände, ja sogar Nahrungsmittel. Man weiß heute, daß sich die Friesen, neben Fisch, auch von Vieh und Milch ernährten, damit Handel trieben und der Kontakt zu den Römern sehr intensiv war. Der regionale Güteraustausch wurde sogar höchst effektiv organisiert, auch mit den Römern. Außerdem gab es militärische Kontakte zwischen den Friesen und den Römern in den Grenzprovinzen. Aus einem römischen Bronzefund - einem augenärztlichen Instrument - in Feddersen Wierde (bei Wilhelmshaven) schließen die Forscher, daß der Besitzer Angehöriger eines römischen Truppenteils gewesen sein muß. Hier war also ein Friese für die Versorgung römischer Soldaten zuständig.

 

- Zusammenfassung -

Die Vorfahren der Deutschen waren also Germanen, Kelten und Römer (romanisierte Kelten und romanisierte Germanen). Germanen und Kelten lebten lange Zeit zusammen als ein Volk. (Vgl. oben). Ihre Vorfahren waren die Indogermanen, die aber auch die Vorfahren der Griechen und Römer (Italiker) waren. Doch die Antike war, bedingt durch ihr Seelenbild, nicht in der Lage, diejenigen Kelten und Germanen, die nicht latinisiert (römisch) wurden, historiographisch so zu erfassen, daß die Ergebnisse auch die spätere - erwachsene - abendländische Geschichtsforschung hätten befriedigen können. Allerdings kann das Abendland damit nur deshalb so relativ wenig anfangen, weil in ihm ein anderes Seelenbild ruht als in der Antike.

Überall dort, wo zu Zeiten der Antike Römer, Kelten und Germanen in engerer Verbindung standen bzw. Germanen und Kelten - gemeinsam oder getrennt - ihre Heimat hatten, da entwickelte sich das Abendland aus seinem Urzustand heraus. Die Sprachgebiete des Deutschen (inkl. Niederländisch) und Französischen sind derjenige geographische Raum, auf den diese historischen Voraussetzungen am meisten zutreffen; dieser Raum blieb ununterbrochen abendländisch, wurde nicht von Fremdkulturen erobert (wie zuvor z.B. das Westgotenreich in Spanien und Portugal), vermochte aber Rom zu beschützen und zu umklammern. Das Abendland hätte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit anders entwickelt, wenn die bedeutsamsten Gebiete dieser jungen Kultur - manchmal auch Altabendland bzw. Alteuropa genannt - von den Arabern erobert worden wären, aber auch, wenn Rom nicht im Westen (Karl d. Gr.), sondern im Osten (Byzanz) ein Bündnis gesucht und eine Schutzmacht gefunden hätte.

 

Fortsetzung:

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Anmerkungen:

 

Becher und Keramik Indogermanen-Kulturen entstanden wahrscheinlich aus einer einzigen indogermanischen Vor-/Urkultur im Paläolithikum (wohl im Jungpaläolithikum). Die indogermanischen Sprachen sind auch nur unter Annahme einer gemeinsame Ursprache erklärbar. Das Indogermanische, der Name wurde 1823 von H. J. Klaproth für die 1812 bis 1816 von Franz Bopp entdeckte Sprachfamilie geprägt, umfaßt die äußersten Glieder der Gruppe im Südosten (Ceylon) und Nordwesten (Island). Bezogen auf das Wort „Hundert“ wurden die indogermanischen Sprachen unterschieden in eine westliche (Kentum-Sprachen; phonetisch: [k]) und eine östliche Gruppe (Satem-Sprachen; phonetisch [sch]). Weltweite Untersuchungen an Menschen aus den 1970er und 1980er Jahren haben ergeben, daß sprachliche und genetische Merkmale der Indogermanen weitgehend übereinstimmen. Aus linguistischer, archäologischer und anthropologischer Sicht dürften Trichterbecherkultur () mit ihren Nachfolgekulturen, darunter die Schnurkeramiker (), ferner die Bandkeramiker () und die Ockergrabkultur () als Kulturen der Indogermanen angesehen werden. Damit ist aber nur eine Zeitspanne erfaßt, die das Neolithikum betrifft (für Europa etwa 4500 v. Chr. bis 1800 v. Chr.). Ungeklärt bleibt auch die Herkunft der Glockenbecherkultur (). Obwohl man andere Möglichkeiten einer indogermanischen Herkunft nicht ganz ausschließen kann, darf als gesichert angenommen werden, daß die Indogermanen zum größten Teil der nordischen Rasse entstammen und deshalb nur ein europäischer Ursprung dieses Volkstums in Betracht kommt.

Megalithkulturen sind die die im Mesolithikum bis Spätneolithikum (End-Neolithikum) aufgekommene, in der Kupfersteinzeit (Chalkolithikum bzw. Kupfermetallikum) und Bronzezeit (Bronzemetallikum) fortgesetzte Gewohnheit einiger vor- bzw. urgeschichtlicher und frühgeschichtlicher Kulturen (siehe: Periodik), megalithische Gräber und Kultmale zu errichten; z.B. Menhire (Lange Steine), Alignments bzw. Steinkreise, bestimmte Henge-Monumente und verschiedene Typen von Kammergräbern. Megalithkulturen gab es auch im Nahen Osten, in Afrika, Asien, Ozeanien und Amerika, obwohl man sie gewöhnlich nur auf Europa bezieht, wo sie tatsächlich am ausgeprägtesten waren und als Relikte heute noch mehr als anderswo zu bestaunen sind. Hier, in Europa, waren einge Megalithkulturen mit Keramik der Chaséen verbunden, andere mit Töpferware der Seine-Oise-Marne-Kultur, der Pasteur-des-Plateaux-Völkerschaften und der Glockenbecherkultur () in West-, Südwest- und Mitteleuropa, besonders in Nordwestdeutschland und ganz England sowie in Südirland. In Norddeutschland, Dänemark, Südschweden und westlichen Teilen Osteuropas waren die Megalithkulturen verbunden mit Gefäßen der Trichterbecherkultur (Vorläufer der Schnurkeramik- bzw. Streitaxtkultur). Der Transport und die Bearbeitung der Megalithe setzen eine relativ differenzierte Sozialstruktur voraus.

Umstritten ist die sogenannte „Nordwestdeutsche Gruppe“: waren das Germanen oder Kelten? Es handelt sich um die Zeit des 6. Jahrhunderts v. Chr.; man wird auch hier wohl eher von einer keltogermanischen bzw. germanokeltischen Bevölkerung sprechen können, bei der sich die Züge der beiden später profilierten Völker nur vermischt nachweisen lassen. Dagegen sind die sogenannte „Jastorf-Gruppe“ an und östlich der Elbe und die Gruppen zwischen Oder und Weichsel eindeutig als Germanen zu bezeichnen. Für die nächsten Jahrhunderte kann man davon ausgehen, daß sich die Germanen immer mehr Richtung Süden, Westen und Osten ausgebreitet haben und schon im 2. Jahrhundert v. Chr. sowohl in Südosteuropa, z.B. Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, u.s.w., als auch in Südfrankreich, in Norditalien und westlich des Rheins vertreten waren. Die westlichsten und südtlichsten Gruppen der Germanen waren also im 1. Jahrhundert v. Chr. auch Einwohner des Römischen Reiches (vgl. Karte) - die Kimbern, Teutonen und Ambronen schon im 2. Jh. v. Chr. (Kimbern, Teutonen und Ambronen). Es war Cäsar, der die Kelten und Germanen mit politischen Hintergedanken aufteilte, obwohl die von ihm eroberten Gebiete in Gallien auch aus Germanen bzw. aus einer Mischung von Kelten und Germanen bestanden. Um die eroberten Gebiete westlich des Rheins zu sichern, erzeugte Cäsar ganz bewußt eine unter dem Begriff „Germanengefahr“ bekannt geworden e hysterisierende Situation. Sie ist vergleichbar mit den Situationen, die die heutigen „abendländischen Cäsaristen“ durch Schüren von Ängsten erzeugen. Keine Angst, ein solcher Cäsar steht uns erst noch bevor, denn im Abendland hat die Phase des Cäsarismus gerade erst begonnen (!).

Bernstein (eigtl. „Brennstein“; Mittelniederdeutsch: „bernen“ = „brennen“) ist ein unterschiedlich gefärbtes (hellgelb bis orangerot, bräunlich oder gelblichweiß), undurchsichtiges bis klares (durchsichtiges), fettglänzendes, fossiles Harz; der chemischen Struktur nach ein brennbarer Polyester aus Abietinsäure und Diabietinol neben Harzsäuren und Bernsteinsäure. Die bedeutendste Bernsteinlagerstätte der Welt befindet sich in Ostpreußen, wo der Bernstein in der „blauen Erde“ auftritt. Die Gewinnung erfolgt im Tagebau, v.a. bei Palmnicken (Ostseebad an der Westküste des Samlandes, Ostpreußen). Bernstein enthält oft Einschlüsse tertiärer Tiere (v.a. Insekten) und Pflanzenteile. Die ältesten Belege von Bernstein, der v.a. ein beliebter Rohstoff für die Anfertigung von Schmuck war, stammen aus der Jungsteinzeit (Neolithikum). Seit Beginn der Bronzezeit trat Bernstein auch in anderen Gebieten Europas auf. Durch die Kartierung der Bernsteinfunde wurden hypothetische Handelswege erschlossen (Bernsteinstraßen), auf denen der Bernstein nach Süden gelangte. Bernstein wurde in den mykenischen Schachtgräbern entdeckt, dagegen fand man ägyptische Fayence-Perlen in England. Der Bernsteinhandel hatte also eine rein nordsüdliche Richtung:

1) über den Fluß- und Landweg von der Ostssee (Ostpreußen) zur Adria;
2) über den Fluß- und Landweg von der Nordsee (Nordwestdeutschland, Westjütland) zur Adria;
3) über den Fluß- und Landweg von der Nordsee (Nordwestdeutschland, Westjütland) zum Mittelmeer;
4) über den Atlantik von der Nordsee (Nordwestdeutschland, Westjütland) zum Mittelmeer.

Polybios (um 200 - um 120) unterschied 3 Gattungen der Geschichtsschreibung. Die von ihm gepflegte nannte er pragmatikh istoria, die Tatsachen-Geschichte für ernste Leser, die lesen, um zu lernen. Wichtig waren ihm 3 Teile bzw. Forderungen, die der pragmatische Historiker zu erfüllen hat: Studium der Quellen, der Schauplätze der Geschichte und politisch-militärische Erfahrung. Timaios und andere Schreibtischhistoriker wurden von Polybios abgekanzelt. Neben den in den Zielsetzungen der führenden Männer liegenden aitai (Ursache, Grund) des historischen Geschehens gibt es noch eine andere gewaltige verursachende Macht, das Unberechenbare, das Irrationale, von Polybios gelegentlich mit Ausdrücken um automaton umschrieben, meist aber Tyche (Schicksal, Zufall) genannt. Außer den politisch-militärischen Betrachtungen streute der leidgeprüfte, philosophisch veranlagte Historiker auch häufig allgemein-moralische Reflexionen in sein Werk ein, darunter manche sehr feine Bemerkung. Polybios wurde nicht nur bedeutend als der Historiker, der eine Fülle geschichtlichen Stoffes übermittelte, sondern vielleicht noch mehr als Geschichtsphilosoph. Er vertrat die Vorstellung von einem Kreislauf der Verfassungen und betrachtete die römische Mischverfassung als die beste. Polybios hatte stärkste Wirkung auf die gesamte spätere Geschichtsschreibung - griechische und römische. Besonders stark beeinflußte er Poseidonios (um 135 - 51), der zum einflußreichsten Denker der mittleren Stoa wurde (Stoa), und Strabon (um 63 v. Chr. - um 19 n. Chr.) sowie Titus Livius (59 v. Chr. - 19 n. Chr.). Polybios' Hauptwerk Historien (40 Bücher zur [römischen] „Weltgeschichte“ von 264 bis 144) wurde von Poseidonios und von Strabon fortgesetzt. Auch Oswald Spengler (1880-1936) war von Polybios beeindruckt.

Oswald Spengler (1880-1936), Der „Untergang des Abendlandes“, 1918 (Band I), 1922 (Band II).

Seelenbild der Antike und Seelenbild des Abendlandes sind gegensätzlich: apollinisch und faustisch; ihre Ursymbole ebenfalls: Einzelkörper und Unendlicher Raum. Wie ein Dogma gegenüber aller Erfahrung, gelten auch Seelenbild und Ursymbol allgemein als unbeweisbar, deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß der Unterschied zwischen Antike und Abendland sogar am Beispiel „Parallelenaxiom“ deutlich werden kann: Euklid hat in seinen „Elementen“ (um 312 v. Chr.) die mathematische Entsprechung für das antike Beispiel gegeben und Gauß ca. 2112 Jahre später (um 1800) die für das abendländische. Sie stehen - wie unzählige andere Beispiele auch - für einen metaphysischen Mittelpunkt, um den eine Kultur kreist, während sie von Seelenbild und Ursymbol angetrieben und angezogen wird. (Vgl. Oswald Spengler, 1917, S. 155, 227ff., 234, 390). Vgl. dazu auch das Germanentum.

Vorderasien oder Morgenland: diese Begriffe sindnicht ganz zutreffend, weil zum magischen Kulturkreis (Spengler nennt ihn „arabisch“) auch der ehemalige (griechische) Osten der Antike gehört, wenn auch nur pseudomorph. Mit Vorderasien bzw. Morgenland meine ich die Kultur der späteren Religionskulturformen, z.B. des altiranisch-parsistischen (mazdaistischen) Persertums, des manichäischen Babyloniens, des Judentums, des Arabertums, des Urchristentums u.a. magischer Elemente. Das Seelenbild der magischen Kultur ist ein dualistisches: Geist und Seele, ihr Ursymbol die Welthöhle. Die Vertreter der magischen Kultur berücksichtig(t)en stets den „Consensus“ - die Übereinstimmung der Gelehrten als Grundlage für die religiöse (= „wahre“) Lehre. Das arabische Wort „Idschma“ ist auch in diesem Sinne zu verstehen, und es gilt immer noch als eines der vier Grundprinzipien der islamischen Rechtslehre.

„Historische Pseudomorphosen nenne ich Fälle, in welchen eine fremde Kultur so mächtig über dem Lande liegt, daß eine junge, die hier zu Hause ist, nicht zu Atem kommt und nicht nur zu keiner Bildung reiner, eigener Ausdrucksformen, sondern nicht einmal zur vollen Entfaltung ihres Selbstbewußtseins gelangt.“ (Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, S. 784). Auch eine junge Kultur kann so mächtig sein, daß sie eine alte dort, wo sie zu Hause ist, überlagert. Das Beispiel zwischen der (alten) apollinischen Kultur, auch kurz „Antike“ genannt, und der (jungen) magischen Kultur, auch „Persien/Arabien“ genannt, macht es deutlich: „Solange die Antike sich seelisch aufrecht hielt, bestand die Pseudomorphose darin, daß alle östlichen Kirchen zu Kulten westlichen Stils wurden. Dies ist eine wesentliche Seite des Synkretismus. ... Mit dem Hinschwinden der apollinischen und dem Aufblühen der magischen Seele seit dem zweiten Jahrhundert kehrt sich das Verhältnis um. Das Verhängnis der Pseudomorphose bleibt, aber es sind jetzt Kulte des Westens, die zu einer neuen Kirche des Ostens werden. Aus der Summe von Einzelkulten entwickelt sich eine Gemeinschaft derer, welche an diese Gottheiten und Übungen glauben, und nach dem Vorgange des Persertums und Judentums entsteht ein neues Griechentum als magische Nation.“ (Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, S. 800-801).

Quartal meint eine Jahreszeit (= 3 Phasen) oder ein Viertel der Uhrzeit (z. B. 0-6, 6-12, 12-18, 18-24 Uhr).

Phase ist für mich der Inbegriff einer wohltemperierten Abrundung durch geistig-politische Tätigkeiten in einer bestimmten Zeitspanne, oft ausgedrückt durch technische und künstlerische Richtungen, aber auch durch ökonomisch-politische und geistig-metaphysische Richtungen. Sie kann nur 60-80 Jahre andauern, wie im Falle des Rokoko, oder 200-300 Jahre, die etwa jeweils Karolingik, Romanik und Gotik ausmachten. Eine Phase umfaßt im Mittel etwa 180 Jahre. Ein Kulturquartal umfaßt 3 Phasen und damit durchschnittlich 500-600 Jahre, manchmal auch nur 300-350 Jahre, wie im Falle der abendländischen Jugend (Renaissance, Barock und Rokoko). Ein Kulturquartal ist eine Jahreszeit in dem Sinne, daß an ihr erkennbar wird, was sie ist, wenn sie gewissermaßen innehält. Winter, Frühling, Sommer und Herbst sind wie unterirdisches Wachstum, zarte Blüten, Hochblüte und Verfall, wie die pflanzliche Welt immer wieder bezeugt, aber nicht nur sie: die 4 Jahreszeiten sind wie uterines, kindliches, jugendliches und erwachsenes Leben, z.B. auch vergleichbar mit dem der Säugetiere. Das erwachsene Leben kann mehrere Quartale umfassen; in dem Falle teilen die Älteren (Elter[e]n) ihr Leben mit den Kindern, Enkelkindern oder gar Urenkelkindern. In Kulturen war und ist dies auch möglich: China, Indien und die magische Kultur existieren als Zivilisationen („Erwachsene“) schon länger als das Abendland.

Im Rahmen von Sprachkontakt bzw. Sprachmischung unterscheiden die Sprachwissenschaftler:
- ) SUBSTRAT (Besiegte -> Eroberer) = sowohl die bodenständige (ursprüngliche) Sprache eines unterlegenen Volkes, die von der Sprache der Eroberer überlagert wird, als auch ihr Einfluß auf die dominierende Sprache der Eroberer. Beispiel: Keltische Relikte in romanischen Sprachen.
- ) SUPERSTRAT (Eroberer -> Besiegte) = sowohl die (untergehende) Sprache von Eroberern als auch ihr Einfluß auf die bodenständige (ursprüngliche) Sprache, die die Sprache der Eroberer überlagert bzw. verdrängt. Beispiel: Germanischer Einfluß auf romanische Sprachen.
- ) ADSTRAT (<- ->) = Form der Interferenzbeziehung zwischen 2 Sprachen. Während Superstrat und Substrat sich auf vertikale Beinflussungen zwischen Eroberer- und Besiegtensprache beziehen, bezeichnet Adstrat ein horizontales Nebeneinander zweier Sprachen durch lange Nachbarschaft. Beispiel: Germanisch-romanischer Kontakt in Belgien.

Noreia (Steiermark), die durch Eisenabbau bekannte Hauptstadt von Noricum, wurde auch bekannt durch die „Schlacht von Noreia“ (113 v. Chr.), wo die germanischen Kimbern die Römer besiegten. Noreia wird gleichgesetzt mit dem gleichnamigen Dorf bei Neumarkt (Steiermark) und mit dem Magdalensberg (Kärnten). Hier fand man auch germanische Helme, die auf die Zeit von 120 v. Chr. bis 110 v. Chr. datiert werden konnten, also wohl Relikte aus der „Schlacht von Noreia“ (113. v. Chr.) sind. Diese Helme, die sich heute in einem österreichischen Museum befinden, sind mit einer germanischen Inschrift versehen, die erkennen läßt, daß der Verfasser dieser Zeilen in der Schrift geübt war. Die Germanen beherrschten also spätestens seit dem 2. Jahrhundert vor Christus die Schriftsprache. Man fand auch „Kulturbeutel“ mit Utensilien wie z.B. Scheren, Kämme, Messer, Pinzetten und sogar Q-Tips, und diese Gegenstände waren auch für die Reise bestimmt, denn die Germanen trugen sie immer auf den Reisen und Kriegszügen an sich. Sie widerlegen das antike Klischee, Barbaren verstünden nichts von Körperpfllege. Die Germanen - später sollten sie dem Establishment in Rom angehören - wurden zu dieser Zeit mehr aus Angst als aus Wahrheitsliebe von den Römern in das negative Barbaren-Bild gezerrt. Römer und Germanen gehörten eben nur zwei verschiedenen Kulturen an. Trotzdem übernahmen die Germanen mehr und mehr auch Kulturgut von den Griechen und Römern. Die Römer hatten ja ihrerseits von den Griechen gelernt, und nicht viel später als die Römer beherrschten ja auch die Germanen z.B. die Schriftsprache. (Vgl. auch: Germanen als Kontrollgene des Abendlandes bzw. Gründer Europas).

Marius (Gaius Marius), 156 - 86, war römischer Konsul (107, 104 - 100 und 86), Plebejer und Feldherr, er kämpfte 109 als Legat im Jurguthinischen Krieg (111-105), den er als Oberbefehlshaber 105 siegreich beendete. Marius schuf ein Berufsheer und schlug die Teutonen 102 bei Aquae Sextiae (= Aix en Provence) und die Kimbern 101 bei Vercellae (= Vercelli). Um seine Veteranen zu versorgen, verbündete er sich 103 mit dem Volkstribunen Lucius Appuleius Saturninus, mußte aber wegen der entstandenen Unruhen den Ausnahmezustand gegen ihn verhängen. Marius scheiterte an den Widerständen der Optimaten, Aufstände wurden von Senatoren und Rittern niedergeworfen. Ab 88 führte Marius den Bürgerkrieg gegen Sulla (138-78), den Oberbefehlshaber im 1. Mithidratischen Krieg (88-84). Marius mußte nach Afrika fliehen, kam aber 87 zurück und bekämpfte die Optimaten. Es begann eine Schreckensherrschaft unter ihm und Cinna. Während seines 7. Konsulats starb Marius.

Der „Thomismus“ steht z.B. für die Herrschaft des Intellekts über den Willen und Willensfreiheit innerhalb gewisser Grenzen, den Aufbau der Welt in sinnvollem Stufenbau und die Erkennbarkeit Gottes nur aus seinen Wirkungen in der sichtbaren Schöpfung. Als „Neuthomismus“, der Kern der „Neuscholastik“ ist, ist also die „Scholastik“ immer noch aktuell und stellt dadurch einen „Rest des Urvertrauens zu Mutter- und Vaterkultur dar. (Theologie).

Johann Joachim Winckelmann (09.12.1717 - 08.06.1768).

Wilhelm von Humboldt (1767-1835), Freiherr, war Philosoph, Sprachforscher und Staatsmann und wirkte nach rechtswissenschaftlichem Studium (von 1787 bis 1790) als Privatgelehrter in Jena (von 1794 bis1797), war preußischer Ministerresident in Rom (von 1802 bis 1808) und Direktor für Kultus und Untericht im Innenministerium (von 1809 bis 1810). Humboldt reformierte das preußische Bildungswesen und gründete u. a. die Berliner Universität (1811). Seit 1810 war er Gesandter in Wien (Teilnahme am Wiener Kongreß), seit 1817 in London, 1819 wieder Minister. Im Mittelpunkt seines Denkens stand ein stets auf die Gesellschaft hin orientiertes Humanitätsideal. Als Sprachwissenschaftler befaßte sich Humboldt v. a. mit amerikanischen Sprachen, mit Sanskrit, Ägyptisch, Koptisch, Chinesisch, Japanisch. In der Einleitung zu seinem Werk „Über die Kawi-Sprache auf der Insel Java“ entfaltete Humboldt die Grundthese seiner Sprachphilosophie, daß „in jeder Sprache eine eigenthümliche Weltsicht“ liege; sie sei Ausdruck der Individualität einer Sprachgemeinschaft und werde durch die „innere Sprachform“ dargestellt. Dabei wird Sprache als „Tätigkeit“ (Energeia) bestimmt, die im Sprechen und Verstehen, in der Einheit von Ich und Du im Dialog aktualisiert werde. Die späteren Bemühungen der Linguistik um eine generative Grammatik (Noam Chomsky u.a. Sprache) verstehen sich weithin als Erfüllung Humboldtscher Ideen. (Vgl. auch: „Nativismus“). Humboldt selbst dienten die sprachtheoretischen Untersuchungen zur Grundlegung einer philosophischen Anthropologie. Seine Weltanschauung zeigt drei Grundideen: Universalität, Individualität, Totalität (= Formung des Lebens zu einem Kunstwerk). Die Erforschung der Geschichte ebenso wie die der Sprache ist nach Humboldt nicht eine Sache des bloßen Intellekts, sondern hat die Mitwirkung der Gesamtheit der menschlichen Seelenkräfte zur Voraussetzung. Der Historiker muß sich in das Innere der Personen und Epochen, mit denen er zu tun hat, hineinversetzen, wenn er mehr als eine zusammenhanglose Aufzählung äußerer Ereignisse bieten will. Der Sprachforscher muß die Sprache als Äußerung und Werkzeug des Volksgeistes zur Gewährleistung der Sprachgemeinschaft begreifen. Im Sinne seines Humanitätsideals war Humboldt ideell sowie praktisch beteiligt an der Gründung der Universität Berlin (1811). Aus seiner Reform des höheren Schulwesens ging das „Humanistische Gymnasium“ in seiner heutigen Gestalt hervor. In seinen „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“ bestimmte er die Aufgabe des Staates dahin, für Schutz nach außen und Rechtssicherheit nach innen zu sorgen, im übrigen aber sich möglichst zurückzuhalten und der freien individuellen und nationalen Entwicklung Raum zu lassen. Humboldts Reformen, besonders die der Bildung, wurden Vorbild für die ganze Welt!

Plutokratie (griech.; plutos „Reichtum“ und kratein „herrschen“) bezeichnet ein politisch-soziales System, in dem die wesentlichen Entscheidungsprozesse von oligarchen Gruppen bestimmt werden, deren Einfluß vorwiegend auf ihrem Besitz, speziell auf mobilem Kapital beruht. Sie kann institutionalisiert sein (z.B. in einem Klassenwahlsystem) oder indirekt durch die Abhängigkeit politischer Entscheidungsträger von Pressure-Groups ausgeübt werden. (Vgl. „Die Macht der Plutokratie“ und „Geld und Geist“).

Peter Scholl-Latour (*1924): Die Macht der Plutokratie, in: Kampf dem Terror - Kampf dem Islam?, 2002, S. 41ff. bzw. S. 43f.. (Vgl. auch die Phasen: 18-20, 20-22, 22-24). Peter Scholl-Latour hat die starke Vermutung, daß Spengler mit seiner These vom Untergang „wohl nicht so unrecht hatte“. (Ebd., S. 48). (Vgl. Untergang und Ende).

Scholl-Latour ist der Meinung, daß ein abwehrfähiges Europa von morgen sich allenfalls auf einen engbegrenzten Kreis von Partnern beschränken könne. Der politische Ansatz für diese geographische Konzentration, die der verhängnisvollen Osterweiterung von NATO und EU radikal entgegenstünde, sei jedoch nicht in Sicht. „Wo wäre auch ein Staatsmann von überragender Statur, der diese Perspektive mit Leben erfüllte? Dennoch ist es an der Zeit, daß die Abendländer sich der eigenen Schmach und Schande bewußt werden“. 'Schurkenstaaten', fanatische Terrororganisationen oder Mafiastrukturen hätten ein leichtes Spiel, Europa, insbesondere Deutschland (anzugreifen bzw.) auszuheben, da es eine cis-atlantische Abschreckung nicht gebe, weiß Scholl-Latour: „Das Thema ist tabu, zumal in Deutschland schon die zivile Nutzung der Kernenergie des Teufels ist.“ Europäer sind tatsächlich weit verwundbarer als die durch 2 Ozeane geschützten USA, und so ist wohl wahr, daß Europa im Begriff steht, „alle Voraussetzungen zu erfüllen, um eine leichte Beute der Barbaren zu werden.“ (Peter Scholl-Latour: Das Ende der NATO, in: Kampf dem Terror - Kampf dem Islam?, 2002, S. 44-48, hier: S. 47 und S. 48.).

Zum Untergang der Antike trugen erst die Ereignisse nach 80/150 bei, die Ereignisse der folgenden 3 Phasen des schwangerschaftlichen Kulturquartals, weil die antike Kultur es zuließ, von der magischen Kultur stückchenweise aufgefressen zu werden. (Vgl. 0-2 und 2-4 sowie 4-6). Den Untergang des Abendlandes sieht, auf Spengler sich beziehend, auch Scholl-Latour voraus: „Das Abendland ist immer noch immens reich, aber es ist schwach. Ihm fehlt die moralische Substanz zur dezidierten Selbstbehauptung. Kurzum, alle Prämissen eines fatalen »Untergangs« sind gegeben. So unrecht hatte Oswald Spengler wohl nicht.“ (Peter Scholl-Latour: Das Ende der NATO, in: Kampf dem Terror - Kampf dem Islam?, 2002, S. 44ff. bzw. S. 48). Sloterdijk bestätigt Spengler voll und ganz, denn die „neuen Immunitätstechniken empfehlen sich als Existentialstrategien für Gesellschaften aus Einzelnen, bei denen der Lange Marsch ... zum Ziel geführt hat - zur Grundlinie des von Spengler richtig prophezeiten Endes jeder Kultur: jenem Zustand, in dem es unmöglich ist, zu entscheiden, ob die Einzelnen außergewöhnlich fit oder außergewöhnlich dekadent sind.“ (Peter Sloterdijk, Die letzte Kugel - Zu einer philosophischen Geschichte der terrestrischen Globalisierung, in: Sphären II - Globen, 1999, S. 1004f.).

„Jenseits dieser Linie verlöre die letzte metaphysische Differenz, die von Nietzsche verteidigte Unterscheidung von Vornehmheit und Gemeinheit, ihre Kontur, und was am Projekt Mensch hoffnungsvoll und groß erschien, verschwände wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand.“ (Peter Sloterdijk, Die letzte Kugel - Zu einer philosophischen Geschichte der terrestrischen Globalisierung, in: Sphären II - Globen, 1999, S. 1005). (Mehr von Sloterdijk?).

Island, Irland, Schottland, England, Wales, Norwegen, Schweden, Dänemark, Holland, Belgien, Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Norditalien. (Vgl. Alteuropa bzw. Altabendland).

Dieser deutschsprachige Raum hielt sich in seinen Grenzen mehr als 1 Jahrtausend. Er umfaßt Deutschland (Deutsches Reich), Österreich, Schweiz, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Norditalien (Langobarden), Ostfrankreich (Burgund) und große Gebiete Osteuropas. (Vgl. Deutsch und die Karten).

Ob die Äußerungen des US-Verteidigungsministers Rumsfeld (Januar 2003) zu „Alteuropa“ reine Rhetorik waren oder nicht; ob damit der u.s-amerikanische Angriffskrieg auf den Irak durchgesetzt, ein Kriegsverbrechen wieder einmal vertuscht werden sollte oder nicht: Rumsfeld, der „Alteuropa“ offenbar die Bündnistreue absprechen wollte, bezog sich jedenfalls hierbei auf einen geographischen Raum, der in zweifacher Hinsicht verstanden oder auch mißverstanden werden könnte:

1) Das alte Europa ist nicht das neue Europa.
2) Das alte NATO-Europa ist nicht das neue NATO-Europa.

Der Begriff „Alteuropa“ hat außerdem zwei verschiedene Bedeutungen, weil er sich einerseits auf die antike, andererseits auf die abendländische Kultur beziehen kann. Für die Antike gilt ein anderes kulturelles Zentrum als für das Abendland; die geographischen Bezüge sind zwei zu unterscheidende. Wer heutzutage von „Europa“ spricht und sich ausschließlich auf eine noch existierende Kultur bezieht, der kann nicht das antike, sondern nur das abendländische Europa meinen. So gesehen bezieht sich „Alteuropa“ (als nicht-rhetorisches Mittel!) auf die Frühzeit des Abendlandes, z.B. auf dessen „Geburt“ und damit primär auf den deutsch-französischen Raum, den das Reich Karls des Großen erstmals als Einheit umfaßte. Sicheres „Stehvermögen“ erlangte das Abendland durch Deutschlands Sachsen-Kaiser, insbesondere seit 962, als Otto I. zum Kaiser gekrönt wurde.

„Die maßgeblichen europäischen Mächte unternahmen immer neue Anläufe, ein Reich nachzuspielen, das ihrer
politischen Phantasie als unverlierbares Paradigma vorgeordnet blieb. So könnte man geradezu sagen, daß
Europäer ist, wer in eine Übertragung des Reiches verwickelt wird. Dies gilt besonders für
Deutsche, Österreicher, Spanier, Engländer und Fransosen ....

Der Ausdruck 'translatio Imperii' ist also nicht nur eine mittelalterliche fixe Idee; er bedeutet mehr als die
staatsrechtliche Konstruktion, mit der die sächsischen Kaiser nach der Krönung Ottos I. im Jahre 962 ihre
Herrschaftsprogrammatik vortrugen; es ist nicht weniger als die ideo-motorische oder mytho-motorische Zelle
aller kulturellen, politischen und psychosozialen Prozesse, aus denen die Europäisierung Europas hervorgegangen ist.

Europas traumatische Lektion lag ohne Zweifel in der Demütigung durch seine Befreier.

Erst durch die Ereignisse von 1945 ist Europa wirklich zu dem geworden, was es nach der
Entdeckung des neuen Westens durch Kolumbus in geographischer Hinsicht schon früher,
zumindest dem Namen nach, geworden schien: Alte Welt.

Daher ist 1917 das Schlüsseljahr, in dem die europäische Mythomotorik zu stocken begann.“

Peter Sloterdijk, Falls Europa erwacht, 1994, S. 34, 15, 13, 40.

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© Hubert Brune, 2001 ff. (zuletzt aktualisiert: 2014).