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Glaube
(Religion - Theologie)
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-   E i n e   G e s c h i c h t e   -

Definition und Entstehung
Theismus bzw. Theismen
Germanen
Abendland
Übersicht

Der Glaube ist ein „Für-wahr-Halten“ („Für-wahr-Halten“„Für-wahr-Halten“„Für-wahr-Halten“„Für-wahr-Halten“) bzw. die innere Gewißheit, die von Beweisen unabhängig ist. Man könnte auch sagen: „Der Glaube ist ein purer Antizipationseffekt insofern, als er schon wirksam wird, wenn er aufgrund der Antizipation die Existenz der Antizipanten zielwärts motiviert. Man müßte dies in Analogie zum Placebo, den Movebo-Effekt nennen.“ (Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern, 2009, S. 384). Sloterdijk glaubt sogar, daß „es keine »Religion« und keine »Religionen« gibt, sondern nur mißverstandene spirituelle Übungssysteme“ (ebd., S. 12 mehr). Also: „Religionen gibt es nicht“ (ebd., S. 133), sondern nur Übungen (Trainings). Oder? Was ist Religion? Was ist Religion?

Urglaube - was ist der Urglaube? Vielleicht sollten wir erst einmal mit dem Urglauben anfangen oder sogar zu ihm zurückkehren. Ich habe dazu einige interessante Sätze gefunden, die den Urglauben schon bald wieder aktuell werden lassen könnten:

„Die Bewältigung von Krisensituationen erfordert ein weltzugewandtes und wirklichkeitsgerechtes Ethos. In der deutschen und europäischen Tradition findet sich dieses in jenem heidnischen Urglauben, der auf der Erfahrung des Ewigen, des Elementaren und des Erhabenen in der Ordnung der Natur beruht. Formen dieses Glaubens waren unter unseren Vorfahren vor der Verbreitung des Christentums verbreitet und traten seitdem immer wieder als Heiden- und Ketzertum hervor. Quelle des Urglaubens ist der im Menschen wirkende Urwille zu Leben und Dauer, der so alt ist wie das Leben selbst. Das Erhabene liegt in ewigen Dingen, die größer sind als der einzelne Mensch. In der Natur mit ihren ewigen Gesetzen kann der Einzelne das Erhabene in der Ordnung erfahren, die auch ihn hervorgebracht hat. Der Urglaube betont die schicksalshafte Bindung des Einzelnen an die Natur oder an Ahnen und Sippe, denn aus diesen Wurzeln wächst Kraft, und diese Wurzeln verbinden den Menschen mit der Natur und dem Ewigen, dem Geheimnis allen Seins und der Quelle aller Stärke. Die Kette der Generationen bis zurück zum Ursprung des Lebens und vorwärts in ferne Zukunft ist ein Teil davon, ein anderer ist das Land, dem der Mensch entstammt, die Erde, aus der er gewachsen ist und in die er in einem ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen zurückkehren wird. Er ist nicht Fremder in dieser Welt, aus der er erlöst werden müßte, sondern Teil von ihr und muß sich in ihr bewähren und behaupten. Der Urglaube bejaht das Leben in seiner Gesamtheit und stellt sich seinen Härten und Widersprüchen. Er bejaht den Menschen und seine Natur sowie sein Schicksal. Der Urglaube ist ein Tatglaube, der sich in der Lebensgestaltung, in der Meisterung des Schicksals bewähren muß. Dieser Glaube ist Verpflichtung zur Tat. Die Heilserwartungen des Urglaubens sind rein irdischer Art. Das Leben ist voller Härte und Tragik, muß aber doch erkämpft werden. Wer in ihm besteht, dem verheißt es, in seinen Nachkommen und seiner Gemeinschaft Teil des Ewigen zu werden. Der Urglaube verwurzelt den Einzelnen in höheren, ewigen Zusammenhängen. Er läßt ihn in einen Strom von Kraft eintauchen, der ihn zu einem höheren Ziel führt und zum Diener eines größeren Auftrags macht. Er stärkt den Einzelnen, in dem er sein Vertrauen in die Richtigkeit seines Daseins bestätigt und ihm durch Anbindung an das Ewige die Furcht selbst vor dem Tod nehmen kann. Durch seine Gründung auf der harten Wirklichkeit des Lebens und dem Urwillen zur Dauer ist der Urglaube ein Glaube für den Ernstfall. . .... »Ich meine, ein gewisses Heidentum hätte nie zerstört werden sollen, und jeder Mensch, der es mit seinem Geschlechte gut meint, sollte dahin arbeiten, es wieder lebendig zu machen.« (Ernst Moritz Arndt).“ (Thomas Schmidt, Glaube, in: Projekt Ernstfall Urglaube).

Das, was verbindlich passiert, wenn wir kultisch etwas wiederholt und sorgfältig beachten, ist Religion. (ReligionWas ist Religion?). So ist sie eine vom Glauben an die Existenz eines Gottes, einer Gottheit bestimmte Weltanschauung und Lebensführung, das Gefühl der Verbundenheit, der Abhängigkeit, der Verpflichtung gegenüber einer geheimnisvollen haltgebenden und verehrungswürdigen Macht. Religion ist eine feste Rückbindung.

Da Menschen wohl niemals damit aufhören werden, etwas für wahr zu halten (Glaube) und kultisch etwas wiederholt und sorgfältig zu beachten (Religion), können wir davon ausgehen, daß es für sie den Glauben, die Religion und wahrscheinlich auch die Theologie immer geben wird. Ich gebe zu, dadurch Sloterdijks Satz „Religionen gibt es nicht“ (Sloterdijk) negiert zu haben, behaupte aber, daß Sloterdijk bei diesem Satz aus Gründen der Rhetorik eine andere Definition von Religion vor sich hatte - wahrscheinlich einen Teilaspekt der Religion. Denn schließlich meint Sloterdijk mit Religionen ja „mißverstandene spirituelle Übungssysteme“ (Sloterdijk), und die gibt es! Ich sage: Religion in der oben geschilderten Definition, wozu ich also auch Sloterdijks spirituelles Übungssystem zähle, wird es für Menschen immer geben! Religionen bzw. spirituelle Übungssysteme müssen nicht an Gott gebunden sein, müsen nicht theistisch (Theismus), sondern können auch atheistisch (Atheismus) oder z.B. wissenschaftlich (theoretisch/empirisch u.s.w. Gläubige WissenschaftlerGläubige Wissenschaftler) begründet sein.

Was man wollte, war immer der Glaube – und nicht die Wahrheit.“
(Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 317 Nietzsche).
„Daß aber ein Glaube, so notwendig er ist zur Erhaltung von Wesen, nichts mit der Wahrheit zu tun hat, erkennt man z.B. selbst daran, daß wir an Zeit, Raum und Bewegung glauben müssen, ohne uns gezwungen zu fühlen, hier absolute Realität zuzugestehen.“ (Ebd., S. 340 Nietzsche). „Die bestgeglaubten apriorischen »Wahrheiten« sind für mich – Annahmen bis auf weiteres, z.B. das Gesetz der Kausalität, sehr gut eingeübte Gewöhnungen des Glaubens, so einverleibt, daß nicht daran glauben das Geschlecht zugrunde richten würde. Aber sind es deswegen Wahrheiten? Welcher Schluß! Als ob die Wahrheit damit bewiesen würde, daß der Mensch bestehen bleibt!“ (Ebd., S. 344 Nietzsche). „Erst Bilder – zu erklären, wie Bilder im Geiste entstehen. Dann Worte, angewendet auf Bilder. Endlich Begriffe, erst möglich, wenn es Worte gibt – ein Zusammenfassen vieler Bilder unter etwas Nicht-Anschauliches, sondern Hörbares (Wort). Das kleine bißchen Emotion, welches beim »Wort« entsteht, also beim Anschauen ähnlicher Bilder, für die ein Wort da ist – diese schwache Emotion ist das Gemeinsame, die Grundlage des Begriffes. Daß schwache Empfindungen als gleich angesetzt werden, als dieselben empfunden werden, ist die Grundtatsache. Also die Verwechslung zweier ganz benachbarter Empfindungen in der Konstatierung dieser Empfindungen; – wer aber konstatiert? Das Glauben ist das Uranfängliche schon in jedem Sinnes-Eindruck: eine Art Ja-sagen erste intellektuelle Tätigkeit! Ein »Für-wahr-halten« im Anfange! Also zu erklären: wie ein »Für-wahr-halten« entstanden ist! Was liegt für eine Sensation hinter »wahr«?“ (Ebd., 347 Nietzsche). „Die Wertschätzung »ich glaube, daß das und das so ist«, als Wesen der »Wahrheit«. In den Wertschätzungen drücken sich Erhaltungs– und Wachstums-Bedingungen aus. Alle unsre Erkenntnisorgane und Sinne sind nur entwickelt in Hinsicht auf Erhaltungs-und Wachstums-Bedingungen. Das Vertrauen zur Vernunft und ihren Kategorien, zur Dialektik, also die Wertschätzung der Logik, beweist nur die durch Erfahrung bewiesene Nützlichkeit derselben für das Leben: nicht deren »Wahrheit«. Daß eine Menge Glauben da sein muß; daß geurteilt werden darf; daß der Zweifel in Hinsicht auf alle wesentlichen Werte fehlt: – das ist Voraussetzung alles Lebendigen und seines Lebens. Also daß etwas für wahr gehalten werden muß, ist notwendig, – nicht, daß etwas wahr ist. »Die wahre und die scheinbare Welt« – dieser Gegensatz wird von mir zurückgeführt auf Wertverhältnisse. Wir haben unsere Erhaltungs-Bedingungen projiziert als Prädikate des Seins überhaupt. Daß wir in unserm Glauben stabil sein müssen, um zu gedeihen, daraus haben wir gemacht, daß die »wahre« Welt keine wandelbare und werdende, sondern eine seiende ist.“ (Ebd., 348 Nietzsche). Laut Nietzsche brauchen wir diese und andere Irrtümer, „um zu gedeihen“ (ebd.), denn laut Nietzsche sind ja Irrtümer für unser Leben nützlich (vgl. ebd.).
„Das Urteilen ist unser ältester Glaube, unser gewohntestes Für-Wahr- oder Für-Unwahr-halten, ein Behaupten oder Leugnen, eine Gewißheit, daß etwas so und nicht anders ist, ein Glaube, hier wirklich »erkannt« zu haben – was wird in allen Urteilen als wahr geglaubt?“ (Ebd, S. 365 Nietzsche). „Für-wahr-Halten“„Für-wahr-Halten“

Im weiteren Sinne ist Religion eine zusammenfassende Bezeichnung für eine Fülle historischer Erscheinungen, denen ein spezifischer Bezug zwischen dem überweltlichen, transzendenten Heiligen in personaler Gestalt einer oder mehrerer Gottheiten einerseits und den Menschen andererseits in einer deren Verhalten normativ bestimmenden Weise zugrunde liegt. Die verschiedenen Termini lassen für Religion unterschiedliche Aspekte dieser komplexen Größe deutlich werden. Religion kann zweifach gedeutet werden: als wiederholt sorgfältige Beachtung des Kults und als Verbindung des Menschen mit Gott. Lateiner kannten diese Verbindung z.B. als ein „Zurück-Verbinden“ (lat. religare, „wieder verbinden“). In den nicht vom Latein beeinflußten Sprachen werden weitere Aspekte sichtbar: Griechisch eusébia bezeichnet Gottesfurcht und Frömmigkeit, das arabische din betont den rechtlichen Aspekt der Religion, das indische Dharma das unerschütterlich Feststehende, das chinesische chiao und das japanische kyo den Aspekt der Lehre. Innerhalb ein und derselben Religion sind unterschiedliche Wertsetzungen möglich, die in den Begriffen der Gesetzes- und der Gefühlsreligion ihren Ausdruck finden. Fast immer aber besteht eine Kluft zwischen der offiziellen Religion der Priester und den volkstümlichen Vorstellungen und Bräuchen. Jede Religion besitzt eine die Gesellschaft strukturierende Kraft, die zur Organisation von Gemeinden, Kirchen oder Orden und sogar bis zur Identifikation der Religion mit dem Staat führen kann.

Die Existenzweise des religiösen Menschen zeigt sich in Hingabe an die Gottheit, die vor allem in Gebet, Dank Opfer und in der Heiligung der wichtigsten Einschnitte im Leben zum Ausdruck kommt. Religion schafft menschliche Ausdrucksformen in Sprache und Kunst. Drama, Tanz und Musik sind aus religiösen Handlungen hervorgegangen. Auch wirken Normen der Religion rechtsbildend.

Da die Religion Werte und Normen menschlichen Handelns vermittelt, begründet sie auch Mentalität und Einstellung zum Leben und damit eben auch zum Wirtschaften. Weltweite Wirkung erzielte bisher nur das Wirtschaften der Abendländer. (Vgl. Seelenbild und Ursymbol der abendländischen Kultur Seelenbild und Ursymbol des Abendlandes). Nicht im Morgenland (wo das Christentum entstand), sondern im Abendland entwickelte das Christentum seine wirtschaftlichen Unternehmungen. Insbesondere der kalvinistische Unternehmertyp wurde zu einem Vorbild jener, die Kapital durch harte Arbeit zu mehren suchen. Diese Orientierung im Diesseits fehlt allen anderen Religionen, also z.B. auch dem morgenländischen Islam. Islam

Noch während der Hominisierung, also im Altpaläolithikum, führte der Weg zur Religion über die Entwicklung eines primären Sprachkulturgutes, d.h. einer Grundausstattung der menschlichen Kultur, die sich in dem ersten Feuergebrauch und seiner Begleiterscheinung, der rein kulturellen (früh-) menschlichen Sprache, manifestierte. Diese Primärsprachkultur war es, die Religion ermöglichte. Religiöse Vorstellungen gab es also bereits im Altpaläolithikum, z.B. Jagdzauber und Magie - und weil frühe Menschen großen Raubtieren zum Opfer fielen, wurden vielleicht auch blutrünstige Tiere und blutrünstige Götter in Zusammenhang gebracht, faszinierende Tiere zu kultureigenen Göttern gemacht (was einer symbolischen Zähmung der Raubtiere durch ihre potentielle Beute gleichkommt), Naturkatastrophen als Astroterror mit Götterterror gleichgesetzt sowie das Fasziniert-sein-Wollen durch befremdliche Götter befriedigt. Spätestens im Mittelpaläolithikum waren religiöse Vorstellungen so weit ausdifferenziert, daß Reiligionskulturen entstanden, z.B. die der Neandertaler (Grab, Grabbeigaben). Religiöse Weltanschauungen setzen aber nicht nur eine rein kulturelle Sprache und eine typisch menschliche Sprachentwicklung voraus, sondern auch eine kulturell-natürliche Sprache als Metasprache. Deshalb erreichte die Sprachentwicklung die Stufe der Metasprache sehr wahrscheinlich schon mit dem Höhepunkt (1. Kultursymbol) der Hominisierung, also noch im Altpaläolithikum und lange vor der Sapientisierung. Zum Hauptmerkmal der Religion wurde z.B. der Glaube an eine Fruchtbarkeitsgöttin (Magna Mater). Allgemein jedoch bleibt festzuhalten, daß der Mensch auch während des Jungpaläolithikums noch als Teil der Natur in ihr lebte und auch bestrebt war, durch sein Verhalten nicht in das Gleichgewicht der natürlichen Kreisläufe, die ihm Nahrung und Überleben boten, einzugreifen. Dies änderte sich grundlegend mit der Einführung der produzierenden Wirtschaftsweise. Die sogenannte Neolithische Revolution setzt Seßhaftigkeit voraus und war so etwas wie eine „Reformation“ im Rahmen der Historisierung. Der Vegetationszyklus „Säen, Reifen, Ernten“ fand seinen Niederschlag in religiösen Vorstellungen und wurde verglichen mit dem Lebenszyklus: „Geburt, Werden, Tod“. In der mesolithisch-neolithischen Religion spielte der Glaube an ein Fortleben nach dem Tode eine große Rolle. Aus Angst vor der Wiederkehr wurden Leichname umschnürt oder verbrannt. Der Ahnenkult dieser Zeit ergänzte den noch vorhandenen Fruchtbarkeitskult und war auf religiöser Ebene verbunden mit dem Glauben an einen Himmelsgott - zumeist identisch mit dem Donner- und Blitzgott. Die Sorge für die Toten wurde jedenfalls überall praktiziert, aber auch der Glaube an Zauber und Dämonen - fast wie heute! Aberglaube


NACH OBEN

- Die Quadratur des Machtkreises -

In Vor- bzw. Urkulturen werden die Naturreligionen zunehmend durch Wirtschaft und Technik zugunsten medialer Kunst (Kommunikation) eingeengt; fast gleichzeitig erfolgt der umgekehrte Prozeß: die künstlichen Medien (vielfältiger Sprachkontakt) verbreiten durch Technik und Wirtschaft neue (bzw. differenziertere) Naturreligionen. Diese Regel (Periode) gilt nicht nur für Vor- bzw. Urkulturen, sondern auch für Früh-, Hoch- und Spätkulturen (Zivilisationen). Als Periode erklärt sie letztlich auch den „neuzeitlichen“ Glauben an die Naturwissenschaft bzw. die „moderne“ Naturtheologie (die auf eine neue Naturreligion zusteuert) als eine technisch-ökonomisch motivierte „Natur-Geisteswissenschaft“ (WissenschaftsgläubigeNatur-Geisteswissenschaft) . Macht ist der Kreis, der wegen der Pi-Transzendenz auf ein Quadrat nicht projeziert werden kann, aber mit dem Quadrat flächengleich ist:

Kultur

Wirtschaft

Technik

Kunst

Jede dieser 4 Geschichtsebenen spricht eine a) rein natürliche Sprache, b) natürlich-kulturelle Sprache, c) rein kulturelle Sprache und d) kulturell-natürliche Sprache. Menschliche Sprache ist nicht nur rein natürlich (kosmisch); natürlich-kulturell ist sie eingebettet in die Sprache aller Lebewesen; rein kulturell ist sie das, was allgemein unter Sprache (Mutter- oder Nationalsprache) verstanden wird, und kulturell-natürlich ist sie Metasprache: „Sprache-über-Sprache“ (Sprache höherer Ebene), mit der die Sprache (Objektsprache als Sprache niederer Ebene) beschrieben wird, z.B. auch als Sprachtheorie, im weiteren Sinne aber sogar überhaupt als Theorie (ursprüngliche Bedeutung: Gottesanschauung) bzw. Theologie, Philosophie, Mathematik, Weltanschauung u.ä.. Feuer ist die rein natürliche Sprache, die menschliche Sprache wirkt wie rein kulturelles Feuer. FeuerVor- / Urgeschichte


Priester im Machtkreis
- Macht der Priester -

„Die Priester sind die Schauspieler von irgend etwas Übermenschlichem, dem sie Sinnfälligkeit zu geben haben, sei es von Idealen, sei es von Göttern oder von Heilanden; darin finden sie ihren Beruf, dafür haben sie ihre Instinkte; um es so glaubwürdig wie möglich zu machen, müssen sie in der Anähnlichung so weit wie möglich gehen; ihre Schauspieler-Klugheit muß vor allem das gute Gewissen bei ihnen erzielen, mit Hilfe dessen erst wahrhaft überredet werden kann.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 103 Nietzsche).

„Der Priester will durchsetzen, daß er als höchster Typus des Menschen gilt, daß er herrscht, – auch noch über die, welche die Macht in den Händen haben, daß er unverletztlich ist, unangreifbar –, daß er die stärkste Macht in der Gemeinde ist, absolut nicht zu ersetzen und zu unterschätzen. Mittel: er allein ist der Wissende; er allein ist der Tugendhafte; er allein hat die höchste Herrschaft über sich; er allein ist in einem gewissen Sinne Gott und geht zurück in die Gottheit; er allein ist die Zwischenperson zwischen Gott und den andern; die Gottheit straft jeden Nachteil, jeden Gedanken wider einen Priester gerichtet. Mittel: die Wahrheit existiert. Es gibt nur eine Form, sie zu erlangen: Priester werden. Alles, was gut ist, in der Ordnung, in der Natur, in dem Herkommen, geht auf die Weisheit der Priester zurück. Das Heilige Buch ist ihr Werk. Die ganze Natur ist nur eine Ausführung der Satzungen darin. Es gibt keine andere Quelle des Guten als den Priester. Alle andere Art von Vortrefflichkeit ist rangverschieden von der des Priesters, z. B. die des Kriegers. Konsequenz: wenn der Priester der höchste Typus sein soll, so muß die Gradation zu seinen Tugenden die Wertgradation der Menschen ausmachen. Das Studium, die Entsinnlichung, das Nicht-Aktive, das Impassible, Affektlose, das Feierliche; – Gegensatz: die tiefste Gattung Mensch. Der Priester hat eine Art Moral gelehrt: um selbst als höchster Typus empfunden zu werden. Er konzipiert einen Gegensatz-Typus: den Tschandala. Diesen mit allen Mitteln verächtlich zu machen, gibt die Folie ab für die Kasten-Ordnung. – Die extreme Angst des Priesters vor der Sinnlichkeit ist zugleich bedingt durch die Einsicht, daß hier die Kasten-Ordnung (das heißt die Ordnung überhaupt) am schlimmsten bedroht ist .... Jede »freiere Tendenz« in puncto puncti (d.h.: hisnischtlich der Keuschheit; HB) wirft die Ehegesetzgebung über den Haufen.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 103-104 Nietzsche).

„Der Philosoph als Weiter-Entwicklung des priesterlichen Typus: – hat dessen Erbschaft im Leibe; – ist, selbst noch als Rivale, genötigt, um dasselbe mit denselben Mitteln zu ringen wie der Priester seiner Zeit; – er aspiriert zur höchsten Autorität. Was gibt Autorität, wenn man nicht die physische Macht in den Händen hat (keine Heere, keine Waffen überhaupt ...)? Wie gewinnt man namentlich die Autorität über die, welche die physische Gewalt und die Autorität besitzen? (Sie konkurrieren mit der Ehrfurcht vor dem Fürsten, vor dem siegreichen Eroberer, dem weisen Staatsmann.) Nur indem sie den Glauben erwecken, eine höhere stärkere Gewalt in den Händen zu haben – Gott –. Es ist nichts stark genug: man hat die Vermittlung und die Dienste der Priester nötig. Sie stellen sich als unentbehrlich dazwischen: sie haben als Existenzbedingung nötig:
1. daß an die absolute Überlegenheit ihres Gottes, daß an ihren Gott geglaubt wird,
2. daß es keine andern, keine direkten Zugänge zu Gott gibt.
Die zweite Forderung allein schafft den Begriff der »Heterodoxie«; die erste den des »Ungläubigen« (d.h. der an einen andern Gott [oder gar keinen; HB] glaubt –).“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 104-105 Nietzsche).

Kritik der heiligen Lüge. – Daß zu frommen Zwecken die Lüge erlaubt ist, das gehört zur Theorie aller Priesterschaften – wie weit es zu ihrer Praxis gehört, soll der Gegenstand dieser Untersuchung sein.
Aber auch die Philosophen, sobald sie mit priesterlichen Hinterabsichten die Leitung der Menschen in die Hand zu nehmen beabsichtigen, haben sofort auch sich ein Recht zur Lüge zurechtgemacht: Plato voran. Am großartigsten ist die doppelte durch die typischarischen Philosophen des Vedânta entwickelte: zwei Systeme, in allen Hauptpunkten widersprüchlich, aber aus Erziehungszwecken sich ablösend, ausfüllend, ergänzend. Die Lüge des einen soll einen Zustand schaffen, in dem die Wahrheit des andern erst hörbar wird ....
Wie weit geht die fromme Lüge der Priester und der Philosophen? – Man muß hier fragen, welche Voraussetzungen zur Erziehung sie haben, welche Dogmen sie erfinden müssen, um diesen Voraussetzungen genugzutun?
Erstens: sie müssen die Macht, die Autorität, die unbedingte Glaubwürdigkeit auf ihrer Seite haben.
Zweitens: sie müssen den ganzen Naturverlauf in Händen haben, so daß alles, was den einzelnen trifft, als bedingt durch ihr Gesetz erscheint.
Drittens: sie müssen auch einen weiterreichenden Machtbereich haben, dessen Kontrolle sich den Blicken ihrer Unterworfenen entzieht: das Strafmaß für das Jenseits, das »Nach-dem-Tode« – wie billig auch die Mittel, zur Seligkeit den Weg zu wissen.
– Sie haben den Begriff des natürlichen Verlaufs zu entfernen: da sie aber kluge und nachdenkliche Leute sind, so können sie eine Menge Wirkungen versprechen, natürlich als bedingt durch Gebete oder durch strikte Befolgung ihres Gesetzes. – Sie können insgleichen eine Menge Dinge verordnen, die absolut vernünftig sind, – nur daß sie nicht die Erfahrung, die Empirie als Quelle dieser Weisheit nennen dürfen, sondern eine Offenbarung oder die Folge »härtester Bußübungen«.
Die heilige Lüge bezieht sich also prinzipiell: (a) auf den Zweck der Handlung (– der Naturzweck, die Vernunft wird unsichtbar gemacht: ein Moral-Zweck, eine Gesetzeserfüllung, eine Gottesdienstlichkeit erscheint als Zweck –): (b) auf die Folge der Handlung (– die natürliche Folge wird als übernatürliche ausgelegt, und, um sichrer zu wirken, es werden unkontrollierbare andre, übernatürliche Folgen in Aussicht gestellt).
Auf diese Weise wird ein Begriff von Gut und Böse geschaffen, der ganz und gar losgelöst von dem Naturbegriff »nützlich«, »schädlich«, »lebenfördernd«, »lebenvermindernd« erscheint – er kann, insofern ein anderes Leben erdacht ist, sogar direkt feindselig dem Naturbegriff von Gut und Böse werden.
Auf diese Weise wird endlich das berühmte »Gewissen« geschaffen: eine innere Stimme, welche bei jeder Handlung nicht den Wert der Handlung an ihren Folgen mißt, sondern in Hinsicht auf die Absicht und Konformität dieser Absicht mit dem »Gesetz«.
Die heilige Lüge hat also 1. einen strafenden und belohnenden Gott erfunden, der exakt das Gesetzbuch der Priester anerkennt und exakt sie als seine Mundstücke und Bevollmächtigten in die Welt schickt; – 2. ein Jenseits des Lebens, in dem die große Straf-Maschine erst wirksam gedacht wird – zu diesem Zwecke die Unsterblichkeit der Seele; – 3. das Gewissen im Menschen, als das Bewußtsein davon, daß Gut und Böse feststeht – daß Gott selbst hier redet, wenn es die Konformität mit der priesterlichen Vorschrift anrät; – 4. die Moral als Leugnung alles natürlichen Verlaufs, als Reduktion alles Geschehens auf ein moralisch-bedingtes Geschehen, die Moralwirkung (d. h. die Straf- und Lohn-Idee) als die Welt durchdringend, als einzige Gewalt, als creator von allem Wechsel; – 5. die Wahrheit als gegeben, als geoffenbart, als zusammenfallend mit der Lehre der Priester: als Bedingung alles Heils und Glücks in diesem und jenem Leben.
In summa: womit ist die moralische Besserung bezahlt? – Aushängung der Vernunft, Reduktion aller Motive auf Furcht und Hoffnung (Strafe und Lohn); Abhängigkeit von einer priesterlichen Vormundschaft, von einer Formalien-Genauigkeit, welche den Anspruch macht, einen göttlichen Willen auszudrücken; die Einpflanzung eines »Gewissens«, welches ein falsches Wissen an Stelle der Prüfung und des Versuchs setzt: wie als ob es bereits feststünde, was zu tun und was zu lassen wäre – eine Art Kastration des suchenden und vorwärtsstrebenden Geistes; – in summa: die ärgste Verstümmelung des Menschen, die man sich vorstellen kann, angeblich als der »gute Mensch«.
In praxi ist die ganze Vernunft, die ganze Erbschaft von Klugheit, Feinheit, Vorsicht, welche die Voraussetzung des priesterlichen Kanons ist, willkürlich hinterdrein auf eine bloße Mechanik reduziert: die Konformität mit dem Gesetz gilt bereits als Ziel, als oberstes Ziel, das Leben hat keine Probleme mehr; – die ganze Welt-Konzeption ist beschmutzt mit der Strafidee; – das Leben selbst ist, mit Hinsicht darauf, das priesterliche Leben als das non plus ultra der Vollkommenheit darzustellen, in eine Verleumdung und Beschmutzung des Lebens umgedacht; – der Begriff »Gott« stellt eine Abkehr vom Leben, eine Kritik, eine Verachtung selbst des Lebens dar; – die Wahrheit ist umgedacht als die priesterliche Lüge, das Streben nach Wahrheit als Studium der Schrift, als Mittel, Theolog zu werden.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 105-108 Nietzsche).

Zur Kritik des Manu-Gesetzbuches. – Das ganze Buch ruht auf der heiligen Lüge. Ist es das Wohl der Menschheit, welches dieses ganze System inspiriert hat? Diese Art Mensch, welche an die Interessiertheit jeder Handlung glaubt, war sie interessiert oder nicht, dieses System durchzusetzen? Die Menschheit zu verbessern – woher ist diese Absicht inspiriert? Woher ist der Begriff des Bessern genommen? Wir finden eine Art Mensch, die priesterliche, die sich als Norm, als Spitze, als höchsten Ausdruck des Typus Mensch fühlt: von sich aus nimmt sie den Begriff des »Bessern«. Sie glaubt an ihre Überlegenheit, sie will sie auch in der Tat: die Ursache der heiligen Lüge ist der Wille zur Macht .... Aufrichtung der Herrschaft: zu diesem Zwecke die Herrschaft von Begriffen, welche in der Priesterschaft ein non plus ultra von Macht ansetzen. Die Macht durch die Lüge – in Einsicht darüber, daß man sie nicht physisch, militärisch besitzt .... Die Lüge als Supplement der Macht – ein neuer Begriff der »Wahrheit«. Man irrt sich, wenn man hier unbewußte und naive Entwicklung voraussetzt, eine Art Selbstbetrug... Die Fanatiker sind nicht die Erfinder solcher durchdachten Systeme der Unterdrückung .... Hier hat die kaltblütigste Besonnenheit gearbeitet; dieselbe Art Besonnenheit, wie sie ein Plato hatte, als er sich seinen »Staat« ausdachte. – »Man muß die Mittel wollen, wenn man das Ziel will« – über diese Politiker-Einsicht waren alle Gesetzgeber bei sich klar. Wir haben das klassische Muster als spezifisch arisch: wir dürfen also die bestausgestattete und besonnenste Art Mensch verantwortlich machen für die grundsätzlichste Lüge, die je gemacht worden ist .... Man hat das nachgemacht, überall beinahe: der arische Einfluß hat alle Welt verdorben (MehrMehr).“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 108-109 Nietzsche). Mehr

„Im arischen Gesetzbuch reinster Rasse, im Manu, ist ... „Priester-Geist“ schlimmer als irgendwo. – Die Entwicklung des jüdischen Priesterstaates ist nicht original: sie haben das Schema in Babylon kennengelernt: das Schema ist arisch. Wenn dasselbe später wieder, unter dem Übergewicht des germanischen Blutes, in Europa dominierte, so war dies dem Geiste der herrschenden Rasse gemäß: ein großer Atavismus. Das germanische Mittelalter war auf Wiederherstellung der arischen Kasten-Ordnung aus. – Der Mohammedanismus hat wiederum vom Christentum gelernt: die Benutzung des »Jenseits« als Straf-Organ. Das Schema eines unveränderlichen Gemeinwesens, mit Priestern an der Spitze – dieses älteste große Kultur-Produkt Asiens im Gebiete der Organisation – muß natürlich in jeder Beziehung zum Nachdenken und Nachmachen aufgefordert haben. – Noch Plato: aber vor allen die Ägypter. – Die Moralen und Religionen sind die Hauptmittel, mit denen man aus den Menschen gestalten kann, was einem beliebt: vorausgesetzt, daß man einen Überschuß von schaffenden Kräften hat und seinen Willen über lange Zeiträume durchsetzen kann.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 109-110 Nietzsche). Mehr

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Die Beziehung zwischen Mensch und Priesterlogik (-„gesetz“). Der Zweck als die Macht heiligt das Mittel als das „Gesetz“ der Lüge, die als „Wahrheit“ geglaubt werden soll
Begonnen haben also die Arier (Indogermanen) mit der Macht durch das priesterliche „Gesetz“, das „Gesetzbuch Manus“ (MehrMEHR), die schriftliche Lüge! „An der Vergöttlichung des Machtgefühls im Brahmanen“ ist laut Nietzsche „interessant, daß es in der Krieger-Kaste entstanden und erst übergegangen ist auf die Priester.“ (Nietzsche). Sie wollten die Mittel, weil sie den Zweck wollten. (Nietzsche). In der nebenstehenden Abbildung ist zu sehen, wie die Beziehung zwischen Mensch und Priesterlogik (-„gesetz“) funktioniert, wie der Zweck als die Macht das Mittel als das „Gesetz“ der Lüge, die als „Wahrheit“ geglaubt werden soll, heiligt. Man beachte hierfür insbesondere die roten gestrichelten Linien: Mensch < - - - - > Priesterlogik (-„gesetz“), Sozialwesen < - - - - > Berechnung (hier im Sinne von Kalkül, nämlich: Machtkalkül). Sie sollen diese direkte Beziehung bzw. die direkte Bezugnahme, den direkten Einfluß, also die Machtverhältnisse der kürzesten Wege darstellen, wobei allerdings zu beachten ist, welche der jeweils zwei Richtungen dominiert: die der Entwicklung (in der Abbildung: gegen den Uhrzeigersinn) oder die des Erwerbs (in der Abbildung: im Uhrzeigersinn): (1.) Der gegen den Uhrzeigersinn verlaufende weiße Pfeil (<==) zwischen den Bereichen „Biologie“ und „Philosophie“ (also: von dem Bereich „Biologie“ über die Bereiche „Ökonomie“, „Semiotik“, „Lingustik“ zu dem Bereich „Philosophie“) bedeutet den Entwicklungsweg eines Lebewesens in Richtung Macht durch so etwas wie Philosophengeist; (2.) der gegen den Uhrzeigersinn verlaufende weiße Pfeil (<==) zwischen den Bereichen „Philosophie“ und „Biologie“ (also: von dem Bereich „Philosophie“ über die Bereiche „Mathematik“, „Physik“, „Chemie“ zu dem Bereich „Biologie“) bedeutet den Entwicklungsweg, an dem der über den Philosophengeistes an die Macht Wollende (Prediger, Philosoph u.s.w.) seinen Text hauptsächlich orientiert; (3.) der im Uhrzeigersinn verlaufende weiße Pfeil (==>) zwischen den Bereichen „Biologie“ und „Philosophie“ (also: von dem Bereich „Biologie“ über die Bereiche „Chemie“, „Physik“, „Mathematik“ zu dem Bereich „Philosophie“) bedeutet den Weg des Erwerbs des Inhalts der Lüge über den wahren Entwicklungsweg (siehe: 2.), die als „Wahrheit“ erworben, d.h. für-wahr-gehalten („Für-wahr-Halten“„Für-wahr-Halten“), d.h. geglaubt werdern soll (in der Abbildung ist diese Lüge über die wahre Entwicklung quasi als exakte Umkehrung dargestellt); (4.) der im Uhrzeigersinn verlaufende weiße Pfeil (==>) zwischen den Bereichen „Philosophie“ und „Biologie“ (also: von dem Bereich „Philosophie“ über die Bereiche „Linguistik“, „Semiotik“, „Ökonomie“ zu dem Bereich „Biologie“) bedeutet den Weg des Erwerbs der Lüge, durch die Religion entstehen und aufrechterhalten werden soll, denn durch die Lüge werden die Metasprache (im Sinne von Philosophie, Wissenschaft, Theorie u.s.w.), die Sprache, das Verhalten, die sozio-ökonomischen und die biologischen Verhältnisse (z.B. die Gesundheit bzw. Krankheit) der Erwerbenden, Fürwahrhaltenden, d.h. Glaubenden beeinflußt. – Bezüglich dieser Beispiele betreffen also die Entwicklungswege 1 und 2 die Entwicklung der Macht-durch-Geist-Menschen (1.) und dem, an dem sie ihre „Gesetze“ orientieren (2.), und die Erwerbswege 3 und 4 den Erwerb des Glaubens (3.) und der Religion (4.). Weitere, auch bildlich dargestelle Beispiele

„Nehmen wir ...den Fall der Züchtung einer bestimmten Rasse und Art. Das großartigste Beispiel dafür gibt die indische Moral, als »Gesetz des Manu« zur Religion sanktioniert. Hier ist die Aufgabe gestellt, nicht weniger als vier Rassen auf einmal zu züchten: eine priesterliche, eine kriegerische, eine händler- und ackerbauerische, endlich eine Dienstboten-Rasse, die Sudras. Ersichtlich sind wir hier nicht mehr unter Tierbändigern: eine hundertmal mildere und vernünftigere Art Mensch ist die Voraussetzung, um auch nur den Plan einer solchen Züchtung zu konzipieren. Man atmet auf, aus der christlichen Kranken- und Kerkerluft in diese gesündere, höhere, weitere Welt einzutreten. Wie armselig ist das »Neue Testament« gegen Manu, wie schlecht riecht es! – Aber auch diese Organisation hatte nötig, furchtbar zu sein – nicht diesmal im Kampf mit der Bestie, sondern mit ihrem Gegensatz-Begriff, dem Nicht-Zucht-Menschen, dem Mischmasch-Menschen, dem Tschandala. Und wieder hatte sie kein andres Mittel, ihn ungefährlich, ihn schwach zu machen, als ihn krank zu machen – es war der Kampf mit der »großen Zahl«. Vielleicht gibt es nichts unserm Gefühle Widersprechenderes als diese Schutzmaßregeln der indischen Moral. Das dritte Edikt zum Beispiel (Avadana-Sastra I), das »von den unreinen Gemüsen«, ordnet an, daß die einzige Nahrung, die den Tschandala erlaubt ist, Knoblauch und Zwiebeln sein sollen, in Anbetracht, daß die heilige Schrift verbietet, ihnen Korn oder Früchte, die Körner tragen, oder Wasser oder Feuer zu geben. Dasselbe Edikt setzt fest, daß das Wasser, welches sie nötig haben, weder aus den Flüssen, noch aus den Quellen, noch aus den Teichen genommen werden dürfe, sondern nur aus den Zugängen zu Sümpfen und aus Löchern, welche durch die Fußtapfen der Tiere entstanden sind. Insgleichen wird ihnen verboten, ihre Wäsche zu waschen und sich selbst zu waschen, da das Wasser, das ihnen aus Gnade zugestanden wird, nur benutzt werden darf, den Durst zu löschen. Endlich ein Verbot an die Sudra-Frauen, den Tschandala-Frauen bei der Geburt beizustehn, insgleichen noch eins für die letzteren, einander dabei beizustehn. .... – Der Erfolg einer solchen Sanitäts-Polizei blieb nicht aus: mörderische Seuchen, scheußliche Geschlechtskrankheiten und daraufhin wieder »das Gesetz des Messers«, die Beschneidung für die männlichen, die Abtragung der kleinen Schamlippen für die weiblichen Kinder anordnend. – Manu selbst sagt: »die Tschandala sind die Frucht von Ehebruch, Inzest und Verbrechen (– dies die notwendige Konsequenz des Begriffs Züchtung). Sie sollen zu Kleidern nur die Lumpen von Leichnamen haben, zum Geschirr zerbrochne Töpfe, zum Schmuck altes Eisen, zum Gottesdienst nur die bösen Geister; sie sollen ohne Ruhe von einem Ort zum andern schweifen. Es ist ihnen verboten, von links nach rechts zu schreiben und sich der rechten Hand zum Schreiben zu bedienen: der Gebrauch der rechten Hand und des Von-links-nach-rechts ist bloß den Tugendhaften vorbehalten, den Leuten von Rasse.«“ (Friedrich W. Nietzsche, Götzen-Dämmerung, 1889, in: Werke III, S. 426-427 bzw. 980-981 Nietzsche).

„Diese Verfügungen sind lehrreich genug: in ihnen haben wir einmal die arische Humanität, ganz rein, ganz ursprünglich – wir lernen, daß der Begriff »reines Blut« der Gegensatz eines harmlosen Begriffs ist. Andrerseits wird klar, in welchem Volk sich der Haß, der Tschandala-Haß gegen diese »Humanität« verewigt hat, wo er Religion, wo er Genie geworden ist .... Unter diesem Gesichtspunkte sind die Evangelien eine Urkunde ersten Ranges; noch mehr das Buch Henoch. – Das Christentum, aus jüdischer Wurzel und nur verständlich als Gewächs dieses Bodens, stellt die Gegenbewegung gegen jede Moral der Züchtung, der Rasse, des Privilegiums dar – es ist die antiarische Religion par excellence: das Christentum die Umwertung aller arischen Werte, der Sieg der Tschandala-Werte, das Evangelium den Armen, den Niedrigen gepredigt, der Gesamt-Aufstand alles Niedergetretenen, Elenden, Mißratenen, Schlechtweggekommenen gegen die »Rasse« – die unsterbliche Tschandala-Rache als Religion der Liebe.“ (Friedrich W. Nietzsche, Götzen-Dämmerung, 1889, in: Werke III, S. 427-428 bzw. 981-982 Nietzsche).

„Die Moral der Züchtung und die Moral der Zähmung sind in den Mitteln, sich durchzusetzen, vollkommen einander würdig: wir dürfen als obersten Satz hinstellen, daß, um Moral zu machen, man den unbedingten Willen zum Gegenteil haben muß. Dies ist das große, das unheimliche Problem, dem ich am längsten nachgegangen bin: die Psychologie der »Verbesserer« der Menschheit. Eine kleine und im Grunde bescheidne Tatsache, die der sogenannten pia fraus, gab mir den ersten Zugang zu diesem Problem: die pia fraus, das Erbgut aller Philosophen und Priester, die die Menschheit »verbesserten«. Weder Manu, noch Plato, noch Konfuzius, noch die jüdischen und christlichen Lehrer haben je an ihrem Recht zur Lüge gezweifelt. Sie haben an ganz andren Rechten nicht gezweifelt .... In Formel ausgedrückt dürfte man sagen: alle Mittel, wodurch bisher die Menschheit moralisch gemacht werden sollte, waren von Grund aus unmoralisch.“ (Friedrich W. Nietzsche, Götzen-Dämmerung, 1889, in: Werke III, S. 428 bzw. 982 Nietzsche).

„Die »heilige Lüge«- dem Konfuzius, dem Gesetzbuch des Manu, dem Mohammed, der christlichen Kirche gemeinsam –: sie fehlt nicht bei Plato. »Die Wahrheit ist da«: dies bedeutet, wo nur es laut wird, der Priester lügt.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Antichrist, 1889, in: Werke III, S. 669-670 bzw. 1223-1224 Nietzsche).

„Ich lese mit einem entgegengesetzten Gefühle das Gesetzbuch des Manu, ein unvergleichlich geistiges und überlegenes Werk, das mit der Bibel auch nur in einem Atem nennen eine Sünde wider den Geist wäre. Man errät sofort: es hat eine wirkliche Philosophie hinter sich, in sich, nicht bloß ein übelriechendes Judain von Rabbinismus und Aberglauben.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Antichrist, 1889, in: Werke III, S. 670 bzw. 1224 Nietzsche).

„Ein solches Gesetzbuch, wie das des Manu, entsteht wie jedes gute Gesetzbuch: es resümiert die Erfahrung, Klugheit und Experimental-Moral von langen Jahrhunderten, es schließt ab, es schafft nichts mehr. Die Voraussetzung zu einer Kodifikation seiner Art ist die Einsicht, daß die Mittel einer langsam und kostspielig erworbenen Wahrheit Autorität zu schaffen, grundverschieden von denen sind, mit denen man sie beweisen würde. Ein Gesetzbuch erzählt niemals den Nutzen, die Gründe, die Kasuistik in der Vorgeschichte eines Gesetzes: eben damit würde es den imperativischen Ton einbüßen, das »du sollst«, die Voraussetzung dafür, daß gehorcht wird. Das Problem liegt genau hierin. – An einem gewissen Punkte der Entwicklung eines Volks erklärt die einsichtigste, das heißt rück- und hinausblickendste Schicht desselben, die Erfahrung, nach der gelebt werden soll – das heißt kann –, für abgeschlossen. Ihr Ziel geht dahin, die Ernte möglichst reich und vollständig von den Zeiten des Experiments und der schlimmen Erfahrung heimzubringen. Was folglich vor allem jetzt zu verhüten ist, das ist das Noch-Fort-Experimentieren, die Fortdauer des flüssigen Zustands der Werte, das Prüfen, Wählen, Kritik-Üben der Werte in infinitum. .... Ein Gesetzbuch nach Art des Manu aufstellen, heißt einem Volke fürderhin zugestehn, Meister zu werden, vollkommen zu werden – die höchste Kunst des Lebens zu ambitionieren. Dazu muß es unbewußt gemacht werden: dies der Zweck jeder heiligen Lüge. – Die Ordnung der Kasten, das oberste, das dominierende Gesetz, ist nur die Sanktion einer Natur-Ordnung, Natur-Gesetzlichkeit ersten Ranges, über die keine Willkür, keine »moderne Idee« Gewalt hat. Es treten in jeder gesunden Gesellschaft, sich gegenseitig bedingend, drei physiologisch verschieden-gravitierende Typen auseinander, von denen jeder seine eigne Hygiene, sein eignes Reich von Arbeit, seine eigne Art Vollkommenheits-Gefühl und Meisterschaft hat. Die Natur, nicht Manu, trennt die vorwiegend Geistigen, die vorwiegend Muskel- und Temperaments-Starken und die weder im einen, noch im andern ausgezeichneten dritten, die Mittelmäßigen, voneinander ab – die letzteren als die große Zahl, die ersteren als die Auswahl. Die oberste Kaste – ich nenne sie die Wenigsten – hat als die vollkommne auch die Vorrechte .... Die Ordnung der Kasten, die Rangordnung, formuliert nur das oberste Gesetz des Lebens selbst; die Abscheidung der drei Typen ist nötig zur Erhaltung der Gesellschaft, zur Ermöglichung höherer und höchster Typen – die Ungleichheit der Rechte ist erst die Bedingung dafür, daß es überhaupt Rechte gibt. – Ein Recht ist ein Vorrecht. In seiner Art Sein hat jeder auch sein Vorrecht. Unterschätzen wir die Vorrechte der Mittelmäßigen nicht. Das Leben nach der Höhe zu wird immer härter – die Kälte nimmt zu, die Verantwortlichkeit nimmt zu. Eine hohe Kultur ist eine Pyramide: sie kann nur auf einem breiten Boden stehn, sie hat zu allererst eine stark und gesund konsolidierte Mittelmäßigkeit zur Voraussetzung. Das Handwerk, der Handel, Ackerbau, die Wissenschaft, der größte Teil der Kunst, der ganze Inbegriff der Berufstätigkeit mit einem Wort, verträgt sich durchaus nur mit einem Mittelmaß im Können und Begehren; dergleichen wäre deplaziert unter Ausnahmen, der dazugehörige Instinkt widerspräche sowohl dem Aristokratismus als dem Anarchismus. Daß man ein öffentlicher Nutzen ist, ein Rad, eine Funktion, dazu gibt es eine Naturbestimmung: nicht die Gesellschaft, die Art Glück, deren die allermeisten bloß fähig sind, macht aus ihnen intelligente Maschinen. Für den Mittelmäßigen ist mittelmäßig sein ein Glück; die Meisterschaft in einem, die Spezialität ein natürlicher Instinkt. Es würde eines tieferen Geistes vollkommen unwürdig sein, in der Mittelmäßigkeit an sich schon einen Einwand zu sehn. Sie ist selbst die erste Notwendigkeit dafür, daß es Ausnahmen geben darf: eine hohe Kultur ist durch sie bedingt. Wenn der Ausnahme-Mensch gerade die Mittelmäßigen mit zarteren Fingern handhabt, als sich und seinesgleichen, so ist dies nicht bloß Höflichkeit des Herzens – es ist einfach seine Pflicht. .... Wen hasse ich unter dem Gesindel von Heute am besten? Das Sozialisten-Gesindel, die Tschandala-Apostel, die den Instinkt, die Lust, das Genügsamkeits-Gefühl des Arbeiters mit seinem kleinen Sein untergraben – die ihn neidisch machen, die ihn Rache lehren .... Das Unrecht liegt niemals in ungleichen Rechten, es liegt im Anspruch auf »gleiche« Rechte. Was ist schlecht? Aber ich sagte es schon: alles, was aus Schwäche, aus Neid, aus Rache stammt. – Der Anarchist und der Christ sind einer Herkunft.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Antichrist, 1889, in: Werke III, S. 671-674 bzw. 1225-1228 Nietzsche).

Ist Nietzsche nicht selbst auch jener Priester im Sinne des von mir oben beschriebenen Lebewesens, das die Macht durch so etwas wie Philosophengeist anstrebt? (OBEN). Oder ist er eher jener Philosoph, der - neutral, objektiv wie ein Wissenschaftler - nur beschreibt, was er entdeckt und beobachtet hat? Er ist wohl beides. Jedenfalls aber hat er einen großen Beitrag zur Aufklärung über die Möglichkeiten, Macht durch Lüge zu bekommen, geleistet!

Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
B = „Biologie“; P = „Philosophie“;
Ö = „Ökonomiie“; M = „Mathematik“;
S = „Semiotik“; L = „Linguistik“.

Da besonders seit der abendländischen Neuzeit bzw. Moderne (Neuzeit und Moderne) die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse deutlich zugenommen haben, haben die Lügen bzw. Umkehrungen der Tatsachen aus den naturwissenschaftlichen Bereichen deutlich abgenommen. Hier besteht also eine Korrelation, die man auch Zunahme des exakten Wissens bei gleichzeitiger Abnahme des traditionellen Glaubens nennen kann. Klar, daß die „Priester“ umdenken mußten und müssen, um „überzeugen“ zu können. Da der „B/P-Direktbezug“ (vgl. Abbildung), der beispielhaft auch in der obigen Abbildung (Abbildung) dargestellt ist, immer mehr an Glaubwürdigkeit verloren hat und angefeindet worden ist, müssen die Mächtigen ebenfalls „Neues“ entwickeln oder die Macht verlieren. Dazu gibt es viele Möglichkeiten. Sie können z.B. ihren „heiligen“ Direktbezug zwischen der Priesterschaft - dem Bereich „Philosophie“ (P) - und den heilgen Ahnen - dem Bereich „Biologie“ (B) - lockern, wodurch sie allerdings auch ihren Mangel an diesbezüglicher Weisheit, diesbezüglichem Wissen, also ihre „Wahrheit“ teilweise als Lüge erkennen lassen müssen, jedoch im Gegenzug ihre Macht-durch-Lüge dadurch retten, daß sie den Direktbezug auf zwei andere Bereiche verlegen, z.B. auf die Bereiche „Mathematik“ (M) und „Ökonomie“ (Ö), indem sie auf den Ö(B)/M(P)-Direktbezug (vgl. Abbildung) setzen. Für die Mächtigen liegt der Vorteil des Ö(B)/M(P)-Drektbezugs darin, daß sie den neuen Direktbezug (Ö/M) auch wieder zurückverlegen können in den klassischen, alten Direktbezug (B/P), und das bedeutet: Mehr Lügen! Die Priester müssen noch intelligenter werden, um noch besser lügen zu können. Eine der wichtigsten Folgen: sie wirken zwar nicht mehr ganz so „glaubhaft“ wie vorher, dafür aber viel „überzeugender“ als vorher - sie haben eben dazugelernt und ihre „Argumente“ ihrer „Wahrheit“, also ihrer Lüge angepaßt. Ging es vorher darum, wie die „Priester“ mit ihren „Gesetzen“ es schaffen (vgl. die oben beschriebenen „Wege“ 1 und 2 und die Abbildung dazu), den die Lüge-erwerben-Sollenden ihre Ahnen, Heiligen oder Götter glaubhaft und sie darin religiös zu machen (vgl. die oben beschriebenen „Wege“ 3 und 4 und die Abbildung dazu), so geht es jetzt darum, wie die „Experten“ und „Priester“ es schaffen, den die Lüge-erwerben-Sollenden den neuen Direktbezug (Ö/M) glaubhaft und sie darin religiös zu machen, ohne den alten Direktbezug (B/P) unglaubwürdig erscheinen zu lassen, weil der ja immer noch, wenn auch nur noch teilweise, benötigt wird. Durch diesen neuen Direktbezug ist jeder der oben beschrieben vier „Wege“ (4 „Wege“) kürzer geworden. Noch daramtischer ist es z.B. beim „S(Ö,B)/L(P,M)/P-Direktbezug“ (vgl. Abbildung), der für den „Weg“ 1 zwischen den Bereichen „Semiotik“ (S) und „Linguistik“ (L) als Enttwicklungsweg und für den „Weg“ 4 zwischen den Bereichen „Linguistik“ (L) und „Semiotik“ (S) als Erwerbsweg keinen Platz läßt und dessen neuester Direktbezug (S/L) nicht mehr in einem „Gegenüber“ (vgl. Abbildung), sondern in einer „Nachbarschaft“ (vgl. Abbildung) besteht, wodurch die Mächtigen viel mehr als zuvor, ja fast permanent in der Lage sein müssen, die älteren Dierktbezüge (B/P und Ö/M) zu bevorzugen. Überall Diktatur (bekanntes ähnliches Beispiel: der „Orwell-Staat“). Hier zeigt sich das, was ebenfalls verleugnet und verborgen wird: der Wille zur Welt-Diktatur, und in Richtung Welt-Diktatur tendiert das heutige westliche System! Man gibt (als „Wahrheit“, also: Lüge!) vor, daß z.B. „Privatisierung“ „mehr Freiheit“ und „mehr Wohlstand“ bedeute, und in Wirklichkeit überläßt man das „privatisierte“ Volk dem „privatisierten“ Schicksal, läßt eventuelle Gefahren für einen Machtwechsel, die vom nur noch „privaten“ Volk ausgehen können, von „Privat“-Armeen, „Privat“-Sicherheitsdiensten und „Privat“-Polizisten bekämpfen, diktiert diesem Volk eine strengstens überwachte Zensur (die heutige „Politkorrektheit“ ist nur der Anfang davon) und wechselt fast permanent auf die älteren Direktbezüge (B/P und Ö/M), weil es ohne sie nicht geht, obwohl man die doch selbst noch unglaubwürdiger als jemals zuvor gemacht hat. Es dient nicht der Freiheit, sondern der Unfreiheit und Diktatur, wenn alle semiotischen und linguistischen Systeme der Macht-durch-Lüge unterstehen, auch dann, wenn die körperliche Gesundheit und der materielle Wohlstand der unter der Diktatur leidenden Menschen noch wächst. Dies dürfte nicht schwer einzusehen sein - doch Vorsicht: die meisten Menschen bemerken den Trick der Machthaber gar nicht.

Welterzeugungen Welterzeugungen Nietzsche

Schon die ersten Religionen erzeugten Welten, denn das, was sie geistig entwickelten, waren Kosmogonien (Welterzeugungen), bei denen auch die Herkunft der Menschen eine Rolle spielt. (Vgl. Altpaläolithikum). Diese Schöpfungsmythen sind natürlich noch vorrationale, vorwissenschaftliche mythisch-religiöse Lehren von Weltenstehung und Weltentwicklung. Man kann mindestens drei Hauptarten der Kosmogonien unterscheiden: sie ist Schöpfungsgeschichte, wenn sie die Welt in ihrer Gesamtheit als das Produkt eines göttlichen Willens betrachtet; Bildungsgeschichte, wenn die Gottheit einen als vorhanden gedachten, nicht erschaffenden Stoff zur Welt bildet; Entwicklungsgeschichte, wenn ein als ewig angenommener Stoff als sich aus einen Kräften zur Welt in ihrer Mannigfaltigkeit bildend gedacht wird. Kosmogonie ist also die Bezeichnung für die Entstehung der Welt nach mythischer Auffassung sowie für den Mythos, der von ihr berichtet. Diese Berichte geben die religiös intendierte Versicherung einer Ordnung, durch die die Mächte des Chaos gebannt sind. Meist liegt den Kosmogonien die Vorstellung von einem vorzeitlichen Urstoff oder Urwesen zugrunde, aus dem oder durch deren Umbildung die Welt entstanden sei. Von dieser Annahme ist die Anschauung von der „Schöpfung aus dem Nichts“ zu unterscheiden, nach der die Kosmogonie zunächst als Gedanke einer Gottheit konzipiert und dann durch deren Wort verwirklicht wird.

Die Provinz des Göttlichen
Thanatotop (Theotop)

Das Thanatotop ist ein Ort der Heimsuchung durch abgelebtes Leben. Wo Menschen beisammen sind, sind auch die Zeichen der Abwesenden und der Transzendenz beharrlich und subtil zugegen.

„Das Böse und Furchtbare, das von außen kommt, ist für das Verständnis der Menschensphären so bedeutsam, weil es auf doppelte Weise in die Konstitution der kulturellen Kapseln einbezogen ist: Zum einen haben Menschen zu den ontologischen Insulanern (), die sie sind, erst werden können, weil es ihnen in einer langen evolutionären Drift gelungen war, sich von der schädlichen Umwelt freizumachen und sich auf die anthropogene Insel - die klingende Verwöhnungskapsel - zurückzuziehen; zum anderen führt dieser Rückzug nie bis zur völligen Unbelangbarkeit; die kulturelle Einkapselung gewährt den Sapienten nie mehr als eine partielle Freiheit von Nöten und Verletzungen. Die Überwältigung durch das Außen bleibt als Möglichkeit ständig gegenwärtig - erst recht durch die Gewalt, die aus dem Gruppeninneren kommt. Das heißt: das Prinzip Distanz wird durch das Prinzip Invasion unterwandert, das Ringen zwischen beiden Tendenzen bestimmt die Geschichte der Organismen wie der Kulturen. Man kann zeigen, wie der Humanraum durch die Anstrengung geformt wird, den Vorgang der Distanzierung vor der Invasion zu behaupten oder diese auch nach Niederlagen wiederherzustellen. Der typische Invasionsstreß verkörpert sich in drei Kategorien von Eindringlingen; zum einen in den Ahnen und Wiedergängern, mit deren Eindringen in die Gruppenpsyche regelmäßig zu rechnen ist; zum anderen in den natürlichen Aggressionen und Katastrophen, die aus der Umwelt in die Physis der Gruppe einfallen; und schließlich in den Neuwahrheiten, die aus den Erfindungen und Entdeckungen der Neuerer hervorgehen. Weil der menschliche Raum trotz seiner Abrundung in sich selbst unvermeidlich auch Invasionsraum bleibt, nimmt er die Züge eines kulturellen Immunsystems an. ... Durch Immunsysteme bauen lernende Körper ihre regelmäßig wiederkehrenden Stressoren in sich selbst ein. Genau dies entspricht der Funktion des Theotops (das aus dem Thanatotop emergiert): Die primitiven Götter sind die nach innen gezogenen Kategorien von Invasoren und Verletzern, mit denen eine gegebene Kulturgruppe chronisch rechnet.“ (Peter Sloterdijk, Sphären III - Schäume, 2004; S. 447-449).

NACH OBEN Gott gilt als der oberste, in der Mythologie und den Religionen meist als Person gefaßte Gegenstand des Glaubens, geglaubt als ein Wesen mit „übernatürlichen“ d.h. außergewöhnlichen Eigenschaften und Kräften; im höchsten Sinne ein Wesen mit allen Eigenschaften der Vollkommenheit, der Inbegriff der Vollkommenheit als seiend geglaubt und verehrt.

Im Lichte der Gottesvorstellung erschienen von Anfang an auch mächtige Naturkräfte und Naturdinge; der lichte Tageshimmel, die Sonne, der Mond u.s.w., zuerst noch naiv als die Erscheinung selbst verehrt, später in den von ihnen beherrschten Erscheinungen als hinter oder in den Naturereignissen wirkend gedachte unsichtbare, unfaßbare Kräfte (vgl. Animismus), als „geistige“ Wesenheiten gefürchtet oder verehrt. Damit wurden sie zugleich zu ldeal- und Wunschwesen: sie sind, was und wie der Mensch nicht ist, aber sein möchte. Sie bringen Klarheit und Festigkeit in das verworrene und labile Dasein. Wer ihnen gehorcht, ihre Gebote befolgt, sich ihnen mit Opfern angenehm macht, den begaben und begnaden sie; zuerst nur mit materiellen, später auch mit geistigen Gütern, und lassen ihn an ihrer Einsicht, ihrer Macht, endlich auch an ihrer Unsterblichkeit im „Jenseits“ teilnehmen. Sie verleihen dem Leben einen höheren Sinn und gelten als die Vertreter eines allg. Prinzips, durch das die Welt samt ihren Übeln und Leiden verständlich wird, durch das auch die Rätsel der eigenen Seele - z.B. der „Kampf zwischen Tier und Engel“ (A. Gide) - eine Erklärung finden; auch Erlösung.
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„Der Mensch hat alle seine starken und erstaunlichen Momente nicht gewagt, sich zuzurechnen, – er hat sie als »passiv«, als »erlitten«, als Überwältigungen konzipiert: die Religion ist eine Ausgeburt eines Zweifels an der Einheit der Person, eine altération der Persönlichkeit: insofern alles Große und Starke vom Menschen als übermenschlich, als fremd konzipiert wurde, verkleinerte sich der Mensch, – er legte die zwei Seiten, eine sehr erbärmliche und schwache und eine sehr starke und erstaunliche in zwei Sphären auseinander, hieß die erste »Mensch«, die zweite »Gott«. Er hat das immer fortgesetzt. Er hat, in der Periode der moralischen Idiosynkrasie seine hohen und sublimen Moral-Zustände nicht als »gewollt«, als »Werk« der Person ausgelegt. Auch der Christ legt seine Person in eine mesquine und schwache Fiktion, die er Mensch nennt, und eine andere, die er Gott (Erlöser, Heiland) nennt, auseinander.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 101-102 Nietzsche).

„Die Religion hat den Begriff »Mensch« erniedrigt; ihre extreme Konsequenz ist, daß alles Gute, Große, Wahre übermenschlich ist und nur durch eine Gnade geschenkt.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 102 Nietzsche).

„Ein Weg, den Menschen aus seiner Erniedrigung zu ziehen, welche der Abgang der hohen und starken Zustände, wie als fremder Zustände, mit sich brachte, war die Verwandtschafts-Theorie. Diese hohen und starken Zustände konnten wenigstens als Einwirkungen unserer Vorfahren ausgelegt werden, wir gehörten zueinander, solidarisch, wir wachsen in unseren eigenen Augen, indem wir nach uns bekannter Norm handeln. Versuch, vornehmer Familien, die Religion mit ihrem Selbstgefühl auszugleichen. – Dasselbe tun die Dichter und Seher, sie fühlen sich stolz, gewürdigt und auserwählt zu sein zu solchem Verkehre,—sie legen Wert darauf, als Individuen gar nicht in Betracht zu kommen, bloße Mundstücke zu sein (Homer). Schrittweises Besitz-ergreifen von seinen hohen und stolzen Zuständen, Besitz-ergreifen von seinen Handlungen und Werken. Ehedem glaubte man sich zu ehren, wenn man für die höchsten Dinge, die man tat, sich nicht verantwortlich wußte, sondern – Gott – die Unfreiheit des Willens galt als das, was einer Handlung einen höheren Wert verlieh: damals war ein Gott zu ihrem Urheber gemacht.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 102 Nietzsche).

Nietzsche zufolge gibt es „ja-sagende“ und „nein-sagende“ Religionen: „Wie eine ja-sagende arische Religion, die Ausgeburt der herrschenden Klasse, aussieht: das Gesetzbuch Manus. (Die Vergöttlichung des Machtgefühls im Brahmanen: interessant, daß es in der Krieger-Kaste entstanden und erst übergegangen ist auf die Priester.) Wie eine ja-sagende semitische Religion, die Ausgeburt der herrschenden Klasse, aussieht: das Gesetzbuch Mohammeds, das alte Testament in den älteren Teilen. (Der Mohammedanismus, als eine Religion für Männer, hat eine tiefe Verachtung für die Sentimentalität und Verlogenheit des Christentums ..., einer Weibs-Religion, als welche er sie fühlt –.) Wie eine nein-sagende semitische Religion, die Ausgeburt der unterdrückten Klasse, aussieht: das neue Testament (– nach indisch-arischen Begriffen: eine Tschandala-Religion). Wie eine nein-sagende arische Religion, gewachsen unter den herrschenden Ständen: der Buddhismus. – Es ist vollkommen in Ordnung, daß wir keine Religion unterdrückter arischer Rassen haben: denn das ist ein Widerspruch: eine Herrenrasse ist obenauf oder geht zugrunde.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 110-111 Nietzsche). Aus Gründen der Übersicht hier nun folgend das an vier von Nietzsche gegebenen Beispielen orientierte Schema:
„JA-SAGENDE“ RELIGION „NEIN-SAGENDE“ RELIGION
ARISCH (INDOGERMANISCH)Brahmanismus (Manu)Buddhismus
SEMITISCHMohammedanismus (Islam)Christentum

„Manu“ ist in der indogermanischen Mythologie der erste Mensch, Held und heilige König der Erde, siehe „Mannus“ (Gott; sagenhafter Stammvater der Germanen [Tacitus zufolge]). „Manu“ ist verwandt mit dem gemeingermanischen (urgermanischen) Wort manna / mannuz / mannaz mit der Bedeutung „Mann“ / „Mensch“. Im Hinduismus ist Manu (vgl. sanskrit manu = Mann, Mensch, Menschheit) der Urvater der Menschheit, jedoch auch die Menschheit an sich (vgl. Manusmriti = „Gesetzbuch des Manu“, „Manugesetzbuch“).

NACH OBEN Vom Theismus bis zum Atheismus

Theismus ist der Glaube an einen Gott, der perönlich, außer- und innerweltlich, selbstbewußt und selbsttätig, als Schöpfer, Erhalter und Lenker der Welt gedacht wird. Gegensätze dazu sind: Deismus und Atheismus.

Theismus| DeismusAtheismus
|Kosmotheismus||Polytheismus||Monotheismus||Henotheismus|

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    Gott exisitiert zwar als
Urgrund der Welt,
aber greift nicht ins
Weltgeschehen ein
(auch nicht durch
ein Wunder)
Gott
existiert
nicht
    |Pantheismus|
(1) theomonistisch,
(2) physiomonistisch,
(3) panentheistisch,
(4) immanent-transzendent.

Wissenschaftliche Erkenntnis und philosophisches Denken führen zum Atheismus oder zum Deismus oder, um den Theismus noch ein wenig zu retten, zum Pantheismus. Der Atheismus leugnet, daß Gott existiert, der Deismus leugnet, daß Gott die Welt lenkt, der Pantheismus leugnet, daß Gott und Welt verschieden sind, denn er behauptet, daß beide im wesentlichen identisch bzw. relativ identisch sind, ganz genau behauptet er: daß (1) nur Gott oder (2) nur Welt (aber mit dem Namen „Gott“!) existiert oder (3) Gott transzendent (die Welt sich in ihm verwirklichend) oder (4) Gott immanent-transzendent (in der Welt sich verwirklichend) ist.

Für den Gläubigen steht Gott am Anfang, für den Wissenschaftler am Ende aller seiner Überlegungen. Nach dem Physiker Steven Hawkins erkennt man Gottes Willen dadurch, daß man die Gesetze der Natur erkennt. Für ihn und viele andere Wissenschaftler ist der Gotteswille identisch mit Naturgesetz. Und: „Pantheismus ist die heimliche Religion der Deutschen“ (Friedrich E. D. Schleiermacher, 1768-1834 Schleiermacher). Der Pantheismus macht die Natur (die Welt, das All) zu Gott oder Gott zur Natur (zur Welt, zum All), und ist - so gesehen - religiöser Naturalismus oder naturalistische Religion. Und: „Pantheismus ist die vornehme Form des Atheismus.“ (Arthur Schopenhauer, 1788-1860 Schopenhauer).

Der Pantheismus tritt in 4 Hauptströmungen auf als:
[1]Theomonistischer Pantheismus. Allein Gott besteht. (Vgl. Weltlosigkeit, Akosmismus). Die Eigen-Existenz der Welt wird aufgehoben.
[2]Physiomonistischer Pantheismus. Allein die Welt besteht, die nur Gott genannt wird. Die Eigen-Existenz Gottes wird aufgehoben.
[3]Transzendenter Pantheismus, den man auch Panentheismus nennt, weil er Theismus und Pantheismus in sich vereinen soll. Das Weltall ruht in Gott, die Welt ist eine Erscheinungsweise Gottes. Es ist weniger eine All-Gott-Lehre (Pantheismus) als viel mehr eine All-in-Gott-Lehre (Panentheismus), denn behauptet wird nur das Enthaltensein des Weltganzen in Gott. (Synonym: Mystischer Pantheismus). Die Eigen-Existenz der Welt wird nicht aufgehoben, aber relativiert.
[4]Immanent-transzendenter Pantheismus. Gott verwirklicht sich in den Dingen der Welt. Die Eigen-Existenz Gottes wird nicht aufgehoben, aber relativiert.

 


Bedenklich macht, daß auch heute noch die Vorstellung, böse Geister seien imstande, in jeden Körper zu fahren, so weit verbreitet ist, „daß man berechtigt ist, in ihr einen Elementargedanken zu sehen. Nach der Auffassung der Gläubigen dient eine solche Invasion dem Zweck, Menschen in Automaten der Dämonen umzuwandeln. Da die Eindringlinge vor Toten nicht halt machen, haben die Chinesen des Altertums zuweilen Mund und Anus von Verstorbenen mit Pfropfen aus Wachs oder Jade versiegelt. Bei manchen altgermanischen Stämmen fesselte man die Beine der Toten an den Rücken und begrub sie mit dem Gesicht zur Erde, um ihnen die Rückkehr zu erschweren.“ (Peter Sloterdijk, Sphären III - Schäume, 2004, S. 457).

„Ohne Glauben könnten wir gar nicht leben. In der modernen Wissens- und Informationsgesellschaft lebt jeder, was das Wissen betrifft, aus zweiter oder dritter Hand. Bei den meisten Dingen, die unseren unmittelbaren Lebens- und Kompetenzbereich überschreiten, bleibt uns nichts anderes übrig, als an das Wissen der anderen – zu glauben. In den meisten Angelegenheiten sind alle dazu verurteilt, gläubige Mitwisser zu sein. Da jeder nur Spezialist für Bestimmtes ist und Laie in Bezug auf den riesigen Rest, wächst mit der spezialisierten Wissensgesellschaft auch die Glaubensgemeinschaft. Je mehr Wissen, desto mehr Glauben an das Wissen der anderen. Diese Art des Glaubens hat also auf jeden Fall eine große Zukunft.“  (Rüdiger Safranski, in: Cicero, 05 / 2004). MehrMehrKreislaufURDENKEND„Für-wahr-Halten“Glaube

„Es gibt in der Wissensgesellschaft Felder, wo in diesem Sinne besonders intensiv geglaubt wird. Wenn die Wirtschaftsweisen im Fernsehen wie Schamanen aus den Kulissen treten und ihre Orakelsprüche verkünden, dann sollen wir an die verkündeten Konjunkturprognosen glauben. Aber so glauben wir auch an die Psychoanalyse, an den Urknall, an das Chaos in der Natur, an die künftige Klimakatastrophe, an die Entropie samt kosmischem Wärmetod, an die egoistischen Gene und an vieles andere mehr. Zwar könnte man sagen, das seien nur Formen des Für-wahrscheinlich-Haltens (und: Glauben = „Für-wahr-Halten“; auch Wissenschaften entstehen aus dem „Fürwahrhalten“, also: Glauben; HB Glauben als „Für-wahr-Halten“), die deshalb wenig mit dem religiösen Glauben zu tun hätten. Und doch nähern wir uns dabei dem religiösen Feld, weil es hier um Zuversicht oder Angst in bezug auf Themen geht, die lange Zeit genuin religiöse Themen waren. Wer an den Urknall glaubt, hält nicht nur eine wissenschaftliche Hypothese für wahrscheinlich, sondern glaubt daran wie an die göttliche Weltschöpfung. Und an die Entropie-Hypothese mit dem schließlichen Wärmetod kann man auch glauben wie an die Apokalypse.“ (Rüdiger Safranski, in: Cicero, 05 / 2004). MehrMehrKreislaufURDENKEND„Für-wahr-Halten“Glaube

„Noch in einem anderen Sinne leben wir alltäglich aus dem Glauben. Der Mensch ist das Tier, das versprechen kann, hat Nietzsche (1844-1900 Nietzsche) einmal gesagt. Der eine verspricht, der andere glaubt ihm. Glauben ist auf beiden Seiten im Spiel, denn auch der Versprechende muß an sich selbst glauben, genauer: an sein künftiges Selbst, das ein gegebenes Versprechen einhalten soll. Ich verspreche, weil ich an mich glaube und du glaubst mir, weil ich verspreche. Diese Art des Glaubens zirkuliert zwischen den Menschen und ist so lebensnotwendig wie die Luft zum Atmen. Es ist ein Glaube, dem wir im Interesse unserer Lebensfähigkeit eine Zukunft wünschen müssen. Der Mensch lebt, anthropologisch gesehen, auf Kredit.“ (Rüdiger Safranski, in: Cicero, 05 / 2004). MehrMehrKreislaufURDENKEND„Für-wahr-Halten“Glaube


„Unsichtbaren Religion“ ist eine religiöse Glaubensvorstellungen und Praktiken, an denen man gleichzeitig (oder in Verbindung) mit denen der offiziellen Religion, zu der man gehört, festhält: diese hat damit eine enge Verbindung zu der nichtoffiziellen Religion. Dazu gehören z.B. solche Fälle wie der Aberglaube und das Paranormale und auch (weil diese wahrscheinlich von der offiziellen Religion zurückgewiesen werden) jene Glaubensvorstellungen und Praktiken, die aus anderen Religionen stammen. Im erweiterten Sinne unterstützt die These von der „Unsichtbaren Religion“ die Argumentation von Thomas Luckmann (in seinem Buch: Das Problem der Religion in der modernen Gesellschaft, 1963), daß die These von Émile Durkheim (1858-1917) und Max Weber (1864-1920 Weber) richtig ist, daß die Religion den Schlüssel zum Verständnis der Gemeinschaft und den Standort der Einzelnen in der Gemeinschaft darstellt. Laut Luckmann ist die Religion das, was die Einzelnen in die Lage versetzt, über ihre biologische Natur hinauszugehen, wodurch Luckmann Religion beinahe zu einem Syonym für Kultur macht. Der Einzelne wird laut Luckmann „zur Person, indem er seine biologische Natur transzendiert. Sinnhaftigkeit ist ein spezifisch menschliches und zugleich das grundlegende gesellschaftliche Phänomen. Es ist bestimmend für das in der Gesellschaft geprägte Selbst des Menschen. In der Begegnung mit anderen wird das Individuum auf sich verwiesen als ein einheitliches Selbst. Von diesem ihrem wichtigsten Aspekt her gesehen ist Vergesellschaftung ein Prozeß der religiösen Individuation.“ (Ebd.). Dies ist zwangsläufig „unsichtbar“, denn es liegt doch jeder bestimmten sichtbaren Religion zugrunde und ist weitgestreuter als diese.

Richard Dawkins erstellte für sein Buch „Der Gotteswahn“ (2006) eine Skala mit 7 graduellen Überzeugungen, die vom (1) überzeugten Theisten der nicht glaubt, sondern weiß, daß es einen Gott gibt, bis zum (7) überzeugten Atheisten reicht, der weiß, daß es keinen Gott gibt. In der Mitte (4) liegt der reine Agnostiker, der weiß, daß er nicht wissen kann, ob es einen Gott gibt oder nicht. Dawkins schätzt sich übrigens selbst als (6) De-facto-Atheist ein: „Ich schätze die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes als sehr gering ein und lebe mein Leben entsprechend.“ (Ebd.).


 

NACH OBEN Indogermanen

Die Indogermanen (auch: Indoeuropäer, Arier) sind uns dank der Historisch-Vergleichenden Sprachwissenschaft sehr gut bekannt (vgl. Indogermanistik). Die Religion der Indogermannen kennt keinen mit demjenigen des Morgenlandes verwandten Schöpfungsgedanken. Der Indogermnane steht zu seiner Gottheit in keinem Untertanen- oder Knechtverhältnnis. In der indogermnaischen Religiosität gibt es auch keinen Gegensatz von Leib und Seele. „Nie haben Indogermannen gewähnt, frömmer zu werden, wenn sie von ihrem Diesseits ein Jenseits ablösten und dann das Diesseits entwerteten zu einem Schauplatz des Jammers, der Heimsuchungen und der erlösungsbedürftigen Gebrechklichkeit, dafür aber dem Jenseits alle Seelenwonnen zuschrieben, zu denen eine diesseitsflüchtige Seele sich ein Menschenleben lang hinübersehnen müsse.“ (Hans Friedrich Karl Günther, Frömmigkeit nordischer Artung, 1934 Günther).

Wie schon gesagt: Das priesterliche „Gesetz“ erfanden also die Indogermanen: das „Gesetzbuch Manus“ (MEHRMEHR) in Indien ist die älteste schriftliche Legitimation priesterlicher Macht (MEHR). „Man hat das nachgemacht, überall beinahe: der arische Einfluß hat alle Welt verdorben.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 109 Nietzsche). Laut Nietzsche ist der Brahmanismus eine „ja-sagende“ Religion.

Lesen wir mehr Wissenswertes über den Glauben, und
wählen wir dazu 6 Beispiele indogermanischer Völker:
Inder, Perser, Griechen, Kelten, Germanen, Faustiker.

 

NACH OBEN Griechen

Griechische Götter
*) Okeaniden (Eltern [Titanen]: Okeanos und Thetys) u.a.: Pleione, Dione,Doris, Styx, Tyche, Kallirhoe, Eurynome, Metis.  *) 3 Gorgonen (Eltern [Meerestitanen]: Phorkys und Keto): Stheno, Oryale, Medusa (die einzige Sterbliche unter ihnen).  *) Skylla (Eltern [Meerestitanen]: Phorkys und Keto).  *) 3 Graien: (Eltern [Meerestitanen]: Phorkys und Keto): Enyo, Pemphredo, Deino.  *) 4 Harpyien (Eltern: Thaumas [Meerestitan] und Ozomene/Elektra [Okeanide {nicht verwechseln mit der Pleiade Elektra!}]): Aello, Okypete, Kelaino, Podarge.*) Iris (Eltern: Thaumas [Meerestitan] und Ozomene/Elektra [Okeanide {nicht verwechseln mit der Pleiade Elektra!}]).  *) Nereiden (Meeresnymphen) u.a. (Eltern: Nereus [Meerestitan] und Doris [Okanide]): Agaue, Aktaia, Amathia, Amphinome, Amphithoe, Amphitrite, Apseudes, Arethusa, Asia, Autonoe, Beroe, Deiopea, Dero, Dexamene, Dione, Doris, Doto, Drymo, Dynamene, Eione, Ephyra, Erato, Euagore, Euarne, Eudore, Eukrante, Eulimene , Eumolpe, Eunike, Eupompe, Eurydike, Galateia, Galene, Glauke, Glaukonome, Halie, Halimede, Hipponoe, Hippothoe, Iaera, Ianassa, Ianira, Ione, Kallianassa , Kallianira, Kalypso, Keto, Klio, Klymene, Kranto, Kreneis, Kydippe, Kymatolege , Kymo, Kymodoke, Kymothoe, Laomedia, Leiagore, Leukothoe, Ligea, Limnoria, Lykorias, Lysianassa, Maera, Melite, Menippe, Nausithoe, Nemertes, Neomeris, Nesaia, Neso, Opis, Orithynia, Panopaea, Panope, Pasithea, Pherusa, Phyllodoke, Plexaure, Polynome, Ploto, Pontomedusa, Pontoporia, Poulunoe, Pronoe, Proto , Protomedia, Psamathe, Sao, Speio, Thalia, Themisto, Thetis, Thoe, Xantho.

Am Anfang steht (das) Chaos, aus dem als erste Göttergeneration die Erde Gaia (Gäa), die Unterwelt Tartaros, die Liebe Eros, die Finsternis Erebos und die Nacht Nyx entstehen. Aus der Verbindung von Nyx und Erebos gehen der Tag Hemera und die Luft Aither (Äther) hervor, Nyx bringt aus sich selbst eine Reihe von Gottheiten hervor, die entweder Personifikationen von mit der Nacht assoziierten Phänomenen oder von menschlichen Übeln sind.

Der erste Herrscher über die Welt, Uranos, wird von seinem Sohn, dem Titanen Kronos entmannt und entmachtet, woraufhin die Titanen über die Welt herrschen. Die Titanen werden wiederum von Kronos' Sohn Zeus gestürzt, im Anschluß beginnt die Herrschaft der olympischen Götter. Zeus sichert seine Herrschaft, indem er seine schwangere Gattin Metis verschlingt, da es deren ungeborenem Sohn bestimmt gewesen wäre, die Stelle des Zeus einzunehmen.

Als Olympische Götter (auch Olympier oder Zwölfgötter) werden die (meist zwölf) Hauptgötter in der griechischen Mythologie bezeichnet. In engerem Sinne werden als olympische Götter jene Götter bezeichnet, die auf dem Olymp residieren - daher zählen Hades, der in der Unterwelt herrscht, und seine Gemahlin Persephone nicht zu den Olympiern. Auch Hebe, die als Mundschenk wirkt, und Eileithyia werden nicht dazu gezählt. Herakles und Dionysos, die erst später in den Olymp aufgenommen wurden, werden ebenfalls meist nicht mitgerechnet.
Zwölf-Götter-Altar
Zwölf-Götter-Altar
So ergibt sich eine Gesamtzahl von zwölf olympischen Göttern im engeren Sinne (griech. to dodekaqeon, tó Dodekatheon = die zwölf Götter, von griech. dodeka, dodeka = zwölf). Diese sind: Zeus, Hera, Demeter, Hestia, Poseidon, Ares, Hephaistos, Artemis, Aphrodite, Hermes, Apollon und Athene. Nicht dem Wohnsitz auf dem Olymp gemäß, sondern als Göttergeschlecht, das nach dem Sturz des Kronos und der Titanen die Weltherrschaft antrat, werden zu den Olympiern Zeus, dessen Geschwister und Kinder gerechnet, also: Zeus, alle fünf Geschwister des Zeus, die göttlichen Kinder des Zeus und jene von Zeus mit zwei sterblichen Frauen (Alkmene und Semele) gezeugten zwei Kinder, die später in den Olymp aufgenommen wurden: Herakles und Dionysos. Vgl. Abbildung

Die frühesten literarischen Quellen zu der griechischen Götterwelt lieferten v.a. Hesiod und Homer. Von den verschiedenen Versionen des Mythos hat sich die von Hesiod überlieferte durchgesetzt, die Kronos zu einem Sohn von Uranos und Gaia macht. Weil Uranos seine Kinder – die Kyklopen und Hekatoncheiren – so sehr haßt, daß er sie in den Tartaros verbannt, bingt Gaia ihre weiteren Kinder – die Titanen – im Geheimen zur Welt. Sie stiftet schließlich Kronos an, den Vater mit einer Sichel zu entmannen. Kronos wird damit zum Herrscher der Welt und Begründer des Goldenen Zeitalters. Gemäß der Darstellung Hesiods (Theogonie, 446ff.) wird Kronos von seiner Schwester Rhea (Rheia) zum Gatten genommen. Aus Angst, selbst entmachtet zu werden, frißter jedoch alle Kinder, die aus dieser Verbindung entstanden sind: Hestia, Demeter, Hera, Hades und Poseidon, die Kroniden. Den jüngsten Sohn jedoch, Zeus, versteckt Rhea auf Anraten von Gaia und Uranos in der Höhle von Psychro im Dikti-Gebirge auf Kreta und überreicht danach Kronos einen in eine Windel gewickelten Stein, den dieser verschlingt, ohne den Betrug zu bemerken. So kann Zeus ungestört heranwachsen. Später gelingt es Zeus, seinen Vater mit List und Gewalt zu überwinden, worauf Kronos erst den Stein und dann seine verschlungenen Kinder ausspuckt. Den Stein stellt Zeus an der Kultstätte Pytho (Delphi) auf, damit er dort von den Sterblichen bestaunt werde. Gemäß der Orphiker ist Kronos eines Tages von dem damals aus den Eichen fließenden Honig berauscht, so daß er von Zeus gefesselt werden kann. Anschließend bingt dieser ihn auf die „Insel der Seligen“, die Elysischen Gefilde, die am Rande des Erdkreises liegen, wo Kronos bis heute weilen soll. Daher soll dort noch immer das Goldene Zeitalter andauern, das ja für den Rest der bekannten Welt mit seiner Entmannung sein Ende gefunden haben soll. Laut der Bibliotheke des Apollodor ist Metis, die erste Geliebte des Zeus, diesem bei der Entmachtung des Vaters behilflich, indem sie ihm den Trank reicht, der Kronos betäubt und ihn schließlich dazu zwingt, alle zuvor verschlungenen Kinder wieder von sich zu geben.

Kronos war eine relativ schattenhafte Gestalt aus der Mythologie, die nur in sehr geringem Maße kultisch verehrt wurde. Allerdings gab es ein ihm zu Ehren gefeiertes ländliches Fest, die Kronien. Der von ihm ausgespuckte Stein wurde in Delphi verehrt; man salbte ihn täglich mit Öl und umwickelte ihn an Festtagen mit wollenen Binden. Er ist nicht zu verwechseln mit einem anderen ebenfalls in Delphi aufgestellten und verehrten Stein, dem Omphalos. Der Steinkult war in der Antike im Mittelmeerraum verbreitet.

Wie bei keinem olympischen Gott sonst sind bei Zeus die indogermanische Etymologie und Bedeutung und damit bereits vormediterane, aus der indogermanischen Religion stammende Ursprungs- und Wesensmerkmale zweifelsfrei. Zeus, mit diphtongischem Wurzelnomen, geht etymologisch zurück auf das indogermanische Nomen agentis * dieu-s mit der Grundbedeutung „hell Aufleuchtender“, „Glänzer“, „Wetterleuchtender“. Zeus wurde zwischen 2300-1900 v. Chr. von den einwandernden Indogermanen bzw. Protogriechen (Achäer, Ionier) importiert. Er kann aber sogar noch früher von diesen indogermanischen Gruppen in den Nordwesten Griechenlands importiert worden sein (vielleicht als * Teus). Erst im Verlauf des 2. Jt. v. Chr. trat zu dieser indogermanischen Komponente die mediterane, und erst in der Mittelmeerwelt wurde Zeus zum Kroniden.

Göttervater Zeus ist mit seiner Schwester Hera verheiratet, mit der er mehrere Kinder hat (siehe Abbildung). Aber er hat auch viele Liebschaften, unter anderem mit der Göttin Leto, einer Tochter des Titanen Koios, die ihm Apollon, den Gott des Lichts und der Musik und Artemis, heilbringende Göttin der Natur und der Jagd, gebärt, oder Leda, mit der er die Dioskuren Kastor (Castor) und Polydeukes (Pollux) zeugt. Daneben ist er auch Vater vieler Nymphen, Halbgöttinnen und Sterblicher. Diese Liebschaften sind nie von Dauer, vor allem wegen Heras maßloser Eifersucht. Um die Kinder, die aus diesen Seitensprüngen entstanden sind (unter anderem Herakles und die schöne Helena), kümmert er sich aber. Die einzige Liebschaft von Dauer ist wahrscheinlich die zum Königssohn Ganymed. Dieser war so schön, daß Zeus ihn in Gestalt eines Adlers auf den Olymp entführte. Dort dient er ihm als Mundschenk. Auch die Göttin Aphrodite soll gemäß Homer eine Tochter von Zeus und der Dione sein. Geläufiger ist jedoch die Version des Hesiod, nach der sie aus dem Schaum (daher ihr Name, von griech: „aphros“ = Schaum) entsteht, der sich um die abgeschnittenen Genitalien des Uranos im Meer vor Kythera gebildet hat. Zeus' Lieblingstochter Athene, die Göttin der Weisheit, entspringt aus seinem Kopf. Doch auch andere Götter stammen von ihm ab, wie Dionysos, der Gott des Weines, die Göttin Iris, die als Botschafterin die Kommunikation zwischen Menschen und Göttern sicherstellt, oder Hermes, der Götterbote. Vgl. Abbildung

Die Olympier regieren die Welt angenehmer als ihre Vorgänger. Zeus bleibt zwar unangefochtener Herrscher über die Götter und die Menschen, aber er teilt seine Macht mit seinen Geschwistern und gewährt auch nachgeordneten Gottheiten ihre Zuständigkeiten (man könnte auch sagen: Zeus herrscht als Vater bzw. „Kaiser“, „König“ oder „Präsident“ monarchisch über eine „Götter-Republik“ bzw. „Götter-Demokratie“). Jeder der auf dem Olymp residierenden Götter ist für seine Taten und Entscheidungen selbst verantwortlich.

Satyr Egon Friedell zum Thema Götter der Griechen

„Aus Homer und Hesiod schöpften die Hellenen ihre theologischen Vorstellungen auf ganz ähnliche Weise wie wir aus dem Alten und Neuen Testament. Ihre heiligen Schriten waren profane Gedichte, und dies ist sehr bezeichnend für den Charakter ihres Glaubens, im guten wie im schlechten Sinne. Die griechische Religion ist nicht minder ein Kunstwerk der Plastik als die griechische Sprache und das griechische Epos, und wie eine Genietat ist sie plötzlich da. Die finsteren Sagen von Kronos und den Titanen sind vielleicht die letzten dumpfen Klänge, die von der kretischen Religion in die Zeit Hesiods herüberwehten, und der Kampf des Zeus und seiner Mitgötter gegen diese ganz anders geartete Dämonenwelt symbolisiert den Sieg des olympischen Glaubens. In dem bekannten Zwölfgötterstaat ist Hestia, die im ionischen Epos noch nicht vorkommt, bloß zur Abrundung hinzugefügt: sie bedeutet einfach »Herd« und hat es zu keiner rechten Personifikation gebracht. Dagegen fehlt (noch; HB) der so wichtige Dionysos. Der »blitzefrohe« Zeus ist pater andron te qeon te, Vater der Menschen und Götter, als Horkios Hüter des Eids, als Xenios Schützer der Gastfreunde, in beiden Funktionen nicht immer zuverlässig. Als Himmelsgott hat er die Herrschaft über die ganze Natur, die er aber andrerseits wieder mit seinen beiden Brüdern Poseidon, dem Herrn der Gewässer, und Hades, dem Fürsten der Unterwelt, dem »verhaßtesten der Götter« teilen muß. Apollon ist der Patron der Musik und der Mantik, der Heilkunst und Schützenkunst, aber seine Pfeile senden auch Seuchen. Er ist die Gottheit der Sonne, aber als »Silberbogiger« auch des Mondes wie seine Zwillingsschwester Artemis, die als »pfeilfrohe« Jägerin und als Beschützerin des Wildes ebenfalls eine Doppelrolle spielt. Die Bedeutung der anderen drei Göttinnen Hera, Aphrodite, Athene und des Hephaistos, Ares und Hermes ist allgemein bekannt. Besonders die beiden letzteren sind ausgesprochen unmoralisch! Ares ein Rowdy, Hermes ein Dieb. Hinter diesen Hauptgöttern rauscht eine leuchtende Schleppe von niederen Gottheiten: Seirenen und Nereiden, deren Gesang und Geplauder das Meer tönen macht, Dryaden und Oreiaden, die in Wäldern und Bergen hausen, Satyrn und Silenen, die als Halbböcke und Halbpferde umhertollen, Moiren und Erinyen, die die ernste Seite des Lebens verkörpern, Wiesen- und Quellnymphen, Chariten und Musen.“ (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 79-80).

„Was an den griechischen Göttern zuvörderst auffällt, ist die vornehme Schönheit und geschmackvolle Einfachheit, man möchte fast sagen: Eleganz ihrer Erscheinung. Auch in Nahrung, Wohnung, Hofstaat herrscht bei ihnen eine edle Frugalität. Ihre Paläste sind schlicht, die ganze Dienerschaft des Olymp besteht aus den drei Personen Hebe, Iris, Ganymed, und Nektar und Ambrosia sind offenbar sehr bescheidene Genüsse, übrigens, ebenso wie Ichor, das Blut der Götter, merkwürdig materialistische Begriffe: die Himmlischen bedürfen der Speise, des Tranks und des Lebenssafts nicht minder als die Irdischen, nur eben in »unsterblicher« Form. Überhaupt besitzen sie die wenigsten von jenen Eigenschaften, die man von einer Gottheit erwarten würde. Sie sind nicht allgütig, sondern voll Tücke, Rachsucht und Parteilichkeit, nicht allgegenwärtig, können aber allerdings blitzschnell überall erscheinen, nicht allmächtig, schon wegen ihrer gegenseitigen Konkurrenz und weil über ihnen die Moira steht, nicht allwissend (nur Apoll in seiner Erscheinungsform als Helios ist es bisweilen), vielmehr täuschbar und manmmal geradezu beschränkt. Athene rühmt sich, die Götter an Klugheit ebenso zu übertreffen wie Odysseus die Menschen: sie weiß, daß es unter den Unsterblichen auch einige ziemlich Dumme gibt. Auch Zeus wird mehr als einmal überlistet. Die Heimkehr des Odysseus wird im Götterrat hinter dem Rücken des ahnungslosen Poseidon beschlossen (was übrigens auch die Ohnmacht des Götterkönigs beweist, sonst hätte er diese Völkerbundsitzung nicht nötig). Zwar heißt es bei Homer des öftern: »Zeus wird's wissen und die andern unsterblichen Götter«; aber das ist bloß Redensart. Andrerseits wieder wissen sie um das Zukünftige: eine Gabe, die allerdings nicht bloß Zeus und den Hauptgöttern, sondern auch Halbgöttern, Heroen, sogar Pferden verliehen ist. Aber wenn sie es wissen, warum greifen sie dann so leidenschaftlich in den Kampf ein? Übrigens ist ihnen nur ein gelegentliches Intervenieren verstattet, denn sie sind nicht Weltregenten und nom weniger Weltschöpfer, vielmehr selber geschaffen, weswegen auch ihre Geburtstage gefeiert werden. Es ist aber bemerkenswert, daß der griechische Mythos wohl eine Götterentstehung, aber keine Götterdämmerung kennt.“ (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 80-81).

„Eine eigene Welt bilden die »chthonischen« Götter der Erdtiefe, die bei Homer fast gar keine, bei Hesiod schon eine wesentlich größere und im Volksglauben eine sehr gewichtige Rolle spielen. Demeter, die eigentlich Gemeter, »Mutter Erde« heißt, ist die Patronin des Ackerbaus und ihre Tochter Persephone die Herrin des Todes, meist Kore, die »Jungfrau«, genannt, da man ihren schrecklichen Namen nicht auszuspremen wagte. Auch Dionysos ist ein chthonischer Gott. Am Wochenbett und an der Totenbahre steht Hekate, sonst haust sie zwischen Grabsteinen. Dem Menschen begegnet sie an Kreuzwegen, im Mondschein, in der Mittagsglut, immer zu seinem Schaden. Die Schreckgestalten der Gorgo und Mormo, die Lamia und die Empusa sind ihre Doppelgängerinnen. Oft ist sie von einer richtigen »wilden Jagd« begleitet: feurigen Höllenhunden und der Gespensterschar der unerlösten Seelen, die ohne ehrliches Begräbnis, durch Gewalt oder »vor der Zeit« abgeschieden sind: einer ihrer vielen Namen, Baubo, äfft tonmalend das Jammergeheul ihrer Meute nach. Sie ist die Stammutter aller Hexen der Welt.“ (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 81-82).

Satyr Egon Friedell zum Thema Glaube der Griechen

„Einen richtigen Klerus gab es in Griechenland nicht. Der Priester bedient das Heiligtum, opfert für die Gläubigen, verwaltet die Tempeleinkünfte und legt den Willen der Gottheit aus. Er ist ein gewöhnlicher Staatsbeamter oder auch nur Privatmann, der über gewisse technische Kenntnisse verfügt oder zu verfügen vorgibt, von keiner besonderen Heiligkeit umgeben, höchstens durch einen ebvorzugetne Platz im Theater und in der Volksversammlung geehrt, auch keine »unsichtbaren Kirche« oder sonstigen höheren Gemeinsmaft angehörig und weder Prediger noch Jugendlehrer. An großen Heiligtümern gebietet er über ein zahlreiches Personal von Opferdienern und Tempelsklaven, Wächtern und Schatzmeistern, aber sonst bestand keinerlei Hierarchie als die des persönlichen Ansehens. Man wird die Stellung des griechischen Priesters vielleicht am ehesten mit der unserer Professoren und Doktoren vergleichen können, die man in allerlei wissenschaftlichen Fragen konsultiert und nach dem Grade ihres Renommees und der Bedeutung der Anstalt schätzt, der sie an angehören, im übrigen aber weder für unentbehrlich noch für sakrosankt hält. Zum Verkehr mit der Gottheit bedurfte es keines Vermittlers; der König opferte für die Gemeinde, der hausvater für die Familie. Das Wichtigste blieb überhaupt zu allen Zeiten der der Hauskult. Die Staatsfeste trugen durchwegs religiösen Charakter; an Zahl kamen die Feiertage, an denen alle Geschäfte ruhten, etwa den unserigen gleich; etwas, das unserem regelmäßigen Sonntag entsprochen hätte, gab es aber nicht.“ (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 87-88).

„Jakob Burckhardt nennt die griechische Religion sehr schlagend »eine Temperamentsform des griechischen Volkes«. Sie war die prachtvollste Mythologie, die ein Volk je besessen hat, und später bei einigen Philosophen Metaphysik und Ethik, aber eine Religion im höheren Sinne kann man sie schon deshalb nimt nennen, weil sie den Schidtsalsbegriff nie losgeworden ist. Auch dieser ist, wie alle Glaubensvorstellungen, etwas recht Widerspruchsvolles: er bedeutet bald eherne Notwendigkeit, bald launischen Zufall, bald klare Vergeltung, bald geheimnisvollen Erbfluch, immer aber ist er höchst fatalistisch. Ananke ist das fühllose Verhängnis, heimarmene die unentrinnbare Bestimmung, aisa (= h iVe, episch eiVh) das für alle gleiche Geschick; tyche das unberechenbare Glück (oder Unglück), patmos das fallende Los, ate die gottgesandte Verblendung; auch agos, die Blutsmuld, und alastor, der Rachegeist, sind, wie jedermann aus der Tragödie weiß, blindwaltende Mächte. Der landläufigste Begriff aber ist die moira, der »Anteil«, der dem Menschen bei seiner Geburt unwiderruflich zugesponnen wurde. Gegen die Moira vermögen die Götter nichts, wenigstens für gewöhnlich: denn manchmal sieht es auch so aus, als ob sie ihr Werkzeug sei. Manchmal auch versuchen sie sie wenigstens zu beeinflussen oder mit ihr sozusagen auf Teilung zu arbeiten. Und es kommt sogar der Fall vor, daß einzelne besonders begnadete oder besonders ruchlose Menschen gegen Götter und Moira ihren Weg gehen: dies ist das hypermoron: was »über das Geschick hinaus«, gegen die Fügung geschieht, eine ebenso furchtbare wie bewunderte Sache, die Schuld und Verdienst zugleich ist.“ (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 88-89).

„Nach alledem ist es verständlich, daß die Griechen übrerhaupt kein Wort für »Religion« besitzen. Eusebes (von sebein, verehren), das wir mit »fromm« übersetzen, bedeutet: den heiligen Gebräuchen getreu, und eusebeia, «Frömmigkeit», ist nach der Definition der Stoa dicaioVunh proV qeouV, Gerechtigkeit gegen die Götter (die ihnen an Ehren zuwendet, was ihnen gebührt). Fromm sein heißt für den Griechen, die Himmlischen kultisch verehren, und weiter nichts. Da diese nicht den Weltlauf lenken, liegt auch kein Anlaß vor, sie sich als besonders moralisch zu denken. »Das Sittliche«, sagt Wilamowitz-Moellendorf, «haben die Götter nicht gelehrt, man kann sagen, sie haben es von den Menschen lernen müssen.« Ihr Zorn braucht durchaus nicht immer Veschuldung zur Ursache zu haben, der Mensch empfindet ihn auch gar nicht als Strafe, sondern bloß als Unheil. Am meisten erbittert werden sie, wenn der Irdische sich vermißt, es ihnen gleichzutun, und ihre weitaus stärkste Triebfeder ist der Neid: man kann daraus schließen, wie neidisch die Griechen selber waren. Das Grundverhältnis zu ihnen ist daher das Mißtrauen, und wenn man ihren Geboten gehorcht, so tut man es nicht aus Ergebenheit, sondern aus Klugheit, um sie nicht zu reizen. Frevel ist: wenn man sie beleleilgt; anderes Unrecht erregt nicht ihren Unwillen. Prozesse wegen »Beleidigung der Götter« waren ziemlich häufig, aber man fragt sich, was denn eigentlich an diesen Göttern zu beleidigen war. Mitleid, und oft ein sehr unangebrachtes, haben sie nur mit ihren Lieblingen; sonst sind sie ganz erbarmungslos. Auch untereinander lieben sie sich nicht. In der Ilias entspricht der Zustand im Himmel genau dem der menschlichen Gesellschaft: Zeus ist Agamemnon, die Götter sind bloße Titularvasallen, ihm ebenbürtig und stets zur Renitenz bereit. Der Olymp ist eine Akropolis, und seine Bewohner sind Ritter und Rosse, beide gleich göttlich, gleich unvergänglich, von Nektar und Ambrosia genährt.“ (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 89-90).

„Die Natur und überhaupt die »Wirklichkeit« ist amoralisch. Von echter Religion kann man daher erst reden, wenn eine andere und höhere Welt der natürlichen entgegengesetzt wird. Dies tut aber die homerische Religion nie: ihre Götterwelt ist eine gesteigerte Wiederholung der irdischen: verklärte Animalität, schlackenlose Physik. Die Olympier unterscheiden sich von den Erdenbewohnern lediglich dadurch, daß sie unsterblich sind, also in ihnen die menschliche Unvollkommenheit verewigt ist und daß kein Alter, keine Schwäche, kein Kummer, keine Krankheit sie berührt, was aber auch nicht konsequent durchgeführt ist: auch ihr Dasein verläuft nicht ungetrübt (schon allein ihr ewiger Neid vergällt es ihnen) ; sie haben einen Arzt, Paieon, der Hades und Ares von ihren Verletzungen heilt, auch Aphrodite wird verwundet; Hermes ist vom weiten Weg ermüdet, Zeus schläft sogar einmal ein. Den Höhepunkt dieses in seiner Naivität und Bildhaftigkeit bezaubernden Realismus bildet der Moment, wo Ares in der Wolke, die ihm Kleid, Bett, Fahrzeug und Inkognito ist, vom Kampf ausruht, nachdem er den Speer an sie gelehnt hat. Die Orphik mitihren Ansätzen zu einer wirklichen Theologie war niemals Nationalreligion, man kann sie nicht einmal (wie wir vorhin taten) eine Sekte nennen, da es ja nicht den Gegenbeggriff der orthodoxen Kirche gab. Die Religion war nur Kultus, nur dieser Pflicht, nur dessen Verletzung Gottlosigkeit, »Asebie«. Es war ähnlich wie in der Renaissance, wo man denken, reden und schreiben durfte, was mall wollte, wenn man sich nur der Kirche, ihrer Macht und ihren heiligen Bräuchen unterwarf; in Hellas spielte diese keine Rolle.“ (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 90).

„Schließlich ist diese ganze Konzeption von finsterm, fühllosem Schicksal, wahllos würfelnder Tyche, eiteln und jähzornigen Göttern gerade wegen ihrer Irrationalität dazu da, damit irgend jemand schuld habe, wenn der Mensch sich nicht zu seinen Handlungen bekennen will, den Geburten seiner Leidenschaft und seiner Torheit. Die Gottheit ist nicht das Lamm, das die Erbschuld der Menschheit trägt sondern der Bock, dem die Sünde aufgeladen wird. Nur unter einem solchen Regiment wurde die Last des Frevels überhaupt ertragbar, unter einem sittlichen Gott wäre der Grieche der durchschnittlichen Moralität zusammengebrochen. Von Ausnahmsnaturen, die uns an allen Wegmarken begegnen werden, ist hier nicht die Rede. Die Gottheit des Sokrates um Beispiel war dem Volk so unfaßbar, daß es ihn, und zwar in voller Ehrlichkeit, für einen Gotteslästerer hielt.“ (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 90-91).

„Bei Homer ist bekanntlich alles göttlich: nicht bloß die Sonne und die Morgenröte, der Tag und die Nacht, sondern auch der Ölbaum und der Weinstock, der Arzt und der Herold, der Bettler und der Sauhirt, selbst der verächtliche Paris und die abscheuliche Schar der Freier, und es fehlte nur noch, daß Thersites göttlich genannt wird. Kein Wunder, das Göttliche ja nichts anderes ist als das Menschliche. Die Griechen waren Lehrer der Humanität, aber in einem ganz anderen Sinne, als der Neuhumanismus es meinte, nämlim der Nurmenschlichkeit, indem sie alles in rein anthropomorphen Formen und Dimensionen sahen. Der Satz »der Mensch ist das Maß der Dinge«, den die Sophisten als ihr Programm aufstellten, leuchtete von allem Anfang an als Leitstern über der Erdenbahn der Griechen. Darum haben sie nie den Sinn des Daseins erfahren; aber darum sind sie auch das größte Künstlervolk geworden.“ (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 91).

„Die Griechen glaubten also im Grunde an gar nichts, nämlich an nichts als an gewisse allzu menschliche Vorurteile; auch als diese im Laufe der Zeit sich läuterten, brachten sie es nur zu einem matten Deismus (**) oder nackten Atheismus (**). Und dennoch hat sich, ohne daß sie es ahnten, in ihrem historichen Schicksal der Finger Gottes aufs deutlichste offenbart. Oder vielleicht wirklich das Walten ihrer eigenen Götter, die, Symbole der griechischen Seele, tückisch zur Hybris lenkten. Zugleich aber ist, da jedes Volk der Dichter seiner eigenen Historie ist, wie jedes Individuum der Dichter seiner Biographie (darin besteht die menschliche Willensfreiheit **), auch die griechische Geschichte in Anstieg und Gipfel, Krise und Verfall ein vollendetes plastisches Kunstwerk, gemeißelt von der Hand der bildnerisch begabtesten Nation der Welt. Die einzelnen »Perioden«, sonst meist im berechtigten Verdacht subjektiver Willkür oder lebensferner Konstruktion, springen hier in die Augen, als ein leuchtendes Paradigma des Erblühens, Reifens und Welkens der Menschenpflanze.“ (Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, 1936, S. 91-92).

 

NACH OBEN Germanen

Die in Skandinavien und Norddeutschland beheimateten Germanen der Bronzezeit bestatteten ihre Toten unter großen Grabhügeln. (Vgl. Hügelgräber-Kultur). Aus nicht ganz geklärten Gründen gingen sie in der späten Bronzezeit dazu über, die Toten zu verbrennen. (Vgl. Urnenfelder-Kultur). Ihre Religion bestand aus einem Sonnenkult, wie u.a. der „Sonnenwagen von Trundholm“ beweist, aber auch goldene Sonnenbarken und Darstellungen auf Felsbildern wie Sonnenscheibe, Schiffe, Götterbilder, Gott mit Speer, Gott mit Axt bzw. Hammer u.s.w. (vgl. Götterwelt). Die Germanen betrieben eine gut entwickelte Seefahrt und erkundeten bereits die Küsten. Während der Spät-Bronzezeit begann allmählich die Ausbreitung der Germanen nach Süden. (Vgl. ).

Germanen (Seefahrt) Germanische Seefahrt ist, und zwar von Beginn an, eine sehr wichtige Vor- und Urform der abendländischen Kultur,
also eine ihrer Voraussetzungen. Die Segelschiffahrt der Germanen reichte bereits im 2. Jahrtausend v. Chr.
von Island und der Nordsee über die iberische Westküste bis zu den Kanarischen Inseln und Westafrika.
Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Vor- und Uraussetzung für alle späteren Entdeckungen. Karten

Die Germanen, in Wäldern lebend, verehrten „Höhere Kräfte“ in heiligen Hainen. „Übrigens glauben die Germanen, daß es mit der Hoheit der Himmlischen unvereinbar sei, Götter in Wänden einzuschließen und sie irgendwie menschlichem Gesichtsausdruck anzunähern: sie weihen Lichtungen und Haine und geben die Namen von Göttern jener Macht, die sie allein in frommem Erschauen erleben“. (Tacitus, ca. 55-120, Germania). Diese religiöse Schlichtheit schilderte der gebildete Römer Tacitus in seiner Germania mit Erstaunen und Bewunderung, denn er selbst lebte am Vorabend des Christentums in einer Weltstadt voller Tempel und Götterstatuen, die keine wahre Frömmigkeit mehr wecken konnte. Das Pathos des Autors prägte bis auf den heutigen Tag die Vorstellungen von germanischer Religiosität, denn die Germania blieb für Jahrhunderte die einzige einigermaßen zuverlässige Quelle. Grabungsfunde und Religionsforschung der letzten Jahrzehnte haben das Bild inzwischen bestätigt und zugleich korrigiert. Tacitus berichtete nicht nur von den germanischen „Buchenstäben“ (vgl. Buchstaben und Runen), sondern auch von jenen heiligen „Rossen“, aus deren Wiehern und Schnauben die Priester die Zukunft deuteten: „Die Tiere werden auf Kosten des Stammes in den bereits erwähnten Hainen und Lichtungen gehalten, weißglänzend und durch keinerlei irdischen Dienst entweiht.“ Tatsächlich vollzogen die Germanen in heiligen Eichenhainen kultische Handlungen. Aber auch Quellen und Moore waren heilige Stätten, weshalb man Verbrecher im Moor versenkte, d.h. opferte. Unser Volksmund spricht vom Froschteich, aus dem die Kinder kommen; hier hat sich eine Ahnung aus jener Frühzeit erhalten, ebenso in den Sagen von Wasser- und Waldgeistern, Erdmännchen und Irrlichtern. Jahrtausende hat sich deren Geschichte erhalten, vor allem in Sagen und Märchen. (Vgl. auch die Rückbesinnung in der deutschen Romantik, z.B. durch die Märchensammlungen der Gebrüder Grimm).

Wotan (Wodan bzw. Odin), in der späteren Sage der „unheimliche wilde Jäger“ der Lüfte mit kläffender Meute, ist der Gott des Windes, des Sturmes, des Atems und damit der Seelen, der Toten und des Jenseits („Walhalla“). Daß dieser Gott kulturell der jägerischen Frühzeit angehörte, zeigen seine schamanistischen Züge: die Erinnerung an schreckliche Prüfungen, die ein Schamane, ein Jagdzauberer, vor Ausübung seiner Macht durchstehen mußte, ist in dem Bericht der „Edda“ erhalten, der erzählt, wie Odin (Wotan) ans Stammholz der Weltesche „Yggdrasil“ geschlagen, die Runen findet. Der „Wodanstag“, von den Christen zum „mittleren Tag“ der Woche erklärt, ist der Mittwoch (ahd. Mettawech, engl. Wednesday); die Namen Godesberg (bei Bonn), aus Wodansberg entstanden, Gutmannshausen (bei Weimar), einst Wodanshusen, und Wodeneswege (bei Magdeburg), das heutige Gutenswegen, sind einige der vielen Beispiele, die auf die alten Kultstätten verweisen. Odin, wie ihn die nordgermanische Edda überliefert, und Wodan (Wotan), der im südgermanischen Raum verehrt wurde, bedeuten im Grunde die gleiche Gestalt. Wodan (Wotan) war allerdings nicht zunächst Gott, sondern der Zauberer, wie ihn auch noch der zweite Merseburger Zauberspruch (10. Jh.) überliefert, in dem Wodan (Wotan) zi holza fährt, ins Holz, in den Wald. Aus diesem Bereich dürfte die Runenfindung stammen, hier bietet die Archäologie die meisten runengeritzten Lanzenspitzen, so kommt der Mythos der Runenfindung wohl von Wodan (Wotan) auf Odin.

Donar (nordisch: Thor), den Tacitus mit Herkules gelichsetzte, war der zweitwichtigste Gott der Germanen, der den Hammer schwingt und Blitze schleudert. Begleitet von den Böcken „Zähneknirscher“ und „Zähneknisterer“ oder auf einem Ziegenwagen fahrend, deutet er auch in die Richtung der Fruchtbarkeiskulte. Er wurde schon in der Jungsteinzeit verehrt, wie Felszeichnungen beweisen. Auch sein Hammer galt noch bis ins Mittelalter als Symbol der Fruchtbarkeit. Donar (Thor) bingt Regen, vertreibt den Frost, zerschmettert die Eisriesen, ist der zuverlässige Gott der Bauern. Wenn er mit seinem Wagen über den Himmel rollte, hörte man den Donar, den Donner; er schützt mit dem Hammer die heiligen Ordnungen, weiht Ehen wie der Schmied von Gretna Green, bekräftigte Verträge: noch heute kommt Versteigerungsgut „unter den Hammer“. Mit seiner gewltigen Kraft war Donar (Thor) der Schrecken der Gegner. Diesem Gott ist die Eiche heilig. Orte wie Donnersberg, Donnern oder Donnersdorf u.s.w. erinnern am seinen Namen. Natürlich auch der Donnerstag, der Tag des Donar bzw. des Thor (engl. Thursday).

Auch einen echten Fruchtbarkeitsgott, den altorientalischen Göttern Adonis oder Dionysos vergelichbar, gab es bei den Germanen: Baldur, der lichte Frühlingsgott, dessen Sterben und Auferstehung im Mythos verklärt wurde. Die altnordischen Sagen berichten auch von Loki, dem Blutsbruder Odins (Wodans). Loki ist Gott des Feuers und der Unruhe, des Schöpferischen und der Zerstörung. Loki hütet das Herdfeuer, das er Freya, der Göttin der Liebe, Ehe und Fruchtbarkeit gestohlen hat. Er schmiedet Schwerter, sticht als Floh die hehre Freya, gebärt als Stute Wodans achtbeinigen Hengst Sleipnir - halb Kobold, halb Prometheus, häufig in Tiergestalt, ist er der witzige, eigenwillige Helfer. Freya, die Göttin der Fruchtbarkeit, und ihr Bruder Freyr (Fro), dem der Eber geweiht war und ebenso der Schimmelhengst, sind Fruchtbarkeits- und deshalb auch Liebesgötter. Freya rief man an, wenn man Liebesglück suchte (daher: freiern = werben, heiraten wollen). Und wenn zu Ehren des Freyr das Bild seiner mythischen Gattin auf dem heiligen Wagen durch das Gebiet eines Stammes rollte, feierte man diesen Kult mit sexuellen Praktiken wie in Griechenland den Dionysos: das war zwingende Sexualmagie. (Vgl. die antiken „Mysterien“). Freya und ihrem Bruder Freyr war natürlich der Freitag (engl. Fryday) gewidmet.

Die germanischen Kultgemeinschaften - z.B. die der Mannus-Stämme oder die Kulte um die Göttin Nerthus (Hertha) - sind mit den griechischen oder römischen Kultgemeinschaften durchaus vergleichbar. Bestimmte Heiligtümer durften nur Priester berühren, z.B. den geweihten Wagen, der mit einer Decke verhüllt war und sich auf einer Insel im Ozean im heiligen Hain befand. Freudig waren da die Tage, festlich geschmückt die Stätten, die der Gott oder die Göttin mit Ankunft und Besuch würdigte. Dann zog niemand in den Krieg, griff niemand zu den Waffen. Alles Eisen war eingeschlossen. Bekannt und geliebt waren jetzt nur Friede und Ruhe, bis der Priester der Gottheit des Umgangs mit den Menschen müde wurde. Den Gottesdienst verrichteten Sklaven, die danach von der See verschlungen wurden; daher auch: „Seele“ als „zur See gehörig“. Nur Todgeweihte durften hier schauen. (Todesstrafe).

Die Entstehung der Welt vollzog sich für Germanen aus den Körperteilen des riesenhaften Urwesens Ymir: Aus seinem Fleisch entstand die Erde, aus seinem Blut das Meer, aus seinen Knochen die Berge, sein Haar wurde zu Bäumen, sein Schädel bildete den Himmel. Im räumlichen Weltbild nimmt die Weltesche Yggdrasil, die ihre Äste über das All breitet, die zentrale Stellung ein. An ihren Wurzeln sind die Quellen der Weisheit und des Schicksals, an der sich die drei Schicksalsgöttinnen (Nornen) Urd, Werdandi und Skuld aufhalten. Mittelpunkt der Welt ist der Lebensraum des Menschen, das Reich Midgard, das von der Midgardschlange umgeben ist; außerhalb (in Utgard) wohnen die Riesen, unterhalb liegt die Unterwelt Hel und über der Erde Asgard, das Land der Götter. Die Götter gehören zwei verschiedenen Geschlechtern an, den (älteren) Wanen und den (jüngeren) Asen, die mit Wotan (Wodan, Odin), Donar (Thor) und Tyr (Tiu, Ziu) besondere Bedeutung haben.


Quellen und Felsen, eigenartige Bäume oder Berggipfel werden von den sogenannten
Naturvölkern (Urkulturen) häufig verehrt, weil sich hier die höhere Kraft, die alles durchdringt,
gleichsam zu verdichten scheint. Noch heute ist ja z.B. ein schwarzer Meteorstein, die „Kaaba“,
heiliger Mittelpunkt einer Weltreligion, des Islam; er war schon verehrt worden,
lange bevor Mohammed zu predigen begann.


NACH OBEN Kelten

Sie ist die nur spärlich und nie authentisch überlieferte Religion und Mythologie der Kelten, die deshalb nur unvollständig v.a. aus Berichten der römischen Eroberer, aus erst in christlicher Zeit schriftlich festgehaltenen irischen Sagen und Märchen sowie aus Bräuchen und archäologischen Befunden erschlossen werden kann. Die keltischen Götter wurden meist mit griechischen und römischen Göttern in Verbindung gebracht, ohne jedoch in jedem Fall mit ihnen identifiziert zu werden; auch ihre Hierarchie war nicht die der klassischen römischen Zeit. Hauptgötter waren Grannos, Belenus, Esus, Teutates, Taranis und Minerva. Der gallischen Minerva entsprach wohl eine britannische Göttin Brigantia, die irische Brigit, die später ganz von der irischen Nationalheiligen Brigid verdrängt wurde. Weitere Entsprechungen zwischen lateinischen Benennungen und keltischen Gottheiten beruhen auf bloßer Vermutung, z.B. zwischen Vulcanus und Goibniu (Gott der Schmiedekunst), zwischen Neptun und Manannán mac Lir (Gott des Meeres), zwischen Herkules bzw. Mars und Ogma (Gott des Krieges, der Gelehrsamkeit und Schreibkunst, dem die Erfindung der Oghamschrift (4. bis 7.Jh.; ältestes irisches Schriftsprachdenkmal) zugeschrieben wird, zwischen Dispater und Donn (Gott derToten und der Unterwelt), zwischen Bellona und Morrigan (Kriegsgöttin) u.a.. - Die hohe soziale Stellung der Frau bei den Kelten (also: wie bei den Germanen) spiegelte sich in einer großen Zahl weiblicher, v. a. Muttergottheiten wider, z.B. die Pferdegöttin Epona und die drei irischen Göttinnen Fódla, Banba und Ériu (letztere ist noch im heutigen Namen Irlands - „Eire“ - enthalten). Neben den vielen Götterpaaren und -triaden war das häufige Auftreten von Göttern in Tiergestalt für die keltische Religion charakteristisch: Epona, Cernunnus, Cúchulainn (Hund) u.a.. - Die Träger der keltischen Religion waren die Druiden, nach deren Lehre es ein Weiterleben nach dem Tod im Jenseits, einem Land der Glückseligkeit gab. Über einen Kult der keltischen Religion ist wenig bekannt. Es gab v.a. vier große rituell gefeierte agrarische Feste, die das Jahr aufteilten: Imbolc (1. Februar), Beltene (1. Mai), Lugnasad (1. August), Samhain (1. November).

Die Druiden waren die Priesterklasse der Kelten. Mit den Barden (Sänger und Dichter) und Vaten bildeten die Druiden den das kulturelle Leben der keltischen Völker bestimmenden Gelehrtenstand. In erster Linie oblag ihnen die Pflege der Religion und des Opfers. Daneben übten sie auch richterliche Funktionen aus und befaßten sich u.a. auch mit Medizin, Geographie, Astronomie und Traumdeutung.

Festzustellen bleibt die Ähnlichkeit von Germanen und Kelten.

 

WEITER Polytheismus oder Henotheismen?

Der Polytheismus geht von mehreren Göttern aus, deren Gemeinschaft, ihr Pantheon, in Zahl und Bedeutung Schwankungen unterworfen ist: durch die Aufnahme von Gottheiten der eroberten Gebiete sowie durch die Hypostatisierung göttlicher Qualitäten wird die Anzahl der Gotteheiten vergrößert. Eine Ordnung erhält das polytheistische Pantheon durch Göttergenealogien und familiäre Gliederungen nach Analogie der jeweiligen soziokulturellen menschlichen Verhältnisse. Häufig korrespondiert einem obersten Himmelsgott, der als Schöpfer und väterlicher Weltenherrscher gilt, eine mütterliche Erdgöttin, die Geburten und Vegetation schützt. Für die menschliche Moral besitzt der Glaube an einen allwissenden Gott, der Hüter des Rechts ist, vorrangige Bedeutung. Der Polytheimus kennt Götter aus allen Bereichen - hier ist alles möglich -, also nicht nur Natur-, Kultur-, Funktions-, Universal- und Lokalgötter. Hera z.B. war als Göttin des Herdes nicht zufällig auch die Frau des Göttervaters Zeus; sie war auch die Göttin des kriegerischen Adels und der Ehe. Gerade aber als Göttin des Herdes stand sie, wie auch ihre spätere römische Kopie Vesta, im Mittelpunkt des alltäglichen Lebens. Die Göttinen des häuslichen Herdes (Herdfeuers) hatten auch menschliche Dienerinnen, die der römischen Vesta z.B. nannten sich Vestalinnen und hatten das heilige Herdfeuer, das den Bestand des Staates symbolisierte und sicherte, zu hüten. Es ging hier also um die Bewahrung eines Staatsfeuers im Tempel der Vesta am Fuße des Palatins, die den Vestalinnen oblag. Sie waren Jungfrauen aus vornehmen römischen Familien, mußten sich zu einem 30jährigem Dienst verpflichten, genossen besondere Ehrenrechte und trugen den Ehrentitel Virgines sanctae („heilige Jungfrauen“). Auf verlust ihrer Jungfäulichkeit stand die Strafe der lebendigen Einmauerung.

Ein gutes Beispiel auf die Frage, ob jeder Polytheismus vielleicht doch eher nur verschiedene Henotheismen bedeutet, bieten die indischen Glaubensrichtungen, Religionen und Theologien. Der Brahmanismus ist einer der Vorläufer des Hinduismus, der aus verschiedenen Richtungen mit recht unterschiedlichen Schulen und Ansichten besteht. Die Lehre von Brahman (Weltseele) und Atman (Seele) ist als die philosophische Basis des Brahmanismus anzusehen, wie sie seit ca. 1700 v. Chr. in den Veden, seit ca. 1200 v. Chr. in den Brahmanas und seit ca. 800 v. Chr. in den Upanischaden bis ca. 500 v. Chr. - also insgesamt in 1200 Jahren (1700-500) - formuliert wurde. Brahman und Atman gelten hier als wesensgleich, der Mensch müsse diese Identität jedoch erst spirituell erkennen, bevor er die Erlösung, die Mokscha, erreichen kann. Die wesentlichen Fundamente aller indischen Religionen wurden in dieser Zeit gelegt, wie z.B die Vorstellung von Samsara, dem sich wiederholenden Kreislauf von Geburt und Tod, sowie das Gesetz des Karma. Die Lehre wurde von den Brahmanen formuliert, die in der hinduistischen Gesellschaft die Priester und Gelehrten stellten, und von Lehrern an die Schüler weitergegeben. Mit dem Aufkommen des Buddhismus im 6. / 5. Jh. v. Chr. trat die dominante Position der Brahmanen zeitweise in den Hintergrund und der Brahmanismus verlor etwas an Bedeutung. Brahma ist einer der Hauptgötter, ja sogar unter den Hauptgöttern der oberste Hauptgott im Hinduismus. Die weiteren Hauptgötter sind Wischnu (Bewahrung) und Schiwa (Zerstörung) - mit diesen beiden bildet Brahma die Trimurti (vgl. Trinität, Dreifaltigkeit). Der Hinduismus ist laut Josef Schüßlburner „ein Konstrukt, das aus politischen Gründen sich widersprechende religiöse Glaubensvorstellungen zusammenfaßt, nämlich im Kern drei an sich unvereinbare Monotheismen.“ (Josef Schüßlburner, Indien, in: Sezession, Oktober 2008, S. 53 Vgl. unten).

Jan Asmman, der Experte für Theismus, glaubt, daß die Polytheismen gar keine Polytheismen sind, sondern Kosmostheismen. „Überall dort, wo viele Götter verehrt werden, geht es laut Assmann um den Gott »Welt«. Der Kosmos ist die Manifestation Gottes. Diesen »Kosmostheismus« stellt Assmann dem Monotheismus (bzw. Henotheismus; HB Vgl. unten) gegenüber:
-Die Anhänger des Kosmotheismus bekennen sich zum Gott »Welt«.
-Die Verfechter des Monotheismus (bzw. Henotheismus; HB Vgl. unten) bekennen sich zu dem einen Schöpfer-Gott außerhalb der Welt.
Echnaton steht mit der von ihm gestifteten Religion um den einzigen Gott Aton (Vgl. unten) in einer vertrackten Weise zwischen den beiden Polen: Er betet die Sonne an - also eine »innerweltliche« Macht. Zugleich ist er aber der erste, der sagt: Es gibt keine anderen Götter.“ (Michael Zick, Der Glaube an den Einzigen, in: Bild der Wissenschaft, 11 / 2002, S. 76). Das ist ein Postulat, das der Glaube der Perser (Parsen Vgl. unten) nicht kennt, das nicht einmal der Glaube der Israeliten (Juden Vgl. unten) kennt, das auch der Glaube der Christen (Vgl. unten) nicht kennt, wohl aber der Glaube der Mohammedaner (Moslems Vgl. unten). Obwohl Jan Asmman ein Theismus-Experte ist und behauptet, daß der Polytheismus eher Kosmostheismus genannt werden sollte, so muß doch daran erinnert werden, daß dafür um so mehr der Monotheismus eher Henotheismus genannt werden sollte (Vgl. unten).

Vergleiche von Glaubensrichtungen:
GläubigeGottheit(en)„Gegenspieler“BezugnahmeGott-Volk-BezugBegründungAndersgläubige
„Polytheisten“GötterGötter Mythos / MythographieGeister / MythosBewältigung des Schicksals?
„Monotheisten“
„Aton-Ägypter“Aton?Natur / KosmosVermittlungEchnaton?
ParsenAhura MazdaAhrimanAwestaBeistandEthik?
JudenJahweSatan (Teufel) ThoraAuserwähltheitVolk / RasseNokhri (Heiden)
ChristenGottTeufel (Satan) Evangelien
(Neues Testament der Bibel)
Liebe durch TrinitätHeilsbotschaftHeiden
MoslemsAllahIblis (Teufel) KoranErgebenheit (Islam)Umma (Volk / Gemeinschaft) Ungläubige
„Atheisten“
Wissenschaftler„Objekt“„Subjekt“Gesetze / Regeln / „Prädikate“NaturkräfteRatio / BeobachterUnwissende
„Historizisten“HistorienzielHistorienzyklenLineare Geschichte„End(er)lösung“„Fortschritt“„Heilsfeinde“
Nationalisten
(inklusive Faschisten, Nationalsozialisten)
Nation
(Volk, Rasse)
Andere NationenEvolution und völkische / nationale GeschichteEvolutionsbiologie
und Geschichte
(Auserwähltheit [NS])
Volk / RasseVolksfeinde
KommunistenArbeiter (Proletarier) KapitalistenKommunistisches Manifest Dialektik einer materialist. Historie Proletarier / KlasseKlassenfeinde
LiberalistenIndividuumGemeinschaftLiberalistische MarktwirtschaftLiberalistischer
Kapitalismus
Individualismus
/ Wettbewerb
Egalitaristen
(Kommunisten/Sozialisten)
Feministen
(inklusive Genderisten)
Frau
bzw. Mann
Mann
bzw. Frau
Feministische Trias (nur der sexistische [siehe: 1.] Feminismus will den Androzid):
(1.) Sexismus; (2.) Egalitarismus (Kommunismus u.ä.); (3.) Nationalismus u.ä..
„Patriachalisten“,
„Maskulisten“,
(Haus-)Frauen.
Ökologisten„Umwelt“„Welt“Neo-Trinität: (1.) „Mutter Natur“ als „Gott Vater“; (2.) „Vater Staat“
als „Gott Sohn“; (3.) „Politkorrektheit als „Gott Heiliger Geist“.
„Umweltsünder“

WEITER Monotheismus oder Henotheismus?

Henotheismus (zu altgriechisch: hen, „eins“ + theos, „Gott“) bezeichnet die Verehrung eines unter mehreren Göttern bevorzugten Gottes. Der Sprach- und Religionsforscher Friedrich Max Müller (1823-1900) führte diesen Begriff in die Religionswissenschaft ein: zur Bezeichnung eines subjektiven Monotheismus innerhalb polytheistischer Religionen. Die kultische Verwirklichung des Henotheismus nennt man Monolatrie. Zur Problematik der Unterscheidung von Henotheismus und Monotheismus: „Von der magischen Gottheit gilt das Wort Jesu: »Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.« Es versteht sich, daß für jeden Gläubigen nur ein Gott der wahre und gute sein kann, die Götter der andern aber falsch und böse sind. Und nicht etwa »nicht vorhanden«. Es heißt das magische Weltgefühl mißverstehen, wenn man in die Bezeichnung »der wahre Gott« eine faustisch-dynamische Bedeutung legt. Der Götzendienst, den man bekämpft, setzt die volle Wirklichkeit der Götzen und Dämonen voraus. Die israelitischen Propheten haben nicht daran gedacht, die Baale zu leugnen und ebenso sind Mithras und Isis für die frühen Christen, Jehovah für den Christen Marcion, Jesus für die Manichäer teuflische, aber höchst reale Mächte. Daß man »an sie nicht glauben« soll, ist ein Ausdruck ohne Sinn für das magische Empfinden; man soll sich nicht an sie wenden. Das ist, nach einer längst geläufigen Bezeichnung, Henotheismus, nicht Monotheismus. Die Beziehungen zwischen diesem Gott und dem Menschen ruht nicht im Ausdruck, sondern in der geheimen Kraft, in der Magie gewisser symbolischer Handlungen: damit sie wirksam sind, muß man ihre Form und Bedeutung genau kennen und sie danach ausüben. Die Kenntnis dieser Bedeutung ist ein Besitz der Kirche - sie ist die Kirche selbst als die Gemeinschaft der Kenner - und damit liegt der Schwerpunkt jeder magischen Religion nicht im Kult, sondern in einer Lehre, im Bekenntnis.“ (Oswald Spengler, a.a.O., S. 799-800). Magien

Also sind die Monotheismen gar keine echten Monotheismen, sondern Henotheismen. Unter ihnen steht das Christentum sogar dem Polytheimus relativ nahe, denn sein Glaube an die „Trinität“ (Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist) und zusätzlich an eine „Gottesmutter“ deutet auf mehrere göttliche „Personen“ - und das heißt nun eben doch: mehrere Götter. Das Polytheistische an der „Dreieinigkeit“ wird zwar immer wieder bestritten und von einem Gott gesprochen, der „dreieinig“ sei, doch reicht das als Erklärung nicht aus. Noch weniger reicht als Erklärung aus, wenn die „unbefleckte Empfängnis“, die „Empfängnis vom Heiligen Geist“, dafür hergenommen wird, um die „Gottesmutter“ ebenfalls auf keinen Fall als eine unter mehreren göttlichen „Personen“ anzunehmen. Eine Gottesmutter ist doch nun mal die Mutter eines Gottes und darum mit sehr großer Wahrscheinlichkeit selbst eine Göttlichkeit. Der Kult der „Mutter-Gottes-Verehrungen“ stellte und stellt einen der größten christlichen Kulte dar. Ist die Mutter Gottes etwa trotzdem keine Göttlichkeit? Oder doch? Wie auch immer: Christen wollten und wollen Monotheisten sein. Darum (und nur darum!) wird das Christentum hier wie jeder der anderen Monotheismen bzw. Henotheismen besprochen.

Dafür, daß „Monotheismen“ Henotheismen sind, spricht auch, daß sie auch durch das Wort, den Namen ihres Gottes sich voneinander abgrenzen und dadurch den jeweils anderen Gott in seiner Existenz anerkennen. Gerade weil sie sich von den jeweils anderen Götter abgrenzen wollen, müssen sie seine Existenz anerkennnen. Sie anerkennnen sich (ungewollt!), indem sie sich (gewollt!) verneinen. Daß der Gott der Mohammedaner ein anderer als der Gott der Christen und dieser wiederum ein anderer als der der Juden ist, ist für die Gläubigen dieser „Monotheismen“, die in Wirklichkeit Henotheismen sind, eindeutig klar: ihr jeweiliger Gott soll ein anderer sein als jeder andere, er soll sich von ihnen abgrenzen, er soll in ihnen gefährliche Feinde haben u.s.w. - die Gläubigen sollen das glauben. Der „Monotheist“ sagt: es gibt nur einen Gott. Der Henotheist sagt: es gibt für mich nur einen Gott („für mich“ inkludiert auch: möglcherweise für andere nicht, möglicherweise haben andere einen anderen Gott). Es geht hierbei also u.a. um den Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit: Realität schließt Möglichkeit aus, Wirklichkeit schließt sie mit ein (Wirklichkeit = Realität + Möglichkeit!). Der „Monotheist“ geht von einer Idealität aus, von der er glaubend sagt, sie sei Realität; der Henotheist geht von einer Idealität aus, von der er glaubend sagt, sie sei Wirklichkeit; und weil Wirklichkeit auch Möglichkeit einschließt, akzeptiert der Henotheist auch die Möglichkeit, während der „Monotheist“ diese gerade nicht akzeptiert und dadurch, daß er Idealität und Realität gleichsetzt, ist er wohl auch kaum ein Realist, jedenfalls sehr viel weniger ein Realist als der Henotheist. Schlußfolgerung: Einen echten „Monotheismus“ kann es - abgesehen von der einzigen möglichen Ausnahme: dem „Ur-Monotheismus“ als dem 1. Glauben an Gott (1. Theismus) - nie gegeben haben, kann es nicht geben und wird es auch nie geben.

Der Einfachheit halber wird hier aber das Wort „Monotheismus“ auch in dem Sinne verwendet, wie wir es aus der Alltagssprache kennen, obwohl dabei immer berücksichtigt werden soll, daß diese Wortverwendung relativ unangemessen ist, weil es hier eben nicht so sehr um Monotheismen, sondern viel mehr um Henotheismen geht.


WEITER Erster Monotheismus bzw. Henotheismus: die Religion der „Aton-Ägypter“

Amenophis IV., ein ägyptischer König der 18. Dynastie, regierte von ca. 1377 bis 1358 (es gibt heirfür auch andere Datierungen, z.B.: 1353–1336; 1351–1334; 1340–1324), erhob den Sonnengott Aton zum alleinigen Gott und änderte seinen Namen um in Echnaton (altägyptisch: „er gefällt Aton“). Schon sein Vater Amenophis III. hatte den Sonnengott Aton stärker verehrt, zumal innere Kontakte zum Königreich Mitanni und dem Reich der Hethiter bestanden, wo ebenfalls die Sonne die Hauptgottheit darstellte. Amonephis IV. ging jedoch noch einen Schritt weiter: er baute in seinem 6. Regierungsjahr eine neue Stadt, die er Echetaton („Lichtort des Aton“) nannte, als Hauptkultzentrum des Aton und auch als seinen neuen Regierungssitz. Im selben Regierungsjahr ließ Echnaton auch im Bereich des Karnak-Tempels östlich des Amun-Bezirkes ein Aton-Heiligtum erbauen. (Vgl. Dieter Arnold, Lexikon der ägyptischen Baukunst, 2000). Die hier gefundenen Kolossalstatuen geben einen Hinweis auf Echnatons religions-politische Entwicklung.

In der Wissenschaft existieren mehrere Theorien hinsichtlich der Tragweite:
1.Echnaton wollte einen Monotheismus einführen - das Volk, die Priester und andere wehrten sich jedoch dagegen; deshalb die archäologischen Zeugnisse für andere Götter.
2.Echnaton wollte nur einen Henotheismus, eine Bevorzugung des Gottes Aton, eine Monolatrie.
3.Echnaton wollte einen Monotheismus, zog sich in seine Stadt Echetaton zurück und überließ das Land sich selbst; Echetaton war daher eine religiöse Enklave, das übrige Land war Echnaton egal.
4.Echnaton wollte einen Monotheismus bzw. Henotheismus einführen - das übrige Volk mit seinen Funktionsträgern tat sich damit allerdings schwer. Die anderen Götter wurden in einer Art Übergangsphase weiterhin geduldet. Die Religion kam nie über diese Übergangsphase hinaus, und nach Echnatons Tod setzten sich die Vertreter der alten Ordnung durch.
Welche von diesen Möglichkeiten damals tatsächlich zutraf, ist in der Wissenschaft bislang nicht eindeutig geklärt. Die ersten beiden Theorien gelten als am wahrscheinlichsten, die dritte ist auch in der Diskussion, die vierte jedoch nur in sehr geringem Maße.


Echnaton und seine Familie
bei der Anbetung des Aton.
Im folgenden Text wird davon ausgegangen, daß Echnaton zwar einen Montheismus einführen wollte, aber einen Henotheismus einführte (denn wie gesagt: einen reinen Monotheismus gab und gibt es sowieso nicht Vgl. oben). Echnaton war der erste, der neben seinem einem Gott keinen anderen Gott duldete. Damit stürzte der „Ketzer-König“ das altehrwürdige Ägypten in eine Kultur-Revolution sondergleichen. Zur Verehrung des Sonnengottes Aton gehörten neben der Sonnenscheibe auch ein Sonnengesang als Hymne und die Hausaltäre mit der Heiligen (Pharaonen-)Familie unter den Aton-Strahlen. Aton, dargestellt als Sonnenscheibe mit Strahlen, die in Händen enden, war das alleinige göttliche Prinzip, die Wahrheit, der Schöpfer aller Dinge - so damals der Glaube, die Religion, die Theologie. Das hört sich zwar schon doch sehr nach einem monotheistischen Glauben, einer monotheistischen Religion, einer monotheistischen Theologie an; doch die Tatsache, daß trotz Echnatons Verbot die anderen Götter in den ägyptischen Gehirnen noch präsent waren, spricht dafür, daß auch dieser (erste Versuch eines) Monotheismus doch mehr ein Henotheismus war. Der Kampf gegen die anderen Götter setzt diese voraus und macht es auch nicht leichter, diese abzuschaffen. „Es versteht sich, daß für jeden Gläubigen nur ein Gott der wahre und gute sein kann, die Götter der andern aber falsch und böse sind. Und nicht etwa »nicht vorhanden«.“ (Oswald Spengler, a.a.O., S. 800). Gerade wir Abendländer mißverstehen, weil wir in die Bezeichnung „der wahre Gott“ unsere faustisch-dynamische (Faustisches Seelenbild des Abendlandes) Bedeutung legen. „Der Götzendienst, den man bekämpft, setzt die volle Wirklichkeit der Götzen und Dämonen voraus.“ (Oswald Spengler, a.a.O., S. 800).
Kurzer Rückblick auf die ägyptische Glaubensgeschichte: Re (Ra) war der traditionelle Sonnengott Ägyptens, der sich in seiner zweiten Inkarnation als Aton in der Sonnenscheibe manifestierte. Die alten Ägypter hatten oft zwei Bezeichnungen für eine Sache. So war Re der Sonnengott, Aton das Sonnenlicht, symbolisiert durch die Sonnenscheibe. Die Verehrung von Re war im Norden des Reiches, v.a. in Heliopolis, beheimatet. Später, während der Expansion Ägyptens, stieg im Süden des Reiches, v.a. in Theben, der lokale Gott Amun („der Verborgene“) zum Hauptgott auf. Im Wettbewerb um die Macht wurden die Priester des Amun in Südägypten zu Konkurrenten der Hüter des Re in Nordägypten. Als siegbringender Gott der imperialistischen Pharaonen im 16. Jahrhundert v. Chr., zur Zeit der frühen 18. Dynastie, stieg der Kriegsgott Amun zum überragenden Reichsgott auf - die siegreichen Könige schenkten Amun große Teile der Kriegsbeute und riesige Ländereien samt Leibeigenen. So wurden die Amun-Priester Motor und Lenker der ägyptischen Wirtschaft. Im Sinne der Staatsideologie von der Einheit der beiden ägypischen Länder Ober- und Unterägypten wurden die beiden Götter fusioniert - mit Hauptsitz in Theben, speziell im gigantischen Karnak-Tempelbezirk. Durch die Verschmelzung von Re mit Amun zu Amun-Re konterkarierten die Amun-Priester die religiöse Konkurrenz des Sonnengottes Re in Heliopolis. Der Kult im nördlichen Heliopolis verlor an Bedeutung. Unter dem Vater von Amenophis III. setzte eine Rückwärtsbewegung in Richtung Re ein, und die Sonnenscheibe Aton rückte dabei in den Vordergrung. Das Weltbild geriet in eine Krise, weil sich die Göttlichkeit der Welt so immer mehr auf die Sonne konzentrierte. Amenophis III. trieb diese „Neue Sonnentheologie“ voran und formte sie zum Königskult. Er und seine Parteigänger versuchten also, über die Stärkung des Gottes Aton das Königtum zu restaurieren. Amenophis IV., der sich bald Echnaton nennen sollte, war radikaler und ging noch weiter. So schwärmten plötzlich im ganzen Reich Trupps von Steinmetzen und Soldaten aus; ihr Auftrag: Zerstört alle Inschriften, in denen der Name „Amun“ vorkommt! Echnaton, der Aton-Anhänger, hatte den zu dieser Zeit mächtigsten Reichsgott verfemt. Auch Weihungen mit dem Plural „Götter“ fielen seinem Bildersturm zum Opfer. „Echnaton, der Ketzer-König, ließ die vielen Himmlischen aus dem ägyptischen Pantheon vertreiben. Bis an die Spitze des Obelisken hangelten sich die Zerstörer hoch, und selbst Privatgräber blieben nicht unversehrt.“ (Michael Zick, Der Glaube an den Einzigen, in: Bild der Wissenschaft, 11, 2002, S. 76). Echnaton machte also „eigentlich nichts anderes“, so Jan Assmann, als ein „Weltbild zu radikalisieren und zu institutionalisieren“. „Die Welt ist nicht mehr nur die Erscheinung des einen, verborgenen Gottes, sondern sie ist die Schöpfung der Sonne. Und weil Aton für den Menschen nicht direkt ansprechbar ist, kann man den Sonnengott nur über den König erreichen.“ (Michael Zick, ebd., 2002, S. 76). Echnaton sagte: Die anderen Götter gibt es nicht!  Vgl. oben

Echnaton, der mit Nofretete verheiratet war, hatte sich ganz der Religion gewidmet. Nachdem er verstorben war, wurde seine Neu-Religion wieder rückgängig gemacht, ebenso die Verlegung der Hauptstadt. Echnatons Schwiegersöhne Samenchkare und Tutanchaton kehrten nach Theben zurück. Echnatons Nachfolger Tutanchaton kehrte 1344 v. Chr. auch wieder zur Amun-Religion zurück und änderte seinen Namen in Tutanchamun. Nach Tutanchamuns Tod bestieg Eje den Thron. Nach ihm erhob sich Haremhab, ein nicht mit dem Königshaus verwandter ehemaliger General unter Echnaton, zum König, kämpfte erfolgreich gegen die Hethiter und schuf durch harte Gesetze Ordnung im Innern. Die religiöse Restauration wurde vollendet und die alten Kulte wieder hergestellt. Seitdem war Echnatons Zeit, die auch „Amarna-Zeit“ genannt wird, verfemt.


WEITER Zweiter Monotheismus bzw. Henotheismus: die Religion der Perser (Parsen)

Magi (Magier) hießen die Priester der altiranischen Religion und des von Zarathustra (Lebensdaten sind nicht genau bekannt: zwischen 1100 v. Chr. und 600 v. Chr.) gestifteten Parsismus (Mazdaismus) - auch Zoroastrismus genannt (Zoroaster [griechisch] = Zarathustra). Zarathustra war ein vor allem in Baktrien (Nordosten des alten Iran) wirkender prophetischer Reformator der altiranischen Religion und verstand sich als von seinem Gott Ahura Mazda berufener Verkünder einer monotheistischen Religion. Der Parsismus (Mazdaismus) entstand also in Persien und wurde im Awesta (Awesta), der heiligen Schrift der Parsen, in altiranischer Schrift niedergeschrieben. Die Grundanschauung des Parsismus (Mazdaismus) ist ein doppelter Dualismus von Gut und Böse und von geistiger und körperlicher Wirklichkeit. Dem guten Gott Ahura Mazda steht der böse Gott Ahriman gegenüber. Die parsistische Eschatologie erwartet den Sieg des guten Geistes über den bösen Geist, ein Endgericht und die Verklärung der Welt. Vor dem Weltgericht erwartet man das Kommen eines Heilands (Saoschjant). Für den Kult sind besonders die Reinigungsriten und der Feuerkult bezeichnend. Wegen der Heiligkeit des Feuers dürfen die Parsen ihre Toten nicht verbrennen und setzen sie deshalb auf den „Türmen des Schweigens“ aus, wo sie von Raubvögeln gefressen werden.

In der von Zarathustra gestifteten Glaubenslehre der alten Iranier wurde also zunächst der „weise Herr“ (= Ahura Mazda oder Ormuzd, mittelpersich: Ormazd) verehrt, dem dann später der böse Geist (Ahriman, später: Angromainyu) gegenübergestellt wurde. Jenem stehen als 6 gute Geister Weisheit, Wahrhaftigkeit, Herrschaft, Gesundheit, gute Gesinnung und Langlebigkeit zur Seite, diesem Trug und Zorn. Die Aufgabe des Menschen ist, Ahura Mazda im Kampf gegen Ahriman bezustehen, wobei der Einzelne für Zarathustra die Verantwortung für sein Tun, d.h. für den richtigen Gebrauch der genannten 6 Tugenden, allein trägt, daher jederzeit Unheil abwenden könne.

Friedrich Nietzsche (1844-1900) nannte sein wohl bekanntestes Werk nach Zarathustra, weil dieser
als erster „im Kampf des Guten und des Bösen das eigentliche Rad im Getriebe der Dinge“ gesehen habe.
Zarathustra und das „Land der Propheten“ wirkten als Bestandteil des „magischen“ Erbes auch auf das Abendland.
Sogar die „Jungfrauengeburt eines Endzeit Erlösers“ war schon „in den iranischen Ur-Mythen enthalten“ (Scholl-Latour).

Von Zarathustra zu Mani
Der Manichäismus entstand durch die Lehre des Persers Mani, 216 n. Chr. in Mardinu (Babylonien) geboren und 273 n. Chr. in Gandeschapur (Babylonien) auf Betreiben der Zarathustra-Priester gesteinigt. Der Manichäismus entwickelte sich aus iranischen (zarathustrischen), gnostischen, babylonisch-chaldäischen, jüdischen und christlichen Vorstellungen. Zarathustrisch ist Manis Lehre vom Kampf des Lichtes und der Finsternis, des Guten und des Bösen. (Vgl. Zarathustra). Die durch die Gnosis beeinflußte Sittenlehre des Manichäismus gebot strengste Enthaltsamkeit, besonders hinsichtlich Ernährung, Geschlechtsleben, Handarbeit. Da Mani als „Gesandter des wahren Gottes“ die bisherige Zarathustra-Religion verdrängen wollte, fiel er deren Priesterschaft zum Opfer. Der Manichäismus gewann trotzdem über das Sassanidenreich und später das Abbasidenreich hinaus östlich bis nach China, westlich bis nach Spanien und Gallien Einfluß. Augustinus (354-430), der den Manichäismus später heftig bekämpfte, war eine Zeitlang sein Anhänger gewesen.


WEITER Dritter Monotheismus bzw. Henotheismus: die Religion der Israeliten (Juden)

587 v. Chr. wurden die Israeliten (Juden) vom babylonischen König Nebukadnezar II. in die Gefangenschaft verschleppt und konnten erst 539 v. Chr., als der persische König Kyros II. (der Große) Babylonien eroberte, nach Palästina, das von da an zum Perser-Reich gehörte, zurückkehren. Verschleppung und Gefangenschaft hatten bewirkt, daß den Israeliten die Lehre des Zarathustra, der vorher schon eine monotheistische Religion gestiftet hatte, bekannt wurde. Die dritte monotheistische Religion entwickelte sich also wesentlich aus der Überlieferung der zweiten monotheistischen Religion. Am Anfang der israelitisch (jüdischen) Religion stand also nicht Abraham, sondern Zarathustra. Zarathustra

Die Israeliten verstanden ihre eigene Vergangenheit als Heilsgeschichte und entwickelten daraus ein festes Geschichtsbild, das zu einem der wichtigsten Merkmale und „Stützpfeiler“ der magischen Kultur werden sollte. (Vgl. Consensus). Übereinstimmungen als Kulturhauptmerkmal haben allerdings den Nachteil (oder Vorteil), daß sie, weil sie ihrer kulturimpliziten religiösen „Wahrheit“ über die gesamte eigene Kulturgeschichte hinweg zu entsprechen haben, deshalb ständig neu interpretiert und uminterpretiert werden müssen, was auch tatsächlich geschah bzw. geschehen mußte. Eine besonders stark an Bedingungen geknüpfte Geschichtsschreibung dient aber letzten Endes nicht der Wahrheitsfindung, sondern allenfalls dem eigenen Geschichtsbild, und in diesem Fall ist das ein Religionsbild bzw. ein religiös motiviertes Wunschdenken. Eher das Gegenteil beanspruchte die Antike für sich; um Erfahrung weiterzugeben, wollten die Griechen das Traditionsgut mit einem unbedingten Wahrheitsanspruch überliefern sowie Gründe und Zusammenhänge historischer Vorgänge aufzeigen (v.a. Herodot: ).

Gerade das Judentum zeigt ganz deutlich, daß es einen Monotheismus nie gab, nicht gibt und wohl auch niemals geben wird (MEHR), denn hatte nicht „der jüdische Gott eifersüchtig gegen die anderen Götter gestritten? Auch er kannte nur Freund und Feind, unter den Menschen wie unter den Göttern.“  (Rüdiger Safranski, Nietzsche, 2000, S. 351). Hier bestätigt sich wieder einmal, was schon Heraklit richig erkannt und gesagt hat: Der Krieg ist der Vater aller Dinge (Heraklit)! Und der Sieger drückt dem Verlierer nicht nur Demütigungen und Entschädigungen auf, sondern auch sein Geschichtsbild: das Geschichtsbild des Siegers! – Dies gilt insbesondere für Völker, die wie die Israeliten (Juden) die Geschichte nicht wegen der Wahheitsfindung (wie z.B. die apollinischen Antiken und noch mehr die faustischen Abendländer), sondern einzig und allein zugunsten des eigenen Heils, Vorteils, Nutzens u.s.w. betreiben, bei denen das Geschichtsbild ein Religionsbild bzw. ein religiös motiviertes Wunschdenken ist.

„Zur Zeit der seleukidischen Herrschaft über Israel wurde die Unzulänglichkeit der prophetischen, moralisch-autoaggressiven Unglücksverarbeitung so offenkundig, daß unvermeidlich nach neuen Wendungen im Umgang mit dem bedrängenden Elend gesucht werden mußte. Die erste bestand in der Entwicklung einer massiven militärischen Résistance, die an den Namen der Makkabäer geknüpft ist (die zugleich den Terror gegen Kollaborateure aus dem eigenen Volk einführten), die zweite in der Hervorbringung eines radikal neuen Schemas zur Auslegung der Weltgeschichte, für das man bis heute den Begriff Apokalyptik einsetzt.“ (Peter Sloterdijk, Zorn und Zeit, 2006, S. 142-143).

Im jüdischen Krieg gegen Rom war Jesus zunächst nichts anderes als einer der unzähligen jüdischen Guerilleros gegen die Römerherrschaft. In der Niederlage des Bar-Kochba-Aufstandes (132-135) bereiteten die Römer den Juden das erste Mal einen blutigen Holocaust, der mit einer vollständigen Tötung aller Aufständischen endete. Die Christen der Anfangszeit übernahmen die jüdische Tradition des Widerstands. (Es zeigt sich hierbei übrigens, daß in der Geschichte alle Positionen einem gewissen Wiederholungszwang unterliegen, als ob ein Ende der Geschichte niemals abzusehen wäre). In gewissem Sinne wollte ja auch der Nationalsozialismus den Herrschaftszynismus eines unbesiegbaren Gottesbündnisses von den Juden übernehmen, indem das deutsche Christentum als neuer Bund zwischen Gott und Deutschen der Versuch war, eine Neu-Religion zu stiften und gleichzeitig sich auf germanische Art rückzubinden an römische Reichs- und Staatsvorstellungen, ein ungeheurer Versuch der Geschichtsumschreibungen, jedenfalls mehr als nur gewöhnlicher Nationalismus. HeimatJuden und Nationalsozailismus

„Die Entwicklung des jüdischen Priesterstaates ist nicht original: sie haben das Schema in Babylon kennengelernt (es ist also persisch [parsisch Religion der Perser (Parsen)] und also: arisch [MehrMehrMehrMehr]! HB): das Schema ist arisch. Wenn dasselbe später wieder, unter dem Übergewicht des germanischen Blutes, in Europa dominierte, so war dies dem Geiste der herrschenden Rasse gemäß: ein großer Atavismus. Das germanische Mittelalter war auf Wiederherstellung der arischen Kasten-Ordnung aus.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 109 Nietzsche).


WEITER Vierter Monotheismus bzw. Henotheismus: die Religion der Christen

Das Christentum ist die auf dem Boden des Judentums in der Umwelt des Hellenismus entstandene Religion, die sich auf Jesus (7 / 4 v. Chr. - 26 / 30 n. Chr.) als ihren Stifter beruft. Jesus ist Urheber und zentrale Gestalt des Christentums. Für die Christen ist Jesus der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist, um die Menschheit zu erlösen. Durch seinen Tod am Kreuz hat Gott nach christlicher Auffassung offenbart, daß er durch Jesus Christus sich den Menschen gleichgestellt hat, indem er Mensch wurde bis zum Tod. Dabei hat er sich jedoch durch seinen Tod den Menschen nicht nur gleichgesetzt, sondern hat durch seine Auferstehung von den Toten den Tod überwunden. Den israelitisch-jüdischen Glauben an die Majestät, Jenseitigkeit und Unnahbarkeit Gottes erweiterte (und modifizierte) das Christentum zum Glauben an die Dreieinigkeit: Gott wird Mensch in Jesus von Nazareth und durchdringt als Heiliger Geist die Kirche. Zum Alten Testament trat das Neue Testament, das die Verkündigung über Leben und Lehre Jesu sowie über die Heilsbedeutung seines Kommens, seines Kreuzestodes und seiner Wiederkunft am Jüngsten Tag enthält. Die Verkündigung ruft alle Menschen zur Änderung ihres Verhaltens auf, zum Beispiel von der Eigenliebe zur Nächstenliebe, die nicht nur die auch in anderen Religionen gebotene Liebe zum Mitmenschen (dessen Leid man sich in solidarischem Handeln annehmen soll) umfaßt, sondern die darüber hinausgeht, indem das Liebesgebot zum Gebot der Feindesliebe erweitert wird. Das Christentum entstand im 1. Jh. in der juden-christlichen Gemeinde in Jerusalem. Vor allem durch die Missionstätigkeit des Paulus (um 10 - 66 oder 67) breitete es sich rasch in der hellenistischen Welt aus. Die Einheit der römischen Christengemeinde bestand im 1. Jahrhundert noch vorwiegend aus bekehrten Juden, die zuvor schon hellenisiert worden waren. Und unter Papst Klemens I. (reg. um 88-97) bekehrten sich sogar auch führende Angehörige des römischn Adels und Kaiserhauses zum Christentum. (Vgl. „Klemensbrief“ und „Primat“).

„Rom wollte immer herrschen, und als seine Legionen fielen, sandte es Dogmen in die Provinzen.“
(Heinrich Heine, Die Nordsee, in: Reisebilder, 1826, S. 73).

Was die christliche Kirche im Abendland - sozusagen als „Großtheotop des Okzidents“ - angeht, so hielt sich in ihr „noch lange Zeit die Idee lebendig, daß Menschen als Medien eines nicht allzu fernen Jenseits zuweilen über Sonderbegabungen wie Hellsicht, Heilkraft oder Zungenreden verfügen; was Paulus zu diesen »Gnadengaben« zu sagen hatte, beschränkt sich auf die Forderung nach deren vernünftiger Unterordnung unter den Kult des Herrn.“ (Vgl. 1. Brief an die Korinther, 12, I-II; 28-31).

Als das religiöse Schema der Arier (Indogermanen) im Mittelalter noch oder, wie es bei Nietzsche heißt, „wieder, unter dem Übergewicht des germanischen Blutes, in Europa dominierte, so war dies dem Geiste der herrschenden Rasse gemäß: ein großer Atavismus. Das germanische Mittelalter war auf Wiederherstellung der arischen Kasten-Ordnung aus.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 109 Nietzsche). MehrMehrMehrMehr

Heidnisch – christlich. – Heidnisch ist das Jasagen zum Natürlichen, das Unschuldsgefühl im Natürlichen, »die Natürlichkeit«. Christlich ist das Neinsagen zum Natürlichen, das Unwürdigkeits-Gefühl im Natürlichen, die Widernatürlichkeit.“ (Friedrich W. Nietzsche, Der Wille zur Macht, S. 111 Nietzsche). Vgl. hierzu auch Guillaume Faye, der will, daß Europa wieder heidnisch, also neoheidnisch werde: MehrMehrMehrMehrMehrMehrMehrMehrMehrMehrMehr

 


- Abendländische Glaubenswelt -
- RÖMISCH-CHRISTLICHES ERBGUT und GERMANISCHE KONTROLLGENE -
WEITER Römisch-katholische Interpretationen attestieren dem Abendland zumeist, daß in ihm die Dominanz des Christlichen überwiege. Diese Meinung teilen vor allem kirchliche und vornehmlich christlich orientierte Vertreter. Theodor Heuss (31.01.1884 - 12.12.1963) soll einmal gesagt haben, daß Europa von 3 Hügeln ausgegangen sei: von der Akropolis, von Golgatha und vom Kapitol. Diese Sichtweise würde eher, wenn vielleicht auch nicht beabsichtigt, auf eine Dominanz der Antike verweisen. Wenn man jedoch berücksichtigt, daß aus einem antik-apollinischen Einzelkörper und einer magisch-seelengeistigen Welthöhle ein abendländisch-faustischer Unendlichkeitsraum entstehen kann, dann muß unbedingt ein dritter Faktor hinzukommen, den ich die Kulturpersönlichkeit nenne: das Germanentum. Ohne das Germanentum versteht man die Willensdynamik eines Faust nicht, und ohne das germanische Element ist die Raumtiefe, aber auch die in jeder Hinsicht sowohl ins Mikrokosmische als auch ins Makrokosmische gehende Unendlichkeit nicht als distinktives Merkmal der abendländischen Kultur zu identifizieren. Diese Merkmale treffen auf keinen antiken Menschen zu, aber insbesondere auf die Abendländer, die germanischen Ursprungs sind. Scharfe Gegensätze, wie die zwischen Antike und Abendland, sind zwar unbedingt ein Indiz für Verwandtschaft, weil beide Kulturen so auffallend gegensätzlich sind: aktiv und reaktiv. Offenbar hat die Antike auf das Abendland aber nicht persönlichkeitsstiftend gewirkt und konnte auch erzieherisch nicht tätig werden, weil sie so früh verstarb. Die Biogenetik und Sozialisation geraten nicht selten so weit auseinander, wenn ein Elternteil früh verstirbt, d.h. nicht wirklich erlebt wird. Dem Abendland scheint es auch so ergangen zu sein. Die Auseinandersetzungen mit der magischen Mutter hat beim Kind jedoch zu einer enormen, fast schon verdächtigen Erinnerung bis hin zur Vergötterung des antiken Vaters Beitrag geleistet. Aber liegt deshalb immer auch schon ein Vaterkomplex vor?  Es bleibt zunächst festzuhalten, daß auch kulturell zwischen Genetik und Sozialisation, zwischen Anlage und Umwelt, zwischen angeboren und anerzogen ganz klar unterschieden werden muß. Dazwischen bewegt sich die Persönlichkeit. Man kann sie nicht isolieren, folglich auch nicht isoliert betrachten, aber man kann sie beschreiben, und ich beschreibe die Kulturpersönlichkeit des Abendlandes als germanisch, weil dieser Raum zwischen Anlage und Umwelt für die Kulturpersönlichkeit zwanghaft unendlich werden muß, wenn sie die verlorene Vaterkultur zurückholen will. Der unendliche Raum und Wille sind auch deshalb Ursymbol und Urwort des Abendlandes. Wenn der Mensch eine Grundlage von etwa 60 Billionen Zellen hat und einer Umwelt von praktisch unendlicher Vielfalt ausgesetzt ist, so gilt für eine Kultur, daß sie Völker, Staaten oder Nationen zur Grundlage hat und einer Umwelt von unendlichen Möglichkeiten, aber auch gähnender Leere gegenübersteht. Mit dem Germanentum fiel eine faustische Entscheidung zugunsten der unendlichen Möglichkeiten. Die Eltern des Abendlandes waren also antik-magisch, ihre gentragenden Chromosomen römisch-christlich, aber die Kontrollgene germanisch. (Vgl. 22-24). Theologie Philosophie

NACH OBEN WEITER 1) Das Christentum im „Winter“ des Abendlandes.

Die Geschichte der Christentums umfaßt ja die Auswirkungen des Glaubens an Person und Wirken Jesu Christi (7 / 4 v. Chr. - 26 / 30 n. Chr.), wie er von den christlichen Kirchen und Gemeinschaften in der Auseinandersetzung mit fremden Religionen, den geistigen und weltanschaulichen Strömungen der verschiedenen Zeiten sowie mit den politischen Mächten entwickelt worden ist. In Rom galt die christliche Gemeinde zunächst als jüdische Sekte. Der römische Staat entzog dieser schnell wachsenden Gemeinschaft bald die religiösen und rechtlichen Privilegien, die er dem Judentum gerade eingeräumt hatte. Erst seit dem 2. Jahrhundert bildete der Primat (Vorrang) des Bischofs von Rom (also: des Papstes) in der Kirche sich allmählich heraus, und die Auseinandersetzung mit dem Römischen Reich wurde intensiv seit der Mitte des 3. Jahrhunderts geführt. Auf das Toleranzedikt des Galerius und Licinius, 311, folgte die Bekehrung Konstantins und mit dem Toleranzedikt von Mailand (313) die Einstellung der Christenverfolgungen. Konstantin der Große machte das Christentum zu der mit allen zeitgenössischen Kulten gleichberechtigten und schließlich zur allein berechtigten Religion im Reich (Konzil von Nicaea, 325). Damit hatte er eine Entwicklung eingeleitet, die zur Entstehung der Reichskirche als einer vom Reich letztlich abhängigen Einrichtung führte. Durch den oströmischen Kaiser Theodosius I. wurde 380 mit dem Edikt von Thessalonike der Athanasianismus (Katholizismus) begründet, im 1. Konzil (= 2. Ökumenisches Konzil, 381) von Konstantinopel das (konstantinopolitanische) Glaubensbekenntnis formuliert und das Nizänum bestätigt, 391 das Christentum überhaupt Staatsreligion, damit alle heidnischen Kulte verboten. 395 teilte sich das Reich in West- und Ostrom, 455 eroberten die Wandalen Rom und 476 erlosch das Weströmische Reich endgültig mit der Absetzung des Romulus Augustus durch den Germanen Odowaker (Odoaker), aber die römische Kultur wurde von den Eroberern nicht zerstört, die arianische Christen waren und mit der unterworfenen Bevölkerung, die römisch-katholisch war, die erste und für die Christen-Geschichte wichtigste Verschmelzung eingingen. Für die geschichtliche Erkenntnis Jesu ist man nahezu ausschließlich auf die Evangelien des Neuen Testaments angewiesen. Derjenige, der das Christentum erst zur Weltreligion machte, war Paulus. (Vgl. 22-24). Faktisch ihm, ideologisch Petrus folgten die Päpste, während die Kirchenväter (Patristen) durch ihre Philosophie und Theologie - die Patristik - zu den geistig-religiösen Führern des Christentums aufstiegen: Apostolische Väter, Apologeten, (erste theologische) Systematiker, Dogmatiker und (erste abendländische) Kirchenpolitiker, darunter auch Hilarius von Poitiers (310-367) und der aus Trier stammende Ambrosius (340-397), ebneten den Weg zur Scholastik. Diese nun wirklich christliche Gelehrtenschule brachte nicht nur die ersten abendländischen Scholastiker hervor, sondern auch den letzten Kirchenvater, den Engländer Beda Venerabilis (674-735). Das Papsttum ist Amt und Institution des Oberhauptes der katholischen Kirche, des Papstes, dem Nachfolger des Apostels Petrus (Bischof von Rom), der von Jesus eingesetzt wurde (Matth. 16;18,19). Die Vorrangstellung des Bischofs von Rom in Fragen der Lehre und Disziplin trat in den ersten Jahrhunderten allmählich deutlicher hervor, obgleich in der alten Christenheit die höchste Autorität beim ökumenischen Konzil lag. Ein Aufstieg des Papsttums als Institution begann mit Cölestin I. (422-432) und erreichte einen ersten Höhepunkt mit Leo I. (440-461). Nach dem Untergang des Römischen Reiches war die Taufe des Frankenkönigs Chlodwig I. (etwa 498) für die Entwicklung des Reichskirchensystems von entscheidender Bedeutung. Aufgrund dieser Vorbedingungen konnte Gregor I. am Ende des 6. Jahrhunderts die (faktisch) weltliche Macht des Papsttums und die Entwicklung des Patrimonium Petri zum späteren Kirchenstaat einleiten, die durch reiche Schenkungen seitens der Karolinger im 8. Jahrhundert gefördert wurde, nachdem die angelsächsischen Missionare des 7. und 8. Jahrhunderts die Bindung zwischen Papst und Franken noch vertieft hatten. (Vgl. Kult-Uhr). Theologie Philosophie

NACH OBEN WEITER 2) Das Christentum im „Frühling“ des Abendlandes.

Ähnlich der Bindung, die auch ein Kind nach der Geburt, also nach der Entbindung von der Mutter, eingehen muß, um in der Außenwelt überleben zu können, verhielt es sich auch mit der Bindung zwischen Papst und Franken. Ein Kind kommt auf die Welt und erfährt mit der ersten außenweltlichen Bindung eine Prägung. Analog dazu kam das Abendland nach den ersten Wehen und dem Sieg über die Araber durch den karolingischen Hausmeier Karl Martell (732) über eine Entbindung zur Neubindung. Das Abendland kam zur Welt mit der Lossagung des Papstes von Byzanz und der prägenden Bindung zwischen Papst und Franken: 754 durch Stephan II. und Pippin III. (d.J.), 781/787 durch Hadrian I. und Karl d. Gr. sowie 800 durch Leo II. und Karl d. Gr.; es war die Verweltlichung der Kirche und die Beseelung der abendländischen Welt. Das Neugeborene war endlich da. Die nächsten Jahrhunderte sollten unter Beweis stellen, daß dieses Kulturkind auch Stehvermögen erlangt hatte. Der Frühling des abendländischen Christentums, war auch gekennzeichnet durch die Christianisierung der Ungarn, Slawen und Balten. Weil die Kirche die Hoheit über den Staat erlangt hatte, konnte, auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung, der Papst als der Herr der Welt, als trotzendes Selbst erscheinen und die Fürsten und die Bischöfe als seine Untergebenen betrachten. Der christliche Glaube schien in geistiger Hinsicht die EINE Weltanschauung zu sein, mit der alle Probleme des Lebens gelöst werden sollten. Im Zusammenhang mit dieser monopolartigen Machtstellung stellten sich in der Kirche Verfallserscheinungen ein, die den Ruf nach einer Reform an „Haupt und Gliedern“ (d.h. an Papst und Kirche), laut werden ließ. Dies war auch ein Ruf nach dem Kultursymbol. Durch das 2. Große Schismavon 1378-1417 wurde das Abendland in zwei Lager aufgeteilt. Häresie, Irrlehren, Hexenwahn, gepaart mit Aberglauben, nahmen genauso zu wie die Forderungen nach Reformation. Die Pariser Professoren D'Ailly und Gerson, die zur Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern aufgerufen hatte, forderten ein allgemeines Konzil, weil die Vertretung des Gotteswillens nicht Sache des Papstes, sondern die der Gesamtheit aller Gläubigen sei. Diese konziliare Theorie gewann Anhang. Auf dem Konzil zu Pisa (1409) wählten die Kardinäle beider Richtungen einen dritten Papst. Auf dem Konzil zu Konstanz, wo 33 Kardinäle, 900 Bischöfe und 2000 Doktoren unter kaiserlichem Vorsitz, dem Wittelsbacher Sigismund, anwesend waren, stimmte das Konzil nach vier Nationen ab: deutsch, französisch, englisch und italienisch. Es erklärte sich zuständig für die Einheit der Kirche, die Absetzung der noch amtierenden Päpste, die Neuwahl Martins V., die Reinheit der Lehre und Reform der Kirche, die aber vertagt werden mußte. (Vgl. Kult-Uhr). Theologie Philosophie

NACH OBEN WEITER 3) Das Christentum im „Sommer“ des Abendlandes.

Die Zeit der Reformation war nun gekommen. Es kam zur Umbildung der gesamten Kirche. An die äußeren Formen des christlichen Glaubens hat Luther die Kriterien der Bibel und des biblisch begründeten Glaubens angelegt. Er konnte aber infolge der auf dem Reichstag zu Worms (1521) bekundeten Haltung des Kaisers Karl V. die Reform der Kirche für das Reich nicht durchführen. Diese mußte nun den Weg über die Länder nehmen, so daß es zur Entstehung territorial begrenzter Landeskirchen kam. Auf dem Reichstag zu Augsburg (1530) legten diese Landeskirchen ein erstes grundlegendes Bekenntnis ab, das Augsburger Bekenntnis, und sie fanden im Augsburger Religionsfrieden (1555) ihre reichsrechtliche Anerkennung. Die Reformation in der Schweiz vollzog sich zunächst unter dem Einfluß Zwinglis, dann aber vor allem Calvins. (Vgl. Calvinismus). Calvin gab dem hier entstehenden Kirchen Lehre, Verfassung und kirchliche Ordnungen. In England kam es nach der Verwerfung der obersten Leitungsgewalt (Suprematie) des Papstes zur Entstehung der anglikanischen Kirche. Im deutschen (also auch schweizerischen) Protestantismus trennten sich die Täufer und die Spiritualisten von den reformatorischen Kirchen, wobei sie schließlich wegen ihrer z.T. radikalen Versuche, das Reich Gottes auf Erden zu verwirklichen, von den offiziell anerkannten Kirchen verfolgt wurden. Den Mittelpunkt der durch die Reformation ausgelösten Gegenreformation bildete das Konzil von Trient (1545-1563), auf dem die Lehren des Katholizismus gegenüber denen der evangelischen oder protestantischen Kirchen fixiert wurden. Im Zuge der der missionarischen Ausbreitung des Christentums während der Kolonialisierung fanden vielfach auch Begegnungen mit fremden, einheimischen Religionen statt, und auf der Grundlage von durch Missionare und Reisende erhobenen Tatsachen aus fremden Religionen entstand das Bewußtsein einer religiösen Vielfalt, die zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit fremden Religionen und damit zur Entstehung einer neuzeitlichen Religionswissenschaft führte. Der Begründer des Rationalismus und „Vater der neueren Philosophie“, René Descartes, sah im Auftreten der Idee Gottes einen Beweis für Gottes Dasein. „(Ego) cogito, ergo sum“ - das Denken wurde durch Descartes selbstreflexiv. Universalgelehrter des Barock bzw. des Absolutismus, wahrscheinlich sogar der mächtigste Geist des Abendlandes überhaupt, war Gottfried Wilhelm Leibniz. Tiefe Religiosität war die geistige Grundlage des Barockmeisters Johann Sebastian Bach. Sie trägt im Grunde auch seine nichtkirchlichen Werke, obwohl in ihnen oft eine gesunde Lebensfreude durchbricht. Aus dem religiösen Erlebnis wuchs in Bachs Musik das Gotisch-Mystische: immer wieder bricht es durch das barocke Zeitgewand (Arie, Affektdarstellung, Madrigalismen, Ornamentik, Dynamik). Der auch aus religiösen Gründen geführte Dreißigjährige Krieg (1618-1648) führte zur innerlichen Auflösung des Deutschen Reiches in einen Staatenbund, der die Zentralgewalt des Reiches abwehren sollte - ein Trauma, an dem Deutschland heute noch leidet („Kleinstaaterei“). Dieser „absolutistische“ Krieg brachte Pest und Verwüstung, der ein Drittel der deutschen Bevölkerung zum Opfer fiel. Der rasche Wiederaufbau in Deutschland war mit der Leistung der Reichsfürsten verbunden. Im geistigen, also auch religiösen Bereich ging man auch an den Wiederaufbau und widmete sich nach dem Schock durch Krieg, Pest und Verwüstung vermehrt einer aufklärerischen weltlichen Ethik. Sie erreichte schließlich, d.h. im abendländischen Sommer-Herbst-Übergang, die Tag-und-Nacht-Gleiche namens Kant. (Vgl. Kult-Uhr). Theologie Philosophie

NACH OBEN WEITER 4) Das Christentum im „Herbst“ des Abendlandes.

Kant schrieb im „Beschluß“ der Kritik der praktischen Vernunft von 1787: „Zwei Dinge erfüllen mein Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestimmte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“ Noch einmal flackerte die religiöse Flamme leicht auf, als z.B. Hegel in seiner Phänomenologie des Geistes eine Hauptfigur des gnostischen Mythos als vermittelnden und dienenden Retter auftreten ließ. Er heilt Hegels „unglückliches Bewußtsein“, indem er es zur Vernunft bringt. Auch die von Heidegger unternommene Analyse der entfremdeten Existenz und seine Lehre von der Umkehr aus der Verfallenheit und Uneigentlichheit hin zur Eigentlichkeit entspricht gnostischen Vorstellungen. Aber das Christentum hatte sich mit antireligiösen Ideologien und Weltanschauungen auseinanderzusetzen, obwohl diese auch die Besinnung auf das Gemeinsame unter den christlichen Konfessionen förderten und wesentliche Impulse für die Ökumenische Bewegung lieferte. Diese entstand im 20. Jh. als eine Einigungsbewegung der christlichen Kirchen, nachdem es bereits im 19. Jh. Vorarbeiten durch Laienbünde wie den Christlichen Verein Junger Männer und den Christlichen Studentenweltbund gegeben hatte. Die Ökumenische Bewegung orientierte sich an den frühchristlichen ökumenischen Konzilen. Ihr Ziel ist die Einheit der Kirchen in der Verkündigung Jesu Christi und im Dienst der Welt. 1910 fand eine Weltmissionskonferenz in Edingburgh statt, als deren Ergebnis 1921 der Internationale Missionsrat gegründet wurde. 1948 wurde der Zusammenschluß zum Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) möglich, der seither das tragende Instrument der Ökumenischen Bewegung ist. Seit dem Pontifikat Johannes' XXIII. klappte es auch besser mit der Zusammenrabeit zwischen dem ÖRK und dem Vatikan. Das 21. Ökumenische Konzil (Vatikan II: 1962-1965) befaßte sich u.a. mit folgenden Themen: liturgische Erneuerung, Offenbarung, Kirche in der Welt von heute, Kollegialität der Bischöfe, Religionsfreiheit, Ökumenismus, Kommunikationsmittel. Der katholische Theologe Hans Küng (*1928) nahm an diesem sogenannten 2. Vatikanischen Konzil teil, verfaßte zahlreiche Werke zur reformatorischen Rechtfertigungslehre, zur Frage der Wiedervereinigung der Kirchen und zum Verhältnis von Kirche und Welt. Vor allem durch seine kritische Haltung zur Unfehlbarkeit des Papstes ist Küng in der katholischen Kirche umstritten. Nach dem Entzug der kirchlichen Lehrbefugnis erhielt er den (außerhalb der theologischen Fakultät geschaffenen) Lehrstuhl für ökumenische Theologie in Tübingen. Wurde hier Religion mißbraucht? Und wenn ja, von wem? Sloterdijk nannte 1983 in seiner Kritik der zynischen Vernunft 6 Kardinalzynismen - militärisch, staatlich (vormachtlich), sexuell, medizinisch, religiös, wissenschaftlich - und 2 Sekundärzynismen - informativ (sensationsjournalistisch), tauschartig (kapitalgesellschaftlich). Für alle 8 Zynismen gibt es nach Sloterdijk auch korrespondierende „Kynismen“. Die Religion könne z.B. zynisch als Herrschaftsinstrument mißbraucht werden und zugleich kynisches Medium der Emanzipation sein. (Vgl. Kult-Uhr). Theologie Philosophie

 

RegionChristen (Stand: 2010)
AnzahlG. AnteilWachstum
Europa + Rußland 514,1 Mio.70,4 %– 0,4 %
Asien345,8 Mio.   8,5 %+ 3,7 %
Afrika400,9 Mio. 48,3 %+ 2,8 %
Angloamerika270,0 Mio.79,2 %+ 0,7 %
Lateinamerika506,2 Mio. 91,6 %+ 1,5 %
Australien / Pazifik  23,3 Mio.73,3 %+ 0,7 %
Welt2060,3 Mio.  30,0 % + 1,4 %
30 % der Weltbevölkerung sind Chisten - die Zahlen beruhen aber nur auf Schätzungen (z.B. auf denen der UNO), weil ja die Definitionen, wer als Christ mitzuzählen sei und wer nicht, auseinandergehen. Nur in Europa und Rußland, wo auch die Zahl der Einwohner insgesamt abnimmt, nimmt die Zahl der Christen ab, jedoch die Zahl der Nichtreligiösen, Moslems, Buddhisten, Hinduisten und anderer Glaubenskollektive zu.
Glaubensgemeinschaften (Anteile in %) Religionsgruppen
• Konfessionen in Deutschland •


Philosophie
Spät-Denker
Hoch-Denker
Früh-Denker
Vor-Denker
Ur-Denker
Glaube (Religion, Theologie)

 

- In den Fängen der Sonnenwende und der Tag-Nacht-Gleiche -

In einem Kulturzyklus eilt die Religion voraus vom ersten Quartal zum zweiten Quartal,
in der zweiten Hälfte des Kulturzyklus beginnt sie die rückwärtsgewandte Reformation,
während jetzt die Philosophie vom ersten zum zweiten Quartal eilt, die Religion überholt
und sich sodann auf den Weg macht zu ihrer eigenen rückwärtsgewandten Reformation.
(*)

H.B.

 

Anmerkungen:

 

(I) Natürliche Sprache ist die Sprache, die der Kosmos (oder das Universum) spricht: „Feuer“ (z.B. Energie, Strahlung, Licht, Wärme, Sonne, „Leben und Tod“ u.s.w.). Feuer birgt jede Art von Symbolik in sich. Jedes Symbol ist ein Teil des Feuers - auch der Feuergebrauch (= Feuer als 1. Kultursymbol Erstes Kultursymbol).

(II) Natürlich-kulturelle Sprache ist die Sprache aller Lebewesen (allgemein auch „Sprachverhalten“ genannt). Sie beruht auf der Genetik (Biologie und Sprache), ist also bereits intrauterin festgelegt. Ihre Funktion besteht v.a. darin, die Voraussetzungen, den Anteil des „Angeborenen“ (vgl. Nativismus Nativismus (Sprache)) an der rein kulturellen Sprache (Kulturelle Sprache) zu schaffen.

(III) Kulturelle Sprache ist die natale und zugleich nationale Sprache, also: eine nat(ion)ale Sprache. Als nationalelektrische oder nationalneurologische Bibliothek im Menschen ist sie die Grundlage menschlichen Denkens. Nationen sind sozusagen politische Mutterinstanzen (daher auch der Zusammenhang zwischen Natalität und Nationalität). Weil im Uterus ein Sprachtraining nur im Rahmen der natürlich-kulturellen Sprache (Natürlich-kulturelle Sprache) möglich ist, kann ein Kind es erst in der geeigneten „Atmosphäre“ praktizieren und erst nach dem Verlassen des Uterus eine kulturelle Sprache erlernen (erwerben). Spracherwerb

IV) Kulturell-natürliche Sprache ist die Sprache, die den Menschen am meisten charakterisiert, aber selbst dem Menschen noch die größten Rätsel aufgibt, weil sie eine „Metasprache“ und rein theoretisch ist. Sie ist kulturell insofern, als daß sie nur durch kulturelle Konventionen darstellbar ist; sie strebt ins Natürliche insofern, als daß sie den Versuch darstellt, Kultur und Natur komplett zu verstehen (z.B. durch eine „Weltformel“ oder eine „Universalsprache“). Große Vereinheitlichte TheorieWeltformel

Ist Religion also in erster Linie die Beschäftigung mit der Gewalt?  Ist Religion das Geschäft mit Gewalt, mit Krieg?  Ist Religion nur eine kultivierte Form des Krieges?  Was wir kultisch wiederholt und sorgfältig beachten, weil es doch passiert, ist nämlich tatsächlich hauptsächlich Gewalt und Krieg! Also doch: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ (Heraklit) !

Vgl. Peter Sloterdijk, Das Thanatotop, in: Sphären III - Schäume, 2004; S. 441-468.

Weil frühe Menschen großen Raubtieren zum Opfer fielen, wurden vielleicht auch blutrünstige Tiere und blutrünstige Götter in Zusammenhang gebracht, faszinierende Tiere zu kultureigenen Göttern gemacht (was einer symbolischen Zähmung der Raubtiere durch ihre potentielle Beute gleichkommt), Naturkatastrophen als Astroterror mit Götterterror gleichgesetzt sowie das Fasziniert-sein-Wollen durch befremdliche Götter befriedigt. Demanach wäre die Domestikation der Tiere der Domestikation der Götter vorausgegangen. (Vgl. Gabriel Tarde, Die Gesetze der Nachahmung, 1890, S. 303 und ff. ). Fern wie ein Himmelskörper und schrecklich wie ein Gott zu sein: dies könnten schon damals Bedingungen gewesen sein, die „ein heiliger Gegenstand erfüllen muß, um im affektiven Register des religiösen Masochismus erfolgreich zu wirken. ... Um die archaischen revierbewußten Götter auf Distanz zu halten, entsteht in den frühen Theotopen die Funktion des Priesters: Als Grenzpolizist der Sphäre der Lebenden ist er mit der Aufgabe betraut, die Razzien der anderen Seite einzuschränken. Die sicherste Methode zur Abfindung der Jenseitigen, die ihren Teil fordern, scheint das Opfer gewesen zu sein, das quasi einen Elementargedanken der frühen Theotopier ausdrückt. Sie alle waren gewohnt zu glauben, daß die Zahlung einer Toten- und Fremdensteuer zu ihren anerschaffenen Pflichten gehörte - die ersten Finanzämter waren zweifellos die paläolithischen Opfersteine (), an denen die ahnungsvolle Angst ihre Abgaben entrichtete.“ (Peter Sloterdijk, Das Thanatotop, in: Sphären III - Schäume, 2004; S. 451 und S. 453).

„Daher spricht vieles dafür, in dem, was man später den Aberglauben nennt, eine der Grundformen der religiösen Mentalität zu sehen: superstitio bedeutet bei den Römern soviel wie »ängstliche Aufmerksamkeit in religiösen Dingen« - sie ist gewissermaßen die neurotische Variante der skrupulösen Gewissenhaftigkeit (religio), mit der die Zeichen, die Prodigien und Omina sowie die Ritualvorschriften zu beachten sind.“ (Peter Sloterdijk, Das Thanatotop, in: Sphären III - Schäume, 2004, S. 445).

Der Priester (seine Funktion) entstand wahrscheinlich, um die (archaischen) revierbewußten Götter auf Distanz zu halten: „Als Grenzpolizist der Sphäre der Lebenden ist er mit der Aufgabe betraut, die Razzien der anderen Seite einzuschränken. Die sicherste Methode zur Abfindung der Jenseitigen, die ihren Teil fordern, scheint das Opfer gewesen zu sein, das quasi einen Elementargedanken der frühen Theotopier ausdrückt. Sie alle waren gewohnt zu glauben, daß die Zahlung einer Toten- und Fremdensteuer zu ihren anerschaffenen Pflichten gehörte - die ersten Finanzämter waren zweifellos die paläolithischen Opfersteine (), an denen die ahnungsvolle Angst ihre Abgaben entrichtete.“ (Peter Sloterdijk, Das Thanatotop, in: Sphären III - Schäume, 2004, S. 453).

Kastenwesen in Indien (): Die Bezeichnung für Kaste ist das einheimische Wort Jati (sanskrit: „Kaste“) bzw. Jata [sanskrit: „Rasse“). Es gibt in Indien zwar viele tausend Kasten bzw. Unterkasten, aber eigentlich eben doch nur jene vier Kasten, die die gesellschaftlichen Gruppen oder Kategiorien der Hindu-Gesellschaft darstellen: (1Brahmanen, (2) Kschatriyas, (3) Vaischyas, (4) Schudras (Sudras). Diese Unterteilungen stammen aus der Zeit der Besiedlung in Nordindien durch die Arier. Sie bedeuten eine Festlegung des gesellschaftlichen Status nach Geburt und Abstammung bzw. nach Varna (sanskrit: „Farbe“) im Zusammenhang mit der Ordnung nach Berufsgruppen. (1) Die Brahmanen bilden die Kaste der Priester und Gelehrten; sie studieren die heiligen Schriften der Veden, erteilen geistlichen Unterweisung und führen die rituellen Opfer aus. (2) Die Kschatriyas bilden die Kaste der Krieger; sie sollen die Schwachen schützen, als Könige gerecht regieren und den Brahmanen Schutz und Ermunterung bei ihrem Gelehrten und priesterlichen Arbeiten gewähren. (3) Die Vaischyas bilden die Kaste der Händler und Hirten; sie sollen den Reichtum des Landes durch Handel und Landwirtschaft vermehren. (4) Die Schudras bilden die Kaste der Diener; sie sind Nichtarier und sollen als Bedienstete für die Brahmanen, Kschatriyas und Vaischyas arbeiten. Zu den vier Kasten der Hindu-Gesellschaft kann man dem Wort nach die „Nichtkaste“, die „Kastenlosen“ zwar nicht zählen; doch weil ihre Existenz in der Logik der Sache liegt, sollten sie wenigstens in diesem Sinne dazugezählt werden: als die (zwar „kastenlose“, aber trotzdem) fünfte und (zwar „Nichtkaste“, aber trotzdem) niedrigste Kaste, nämlich die der Unberührbaren (Parias). Die Inder betrachten die Unberührbaren also entweder als eine fünfte Kaste oder aber als Teil der vierten Kaste - (4) Schudras -, indem sie diese in zwei Segmente, nämlich (4a) „rein“ und (4b) „unrein“ untergliedern (Unberührbare als Unreine). Die drei oberen Kasten - (1) Brahmanen, (2) Kschatriyas, (3) Vaischyas - werden auch „Zweimalgeborene“ genannt, weil die männlichen Familienmitglieder sich einer Schnurzeremonie (Upanayana) unterziehen, die eine spirituelle Wiedergeburt impliziert und den Übergang in das Erwachsenenalter und das Studentenleben (Aschrama) markiert. Lesen Schreiben und Streben nach Erkenntnis werden für die Lebensweise der Schudras als irrelevant betrachtet, so daß diese Kaste von der Schnurzeremonie ausgeschlossen ist. Wie schon gesagt: In Indien werden die gesellschaflichen Gruppen oder Kategorien Jati (Kaste) oder Varna (Farbe) genannt; da das Wort Jati von Jata (Rasse) abgeleitet ist und Varna „Farbe“ bedeutet, ist die Folgerung richtig, daß das System einen beobachtbaren Unterschied in der Erscheinungsform zwischen den hellhäutigen arischen, edlen Eroberen aus dem Norden und und den dunkelhäutigen einheimischen, besiegten Bewohnern (Dasas [sanskrit] = „Sklaven“) widerspiegelt. Eine Textstelle im Rig-Veda rät von Ehen zwischen hellen und dunklen Personen ab; und der Gelehrte Patanjali stellte im 2. Jh. fest, blondes Haar sei ein Kennzeichen der Brahmanen, obwohl dies zu seiner Zeit wahrscheinlich äußerst selten gewesen sein dürfte. Das Varna eines Einzelwesens und in diesem wiederum seine Kaste verleihen ihm seinen zugewiesenen Status in der Gemeinschaft; es wird in ihm bzw. in der Kaste geboren und bleibt in ihm während seines ganzen Lebens - es sei denn, es wird für irgendein Vergehen zum Kastenlosen gemacht. Auch im heutigen Indien bildet der Varna einen hierarchischen Rahmen für die Kasten, obwohl niemand mehr gezwungen wird, die seinem Varna zugewiesene Beschäftigung anzunehmen.

Veda (sanskrit: „Wissen“) ist der Korpus des heiligen Wissens, das als die Grundlage des wahren Glaubens und der richtigen Praxis bei den Hindus gilt. Noch vor 2000 v. Chr., am Ende der Indus-Kultur, wanderten die Arier nach Nordindien ein, die den weiteren kulturellen Verlauf maßgeblich prägten. Einige indische Historiker sind jedoch der Meinung, daß die Arier ein schon ansässiger Stamm gewesen seien, der zu dieser Zeit die Oberherrschaft erlangen konnte. Zu den ältesten erhaltenen Schriften Indiens gehören der Rig-Veda, der Sama-Veda, der Yajur-Veda und der Atharva-Veda sowie einige astronomische Texte. Die ältesten indischen Texte können nicht mit Bestimmtheit datiert werden. Sie erlauben einen Einblick in das frühe religiöse Leben, das von Tier- und Pflanzenopfern, rituellen Waschungen und Hymnen an die Götter bestimmt war. Noch heute im Hinduismus bekannte Götter (Brahma, Wischnu, Saraswati) werden dort bereits verehrt, wenngleich sie damals noch nicht zu den Hauptgottheiten zählten. Der Veda gliedert sich in vier Sanhitas (Sammlungen): Rig-Veda (Götterhymnen), Sama-Veda (Opferlieder), Yajur-Veda (Opfersprüche), Atharva-Veda (Zauberlieder). Diese vier Sammlungen und einige astronomische Texte reichen aber bis 1700 v. Chr. zurück (die an sie anschließenden Brahmanas (Ritual- und Opfertexte) bis 1200 v. Chr. und die ebenfalls an sie anschließenden Upanischaden bis 800 v. Chr.). Der Rig-Veda enthält Hymnen, um die Götter zu preisen und anzurufen. Er ist die älteste Veda. Die anderen drei Veden entlehnen etliche Inhalte aus dem Rig-Veda. Der Sama-Veda besteht aus Gesängen, die die Opfer musikalisch begleiten. Der Yajur-Veda enthält Prosaverse, die bei Opferriten rezitiert werden. Der Atharva-Veda enthält Mantras und Beschwörungen gegen Feinde und Krankheiten sowie Gebete zur Vergebung für Fehler während der Opfer. Die frühe vedische Religion kannte keine Tempel oder Götterbilder. Die Götter wurden durch Feueropfer angebetet, man bot Opfergaben des heiligen Safts Soma, Ghi (Butterschmalz), Milch, Brot und manchmal Fleisch der Tiere dar. Der Veda ist ungefähr sechsmal so umfangreich wie die Bibel. Für das Ende des Veda steht der Vedanta (sanskrit: „das Ende des Wissens“). Er stellt quasi die letze Entwicklungstufe des Veda dar. Das heute noch in Indien am meisten verbreitete System des Vedanta ist das des Schankara (um 800 v. Chr.). Der Veda scheint im wesentlichen nach ca. 1200 Jahren (1700-500) abgeschlossen zu sein.

Brahmanismus ist einer der Vorläufer des Hinduismus. Die Lehre wurde von den in der hinduistischen Gesellschaft die Priester und Gelehrten stellenden Brahmanen formuliert, und von Lehrern an die Schüler weitergegeben. Der Brahmanismus ist also die Lehre der Brahmanen und die herrschende Religion Indiens, die sich zum heutigen Hinduismus weiterentwickelt hat. Sie wird dogmatisch auf den Veda zurückgeführt. Im Brahmanismus finden sich monotheistische (), pantheistische () und auch atheistische () Richtungen. Als Weltanschauung ist der Brahmanismus Evolutionismus: die Welt entwikelt sich durch das Brahman aus einer ungeschaffenen und unvergänglichen Urmaterie (Prakriti) und wandelt sich im ewigen Wechselspiel wieder in diese Urmaterie zurück. Das Brahman - ursprünglich der Zauberspruch, dann die Kraft, die den Opferhandlungen ihre Wirksamkeit gibt, schließlich das durch sich selbst seiende schöpferische und erhaltende Prinzip der Welt, das alles schafft, trägt, erhält und wieder in sich zurücknimmt - steht als Weltseele in einem Verhältnis zum Selbst des Einzelwesens, zum Atman als der Seele. Die Lehre von Brahman (Weltseele) und Atman (Seele) ist als die philosophische Basis des Brahmanismus anzusehen, wie sie seit ca. 1700 v. Chr. in den Veden, seit ca. 1200 v. Chr. in den Brahmanas und seit ca. 800 v. Chr. in den Upanischaden bis ca. 500 v. Chr. - also insgesamt in 1200 Jahren (1700-500) - formuliert wurde. Brahman und Atman gelten hier als wesensgleich, der Mensch müsse diese Identität jedoch erst spirituell erkennen, bevor er die Erlösung, die Mokscha, erreichen kann. Das Brahman ist in seinem Wesen identisch mit Atman, dem inneren Kern des Menschen. Textgeschichtlich bilden die Brahmanas die Ausgangsgrundlage, Opfer- und Ritualtexte, die die korrekte Ausführung des Opfers in den Mittelpunkt stellen und beschreiben, z.B. das Agnicayana (Feueropfer). Die Brahmanas sind als Ritual- und Opfertexte Bestandteil der Veden, und in ihrer späteren Form enthalten sie in einzelnen Kapiteln die vedischen Upanischaden, die die mechanistische Opfertechnik an vielen Stellen anzweifeln und philosophisch überwinden. Der Brahmanismus übt, obwohl zu seinen Grundforderungen gehört, das Kastenwesen, besonders die Führerstellung der Brahamanen-Kaste zu respektiern, sehr weitgende theoretische und praktische Toleranz. Die Brahmanen sind Mitglieder der obersten hinduistischen Priester- und Gelehrten-Kaste und gelten in den alten Schriften als unverletztlich. Heute üben die Brahmanen auch andere Berufe aus.

Upanischaden (Sanskrit: „das Sich-in-der-Nähe-Niedersetzen“; gemeint ist damit: „sich zu Füßen eines Lehrers (Guru) setzen“, aber auch geheime, belehrende Sitzung) sind eine Sammlung philosophischer Schriften des Hinduismus und Bestandteil des Veda und des Brahmanismus. Die Upanischaden umfassen etwa 250 Schriften, die über mehrere Jahrhunderte entstanden sind und Themen wie Wiedergeburt, Yoga und Karma ansprechen. Insbesondere die 13 vedischen Upanischaden haben den späteren Hinduismus geprägt. Es existieren rund 150 Upanischaden, wovon 108 offiziell anerkannt werden. Die Texte wurden sowohl in Prosa als auch in Versform verfaßt. Die Upanischaden beschäftigen sich mit dem Wesen von Brahman, der universellen Weltenseele, von der Atman eine Reflexion in jedem Wesen ist, die innerste Essenz eines jedes Individuums. Brahman – und damit auch Atman – ist unvergänglich, unsterblich, unendlich, ewig, rein, unberührt von äußeren Veränderungen, ohne Anfang, ohne Ende, unbegrenzt durch Zeit, Raum und Kausalität, ist reines Sat-Chit-Ananda (Sac-Cid-Ananda), reines Sein, Existenz an sich (Sat), Bewußtsein, Verstehen (Chit) und Wonne, reines Glück (Ananda). Textgeschichtlich haben sich die Upanischaden aus den Brahmanas (Ritual- und Opfertexte) entwickelt (und sind teilweise auch Bestandteil von ihnen). Während also die Brahmanas sich hauptsächlich mit Opferritualistik beschäftigen, werden in den Upanischaden Zweifel an diesem System des korrekt (und mechanisch) ausgeführten Opfers formuliert. Es ist das Bestreben spürbar, hinter die Dinge zu schauen. Weitere Themen sind die Essenz und der Sinn des Daseins, verschiedene Arten der Meditation und der Gottesverehrung sowie Eschatologie, Erlösung und die Lehre von der Wiedergeburt Samsara. Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer empfand die Upanischaden als „... belohnendste und erhebendste Lektüre, die ... auf der Welt möglich ist: sie ist der Trost meines Lebens gewesen und wird der meines Sterbens seyn.“ (Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena, 1851, II, § 184).

Buddhismus ist die von dem Buddha („Erleuchteten“) Gautama (560-480) verkündete Heilslehre. Nach ihr ist alles in der Welt „vergänglich, ohne Selbst (beharrende Substanz) und deshalb leidvoll (unbefriedigend)“. Jedes Einzelwesen ist eine vergängliche Kombination von nach ewigen Gesetzen in funktioneller Abhängigkeit voneinander aufspringenden und wieder dahinschwindenden Daseinsfaktoren (vgl. Dharma als das „tragende Gesetz“). Da kein gutes oder böses Tun ohne Wirkung bleibt, findet jeder Strom individuellen Lebens (scheinabre Persönlichkeit) gemäß dem Karma („Werk“) nach dem Tode in einer neuen Existenz seine Fortsetzung. Moralisches handeln führt zur stufenweisen Läuterung; Erkenntnis und Vernichtung des Willens zum Leben zur Befreiung (vgl. Nirwana als das „Erlöschen“). Nach anflinglicher Ablehnung, die Wahrheit der Erleuchtung und den Weg zu ihr mitzuteilen, wurde Gautama Buddha von Brahma auf Bitten der Götter doch dazu bewegt. Seine Lehre wurde dann zur Grundlage, weshalb „Buddhismus“ (ein abendländischer Begriff) besser Buddha-dharma oder Buddha-sasana genannt werden sollte. Buddha sah sich selbst als einen Führer und einen Arzt an, der Krankheiten diagnostizierte und auf die Methode zu ihrer Heilung hinwies. Wie es jetzt in den Texten dargestellt wird, lehrte er im Rahmen der Hauptkomponenten der Hindu-Kosmologie und -Psychologie (lange zyklische Zeiten und Zeitabschnitte von gleicher Länge, in denen ein Selbst oder eine Seele, Atman, wiedergeboren wird und, von dem Karma als Ursache beherrscht, sich auf die Freiheit oder Befreiung, Mokscha, zubewegt), aber er veränderte sie. Buddha sah alle Erscheinungen als von Dukkha („Leiden“, „Vergänglichkeit“, „Unbeständigkeit“) gekennzeichnet. Daraus folgt, daß es keine Seele geben kann, sondern nur die Folge eines Augenblicks zur Entstehung des nächsten führt, was die Herausbildung von Erscheinungsformen mit charakteristischen Möglichkeiten bewirkt. Die Lehre von der Nichtexistenz der Seele wird als Anatman-Lehre bezeichnet. Daraus folgt gleichermaßen, daß es keinen ewigen Gott, unabhängig vom Kosmos, den er schuf, geben kann. Die Lehre des Buddha ist in den „Vier Edlen Wahrheiten“ zusammengefaßt (der Wahrheit von Dukkha und wie man sich davon befreit), dem „Achtfältigen Pfad“(dem Weg des Entkommens oder die Erleuchtung) und Paticca-sammupãda (die Untersuchung der zwölf voneinander abhängigen Verkettungen, die die Ursache sind für das Verhaftetsein im Samsara, dem sich wiederholenden Kreislauf von Geburt und Tod, dem Prozeß der Wiederverkörperungen). Obwohl es einen Atman nicht zu geben scheint, kann die ursächliche Abfolge, in der ein Augenblick den nächsten verursacht, sich durch den Augenblick und den Prozeß des Todes fortsetzen. Um dies zu verstehen, sollte man damit beginnen, die Abfolge des Paticca-sammupãda umzukehren; und wenn man all das praktiziert, auf das Buddha hingewiesen hat, bedeutet dies, sich zur Erleuchtung und zum Erlangen des Abstandnehmens von jeglichem Zusammenspiel nit manifesten Erscheinungsformen zu bewegen, d.h. zum Nirwana.   —   Die alte pluralistische Selbst-Erlösungslehre (Hinayana, „Kleines Fahrzeug“) wurde zwischen dem 2. Jh. v.Chr. und dem 1. Jh. n.Chr. zur monistischen Viel-Mitgefühlslehre (Mahayana, „Großes Fahrzeug“) ausgestaltet. Die aktivistische Ethik des Mahayana betrachtet es als das Hochziel des Buddhajüngers, nicht als Arhat (Heiliger) für sich selbst die Erlösung zu erreichen, sondern als Boddhisattva (Anwärter auf spätere Buddhastellung) in selbstloser Liebe zu allen Wesen andere Menschen zum Heil zu führen. Buddhismus

Hinduismus bedeutet zunächst nur die von außen herangetragene Sammelbezeichnung für die Anhänger verschiedener religiöser Richtungen, entwickelte aber später eine beträchtliche Eigendynamik. Er besteht aus verschiedenen Richtungen mit recht unterschiedlichen Schulen und Ansichten. Es gibt kein gemeinsames für alle gleichermaßen gültiges Glaubensbekenntnis. Nur einzelne Richtungen gehen auf einen bestimmten Begründer zurück. Da es sich beim Hinduismus um unterschiedliche religiöse Traditionen handelt, gibt es auch keine zentrale Institution, die Autorität für alle Hindus hätte. Die Lehren über spirituelle Belange und sogar die Gottesvorstellungen sind in den einzelnen Strömungen sehr verschieden, selbst die Ansichten über Leben, Tod und Erlösung (Mokscha) stimmen nicht überein. Die meisten Gläubigen jedoch gehen davon aus, daß Leben und Tod ein sich ständig wiederholender Kreislauf (Samsara) sind, sie glauben an die Reinkarnation. Für den persönlichen Glauben haben religiöse Lehrer (Gurus) oft einen großen Stellenwert. Trotz aller Unterschiede können Hindus der verschiedenen Richtungen weitgehend gemeinsam feiern und beten, wenn auch ihre Theologie und Metaphysik bzw. Philosophie nicht übereinstimmen. „Einheit in der Vielfalt“ ist eine oft verwendete Redewendung zur Selbstdefinition im heutigen Hinduismus.

Trimurti (Sanskrit: „aus drei Gestalten bestehend“) bedeutet die hinduistische Erkenntnis, daß eine dreifache Wechselwirkung für die Schöpfung und die Auflösung notwendig ist und daherganz besonders die drei miteinander in Beziehung stehenden Verkörperungen des Göttlichen: Brahma, Wischnu, Schiwa. Brahma verkörpert die Erschaffung (Schöpfung), Wischnu die Erhaltung (und zu diesem Zweck als Tier oder Mensch inkarniert), Schiwa die Zerstörung (um einen Neuanfang zu ermöglichen, verkörpert durch das Feuer).

Germanische Seefahrt ist, und zwar von Beginn an, eine wichtige Vor- und Urform der abendländischen Kultur, also eine ihrer Voraussetzungen. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Vor- und Uraussetzung für alle späteren, noch grandioseren abendländischen Entdeckungen. (Karten). „Die altnordischen Stämme, in deren urmenschlicher Seele das Faustische (Faustisches Seelenbild des Abendlandes) sich bereits zu regen begann, haben in grauer Vorzeit eine Segelschiffahrt erfunden, die sich vom Festland befreite. Sie reichte im 2. Jahrtausend v. Chr. von Island und der Nordsee über Kap Finisterre (spanische Nordwestküste) nach den Kanarischen Inseln und Westafrika, wovon die Antlantissagen der Griechen eine Erinnerung bewahrten. Das Reich von Tartessos an der Mündung des Guadalquivir scheint ein Mittelpunkt gewesen zu sein. Vgl. Leo Frobenius (1873-1938), Das unbekannte Afrika, S. 139. In irgendeinem Zusammenhang damit müssen die 'Seevölker' gestanden haben. Wikingerschwärme, die nach langer Länderwanderung von Nord nach Süd im Schwarzen oder Ägäischen Meer wieder Schiffe zimmerten und seit Ramses II (1292-1225) gegen Ägypten vorbrachen.“ (Oswald Spengler, 1917, S. 428). Vgl. dazu auch: Germanentum.

Seelenbild der Antike und Seelenbild des Abendlandes sind gegensätzlich: apollinisch und faustisch; ihre Ursymbole ebenfalls: Einzelkörper und Unendlicher Raum. Wie ein Dogma gegenüber aller Erfahrung, gelten auch Seelenbild und Ursymbol allgemein als unbeweisbar, deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß der Unterschied zwischen Antike und Abendland sogar am Beispiel „Parallelenaxiom“ deutlich werden kann: Euklid hat in seinen „Elementen“ (um 312 v. Chr.) die mathematische Entsprechung für das antike Beispiel gegeben und Gauß ca. 2112 Jahre später (um 1800) die für das abendländische. Sie stehen - wie unzählige andere Beispiele auch - für einen metaphysischen Mittelpunkt, um den eine Kultur kreist, während sie von Seelenbild und Ursymbol angetrieben und angezogen wird. (Vgl. Oswald Spengler, 1917, S. 155, 227ff., 234, 390). Vgl. dazu auch das Germanentum.

Das Seelenbild der magischen Kultur ist ein dualistisches: Geist und Seele; ihr Ursymbol: Welthöhle. (Vgl. Oswald Spengler, 1918-1922, S. 847f.). Magien

Zarathustras Lebensdaten sind nicht genau bekannt: 11-10. Jh. v. Chr. bis 7-6. Jh. v. Chr.; lebte er demnach im 9.-8. Jh. v. Chr.?  Die Wirkung des Zarathustra bedeutet für den Monotheismus, d.h. für die magische Kultur (vgl. „Magier“; Magien) in etwa das, was für uns Abendländer die Wirkung von Jesus (7 / 4 v. Chr. bis 26 / 30 n. Chr.) oder Paulus († 29.06.66 oder 67; enthauptet) oder Augustinus (354-430) bedeutet. Das Gemeinsame besteht auch darin, daß sie die alten Verhältnisse, mit denen sie aufwuchsen, zu überwinden suchten und letztlich auch tatsächlich neue Verhältnisse bewirkten, indem sie eine neue Religion schufen bzw. zum Durchbruch verhalfen und etablierten. Unser kulturelles Erbe der Grieschisch-Römischen (apollinische Antike) einerseits und des Monotheistisch-Christlichen (magische Kultur) andererseits, das wir häufig mit „römisch-christlich“ (oder römisch-katholisch) umschreiben und auch tatsächlich durch die „ewige Stadt“ Rom als Zentrum am auffälligsten und komprimiertesten symbolisiert ist, geht also in Wirklichkeit noch viel weiter zurück in die Tiefe unserer beiden „Eltern-Kulturen“: einerseits zum Ursprung der griechischen Mythologie und andererseits zum Ursprung des (altiranischen) persischen Monotheismus (Zarathustras Parsismus, Mazdaismus). Beide haben trotz vieler Unterschiede eine Gemeinsamkeit, die auch wir trotz vieler Unterschiede mit ihnen teilen: das Indogermanische !

Awesta (Grundtext, Grundwissen) ist die in der gleichnamigen altiranischen Sprache aufgezeichnete Schrift des Parsismus (der von Zarathustra gestifteten altpersischen Religion Zarathustra und Awesta), die später, nämlich zur Zeit der Sassaniden (226-651) kodifiziert wurde, nach der islamischen Invasion Persiens (651) jedoch erhebliche Schäden erlitt. Das ursprüngliche Awesta umfaßte 21 Nasks (Sträuße, d.h. Bücher). Die Gathas (Gesänge), die unmittelbar auf die Verkündigung des Propheten Zarathustra zurückgehen, sind die ältesten Texte des Awesta. Sie sind Bestandteil einer Schriftensammlung, die als Jasna (Opfer, Verehrung) bezeichnet wird. Andere wichtige Teilstücke sind Jaschts (Opfergesänge), das Widewdat (Gesetz gegen die Dämonen) und das Wisperat (alle Herren). Der Kommentar zum Awesta heißt Zendawesta (Kommentar-Grundtext). Dem (ausgestorbenen) Awestischen entstammen somit die frühesten schriftlichen Zeugnisse des Iranischen. Das Iranische ist ein östlicher Zweig des Indogermanischen und steht in enger Beziehung zum Indischen. Zu den wichtigsten heutigen iranischen Dialekte zählen Persisch, Kurdisch, Afghanisch (Paschtu).

„»Also sprach Zarathustra«, so beginnen tatsächlich die Verse der »Awesta«, die der Prophet dem ewigen Kampf zwischen Licht und Finsternis, zwischen Gut und Böse, zwischen Iran und Turan gewidmet hatte. Dem Lichtgott Ahura Mazda stand die Dämonengestalt Ahriman als Fürst der Finsternis entgegen. Diese permanente, unversöhnliche Zweiteilung der Welt in Gut und Böse sowie eine von Anfang an vorgeprägte Bestimmung der Menschen in Erwählte und Verworfene bilden den Kern dieser Lehre. Die Schriften der Awesta sind nur in Bruchstücken erhalten. In ihnen spürt man jedoch die frühe Verwandtschaft mit den Veda-Schriften des Hinduismus (Vgl. Tabelle) mitsamt ihrer unerbittlichen Kasten-Einstufung und der Vorzugsstellung der arischen Rasse. »Aria Mehr -Leuchte der Arier«, diesen Titel beanspruchte noch der letzte Schah von Persien, Mohammed Reza Pahlevi. .... Im Westen ist kaum bekannt, welche Fülle mythischer Vorstellungen, die wir als integralen Bestandteil des Judentums und der aus ihm abgeleiteten Lehren Christi und Mohammeds betrachten, auf die Visionen des frühzeitlichen Künders Zarathustra aus Baktrien zurückgehen. Während der babylonischen Gefangenschaft, als die Stämme Israels - vom Tyrannen Nebukadnezar an die Flüsse Mesopotamiens verschleppt - die dualistischen Vorstellungen der »Feueranbeter« entdeckten, verstärkte sich auch bei den Hebräern die Kunde vom ewigen Widerstreit zwischen Jahwe und Satan, 'zwischen Himmel und Hölle, kam bei ihnen die Vorstellung des Jüngsten Gerichts auf, das die Guten von den Bösen scheidet. Die Spuren des zoroastrischen Kults, die sich auch in gewissen Freimaurer-Riten wiederfinden, wirken bis in unsere politische Gegenwart hinein. Das gilt nicht nur für Persien, wo ich im Jahr 1974, zur Zeit der Pahlevi-Dynastie, eines der letzten authentischen Zentren der Zarathustra-Anhänger in der abgelegenen Stadt Yazd aufsuchte. Etwa dreißigtausend Zarduschti leben heute noch in der Islamischen Republik Iran. Khomeini betrachtete diese verstreuten Sektierer, gemäß einer kuriosen Koran-Auslegung, als Monotheisten, als Angehörige der »Familie des Buches«, obwohl sich bei ihnen keinerlei Bezug zum Patriarchen Abraham herstellen läßt. Schah Mohammed Reza war der arischen Urgemeinde mit besonderem Wohlwollen zugetan, suchte er doch eine Kontinuität zu den Gott-Königen der Achämeniden - zu Kyros dem Großen, zu Xerxes, zu Kambyses - aufzuzeigen. Deren Imperium hatte bereits dem Zarathustra gehuldigt, wenn auch mit Vorbehalt und unter Beibehaltung zahlreicher anderer Kulte. Erst unter den Sassaniden, also zwischen dem dritten und dem siebenten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, sollten die »Magi«, die Priester der »Feueranbeter«, wie man sie fälschlich nennt - entscheidenden Einfluß auf den Staat gewinnen und ihm ihre unduldsame, hierarchische Sakralstruktur auferlegen. Die Magi oder Magier waren sich ihrer ursprünglichen Verwandtschaft mit den hinduistischen Brahmanen wohl noch bewußt. Wenn sie schon den Persern und Mesopotamiern nicht das Kastensystem in letzter Konsequenz aufzwingen konnten, das auf dem indischen Subkontinent bis auf den heutigen Tag die Vorrangstellung der indogermanischen Erobererrasse verewigt, so pochten sie doch auf die strenge Trennung zwischen Klerus und Adel einerseits, den Bauern und den rechtlosen Parias andererseits.“ (Peter Scholl-Latour, Land der Propheten, in: Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 289-290). Zarathustra

„Die dualistische Botschaft des Zarathustra, die geheimnisvoll überlieferten Thesen des Manichäismus ... haben in der europäischen Geistesgeschichte einen eminenten Platz eingenommen. ... Sogar die Jungfrauengeburt eines Endzeit-Erlösers war ja in den iranischen Ur-Mythen enthalten. (Zarathustra). Die Manichäer haben noch im ausgehenden römischen Imperium und lange nach dem Märtyrertod des Verkünders seine Botschaft bis nach Indien und China getragen. Die Sekte besaß einen Schwerpunkt in Nordafrika, wo der heilige Augustinus dieser Ketzerei beinahe erlegen wäre, ehe er Bischof von Hippo Regius und einer der bedeutendsten Kirchenväter wurde.“ (Peter Scholl-Latour, Land der Propheten, in: Weltmacht im Treibsand, 2004, S. 291). Zarathustra

Vorderasien oder Morgenland: diese Begriffe sind nicht ganz zutreffend, weil zum magischen Kulturkreis (Spengler nennt ihn „arabisch“) auch der ehemalige (griechische) Osten der Antike gehört, wenn auch nur pseudomorph. Mit Vorderasien bzw. Morgenland meine ich die Kultur der späteren Religionskulturformen, z.B. des altiranisch-parsistischen (mazdaistischen) Persertums, des manichäischen Babyloniens, des Judentums, des Arabertums, des Urchristentums u.a. magischer Elemente. Das Seelenbild der magischen Kultur ist ein dualistisches: Geist und Seele, ihr Ursymbol die Welthöhle. Die Vertreter der magischen Kultur berücksichtig(t)en stets den „Consensus“ - die Übereinstimmung der Gelehrten als Grundlage für die religiöse (= „wahre“) Lehre. Das arabische Wort „Idschma“ ist auch in diesem Sinne zu verstehen, und es gilt immer noch als eines der vier Grundprinzipien der islamischen Rechtslehre. Magien

„Historische Pseudomorphosen nenne ich Fälle, in welchen eine fremde Kultur so mächtig über dem Lande liegt, daß eine junge, die hier zu Hause ist, nicht zu Atem kommt und nicht nur zu keiner Bildung reiner, eigener Ausdrucksformen, sondern nicht einmal zur vollen Entfaltung ihres Selbstbewußtseins gelangt.“ (Oswald Spengler, 1918-1922, S. 784). Auch eine junge Kultur kann so mächtig sein, daß sie eine alte dort, wo sie zu Hause ist, überlagert. Das Beispiel zwischen der (alten) apollinischen Kultur, auch kurz „Antike“ genannt, und der (jungen) magischen Kultur, auch „Persien/Arabien“ genannt, macht es deutlich: „Solange die Antike sich seelisch aufrecht hielt, bestand die Pseudomorphose darin, daß alle östlichen Kirchen zu Kulten westlichen Stils wurden. Dies ist eine wesentliche Seite des Synkretismus. .... Mit dem Hinschwinden der apollinischen und dem Aufblühen der magischen Seele seit dem zweiten Jahrhundert kehrt sich das Verhältnis um. Das Verhängnis der Pseudomorphose bleibt, aber es sind jetzt Kulte des Westens, die zu einer neuen Kirche des Ostens werden. Aus der Summe von Einzelkulten entwickelt sich eine Gemeinschaft derer, welche an diese Gottheiten und Übungen glauben, und nach dem Vorgange des Persertums und Judentums entsteht ein neues Griechentum als magische Nation.“ (Ebd., S. 800-801).

Und so wie gerade diejenigen Religionen, von denen behauptet wird, sie seien „monotheistisch“, unter Beweis stellen, daß es keinen „Monotheismus“ gibt, so stellen gerade auch diejenigen Gesellschaften, von denen behauptet wird, sie seien „menschheitlich“ („humanistisch“, „gutmenschlich“ u.s.w.), unter Beweis, daß es keine „Menschheit“ gibt. „Was man von Nietzsche lernen kann, schreibt Baeumler, ist der Gedanke: es gibt keine »Menschheit«, sondern nur konkrete, umgrenzte Einheiten, die im Kampf miteinander liegen. Diese Einheiten sind »eine Rasse, ein Volk, ein Stand« (Alfred Baeumler, Nietzsche der Philosoph und Politiker, 1931, S. 179).“  (Rüdiger Safranski, Nietzsche, 2000, S. 352). Ähnlich wie mit dem Monotheismus und der Menschheit verhält es sich auch mit dem Individuum: „Nietzsches selbstbezogenes Schreiben setzt die Fähigkeit voraus, sich nicht als Individuum, als das Unteilbare, sondern als Dividuum (Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, 1878, 2,76), als etwas Teilbares, zu erleben. Eine mächtige Tradition spricht vom »Individuum« wie von einem unteibaren Kern des Menschen, Nietzsche aber hat schon sehr früh mit der Kernspaltung des Individuums experimentiert. Über »sich« schreibt, wem die Unterscheidung zwischen »Ich« und »sich« überhaupt etwas zu denken gibt.“ (Rüdiger Safranski, Nietzsche, 2000, S. 15). – Keinen Monotheismus! Keine Menschheit! Kein Individuum! Schade! Oder?

Paulus († 29.06.66 oder 67; enthauptet), christlicher Heidenapostel, machte das Christentum durch Überwindung der nationalen und traditionellen Bedingtheiten seitens des Judenchristentums zur Weltreligion, indem er den übernationalen Charakter der durch den Glauben an Christus begründeten Heilsgemeinschaft betonte. Er war Verfasser zahlreicher neutestamentlicher Schriften. Als Quellen zur Rekonstruktion seines Lebens dienen vor allem die wirklich von ihm verfaßten Briefe an die Gemeinden in Rom, Korinth, Galatien, Philippi, Thessalonike und an Philemon, die alle aus der Zeit zwischen 50 und 56 stammen. Bei der spekulativen Durchdringung des Christentums verwendete er Elemente der stoischen und jüdisch-hellenistischen Philosophie. Seine vielen Missionsreisen führten am Ende zur Verhaftung in Jerusalem, zur Überführung nach Rom und dort zur Enthauptung (Märtyrertod). (Vgl. Mission und Apostelkonzil). Paulus gilt als der bedeutendste Missionar des Urchristentums. In seiner mehrjährigen Missionstätigkeit auf Zypern, in Kleinasien, Syrien, Griechenland, Makedonien u.a. Regionen verkündete er kompromißlos das Evangelium frei von Gesetzesbindungen und trat dadurch natürlich in Gegensatz zum Judenchristentum der Urgemeinde. Er knüpfte besonders an die nachösterliche Verkündigung des gekreuzigten und auferstandenen Herrn und seine Bedeutung für das Heil der Menschheit an. Die durch den Tod und die Auferstehung Christi eingetretene Wende der Heilsgeschichte zeigt sich nach Paulus vor allem darin, daß der jüdische Heilsweg, der in der Erfüllung der Gesetzgebung als der Verpflichtung gegenüber dem Bund mit Jahwe steht, aufgehoben ist (!), die Rechtfertigung* ausschließlich aus dem Glauben erlangt werden kann (!). (*Rechtfertigung ist ein Begriff der christlichen Theologie, mit dem der Vorgang reflektiert wird, daß das durch die Sünde gestörte Verhältnis zwischen Mensch und Gott in einen als „heil“ geglaubten Zustand überführt wird). Der Glaube kann auch nicht als Werk des Menschen aus sich selbst verstanden werden, sondern als Gabe und als Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes. Der Mensch ist in allen seinen Aspekten („Geist“, „Seele“, „Leib“) aufgerufen, das in Christus geschenkte neue Leben zu verwirklichen. In seinem Verhalten ist der Mensch jedoch nicht auf sich allein gestellt, sondern ist Mitglied der Gemeinde des auferstandenen Herrn. Diese ist schon gegenwärtig der Leib Christi, wird aber gleichzeitig von der Hoffnung auf die endgültige Wiederkunft (Parusie) des Herrn geleitet und ist in dieser Spannung von „schon“ und „noch nicht“ Träger seines Geistes. Paulus

Zur „Bekehrung des Paulus auf dem Weg nach Damaskus. Die Erzählung von diesem Einschnitt ist in der Apostelgeschichte zweimal überliefert, einmal in autobiographischer Form als Element der Verteidigungsrede des Paulus vor den Juden in Jerusalem (vgl. Apg., 22), ein anderes Mal in der dritten Person (vgl. Apg., 9). In beiden Fassungen wird hervorgehoben, Paulus sei durch das Ereignis auf dem Weg nach Damsakus »umgedreht« worden und habe sich von einem Verfolger der Christen zu einem Verkünder des Christentums gewandelt. In der persönlichen Version lautet die Geschichte wie folgt: »Als ich nun unterwegs wa (um Anhänger der neuen Lehre zu verhaften) und mich Damaskus näherte, da geschah es, daß mich um die Mittagszeit plötzlich vom Himmel her ein helles Licht umstrahlte. Ich stürzte zu Boden und hörte eine Stimme zu mir sagen: ›Saul, Saul, warum verfolgst du mich?‹  Ich antwortete: ›Wer bist du, Herr?‹  Er sagte zu mir: ›Ich bin Jesus, der Nazaräer, den du verfolgst.‹ Meine Begleiter sahen zwar das Licht, die Stimme dessen aber, der zu mir sprach, hörten sie nicht. Ich sagte: ›Herr, was soll ich tun?‹  Der Herr antwortete: ›Steh auf un geh nach Damaskus, dort wird dir alles gesagt werden ....‹«. (Bibel, a.a.O.). Im Blick auf diese Erzählungen ist evident: Die Erzählung derselben Geschichte in der dritten Person, die sich am Anfang der acta apostolorum findet, enthält nur eine wesentliche Variante, indem dort betont wird, die Begleiter seien sprachlos dabeigestanden, weil sie zwar die Stimmen hörten, jedoch niemanden sahen (vgl. Apg., 9, 7). Von den subtilen platonischen Erwägungen über die Umwendung der Seele und ihre Herausführung aus der Höhle der sinnlichen Kollektivillusionen (vgl. Platons »Höhlengleichnis«) sind wir hier bereits Lichtjahre entfernt. Keine Rede mehr von den Sorgen des griechischen Rationalismus um die Wende zur Wahrheitssonne. Das Licht, das den Eiferer auf dem Weg nach Damaskus blendet, ist ein Gemenge aus Mittagsdämon und Halluzination. Die Geschichte spielt bereits ganz auf dem Boden eines magischen Weltbildes (Spengler ordnete es sogar dem Stimmungsraum der »arabischen Kulturseele« zu ArabienArabien), dessen Atmosphäre von Apokalypsebereitschaft, Erlösungspanik und einer wundersüchtig supranaturalistischen Hermeneutik geprägt ist. Vor allem verrät sich in ihr der Geist eines nach allen Seiten aufbruchsbereiten Eiferertums, dem es fast gleichgültig zu sein scheint, ob es sich in die eine oder die andere Richtung erhitzt. Vor den Hintergrund des philosophischen Begriffs von conversio oder epistrophé gesetzt, handelt es sich bei dem Erlebnis des Paulus in keiner Weise um eine Bekehrung, mit der sich ein persönlicher Habitus von Grund auf geändert hätte. Auch ging es keinen Augenblick um Erkenntnis, sondern um die Begegnung mit einer göttlichen Stimme, die keine Scheu kennt, sich diesseitig zu manifestieren. Aufs Ganze gesehen bedeutet das, was Paulus widerfuhr, nicht mehr als die »Reprogrammierung« eines Zeloten im präzisen Sinn des Worts. Der Ausdruck ist gerechtfertigt, insofern das »Betriebssystem« der paulinischen Persönlichkeit nach dem erlebten Umschwung mehr oder weniger unverändert weiterverwendet werden konnte, nun jedoch für eine außerordentliche theologische Kreativität freigesetzt. Die Bekehrung des Paulus gehört also in eine ganz andere Kategorie von »Drehungen«, die nicht einen ethisch »revolutionären«, sondern einen apostolisch-eifernden Charakter aufweisen. .... In übungstheoretischer Sicht hatte Paulus bereits eine ganze Weile mit dem Gegner trainiert. .... Paulus war in dieser Sicht weder ein Konvertit noch gar ein»Revolutionär« .... - Es gibt keine Konversion .... - In diesem Kontext haben wir Gelegenheit, Oswald Spenglers starke These zu re-evaluieren, wonach es im Grunde überhaupt keine Konversionen gebe, sondern nur Umbesetzungen zwischen freien Stellen in dem fest strukturierten Optionenfeld einer Kultur. (Vgl. Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918, S. 440f. Spengler). Durch alle Oberflächenwendungen der Konfession hindurch bleibe die basale Seelenstimmung eines Hochkulturkomplexes identisch, und was sich in äußerer Sicht wie eine 180-Grad-Drehung darstelle, könne in Wahrheit nie mehr sein als eine letztlich beliebige (obschon gelegentlich für die Mit- und Nachwelt folgenreiche) Variation innerhalb eines definitiv umrissenen Möglichkeitsraums. Die Suggestivität dieser These läßt sich vor allem an dem zweiten Bekehrungshelden der christlichen Überlieferung, Aurelius Augustinus, erläutern, von dem bekannt ist, wie er in seinen Confessiones seine gesamte Jugendgeschichte als ein langgezogenes Zögern vor der »Konversion« des Jahres 386 stilisierte. Gerade im Blick auf ihn scheint Spenglers Theorem durchschlagend plausibel. Man kann an seiner Lebensgeschichte - wie der zahlloser analoger Konfessionswechsler und Ernstmacher späterer Zeiten - mühelos zeigen, daß bei ihm in der Tiefenstruktur seiner Persönlichkeit nie die geringste »Konversion« stattgefunden hat. Vielmehr hat er nur innerhalb einer seit jeher bestehenden Ausrichtung auf die Überwelt mehrfach die Adressen bzw. den Großen Anderen, den transzendenten Trainer gewechselt - vom Manichäismus zu Platonismus, vom Platonismus zum philosophlschen Christentum, vom philosophischen Christentum zu einem theozentrisch nachgedunkelten Unterwerfungskult. Hierin war er keine Singularität, da schon seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert unter den Gebildeten der römischen Ökumene »Bekehrungen« zur Philosophie auftraten, die sich organisch in Übertritte zum Christentum fortsetzten - so etwa im Fall von Justin dem Märtyrer, des katholischen Patrons der Philosophen. .... Gewiß hatte Oswald Spengler übertrieben, wenn er die Möglichkeit der Konversion innerhalb einer gegebenen Kultur von vorneherein abstritt, dennoch erhob er seinen Einwand nicht ohne gute Gründe, da der größte Teil der real erlebten Bekehrungen tatsächlich nicht im Modus einer epistrophischen Gesamtumkehrung, sondern des Übergangs zu einer mehr oder weniger naheliegenden Alternative geschieht: Eine wirkliche Umwälzung vollzieht sich letztlich nur beim Eintritt auf den Hochkulturpfad als solchen, der die Sterblichen auf die hohen Formen der Vertikalspannung ausrichtet, indem er sie impft mit dem Wahnsinn des Verlangens nach dem Unmöglichen.“ (Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern, 2009, S. 474-476, 477, 478, 479-480, 482).

48 fand das Apostelkonzil in Jerusalem statt, an dem auch Petrus und Paulus teilnahmen. Anlaß des Apostelkonzils war die Frage, ob „Heiden“, die zum Christentum übertreten, sich der Beschneidung und dem jüdischen Gesetz unterwerfen müssen. Das Apostedekret ist der vom Apostelkonzil (Apg. 15; Gal. 2, 1-10) den Christen Antiochias, Syriens und Kilikiens (heute: Südanatolien) mitgeteilte Beschluß, daß sie zur Beobachtung (Befolgung) des mosaischen (israelitisch-jüdischen) Gesetzes nicht verpflichtet seien (!). Also war das Apostelkonzil ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Universalkirche.

Der Primat des Papstes ist in der katholischen Theologie (bzw. Religion) der Vorrang des Amtes in Aufbau der kirchlichen Verfassung, das dem Papst als Nachfolger des Apostels Petrus zukommt. Schon gegen Ende des 1. Jahrhunderts betonte Papst Klemens I. (reg. um 88-97) in seinem ersten Brief („Klemensbrief“ der eine erste „Enzyklika“, ein politisch gefärbtes „Evangelium“ darstellt) mit unzweideutiger Selbstverständlichkeit den Vorrang Roms und seine primatiale Stellung, und zwar abgeleitet aus seiner Vorstellung des für ihn in der römischen Gemeinde repräsentierten Ordnungsprinzips. (Unter Klemens I. bekehrten sich führende Angehörige des römischen Adels und des Kaiserhauses zum Christentum). Der Klemensbrief identifiziert die Einheit der römischen Gemeinde mit der Einheit in Rom. Seit dem 2. Jahrhundert bildete sich der Primat des Bischofs von Rom (also: des Papstes) in der Kirche allmählich konkreter heraus. Zu dieser Entwicklung trugen dann auch noch - zumeist unfreiwillig - die Kirchenväter Irenäus von Lyon (ca. 145 - 202) und Cyprian von Karthago († 258) das Ihre bei; der erste prägte nämlich den Begriff der principalitas, der zweite den noch viel weiter tragenden des primatus der Bischöfe von Rom. Der Zusammenhang mit den Entwicklungen im (quasi schon gestorbenen) römischen Kaisertum ist hier nicht zu übersehen. Aus dem ersten Begriff machte die Papst-Monarchie ihren über allen Herrschern der Erde stehenden Fürstenrang und aus dem zweiten Begriff den konsequent zum Dogma von der Unfehlbarkeit führenden Primat, der später vorausschauend in Rechtsparagraphen definiert wurde. (Vgl. Papstgeschichte).

Der Calvinismus, anfangs ein antischolastischer Humanismus, machte die Prädestination zu seinem Inhalt und Mittelpunkt. Diese Prädestination, die man auch Prädetermination nennt, meint die Vorbestimmung des Menschen schon vor bzw. bei seiner Geburt durch Gottes unerforschbaren Willen. und zwar entweder als Gnadenwahl zur Seligkeit ohne Verdienst oder als Prädamnation zur Verdammnis ohne Schuld. Sie wurde schon von Augustinus (354-430) gelehrt und nach ihm von Luther (1483-1546), Zwingli (1484-1531), Calvin (1509-1564) und dem Jansenismus (nach Cornelius Jansen, 1585-1638). Auf einen engen Zusammenhang zwischen dem Calvinismus, besonders aber dem aus ihm entwickelten Puritanismus, und dem modernen Kapitalismus der westlichen Demokratien hat vor allem Max Weber (1864-1920) hingewiesen.

„Wie eine Riesenspinne saß Rom im Mittelpunkte der lateinischen Welt und überzog sie mit einem unendlichen Gewebe. Generationen der Völker lebten darunter ein beruhigtes Leben, indem sie das für einen nahen Himmel hielten, was bloß römisches Gewebe war; nur der höherstrebende Geist, der dieses Gewebe durchschaute, fühlte sich beengt und elend, und wenn er hindurchbrechen wollte, erhaschte ihn leicht die schlaue Weberin und sog ihm das kühne Blut aus dem Herzen; - und war das Traumglück der blöden Menge nicht zu teuer erkauft für solches Blut?  Die Tage der Geistesknechtschaft sind vorüber; altersschwach, zwischen den gebrochenen Pfeilern ihres Kolisäums sitzt die alte Kreuzspinne und spinnt noch immer das alte Gewebe, aber es ist matt und morsch, und es verfangen sich darin nur Schmetterlinge und Fledermäuse und nicht mehr die Steinadler des Nordens.“ (Heinrich Heine, Die Nordsee [geschrieben auf Norderney], in: Reisebilder, 1826, S. 73-74). Weiter heißt es: „- Es ist doch wirklich belächelnswert, während ich im Begriff bin, mich so recht wohlwollend über die Absichten der römischen Kirche zu verbreiten, erfaßt mich plötzlich der angewöhnte protestantische Eifer, der ihr immer das Schlimmste zumutet; und eben dieser Meinungszwiespalt in mir selbst gibt mir wieder ein Bild von der Zerissenheit der Denkweise unserer Zeit. Was wir gestern bewundert, hassen wir heute, und morgen vielleicht verspotten wir es mit Gleichgültigkeit.“ (Heinrich Heine, ebd., 1826, S. 74).

„Daß sich auch unter christlichen Vorzeichen Charismen leicht in maligne Besessenheit zurückverwandeln, zeigen aber nicht nur die zahllosen evangelikalen Sekten, für welche die USA, seit jeher das Paradies der manischen Kommunen, bekannt oder berüchtigt sind; in ihnen wird Christus in einen Erfolgsdämon mit starken monetären Kompetenzen transformiert, sofern er nicht als Wunderheiler vor laufender Kamera ins Leben eingreift. Der Rückfall wird auch Jahr für Jahr bei christlichen Jerusalempilgern aus aller Welt beobachtbar, die angesichts der Schauplätze der Passion in Verwirrung geraten und gelegentlich die Empathie jüdischer Psychiater in Anspruch nehmen müssen.“ (Peter Sloterdijk, Das Thanatotop, in: Sphären III - Schäume, 2004, S. 456-457).

Carl Friedrich Gauß (1777-1855) veröffentlichte seine nicht-euklidischen Geometrien nicht, weil er das Geschrei der denkfaulen, schwerfälligen und unkultivierten Menschen fürchtete. Er nannte sie Böoter, weil die Einwohner dieser antiken Landschaft (Hauptstadt: Theben) von den Einwohnern anderer Griechenstädte als denkfaul und schwerfällig beschrieben worden waren. Gauß meinte zu Recht, daß man die Menschen nicht wirklich würde überzeugen können. Die erste der nichteuklidischen Geometrien entdeckte Gauß nach Vollendung seines Hauptwerkes Disquisitiones arithmeticae (1801), durch deren in sich widerspruchslose Existenz bewiesen wurde, daß es mehrere streng mathematische Arten einer dreidimensionalen Ausgedehntheit gibt, die sämtlich a priori gewiß sind, ohne daß es möglich wäre, eine von ihnen als die eigentliche Form der Anschauung herauszuhebe. (Vgl. 18-20).

Max Weber (1864-1920), laut Karl Jaspers „der größte Deutsche unseres Zeitalters“, war der „Diagnostiker der Moderne“. In seinem berühmten Buch „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ (1904 / 1905) zeigte er die Bedeutung des religiösen Rationalismus, d.h. der reformatorischen Weltauslegung, die das Diesseits entzauberte oder entsakralisierte und die mit dem Berufsgedanken das alltägliche Leben mit dem Jenseitsschicksal verband, für die Entstehung des modernen Betriebskapitalismus: im Berufserfolg und Gelderwerb bewährt sich der je eigene Gnadenstand. Weber, Begründer der Religionssoziologie, suchte die Sozialwissenschaften zum Range strenger Wissenschaftlichkeit zu erheben, indem er ihre Methoden prüfte und sie als rein beschreibende auffaßte. Er suchte scharf zu trennen: Erfahrungswissenschaft und wertende Beurteilung, einseitige partikulare Erekenntnis und Ergreifen des Totalen, empirische Wirklichkeit und Wesen des Seins. Entgegen der intuitiven Verstehens-Theorie Diltheys muß nach Weber die verstehende Soziologie, als „eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“, rational hauptsächlich nach Zweck und Mitteln fragen, weil allein dadurch das Verstehen eine besonders hohe Evidenz erreicht. Als Hauptbegriff entwickelte Weber den des Idealtypus. Durch diesen Terminus wurde eine für die sozialwissenschaftliche Begriffs- und Theoriebildung zentrale Konstruktionsmethode bezeichnet. Der Idealtypus wird „durch gedanklich einseitige Steigerung bestimmter Elemente der Wirklichkeit gewonnen“, die dann „zu einem in sich widerspruchslosen Idealbilde zusammengefügt“ werden. „Der Idealtyp ist ein »Gedankenbild«, welches nicht die historischen Wirklichkeit oder gar die eigentliche Wirklichkeit ist, ... sondern die Bedeutung des eines rein idealen Grenzbegriffes hat, an welchenm die Wirklichkeit zur Verdeutlichung bestimmter bedeutsamer Bestandteile ihres empirischen Gehaltes gemessen, mit dem sie verglichen wird.“ (Max Weber). Die Bildung des Idealtypus ist ein heuristischer Schritt der Begriffs- und Theoriebildung, der deutlich von der überprüften Theorie zu unterscheiden ist. Wissenschaft und Philosophie

Auf die Hominiden folgte der Homo sapiens sapiens, auf den Humanismus folgt der Hominismus. Damit schließt sich vorerst der Kreis. Schon im 13. Jahrhundert sollen Alchimisten erste Experimente unternommen haben, um einen künstlichen Menschen im Reagenzglas zu erzeugen. Goethe ließ im 2. Teil des Faust den Famulus Wagner einen Homunkulus nach Anleitung des Paracelsus erzeugen. Heute scheinen sich die Möglichkeiten zur Erschaffung des Menschen nach eigenen Wünschen konkretisiert zu haben. Vgl. hierzu: 22-24

Johannes Faust (um 1480 - um 1540), deutscher Arzt, Astrologe und Schwarzkünstler, war nach seinem Theologiestudium in Heidelberg u.a. in Erfurt (1513), in Bamberg (1520), in Ingolstadt (1528) und in Nürnberg (1532). Er stand in Verbindung mit humanistischen Gelehrtenkreisen und hatte anscheinend Kenntnisse auf dem Gebiet der Naturphilosophie der Renaissance (magia naturalis). Schon zu seinen Lebzeiten setzte die Sagenbildung ein, besonders durch Übertragung von Zaubersagen auf ihn, in denen er vor allem als Totnbeschwörer auftritt. Sein plötzlicher (gewaltsamer?) Tod gab Anstoß zu Legenden, der Teufel habe ihn geholt. Diese Stoffe wurden Grundlage eines Volksbuches. Das erste Faustbuch erschien 1587 bei J. Spies in Frankfurt (Main). Mit einer um 1575 niedergeschriebenen Wolfenbüttler Handschrift des Faustbuches geht diese Fassung auf eine gemeinsame, nicht erhaltene Vorlage zurück. Das Spies'sche Faustbuch wurde 1599 in Hamburg neu bearbeitet von G. Widmann, dessen Fassung später (1674) von J. N. Pfitzer gekürzt wurde. Das älteste überlieferte Faust-Drama ist The tragical history of Doctor Faustus (entstanden 1588) von C. Marlowe. Es schließt sich eng an das Spies'sche Faustbuch an. Den Anfang bildet der Faustmonolog, ein nächliches Selbstgespräch des Faust, in dem dieser die einzelnen Universitätswissenschaften, einschließlich der Theologie gegeneinander abwägt, sie alle verwirft und sich der Magie verschreibt. Dieser Faustmonolog wurde ein festes Bauelement fast aller späteren Faustdramen. Faustspiele waren bei den englischen Komödianten in Deutschland (zuerst 1608 in Graz bezeugt) und später den deutschen Wandertruppen beliebt, worauf dann das Puppenspiel vom Doktor Faust, das seit 1746 bezeugt ist, fußt. (Vgl. 16-18 und Goethe). Faustisches Seelenbild des Abendlandes

Johann Wolfgang Goethe (28.08.1749 - 22.03.1832) Faust (Teil I), 1806, S. 27, Faust (II), 1831, S.113ff.

Fürst (zu althochdeutsch furisto, der Vorderste)ist seit dem Mittelalter die Bezeichnung für die höchste Schicht des hohen Adels, die durch ihre besondere Königsnähe an der Herrschaft über das Reich, besonders in seiner territiorialen Gliederung, teilhatte (Reichsadel), v.a. Herzöge und Herzogsgleiche sowie Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte der Reichsabteien. Ihnen stand das Recht der Königswahl zu und die Pflicht, bei Entscheidungen in Reichssachen mitzuwirken. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation konnten zunächst alle freien, dann alle Reichsfürsten den König wählen. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts kristallisierten sich bei der Wahl des Königs immer mehr entscheidende Fürsten heraus. Spätestens aber im 13. Jahrhundert ergab sich aus den Fürsten heraus der engere Kreis der Königswähler, die Kurfürsten, deren Sonderstellung in der Goldenen Bulle von 1356 festgelegt wurde. Weltliche und geistliche Reichsfürsten hatten Sitz und Stimme im Reichstag. Seit dem staufisch-welfischen Thronstreit (1198) mußten die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein (die Rheinpfalz) an einer gültigen Wahl beteiligt sein. Der Sachsenspiegel (1224-1231) zählt 2 weitere Kurfürsten als Vorwähler oder Erstwähler auf: den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg. Mit der Doppelwahl von 1527 traten zum ersten mal die 7 Kurfürsten (einschließlich des vom Sachsenspiegel abgelehnten Königs von Böhmen) als alleinige Wähler auf. Bei der Wahl Rudolfs von Habsburg (1273) war das Kurfürstenkollegium (Kurkollegium) ein geschlossener Wahlkörper. Seine Entstehung - vom Sachsenspiegel aus dem Besitz der Erzämter erklärt - war also letztlich ein Ergebnis des Interregnums: eine Verhinderung der erblichen Thronfolge, ein Erwerb von Reichsgut und wichtigen Reichsrechten durch die Kurfürsten. Das Wahlrecht schränkte sich auf 3 geistliche und 4 weltliche Kurfürsten ein, die vom Kandidaten Sonderrechte (Kapitulationen) und politisches Mitspracherecht (Willebriefe) forderten, ein schwaches Königtum wünschten und deshalb die Krondynastie wechselten. Die Kurfürsten wurden häufig zu Gegenspielern des Königtums. Zur Gültigkeit der Wahl mußten mindestens 4 Kurfürsten anwesend sein. Die Mehrheitswahl wurde zuerst im Kurverein von Rhense (1338) für rechtsmäßig erklärt und 1356 in der Goldenen Bulle als Reichsgrundgesetz festgelegt, die auch die Beratung von Reichsangelegenheiten durch die Kurfürsten auf Kurfürstentagen verbriefte. Im 15. Jahrhundert wurde das Kurfürstenkollegium zur 1., vom Reichsfürstenrat getrennten Kurie des Reichstages. Die böhmische Kurwürde ruhte 1519 bis 1708 mit Ausnahme der Beteiligung an der Königswahl; die Kur des geächteten Pfalzgrafen bei Rhein wurde 1623 Bayern übertragen, der Pfalz aber 1648 eine 8. Kurwürde zugestanden. Braunschweig-Lüneburg (Hannover) hatte seit 1692 eine 9. (1708 vom Reichstag bestätigt), nach der Vereinigung Bayerns mit der Kurpfalz 1777 die 8. Kurwürde inne (seit 1778). 1803 wurden die Kurstimmen von Trier und Köln aufgehoben, die Mainzer Kur auf Regensburg-Aschaffenburg übertragen. Neugeschaffen wurden die Kurfürstentümer Salzburg (1805 auf Würzburg übertragen), Württemberg, Baden und Hessen-Kassel. Am Ende des 1. Deutschen Reiches gab es 10 Kurfürsten. (Vgl dazu die entsprechenden Phasen 6-8, 8-10, 10-12, 12-14, 14-16, 16-18, 18-20)

Kurverein von Rhense war der Zusammenschluß der Kurfürsten (ohne Böhmen) am 16.07.1338 in Rhense (Rhens, Rhein-Lahn-Kreis) zur Verteidigung des Reichsrechts und ihrer Kurrechte besonders gegen päpstliche Ansprüche. Die Kurfürsten setzten in einem Rechtsspruch fest, daß der von ihnen oder ihrer Mehrheit zum Römisch-Deutschen König gewählte nicht der päpstlichen Anerkennung bedürfe.

Rationalismus ist der Verstandes- bzw. Vernunftsstandpunkt, die Gesamtheit der philosophischen Richtungen, die irgendwie die Vernunft (lat. ratio), das Denken, den Verstand subjektiv, die Vernünftigkeit, die logische Ordnung der Dinge objektiv in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellen. Sowohl die Antike als auch das Abendland durchliefen eine Phase der Rationalisierung, des Rationalismus und der ihm völlig dienenden Aufklärung. Eine Systematisierung erfuhr der eigentliche subjektivistische Rationalismus im 17. und 18. Jahrhundert durch Descartes (1596-1650), Spinoza (1632-1677), Leibniz (1646-1716) und Wolff (1679-1754). Für Rationalismus und Aufklärung gab es nur vorläufige Probleme, nicht aber grundsätzlich unlösbare Probleme. In der abendländischen Phase des Rationalismus entstand der neue Begriff der Wissenschaft, der gleichbedeutend wurde mit dem der Mathematik und der Naturwissenschaften. (Wissenschaft und Philosophie). Wissenschaftlich heißt seither: in mathematisch-naturwissenschaftlicher Sprache darstellbar. Ferner entstand der Begriff der wertfreien Wissenschaft, die besagt, daß die Wissenschaft sich nicht darum zu kümmern habe, ob die Gegensätze und namentlich auch die Ergebnisse ihres Forschens ethisch wertvoll oder wertwidrig sind, ob sie Heil oder Unheil in sich tragen. Der Platz für die Metaphysik wurde durch den Rationalismus immer enger. Deshalb rief der Rationalismus auch Gegner auf den Plan. Pascal (1623-1662) und die Empiristen Locke (1632-1704), Hume (1711-1776), Condillac (1715-1780) bekämpften ihn. Kant (1724-1804) hob den Gegensatz von Empirismus und Rationalismus in der höheren Einheit seines Kritizismus auf; Fichte (1762-1814), Schelling (1775-1854), Hegel (1770-1831) kehrten teilweise zu einem objektivistischen Rationalismus zurück. Völlig rationalistisch sollten dann der Positivismus, der historische Materialismus, der Pragmatismus sowie Marxismus, Neupositivismus, Logizismus, Physikalismus werden. (Vgl. dazu die Tafeln 14-16, 16-18, 18-20, 20-22, 22-24).

 

ZUM ANFANG Fünfter Monotheismus bzw. Henotheismus: die Religion der Mohammedaner (Moslems / Muslime)

Die von Mohammed (um 570 - 632) gestiftete Religion (Islam), die sich als Vollendung der jüdischen und christlichen Religion versteht, ist monotheistisch und kennt nur die unbedingte Ergebung (Kismet) in den Willen Allahs, der als absoluter Herrscher angesehen wird. (Islam = Ergebung [in Gottes Willen]). Die religiösen Glaubenssätze und Pflichten sind genau festgelegt; zu ihnen gehören die „5 Pfeiler“: 1) Glaubensbekenntnis: Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet; 2) Gebet: fünfmal am Tag, kniend auf öffentlichen Anruf hin, in ritueller Reinheit; 3) Almosen geben; fast zu einer geregelten Steuer ausgebildet; 4) Fasten: 30 Tage im Monat Ramadan von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang; 5) Wallfahrt (Hadsch) nach Mekka: mindestens einmal im Leben. Im heiligen Buch des Islam, dem Koran, ist Mohammeds Lehre, die von den Anhängern des Islam als geoffenbarte Wahrheit betrachtet wird, in Suren niedergelegt. Neben dem Koran bildete sich aus mündlichen Überlieferungen über Mohammeds Entscheidungen und Verhaltensweisen in konkreten Fragen und Situationen die Sunna. Die Einschätzung der Wichtigkeit der Sunna neben dem Koran ist das unterscheidende Kennzeichen für die Sunniten (ca. 90% der Moslems) und die Schiiten (ca. 10% der Moslems). Insgesamt gibt es ca. 1,2 Mrd. Moslems. (Vgl. Tabelle). Seinen Ausgang nahm der Islam in Mekka, wo die Kaaba, das arabische Nationalheiligtum, unter dem Schutz der Koreischiten stand. Diesem Stamm gehörte Mohammed an; im September 622 (Beginn islamischer Zeitrechnung) mußte er sich dem Zugriff der Koreischiten durch die Auswanderung (Hidschra) nach Medina entziehen. (Vgl. Tabelle). Von hier aus verbreitete er seine Lehre, und bald konnte er mit kriegerischen Mitteln Mekka zurückgewinnen und die Kaaba zum äußeren Mittelpunkt des Islam machen. Nach dem Tod Mohammeds breiteten seine Nachfolger (Kalifen) in langen Kämpfen den Islam aus. Mehr zum Thema

Mohammed gehörte zum Stamm der Koreischiten. Diese gaben schon in präislamischen Zeiten den Ton an in dem Umschlags- und Handelsplatz Mekka, wo die verschiedensten Karawanenrouten Arabiens zusammenliefen und die diversen Stammesgottheiten der Halbinsel über ihre Altäre verfügten. „Das Bekenntnis Mohammeds zu Allah, dem einzigen Gott, seine Verfluchung der vielen Götzen, die die Jahrhunderte der »Dschahiliya«, der Unwissenheit, verdüstert hatten, mußten ihn natürlich die Feindschaft all jener Händler von Mekka einbringen, die von der Wallfahrt zum Sanktuarium dieses vielfältigen Aberglaubens, dieses »Schirk«, profitierten und sich daran bereicherten. Von allen Sakralplätzen Mekkas zeichnete Mohammed die heilige Kaaba (Würfel; zentrale Kultstätte des Islam) aus, in deren Wand ein schwarzer Meteorit als Zeichen göttlicher Verheißung eingelassen ist.“ (Peter Scholl-Latour, Das Schwert des Islam - Revolution im Namen Allahs, 1990, S. 38). Islam

Als Mohammed 622 vor seinem Stamm der Koreischiten (Mehr zum Thema) aus Mekka bei Nacht fliehen mußte, als er die „Hidschra“  (Auswanderung von Mekka nach Medina, im September 622; Beginn islamischer Zeitrechnung) „nach der Oase Yathrib im Norden antrat, die nach seinem Tode in »Madinat el Nabi«, Stadt des Propheten, auch kurz »Medina«, umbenannt wurde, wiegte er sich noch in der Hoffnung, die zahl- und einflußreichen jüdischen Stämme Arabiens, deren Glaubensgut seine religiöse Offenbarung entscheidend inspiriert hatte, auf seine Seite zu ziehen, ja sie zu seinen Jüngern zu machen. In Yathrib, wo Mohammed sich mit seinen Gefolgsleuten, den »Ansar«, niederließ, wo er nicht nur als Prediger des göttlichen Wortes, sondern vor allem auch als Gesezgeber und Feldherr auftrat, stieß er von Anfang an auf die »Verstocktheit« der dortigen Juden. Er wurde von der Bani Israil mit Spott übergossen und rächte sich schrecklich, indem er sie erschlagen ließ oder aus Arabien vertrieb. Bis zu dieser radikalen Entzweiung mit dem mosaischen Zweig der »Familie des Buches« war er zu manchem Kompromiß bereit gewesen. So war ursprünglich nicht der Freitag, sondern der Samstag, der Sabbat, der geweihte Tag des frühen Islam, und erst nach dem Bruch mit den Hebräern wurde Mekka als obligatorische Gebetsrichtung, als Qibla, fixiert. Bis dahin hatte sich die Gemeinde der »Muhadschirin« nach Jerusalem verneigt. Die heiligen Bräuche von Mekka veranschaulichen die enge Verwandtschaft zwischen Thora und Koran, zwischen Juden und Arabern, diesen verfeindeten semitischen Brudervölkern. Am Anfang steht nämlich Abraham oder Ibrahim, der aus Mesopotamien ins Land Kanaan gezogen war. Das Alte Testament wie übrigens auch die christlichen Evangelien sind integrativer Bestandteil der muslimischen Lehre. Die Offenbarungsschriften der Juden und Christen wurden letztlich, so heißt es bei den Korangelehrten, von deren Interpreten verfälscht. .... An der abrahimitischen Inspiration des Hadsch (Wallfahrt nach Mekka) läßt sich ermessen, mit welch unerbittlicher Rivalität Juden und Muslime ihren Streit um die Gunst des Höchsten austragen. Seit vielen Jahrhunderten setzt sich dieser Erbstreit im Hause Abraham fort. Durch die Schaffung des Staates Israel ist der Anspruch der Juden auf das Gelobte Land, ihre Vorstellung, als das auserwählte Volk Jahwes zu gelten, in deutlicher Weise bekundet und reaktualisiert worden. Dem steht die Heilsbotschaft Mohammeds entgegen, die inbrünstigen Gefühle der Muslime, daß sie die wahre, von Irrtümern gereinigte und endgültige Wahrheit besitzen, wie sie dem »Hanif« (Gottsucher) Ibrahim schon zu Vorzeiten zuteil wurde. Dem auf das Volk Israel in quasi tribalistischer Einschränkung umrissenen Erwähltheitsbegriff der Juden, dem Dreifaltigkeitsglauben der Christen, der den Korangläubigen als eine Spaltung der Einzigkeit Gottes erscheint, setzt der fromme Muslim die Überzeugung entgegen, daß er der perfekten Religion anhängt. Er bekennt, daß dem Islam eine universale Rolle zukommt und daß der Prophet - durch sein exemplarisches Leben als Offenbarungsverkünder, Gesetzgeber und Feldherr - die Einheit von Religion und Staat, ja die Unterwerfung der Politik unter das Sakrale für alle Zeit festgeschrieben hat. .... Das drittgrößte Heiligtum des Islam ... ist Jerusalem, und es ließe sich darüber streiten, ob »El Quds«, die Heilige, nicht einen höheren sakralen Stellenwert einnimmt als Medina. .... Der Hadsch illustriert nicht nur die angebliche Überlegenheit des Islam über die frühe Lehre des Judentums, er weist auch auf die Unverzichtbarkeit Jerusalems als Heiligtum des Islam hin. Aus dieser Perspektive betrachtet, erscheint eine Lösung des aktuellen Konfliktes um das Heilige Land kaum vorstellbar. Sie wird zu einer Frage des Jüngsten Gerichts, wie ein renommierter Orientalist es formulierte. .... Immer wieder wird die Frage gestellt, warum die Muslime sich in fremde Kulturen so schwer integrieren lassen. Seitdem das Christentum aufgehört hat, gottesstaatliche Postulate zu formulieren, wie das im Mittelalter der großen Päpste der Fall war, seit die römische Kirche nicht mehr den Anspruch erhebt, allein seligmachend zu sein, haben in Europa die Reformation und die Aufklärung neue Normen der Toleranz gegenüber anderen Glaubensformen gesetzt. Wer den Islam mit dem Christentum vergleichen will, muß auf die beiden Gründerfiguren zurückgreifen, auf Christus und auf Mohammed. Immer wieder betonen die koranischen Schriftgelehrten, die Ulama, die Jesus von Nazareth als einen der großen prophetischen Vorläufer Mohammeds anerkennen, welche grundlegenden Unterschiede zwischen beiden abrahamitischen Religionen existieren. Man vergißt heute zu leicht, daß das Urchristentum kein politisches Konzept bereithielt, sondern sich auf einen nahe bevorstehenden Weltuntergang vorbereitete. Die muslimischen Kenner der christlichen Lehre verweisen auf den Satz Jesu: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt.« Oder auf jenes andere Zitat des Neuen Testaments: »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.« Auch die Mahnung »Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert unkommen«, wird in diesem Zusammenhang erwähnt. Tatsächlich haben die ersten Christen als Bekenner, als Märtyrer, zwar den Tod in der Arena oder durch die Folterknechte des Römischen Reiches gesucht; das entsprang aber nicht einer grundsätzlichen Ablehnung des alles beherrschenden Cäsarentums, sondern der Weigerung der ersten Anhänger Jesu, den römischen Kaiser als Gott anzuerkennen und ihm zu opfern. Was immer auch heute behauptet werden mag: Die Bergpredigt enthält keinerlei Regierungskonzept, sie zeichnet den christlichen Heilsweg auf. Ganz anders der Prophet Mohammed. Er war im Gegensatz zu Christus nur Mensch, wenn auch der perfekte Mensch. Mohammed war nicht nur der Künder und das Siegel göttlicher Offenbarung, er war ein umfassender Gesetzgeber, und er war Feldherr gegen die Ungläubigen. .... Die persönlichen Konflikte Mohammeds mit den Christen seiner Zeit waren zweitrangig. Eine seiner Frauen war ohnehin Koptin, also Christin, und trug den Namen Maria oder Miriam. .... Seine wirklichen Gegner ... waren die Juden .... Der Konflikt, die Rivalität mit dem Judentum, mit dem anderen semitischen Volk, das sich auf die Erbschaft Abrahams beruft, gilt von jeher als eine Existenzfrage des Islam. .... Die wirklich unversöhnliche Feindschaft zwischen Juden und Muselmanen brach erst aus, als der Zionismus unter den europäischen Juden an Boden gewann. .... Eine seltsame Umkehrung hat seitdem stattgefunden. Heute sind es die arabischen Palästinenser, die Nachfahren Ismaels, die in den Flüchtlingslagern eine karge, verbitterte Existenz führen, die in der Rolle des ewigen Wanderers Ahasver (Ewiger Jude) gedrängt wurden, die von der Rückkehr in ihr Gelobtes Land Palästina träumen. .... Nicht Verwestlichung und Modernität, nicht Verweltlichung und Diesseitigkeit hat Israel den arabischen Nachbarn, den abrahamitischen Brüdern und Erbfeinden, überzeugend vor Augen geführt. Die jüdische Staatsgründung hat die muslimischen Rivalen um die Gunst Gottes auf den Weg der eigenen mystischen Rückbesinnung verwiesen. In der unerbittlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden semitischen Völkern, die sich auf Abraham berufen, besitzen die Mohammedaner einen deutlichen Vorsprung. Während die jüdische Offenbarung auf ein auserwähltes Volk begrenzt bleibt und keine umfassende Weltbekehrung zum Monotheismus ins Auge faßt, erhebt die islamische Lehre Mohammeds einen universalen Anspruch. .... Die kriegerische Ausbreitung des Islam, die sich nach dem Tod Mohammeds in Windeseile vollzog und binnen weniger Jahrzehnte ein immenses Territorium zwischen Südspanien und Zentralasien, den »Dar-ul-Islam«, umfaßte, vollzog sich im Zeichen des »Dschihad«. Der Heilige Krieg gehört nicht zu den Grundgeboten, den fünf Säulen des Islam. (Islam). Aber schon Mohammed bewährte sich als Feldherr. Aus den Suren des Koran klingt eine ganze Folge von eindeutigen Appellen an die Gläubigen. Sie sollen auf dem Weg Allahs streiten, sie sollen töten und getötet werden, um der gerechten Sache willen. Dann winken ihnen die himmlischen Gärten des Paradieses. Nicht nur durch Feuer und Schwert, auch durch die Predigt der Schriftgelehrten und die bereitwillige Unterwerfung ungläubiger Völkerschaften unter das Gesetz Allahs hat sich der Islam in aller Welt verbreitet und schreitet weiter fort. .... Vor allem in Afrika ist der Islam weiter im Vormarsch. (Islam) .... Bis zum Kongo und bis tief in den Süden Mosambiks sind die islamischen Missionare - meist handelt es sich um Händler, die den Koran predigen - vorgestoßen.“ (Peter Scholl-Latour, Das Schwert des Islam - Revolution im Namen Allahs, 1990, S. 38-59). Islam

Nietzsche zufolge gehört der Islam zu den „ja-sagenden“ Religionen! Islam

 

© Hubert Brune, 2001 ff. (zuletzt aktualisiert: 2014).