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- Kulturenvergleich -
Antike und Abendland
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Sommer / Nachmittag
12 Uhr
18 Uhr
Hochkultur
Residenzschloß in Arolsen, 1710-1728Gloriette im Bergpark Kassel, 18.Jh.Schloß Wilhelmsthal, 1747-1755Brandenburger Tor in Potsdam, 1770
16-18 Uhr
Adoleszenz oder Konvenienz

Die nachpubertäre Jugend, auch Adoleszenz genannt, zeichnet sich bekanntlich durch aufklärerische Orientierung und die am Ende zu gewinnenden Lebensleitlinien aus. Der Noch-Jugendliche oder Fast-Erwachsene - je nach Fall - läßt sich weiter ausbilden oder bringt die noch geringen Mengen an verdientem Geld nach Hause. Bevor er aber voll zur Erwachsenenwelt gerechnet werden kann, muß er gedient haben. Dienen und erstes verdientes Geld sind Synonyme für die jetzt in den Kulturen auftauchenden Verdienste für ihren Kulturfleiß. Industrielle Revolution wird deshalb auch die abendländische Industrialisierung genannt, die in England um 1760/'70 begann, bald auf die bedeutenden Staaten in Europa und Nordamerika übergriff und mit dem eben erwähnten Verdienst vergleichbar ist, weil auch eine Kultur sich in einer für sie zunächst fremden Berufswelt (Kulturberufung) ausbilden läßt und für den neuartigen Fleiß (lat. industria) auf neue Art belohnt wird. So wie in der späten Jugend und im frühen Erwachsenenleben das Kapital immer wichtiger wird, so beginnt auch in den entsprechenden Phasen einer Kultur der Kapitalismus eine immer wichtigere Rolle zu spielen. In der Antike nahm während dieser Phase die Anzahl der Sklaven sprunghaft zu, denn in der Antike waren Sklaven lebende Geldmünzen. Nach dem antiken Recht war ein Sklave eine körperliche Sache und keine Person. Als lebendiges Geld wechselten Sklaven natürlich schnell den Besitzer. Abendländer hingegen sahen in den Sklaven kein körperliches Geld, sondern räumliches Kapital. Als fleißig (lat. industrius) wurden sie solange eingestuft, wie sie industriell wertvoll waren. Demzufolge war die neuzeitliche Sklaverei von Beginn an eine Vorstufe zur Maschinenindustrie und wurde deshalb auch erst durch die Industrialisierung abgeschafft: Kohle und Maschinen sollten sich am Ende als fleißiger erweisen. (Vgl. 20-22). Die in dieser Phase noch zaghaft ausfallende Industrialisierung war eine notwendige Vorbereitung auf die erwachsene Zivilisation. Dienerisch perfekt, pedantisch bis ins letzte Detail war auch die Kunst dieser Phase, die den pompösen, prunkvollen und allmächtig wirkenden Barock zwar nicht verdrängen, aber dienerisch zu einer Dekoration und Ornamentik verhelfen konnte. Im positiven Licht betrachtet sollte man als sehr dienlich, als ein Verdienst des Rokoko ansehen. Und genau diese Funktion hatte in der antiken Kultur die Korinthik inne. Dienlich waren auch die in dieser Phase zur Höchstform auflaufenden Ethiken. Die Ethiker boten ihre Dienste an mit den Fragen: Wie kann ich mich nützlich machen?  Wie kann ich dienen?  Wem soll ich dienen?  Für die Antike war Sokrates (470-399) das alles überragende Beispiel, für das Abendland vor allem Rousseau (1712-1778), aber auch Kant (1724-1804) oder Friederich II. von Preußen (1712-1786), der als Monarch erster Diener des Staates sein wollte. Dieser aufklärerische Philosophenkönig beherbergte in seinem selbst entworfenen und 1745 bis 1747 erbauten Schloß Sanssouci zeitweise seinen Freund Voltaire (1694-1778), den wohl berühmtesten französischen Schriftsteller und Philosophen der Aufklärung. In dieser Phase stellte sich alles in den sozialen Dienst der Vereinbarkeit oder Verträglichkeit, je nachdem, ob die Fragen ethisch oder politisch gestellt wurden, ob nach Kompatibilität oder Konvenienz. Sicher waren sie sich einig darüber, daß der perfekte Sozialdienst bzw. Staatsdienst allein schon deswegen zu bewerkstelligen wäre, weil er auf Aufklärung beruhte. Wie Spätjugendliche fühlten sie sich als Aufgeklärte und Mündige, also als Früherwachsene, aber waren sie das auch?  Waren sie (zu) früh Erwachsene?  Beschmückten sie sich nicht selbst wie das dekorative Rokoko die Innenräume der Barockbauten?  Waren sie im Innern nicht noch Kinder oder Jugendliche?  Gehört zu einer früh erwachsenen Kultur mehr als Aufklärung, Mündigwerdung und anfängliche industrielle Revolution?  Nach Kant ist Aufklärung ein Erwachen des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Auch parallelisiert Kant das Kindesalter mit dem Dogmatismus, das Jünglingsalter mit dem Skeptizismus und das Erwachsenenalter mit dem Kritizismus, der für ihn den Ursprung und die Grenzen des menschlichen Erkennens erst festzustellen fähig ist. Er mußte das doch wissen, hatte er doch selbst den Sprung vom Skeptizismus zum Kritizismus vollzogen, gehörte also sowohl in die von ihm so genannte spätskeptizistische Jünglingsphase als auch in die darauf folgende frühkritizistische Erwachsenenphase (vgl. 18-20). Kritizismus ist nach Kant die gegen den metaphysischen Dogmatismus und Skeptizismus gerichtete Forderung, daß vor dem Aufbau theoretischer Systeme die Möglichkeit der benutzten und vorgetragenen Erkenntnisse untersucht und deren methodische Prinzipien und Mittel bereitgestellt werden. In der Tat: Untersuchung und Bereitstellung sollten in dieser Phase, der Aufbau theoretischer Systeme aber in der nächsten Phase geschehen. (Vgl. 18-20).

Zum Anfang der Jungfrau Philosophisch bekämpfte die Aufklärung jede echte Metaphysik. Sie beförderte jede Art des Rationalismus, also auch die Naturwissenschaft. Mit dem Rationalismus zusammen teilt die Aufklärung den Glauben an eine unbegrenzte Erkenntniskraft und ihre über kurz oder lang sich vollziehende Bemächtigung alles Seienden. Der alte Glaube wurde hier abgelöst vom Glauben an Wissenschaft und Fortschritt. Für Rationalismus und Aufklärung gab es nur vorläufige Probleme, nicht aber grundsätzlich unlösbare Probleme. Sie vertraten ethisch-pädagogisch humanitäre Ideale, ein jugendgemäßes Erziehungswesen, politisch-juristisch und gesellschaftlich-wirtschaftlich die Freiheit des Menschen aus ungerechten Bindungen (Individualismus), die Gleichheit aller Bürger desselben Staates vor dem Gesetz und schließlich die Gleichheit all dessen, was Menschenantlitz trägt. Individuum und Gesellschaft

Alles in allem waren das Vorbereitungen auf die nächste Phase bzw. das gesamte Kulturquartal der herbstlichen Erwachsenenkultur. (Vgl. 18-20, 20-22, 22-24). Überhaupt zeigen alle 4 Phasen, die sich am Ende eines Kulturquartals befinden, diesen Vorbereitungscharakter auf die jeweils nächste Kulturjahreszeit. Und dies trifft eben auch auf die Aufklärungsphase zu. In der Antike bereitete sie die klassische attische Philosophie vor, im Abendland den klassisch-romantischen Idealismus, und erst diese beiden Klassiken sollten, einer Weinernte gleich, die Kulturauslese darstellen. (Vgl. 18-20).

Alle Gelehrten dieser Zeit, die solche Brücken zu schlagen vermochten, bereiteten die nahende Zivilisation vor. Vico (1668-1744), Wolff (1679-1754), Montesquieu (1689-1755), Voltaire (1694-1778), Friedrich II. (1712-1786), Rousseau (1712-1778), Baumgarten (1714-1762), Hume (1711-1776), Condillac (1715-1780), Lamettrie (1709-1751), Diderot (1713-1784), d'Alembert (1717-1783), Holbach (1723-1789), Kant (1724-1804), Lessing (1729-1781), Mendelssohn (1729-1786) waren Aufklärer in diesem Sinne, wobei Kant ab etwa 1781 die Aufklärung bereits überwinden konnte. Hume vertrat einen erkenntniskritischen und moralischen Skeptizismus, während Lamettrie, Diderot, d'Alembert und Holbach dem Materialismus, dem frühen Positivismus zuneigten. Condillac und Hume standen dem Sensualismus nahe, dessen Entsprechung in der Antike bei den Kyrenäikern (Hedonikern) zu finden ist. Arstippos von Kyrene (435-355), Schüler und Freund des Sokrates (469-399), gründete diese Schule. Platon (427-347), Xenophon (450-354), die ebenfalls Schüler des Sokrates waren, und Antisthenes (444-368), Stifter der kynischen Philosophenschule, der bald auch Diogenes von Sinope (412-323) angehören sollte, überschritten bereits die Grenze zur attischen Klassik - analog zu Kant, Goethe, Herder und Schiller zur deutschen Klassik. Dagegen muß man beispielsweise den abendländischen Wolff und die Hauptvertreter der antiken Sophistik auch noch der vorhergegangenen Phase zurechnen. (Vgl. 14-16 und Tafel).

Sophisten nannten sich die antiken Aufklärer: Protagoras (485-410), Gorgias (ca. 480-380) Hippias (um 400), Prodikos (um 400) und die anderen Sophisten galten zunächst als die Denker und Weisen, dann als Lehrer der gewandten Rede- und Unterredungskunst, schließlich jedoch als Vertreter der geschwätzigen und spitzfindigen Scheinweisheit, weil sie eine Tendenz entwickelt hatten, in Diskussionen um jeden Preis zu obsiegen. Trotzdem waren sie bedeutend, besonders im Hinblick auf ihre aufklärerische Verbreitung des philosophischen Gedankenguts und auf die praktische Pädagogik. Sophistisch im positiven Sinne war auch die Tatsache, daß die praktische Beschäftgung mit philosophischer Argumentation durch die Sophistik zu einem größeren Interesse am Philosophieren und am kritischen Denken führte. Die Sophisten trugen die Lehren der Vorsokratiker in die Öffentlichkeit und wirkten dadurch aufklärerisch. Die Zeit der Vorsokratiker war, wie der Name schon verrät, mit Sokrates (470-399) vorbei: die kosmologische Naturphilosophie der Griechen wurde durch ihn und seine anthropologische Ethik abgelöst, zugleich aber der ethische Relativismus der Sophisten widerlegt. Menschenbildung, Jugendbildung und Seelenführung war der Zweck seines Philosophierens; geistige Maieutik und Ironie der Weg dazu. Sokrates' Philosophie beruhte auf seiner Grundüberzeugung, daß das Sittliche erkennbar und lehrbar sei und aus dem Wissen um Sittlichkeit stets das Handeln gemäß der Sittlichkeit folge. In diesem Sinne versuchte Sokrates zunächst jedesmal vom Einzelfall aus die Menschen zu einer klaren Begriffsbildung hinsichtlich des sittlich Richtigen hinzuführen. Für ihn war dasjenige Handeln richtig, das den wahren Nutzen des Menschen und damit seine Glückseligkeit bewirkt. Nach Sokrates ist deshalb die Selbsterkenntnis die Bedingung der praktischen Tüchtigkeit: weiß ich, was ich bin, so weiß ich auch, was ich soll. In sich selbst fand Sokrates aber auch ein göttliches Daimonion, das ihm als innere Stimme zur Verfügung stand und ihm mitteilte, was er tun oder unterlassen sollte. Die höchste Tugend war für Sokrates die Genügsamkeit: wer am wenigsten bedarf, ist der Gottheit am nächsten; nur wer sich selbst zu beherrschen gelernt hat und in allen Dingen ausschließlich der richtigen Einsicht folgt, ist imstande, andere zu beherrschen, und berechtigt, als Staatsmann zu wirken. Sokrates gilt mit Platon und Aristoteles zusammen als bedeutendster Philosoph der Antike, blieb aber vielumstritten. Von einigen wurde er als erster großer Ethiker gepriesen, von anderen als Aufklärer und Auflöser verworfen. Auch die Aufklärung hatte ihre zwei Seiten, und ihre Schattenseite war die eben erwähnte negative Sophistik.


Die ganze Universalgeschichte des Rechtes und die Ethnologie vorausgeahnt haben soll Giovanni Battista Vico (1668-1744). Er führte die vergleichende Methode in die abendländische Geschichtswissenschaft bzw. Geschichtsphilosophie ein und nahm an, daß alle Völker sich „parallel“ entwickeln, daß der „corso“ (Lauf, Kurs als Aufstieg) der Völker drei Zeitalter durchläuft: das der Götter, das der Heroen, das der Menschen; die Aufeinanderfolge eines göttlichen, eines heroischen und eines menschlichen Zeitalters kann man also als ein Drei-Stadien-Gesetz auffassen. Später sollten jedenfalls nicht wenige ein ähnliches Drei-Stadien-Gesetz und/oder eine ähnliche Parallelität zwischen Völkern oder sogar Kulturen annehmen. (Beispiele). Vico war seiner Zeit sehr weit voraus und lehnte den Cartesianismus ab, genauer: er setzte gegen Descartes' an Mathematik und Physik orientierten naturalistischen Rationalismus in De antiquissima Italorum sapienta ... (1710) den erkenntnistheoretischen Grundsatz: „Nur das kann erkannt werden, was einer selbst hervorgebracht hat“. Deshalb ist eine universale Erkenntnis nur Gott möglich, der in seiner Schöpfung alles geschaffen hat; weil die Geschichte aber andererseits das ist, was der Mensch in der Welt geschaffen hat, ist die Geschichte sein vornehmliches Erkenntnisobjekt. Ausgehend von diesem Grundsatz entdeckte Vico in seinem Werk Von dem einen Ursprung und Ziel allen Rechtes (1720) die Geschichtlichkeit des Rechts und entwickelte das für die gesamte Menschheitsgeschichte als gültig erachtete geschichtsphilosophische Modell der gesetzmäßigen Wiederkehr je eines theokratischen, heroischen und menschlichen Zeitalters in einem Zyklus von Aufstieg, Verfall und ständiger Wiederkehr. (Beispiele). Wie gesagt: Vico erklärte die Geschichte zum eigentlichen Feld der menschlichen Erkenntnis, weil der menschliche Geist am besten das verstehen könne, was er selbst gemacht habe: „Tat-Sachen“. Daß Vico seiner Zeit weit voraus war, läßt sich schon allein daran erkennen, daß er als Wegbereiter des Historismus und als Systematiker der Geschichtswissenschaften gilt. Und das sind gerade nicht die „positiv“ erkennbaren physikalischen Phänomene, denn sie können nur von außen erklärt werden und nicht, wie in der Geschichtswissenschaft, von innen verstanden werden. Das ist im wesentlichen schon die These der Hermeneutik, denn die Gegenüberstellung von Erklären und Verstehen ist typisch für diese Denkrichtung, und zu Vicos Zeiten gab es die Hermeneutik als wissenschaftliche Disziplin noch gar nicht: Vico war eben seiner Zeit weit voraus. Was jedoch die Kulturzyklen-Theorie angeht, so hatte schon lange vor Vico Francis Bacon (1561-1626) festgestellt, daß Kulturen altern wie Menschen und Phasen bzw. Auf-und-Ab-Stufen durchleben: „In der Jugend der Völker und Staaten blühen die Waffen und die Künste des Krieges; im reifen männlichen Alter der Völker und Staaten Künste und Wissenschaften; dann eine Zeit lang beide zusammen, Waffenkunst und Musenkünste; endlich im Greisenalter der Völker und Staaten Handel und Industrie, Luxus und Mode.“ (Francis Bacon, De dignitate et augmentis scientiarum, 1605; IV, 2, 114).

„Es gibt kein besseres Mittel, sich in eine richtige und genaue Vorstellung von den Weltbegebenheiten zu machen,
als sie durch Vergleichungen zu beurteilen, Beispiele aus der Geschichte zu wählen, sie neben die Ereignisse unserer Tage
zu stellen und auf die Ähnlichkeiten zwischen ihnen zu achten. Nichts ist mehr imstande, unsere Erkenntnis zu erweitern.“
(Friedrich II. [der Große] als Kronprinz von Preußen, 1738).

Schon seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte man u.a. eine Vorliebe für alles Exotische aus dem Osten und ganz besonders aus China entwickelt. Und „1742 setzte Papst Benedikt XIV. mit seinem kategorischen Edikt einen Schlußstrich unter diese fernöstliche Akkulturation und verbaute damit möglicherweise eine einmalige Missionierungschance der Geschichte. Paradoxerweise fanden die frommen Patres eifrige, begeisterte Lehrer unter ihren schärfsten ideologischen Gegnern, den kirchenfeindlichen Philosophen und Dichtem der Aufklärung. In ihrem Bemühen, abendländisches Interesse für das Reich der Mitte zu wecken, Subventionen und Anerkennung für ihre entsagungsvolle Tätigkeit in Peking zu gewinnen, war das Reich der Mandschu-Kaiser, das bereits im achtzehnten Jahrhundert mit vielen Kennzeichen des Verfalls und der geistigen Sklerose behaftet war, von den europäischen Geistlichen als eine ideale Gelehrtenrepublik platonischen Zuschnitts beschrieben worden. Der Kaiser thronte lediglich als wohlwollendes Symbol erdentrückter Despotie über ihr, während der Stand der Krieger, der im spätfeudalen Europa hohes, fast exklusives Ansehen genoß, bei den Söhnen des Himmels auf der untersten Gesellschaftsstufe rangierte und sich keinerlei Achtung bei jenen Gebildeten erfreute, die die höchste Autorität innehatten. Daß in Peking das Erlangen mandarinaler Würden an das Bestehen von philosophischen, ja literarischen Examina gebunden war, die - theoretisch zumindest - jedem begabten Untertan des Kaisers offenstanden, daß die Rangordnung der hohen Verwaltung einer »Meritokratie« entsprach, von der im damaligen Europa kaum jemand zu träumen wagte, schürte zusätzliche Begeisterung. Die Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts entdeckte ein utopisches Spiegelbild ihrer eigenen Wunschvorstellungen in jenem femen Imperium des Ostens, das Europa bereits mit seinen Porzellanfiguren entzückte. Die Mode der »Chinoiseries« erfreute die Höfe des Abendlandes. Friedrich der Große ließ im Park von Sanssouci einen chinesischen Pavillon errichten, und die Philosophen - Leibniz, Voltaire und Fénelon an der Spitze - waren des Lobes voll für eine asiatische Staatsform, die Friedfertigkeit, Toleranz, geistige Harmonie und vor allem die Priorität der Gebildeten zu garantieren schien. Konfuzius, der alte Lehrmeister, der fünfuundert Jahre vor Christus den Söhnen des Drachen den Weg des Einklangs zwischen Himmel und Erde gewiesen hatte, wurde an hervorragender Stelle in das Pantheon der »Lumieres« eingereiht.“ (Peter Scholl-Latour, Die Angst des weißen Mannes, 2009, S. 289-290). Mehr

Zopf-Perücke (Rokoko)

Rousseau

Als der Schweizer Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) seinen Freund Denis Diderot (1713-1784) im Gefängnis aufsuchen wollte, soll er seine große Inspiration unter einem Baum erlebt haben: „O hätte ich jemals nur einen Bruchteil dessen schildern können, was ich unter diesem Baum gesehen und gefühlt habe! Mit welcher Klarheit hätte ich alsdann all die Widersprüche unserer sozialen Ordnung aufzeigen können; mit welcher Kraft hätte ich alle Mißbräuche unserer Einrichtungen darlegen, mit welcher Deutlichkeit hätte ich beweisen können, daß der Mensch von Natur gut ist, und daß nur die Einrichtungen es sind, die ihn schlecht machen.“ In diesem Augenblick überwältigte Rousseau angeblich eine berauschende Gewißheit; so glaubte er zu wissen: „das Individuum mit seinem potentiellen Reichtum ist die Wahrheit - dort draußen, in der Gesellschaft, herrscht ein Mechanismus der Lüge. Die Gesellschaft raubt dem Individuum seine Wahrheit und seine Lebendigkeit. ....“ (Safranski). Laut Kant ist Rousseau sogar einer der bedeutedsten humanistischen Denker; das einzige Gemälde in Kants Haus soll ein Bild von Rousseau gewesen sein. Rousseau wirkte stark auf die französische Revolution: „Maximilian Robespierre war nichts als die Hand von Jean-Jacques Rousseau, die blutige Hand, die aus dem Schoße der Zeit den Leib hervorzog, dessen Seele Rousseau geschaffen“, so Heinrich Heine: „Man erzeigt wirklich dem Maximilian Robespierre zu viel Ehre, wenn man ihn mit dem Immanuel Kant vergleicht. .... Robespierre, der große Spießbürger von der Rue Saint-Honoré .... Wenn aber Immanuel Kant, dieser große Zerstörer im Reiche der Gedanken, an Terrorismus den Maximilian Robespierre weit übertraf, so hat er doch mit diesem manche Ähnlichkeiten, die zur Vergleichung beider Männer auffordern.“ (Heine). Eine Parallele verdeutlicht die Ähnlichkeit zwischen Rousseau und Sokrates - laut Spengler sind sie „gleichzeitig“ (Spengler) -, die überzeugt, wenn dabei berücksichtigt wird, daß das Apollinische der Antike und das Faustische des Abendandes zwei gegensätzliche Seelenbilder sind. Die aufklärerische Sophistik der Antike wurde zuerst von Sokrates, die sophistische Aufklärung des Abendlandes zuerst von Rousseau der Überwindung zugeführt, doch wurde jene erst durch Platon und diese erst durch Kant wirklich überwunden. (Kant). Zwar setzte Rousseau auf Versöhnung mit der Natur und auf die Naturalisierung der Kultur und deutete so schon auf die kommende Zivilisation, doch erst Kant gelang es, die Aufklärung wirklich zu überwinden, wodurch die abendländische Philosophie erwachsen werden konnte. Kant steht zuerst und dann gemeinsam mit Herder und vor allem mit Goethe und Schiller für den Übergang in die nächste Phase (vgl. 18-20).

Rousseau leitete aus dem Dogma des einmütigen Volkswillens, den er den „allgemeinen Willen“ („volonté générale“) nannte, die demokratische Identität von Regierenden und Regierten ab. Rousseau zufolge gibt es daher in der Demokratie nur die Gleichheit der Gleichen, die mit dem Volkswillen übereinstimmen, und es gilt nur der Wille derer, die zu diesem Glauben gehören. Bemerkt ein Einzelner nach einer Abstimmung, daß er anders als die Mehrheit gestimmt hat, so hat er sich - Rousseau zufolge - über den wirklichen Inhalt des Gemeinwillens eben getäuscht, und weil, so Rousseau ausdrücklich, dieser Gemeinwille der wahren Freiheit entspricht, war der Überstimmte nicht frei. „Diesem eigentlich demokratischen Denkansatz ist der Gedanke gegen den Staat gerichteter Abwehr-, Bürger- oder Menschenrechte völlig fremd; Minderheitenschutz ist nicht vorgesehen. Einem gegen den Generalwillen gerichteten Handeln einer Minderheit würde jede innere Legitimation fehlen.“ (Kunze). Rousseau selbst hat sich getäuscht; jedenfalls ist seine Theorie fragwürdig und problematisch.

Eine der bekanntesten Anekdoten über berühmte Philosophen ist die von Kant, der seine Gewohnheit, täglich um 7 Uhr abends durch Königsberg zu spazieren, in 25 Jahren nur einmal durchbrochen haben soll - ergriffen von der Lektüre des »Emile«. Und in der Tat ist Rousseau der Schlüssel zum Verständnis unseres Denkens über den Menschen, das Verhältnis von Kultur und Natur und die Gründe der Ungleichheit. Hier ist es besonders lehrreich, sich an eine weitere Trivialität zu erinnern, daß nämlich die berühmteste Formel Rousseaus, Zurück zur Natur!,  gar nicht von Rousseau stammt. Kant hat dazu den entscheidenden Satz gesagt: »Rousseau will nicht, daß man in den Naturzustand zurückgehen, sondern dahin zurücksehen soll.« (Vgl. Immanuel Kant, Werke, Band XV, S. 890). Unter entgegengesetzten Vorzeichen hat dann Nietzsche Kants Hochachtung für Rousseau bestätigt und ihn als Verkörperung des Geists der Moderne bekämpft. Rousseau war der erste moderne Mensch und seine Lehre von der Gleichheit die moderne Idee par excellence - darin sind sich Kant und Nietzsche einig. Der politische Philosoph Leo Strauss ist dann noch einen Schritt weiter gegangen und hat Rousseau als Denker der ersten Krise der Moderne gefeiert. Sein Zurück zur Natur und zur Antike war aber nicht reaktionär, sondern selbst modern. Hier vollzieht sich der Fortschritt der Moderne gerade als Rückkehr zur Antike.“ (Norbert Bolz, Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 38 Bolz).

Zum Anfang der Jungfrau
Leukipp (5. Jh. v. Chr.) Demokrit (460-371)
Der Lehrer und ältere Zeitgenosse des Demokrit (460-371) war Leukipp (5. Jh. v. Chr.). Beide gelten als Begründer der Atomistik; wegen der mangelnden Quellen über Leukipp kann man jedoch eher dazu neigen, Demokrit als den eigentlichen Begründer des Atomismus zu bezeichnen. Die Atomistik ist die naturphilosophische Lehre, die besagt, daß alle Dinge aus selbständigen Elementen bestehen und alles Geschehen auf Umlagerung, Vereinigung und Trennung dieser Elemente beruhe. Auch diese Lehre gehört zu den das antike Ursymbol körperlicher Abgegrenztheit immer wieder neu bestätigenden Bildern, die zusammen das antike Seelenbild ergeben und rechtfertigen (sollen). Mit Daniel Sennert (1572-1637) lebte der Atomismus im Abendland wieder auf. Er entwickelte anschaulich-gestalthaft ein umfassendes System der Atomistik. Nach ihm erneuerte auch Pierre Gassendi (1592-1655) die atomistisch-mechanistische Physik Demokrits. Überhaupt sollte gerade der antike Atomismus eine solch starke, erbschaftliche Wirkung erzielen, daß er noch heute in den abendländischen kausal-mechanischen Natur- und Weltauffassungen mitregiert und erst durch Heisenberg und die moderne ganzheitliche Betrachtungsweise erschüttert worden ist. Demokrit lehrte, daß alles Geschehen Mechanik der Atome sei, die, verschieden an Gestalt und Größe, Lage und Anordnung, sich im leeren Raum in ewiger Bewegung befänden und durch ihre Verbindung und Trennung die Dinge und Welten entstehen und vergehen ließen. Die Seele, identisch mit dem Element des Feuers, besteht nach ihm aus kleinsten glattrunden Atomen, die im ganzen Leib verbreitet sind. Organ des Denkens ist für ihn allein das Gehirn. Die Empfindungen sollen dadurch zustande kommen, daß von den Dingen ausgehende Ausflüsse, sich loslösende Abbilder in die Sinnensorgane eindringen und die Seelenatome in Bewegung setzen. Das höchste Gut sei die Glückseligkeit, so Demokrit, und sie bestehe wesentlich in der Ruhe und Heiterkeit der Seele, die am sichersten durch Mäßigung der Begierden zu erreichen sei. Demokrit selbst hieß schon in antiken Zeiten wegen der Befolgung dieser Lehre der lachende Philosoph. Leukipp und Demokrit vollbrachten auf typisch antike Weise das, was Newton und Leibniz auf typisch abendländische Weise vollbrachten. Auf ihre Art waren die Atomisten Nachfolger der ionischen und eleatischen Naturphilosophen, die abendländischen Naturwissenschaftler und Mathematiker Nachfolger der sie fordernden Naturphilosophen. (Vgl. 12-14 und 14-16).

Zum Anfang der Jungfrau Es wurde bereits erwähnt, daß der Philosoph und Mathematiker Christian Wolff (1679-1754) führend in der deutschen Aufklärung geworden war. Er hatte das System des deutschen Rationalismus unter Verwendung aristotelischer, stoischer und auch scholastischer Gedanken zur höchsten Entfaltung gebracht und dadurch die von ihm umgestaltete Leibnizsche Philosophie zur herrschenden Philosophie seiner Zeit gemacht. Seine Schüler, die Wolffianer, hatten an fast allen deutschen Universitäten die philosophischen Lehrstühle inne.

Philosophie Analoge Philosophien
(16-18): 450-370 und 1700-1780
(12-14, 14-16, 16-18, 18-20, 20-22, 22-24)
2) Eleaten Seinsphilosophie/Rationalismus seit -550
3) Pythagoräer Rel.-pol.-arist. Rationalismus seit -550
4) Subjektivisten Elemenekinetik; Heraklit u.a. seit -520
5) Atomisten Naturph.; Leukipp/Demokrit, .. seit -490/-460
6) Sophisten Anthropologie/Aufklärung seit -475/-450
7) Sokratiker Sokrates, Maieutiker seit -440
8) Megariker Eristiker (Streiter) Euklid v. Megara seit -430
9) Kyrenäiker Aristippos von Kyrene, Hedoniker seit -400
10) Kyniker (Autarkisten) Antisthenes, Diogenes seit -400
11) Platoniker Platon, Alte Akademiker seit -385
2)Empirismus/Rationalismus Mechanik seit 1600
3) Pol.-rel. Empirismus Polit. Rationalismus seit 1600
4) Subjektivismus Rationalismus; Descartes u.a. seit 1630
5) Atomismus Monaden/Infinitesimal., Leibniz seit 1660-90
6) Aufklärung seit 1685 (1700)
7) Naturalismus-Subjektivismus seit 1710
8) Naturalismus/Deismus Freidenker seit 1720
9) Sensualismus Positivisten/Materialisten seit 1750
10) Früh-Romantik Sturm-und-Drang seit 1760
11) Kantianer Transzendental-Idealismus, Kant seit 1770
Theologie Analoge Theologien Philosophie
- PURITANISMUS -
26) Dionysos-Kult zu: Rationalismus; seit Pythagoräer
27) Zeus-Götterwelt; Theogonie von Hesiod; seit - 7. Jh.
28) Gegenreformation (6) Zeus-Götterwelt seit - 7. / - 6. Jh.
26) Neuscholastik (5) zu: Rationalismus; seit Leibniz - Wolff
27) Neumystik (4) seit 16. Jh.
28) Neuscholastik (6) Gegenreformation seit 16. Jh.

Zu Wolffs Schülern zählte in seinen jungen Jahren auch Kant. Später nannte er Wolff den gewaltigsten Vertreter des rationalen Dogmatismus: des Standpunktes des reinen ungebrochenen Vertrauens in die Macht der Vernunft. Die Titel der Schriften Wolffs beginnen fast alle mit „Vernünftige Gedanken ... „, gewachsen waren sie in Leibniz. Beide wirkten außer auf die Leibniz-Wolffsche Schule u.a. auf Herder, Goethe, Schiller und den Deutschen Idealismus, später u.a. auf Herbart und Lotze, ja sogar noch auf die analytische Philosophie des 20. Jahrhunderts, auf die Logistik der Sprachphilosophie, wie überhaupt auf die Linguistische Wende und den Nativismus. (u.a. Chomsky).

Zum Anfang der Jungfrau Immanuel Kant (1724-1804) stammte aus einer Handwerkerfamilie mit 12 Kindern, studierte in Königsberg Mathematik und Naturwissenschaften, Philosophie bei dem Wolff-Schüler Martin Knutzen. Kant verbrachte sein ganzes Leben in Königsberg, wirkte ab 1756 als Privatdozent, ab 1770 als ordentlicher Professor der Logik und Metaphysik mit großem Lehrerfolg, und er lehrte auch Naturwissenschaften, insbesondere Geographie.

Immanuel Kant (1724-1804)
4 Entwicklungsstufen
Platon (427-347)
4 Entwicklungsstufen

Natur-
wissen-
schaft-
liche Stufe

1747
-
1758

Meta-
physi-
sche
Stufe

1758
-
1781

Kritisch-
philoso-
phische Stufe

1781
-
1793

Nach-
kritische Stufe

1793
-
1804

Sokrates-
Schüler

407
-
399

Studien
bei den Eleaten-Megarikern
(Synthese aus eleat. und sokrat. Lehren)

Reisen
nach
Sizilien
und
Unteritalien:

Pythagoräer -Studien

Akademie

Gründung:

385
v. Chr.

Kritik der
Sophistik
Systematik
Erkenntnis-
theorie
Metaphysik
Ethik & Politik
Ideenlehre

Spätzeit

Weiter-
führung
der
Ideen-
lehre
&
Natur-
philosophie
Gesetz gebung

Kant

1794 wurde der Begründer des Kritizismus bzw. der Transzendentalphilosophie durch eine königliche Kabinettorder verwarnt: wegen Entstellung und Herabwürdigung mancher Haupt- und Grundlehren der Heiligen Schrift und des Christentums. Kant hat den Begriff der Metaphysik geändert, den der Erkenntnistheorie neugeschaffen, beides in der Kritik der reinen Vernunft (1781). Er sah in der Metaphysik nicht mehr die Wissenschaft vom Absoluten, wie noch die dogmatischen Philosophen, besonders die Wolff-Schule, sondern die Grenzen der menschlichen Vernunft. Die Erkenntnistheorie sollte die Grenzpolizei gegen alle Anmaßungen und Grenzüberschreitungen über das Erfahrbare hinaus sein. Erkenntnisse beruhen nach Kant einzig und allein auf Erfahrung, auf Sinneswahrnehmung. Die Sinne allein geben Kunde von einer realen Außenwelt. Kant begründet das in etwa so: Erkenntnis entspringt nicht vollständig aus der Erfahrung, vielmehr wird sie geformt durch die apriori bereitliegenden Anschauungsformen des Raumes und der Zeit und die Denk- bzw. Verstandesformen der Kategorien. Die Kategorien sind einerseits die allgemeinsten Wirklichkeits-, Aussage- und Begriffsformen, also die Stammbegriffe, von denen die übrigen Begriffe ableitbar sind (Erkenntniskategorien), andererseits die Ur- und Grundformen des Seins der Erkenntnisgegenstände (Seins- oder Realkategorien). Die Erforschung der Kategorien nannte Kant transzendental. Die Erkenntnistheorie als spezialisierte Untersuchung der Erkenntnis gliedert sich in Erkenntniskritik, die von einem vorher bestehenden Erkenntnistypus ausgeht, an dem sie die vorhandenen Kenntnisse kritisch mißt, so Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft (1781), und die Erkenntnismetaphysik, die das Wesen der Erkenntnis erforscht. Kant erschütterte aber eine Art von Metaphysik, die wahrnehmungslos und bloß spekulativ-konstruktiv vorgeht, indem er ihr die Fähigkeit zu irgendeiner Wirklichkeitserkenntnis absprach. Freilich räumte er ein, daß auch die durch Erfahrung gegründete Erkenntnis nicht auf die Dinge an sich, sondern nur auf deren Erscheinungen (Phänomene) zurückgeht. Reine Gedankenkonstruktionen hinsichtlich der Dinge an sich aber sind nach Kant erst recht keine Erkenntnisse. Dies versuchte er zu beweisen an der psychologischen, kosmologischen und theologischen Idee der bisherigen scholastischen, ontologischen, rationalistischen, damit als dogmatische Scheinwissenschaft entlarvten Metaphysik und natürlichen Theologie: der Unsterblichkeit der Seele, der Entstehung der Welt, der Existenz Gottes. (Vgl. 18-20).

Kant äußerte sich natürlich auch, und zwar pflichtgemäß, zur Ethik, einem in dieser Phase zur Höchstform auflaufenden Charakteristikum (antik wie abendländisch). Pflicht ist die verbindliche Pflege, für etwas zu sorgen. Diese als inneres Erlebnis auftretende Nötigung muß er vor Augen gehabt haben, um den von ethischen Werten ausgehenden Forderungen entsprechen und das eigene Dasein diesen Forderungen gemäß gestalten zu können. Kant kam in seiner Kritik der praktischen Vernunft (1788) zu einer autonomen Pflicht-Ethik, die als eine bedeutende philosophische Leistung gelten kann. Kants Gedankengang ist in etwa folgender: Der Vernunft ist es zwar unmöglich, Gegenstände rein apriori, d.h. ohne Erfahrung theoretisch zu erkennen, wohl aber den Willen des Menschen und sein praktisches Verhalten zu bestimmen. Seinem empirischen Charakter nach, d.h. als Person, steht der Mensch unter dem Naturgesetz, folgt er den Einflüssen der Außenwelt, ist er unfrei. Seinem intelligiblen Charakter gemäß, d.h. als Persönlichkeit, ist er frei und nur nach seiner (praktischen) Vernunft ausgerichtet. Das Sittengesetz, dem er dabei folgt, ist ein kategorischer Imperativ. Nicht auf äußere Güter gerichtetes Streben nach Glück, nicht Liebe oder Neigung machen ein Tun moralisch, sondern allein die Achtung vor dem Sittengesetz und die Befolgung der Pflicht. Getragen ist diese Ethik der Pflicht von der nicht theoretischen, sondern praktischen Überzeugung von der Freiheit des sittlichen Tuns, von der Unsterblichkeit des sittlich Handelnden, da dieser in diesem Leben den Lohn seiner Sittlichkeit zu ernten nicht befugt ist, von Gott als dem Bürgen der Sittlichkeit und ihres Lohnes. Diese 3 Überzeugungen sind nach Kant die praktischen Postulate von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Von religiöser Heteronomie - Fremdbestimmung u.s.w. - ist nach Kant die Sittlichkeit frei, weil sie autonom ist. In diesem Zusammenhang sah Kant seine Auffassungen über Recht, Staat, Politik und Geschichte, deren Wirklichkeit er sehr skeptisch gegenüberstand, besonders der des von ihm als ethisch-politisches Ideal anerkannten Ewigen Friedens.

Zum Anfang der Jungfrau Die Mystik lebte auch in der Aufklärung fort: Friedrich Oetinger (1702-1782) suchte die Narturmystik Jakob Böhmes mit der Gravitationstheorie Newtons zu verbinden. (Vgl. 14-16). Johann Georg Hamann (1730-1788) war ein Gegner der Aufklärung und wies gegenüber Kants rein verstandesmäßiger Erkenntnis auf die Schöpferkraft des Gefühls und des Gemüts hin, die er besonders in der Sprache am Werk sah und die sich in der Dichtung der Muttersprachedes Menschengeschlechts offenbare. Hamann wirkte über die Sturm-und-Drang-Zeit und den Klassizismus bis weit in die Romantik und die moderne Sprachphilosophie hinein. (Vgl. 18-20). Aber Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) war ein Gegner des Geniekults und des Mystizismus der Philosophie seiner Zeit. Er war ein geistvoller Vertreter der Aufklärung, in dessen Denken sich schon Züge des Deutschen Idealismus abzeichneten. (Vgl. 18-20). Als Kritiker Kants zog er aus dessen Philosophie besonders ethisch und pädagogisch weitgehende, auch praktische Folgerungen. Lichtenberg bekämpfte geistige Zuchtlosigkeit (Relativismus) und Pedanterie (Rationalismus), ebenso die konfessionelle Orthodoxie. Vermischte Schriften und Aphorismen, die viele satirische, ironische, geistvoll formulierte Aussprüche über alle Lebensgebiete enthalten, kann man ohne weiteres als geniale Qualität Lichtenbergs bezeichnen. Die Zeit des Sturm und Dranggalt damals als Geniezeit - wahrscheinlich weil deren Vertreter auf die später noch mehr zu beneidende Deutsche Klassik zu wirken vermochten. Der Sturm und Drang erhielt Anregungen durch die Kulturkritik Rousseaus und das Genieverständnis E. Youngs sowie durch die pietistische und empfindsame Tradition. Unmittelbarer Wegbereiter der antirationalen und religiösen Komponente war der eben erwähnte Hamann, die eigentlichen Grundideen entwickelte aber Herder. Der literarische Sturm und Drang begann mit Begegnung zwischen Herder und Goethe 1770 in Straßburg. Von Herders ästhetischen Ideen beeinflußt, verfaßte Goethe im lyrischen, dramatischen und epischen Bereich die initiierenden Werke Sesenheimer Lieder (1771), Götz von Berlichingen (1773), Die Leiden des jungen Werthers (1774) u.a.. Goethe, Schiller, F. M. Klinger, J. A. Leisewitz, H. L. Wagner, J. M. R. Lenz und andere Dichter des Sturm und Drang verfolgten folgende Themen und Motive: Selbstverwirklichung des genialen Menschen, den tragischen Zusammenstoß des einzelnen mit der Geschichte, den notwendigen Gang des Ganzen, Bruderzwist bis zum Brudermord, Konflikte zwischen Moralkodex und Leidenschaft, soziale Anklage gegen die Korruption der herrschenden Stände und gegen Standesschranken überhaupt. Guter Stoff war für die Dichter natürlich auch das Drama um Faust, das es spätestens seit 1746 auch als Puppenspiel gab. G. E. Lessing konzipierte ein Faustdrama in ganz neuem Verständnis. Dem Dichter der Aufklärung bedeutete Fausts Streben nach Wissen nicht Vermessenheit und Aufbegehren gegen Gott. Nach ihm wurde der Stoff von Dichtern des Sturm und Drang aufgegriffen: Faust wird als titanische Persönlichkeit aufgefaßt, so bei Friedrich Müller (genannt Maler Müller), bei F. M. Klinger und auch bei Goethe im sogenannten Urfaust, der 1772-1775 entstand und als Abschrift des Fräuleins von Göchhausen erhalten ist. In einer stark veränderten und von Goethe 1790 veröffentlichten Fassung war die Goethesche Konzeption, in der das Faustdrama zum Menschheitsdrama wird, bereits so angelegt, wie in der Endfassung des Werkes verwirklicht (Teil I, 1806; Teil II, 1831). Den Rahmen bildet eine doppelte Wette des Mephistopheles mit dem Herrn und mit Faust, in der es um das Streben des Menschen nach Selbstverwirklichung geht, das für den Nihilisten Mephistopheles nur Selbsttäuschung ist und daher in dumpfem Genuß enden muß. Goethes philosophischer Werdegang führte ihn von der Abneigung gegen die Schulphilosophie (das Collegium logicum) in der Leipziger Zeit (1765-1768), wo seine erste Lyrik im Stil des Rokoko entstanden. Zur Erweckung eigenen philosophischen Denkens kam es in der Straßburger Zeit (1770-1771), wo Goethe in der Freundschaft mit Herder seinen Durchbruch zum Sturm und Drang fand. Goethes naturphilosophische Studien der ersten Weimarer Zeit (1775-1786) gründeten auf Auseinandersetzung mit Platon, Neuplatonismus, Giordano Bruno und vor allem mit Spinoza. Nach seiner italienischen Reise (1786-1788) begann nicht nur die Weimarer Klassik, sondern auch Goethes Sachinteresse an der Farbenlehre und an der vergleichenden Gestaltlehre, der Morphologie (niedergelegt in der Metamorphose der Pflanzen, 1790; vgl. Metamorphose).

Die Literatur des deutschen Rokoko (1740-1780) übernahm die Grundtendenzen der Aufklärung und Züge der Empfindsamkeit. Oberstes Prinzip war für ihre Vertreter die Grazie als das moralisch Schöne. Neues Lebensgefühl, heitere, weltimmanente Lebensfreude wurden ebenso propagiert wie ein verfeinerter Sinnengenuß, der in ästhetischem Spiel und graziöser Form Leben und Kunst harmonisch vereinen sollte. Man bevorzugte Kurzformen wie Lyrik, Verserzählung, Dramolett, Singspiel und Idylle. Während des deutschen Rokoko wirkten hauptsächlich C. M. Wieland (1733-1813), der junge J. W. Goethe (1749-1832), der junge G. E. Lessing (1729-1781), F. von Hagedorn (1708-1754), J. W. L. Gleim (1719-1803), H. W. von Gerstenberg (1737-1823), C. F. Gellert (1715-1769), S. Geßner (1730-1788), J. P. Uz (1720-1796), F. G. Klopstock (1724-1803), E. C. von Kleist (1715-1759) J. C. Gottsched (1700-1766). (Vgl. 18-20). Einen Vorgriff auf die nächste Phase unternahmen die gelehrten Vertreter der klassizistischen Bewegung in Deutschland, und zwar J. J. Winckelmann (1717-1768) und G. E. Lessing sowie die zu Beginn dieser Zeit noch jungen J. W. Goethe und F. Schiller. (Vgl. 18-20).

Johann Gottfried Herder (1744-1803) stand von 1762 bis 1764, als er in Königsberg Theologie studierte, unter Einfluß Kants und Hamanns. 1764 bis 1769 war er Lehrer in Riga, 1771 Hofprediger in Bückeburg. Die Philosophie Herders ist vor allem von Giordano Bruno, Spinoza, Leibniz und Hamann, mit dem er befreundet war, geprägt. Den späteren Kant lehnte er schroff ab, seine Untersuchungen nannte er öde Wüsten voll leerer Hirngeburten und im anmaßenden Wortnebel. Gegen den Aphorismus Kants führte er den Entwicklungsgang der Sprache ins Feld. Erst mit dem Sprechen entsteht Vernunft, war seine Antwort. Herders Sprachphilosophie und seine Volksliedersammlung lenkten seine Aufmerksamkeit besonders auf jene Völker, die ihre urtypischen Sitten und Bräuche und ihre urwüchsige Sprachkraft noch nicht verloren hatten. So wurde Herder zum Bewunderer der Lieder der Slawen, von deren Volkstum West-Europa bis dahin so gut wie nichts wußte. Herder ist der Vater der europäischen Slawistik. Er bahnte den slawischen Völkern den Weg zu den eigenen, von ihnen selbst vernachlässigten Volksgütern. Sie haben es Herder zu verdanken, daß sie in den Bereich der europäischen Kulturinteressen treten konnten. Nach Herder ist Geschichte fortschreitende Entwicklung zur Humanität: Kritik der Vernunft bedarf es nicht, sondern einer Physiologie der menschlichen Erkenntniskräfte. In der Geschichte wie in der Natur entwickelt sich alles aus gewissen natürlichen Bedingungen nach festen Gesetzen. Das Fortschrittsgesetz der Geschichte beruht auf einem Fortschrittsgesetz der Natur, das schon in den Wirkungen der anorganischen Naturkräften verborgen tätig ist, in der aufsteigenden Reihe der organischen Wesen vom Naturforscher bereits erkannt wird und sich für den Geschichtsforscher in den geistigen Bestrebungen des Menschengeschlechts zeigt.

Zum Anfang der Jungfrau Rokoko bezeichnet die Stilstufe der europäischen Kunst von etwa 1720 bis 1780. Das Wort ist abgeleitet aus dem französischen rocaille, Muschel- und Grottenwerk, nach einem immer wieder hervortretenden Ornamentmotiv. Diese Ableitung läßt vermuten, daß es sich hierbei um einen Dekorationsstil handeln könnte. Aus diesem Grunde pflegt man auch hinsichtlich der monumentalen Baukunst und Bildnerei jener Zeit nur in sehr bedingtem Maße von Rokoko zu sprechen.

Rokoko

Eigentlich wird das Rokoko nur auf dem Gebiete des Kunstgewerbes gegen den Barock einigermaßen scharf abgegrenzt. Ansonsten ist das Rokoko eher als eine Endphase des Barock zu bezeichnen. Allerdings ist die Reaktion auf das Pathos und die Monumentalität des Barock als eine Art Gegenwirkung und Hinwendung zum Intimen, Wohnlichen und Spielerischen deutlich zu erkennen. Die künstlerischen Akzente verlagerten sich vom Außenbau auf den Innenraum, der von einem lockeren Schmuckwerk übersponnen und in Bewegung gesetzt wurde. Das Schwere, Üppige, Großformige und Volltönende des Barock wurde im Rokoko zu Leichtigkeit, Zierlichkeit, Kleinteiligkeit und beschwingter Grazie gewandelt. Die Farbe hellte sich auf, und so konnte erst im Rokoko die zartfarbige Pastellmalerei zu wirklicher Geltung gelangen. Barockes Pathos schlug in spielerisches Gebaren um, dem das kleine Format gemäßer war.

Das Kleinbildwerk aus Porzellan wurde so zum Träger dieser spielerischen Haltung, die sich besonders deutlich auch in den Chinoiserien ausdrückt. Seine höchsten Triumphe feierte das Rokoko im Dienst einer raffinierten Wohnkultur, bei der Dekoration des Innenraums und seiner Ausstattung mit Möbeln und Tapeten. Rokoko ist verfeinerte Wohnkultur. Dem intimen Charakter des Rokoko entspricht eine Blüte des Kunstgewerbes und der Kleinkunst, die damals zu einer neuen Gattung, der Porzellanplastik, führte. Die Porzellanplastik erlebte im Rokoko ihren Höhepunkt und spiegelte sich in der Gesellschaft durch galante Schäferspiele und gebildeter Weltläufigkeit wider (J. J. Kändler, F. A. Bustelli). Galante und pastorale Themen bestimmen auch die Malerei (Watteau, J. H. Fragonard, F. Boucher), Stilleben (J.-B. S. Chardin) und Porträtkunst wurden gepflegt. Hauptländer des Rokoko sind Frankreich und Deutschland. In Süddeutschland fand das Rokoko gerade im Kirchenbau höchste Vollendung und das Rokokoornament umfassende Wirksamkeit, und zwar sowohl im Grund- wie im Aufriß. Im Innenraum überspielen Stuck, Plastik und Malerei, Licht und Farbigkeit die räumlichen Grenzen (D. Zimmermann, Wies, Brüder Asam, Abteikirche Weltenburg; J. M. Fischer, Rott am Inn, Plastik von I. Günther; Wallfahrtskirche Birnau, Plastik von J. A. Feuchtmayer). Wichtige Aufgaben der Bildhauer waren Figuren für Park- und Gartenanlagen. (F. Dietz u.a.). Der westfälische Baustil dieser Zeit war typischerweise gekennzeichnet durch besonders kraftvolle bodenständige Elemente, und nicht selten benutzten dessen Vertreter, wie etwa Johann Conrad Schlaun, eine Kombination von rotem Backstein und gelbem Haustein: Erbdrostenhof in Münster (1753-57); weitere Werke von Schlaun sind Schloß Augustusburg in Brühl (1724-28), Schloß Nordkirchen (1724ff.), Jagdschloß Clemenswerth bei Sögel (1737-44), Clemenskirche (1744-54) und die fürstbischöfliche Residenz in Münster (1767-73).

Zum Anfang der Jungfrau Was für das Abendland das Rokoko war, das war für die Antike die Korinthik. Das korinthische Kapitell, viel dekorativer als andere Formen und seine Vorläufer (vgl. 12-14 und 14-16), enstand um 400 v. Chr. und war, laut Überlieferung, eine Erfindung des attischen Bilhauers Kallimachos (um 400). Seine Kunst neigte ebenfalls zu übergroßer Zierlichkeit und überfeinerter Ausführung.

Korinthische Säulenordnung

Korinthische Ordnung bedeutet, daß die ionischen Säulen und Kapitellen zum Teil noch höher, aber vor allem dekorativer sind als ihre Vorläufer. Die Säulen waren fast nur noch Schmuck und genaugenommen gar keine Säulen mehr, sondern nur noch eine Verkleidung der Mauerzungenenden. Die Dekoration trat an die Stelle der Betonung der Konstruktion. Korinthische Ordnung heißt also Dekoration und ist so tatsächlich als ein Analogon zum abendländischen Rokoko zu sehen. Die korinthische Säule wurde zum ausgeschmücktesten antiken Kapitell überhaupt, wenn man von den späteren Nachahmungen und Neostilen absieht. (Vgl. Kompositkapitell). Das korinthische Kapitell, allseitig mit Akanthus (-Blättern) geschmückt und stilisiert, verschleiert die Funktion des Tragens vollständig.


Korinthische Säulenordnung. Das Kapitell ist ein Zwischenglied zwischen Stütze und Last.


Galanter und empfindsamer Stil prägte die Musik des Rokoko als die Zeit des Übergangs vom Barock zur sogenannten „Wiener Klassik“ (bzw. Klassizismus). Die allgemeine künstlerische Tendenz dieser Zeit prägte also auch die Musik: kleine Formen, gesangliche Bildungen, empfindungsreiche Melodik und einfache Harmonik, teilweise in reicher Verzierungstechnik bei einem insgesamt feinsinnigeren und differenzierteren Klangideal als im mehr großflächig ausgreifenden, jeden Affekt einheitlich präsentierenden Barockstil. Der Barockmeister Johann Sebastian Bach (1685-1750) brachte den Barock zur Vollendung und leitete zugleich auch den Übergang zum Rokoko ein. Seine Söhne Wilhelm Friedemann Bach (1710-1784), Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788), Johann Christoph Friedrich Bach (1732-1795) Johann Christian Bach (1735-1795) sowie Christoph Willibald Ritter von Gluck (1714-1784), Johann Stamitz (1717-1757), Johann A. Hiller (1728-1804) sind dann die bedeutendsten Vertreter des Rokoko, obwohl auch noch der junge Franz Joseph Haydn (1732-1809), der junge Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und der noch sehr junge Ludwig van Beethoven (1770-1827) noch zum Rokoko zu zählen sind, bevor sie ihre Hochform erreichten und endgültig zu den Hauptvertretern der „Wiener Klassik“ wurden. (Vgl. 18-20).

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) war Bayer, also nicht Österreicher, Salzburg gehörte zu jener Zeit zu Bayern, also nicht zu Österreich, es wurde erst 1816 österreichisch. Es geht nicht darum, was die heutige österreichische Propaganda herbeilügt, sondern darum, was die historischen Fakten des Deutschen Mozart sagen. Der als Kapellmeister und Komponist in einer bayrischen Erzkapelle in Salzburg tätige Leopold Mozart war der Vater von Wolfgang Amadeus Mozart und unterrichtete diesen schon sehr früh in Klavier- und Violinspiel sowie Komposition, so daß dieser schon mit 5 Jahren sein erstes Musikstück als Pianist vortrug. Das war 1761. Die Erziehung glich keiner Überzüchtung, sondern einer liebevollen Führung, so daß man sagen kann, daß Wolfgang Amadeus tatsächlich ein Wunder der Natur war. 1763 unternahm der Vater mit Sohn Wolfgang Amadeus und Tochter Maria Anna („Nannerl“) eine Konzertreise, die über viele deutsche Städte bis nach Paris und London führte. Von 1772 bis 1777 war Wolfgang Konzertmeister in Salzburg, von 1781 bis 1791 Komponist in Wien. Wolfgang schrieb auch während seines Lebens zahlreiche Briefe, die ein Kennenlernen seiner Persönlichkeit und seiner musikalischen Ansichten und Arbeitsweisen ermöglichen und so eine wichtige Forschungsbasis zu seinem Leben und seinem Werk liefern. Der wichtigste briefliche Korrespondenzpartner war sein Vater. Ein Drittel seines Lebens verbrachte Wolfgang auf Reisen. Trotzdem war er seinem geliebten Deutschland sehr verbunden, denn er besaß einen Nationalstolz. Am 19. Mai 1778 schrieb er an seinen Vater: „Was mich aber am meisten aufrichtet und guten Muthes erhält, ist, daß ich ein ehrlicher Teutscher bin“; und am 17. August 1782: „Will mich Teutschland, mein geliebtes Vaterland, worauf ich (wie Sie wissen) stolz bin, nicht aufnehmen, so muß in Gottes Namen Frankreich oder England wieder um einen geschickten Teutschen mehr reich werden – und das zur Schande der teutschen Nation.“

Zum Anfang der Jungfrau

Zum Anfang der Jungfrau Obwohl wahrscheinlich schon die Portugiesen im 16. Jahrhundert Australien entdeckt hatten, gilt der Holländer W. Janszoon offiziell als Entdecker dieses Kontinents (1605). (Vgl. 14-16). Aber dessen Ostküste wurde erst 1770 erreicht: James Cook befuhr sie von Süden nach Norden, überwand das große Barriereriff und fand erneut die Meeresstraße zwischen Australien und Neuguinea, deren Entdeckung (1606) die Spanier geheimgehalten hatten. Bis auf einige Abschnitte der Süd- und Südostküste war nun der Umriß Australiens bekannt. Bis 1800 sollten Engländer die noch unbekannten Küsten erforschen. Die Besiedlung Australiens erfolgte ausschließlich von Großbritannien aus. Die australische Ostküste wurde anstelle der durch den nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775-1783) verlorenen Kolonien zum neuen Platz für die Anlage von Sträflingskolonien. 1788 landete eine Flotte mit etwa 1000 Sträflingen in Port Jackson. Dort wurde die Siedlung Sydney gegründet. Freie Siedler kamen erst ab 1793. Sie führten die Schafzucht ein und wurden zu den eigentlichen Pionieren der Kolonisation. (Vgl. Karten).

Nach dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1713/14), der zur Gleichgewichtspolitik und damit zum Schiedsrichter Großbritannien geführt hatte, war das Ruhebedürfnis groß. (Vgl. 14-16). Es kam zunächst zum Ausgleich der britisch-französischen bzw. französisch-österreichischen Gegensätze, so daß das europäische Gleichgewicht durch Konvenienz (Übereinkunft der Kabinette) gehalten werden konnte. Kongresse, Bündnisse, Teilungen und Ländertausch im Interesse der Staatsräson fanden ohne Rücksicht auf die betreffende Bevölkerung statt. In dieser Zeit (1713-1740) baute Friedrich Wilhem I., der größte innere König Preußens, den preußischen Staat zu einem Beamtenstaat aus und ließ weitere Emigranten, z.B. Salzburger Protestanten, ansiedeln. (Vgl. 14-16). Mit dem Edikt von 1717 wurde das Volksschulwesen angehoben und das adelige Offizierskorps zum ersten Stand im Staate befördert. Der Soldatenkönig trug als erster europäischer Monarch ständig Uniform, steigerte das Berufsheer auf 83000 Mann (bei 2,5 Mio. Einwohnern!)  und machte den Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau (1683-1747) zum Zuchtmeister der Infanterie. Unter Friedrich Wilhelm I. gab es Drill, eisernen Ladestock und Gleichschritt, ab 1733 auch eine Dienstpflicht für die bäuerliche Bevölkerung, aber auch starke Spannungen zwischen ihm und seinen Sohn, dem Kronprinzen Friedrich (1712-1786). 1730 mußte dieser nach mißglückter Flucht der Hinrichtung seines Freundes Katte zusehen. Am Ende unterwarf sich der spätere König Friedrich II. seinem Vater. Er wurde im Staatsdienst ausgebildet und hatte ab 1736 seine eigene Hofhaltung in Rheinsberg, wo G. W. Knobelsdorf (1699-1753) von 1734 bis 1739 das barocke Schloß mit Schloßpark und Kavaliershaus für ihn baute. In dieser Zeit betrieb Friedrich II. literarische und philosophische Studien. In Rheinsberg entwarf er auch seinen Antimachiavell, bevor er 1740 das Reformwerk seines verstorbenen Vaters Friedrich-Wilhelm I. fortsetzte, innere Kolonie betrieb, Oder-, Warthe- und Netzebrüche trockenlegte, Straßen und Kanäle baute, 900 Dörfer für über 300000 Neusiedler errichten ließ und die Landwirtschaft durch Fruchtwechsel, Kartoffelanbau, Verbesserung der Viehzucht, Baum- und Forstpflege förderte. In Preußen hatten alle Stände dem Staat zu dienen und er, der König, wollte mit bestem Beispiel vorangehen. Daß er neben seiner tätigen Fürsorge auch Inspektionen und Kontrollen durchführen mußte, liegt in der Natur der Sache, denn er war, trotz aller Dienlichkeit, Dienstlickeit und Dienbarkeit, der preußische Monarch, wenn auch der aufgeklärteste und philosophischste. Friedrich II. war, wie seine Vorgänger, ein bedeutender Förderer von Wissenschaft und Kunst. Er selbst war Flötenspieler und Komponist (Fredericus Rex). Mit Knobelsdorf erhielt das friderizianische Rokoko seine Ausprägung, nicht nur durch den Bau des Schlosses Sanssouci (1745-1747). Die Preußische Akademie der Wissenschaften wurde mit neuem Leben erfüllt. Die Tafelrunde von Sanssouci und Friedrichs Freundschaft mit Voltaire machten Preußen zu einem Zentrum der deutschen Aufklärung. Der aufgeklärte Absolutismus entzog durch Teilrevolution von oben der sich geistig schon ankündigenden (französischen) Revolution von unten den Boden. Friedrich II. sah sich als erster Diener dieses in Europa viel bewunderten Obrigkeitsstaates. Der Adel, d.h. der Großgrundbesitz und die Gutsherrschaft, stellte die Offiziere und die höheren Beamten, die Bürger aus Handel und Gewerbe trugen die Steuerlasten, obwohl sie auch durch den Ausbau des Seiden-, Glas- und Porzellangewerbes unterstützt wurden. Nur die Bauern blieben weiterhin eruntertan, obwohl auch sie Meinungs- und Religionsfreiheit genossen. In dieser Zeit wandelte sich Preußen von einem Polizei- zum Rechtsstaat. Die Folter, der königliche Eingriff in Rechtsverfahren und der Ämterverkauf wurden abgeschafft, die Rechtsgleichheit und Unabhängigkeit der Rechtsprechung durch Gewaltenteilung eingeführt. Juristen wurden staatlich geprüft und besoldet, die Rechtsinstanzen vereinheitlicht durch Prozeß-, Straf- und Gefängnisordnungen. Dem Beispiel Friedrichs II. folgten viele Monarchen, auch Maria Theresia (1717-1780), die nach dem Tode des deutschen Kaisers Karl VI. von 1740 bis 1780 österreichische Königin und gleichzeitig Gemahlin des nächsten deutschen Kaisers Franz I. Stephan war. Dessen Kaiserwahl (1745) konnte den Deutschen Dualismus zwischen Österreich und Preußen aber auch nicht mehr verhindern. Maria Theresia führte, wie Friedrich II., eine innere Kolonisation durch und ließ seit 1748 verstärkte Züge der Schwaben in die südöstlichen Reichsgebiete zu: Schwäbische Türkei, Banat, Batschka, Bukowina, Siebenbürgen und viele ander Gebiete in Ost- und Südosteuropa wurden neu oder durch Zuzug besiedelt. Weil aber die Kaiserfrage im Deutschen Reich noch nicht geklärt war und der sogenannte Österreichische Erbfolgekrieg (1740-1748) durch den Angriff Preußens auf Schlesien begann, war die zuvor erreichte Ruhephase vorbei: Frankreich verbündte sich mit Preußen, Kursachsen und den wittelsbacher Kurfürsten von Bayern, Köln und der Pfalz, weil es darauf hoffte, Österreich aufteilen zu können. Erreicht wurde zunächst die Wahl des bayrischen Kurfürsten als Karl VII. zum Kaiser gegen Franz I. Stephan. Der Kriegseintritt Großbritanniens, Sardiniens und der Generalstaaten (habsburg. Niederlande) auf seiten des bis dahin isolierten Österreich führte zur Beendigung des 1. Schlesischen Krieges und zum Verzicht Österreichs auf Schlesien im Sonderfrieden von Breslau (1742), doch weitete sich der Kriegsschauplatz von Bayern, Böhmen und Mähren nach Oberitalien, ins Elsaß und in die habsburgischen Niederlande aus. 1745, nach dem Ausscheiden Bayerns im Frieden von Füssen und der Wahl Franz I. Stephan, verschlechterte sich die Lage für Preußen, obwohl Friedrich II. mit dem Ende des 2. Schlesischen Krieges im Frieden von Dresden Schlesien behauptet und Österreich dessen Abtretung bestätigt hatte. Mit der französischen Offensive in Oberitalien und in den Niederlanden verlagerte sich der Konflikt: Frankreich und Großbritannien traten als Hauptgegner hervor, unterstützt von Spanien einerseits und Österreich, Sardinien und den Generalstaaten andererseits. Der Aachener Friede (1748) bestätigte die Großmachtstellung Österreichs und unterstrich damit die politische Niederlage Frankreichs. Dieser Friede brachte jedoch keine Entspannung. Der Anstoß zur Entscheidung der weltpolitischen Konflikte ging jetzt von den Kolonialmächten und Österreich aus. Im britischen Interesse wurde der Krieg zugleich in Europa und in Übersee geführt. Es folgten der Britisch-Französische Kolonialkrieg (1754/55-1763) und der 3. Schlesiche Krieg (1756-1763). Auf diese Weise wurde Kanada in Schlesien und Schlesien in Nordamerika und Indien gewonnen. Weil es seine Kriegsziele in Übersee erreicht hatte, stellte Großbritannien 1761 die Subsidien an Preußen ein. Preußen mußte den Krieg alleine und gegen eine 20fache Übermacht (der Einwohnertzahl nach) gewinnen. 1763 waren beide Kriege zu Ende, und die Sieger standen fest: Preußen und Großbritannien. Für künftge Haupt- und Staatsaktionen ließ Friedrich II. die Bauherrn Büring, Gontard und Manger nach diesem 7jährigen Krieg das Neue Palais in Potsdam bauen (1763-1769): ein holländisch-westfälisch inspirierter Prachtbau und ein Macht demonstrierender Gegenpol zum vergleichbar kleinen, feinen und intimen Sanssouci. Friedichs II. letztes Bauwerk in Sanssouci, das Belvedere, war ein zweigeschossiger Rundbau mit Ausblick und je einem einzigen runden Saal, offenen Säulenumgängen sowie Freitreppe und wurde 1770 bis 1772 nach altrömischen Vorbild von Unger erbaut. Dieser schöne Ausblick war für spezielle Festlichkeiten gedacht, und Feste zu feiern gab es jetzt ja, jedenfalls für Preußen und Großbritannien. Letzteres, weil es Kanada, Lousiana, Kap Breton, Senegambien von Frankreich und Florida von Spanien erhalten hatte. Ganz Nordamerika wurde englisch, während der Deutsche Dualismus zwischen Österreich und Preußen weiterging und dem Deutschen Reich eine weitere klaffende Wunde bescherte. Dennoch: Die Friedensorte Paris und Hubertusburg bestätigten eine neue Weltmacht und eine neue Großmacht. (Vgl. Karten).

Zum Anfang der Jungfrau Auch in der Antike gab es einen Dualismus, und zwar in erster Linie den zwischen Sparta und Athen. Hier spielte Persien die Rolle des begünstigt Außenstehenden. Diese Tatsache erwies sich auch durch den Peloponnesischen Krieg (431-404), aus dem Sparta als Hegemonialmacht hervorging, Persien aber der eigentliche Sieger war. Der folgende Krieg Spartas gegen Persien (399-394) weitete sich zum Korinthischen Krieg (395-387) aus, in dem Athen, Korinth und Argos gegen Sparta von Persien unterstützt wurden, dann aber, weil Athen die Erneuerung des Attischen Seebundes und die Wiedererrichtung der Festung Athen-Piräus anstrebte, Persien und Sparta in ein Bündnis getrieben wurden. Spartaner und Perser sperrten den Bosporus und damit die Getreidezufuhr aus den skythischen Gebieten. Der Königsfriede zwischen Athen und Sparta (387), die Gründung des 2. Attischen Seebundes (377) gegen spartanische Übergriffe und der Landfriede zwischen Athen und Sparta folgten. Doch während der Friede zwischen Sparta und Athen trotz des Risikos, das mit dem erneuten Seebund heraufbeschworen wurde, halbwegs gesichert schien, ging der Kampf des demokratischen Theben gegen das aristokratische Sparta weiter. Theben siegte 371 unter Epameinondas (420-362) bei Leuktra aufgrund der schiefen Schlachtornung und befreite Messenien von der spartanischen Herrschaft. Diese erste Niederlage eines spartanischen Heeres in offener Feldschlacht war der Beginn des Niedergangs Spartas. 369 verbündeten sich Sparta und Athen gegen Theben, das eine eigene Flotte aufbaute und mit Zustimmung Persiens zur neuen Hegemonialmacht in Griechenland wurde. 362 besiegten die Thebaner Sparta und Athen in der Schlacht bei Mantineia, aber ihr großer Führer Epameinondas wurde verwundet und starb, so daß mit dem Ende des Thebanischen Krieges, den Theben gewann, die Hegemonie Thebens zu Ende war.

Eine typisch antike Erfindung war die Demokratie, die allerdings nicht im abendländischen Sinne verstanden werden darf. Volksherrschaft bzw. Demokratie, wie wir sie verstehen, war in der Antike nicht nur als Ochlokratie verpönt, sondern auch auch dem antiken Seelenbild entsprechend verfaßt. Aber abendländisch betrachtet ist der Begriff genauso irreführend wie die allgemein verbreitete Ansicht, daß Kleisthenes durch seine Reformen der Jahre 509 und 508 (507) zum Urheber der Demokratie geworden oder Perikles (500-429) der Vollender der Demokratie gewesen sei. Wort und Begriff wurden erst später in der griechischen Philosophie entwickelt. Entsprechend der Anzahl derer, die Herrschaftsgewalt ausübten, wurde im Gegensatz zur Monarchie und zur Aristokratie als Demokratie diejenige Herrschaftsform bezeichnet, in der die Macht bei allen Bürgern lag. Handelte es sich aber auch später wirklich um eine Demokratie im Sinne einer Volksherrschaft, wenn seit der Entmachtung des Adels (458) in Athen das Volk herrschte oder zu herrschen schien, laut Bürgerrechtsgesetz (451) das Volk aus Bürgern bestand, die Anzahl der Sklaven seit 375 aber 10mal so hoch war wie die der Bürger, bürgerliche Eltern aus Attika stammen mußten und kein Bürgerrecht bestand, wenn die Mutter Ausländerin war? (Vergleich). Bei allen antiken Philosophen wurde die Demokratie überwiegend zu den entarteten Regierungsformen gezählt. Der seit 458 durch die Zulassung der 3. Klasse zum Archontat vollendeten Demokratie verlieh Perikles schon ab 443 monarchistischen Charakter. Diese typisch antik-athenische Vollendung der Demokratie ist am ehesten zu vergleichen mit der typisch abendländisch-englischen Glorreichen Revolution von 1688, der Vollendung der Aristokratie, verstanden als Stärkung des Ständestaates (Oligarchie) wegen der Bindung des Königs an das Parlament (konstitutionelle Monarchie). England und andere abendländische Staaten machten genau die positiven Erfahrungen mit der konstitutionellen Monarchie wie die Athener und andere antike Poleis mit der konstitutionellen Demokratie. Das Strategenamt war die rechtliche Grundlage für die Herrschaftsstellung des Perikles, der der bedeutendste Redner seiner Zeit war und nach Beseitigung der Opposition als Volksführer (Demagoge) jährlich zum Strategen gewählt wurde. Das Perikleische Zeitalter (443-429) galt und gilt als Glanzzeit Athens sowie als ein Höhepunkt klassisch-griechischer Kultur: die aus mykenischer Zeit stammende Akropolis - mit ihrem Skulpturenschmuck - entstand neu in dieser Zeit unter Leitung des Phidias. Perikles pflegte Kontakte mit Phidias und seiner Gattin Aspasia, mit Sophokles, Anaxagoras, Herodot, Hippodamos, Protagoras u.a. wichtigen Personen. Doch damit wuchs gleichzeitig die Opposition, zu der auch der Geschichtsschreiber Thukydides gehörte: Athen war „dem Namen nach eine Demokratie, in Wirklichkeit aber die Monarchie des ersten Mannes“ (Thukydides). Dieser erste Mann, der autoritäre Perikles, wurde 430 abgesetzt und starb an der Pest, die 429 in Athen ausbrach und der in 4 Jahren ein Drittel der attischen Bevölkerung zum Opfer fiel.

Um 430 v.Chr gab es in Athen 90000 Einwohner, davon waren 30000 Einwohner Bürger, 35000 Einwohner Sklaven und der Rest Nicht-Bürger. Nur 50 bis 60 Jahre später, um 375 v. Chr., gab es 10mal soviel Sklaven wie Bürger. So gesehen ist die antike Demokratie vergleichbar mit der abendländischen ständestaatlichen Ordnung, verstanden als Aristokratie bzw. Oligarchie. Denn wenn nur Bürger die Politik demokratisch beeinflussen dürfen - Sklaven, Unfreie und andere Nicht-Bürger ausgenommen -, dann ist das vergleichbar mit einer Demokratie, die z.B. Österreich über das politische Schicksal ganz Deutschlands (10mal soviel Einwohner) abstimmen ließe. Abendländische Demokratietheoretiker wie Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) oder Thomas Jefferson (1743-1826) befürworteten, die weitere Entwicklung sozialer Unterschiede zu verhindern, aber durch Industrialisierung und Ausbreitung des Kapitalismus sollten die natürlich noch verstärkt werden. Überhaupt sollten soziale Ungerechtigkeiten, insbesondere die Sklaverei, noch andauern und die bedeutenden Zeiten der Industrialisierung und des Kapitalismus erst noch kommen. (Vgl. 18-20, 20-22, 22-24).

Zum Anfang der Jungfrau Weil in einer Zeit der Aufklärung die Staatsdinge auch für einen Herrscher nicht wie im Handumdrehen zu erledigen sind, der Anspruch auf Perfektionismus aber aufrechterhalten bleiben soll, gibt es viel Dienst und mühsame Arbeit für die pflichtbewußten Staatsdiener. Das gilt auch z.B. für Staatstheoretiker und Historiker. Thukydides (460-396) und Xenophon (430-354) hatten also wie Charles de Montesquieu (1689-1755) und Justus Möser (1720-1794) viel Material zu bearbeiten. Nicht ganz so pedantisch gehalten ist die folgende Tabelle, in der die antiken Daten rot gefärbt sind:

um -460/450) Leukipp, Lehrer des Demokrit (Atomist)
-458) Athen läßt die 3. Klasse (Zeugiten) zum Archontat zu
(Entmachtung des Adels führt zur
politischen Verantwortung des Volkes im Sinne des
Bürgerrechtsgesetzes: Bürger müssen aus Attika sein;
Verlust des Bürgerrechts für Athener mit ausländischer Mutter)
(Vgl.
Demokratie)
1700) Seit Ende des 2. Türkenkrieges (1683-1699) ist Österreich Großmacht (Held: Prinz Eugen).
          Wien wird politischer, wirtschaftlicher und kultureller Mittelpunkt des Deutschen Reiches
- 450) Zwölftafelgesetze schaffen das öffentliche und private römische Recht
(gegen den Widerstand der Patrizier)
Römische Plebejerversammlung erzwingt Aufhebung des
Verbots der Heirat zwischen Plebejern und Patriziern
Bauvollendung: Tempel des
Theseus (Thesion) in Athen
Bauvollendung: Tempel des Poseidon in Paestum
um -450) Sophistik gewinnt immer mehr an Bedeutung (Protagoras, Gorgias u.a.):
Der (einzelne) Mensch ist das Maß aller Dinge (Protagoras)
Es ist nichts. und wenn doch, dann nicht mitteilbar (Gorgias)
um 1700) Musik: Hamburger Oper
              (Johann Wolfgang Franck, Johann S. Kusser, Kohann Theile, Reinhard Keiser)
1700) Wahrscheinlichkeitsrechnung (Jakob Bernoulli)
          Der Gregorianische Kalender (von 1582) gilt ab jetzt auch in protestantischen Ländern
          Beginn des Nordischen Krieges (Dänemark, Rußland und Polen gegen Schweden). Ende: 1721
          Aussterben der Habsburger in Spanien. Nachfolger in Spanien wird ein frz. Bourbone. Deshalb:
1701) Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges (Spanien, Frankreich, Köln, Bayern gegen
          England, Niederlande, Preußen, Potugal, Deutsches Reich) Ende: 1714
          Friedrich III., seit 1688 Nachfolger des Großen Kurfürsten, krönt sich selbst in Königsberg zum
          König in Preußen (Friedrich I.). Er wird höfischer Barockkönig
         
Gründung der preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin (Gottfried Wilhelm Leibniz)
          Neubaubeginn: Kloster Melk
1702) Universität Breslau
1703) Baubeginn: Buckingham Palace
          Baubeginn: Langhaus der Nikolauskirche auf der Prager Kleinseite (Christoph Dientzenhofer)
1704) Musik: Almira. Die Oper wird 1705 in Hamburg aufgeführt (Georg Friedrich Händel)
          Neubaubeginn: Dom in Fulda (Johann Dientzenhofer)
- 449) Doppelschlacht von Salamis: Athen besiegt (mit Bundesgenossen)
Heer und Flotte der Perser und Phönizier
- 448) Wiederaufbau-Beginn: Akropolis, Parthenontempel (im zeitgemäßen
dorischen Stil) mit 160m langem Fries (Phidias)
Ende der Perserkriege
-446) Athen und Sparta schließen einen 30jährigen Frieden
- 445) Herodot (Vater der Geschichtsschreibung) hält in Athen eine öffentliche Vorlesung
1705) Philosophische und juristische Klagen gegen Hexenprozesse und Folter (Christian Thomasius)
1706) Bauvollendung: Invalidendom (Jules Hardouin Mansart)
1707) England und Schottland werden zum Königreich Großbritannien vereinigt
          Neubaubeginn: Fürstäbtliches Residenzschloß (Johann Dientzenhofer)
          Böttgersteinzeug und (1717) 1. europäisches Porzellan (Johann Friedrich Böttger [Böttiger], Meißen)
1708) In Rußland wird die heutige Schrift eingeführt
1709) Rußland besiegt die Schweden bei Poltawa (Nordischer Krieg, 1700-1721)
          Baubeginn: St. Paul's Cathedral (Christopher Wren)
- 443) Dichtung (Trgödie). Antigone (Sophokles)
- 443- 429) Perikleisches Zeitalter(Athen): Perikles wird für

15 Jahre zum Feldherrn gewählt (jedes Jahr neu)
In Athen (90000 Einwohner) sind 30000 Einwohner Bürger,
35000 Einwohner Sklaven und der Rest Nicht-Bürger
Wirken des Statuen- und Bronzebildners Polyklet (Werk u.a.: Speerwerfer)
Wirken des Philosophen Anaxagoras: Grundlage des Seins sind die vom
Weltverstand (Nous) geordnete Urteilchen (unendlich kleine Elemente)
-441) Hippodamos von Milet entwirft erste abstrakte, planmäßig angelegte Städte (z.B. Thurioi)

um 1710) Musik: Instrumentalmusik: 6 Suiten, 6 Brandenburgische Konzerte, 6 Konzerte für 1-3 Violinen
                4 Ouvertüren, Konzerte für 1-4 Klaviere, weitere Konzerte, ... u.v.m. (Johann Sebastian Bach)
       
        Kammermusik, Klaviermusik, Orgelwerke (Präludien, Fugen, Tokkaten, Fantasien u.s.w.),
                Vokalwerke (kirchliche weltliche Kantaten), Passionen, Oratorien, ... (Johann Sebastian Bach)
                Opern, Oratorien, sonstige Vokalwerke, Passionen, Kantaten, ... u.v.m.,
                Instrumentalmusik, Konzerte, Orgelkonzerte, Sonaten, Klaviersuiten (Georg Friedrich Händel)
                Thermometrie: Fahrenheit
                Aräometer, ein Pyknometer, Hypsobarometer, Fahrenheit-Skala: Fahrenheit
1710) 1. Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum (Vgl. 22-24)
          G. W. Leibniz' Bestrebungen, die christlichen Kirchen zu vereinigen, scheitern
          Musik: Oper: Ludwig der Fromme, Heinrich der Löwe (Georg K. Schürmann)
1711) Baubeginn: Zwinger im Elbflorenz Dresden (Matthäus Daniel Pöppelmann)
          Baubeginn: Schloß Weißenstein in Pommersfelden, bei Höchstadt an der Aisch
          (Plan: J . L. Hildebrandt; Plan und Werk: Johann Dientzenhofer)

1712) Letzte Hinrichtung einer Hexe in England
          Dreifarbendruck (Le Blond)
          Zar Peter I. reformiert Rußlands Wirtschaft und Verwaltung nach westlichem Muster
          Der Alte Dessauer, Leopold von Anhalt-Dessau, wird preußischer Feldmarschall
          Musik: 12 Concerti grossi (Arcangelo Corelli)
1713) Friede von Utrecht (Spanischer Erbfolgekrieg). Er stellt ein europäisches Gleichgewicht her:
          Preußen wird als Königreich, Philipp V. (Bourbone) als König von Spanien anerkannt
          Ergebnis: Sieg der englischen (britischen) Gleichgewichtspolitik. England wird Schiedsrichter,
         
Frankreich geschwächt, Österreich gestärkt. England erhält frz. Gebiete in Nordamerika
         
England schließt einen Handelsvertrag mit Spanien. Es beliefert, wie früher Frankreich,die
          spanischen Kolonien mit Negersklaven.
          In England entstehen die erste Koks-Hochöfen.
          Erweiterungsbau: Westportal des Berliner Schlosses (Johann Friedrich von Eosander (Göthe))

- 439) Aufstand der Plebejer in Rom
Lucius Quinctius Cinncinatus wird in Rom zum Diktator ernannt
1714) Friede von Rastatt: Ende des Spanischen Erbfolgekrieges.
          Österreich erhält Neapel, Mailand. Sardinien und die spanischen Niederlande,
          Stärkung Österreichs und Schwächung Frankreich. Englands Gleichgewichtspolitik
          Georg I. aus dem Hause Hannover wird König von England (Großbritannien)
          Großbritannien und Hannover bleiben bis 1837 durch Personalunion vereinigt.
          Monadaenlehre bzw. Monadologie (Gottfried Wilhelm Leibniz)
          Leibniz schlägt auch ein System von Pavillons für Krankenhäuser vor
          Preußen verbietet Hexenprozesse
          Deutsche Aufklärung: umfassende Begriffsbestimmung auf rationalistischer Grundlage:
          Vernünfige Gedanken von Gott, Welt und der Seele (Christian Wolff)
          Englischer Deismus. Natürliche Religion gegen kirchliche Religion:
          A discorse of freethinking. Abhandlung über Freidenkertum(Collins)
       
  Musik: Wassermusik (Georg Friedrich Händel)
       
  Musik: Violinkonzerte (Antonio Vivaldi)
1716-1718) 3. Türkenkrieg. Siege Prinz Eugens: Österreichs (Habsburgs) größte Ausdehnung
1716) Baubeginn: Karlkirche in Wien (Johann Bernhard Fischer von Erlach)
1717) Schulpflicht in Preußen

um -430) Demokrit gründet die Demokritische Schule (Atomisten)
1718) Franzosen gründen New Orleans
          Die Neuberin, die Schauspielerin Friederike Karoline Neuber, tritt erstmalig auf. Als Leiterin
          einer Schauspieltruppe, verbannt sie den Hanswurst von der Bühne
1718) Zar Peter I. läßt seinen reformfeindlichen Sohn zu Tode foltern
          In Rußland werden Dörfer samt Einwohner verkauft
1719) Literatur: Robinson Crusoe (Daniel Defoe)
- 432) Sparta verbündet sich mit Korinth gegen Athen
Bauvollendung: Torweg (Propyläen) der Akropolis (Mnesikles)

- 431) Beginn des Peloponnesischen Krieges (bis 404) zwischen dem
aristokratisch regierten Sparta und dem demokratischen Athen,
zwischen Landmacht und Seemacht
Dichtung (Tragödie): Medea (Euripides)
- 430) Friedensangebot der Athener wird von Sparta abgelehnt
Rom: Tempel zu Ehren des griechischen Gottes Apollon
- 429) Kleon wird Nachfolger des im belagerten Athen gestorbenen Perikles (Pest)
Pest in Athen: Tod eines Drittels der attischen Bevölkerung in 4 Jahren
1720) Baubeginn: Residenz in Würzburg (Balthasar Neumann)
          Staatsbankrott in Frankreich
1721) Friede von Stockholm, Frederiksborg und Nystad. Ende des Nordischen Krieges
         
Ergebnis: Rußland löst Schweden als (Ostsee-) Großmacht ab
1722)Musik: Wohltemperiertes Klavier (Johann Sebastian Bach)
1723) Musik: Johann Sebastian Bach wird Thomaskantor in Leipzig
          Musik: Magnificat (Johann Sebastian Bach)
1724) Musik: Johannespassion (Johann Sebastian Bach)
1724-1749) Musik: h-moll-Messe (Johann Sebastian Bach)
- 425) Nach einem Sieg über Sparta lehnt Kleon das Friedensangebot der Spartaner ab
Prostitution derHierodulen (Heilige Sklavinnen) im Aphrodite-Tempel zu Korinth
- 424) Kleon fällt in deer Schlacht bei Amphipolis, in der Sparta Athen besiegt
Hippokrates (griechischer Arzt) von Kos erkennt die Heilkraft der Natur
Sokrates lehrt die (sokratische) Methode: Der Schüler soll im Zwiegespräch
durch Fragen angeregt werden und dadurch selbst die Wahrheit finden
1725) Philosophischer Nationalismus. Neuere Geschichtsphilosophie und Völkerpsychologie:
          Prinzipien einer neuen Wissenschaft (Giovanni Battista Vico)

1726) Baubeginn: Dresdner Frauenkirche (Georg Bähr)
          François-Marie Arouet Voltaire (Philosoph der französischen Aufklärung),
          zweimal in der Bastille eingekerkert, emigriert nach England
          Literatur: Gullivers Reisen (Jonathan Swift)

1727) Lichtempfindlichkeit der Silbersalze - Grundlage der Photographie (Johann Heinrich Schulze)

          Bauvollendung: Schloß Mirabell in Salzburg (Johann von Hildebrandt)
1728) Aberration des Lichtes (Grimaldi)
1729) Musik: Matthäuspassion (Johann Sebastian Bach)
- 421) Der Peloponnesische Krieg wird für 3 Jahre unterbrochen
(Friede des Nikias, der Führer der Oligarchen ist),
der Peloponnesische Bund (Sparta stützend) wird aufgelöst,
der Attische Seebund (Athen stützend) bleibt bestehen
Baukunst: Nike-Tempel auf der Akropolis (dorisch-ionischer Mischstil)
- 418) Fortgang des Peloponnesischen Krieges (bis -404)
um 1730) Musik: Die Pilger (Oratorium), Opern (Johann Adolf Hasse)
               
Musik: Violinkonzerte, Sinfonien, Kammermusik (Johann G. Graun)
1731) Musik: Markuspassion (Johann Sebastian Bach)
1732) Ansiedlung von 20000 Salzburger Protestanten in Preußen
1733)
Musik: Die Magd als Herrin (Giovanni Battista Pergolesi)
          Baubeginn: Johann-Nepomuk-Kirche in München (Gebrüder Asam)
1734) Musik: Weihnachtsoratorium(Johann Sebastian Bach)
1735) Natürliches System der Lebewesen (Carl von Linné)
          Gußstahl (Huntsman)
- 415) Auf Veranlassung des Alkibiades (Gegner des Nikias) unternimmt
Athen unter Leitung des Nikias einen Feldzug gegen Sizilien,
- 413) Nikias wird wegen mangelnden Kriegsglücks hingerichtet
- 412) Eingreifen Persiens (Hilfgsgelder) zugunsten Spartas
1738) Spinnmaschine (Wyatt)
          Kinetische Gastheorie (Bernoulli)
          Philosophie: Antimachiavell (verfaßt vom
          preußischen Kronprinzen Friedrich II.,
          veröffentlicht von
F. A. Voltaire)
1740) Friedrich II. wird König von Preußen:
          Abschaffung der Folter, Verwirklichung
          religiöser Toleranz, Orden pour le mérite
          Die Mathematiker Leonhard Euler und
          Pierre Louis Maupertius werden nach Berlin berufen
          1. Schlesischer Krieg (1740-1742) und:
          Österreichischer Erbfolgekrieg (1740-1748)
          (Deutscher Dualismus: Preußen-Österreich)
- 411) Einführung der Oligarchie in Athen (Rat der 400):
Volksversammlung von nur 500 besitzenden Bürgern
Thukydides, griechischer Historiker, beschreibt den Peloponnesischen Krieg;
gilt deshalb als Vater der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung
Der Dichter Aristophanes beschreibt den Widersinn des
griechischen Bruderkampfes in: Lysistrata
1741) Gründung des Wiener Burgtheaters
1742) Thermometereinteilung (Anders Celsius)
1744/1745) 2. Schlesischer Krieg
1745) Baubeginn: Schloß Sanssouci (Georg von Knobelsdorf)    - 405) Sieg der Spartaner unter Lysander
          Elektrischer Kondensator (Ewald Jürgen von Kleist)
1746) Literatur: Geschichte meiner Zeit (Friedrich II.)
1747) Zuckergehalt der Rübe (Andreas Sigismund Marggraf)
1748) Friede von Aachen: Ende des Österreichischen Erbfolgekrieges
          Staatsphilosophie: Geist der Gesetze (Charles de Montesqieu)
- 405) Sieg der Spartaner unter Lysander
404) Belagerung und Übergabe Athens
Friedensbedingung: Schleifung der Langen Mauern, Auflösung des Attischen Seebundes,
Verpflichtung zur Heeresfolge. Einführung der Oligarchie (30 Tyrannen) in Athen
Hegemonie Spartas. Endgültiger Sieger ist jedoch Persien
403) Die von den Spartanern in Athen errichtete Herrschaft der
30 Tyrannen wird durch die
Demokratie abgelöst
-401) Xenophon, Geschichtsschreiber aus Athen und Schüler des Sokrates, führt die
griechischen Söldner des Kyros d.J. zurück und beschreibt diesen Zug
in seinem Werk Anabasis (Der Weg zurück)
1747-1758) Kants naturwissenschaftliche Entwicklung
1750-1752) Voltaire lebt bei Friedrich II. auf Schloß Sanssouci
um -400) Kyniker (Antisthenes, zuvor Schüler des Sophisten Gorgias)
             Kyrenäiker (Hedoniker: Aristippos, zuvor Schüler des Sokrates)
Korinthisches Kapitell erfunden (Kallimachos)
Beginn der korinthischen Säulenordnung (Korinthik)
Einfall der Kelten in Italien und Ansiedlung in der Po-Ebenes
-399) Sokrates, als Religionsfrevler und Verderber der Jugend verurteilt,
muß den Giftbecher nehmen
1751) Hinterladergewehr (Chaumette)
1752) Blitzableiter (Franklin)
1754) Eisenwalzwerk (Cort)
-396) Platon, Schüler des Sokrates, verfaßt zu dessen Verteidigung seine Apologie
Dionysos, Tyrann auf Sizilein, bewirtet Samokles unter einem
an einem Pferdehaar aufgehängten Schwert
Die etruskische Hauptstadt Veji wird von den Römern zerstört
- 395-393) Im Sizilianischen Krieg zerstören die Karthager Messina,
werden aber danach mit Flotte und Heer von Syrakus geschlagen
-395-387) Korinthischer Krieg (Korinth, Athen und Theben kämpfen
gegen die Vorherrschaft Spartas)
1754-1763) Britisch-Französischer Kolonialkrieg
1750/60) Beginn des Sturm & Drang.
              Sensualismus (Condillac) und Früh-Positivismus (Hume, d' Alembert)
1755) Nähmaschinen-Vorform: Masch. Vorrichtung zum Zusammennähen von Webwaren (Weisenthal)
1756) Kant wird Privatdozent in Königsberg (Ostpreußen)
1756-1763) 3. Schlesischer Krieg (7jähriger Krieg)
1757) Englische Aufklärung: Naturgeschichte der Religion (David Hume)
          Deutsche Aufklärung: Oden und Lieder (Christian F. Gellert)
          Französische Aufklärung: Der natürliche Sohn (Denis Diderot)
1758-1781) Kants metaphysische Entwicklung (von Wollfs Lehre zur kritischen Metaphysik)
1758) Malkunst: Die Parlamentswahlen (William Hogarth)
1759) Musik: 1. Symphonie D-Dur (Joseph Haydn)
-390/380) Demokrit (Atomismus) erklärt alles Geschehen aus dem
Atomaufbau (Atomismus-Lehre) (Vgl. 18-20)
Einzelgänger-Philosophen (u.a. Hippokrates) (Vgl. 18-20)
-390/370) Späte Sophisten (Gorgias, Hippias) (Vgl. 18-20)
-390/350) Sokratiker (Xenophon) (Vgl. 18-20)
-390/350) Kyniker (Antisthenes, Diogenes) (Vgl. 18-20)
bis 1760/78) Rousseauismus (Alter Rousseau und Anhänger)
1760/80) Rousseau-pietist. bew. Sturm & Drang
1761) Musik: Joseph Haydn wird Kapellmeister in Eisenstadt
1762) Philosophie: Contrat social (Gesellschaftsvertrag; Rousseau)
          Musik: Der 6jährige Wolfgang Amadeus Mozart spielt auf einer
          Konzertreise vor der Kaiserin Maria Theresia
         Archäologie, neuere Kunstwissenschaft und Wegbereitung des Klassizismus (Winckelmann)
-387) GallierKatastrophe: Kelten unter Brennus, zerstören Rom
1763) Ende des 3. Schlesischen Krieges und des Britisch-Französischen Kolonialkrieges
         
Friede zu Hubertusburg (Preußen gewinnt gegenüber Österreich und Sachsen)
          Friede zu Paris (England gewinnt gegenüber Frankreich und Spanien)
1764) Musik: Der 8jährige Wolfgang Amadeus Mozart schreibt seine 1. Symphonie

           Ende der Aufklärung bis Kritizismus (wolffscher bis kritischer Kant)
1764/65) Spinnmaschine (Hargreaves) / Wattsche Dampfmaschine (Watt)
              Beginn der Industriellen Revolution in England                       -385) Akademie (Platon) (Vgl. 18-20)
1765) Bergakademie Freiberg - älteste Technische Universität der Welt
1765) Deutsche Siedler gründen in Rußland die Wolga-Kolonie
1766) Lothringen kommt durch Erbfall an Frankreich
1766) Entdeckung: Wasserstoff (Cavendish)
1767) Spanien weist alle Jesuiten wegen Hochverrats aus
1768) Musik: Der 12jährige Mozart komponiert das Singspiel Bastien und Bastienne
          Frankreich kauft von Genua die Insel Korsika:
          Napoleon wird dadurch als Franzose geboren (*15.08.1769)
          Physiokratische Volkswirtschaftslehre (Turgot und Quesnay)
1770) Beginn der Wiener Klassik
          Philosophie: Immanuel Kant wird als Professor an die Universität Königsberg berufen
          James Cook nimmt für England Australien in Besitz
          Entdeckung: Sauerstoff (Carl Wilhelm Scheele)
-379) Platon lehrt in seinem Phaidon die Unsterblichkeit der
Seele und die Kugelgestalt der Erde
          Herder und Goethe als junge Dichter und Schriftsteller (Vgl. 18-20)
1772) Entdeckung: Stickstoff (Rutherford)
          1. Teilung Polens zwischen Preußen, Österreich und Rußland
          (2. Teilung Polens zwischen Preußen und Rußland, 1793,
          3. Teilung Polens zwischen Preußen, Österreich und Rußland, 1795)
          Dichterbund (Hainbund) in Göttingen
          1. ausgebaute Alpenstraße: die Brennerstraße
1772-1775) Auf seiner 2. Reise beweist J. Cook die Nichtexistenz der Terra australis und überquert
1773) Teaparty of Boston: Kolonisten in Nordamerika verlangen Vertretung im englischen Parlament
1773/1774) zweimal den südlichen Polarkreis: Entdeckung der Antarktis
-377) 2. Attischer Seebund (Kampfinstrument Athens gegen Sparta)
1775) Nordamerikanischer Unabhängigkeitskrieg
          Beginn der Weimarer Zeit für Goethe (frühe Weimarer Klassik)
um -375) Athen beherbergt 10mal soviel Sklaven wie Bürger (Vergleich)
1776)Unabhängikeitserklärung der 13 nordamerikanischen Kolonien Englands:
          Sie proklamieren die unveräußerlichen Menschenrechte
          Liberale Nationalökonomie (Adam Smith)
1778/80) Taucherglocke (zum Bau unter Wasser) / Verbrennungstheorie (Smeaton / Lavoisier)
 -390/350) Späte Pythagoräer (Archytas von Tarent) (Vgl. 18-20)
um -390/350) Kyniker (Antisthenes/Diogenes von Sinope) (Vgl. 18-20)
-390/350) Kyrenäiker (Hedon.: Aristippos) (Vgl. 18-20)
1780/92) Neuhumanismus (Lessing, Herder, Goethe, Schiller, Humboldt)
1781-1793) Kants kritische Entwicklung (kritische Philosophie)
                  Kritizismus (Transzendental-Idealismus, -Erkenntnistheorie: Kant)
1782) „Letzte Hexe Europas“ wird in Glarus (Schweiz) geköpft
1783/85) Heißluftballon / Mechanischer Webstuhl (Mongolfier / Cartwright)
1788) Nach Goethes Italien-Reise: Beginn der Weimarer Klassik
1789) Beginn der „französischen Revolution“
1793-1804) Kants nachkritische Phase (Bindeglied zwischen Kants Kritizismus und Deutschem Idealismus)
1794) Musik: Beethoven beginnt mit seinen größten Werken (bis 1827)
1794) Ethik-Idealismus (Fichte)
1795) Menschenbildungs-Idealismus (Schiller)
1795/99) Individuell-ästhetischer Idealismus (Schlegel)
1799) Ästhetisch-religiöser Idealismus (Kant)
1799/1801) Absoluter Idealismus (Identitätsphilosophie: Schelling)
1799) Alexander von Humboldt beginnt mit seinen weltweiten Expeditionen und Entdeckungen (bis 1859),
           bereichert u.a. die botanische Systematik um 5000 neue Arten zu den bisher 8000 bekannten Arten,
           begründet u.a. die Pflanzengeographie (Geobotanik); er ist also der wahre, der wissenschaftliche
           
Entdecker Amerikas
um
1800) 83% der Erde (60% ihrer Landfläche) sind bekannt (vgl. 10-12, 14-16, 22-24)
um 1800) Hochklassisches Neuhochdeutsch (Höhepunkt der deutschen Sprache)
                (Vgl. AHD, Früh-MHD, Klassisches MHD, Spät-MHD, Früh-NHD, Klassisches NHD, Spät-NHD)
1800) Logischer Idealismus (Panlogismus: Hegel)                                    -335) Peripatetiker (Aristoteles)
-325) Pytheas (aus Massilia), griechischer Seefahrer und Geograph,
befährt die Nordsee (1. Nachricht über Germanen)
1800) Nicht-euklidische Geometrie (Gauß)
um -315) Euklidische Geometrie (Euklid)
1800) Papiermaschine (Robert)
1800) 1. Dampflokomotive (Trewithick)
1802) Erste erfolgreiche Keilschrift-Entzifferung: Georg Friedrich Grotefend
1800/04/07) Drehbank / Netzstrickmaschine / Dampfschiff (Maudsley / Jayquard / Fulton)
1806) Franz II. legt die Kaiserkrone nieder (06.08.): Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
1807) Reichsfreiherr Karl vom und zum Stein führt als Minister liberale Formen durch
1807/11) Neue Nomenklatur und Symbole in der Chemie (Berzelius)
um 1810) Vitalismus (u.a. Louis Dumas)
1808) Vergleichende Sprachwissenschaft (Wegbereiter: Schlegel, Begr.: Bopp, Gebr. Grimm)
1812) Germanische Altertumswissenschaft, Germanische Sprachwissenschaft, Deutsche Philologie (Grimm)

ab 1812) Begründung der „Vergleichenden Sprachwissenschaft“: Franz Bopp
                (Beweis für die Verwandtschaft indogermanischer Sprachen); Hauptwerk: „Vergleichende
                Grammatik des Sanskrit, Zend, Griechischen, Lateinischen, Litthauischen, Gothischen und
                Deutschen“
(6 Bände, 1816 bzw. 1833-55).

1812) Schnelldruckpresse (König, Bauer)
1813) 16. Oktober: Völkerschlacht bei Leipzig (Niederlage Napoleons)
1814) 31. März: Einzug der Verbündeten in Paris und Absetzung Napoleons
1814) Spektroskop (Fraunhofer)
1814) Fraunhofer-Linien, Absorptions- und Emissionslinien im Sonnenspektrum (Fraunhofer)
1814/15) Wiener Kongreß (Beginn der „Restauration“), Deutscher Bund
1815) Der dem schon so gut wie besiegten englischen Feldmarschall Wellington zur Hilfe kommende
          Generalfeldmarschall Blücher besiegt Napoleon am 18. Juni bei Waterloo
1815) Polarisation des Lichts / Wellentheorie des Lichts (Malus / Fresnell)


Letzte Tabelle <==> Nächste Tabelle


Zum Anfang der Jungfrau Aus der Tabelle gehen trotz der gehäuften Daten die Gegensätzlichkeit und die Nicht-Gegensätzlichkeit der beiden Kulturen Antike und Abendland hervor. Für diese Aufklärungsphase kann man grob folgendes feststellen: Antik werden Demokratien die Regel und konstitutionelle Monarchien bleiben die Ausnahme; im Abendland werden konstitutionelle Monarchien die Regel und Demokratien bleiben die Ausnahme. Aufgrund des Ursymbols wären antik verstandene Demokratien im Abendland und abendländisch verstandene Konstitutionsmonarchien in der Antike ein kultureller Todesstoß gewesen . Beide Kulturen brachten auch in dieser Phase ihre je spezifische Verfassungsart zustande, die ihnen eigentlich schon von Beginn an innewohnten. In der Tiefe aber entwickelten beide Kulturen auch in dieser Phase nichts Unterschiedliches, sondern (Tiefen-) Gleiches wie z.B. Konvenienz, Aufklärung, Oligarchien, wobei es egal ist, ob sie diese als Demokratien oder sonstwie bezeichneten. Der unendliche Raum als Ursymbol des Abendlandes war und ist für demokratische Formen antiker Art nicht so geeignet wie die Polis, die als Einzelkörper, als Ursymbol der Antike, zu verstehen ist. Im Abendland herrschten deshalb vornehmlich oligarchische Landesoberhäupter, die ihre Territorilapolitik über die Kabinette regelten und die Stände mehr oder weniger mitbestimmen ließen. In der Antike hingegen gab es kaum Territorialstaaten, sondern fast ausschließlich punktförmige Stadtstaaten. Auch Rom verstand sich als Stadtstaat. Sogar die in entfernteren Orten lebenden Einwohner des von uns so bezeichneten Römischen Reiches waren, wenn sie römisches Recht besaßen, römische Bürger in ihren Stadtstaaten, weil alles punktuell auf die Polis Rom zugeschnitten war. Der Polisgedanke kann als der politische Ausdruck für das einzelkörperliche Ursymbol, der Territorialgedanke eher als derjenige für das räumliche Ursymbol angesehen werden. Dahingehen unterscheiden sich beide Kulturen wie Gegensätze. Wenn man aber auf die Tatsachen und Wirkungen blickt, zeigt sich ein nahezu identisches Bild. Die politischen Verfassungen waren in dieser Phase in beiden Kulturen sowohl demokratischer als auch monarchistischer Art, und unterm Strich kann man sie als oligarchisch oder ständestaatlich bezeichnen. In beiden Kulturen blieb prozentual die gleiche Anzahl an Menschen von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Weil aber beide Verfassungen aufgrund ihrer oppositionellen Ursymbole und der damit verwandten Seelenbilder als unterschiedlich zu verstehen sind, werden ihre oberflächlichen Phänomene von vielen sogenannten Experten auch ganzheitlich als unterschiedlich angesehen. Da folgen sie aber einem Trugschluß. Beispiel: Wenn 2 Jugendliche 2 unterschiedliche Musikrichtungen favorisieren, dann sind sie gleich hinsichtlich der Tatsache, daß beide überhaupt einen Musikgeschmack haben - weil nämlich das Interesse an Musik als solches betroffen ist. Auch Kulturen sind in ihrer Tiefe und Wirklichkeit gleicher Art, äußern sich aber unterschiedlich. In der kulturellen Seelentiefe handelt es sich immer um psychologische Urphänomene, die am Ende doch als Phänomene erkannt werden können. Mit strengster Naturwissenschaft lassen sie sich zwar nicht beweisen, aber sie dienen dem geisteswissenschaftlichen Indizienprozeß. Sie sind Angelegenheiten für den geistigen Richter.

 

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Zum Anfang der Jungfrau Anmerkungen:


Seelenbild der Antike und Seelenbild des Abendlandes sind gegensätzlich: apollinisch und faustisch; ihre Ursymbole ebenfalls: Einzelkörper und Unendlicher Raum. Wie ein Dogma gegenüber aller Erfahrung, gelten auch Seelenbild und Ursymbol allgemein als unbeweisbar, deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß der Unterschied zwischen Antike und Abendland sogar am Beispiel „Parallelenaxiom“ deutlich werden kann: Euklid hat in seinen „Elementen“ (um 312 v. Chr.) die mathematische Entsprechung für das antike Beispiel gegeben und Gauß ca. 2112 Jahre später (um 1800) die für das abendländische. Sie stehen - wie unzählige andere Beispiele auch - für einen metaphysischen Mittelpunkt, um den eine Kultur kreist, während sie von Seelenbild und Ursymbol angetrieben und angezogen wird. (Vgl. Oswald Spengler, 1917, S. 155, 227ff., 234, 390). Vgl. dazu auch das Germanentum.

Das Seelenbild der magischen Kultur ist ein dualistisches: Geist und Seele, ihr Ursymbol die Welthöhle. (Vgl. Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, S. 155, S. 227ff., S. 234, S. 390, S. 847f.).

Der Geniekult und die Geniezeit waren ein typischer Ausdruck dieser Phase, des Perfektionismus und der Pedanterie, und zwar in dem schon oben beschriebenen Sinne, daß eine spätjugendliche Kultur endlich erwachsen sein will, aber, um es zu sein, noch ein wenig warten muß. (Vgl. 18-20).

Dualismus ist die historische Bezeichnung für eine Doppelherrschaft, ein koordiniertes Nebeneinander von 2 Machtfaktoren oder Institutionen in einem politischen System. Hier ist (mit dem Deutschen Dualismus) die Rivalität im Deutschen Reich zwischen Österreich und Preußen gemeint, die v.a. in der 2. Hälfte des 18 Jahrhunderts und zwischen 1850 und 1866 vorherrschend war. Allerdings gab es zwischen den beiden deutschen Großmächten von 1814/15 bis 1848/50 auch die oben angesprochene Interessensidentität, nämlich als österreichisch-preußische Zusammenwirkung im Deutschen Bund (1815-1866). Erstmals offenbarte sich der Deutsche Dualismus jedoch schon, und zwar als Ständestaat-Dualismus zwischen Kaiser und Reich (Reichsfürsten), im Interregnum (1254-1273) und durch die Goldene Bulle von 1356; fortgeführt wurde er während der Reformation und der Gegenreformation unter der Oberfläche des konfessionellen Dualismus zwischen Katholiken und Protestanten, bis er seinen Höhepunkt (für Deutschland: Tiefpunkt) im „30jährigen Krieg“ (1618-1648) erreichte und im „Westfälischen Frieden“ (1648), seinem Ergebnis, verstärkte Bestätigung fand. Insbesondere das Ausland erkannte seit dem 30jährigen Krieg Deutschlands Kleinstaaterei als riesige Chance und war seitdem natürlich stets bestrebt, eine andere Entwicklung vehement zu bekämpfen. Der Deutsche Dualismus steht also auch im Zusammenhang mit dem Ausland. Aber begrifflich steht er stets für zwei deutsche Rivalen. Man kann sich leicht vorstellen, welches Glück vor allem Frankreich und England durch den Deutschen Dualismus beschert wurde und welches Unglück sie nur empfinden konnten, als der eine Schwächung erfahren sollte. Dennoch sollte besonders Frankreich in diesem Unglück zunächst noch Glück haben (vgl. Pentarchie und Wiener Kongreß, 1814-1815).

Die Pentarchie, ein Fünfmächtesystem der Großmächte England, Preußen, Österreich, Rußland und Frankreich, kam im 18. Jh. auf, besonders nach dem Frieden von Hubertusburg (15.02.1763), und diente an erster Stelle England, weil es durch die „Balance of Power“ eine freie Hand in Übersee bekam, die auf dem Wiener Kongreß (1814-1815) durch das garantierte Gleichgewicht auch noch rechtlich abgesichert werden sollte.

Fürst (zu althochdeutsch furisto, der Vorderste)ist seit dem Mittelalter die Bezeichnung für die höchste Schicht des hohen Adels, die durch ihre besondere Königsnähe an der Herrschaft über das Reich, besonders in seiner territiorialen Gliederung, teilhatte (Reichsadel), v.a. Herzöge und Herzogsgleiche sowie Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte der Reichsabteien. Ihnen stand das Recht der Königswahl zu und die Pflicht, bei Entscheidungen in Reichssachen mitzuwirken. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation konnten zunächst alle freien, dann alle Reichsfürsten den König wählen. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts kristallisierten sich bei der Wahl des Königs immer mehr entscheidende Fürsten heraus. Spätestens aber im 13. Jahrhundert ergab sich aus den Fürsten heraus der engere Kreis der Königswähler, die Kurfürsten, deren Sonderstellung in der Goldenen Bulle von 1356 festgelegt wurde. Weltliche und geistliche Reichsfürsten hatten Sitz und Stimme im Reichstag. Seit dem staufisch-welfischen Thronstreit (1198) mußten die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein (die Rheinpfalz) an einer gültigen Wahl beteiligt sein. Der Sachsenspiegel (1224-1231) zählt 2 weitere Kurfürsten als Vorwähler oder Erstwähler auf: den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg. Mit der Doppelwahl von 1527 traten zum ersten mal die 7 Kurfürsten (einschließlich des vom Sachsenspiegel abgelehnten Königs von Böhmen) als alleinige Wähler auf. Bei der Wahl Rudolfs von Habsburg (1273) war das Kurfürstenkollegium (Kurkollegium) ein geschlossener Wahlkörper. Seine Entstehung - vom Sachsenspiegel aus dem Besitz der Erzämter erklärt - war also letztlich ein Ergebnis des Interregnums: eine Verhinderung der erblichen Thronfolge, ein Erwerb von Reichsgut und wichtigen Reichsrechten durch die Kurfürsten. Das Wahlrecht schränkte sich auf 3 geistliche und 4 weltliche Kurfürsten ein, die vom Kandidaten Sonderrechte (Kapitulationen) und politisches Mitspracherecht (Willebriefe) forderten, ein schwaches Königtum wünschten und deshalb die Krondynastie wechselten. Die Kurfürsten wurden häufig zu Gegenspielern des Königtums. Zur Gültigkeit der Wahl mußten mindestens 4 Kurfürsten anwesend sein. Die Mehrheitswahl wurde zuerst im Kurverein von Rhense (1338) für rechtsmäßig erklärt und 1356 in der Goldenen Bulle als Reichsgrundgesetz festgelegt, die auch die Beratung von Reichsangelegenheiten durch die Kurfürsten auf Kurfürstentagen verbriefte. Im 15. Jahrhundert wurde das Kurfürstenkollegium zur 1., vom Reichsfürstenrat getrennten Kurie des Reichstages. Die böhmische Kurwürde ruhte 1519 bis 1708 mit Ausnahme der Beteiligung an der Königswahl; die Kur des geächteten Pfalzgrafen bei Rhein wurde 1623 Bayern übertragen, der Pfalz aber 1648 eine 8. Kurwürde zugestanden. Braunschweig-Lüneburg (Hannover) hatte seit 1692 eine 9. (1708 vom Reichstag bestätigt), nach der Vereinigung Bayerns mit der Kurpfalz 1777 die 8. Kurwürde inne (seit 1778). 1803 wurden die Kurstimmen von Trier und Köln aufgehoben, die Mainzer Kur auf Regensburg-Aschaffenburg übertragen. Neugeschaffen wurden die Kurfürstentümer Salzburg (1805 auf Würzburg übertragen), Württemberg, Baden und Hessen-Kassel. Am Ende des 1. Deutschen Reiches gab es 10 Kurfürsten. (Vgl dazu die entsprechenden Phasen 6-8, 8-10, 10-12, 12-14, 14-16, 16-18, 18-20).

Kurverein von Rhense war der Zusammenschluß der Kurfürsten (ohne Böhmen) am 16.07.1338 in Rhense (Rhens, Rhein-Lahn-Kreis) zur Verteidigung des Reichsrechts und ihrer Kurrechte besonders gegen päpstliche Ansprüche. Die Kurfürsten setzten in einem Rechtsspruch fest, daß der von ihnen oder ihrer Mehrheit zum Römisch-Deutschen König gewählte nicht der päpstlichen Anerkennung bedürfe.

Römisch-katholische Interpretationen attestieren dem Abendland zumeist, daß in ihm die Dominanz des Christlichen überwiege. Diese Meinung teilen vor allem kirchliche und vornehmlich christlich orientierte Vertreter. Theodor Heuss (31.01.1884 - 12.12.1963) soll einmal gesagt haben, daß Europa von 3 Hügeln ausgegangen sei: von der Akropolis, von Golgatha und vom Kapitol. Diese Sichtweise würde eher, wenn vielleicht auch nicht beabsichtigt, auf eine Dominanz der Antike verweisen. Wenn man jedoch berücksichtigt, daß aus einem antik-apollinischen Einzelkörper und einer magisch-seelengeistigen Welthöhle ein abendländisch-faustischer Unendlichkeitsraum entstehen kann, dann muß unbedingt ein dritter Faktor hinzukommen, den ich die Kulturpersönlichkeit nenne: das Germanentum. Ohne das Germanentum versteht man die Willensdynamik eines Faust nicht, und ohne das germanische Element ist die Raumtiefe, aber auch die in jeder Hinsicht sowohl ins Mikrokosmische als auch ins Makrokosmische gehende Unendlichkeit nicht als distinktives Merkmal der abendländischen Kultur zu identifizieren. Diese Merkmale treffen auf keinen antiken Menschen zu, aber insbesondere auf die Abendländer, die germanischen Ursprungs sind. Scharfe Gegensätze, wie die zwischen Antike und Abendland, sind zwar unbedingt ein Indiz für Verwandtschaft, weil beide Kulturen so auffallend gegensätzlich sind: aktiv und reaktiv. Offenbar hat die Antike auf das Abendland aber nicht persönlichkeitsstiftend gewirkt und konnte auch erzieherisch nicht tätig werden, weil sie so früh verstarb. Die Biogenetik und Sozialisation geraten nicht selten so weit auseinander, wenn ein Elternteil früh verstirbt, d.h. nicht wirklich erlebt wird. Dem Abendland scheint es auch so ergangen zu sein. Die Auseinandersetzungen mit der magischen Mutter hat beim Kind jedoch zu einer enormen, fast schon verdächtigen Erinnerung bis hin zur Vergötterung des antiken Vaters Beitrag geleistet. Aber liegt deshalb immer auch schon ein Vaterkomplex vor?  Es bleibt zunächst festzuhalten, daß auch kulturell zwischen Genetik und Sozialisation, zwischen Anlage und Umwelt, zwischen angeboren und anerzogen ganz klar unterschieden werden muß. Dazwischen bewegt sich die Persönlichkeit. Man kann sie nicht isolieren, folglich auch nicht isoliert betrachten, aber man kann sie beschreiben, und ich beschreibe die Kulturpersönlichkeit des Abendlandes als germanisch, weil dieser Raum zwischen Anlage und Umwelt für die Kulturpersönlichkeit zwanghaft unendlich werden muß, wenn sie die verlorene Vaterkultur zurückholen will. Der unendliche Raum und Wille sind auch deshalb Ursymbol und Urwort des Abendlandes. Wenn der Mensch eine Grundlage von etwa 60 Billionen Zellen hat und einer Umwelt von praktisch unendlicher Vielfalt ausgesetzt ist, so gilt für eine Kultur, daß sie Völker, Staaten oder Nationen zur Grundlage hat und einer Umwelt von unendlichen Möglichkeiten, aber auch gähnender Leere gegenübersteht. Mit dem Germanentum fiel eine faustische Entscheidung zugunsten der unendlichen Möglichkeiten. Die Eltern des Abendlandes waren also antik-magisch, ihre gentragenden Chromosomen römisch-christlich, aber die Kontrollgene germanisch. (Vgl. 22-24).

Johann Wolfgang Goethe (28.08.1749 - 22.03.1832): Urfaust (1772-1775), Faust (Fragment, 1790), Teil I, 1806, Teil II, 1831.

Urphänomen ist nach Goethe das empirische Phänomen, das jeder Mensch in der Natur erkennen kann und das durch Versuche zum wissenschaftlichen Phänomen erhoben wird, indem man es unter anderen Umständen und Bedingungen und in einer mehr oder weniger glücklichen Folge darstellt, so daß zuletzt das reine Phänomen als Resultat aller Erfahrungen und Versuche dasteht. Es ist ideal als das letzte Erkennbare, real als erkannt, symbolisch identisch mit allen Fällen, weil es alle Fälle begreift.

Rationalismus ist der Verstandes- bzw. Vernunftsstandpunkt, die Gesamtheit der philosophischen Richtungen, die irgendwie die Vernunft (lat. ratio), das Denken, den Verstand subjektiv, die Vernünftigkeit, die logische Ordnung der Dinge objektiv in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellen. Sowohl die Antike als auch das Abendland durchliefen eine Phase der Rationalisierung, des Rationalismus und der ihm völlig dienenden Aufklärung. Eine Systematisierung erfuhr der abendländische Rationalismus im 17. und 18. Jahrhundert durch Descartes (1596-1650), Spinoza (1632-1677), Leibniz (1646-1716) und Wolff (1679-1754). Für Rationalismus und Aufklärung gab es nur vorläufige Probleme, nicht aber grundsätzlich unlösbare Probleme. In der abendländischen Phase des Rationalismus entstand der neue Begriff der Wissenschaft, der gleichbedeutend wurde mit dem der Mathematik und der Naturwissenschaften. Wissenschaftlich heißt seither: in mathematisch-naturwissenschaftlicher Sprache darstellbar. Ferner entstand der Begriff der wertfreien Wissenschaft, der besagt, daß die Wissenschaft sich nicht darum zu kümmern habe, ob die Gegensätze und namentlich auch die Ergebnisse ihres Forschens ethisch wertvoll oder wertwidrig sind, ob sie Heil oder Unheil in sich tragen. Der Platz für die Metaphysik wurde durch den Rationalismus immer enger. Deshalb rief der Rationalismus auch Gegner auf den Plan. Pascal (1623-1662) und die Empiristen Locke (1632-1704), Hume (1711-1776), Condillac (1715-1780) bekämpften ihn. Kant (1724-1804) hob den Gegensatz von Empirismus und Rationalismus in der höheren Einheit seines Kritizismus auf; Fichte (1762-1814), Schelling (1775-1854), Hegel (1770-1831) kehrten teilweise zu einem objektivistischen Rationalismus zurück. Völlig rationalistisch sollten dann der Positivismus, der historische Materialismus, der Pragmatismus sowie Marxismus, Neupositivismus, Logizismus, Physikalismus werden. (Vgl. dazu die Tafeln 14-16, 16-18, 18-20, 20-22, 22-24).

Giovanni Battista Vico (1668-1744), Geschichts- und Rechtsphilosoph, war ab 1697 Professor der Rhetorik in Neapel und ab 1734 Historiograph des Königs Karl von Neapel. Das von ihm entworfene „Drei-Stadien-Gesetz“, die Aufeinanderfolge der drei Zeitalter - der Götter, der Heroen, der Menschen -, hat Ähnlichkeit mit vielen später entwickelten Modellen oder Theorien, z.B. mit den von Auguste Comte (1798-1857) behaupteten drei Stadien: der Theologie, der Metaphysik, des Positiven (Positivistischen, Erfahrungswissenschaftlichen). Die von Vico behauptete „Parallele“ zwischen Völkern spiegelt sich auch in der später von Comte angenommenen „Parallele“ zwischen den „Gesellschaften“ und den „Erkenntnissen“ wider, noch mehr jedoch in der von Oswald Spengler (1880-1936) behaupteten „Parallele“ zwischen den Kulturen. (Kulturen). Man könnte auch ein „Drei-Stadien-Gesetz“ annehmen (wie ich es vorschlage), das die Entwicklung zum Leben meint und etwa aus den folgenden drei Zeitaltern besteht: Universum ohne Leben (meinetwegen auch Zeitalter der Götter genannt), Leben ohne Menschen (meinetwegen auch Zeitalter der Heroen genannt) und Leben mit Menschen (das einem „Vier-Stadien-Gesetz“ folgt: Prähominisierung bzw. Vor-/Urmenschen; Hominisierung bzw. Frühmenschen; Sapientisierung bzw. Altmenschen; Historisierung bzw. Jetztmenschen). Was die Zukunft bringen wird, ist nicht gewiß, aber es wird in Zusammenhang stehen mit der Frage, ob die Menschwerdung, die ja noch nicht beendet ist, auch zukünftig in verschiedenen Kulturen (ich nenne sie „Historienkulturen“) gespalten sein wird oder nicht. (Zukunft). Was Vico wohl dazu gesagt hätte?  Vier Vorbilder bestimmten sein Denken: „Mit Plato erkennt er in der Idee den Maßstab. Mit Tacitus schildert er in den beschränkten Zwecken des menschlichen Eigennutzes die Wirklichkeit. Mit Bacon besinnt er sich auf die Einheit der wissenschaftlichen Welt. Mit Grotius faßt er die gesamte Philosophie und Theologie in das System eines allgemeinen Rechtes, in eine Überphilosophie, in die »Neue Wissenschaft«: d.h. Bestand der reinen Idee und geschichtlicher Wandel verbunden im Ziel der Wahrheit und begriffen in einem System.“ (R. Wisser). Vico beeinflußte auch Herder, seinen Entdecker, Goethe und überhaupt die weitere Geschichtsphilosophie. Schon um 1600, also lange vor Vico, hatte schon Bacon festgestellt, daß Kulturen altern wie Menschen und Phasen bzw. Auf-und-Ab-Stufen durchleben: „In der Jugend der Völker und Staaten blühen die Waffen und die Künste des Krieges; im reifen männlichen Alter der Völker und Staaten Künste und Wissenschaften; dann eine Zeit lang beide zusammen, Waffenkunst und Musenkünste; endlich im Greisenalter der Völker und Staaten Handel und Industrie, Luxus und Mode.“ (Francis Bacon, De dignitate et augmentis scientiarum, 1605; IV, 2, 114).

Zum Zyklus von Aufstieg und Verfall sowie ewiger Wiederkehr vgl. darum auch: Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), Karl Vollgraff (1792-1863), Ernst von Lasaulx (1805-1861), Heinrich Rückert (1823-1875), Friedrich Nietzsche (1844-1900), Oswald Spengler (1880-1936) und die „Spenglerianer“ - z.B. Arnold Joseph Toynbee (1889-1975), August Winnig (1878-1956), Fritz Schachermeyr (1895-1987), Henry Kissinger (*1923), Samuel Phillips Huntington (*1927), Patrick Buchanan (*1938) - sowie Peter Sloterdijk (*1947).

Carl Friedrich Gauß (1777-1855) veröffentlichte seine nicht-euklidischen Geometrien nicht, weil er das Geschrei der denkfaulen, schwerfälligen und unkultivierten Menschen fürchtete. Er nannte sie Böoter, weil die Einwohner dieser antiken Landschaft (Hauptstadt: Theben) von den Einwohnern anderer Griechenstädte als denkfaul und schwerfällig beschrieben worden waren. Gauß meinte zu recht, daß man die Menschen nicht wirklich würde überzeugen können. Die erste der nichteuklidischen Geometrien entdeckte Gauß nach Vollendung seines Hauptwerkes Disquisitiones arithmeticae (1801), durch deren in sich widerspruchslose Existenz bewiesen wurde, daß es mehrere streng mathematische Arten einer dreidimensionalen Ausgedehntheit gibt, die sämtlich a priori gewiß sind, ohne daß es möglich wäre, eine von ihnen als die eigentliche Form der Anschauung herauszuheben. (Vgl. 18-20).

Maieutik (Geburtshilfe) ist die Hebammenkunst des Sokrates (470-399), durch geschicktes Fragen und Antworten die in einem Menschen liegende richtige Erkenntnis herauszuholen.

Jean-Jacques Rousseau (1712-1778). Vgl. seine Werke: Werke

„Seit Rousseau sind wir davon überzeugt, daß eine bestimmte Art der Vergesellschaftung den Menschen verstümmelt und in die Unwahrheit geraten läßt. Dieses philosophisch versierte Unbehagen an der Gesellschaft blickt zurück und entdeckt eine lange Vorgeschichte. Für Rousseau beginnt sie damit, daß die Menschen sich durch das Streben nach Besitz und Eigentum voneinander abgrenzen. Die Eigentumsverhältnisse verursachen Konkurrenz, Hierarchien, Verfeindungen, wechselseitiges Mißtrauen, Maskierungen und Täuschungen. Kurz, die ganze kritikwürdige Kultur einer Gesellschaft, die Rousseau verwirft. ... Rousseau hat die Konstellation von Innen und Außen neu konfiguriert. Das Innen erfährt eine ungeheure Aufwertung: dort darf man seitdem das wahre Leben vermuten; das gesellschaftliche Äußere demgegenüber erscheint als seelenloser Mechanismus. ... Rousseau spricht von einem Selbst wie von einem verborgenen Schatz voller Verheißungen und Glücksversprechen ... Aber vergessen wir nicht das Drama, das sich aus der Erfahrung der eigenen Freiheit ergeben kann und bei Rousseau ergeben hat. Wer, wie Rousseau, mit der Freiheit und ihrer schöpferischen Unberechenbarkeit bekannt geworden ist, dem kann nicht verborgen bleiben, daß sich dort draußen, wo es die vielen Freiheiten der Anderen gibt, ein riesiges Feld von Unberechenbarkeiten auftut. Aus der Lust an der eigenen Freiheit wird die Angst vor den vielen Freiheiten der Anderen. Rousseau geriet darüber in Panik.“ (Rüdiger Safranski, Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch?, 2003, S. 101-104). Zu dieser Problematik vgl. „Individuum“.

Das Thema „Individuum“ ist eines der typischen Symptome des Abendlandes, und schon früh hatte sich abgezeichnet, daß das „Individuelle“ - das „Unteibare“ - als „Individualismus“ zum riesigen Problem werden kann. Der theoretische Individualismus akzeptiert überhaupt nur die Wirklichkeit des Individuellen (vgl. Nominalismus) bzw. des eigenen Bewußtseins bzw. des Ichs (vgl. Solipsismus) und leugnet darum die Möglichkeit allgemein verbindlicher Aussagen bzw. Einsichten (vgl. Subjektivismus). Der ethisch-politische Individualismus betrachtet das Individuum als Selbstzweck und sieht im Glück und in der allseitigen Entfaltung der Einzelpersönlichkeit das letzte Ziel, insbesondere betrachtet er Gesellschaft und Staat nur als Hilfsmittel zu Erreichung der Zwecke des Individuums (vgl. Anarchie, Egoismus, Liberalismus u.s.w.). Jeder wie auch immer geartete Individualismus ist nur von einer Seite her begründet, zu „künstlich“ (bzw. „künstlerisch“, z.B. „genial“ u.s.w.), als Konzept für ein Allgemeinwohl untauglich, kurz gesagt: schon vom Ansatz her falsch! Gleiches gilt für den ebenfalls zu „künstlich“ (bzw. „künstlerisch“, z.B. „genial“ u.s.w.) ausgerichteten Begriff „Gesellschaft“, denn er meint eben nicht den tieferen Begriff Gemeinschaft als das tiefere Prinzip des Allgemeinwohls, sondern das lockere, oberflächliche Zusammenhaltlose. Dieses ist mit dem Individualismus durchaus vereinbar, bleibt doch der Individualismus so an seiner Unteilbarkeit kleben, weil seine Individuen in einer lockeren Gesellschaft immer noch individueller bleiben können als in einer mehr oder weniger geeinten Gemeinschaft. Gemeinschaft ist, im metaphysischen Sinne, die Kategorie des Zusammenseins (Zusammensein) bzw. der Wechselwirkung (lat. commercium), im Gegensatz zu der nur rational-zweckgebundenen Gesellschaft; in der Gesellschaft wird die Individualität weit weniger verändert als in einer Gemeinschaft; Gesellschaft beruht auf Konvention, Vertrag, Interessen (angeblich sollen sie „gleichberechtigt“ sein) und „schwebt“ als „menschlicher Bereich“ im wahrsten Sinne des Wortes zwischen Individuum und Staat irgendwie in der „Luft“ herum. Dabei ist es sogar völlig egal, ob durch die „Bürgerliche Revolution“, z.B. durch die französische Revolution, die Gesellschaft als société oder corps social auf das ganze Menschengeschlecht übertargen wurde oder nicht, denn bisher hat die so genannte „Weltrevolution“ noch keine derartige Monokultur hervorgebracht. Und: Wenn die „Alleinstehenden“ nur noch für sich selbst „sorgen“, dann „entsteht kein Leistungswille und kein Verantwortungsgefühl für andere und für die Gemeinschaft. Eine autistische Gesellschaft, die sich nur noch um sich selbst dreht, ist wirtschaftlich nicht erfolgreich.“ (Ehrhardt Bödecker, Preußen und die Wurzeln des Erfolgs, 2004, S. 203). Deswegen heißt es z.B. bei Peter Sloterdijk auch: Nicht Vertrag, nicht Gewächs - Annäherung an die Raum-Vielheiten, die bedauerlicherweise Gesellschaften genannt werden (Sloterdijk). „Will man die sinnvollen soziologischen Intuitionen des Holismus retten“, so Sloterdijk, so gilt es, das „Beieinandersein, das Kommunizieren und das Kooperieren der vom Koexistenzstreß zusammengespannten Eigenraum-Vielheiten, die leider noch immer Gesellschaften genannt werden, aus deren eigenen Bedingungen herzuleiten, ohne dabei die anti-holistischen Krücken zu benutzen, an denen sich Individualisten und Kontraktualisten übers Gelände schwingen.“ (Peter Sloterdijk, Sphären III - Schäume, 2004, S. 293). Das Ich ist viel zu schwach. Die Sicherheit des Ich ist logisch erschlichen; sicher aber ist, daß ich keine bloße Vorstellung bin und daß nicht alles Vorstellung ist; also können auch Gedanken an sich sein (und nicht bloß vorgestellt). Wäre ich meine eigene Vorstellung, so wäre ich das, was sich vorstellt als das, was sich vorstellt als das, was ... Ich wäre eine rekursive Funktion f(x), eine Funktion f mit sich selbst als Argument x, also f(f(f(...))), Hülle ohne Fülle (?).

Zu Vertrag (und Vertragstheorien bzw.Kontraktualismus) oder Gewächs (und Organizismen bzw. Holismen) vgl. z.B. Peter Sloterdijk, Nicht Vertrag, nicht Gewächs - Annäherung an die Raum-Vielheiten, die bedauerlicherweise Gesellschaften genannt werden, in: Sphären III - Schäume, 2004, S. 261-308 (Sloterdijk), und dessen Theorie des Zusammenseins (Zusammensein) sowie: Dividuum statt Individuum.

„Für den Parlamentarismus sind demgegenüber Freiheitsrechte der Bürger gegen den Staat grundlegend; jedoch nicht als Ausdruck einer vorgegebenen höheren Ordnung oder der allgemeinen oder unveränderlichen Natur des Menschen, sondern rein funktional auf das parlamentarische System bezogen.“ (Klaus Kunze, Der totale Parteienstaat, 1994, S. 85). Das bedarf einer Erklärung! „Der primäre Sinn des ganzen Systems von Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit hatte darin bestanden, den für das Funktionieren des Parlamentarismus nach der liberalen Idee konstitutiven Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung zu gewährleisten, in dem durch den freien Kampf der Meinungen die »Wahrheit« entstehen soll als die sich aus dem Wettbewerb von selbst ergebende Harmonie. Diese ursprüngliche Funktion haben sie im real existierenden Parlamentarismus vollständig eingebüßt.“ (Ebd., S. 85-86). Mit dem „real existierenden Parlamentarismus“ ist der totale Parteienstaat gemeint. „Wie bereits nachgewiesen worden ist, ist das parlamentarische Formprinzip der Entscheidungsfindung aufgrund öffentlicher Diskussion schon längst zur inhaltsleeren Formalie degeneriert. Tatsächlich fallen die wesentlichen Entscheidungen nicht mehr im Parlament, und auch die wünschenswerte demokratische Willensbildung im Volke aufgrund freier geistiger Auseinandersetzung, die Willensbildung »von unten nach oben«, führt ihren Reigen allenfalls noch über dem Sternenzelt des Ideenhimmels, nicht aber hienieden im allgegenwärtigen Medienstaat. Wenn auch die heutigen Grund- und Menschenrechte also weder unverzichtbare Funktionselemente des Parlamentarismus noch Begriffsmerkmale der Demokratie sind, wird sich doch so leicht niemand finden, der freiwillig für seine Person auf sie verzichten möchte. Da Systeme für Menschen da zu sein haben, verfehlen sie ihren Zweck schon im Ansatz und sind inhuman, wenn sie dem Freiheitsbedürfnis des Menschen nicht genügen. So wäre eine konsequente Demokratie unter Herrschaft des Rousseauschen Generalwiltens totalitär, Freiheit des Abweichlers in ihr nicht möglich. Die parlamentarische Demokratie macht erhebliche Abstriche von demokratischen Utopien durch den Vorrang der Individualrechte und verleiht dem an sich totalitären Demokratiekonzept ein »menschliches Antlitz«. Im heutigen Parlamentarismus gewinnen die Grundrechte zunehmend Bedeutung als Abwehrrechte gegen als staatliche Macht kostümierte Parteiwillkür. Nur ein neutraler Rechtsstaat mit garantierten Bürgerrechten kann uns heute noch vor dem Jakobinismus des richtigen Bewußtseins und den Herrschaftstechniken der an die Macht gekommenen früheren Apologeten des herrschaftsfreien Diskurses schützen. Wenn also die Menschenrechte weder Begriffsmerkmal der Demokratie noch des Parlamentarismus, sondern diesen nur aufgepfropft sind: Warum sollen sie nicht auch andere Staatsformel und darüber hinaus jede organisierte Macht erst veredeln und erträglich machen können? So bereitet weder begrifflich noch tatsächlich die Vorstellung einer reinen Monarchie, einer Aristokratie oder einer nicht durch ein Parlament beherrschten Republik mit Bürger- und Freiheitsrechten gedankliche Schwierigkeiten. Die Notwendigkeit dieser Rechte folgt nämlich aus vorstaatlicher Wertentscheidungen, deren Richtigkeit in jedem System gültig bleibt: Sie sind unter anderem auch objektive Ordnungsprinzipien für die von ihnen geschützten Lebensbereiche wie Ehe, Familien, Presse und Eigentum () und als solche ein notwendiges Element und Mittel zur Integration des Staates. In diesem Sinne ist Freiheit nicht als schrankenlose Libertinage (Zügellosigkeit) zu verstehen, sondern als »Freiheit zur Realisierung der durch die Grundrechte ausgedrückten Wertvorstellungen.« (). Diese in den Grundrechten verkörperte Wertordnung kann in jeder Staatsform gelten, ob die Staatsmacht sich nun nach einem numerischen Auszählverfahren durch Abstimmung konstituiert oder in einem Erbprinzen verkörpert; ob ein ganzes Parlament voller kleiner Könige das Volk repräsentiert oder ein einzelner Monarch.  —  In einem absolut monarchischen Duodezfürstentum des 18. Jahrhunderts konnte man als Bürger ebenso frei von staatlicher Repression leben wie in einer zeitgenössischen Stadtrepublik ....“ (Ebd., S. 86-87).  —  Außerdem haben wir nicht vergessen: „Schon die alten Athener hatten sich durch ihre »Demokratie« nicht gehindert gefühlt, Sokrates in demokratischer Abstimmung zum Tode zu verurteilen, und Ludwig XVI. wurde von Parlamentariern der französischen Nationalversammlung zur Guillotine geschickt. .... Das Register kleiner und großer Sünden parlamentarisch regierter Staaten ließe sich beliebig verlängern. Demgegenüber ist es mit dem Entschwinden praktischer, in einer absoluten Monarchie gewonnener Lebenserfahrung hinter dem Horizont vergangener Epochen fast unmöglich geworden, eine lebensnahe Vorstellung davon zu gewinnen, welches Maß an Freiheit im monarchischen Absolutismus gegenüber der Republik möglich war.“ (Ebd., 1994, S. 83-84).

„Institutionelle Grundrechte“; vgl. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 170f.; Erwin Stein, Verfassungsgerichtliche Interpretation der Grundrechte als Konkretisierung des Rechtsstaats, in: Herder-Initiative, Hrsg: Gerd-Klaus Kaltenbrunner, 1979, Band 33, S. 89.

„Werttheorie der Grundrechte“ des Bundesverfassungsgerichts unter dem Einfluß Rudolf Smends; vgl. Erwin Stein, Verfassungsgerichtliche Interpretation der Grundrechte als Konkretisierung des Rechtsstaats, in: Herder-Initiative, Hrsg: Gerd-Klaus Kaltenbrunner, 1979, Band 33, S. 83.

Ding an sich ist das Ding, wie es unabhängig von einem erkennenden Subjekt für sich selbst besteht, das wahre Sein, dessen Erscheinungen die empirischen Dinge sind, auf welches eben die Erscheinungen hinweisen. Wir erkennen ein Ding als Gegenstand unserer Wahrnehmung nur so, wie es uns - eingekleidet in den Ausbauungsformen von Raum und Zeit, in den Kategorien und Verstandesgesetzen - so erscheint. Wie es an sich beschaffen ist, werden wir niemals erfahren. (Frei nach: Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781).

Ethik meint hier die Sittenlehre als praktische Philosophie, die nach einer Antwort sucht auf die Frage: was sollen wir tun? Beide Kulturen - Antike und Abendland - suchten die Antwort zunächst im Selbst bzw. in der Selbsterkenntnis. Aber dieser Subjektivismus hatte in der Antike wegen des Seelenbildes (und Ursymbols) eine andere, entgegengesetzte, Richtung als im Abendland. Die Antike suchte auch ethisch die Antwort am Außen des Körpers (in der begrenzten Äußerung), weil es für sie kein Geheimnis im Innen geben durfte; das Abendland suchte im Innen des faustischen Willens und kategorischen Imperativs (im Raum der unendlichen Verinnerlichung), weil es hier nur Geheimnisse gab. In beiden Fällen stelle man sich in den Dienst einer sozialanthropologischen Ethik. Ein Angebot, das man auch Hilfe zur Selbsthilfe (Selbsterkenntnis) nennen könnte. Wie kann ich dienen? ist eine typische Frage dieser (dienerischen) Phase.

Der kategorische Imperativ oder Imperativ der Sittlichkeit wurde von Kant folgendermaßen formuliert: Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne. 1785 schrieb Kant in seiner Grundlegung zur Metaphysik der Sitten: 1.) „Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden sollte.“ 2.) „Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ (Kant). Ob ein Mensch als Persönlichkeit das prinzipiell wollen kann oder nicht auch (oder vielleicht eher) etwas Eigenes in seinem Verhalten liegt, sollten später die Kritikpunkte an Kants Imperativ sein, z.B. von Nicolai Hartmann (1882-1950; vgl. 20-22): „Sofern das besagt, daß wirklich die jedesmalige »Maxime« der Handlung ihre Richtschnur daran hat, ob sie zugleich allgemeines Gesetz sein könnte oder nicht, so liegt darin offenkundig etwas, was der Mensch als Persönlichkeit nicht prinzipiell wollen kann. Er muß vielmehr zugleich wollen, daß über alle Allgemeingültigkeit hinaus noch etwas Eigenes in seinem Verhalten sei, was an seiner Stelle kein Anderer tun sollte oder dürfte. Verzichtet er hierauf, so ist er eine bloße Nummer in der Menge, durch jeden Anderen ersetzbar, seine persönliche Existenz ist vergeblich, sinnlos.“

Immanuel Kant (1724-1804), Werke ():
1) 1747-1758: Dominanz der Naturwissenschaften:
- Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte (1747)
- Untersuchung der Frage, ob die Erde in ihrer Umdrehung um die Achse einige
Veränderungen seit den ersten Zeiten ihres Ursprungs erlitten habe
(1754)
- Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels
(1755)
- Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens (1756)
- Von den Ursachen der Erderschütterungen (1756)
- Entwurf und Ankündigung eines Collegii über die physische Geographie
nebst ... Betrachtung über die Frage, ob die Westwinde in unseren Gegenden
darum feucht sind, weil sie über ein großes Meer streichen
(1757)
- Neuer Lehrbegriff der Bewegung und Ruhe (1758)
2)1758-1781: Von der Wollfschen zur kritischen Metaphysik:
- Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus (1759)
- Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren (1762)
- Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
(1763)
- Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen
(1763)
- Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen
(1764)
- Versuch über die Krankheiten des Kopfes
(1764)
- Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral
(1764)
- Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik
(1766)
- Von dem ersten Grunde des Unterschieds der Gegenden im Raume
(1768)
- Über Form und Grundlagen der Wahrnehmungs- und der Vernunftwelt
(1770)
- De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis (1770)
- Rezension der Schrift von Moscati über den Unterschied der Struktur der Tiere und Menschen (1771)
- Von den verschiedenen Rassen der Menschen (1775)
3) 1781-1793: Kants kritische Philosophie:
- Kritik der reinen Vernunft (1781)
- Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik (1783)
- Über Schulz' Versuch einer Anleitung zur Sittenlehre (1783)
- Ideen zur einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784)
- Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784)
- Rezension von Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit
(1785)
- Über die Bestimmung des Begriffes einer Menschenrasse (1785)
- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785)
- Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (1786)
- Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte (1786)
- Über Hufelands Grundsatz des Naturrechts (1786)
- Was heißt: sich im Denken orientieren ?  (1786)
- Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie (1788)
- Kritik der praktischen Vernunft (1788)
- Kritik der Urteilskraft
(1790)
- Über Schwärmerei und die Mittel dagegen
(1790)
- Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche der Theodizee (1791)
- Über die von der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin für das Jahr 1791 ausgesetzte Preisaufgabe:
Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibniz' und Wolffs Zeiten gemacht hat?
(1791)
- Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft
(1793)
- Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (1793)
4) 1793-1804: Kants nachkritische Phase (Bindeglied zwischen vollendetem Kritizismus [] und Deutschem Idealismus)
- Über Philosophie überhaupt (1794)
- Etwas über den Einfluß des Mondes auf die Witterung
(1794)
- Das Ende aller Dinge
(1794)
- Zum ewigen Frieden
(1795)
- Zu Sömmering über das Organ der Seele (1796)
- Ausgleichung eines auf Mißverstand beruhenden mathematischen Streits (1796)
- Metaphysik der Sitten
(1797):
I) Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre
II) Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre
- Über ein vermeintliches Recht, aus Menschenliebe zu lügen
(1797)
- Der Streit der Fakultäten (1798)
- Anthropologie in pragmatischer Hinsicht
(1798)
- Erklärung in Beziehung auf Fichtes Wissenschaftslehre (1799)
u.a.

 

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