WWW.HUBERT-BRUNE.DE
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Jahr  S. E. 
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 2003 *  1
 2004 *  3
 2005 *  2
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2008 2
2009 0  
2010 56
2011 80
2012 150
2013 80
2014 230
2015 239
2016 141
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2018 30
2019 18
2020 202
2021 210
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P. Z.
 
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400%
114,29%
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26,67%
60,53%
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16,61%
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2,48%
2,42%
 
S.E. (S.)
T. (S.)
0,0039
0,0032
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0,0049
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K.  
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228
 
S.
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6931
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7036
7707
8590
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9042
 
P. Z.
 
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235,28%
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5,60
5,70
 
  K.  
T.
0,0039
0,0027
0,0027
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1,8333
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0,6247
 
 K. (S.) 
S.E. (S.)
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1
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1,143
2,486
1,807
1,723
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5,888
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5,873
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5,342
5,350
 
K. (S.)
T. (S.)
0,0039
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1,0164
1,1362
1,0843
1,0302
1,0710
1,1360
1,1120
1,0906
* Von 2001 bis 2006 nur Gästebuch, erst ab 2007 auch Webforen und Weblogs.

NACH OBEN 1651) Hubert Brune, 01.04.2023 (8868)

8868

Ja, Hans (**). Alle Drei- und Viertakter gehen auf Zweitakter zurück. Anders gesagt: Ich kann alle Drei- und Viertakter so reduzieren, daß nur noch ein Widerspruch übrig bleibt. Ein solcher Zweitakter wäre zwar ziemlich undynamisch und würde quasi mehr wie im Museum nur zur Besichtigung dastehen und bis in alle Unendlichkeit den Widerspruch aufrechterhalten. Noch undynamischer wäre ein Eintakter, der auch bezüglich meines Webangebots möglich, aber so nicht berücksichtigt worden und wegen meiner fast rücksichtslosen Risikobereitschaft nicht sehr erwünscht ist ().

Strukturbaum
Es sind insgesamt sechs Takter, die aus insgesamt einundzwanzig Takten bestehen.
(Die in den Klammern angegebenen vierzehn Takter sind hier nicht mitgerechnet.)
Ich kann z.B. den Groß-Dreitakter namens WWW.HUBERT-BRUNE.DE auf einen Groß-Zweitakter namens Widerspruch zurückführen, weil der 1. Takt namens Enzyklopädie einem Widerspruch durch den 2. Takt namens Hauptthema ausgesetzt ist, wobei es für diesen Widerspruch selbst - wie er für sich besteht - irrelevant ist, ob es auch noch einen 3. Takt namens Gesamttheorie gibt, denn dieser befindet sich ja innerhalb des Hauptthemas, unabhängig davon, ob dieser 3. Takt auch - dialektisch gesprochen - der Synthetisierung der Enzyklopädie mit dem Hauptthema dient oder nicht. Ich könnte diesen so entstandenen Zweitakter auch zu einem Eintakter machen, hätte dann das, was mir anfangs mit meinem Webangebot vorschwebte: eine reine Enzyklopädie, eine Enzyklopädie ohne Widerspruch also.

Auch beim Mittel-Viertakter namens Gesamttheorie bzw. 4 Einzeltheorien (hier als Summe verstanden) ist es möglich, die vier Takte, die aus zwei Klein-Viertaktern und zwei Klein-Dreitaktern bestehen, so anzuordnen, daß dabei der Mittel-Viertakter zum Mittel-Zweitakter wird. Die Quadrialistische Erkenntnistheorie einerseits und die Allgemeine Entwicklungstheorie, die Kulturtheorie und Hegels Dialektik andererseits sind auf den Gegensatz bzw. Widerspruch von Erkenntnis und Entwicklung reduzierbar, wobei sich sie Erkenntnis auch auf die Entwicklung und die Entwicklung auch auf die Erkenntnis bezieht, auch unabhängig davon, ob Entwicklung zyklisch bzw. spiralzyklisch verstanden wird oder nicht. Ich könnte diesen so entstandenen Mittel-Zweitakter auch zu einem Mittel-Eintakter machen, hätte dann auf der mittleren Ebene eine reine Erzählung, eine Geschichte ohne Widerspruch also. Die Verbindung aus dem, was ich auf der höheren Ebene im Falle einer Reduktion auf einen enzyklopädischen Groß-Eintakter hätte (siehe oben), und dem, was ich auf der mittleren Ebene im Falle einer Reduktion auf einen erzählerischen oder geschichtlichen Mittel-Eintakter hätte, wäre dann wiederum ein Zweitakter, der weder groß noch mittel wäre, ein Zweitakter, der einerseits mehr informierte als bloß erzählte und andererseits mehr erzählte als bloß informierte. Information und Erzählung im Widerspruch. Ja, und auch sie ließen sich auf einen dementsprechenden Eintakter zurückführen. Bei diesem würde man den Unterschied zwischen Information und Erzählung gar nicht mehr bemerken.

Kommen wir nun zu den (zuvor als mittlere Takte fungierenden) kleinen Taktern.

Der Klein-Viertakter namens Quadrialistische Erkenntnistheorie ist auf den Klein-Zweitakter, nämlich auf den Widerspruch zwischen Natur und Kultur zurückführbar. Anstelle von Natur und Kultur können Sie auch Körper und Geist (oder auch: Seele) sagen. Wenn etwas nicht Natur ist, dann ist es Kultur - und umgekehrt: Wenn etwas nicht Kutur ist, dann ist es Natur. Das ist ähnlich wie der Unterschied zwischen System und Umwelt in der Systemtheorie, Hans, oder eben der zwischen Subjekt und Objekt in der Erkenntnistheorie.

Bei dem Klein-Dreitakter namens Allgemeine Entwicklungstheorie zeigt sich der Widerspruch in der Zeit, den Veränderungen, der Entwicklung usw. als gegen die physikalischen Regeln gerichtet, so daß der leblosen Naturgeschichte als Kosmogenese gegenüber eine lebendige Evolution, unabhängig davon, ob ebenfalls als Naturgeschichte oder als Kulturgeschichte, erscheint. Daß später diese Evolution sich noch einmal wieder teilt in eher natürlicher Evolution und eher kultureller Evolution, wobei letztere dann Geschichte i.e.S. oder Historie heißen wird, kann bezüglich des Themas hier unberücksichtigt bleiben, denn der Widerspruch zwischen lebloser Kosmogenese und lebendiger Evolution ist seit Beginn der letzteren bereits gegeben, so daß der 3. Takt zwar hinzukommen kann, aber nicht muß, wenn wir nur vom Klein-Zweitakter ausgehen wollen, und das wollen wir ja.

Auf Zyklen wie z.B. die Jahreszeiten bezieht sich der Klein-Viertakter namens Kulturtheorie (Kulturgeschichtstheorie), wobei sich besonders die Jahreszeiten ziemlich unproblematisch auf einen Klein-Zweitakter zurückführen lassen, nämlich auf die Trockenzeit und die Regenzeit, denn diese beiden Jahreszeiten bilden einen Widerspruch zueinander, der sich bei vier Jahreszeiten verdoppelt, also - gemäß unserer Sprachregelung hier - zu einem Klein-Viertakter wird: Sommer gegen Winter und Frühling gegen Herbst. Es lassen sich neben den Jahreszeiten noch viele andere Beispiele anführen.

Hegels Dialektik, oft auch Hegels Dreierschritt genannt, ist, um in unserer jetzigen Sprachgewohnheit zu bleiben, ein Klein-Dreitakter, der sich ebenfalls auf einen Klein-Zweitakter zurückführen läßt, wie man sich leicht denken kann: ich meine den Widerspruch, und zwar den zwischen These und Antithese. Aber ein Zweierschritt allein war Hegel noch zu wenig, und auch und erst recht dieser Zweierschritt im Hegelschen Sinne wäre, wie ich eingangs schon sagte, ziemlich undynamisch und würde quasi mehr wie im Museum nur zur Besichtigung dastehen und bis in alle Unendlichkeit den Widerspruch aufrechterhalten.

Jede der vier Einzeltheorien könnte man auch auf einen Klein-Eintakter zurückführen, wenn man es wollte. Jede Erkenntnis, jede Entwicklung, jede Kultur (Kulturgeschichte) und jede wie auch immer daherkommende Dialektik wäre dann eine von nur einer Wesenheit oder nur einem Phänomen bestimmt: Gott, Natur, Kultur, absoluter Geist u.ä. (einschließlich Luhmanns Beobachter [**]).

 

NACH OBEN 1652) Hubert Brune, 04.04.2023 (8869)

8869

Hans (**|**), Sie haben recht. Die Beobachtung ist das Problem. Der Beobachter kann nicht beobachten, wie er selbst beobachtet; denn das kann nur ein anderer beobachten, der auch nicht beobachten kann, wie er beobachtet ... u.s.w.: jeder hat seinen blinden Fleck. Luhmann selbst hat es bereits oft thematisiert (**). Wir haben scheinbar nur noch zwei Optionen: (1.) Zurück zu Gott oder (2.) die Fortsetzung des auf dem Subjekt bzw. dessen Beobachtung basierenden Unternehmens. Zumindest für uns Abendländer gibt es diese zwei Optionen aber doch wohl nur scheinbar, weil zumindest vorerst der Rückweg zu Gott versperrt und darum nur die Fortsetzung des Subjektiven bleibt, auch wenn dieses noch so sehr das Objektive in den Vordergrund oder an die Oberfläche schiebt.

Außerdem sagten Sie, daß das komplexeste Teilsystem der Gesellschaft, die nur noch eine Weltgesellschaft sein kann, die Wirtschaft sei (**). Das ist sicher richtig, wenn man Gesellschaft, Soziales und Wirtschaft so versteht und so ein- und zuordnet, wie Luhmann es getan hat. Meiner Theorie zufolge gehört aber die Gesellschaft zu den „statischen“ Sinnsystemen, nämlich den ökonomischen Systemen und kann sich deshalb auch nicht aktiv, sondern nur passiv, nämlich einerseits auf quantitative Weise durch Nachkommen, also rein demographisch oder durch Geld (als Zeichen gehören beide zu den sprachlichen Systemen), also rein finanziell aufblähen und andererseits auf qualitative Weise nur durch in den Lebenssystemen bereits vollzogenen genetischen Veränderungen der Nachkommen sowie durch in den „dynamischen“ Sinnsystemen, nämlich den sprachlichen Systemen vollzogenen Übungen der Nachkommen komplexer werden. Statische Kräfte stehen bekanntlich im Gleichgewicht zueinander, weshalb die Autopoiesis statischer Systeme in der Aufrechterhaltung dieses Gleichgewichtes besteht und Aktivität möglichst vermieden werden soll. Die komplexesten Systeme sind also in den sprachlichen Systemen zu finden, und tatsächlich findet man ja gerade auch für die Wirtschaft und also die ökonomischen Systeme die meisten juristischen Gesetzestexte, ohne die z.B. die „Finanzhaie“ ihre Raubfänge nicht hätten beginnen können, und juristische Gesetzestexte sind genau wie alle anderen Texte Teil der sprachlichen Systeme. Es sind also vor allem und mit weitem Abstand die ohnehin schon komplexesten unter den sprachlichen Systemen, die sich aufblähen und an Komplexität zunehmen, und das kann auch gar nicht anders sein, denn wäre es anders, dann würden wir etwas Ähnliches auch schon bei den Tieren beobachten können, aber Tiere regulieren und derugulieren ihre ökonomischen Systeme nicht über juristische Gesetzestexte.

Es folgt im Rahmen meiner systemtheoretischen Begrifflichkeiten eine Beschreibung dessen, wie ich Wirtschaft als ökonomische Systeme verstehe, nämlich als etwas Statisches (vgl. „oikos“ => „Haus“), und zwar zuerst und im ureigentlichsten Sinne als eine noch im Bau befindliche „Hütte“ und danach als einen der ständigen und exponentiell zunehmenden Veränderung unterlegenen „Gebäudekomplex“, wobei vom Baubeginn an bis hin zu den bislang letzten Veränderungen die so verstandene Wirtschaft nie sich selbst „gebaut“ („ausdiffrenziert“ würde Luhmann jetzt sagen) hat, sondern immer nur durch andere Systeme, zunächst durch die noch nicht sinnhaften Lebenssysteme, danach durch die allersinnhaftesten Sprachsysteme (Zeichensysteme) „gebaut“ worden ist und wohl auch in Zukunft „gebaut“ werden wird:

Systeme    Systeme
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Strukturbaum
S —› NP + VP
VP —› V + NP
NP —› Det + N
Es gibt, wie oben in den Diagrammen zu sehen, zwei Ebenen der sinnhaften Systeme (Sinnsystme): die eine ist die der ökonomischen Systeme (Wirtschaftssysteme) und die andere ist die der sprachlichen Systeme (Sprachsysteme). Wenn man beide von unten, von der sinnhaften Basis - und das heißt gemäß dem obigen Diagrammen: von links - aus betrachtet, dann sind die Wirtschaftssysteme das, was erst infolge der Rückkopplung von oben durch die Sprachsysteme in ein sinnhaftes Zeichensystem gebracht wird, nämlich als Subjekt gemäß einer Grammatik, insbesondere einer Syntax, der mindestens zwei Formen angehören, denn ohne eine zweite syntaktische Form wäre das Subjekt als solches noch gar nicht erkennbar. Schon aber mit nur einer anderen syntaktischen Form und erst recht mit mehreren anderen syntaktischen Formen, also über die Beziehungen ist das Subjekt leicht erkennbar. Ein Satz kann, um sinnhaft zu sein, nur mit mehr als einer der syntaktischen Formen gebildet werden. Ein Subjekt allein hätte gar keinen Sinn, würde auch so nicht genannt werden können, weil es ein Subjekt nur mit Bezug auf ein Prädikat oder (zusätzlich) auf ein Objekt geben kann, also erst dadurch zu dem Satzteil wird, den wir von der Schule her Subjekt zu nennen gewohnt sind. Gemäß der Transformationsgrammatik ist dieses Subjekt als Nomen (N) in einer dem Satz (S) unmittelbar untergeordneten Nominalphrase (NP) zu finden (siehe Strukturbaum rechts). Das Subjekt wäre ohne die anderen syntaktischen Ausdrücke kein sinnvolles Subjekt, weil es in dem Fall als ein solches sinnvolles Subjekt nicht erkennbar wäre. Dieses (noch) nicht (mehr) erkennbare Subjekt ist die Wirtschaft als der andere Teil der beiden Sinnsysteme. M.a.W.: Erkennbar werden die ökonomischen Systeme nur durch die sprachlichen Systeme.

Sobald es bei den ökonomischen Systemen um etwas geht, was über das grammatisch-syntaktische Subjekt hinausgeht, wenn es also um Tätigkeiten geht, geht es um Zeichen (z.B. Tätigkeitswörter) und damit um sprachliche Systeme. Bei den ökonomischen Systemen geht es also um statische Systeme im Sinne einer Architektur, bei der die Struktur wie bauliche Verstrebungen und deren Funktion jede Dynamik und folglich jede Veränderung an sich selbst wegen der drohenden Um- oder Einsturzgefahr verhindern sollen und sie darum den sprachlichen Systemen überlassen, weil nur diese mit ihrer Dynamik die Statik ökonomischer Systeme auch langfristig aufrechterhalten, aber schlimmstenfalls auch zerstören können.

Der Markt enthält nicht nur die sich in den sprachlichen Systemen äußernden Angebote und Nachfragen, sondern auch den sich ebenfalls in den sprachlichen Systemen äußernden Raub, wie ihn schon die präpersonalen Lebewesen praktizieren, aber nicht benennen und bedenken können (**|**). Zu den Kollektiven - Gemeinschaftsformen (**|**) - gehören kleine (Paar/Ehe, Familie), mittlere (Sippe, Stamm [bei Tieren; Herde, Rudel u.ä. Verbände]) und große (Nationen, Kulturen). Das, was wir heute unter Markt verstehen, ist ein Ergebnis oder Zwischenergebnis, das die Sprachsysteme ermöglicht haben, und zwar metagenetisch (**).

Ganz schön viel los in unserem „Gebäudekomplex“ namens Wirtschaft, deren Höhe über die Wolken hinaus reichte und deren Fläche in etwa der Europas gleichte, wenn es nicht einfach nur eine Metapher, sondern wirklich ein Gebäudekomplex wäre.

Für Herrn Wagner:

Schopenhauers Vorlesung fällt aus

Diese Auskunft gab es wirklich: sie war zu lesen auf dem Schild an der Tür zu Schopenhauers Vorlesungssaal.

Haben Sie auch jetzt etwas gelernt? Sie wissen ja: Ohne Lernen geht es nicht. Peter Sloterdijks 2009 erschienenes Buch heißt nicht zufällig „Du mußt dein Leben ändern“ (Untertitel: „Über Anthropotechnik“) - bei dem Titel des Buches liegt die Betonung auf dem Wort „mußt“! Du kannst nicht anders: Du mußt dein Leben ändern! Du mußt lernen! Ob du willst oder nicht: Du mußt lernen! Und das heißt auch: Du mußt üben! Du lernst und übst entweder richtig oder falsch. Dazwischen gib es nichts. Jedes Dazwischen ist in diesem Fall auch falsch.

 

NACH OBEN 1653) Hubert Brune, 27.04.2023 (8870)

8870

Der Strukturalismus sieht in der Sprache, die er oft auch als „Kode“ („Code“ [**]) bezeichnet, d.h. als ein nach bestimmten Regeln kombinierbares Zeichensystem mit nicht nur, aber doch vor allem kommunikativer Funktion, den Prototyp jeder ganzheitlichen Organisation der Wirklichkeit. Die vom Strukturalismus synchronisch untersuchten Sprachmodelle werden methodisch auf den gesamten Bereich des Verhaltens ausgedehnt. ** **

Man mag mich gern einen Strukturalisten nennen. Ich habe nichts dagegen. Allerdings habe ich etwas dagegen, ein französicher Strukturalist genannt zu werden, denn alles, was seit der angeblichen „Befreiung“ Ende 1944 in Frankreich geschieht, ist nichts anderes als die Verleugnug der eigenen Geschichte - ich meine hier insbesondere die Kollaboration während der deutschen Besatzungszeiten, deren es ja viele gab, zuletzt und besonders die während des 2. Weltkrieges -, die vertuscht und vergessen gemacht werden soll durch die typisch französische Großmannssucht und die ebenfalls typisch französische Anfälligkeit für ein anderes Extrem, die Anarchie, der auch die Italiener immer wieder erliegen. Das ergibt diese merkwürdige Allianz zwischen der nationalistischen Großmnannsssucht und der sogenannten „Linken“ in Frankreich, von der sich kein Franzose so richtig loslösen kann, weil er gar nichts anderes gelernt hat, es nicht gekonnt hat, weil es in Frankreich nie etwas anderes zum Üben, zum Lernen gegeben hat. Peter Sloterdijk faßte den Gedächnisverlust sowohl der Franzosen als auch der Holländer gerade bezüglich beider Kollaborationen mit der deutschen Besatzung während des 2. Weltkrieges einmal so zusammen: „Wie die Franzosen nach der libération plötzlich neben den Siegern aufmarschierten, als ob nie etwas gewesen wäre, in dopppelter Heuchelei ..., so haben die Niederländer nach 1945 sich etwas vorgemacht und ihre Nachkriegswirklichkeit auf einen nicht selbst erfochtenen Sieg aufgebaut. Die nachträgliche nukleare Großmannssucht der Franzosen ist das formale Äquivalent der nachträglichen kosmopolitischen Umarmungssucht der Holländer.“ (** [**]). Nennen Sie mich doch lieber einen „spanischen Strukturalisten“ (). Auch hier kann ich mit einem Sloterdijk-Zitat aufwarten: „Napoleon ... hat als Beleidiger Geschichte gemacht. Die Spanier mußten bis 1975 - bis zum Tode Francos - warten, bis sie endlich aus der Folge ihrer eigenen antinapoleonischen Reaktionen herauskamen. Man darf auch die Geschichte Spaniens im 20. Jahrhundert nicht isoliert betrachten. Und die Deutschen wären auch nicht dahin gekommen, wo sie standen, wenn sie nicht ... durch die napoleonische Beleidigung ... in die reaktive Posoition gekommen wären und bis 1945 ihre antifranzösische Reaktion abgearbeitet hätten. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, daß die Europäer allesamt ohne die Deutschen gar kein Beispiel dafür hätten, wie es ist, sich als Europäer zu verhalten. Denn wenn sie nur auf sich selber schauen, so sind sie doch Briten, Franzosen und was weiß ich geblieben - mit Ausnahme der Spanier, die wirklich ähnlich wie die Deutschen in einer solchen metanoetischen Verwandlung .... (Kluge unterbricht Sloterdijk hier; HB), die haben auch dieses Lernen aus den eigenen Lektionen auf einer ungewöhnlich tiefen Ebene vollzogen, deswegen sind sie ... den Deutschen auch am nächsten, auch sind sie die Nation, die eigentlich mit der größten politischen Reife den Weg in die Demokratie gegangen sind, und zwar (sind sie) bei permanentem Terror ... trotzdem ruhig den Weg weitergegangen. Man muß sich nur ‘mal vorstellen, wie es uns ginge, wenn wir auch nur ein Zehntel des Terrordrucks in unserem Land hätten, den die Spanier in den letzen dreißig Jahren chronisch erlebt haben.“ **

FranzoseSpanierDeutscher
Ich bin also kein „französischer Strukturalist“, wie Sie meinten, Hans (**), und leider auch kein spanischer Strukturalist. Aber was bin ich dann? Ein deutscher Strukturalist? Ja, auch. Ich bin auch ein deutscher Poststrukturalist, aber lieber ohne die Vorsilbe „Post“. Auch bin ich ein deutscher Systemtheoretiker, ein deutscher Kybernetiker, ein deutscher Zyklentheoretiker ... u.s.w.. Weil Ihre Aussage sich aber wohl eher nicht auf das Nationale, sondern auf das rein Philosophische bezog, muß die Frage lauten: Was bin ich philosophischerseits? Ein Strukturalist, ein Poststrukturalist, ein Systemtheoretiker, ein Kybernetiker, ein Zyklentheoretiker, ein Enzyklopädist, ein Erkenntnistheoretiker, ein Natur-, Kultur-, Existenz- und Lebensphilosoph, ein Phänomenologe, ein Neuphänomenologe, ein Idealist, ein Realist, ein Realidealist und Idealrealist ... u.s.w.. (**|**). Darf man Ihnen zufolge auch philosophischerseits ein Wissenschaftler sein? Ja? Dann bin ich ein Wissenschaftler und Erkenntnistheoretiker und alles andere erst danach. Ist nicht aber ein Philosoph sowieso ein Wissenschaftler? Als ich zum ersten Mal den Gedanken kennenlernte, daß etwas auch für immer wegbleiben kann, daß also z.B. dann, wenn ein Mensch gestorben ist, er nicht mehr wiederkommt, da entwickelte sich in mir, in meinem Geist oder, wenn der Geist außerhalb des Körpers sein sollte, in dem Geist, der zu mir spricht, auch zum ersten Mal das Wissen von der Bedeutung der Zeit: ich wußte seitdem, daß Zeit wirklich vergeht, daß sie nicht wiederkommt, daß sie nicht zurückgeholt werden kann. Dies wurde mir erzählt. Ich war zu der Zeit erst drei Jahre alt, denn das Erlebnis, das mir damals den Tod eines anderen Menschen, der durch einen Autounfall ums Leben kam, kennenlernen ließ, ist genau datierbar, also: heute noch in Erfahrung zu bringen. Jedenfalls machte ich daraus so etwas wie eine Wissenschaft von der Zeit, der Geschichte u.s.w.. Was ich damit sagen will, ist, daß ich schon sehr, sehr früh ein Zeit- und Geschichtswissenschaftler wurde und darum dieser „Beruf“ wohl derjenige unter den sehr vielen sonst noch sein wird, der mich als letzter verlassen wird.

Der einzige unter den französischen Strukturalisten, der für mich dann, wenn ich seine sexuell motivierten Perversitäten und kommunistisch motivierten Absurditäten völlig unberücksichtigt lasse (denn anders geht es nicht), einigermaßen in Frage kommt, ist Michel Foucault (1926-1984). Bei ihm muß man drei Denkstadien unterscheiden: das frühe, das mittlere und das späte Denkstadium. Als die bedeutsamsten Präger und Beeinflusser Foucaults gelten Immanuel Kant, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Karl Marx, Friedrich Nietzsche, Martin Heidegger und Louis Althusser. Vom 1950 bis 1954 war Foucault außerdem Mitglied der französichen KP. Muß ich noch mehr dazu sagen? Marx fiel seit 1954 immer mehr aus dem Denken Foucaults heraus. Alle anderen Präger und Beeinflusser blieben. Foucault wurde eigentlich erst richtig interesasant in seinem letzten - von der Mitte der 1970er Jahre bis zu seinem Tod währenden - Denkstadium, doch in diesem war er bereits ein sogenannter Poststrukturalist. Der Poststrukturalismus bleibt dem Strukturalismus verbunden, denn auf die strukturale Konstruktion folgt die poststrukturale Dekonstruktion. Der Begriff der Dekonstruktion geht auf Martin Heidegger zurück, der von einer „Destruktion“ der abendländischen Tradition der Metaphysik gesprochen hat:
„Die Destruktion hat ebenso wenig den negativen Sinn einer Abschüttelung der ontologischen Tradition. Sie soll umgekehrt diese in ihren positiven Möglichkeiten, und das besagt immer, in ihren Grenzen abstecken, die mit der jeweiligen Fragestellung und der aus dieser vorgezeichneten Umgrenzung des möglichen Feldes der Untersuchung faktisch gegeben sind.“ **
Auch hat Heidegger von einer methodischen Verschränkung von Konstruktion und Destruktion gesprochen. Diese betrifft drei Momente:
–  „Erfassung des Seienden auf das Verstehen von dessen Sein (phänomenologische Reduktion).“
–  „Entwerfen des vorgegebenen Seienden auf sein Sein und dessen Strukturen (phänomenologische Konstruktion).“
–  „Kritischer Abbau überkommener Begriffe (Destruktion).“ **
In Aufnahme dieser Verschränkung von Destruktion und Konstruktion meint Dekonstruktion nicht einen Angriff auf die Legitimität oder Sinnhaftigkeit von Texten oder Thesen, sondern die sinnkritische Analyse ihrer Verstehens- und Geltungsbedingungen.

Der Poststrukturalismus und der Strukturalismus gehen auf Heideggers Daseinsphänomenologie (Existenzphilosophie) und auf Husserls Phänomenologie zurück, die auf Freges Antipsychologismus zurückgehen. Ihnen kann ich nur sehr hochachtungsvoll danken, denn auch ich bin ein Antipsychologist und kann mir gut vorstellen, daß in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts der Psychologiewahn bereits so unerträglich geworden war, daß ein Antipsycholgismus wie eine lang ersehnte Befreiung davon wirken konnte, ja mußte.

Husserl
„Logische Untersuchungen“ (1900)
Prolegomena und II. Untersuchung V. und VI. Untersuchung I., III. und IV. Untersuchung

1. Strömung

2. Strömung

3. Strömung
Eidetische Phänomenologie Transzendentale Phänomenologie Strukturale Phänomenologie
München-Göttinger
Phänomenologie
Husserlsche
Phänomenologie
Heideggersche
Phänomenologie des Daseins
(Existenzphilosophie)
Prager Strukturalismus
Antipsychologismus, autonome
Phänomene, eidet. Universalien
Französische Phänomenologie als Versuch, Husserls und
Heideggers Phänomenologie wieder zusammenzubringen
Autonome Linguistik,
strukturale Universalien
Autonome Phänomene Korrelation von Subjekt und Objekt Autonome Linguistik
Eidetische Universalien Objektiver Idealismus Subjektiver Dezisionismus Strukturale Universalien
* Es sind hinzuzufügen: (1.) Freges Antipsychologismus oben, weil er eine Voraussetzung für Husserls „Logische Untersuchungen“ ist; (2.) der frz.
    Strukturalismus/Poststrukturalismus, Gadamers „Philosophische Hermeneutik“, Schmitz’ „Neue Phänomenologie“ innerhalb der 2. Strömung unten.
Elmar Holenstein (ein Schweizer, noch dazu in Ihrem Alter, Herr Wagner!): „Husserls Logische Untersuchungen können als Ausgangspunkt von drei ausgezeichneten phänomenologischen Strömungen angesehen werden. (Siehe Skizze. 1. Strömung: München-Göttinger Phänomenologie; 2. Strömung: Transzendentale Phänomenologie; 3. Strömung: Prager Strukturalismus. Alle drei Strömungen richten sich nach dem von Frege begündeten Antipsychologismus. HB.) Diese kurze Skizze ist eine Vereinfachung. Sie beschränkt sich auf die Herausstellung der hauptsächlichen Quelle und der vorherrschenden Aspekte jeder der drei Strömungen. Sie soll nicht als eine erschöpfende Charakterisierung mißverstanden werden. Insbesondere ist vor der weitverbreiteten Meinung zu warnen, der Strukturalismus setze sich über das Hauptanliegen der transzendentalen Phänomenologie (siehe 2. Strömung in der Skizze; HB), die immanennte Korrelation von Subjekt und Objekt, positivistisch hinweg. Der subjektive Pol der Konstitution ist im Strukturalismus nicht abwesend. Was der Strukturalismus verwirft, ist allein der »Egozentrismus« der klassischen Transzendentalphänomenologie. Nicht anders als Husserl selber in seinen späteren Jahren befaßt sich der Strukturalismus vorab mit dem unbewußten und mit dem intersubjektiven Charakter der Subjektivität der sprachlichen Konstitution. .... Abgesehen von elementaren und primitiven Erkenntnissen, die als solche freilich grundlegend sind, beruht alles Wissen auf einer Interdependenz von intuitiven und semiotisch (also: sprachlich! HB) vermittelten Erkenntnissen. In der heutigen Wissenschaftsphilosophie kommt zur kognitiven Funktion der Zeichen deren planifikatorische Funktion hinzu. Zeichen dienen der Planung und Steuerung von Handlungen. Mit den kybernetischen Wissenschaften ist es einer semiotischen (also: sprachlichen! HB) Disziplin gelungen, das Verhältnis zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zum ersten Mal seit dem Beginn der Neuzeit umzukehren und mit Erfolg naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen ein humanwissenschaftliches (also: geisteswissenschaftliches; HB) Modell zu unterschieben.“ **

Die Struktur bedeutet Gefüge, Bau, Zusammenhang, Bezugssystem im Aufbau des Ganzen und schon bei Kant „Lage und Verbindung der Teile eines nach einheitlichen Zweck sich bildenden Organismus“. Die Struktur ist für den Strukturalismus eine Grundgegebenheit, aus der sich alle Phänomene bestimmen lassen. Diese reale Gegebenheit ist also objejktiv vorhanden und kann subjektiv enthüllt werden. Strukturen sind intelligible Regeln der Komplexe und Ganzheiten der Wirklichkeit, die sich aus ihrer gegenseitigen Relation bestimmen und als solche formal übertragbaren Charakter aufweisen. Ausgehend von der Linguistik beeinflußte der Strukturalismus sehr rasch auch die Methoden aller anderen „Wissenschaften vom Menschen“. ** **

Alles Sprachliche (Zeichenhafte) hat ein Eigenleben. - Im 19. Jahrhundert wurden nur kausale und genetische Erklärungen als wissenschafliche Leistungen anerkannt. „Dem vorherrschenden Ideal der empirizistischen Naturwissenschaft der damilgen Zeit entsprechend versuchte man, die Psychologie gleichfalls als eine empirisch erklärende Tatsachenwissenschaft zu fassen, Den naheligendsten Weg dazu bot die Reduktion alles Psychischen auf die es fundierenden physiologischen Prozesse. In der Folge dieser Reduktion erfuhren auch sämtliche geistigen und kulturellen Phänomene eine in letzter Instanz physiologische Erklärung.“ (Ebd., S. 24). Das konnte natürlich nicht funktionieren, auch nicht auf Dauer per Dogma durchgehalten werden. Frege, der Begründer der modernen mathematischen Logik, der Logistik und der modernen philosophischen Logik (**|**|**), war der erste, der gegen den Psychologismus kämpfte, besonders gegen den in der Logik, so daß er auch noch zum Begründer des Antipsychologismus wurde. Frege wirkte besonders maßgeblich auf z.B. Russel, Church, Quine u.a., ja auf die gesamte angelsächsische Philosophie bis heute, wirkte auf den Wiener Kreis (Neupositivismus), dessen Begründer Schlick war und zu dem sonst noch z.B. Wittgenstein, Carnap, Reichenbach gehörten, und wirkte auch u.a. auf Husserl und Heidegger.

Schmitz „selber nennt einen Denker, dem er sich - wie keinem anderen - verwandt fühlt und als dessen Erbe er sich selbst
begreift, und das ist Ludwig Klages (
**).“ (Jochen Kirchhoff, Zur Leibphilosophie von Hermann Schmitz, Vorlesung, SS 2000 Kirchhoff).
Schmitz unterscheidet sich aber auch stark von Klages, besonders stark z.B. bezüglich des uns sehr interessierenden und
auch darum hier angesprochenen Themas: Psyche/Psychologismus.      —      Schmitz’ begründete sein Erbe wohl eher so:
„In unserem Jahrhundert hat der Averroismus eine unerwartbare, vermutlich dem Autor selbst nicht bewußte Wiedergeburt
in der Metaphysik von Ludwig Klages erhalten, der die Seele mit einer an die aristotelische Seelendefinition erinnernden
Wendung als den Sinn des Leibes ausgibt und den transzendenten, einzigen Geist von außen einbrechen läßt, nun aber
nicht mehr als höchste Vollendung und Beglückung, sondern als böse, katastrophale Lebensstörung. Klages verteidigt das
unwillkürlich strömende, schauend empfängliche Leben gegen die Willkür geistigen Tuns; abermals tritt in seinem Werk
also der Averroismus in Gegensatz zu der seit Jahrtausenden in der abendländischen Philosophie herrschenden Strömung,
die die Ermächtigung des Menschen gegen seine unwillkürlichen Regungen verlangt und dafür auch den psychosomatischen
Dualismus in Kauf zu nehmen bereit ist.“
(Hermann Schmitz, Leib und Seele in der abendländischen Philosophie, 1978, S. 239 [**]).
Ich meine dennoch, daß Schmitz eher Heideggers Erbe ist und beide die größten Philosophen des 20. Jahrhunderts sind.
Jedenfalls muß der Psychologismus überwunden, die Subjektivität neu, d.h. ohne Berufung auf Innenwelten bestimmt werden. Hermann Franz-Heinrich Schmitz, der Begründer der „Neuen Phönomenologie“ (**), geht vom leibhaftigen „In-der-Welt-Sein“ aus (**). In seinem 1964 erschienenen Buch Subjektivität heißt es: „In meiner Analyse des leiblichen Befindens setze ich mir - soviel ich sehe, zum ersten mal in der Weltliteratur - das Ziel, ein abgerundetes Begriffssystem allein auf das Zeugnis des eigenleiblichen Spürens zu gründen, also dessen, was der Mensch, wie man sagt, am eigenen Leibe spürt.“ (**). Schmitz arbeitete ein in 10 Büchern vorliegendes System der Philosophie aus, dessen Basis die Erfahrung der Leiblichkeit und des Augenblicks unmittelbarer Betroffenheit ist. Er setzte bei der ursprünglichen, unwillkürlichen Lebenserfahrung an. Seine Methode ist „Phänomenologie in neuem, empirisch ernüchterten Stil“; sein Grundgedanke ist, daß die „Innenwelthypothese“ Quell aller „Verfehlungen“ des abendländischen Geistes seit der Antike sei (vgl. ders.: Die vier Verfehlungen des abendländischen Geistes, in: ders.: Adolf Hitler in der Geschichte, 1999, S. 32–82). Schmitz „will beschreiben, wie die Welt sich zeigt, wenn ihr zurückgegeben wird, was man fälschlich in die vermeintlich private Innenwelt einzelner Subjekte (Seele, Bewußtsein, Gemüt pp.) hineingesteckt hat.“ (**). Der Sinn von Subjektivität sei neu (ohne Berufung auf Innenwelten) zu bestimmen. Mit Hilfe des „Spürens am eigenen Leib (Leiblichkeit) und des Fühlens (Gefühle)“ und der durch die Neue Phänomenologie ermöglichten kategorialen Erschließung der so wahrgenommenen Gegenstände könne erstmals der jahrtausendealte „Psychologismus“ überwunden werden. Zur falschen Innenwelthypothese gehört eben auch und besonders die Seele bzw. Psyche.
„Ich war immer davon überzeugt, daß es dem Schmitz mit diesem System gelingen könnte, mit den traditionellen Mitteln der europäischen Gelehrsamkeit das 3. Jahrtausend zu erschließen, d.h. Verkrustungen aufzubrechen, die sich so festgesetzt haben im Denken, daß eigentlich nur mit einer ganz grundsätzlichen und einer ganz breit angelegten Auseinandersetzung überhaupt dem beizukommen ist. .... Den letzten Band des Systems übergab mir Hermann Schmitz persönlich mit der Bemerkung: ,Ich habe es fertig und jetzt bin ich nur noch ein gewöhnlicher Gelehrter. Diese Bescheidenheit hat er nicht durchgehalten, denn anschließend ging es los mit den historischen Bänden .... Er hat ja wirklich die ganze Philosophiegeschichte durchgeackert .... Carl Friedrich Weizsäcker hatte Heidegger meine Dissertation (**) geschickt. Heidegger lud mich ein nach Todtnauberg. Ich bin dann noch ein paar Mal bei ihm gewesen .... Er hat bei verschiedenen Besuchen immer wieder gesagt: ,Nötig ist eine Rekonstruktion der Geschichte der Philosophie. Und da muß man bei den Vorsokratikern anfangen. .... Heidegger ... wollte mich noch zur Historie, zur Philosophiegeschichte bekehren, und ich wußte von vornherein: das ist nicht mein Ding. Aber ...“ es war Hermann Schmitz’ Ding: er hat später „ja wirklich die ganze Philosophiegeschichte durchgeackert“, wie Werhahn es formulierte. (Vgl. Hans Werhahn, in: Neue Phänomenologie - Über Hermann Schmitz / Gespräch mit einem Weggefährten, Film von Michael Großheim, 2010 Hans Werhahn, a.a.O.).
Durch die „Eichung von Worten an Phänomenen“ werde die Voraussetzung dafür geschaffen, daß die Menschen in die Lage versetzt werden, „über Erfahrungen zu sprechen, die ihnen wichtig werden, wenn sie nach durchdringender Enttäuschung des Lebens in Projektionen und Utopien Gelegenheit und Bedürfnis haben, ihren Lebenswillen in der Gegenwart zu verankern.“ (Ders., Mein System der Philosophie, 1977 [**]). Theoretischer Kernbegriff der Philosophie von Schmitz ist der Begriff des Leibes. Sein Verständnis von Leib erläutert er so: „Wenn ich vom Leib spreche, denke ich nicht an den menschlichen oder tierischen Körper, den man besichtigen oder betasten kann, sondern an das, was man in dessen Gegend von sich spürt, ohne über ein ‚Sinnesorgan‘ wie Auge oder Hand zu verfügen ....“ (Ders., Der unerschöpfliche Gegenstand, 1990, S. 115 [**]). Damit ist der für die traditionelle Philosophie klassische Dualismus von Körper und Seele radikal in Frage gestellt. Schmitz’ Neue Phänomenologie kann daher auch treffend als Leibphilosophie bezeichnet werden. Vom Leib als zentralem Gegenstand der Analyse aus gelangt Schmitz auf nahezu allen Gebieten der Philosophie zu neuen Einsichten, die er zu seinem „System der Philosophie“ zusammengefaßt hat. Eine kritische Retraktion bestimmter Aspekte des „Systems“ hat Schmitz 1990 in seinem Werk Der unerschöpfliche Gegenstand vorgelegt. Neben seinem umfangreichen systematischen Werk hat Schmitz zahlreiche philosophiehistorische Werke erarbeitet und veröffentlicht, die seine eigenen Gedanken in den Kontext der Geschichte stellen. Dabei hat sich Schmitz mit Vertretern nahezu aller Epochen der abendländischen Kultur beschäftigt.

„Meine Berufsbezeichnung heißt ja »Psychiater«. Und ich habe von Hermann Schmitz gelernt: Die Psyche ist es gar nicht! Ich habe einen berufliche Identitätskrise, die mir aber viel Freude macht. Mir fehlt nur noch eine Sache in der Neuen Phänomenologie. Wenn ich die noch kriege von Hermann Schmitz ...: Was ist Gesundheit?“ (Robby Jacob, Hermann Schmitz im Gespräch, VIII, Zukunft der Neuen Phänomenologie, 06.06.2010 Robby Jacob, in :  „Hermann Schmitz im Gespräch, VIII, Zukunft der Neuen Phänomenologie“, 6. Juni 2010. [**]).

.... Es ist immer eine Labilität. Es wird immer bei einem gewissen »Wellenreiten« bleiben. Die Person kann sich nicht stabil über ihre Basis erheben, sondern es ist immer ein Hin und Her von Emanzipation und Regression nötig. Und diese Regression ist nicht abzuschätzen. Es ist also der Fehler der asiatischen Weisheitslehren, daß sie denken, die Regression in die Emanzipation einbinden zu können, so daß man zwar hinfallen kann, aber sich überhaupt nicht mehr dabei wehtut und gleich wieder aufsteht, wie das auch in den asiatischen Kampfkünsten eingeübt wird. Diese Technik ... ist dann aber keine richtige personale Regression mehr. Das Gegenbeispiel ist die attische Tragödie. Tragödie ist eigentlich nicht dafür, in eine Katastrophe zu geraten, sondern ist eine Option für eine der Mächte, und zwar im Grunde der göttlichen Mächte, in deren Bann der Mensch steht, ... und indem er sich auf diese Option nun eben festlegt, wählt er einen Weg, der - weil es nur eine von mehreren Mächten ist, eine von mehreren Perspektiven -, der ihn ins Verderben führen kann, aber nicht muß. Und er ist im Grunde optionsfähig: der tragische Mensch der Griechen. Die griechische Tragödie ist keine Katastrophendramatik, besteht nicht aus lauter Trauerspielen, sondern aus dem für den Menschen unvermeidlichen Risiko der Vereinseitigung und daß er da - im Grunde genommen - seiner eigenen glücklichen oder unglücklichen Hand überlassen ist: da gibt es personale Regression mit dem Risiko des Scheiterns. Darüber wird man nicht hinwegkommen. .... Ja, das ist natürlich auch etwas, ... aber mehr für die Menschengestaltung ..., auch da ist die Neue Phänomenologie wichtig als Besinnung - Herr Böhme hat das verstanden in Darmstadt -, das ist aber keine direkte Anwendung in den Wissenschaften.“ (Hermann Schmitz, Hermann Schmitz im Gespräch, VIII, Zukunft der Neuen Phänomenologie, 06.06.2010 Hermann Schmitz, in :  „Hermann Schmitz im Gespräch, VIII, Zukunft der Neuen Phänomenologie“, 6. Juni 2010. [**]).

Gernot Böhme bemühte sich darum, die philosophische Ästhetik thematisch zu erweitern. Er konzipierte Ästhetik als Aisthetik, also als allgemeine Wahrnehmungslehre. Hierbei bezog er sich zentral auf die Arbeiten des Philosophen Hermann Schmitz, welcher bereits in den 1970er Jahren eine ausführliche Theorie der Wahrnehmung vorgelegt hatte, dessen Werk jedoch weitgehend unbeachtet blieb. Von diesem übernahm Böhme in den 1990er Jahren den Begriff der Atmosphäre sowie zahlreiche phänomenologische Beobachtungen und übertrug dessen Neue Phänomenologie in eine Neue Ästhetik. Im Zentrum der Betrachtung sollen nun Design, Natur und Kunst stehen. Ästhetik hat nicht nur die Aufgabe, moderne Kunst zu vermitteln. Eine ausschließlich intellektualistische Interpretation von Kunstobjekten wird abgelehnt. Sie hat sich auch mit dem neuen Verhältnis zu der zunehmend vom Menschen gestalteten Natur zu befassen. Eine besondere Rolle spielen für die Ästhetik die Stimmungen und Affekte. Atmosphären sind Böhme zufolge die erste und entscheidende Wirklichkeit für die Ästhetik. Dabei handelt es sich um räumliche Träger von Stimmungen. Sie bilden die gemeinsame Wirklichkeit des Wahrnehmenden und des Wahrgenommenen. Böhme verstand die Wahrnehmung als Modalität leiblicher Anwesenheit. Dabei betonte er dann die gefühlsmäßige Komponente. So wie Schmitz bereits Wahrnehmung als „eigenleibliches Spüren“ definiert hatte (in: System der Philosophie, 3. Band: Der Raum, 5. Teil: Die Wahrnehmung, 1978), ist auch gemäß Böhme die Wahrnehmung ein Spüren von Anwesenheit bzw. das Spüren einer gewissen Atmosphäre. Die Atmosphäre gehört weder zum Objekt noch zum Subjekt, sondern ist eine Kopräsenz diesseits der Subjekt-Objekt-Spaltung. Erst später differenziert sich die Atmosphäre in einem Ich- und Gegenstands-Pol der Relation aus und verfestigt sich in der dualen Subjekt-Objekt-Struktur.
„In der Wahrnehmung der Atmosphäre spüre ich, in welcher Art Umgebung ich mich befinde. Diese Wahrnehmung hat also zwei Seiten: auf der einen Seite die Umgebung, die eine Stimmungsqualität ausstrahlt, auf der anderen Seite ich, indem ich in meiner Befindlichkeit an dieser Stimmung teilhabe und darin gewahre, daß ich jetzt hier bin. .... Umgekehrt sind Atmosphären die Weise, in der sich Dinge und Umgebungen präsentieren.“ (Gernot Böhme, Atmosphäre, 1995, S. 96).
Die Atmosphäre ist auf eine unbestimmte Art in den Raum ergossen. Der Atmosphäre kann nur nachgegangen werden, indem sie erfahren wird. Man muß sich ihr aussetzen und affektiv von ihr betroffen sein. So kann beispielsweise in einem Raum eine gewisse heitere oder eine bedrückende Stimmung herrschen. Dabei handelt es sich nicht um eine subjektive Stimmung. Diese Atmosphäre wird als quasi objektiv äußerlich erlebt. Es wird ein gemeinsamer Zustand des Ichs und seiner Umwelt bezeichnet. Die Phänomene des Atmosphärischen werden als freischwebende Qualitäten, wie Kräfte im leiblich-emotionalen Sinn oder als halb personifizierte Naturmächte erlebt. Böhme unterschied verschiedene Charaktere von Atmosphären. Zu den gesellschaftlichen Charakteren zählen Böhme zufolge Reichtum, Macht oder Eleganz. Wärme, Kälte und Helligkeit gehören zu den Synästhesien. Kommunikative Charaktere sind zum Beispiel gespannt, ruhig oder friedlich. Bewegungsanmutungen können drückend, erhebend und bewegend sein. Es gibt auch noch Stimmungen im engeren Sinne wie beispielsweise die Szenen des Englischen Gartens. In der Wahrnehmung spürt das Ich nicht nur die Anwesenheit von etwas, sondern es spürt es leiblich und spürt sich dabei auch selbst. Die Dinge entstehen aus dem atmosphärischen Spüren durch Prozesse der Abwehr, Differenzierung und Verengung. Sie werden als dynamisch wahrgenommen, weil sie Atmosphären und damit unsere Befindlichkeit erzeugen. Die Dinge sind durch ihre räumlich feste Lokalität, durch Körperlichkeit, Identität und durch die Verdichtung als die in einem endlichen Raum konzentrierte Potenz des atmosphärisch gespürten Charakters gekennzeichnet. Erst die Wahrnehmung der Dinge konstituiert die duale Subjekt-Objekt-Beziehung. Dabei werden sie als etwas Faktisches und Objektives außerhalb des Subjekts erfahren. (Vgl. Gernot Böhme, Aisthetik, 2001, bes. S. 103 und S. 166 ff.).

Gernot Böhme hatte in seinem 1980 erschienenen Buch „Alternativen der Wissenschaft“ u.a. Kants Erkenntnistheorie kritisiert: „Die Wahl von Kants Erkenntnistheorie - gegenüber anderen - läßt sich aus verschiedenen Gründen rechtfertigen. Für uns sind zwei Merkmale ausschlaggebend: Kants Erkenntnistheorie begründet objektive Erkenntnis und zielt letzten Endes auf die Möglichkeit von Physik, und doch ist sie durch und durch eine Theorie des Subjekts, des Ich, der Innerlichkeit. Diese Tatsache läßt vermuten, daß sich bei ihm die Selbstdressur, die sich das Subjekt in der objektiven Erkenntnis auferlegt, besser noch identifizeiren läßt als in neueren Theorien objektiver Erkenntnis, wo nur noch von Meßverfahren, Apparaten und vielleicht noch diskursiven Strukturen die Rede ist. .... - Kant ... behauptet ..., daß wir der Natur die Gesetze vorschreiben. .... - Wir schreiben der Natur die Gesetze vor. - .... Erkenntnis ist Rekonstruktion. .... - Die systematische Beziehung von Erkenntnis und Moral wird durch Kants Auffassung des Begriffs als Regel gestiftet. Für Kant bedeutet »der Begriff vom Hunde eine Regel, nach welcher meine Einbildungskraft die Gestalt eines vierfüßigen Tieres allgemein verzeichnen kann. Entsprechend ist der Begriff geometrischer Figuren die Konstruktionsanweisung, nach der Figuren in der reinen Anschauung herzustellen sind. Schließlich sind die reinen Verstandesbegriffe Regeln der Einheit, denen gemäß die Verbindung des gegebenen Mannigfaltigen in der Anschauung herzustellen ist. .... - Für die Objektivität der Erkenntnis ist ... Freiheit ebenso Voraussetzung wie für moralisches Handeln. - Man soll den Regeln objektiver Erfahrung folgen - aber man tut es nicht immer. Auch das weiß Kant. ..... Die Normen und Regeln der Erfahrungskenntnis setzen sich also keineswegs von selbst durch. Vielmehr ist man verpflichtet, sich ihnen zu unterwerfen, wenn anders man als Vernunftwesen mitgezählt werden will. - Diese Unterwerfung eines durchaus widerspenstigen Subjektes unter bestimmte Verhaltensregeln nennt Kant in seiner praktischen Philosophie »Nötigung«. Vorstellungen, denen man nicht unwilllkürlich folgt, die deshalb durch Nötigung durchgesetzt werden müsse, nennt er Imperative (**). ..... - Man soll sich durch Befolgung dieser Regeln zum Vernunftwesen machen. Man soll nicht als vereinzeltes individuelles Subjekt denken, sondern als Subjekt überhaupt. In der praktischen Philosophie heißt das, daß man nur solchen Maximen, d.h. also subjektiven Motivationen folgen soll, von denen man zugleich annehmen kann, daß sie allgemeines Gesetz seien: das ist der kategorische Imperativ. (»Kant sah die Ethik als Erkenntnisgegenstand ...« [Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, Band I, 1918, S. 481 {**}]; HB). In der theoretischen Philosophie heißt das, man soll seine subjektiven Auffassungsweisen so stilisieren, daß man in ihnen als allgemeines Vernunftsubjekt fungiert. Ebenso wie man als moralischer Mensch seine subjektiven Neigungen überwinden muß, so muß man sich als Erkennender zu allererst von seinen Gefühlen trennen. Denn diese bestimmen auch - das sieht Kant ganz klar - die primären unmittelbaren Auffassungsweisen, die Kant Wahrnehmungsurteile nennt: Das Zimmer ist warm, der Zucker süß, der Wermut widrig. - Was der Gegenstand für mich ist, ist für die objektive Erkenntnis uninteressant, denn die Bestimmungen, die dem Objekt zuzuschreiben sind muß dieses Objekt für jedermann haben - folglich muß ich mich als Subjekt objektiver Erkenntnis quasi zu diesem »Jedermann« machen (vergleichbar mit dem „Man“ Heideggers [**]; HB). - »Es sind ... objektive Gültigkeit und notwendige Allgemeinheit (für jedermann) Wechselbegriffe«, schreibt Kant in dem Prolegomena, § 19 (**).“ (Gernot Böhme, Alternativen der Wissenschaft, 1980, S. 62-67).

„Die kantischen Kategorien sind Regeln, denen sich das empirische Subjekt unterwerfen muß, soll sein Wissen Anspruch auf Objektivität erheben können. Durch diese Regeln werden die möglichen subjektiven Auffassungsweisen des empirischen Subjektes auf solche eingeschränkt, die zur Einheit des Bewußtseins »schicklich« sind. Das empirische Subjekt, das sich in seinem Erkenntnisverhalten nur auf die Einheit von Bewußtsein überhaupt bezieht, stilisiert sich so selbst zum allgemeinen Subjekt, zum Jedermann (vergleichbar mit dem „Man“ Heideggers [**]; HB). Die dadurch erreichte Gültigkeit seines Wissens für jedermann garantiert zugleich die Objektivität dieser Erkenntnis. Denn die Zusammenstimmung der Vorstellungen in einem Bewußtsein ist zugleich der Garant der Zusammenstimmung der Vorstellungen zu einem Objekt. - Man hat in jüngeren Interpretationen das kantische transzendentale Subjekt als die unendliche Forschergemeinschaft reinterpretiert. Diese Interpretation ist durchaus angemessen, insofern auch für Kant die Einheit des Bewußtseins eine Aufgabe bleibt, die nur im unendlichen Forschungsprozeß, d.h. also auch von vielen empirischen Bewußtseinen, durchgeführt werden. - Reflexivität und Kontrolle. - .... Der Verstand bestimmt (unter der Benennung der Einbildungskraft) die Sinnlichkeit. .... Der Verstand reguliert bereist die Sinnlichkeit. .... In der Innerlichkeit des inneren Sinnes geschieht die geregelte Aneignung der eigenen Vorstellungen. Dabei wird nur zugelassen, was zur objektiven Erkenntnis taugt. d.h. was den Bedingungen der transzendentalen Apperzeption gemäß ist. Kant redet hier ganz konsequent von Selbstaffektion: Der Verstand bestimmt in dieser Beziehung den inneren Sinn; d.h. er affiziert ihn. Dadurch wird zugleich sichergestellt, daß das so innerlich angeeignete Material der Sinne der Anwendung der Kategorien gemäß ist. Diesen wird umgekehrt damit ihre Anwendbarkeit oder, wie Kant sagt, objektive Gültigkeit a priori gesichert. - .... Objektive Erkenntnis ist im strengen Sinne reflexiv. Der Verstand spiegelt sich in ihr am inneren Sinn. So gesehen ist objektive Erkenntnis Selbsterkenntnis. Der Verstand übt unter der Benennung der Einbildungskraft eine Kontrollfunktion über die Sinnlichkeit aus. Durch diese Kontrolle wird die Aneignung der Affektionen durch den äußeren Sinn im inneren Sinn so reguliert, daß die dadurch produzierten Daten einer späteren Anwendung der Kategorien gemäß sind. Die Kontrollfunktion des Verstandes setzt genau den Hiat zwischen Realität und Vernunft, der Erkenntnis zu bewußtem Wissen macht. Der von den Sinnen herkommende Einfluß auf den Menschen wird durch die Kontrolle aufgehalten, es wird Innerlichkeit erzeugt. d.h. der innere Sinn kommt ins Spiel. Die entstehenden Vorstellungen sind als kontrollierte bewußt.“ (Gernot Böhme, Alternativen der Wissenschaft, 1980, S. 68-71).

„Damit dürfte deutlich geworden sein, wie sehr Kants Erkenntnistheorie - ohne daß dies ihre Absicht wäre - Zeugnis für die Disziplinierung der menschlichen Erkenntnismöglichkeiten zugunsten objektiver Erkenntnis ablegt. .... Es ist eine generelle Schwäche der kantischen Erkenntnistheorie, daß sie nicht zwischen lebensweltlicher Erfahrung und wissenschaftlicher Erfahrung unterscheidet. .... - .... Gegenstände wie Atmosphären, Halbdinge (siehe Hermann Schmitz, Die Wahrnehmung, in: System der Philosophie, Band III, Teil 5, 1978) wie ein Wind oder ein Blick, die doch so deutliche, artikulierbare Erfahrungen mit sich bringen, können nicht Thema sein. Gesetzeszusammenhänge können nur nach dem Schema der Kausalität gedacht werden. d.h. Zweckbezüge müssen entsprechend umgedeutet werden, Strukturzusammenhänge oder symbolische Zusammenhänge oder gar Analogien gehören nicht in den Bereich der Erkenntnis. Schließlich wird als objektiv nur anerkannt, was in durchgängiger Beziehung von Wechselwirkung ist, d.h. also in den Zusammenhang einer Zeit bzw. eines Erfahrungskontextes gebracht werden kann. Die Erfahrung von Ungleichzeitigkeit, die Vielfalt der »Welten«, in der wir gleichwohl leben müssen, verfällt dem kruden Bereich der Subjektivität. - .... Objektives Wissen, d.h. Wissenschaft im Sinne neuzeitlicher Naturwissenschaft ist nicht im Rahmen individuellen Bewußtseins denkbar. Bei Kant äußert sich das so, daß nach seiner Erkenntnistheorie sich das individuelle Bewußtsein zum Bewußtsein überhaupt, d.h. also zum Repräsentanten des allgemeinen Bewußtseins stilisieren muß. .... - Der Stand der Selbstaufklärung der europäischen Wissenschaft verlangt nicht nur zu verstehen, daß wissenschaftliches Wissen kontrolliertes und diszipliniertes Wissen ist, sondern gleichzeitig einen Begriff davon zu haben, welche Dunkelheiten, Verdrängungen diese Kontrolle erzeugt, welche Vorstellungen aus dem offiziellen Kanon ausgeschlossen sind und warum.“ (Gernot Böhme, Alternativen der Wissenschaft, 1980, S. 71-74).

Ich habe mich mich bestätigt gefühlt und sehr gefreut, als Hermann Schmitz ebenfalls sagte, daß die Sprache etwas ist, in dem man sich immer schon vorfindet, so wie in einer Umgebung, wie in einem Raum (hier ist Heideggers „In-Sein“ angesprochen [vgl. auch: „In-der-Welt-Sein“ {**}]). Information allein reicht als Definition für Sprache nicht aus, meint auch Schmitz (dessen Aussage ich hier jetzt mit eigenen Worten wiedergebe), denn alle Sprachteilnehmer sind mehr als nur Informationssender und Informationsempfänger, sondern eben Teilnehmer an der Sprache - die Sprache selbst ist es also -, und um an dieser teilnehmen zu können, muß die Sprache schon da sein, was auch für die gilt, die die Sprache erst noch erwerben, denn ohne eine bereits in der Umgebung und der Situation gegebene Sprache müßte man da anfangen, wo diejenigen anfangen mußten, die noch keine Sprache vorfanden (oder fanden auch die bereits eine Sprache vor?).

„Sie haben die Bedeutung der satzförmigen Rede im Zusammenhang mit der Reifung der Person betont. Könnte man nicht sagen, daß grundsätzlich unser gesamtes Erleben sprachlich vermittelt ist, daß selbst die einfachsten körperlichen Eindrücke wie Schmerzen im Grunde sprachlich vermittelt sind? Zwar ist es so, daß der Schmerz als Schmerz sich im Leben eines sprachlichen Wesens nicht so sehr unterscheidet vom Schmerz im Leben eines nicht-sprachlichen Wesens. Aber bei sprachlichen Wesen ist der Schmerz immer schon eingebettet in Befragungen: Was ist das für ein Schmerz?, Muß ich zum Arzt?, Wie schlimm ist das?. Das heißt: Unsere scheinbar unwillkürlichste Regung scheint noch in ein Netz von Sprache hineingespannt zu sein. Vorsprachliche Bedeutsamkeitsbezüge scheinen immer schon auf sprachliche Bedeutungen bezogen zu sein. Ich würde hier sogar von einem apriorischen Perfekt der Artikulation sprechen. Die Rede ist nicht nur gliedernd, wie Sie es gesagt haben, sondern sie ist artikulatorisch stiftend, während Sie auch im Fall von sprachlichen Wesen noch so einen Bereich des Vorsprachlichen eingeräumt haben.“ (Christoph Demmerling [**]). „Diese Sprachlichkeit liegt insbesondere im personalen Verhalten in der Tat vor.“ (Hermann Schmitz [**]).
Gemäß Hermann Schmitz ist Philosophie „Sichbesinnen des Menschen auf sein Sichfinden in seiner Umgebung“ (**). Die Umgebung wird am Leib erfahren und ist ein Raum (vgl. Heideggers „In-Sein“, aus dem er das „In-der-Welt-Sein“ {**} abgeleitet hat). Schmitz zufolge sind „Personen“ diejenigen Menschen, die das „Präpersonale“ hinter sich haben, und „Präpersonen“ Tiere, Säuglinge, folglich auch Föten, Embryonen, Morulen. Ich unterteile Sprache in Sprache i.e.S. (im engeren und im engsten Sinne), womit der rein linguistische Bereich der Sprache gemeint ist, und Sprache i.w.S. (im weiteren und im weitesten Sinne), womit der gesamte semiotisch-linguistische und der gesamte logisch-mathematische Bereich der Sprache gemeint sind (**). Die Sprache i.e.S. (im engeren Sinne) kann aktiv nur dann werden, d.h. kann nur dann verwendet werden, wenn die Verwender „Personen“ im Schmitzschen Sinne sind, und zu diesen zählen auch die, die schon oder noch dabei sind, „Personen“ zu werden, die Sprache i.e.S. zu erwerben, um sie bald aktiv zu beherrschen: z.B. Kinder, die keine Säuglinge mehr sind. Meine Folgerung daraus ist, daß „Personen“ Sprachwesen i.e.S. sind. „Präpersonale“ Lebewesen verwenden noch keine linguistische, sondern nur und auch nur die, die dazu in der Lage sind (Säuglinge, Föten und sog. Höhere Tiere), eine semiotische Sprache, sind aber in der Lage, Teile der linguistischen Sprache zu verstehen. Vorsprachlich ist alles, was zeitlich vor dem Erscheinen der Sprache i.e.S. liegt, da es vor dem Erscheinen der Sprache i.e.S. noch kein einziges Wesen gibt, daß die Sprache i.e.S. benutzt und folglich erkennen kann, daß es Sprache überhaupt gibt. Ist die Sprache i.e.S. da, ist für die Benutzer der Sprache i.e.S. alles andere nur noch bedingt durch die Sprache i.e.S.. Es gibt also einen Sprachrelativismus, allerdings nur einen solchen, der die Frage, ob etwas auch ohne die Bedingtheit durch die Sprache i.e.S. existiert, einfach unbeantwortet läßt, ja lassen muß, denn diese Frage ist nicht beantwortbar, weil die Sprache i.e.S. ja nun schon da ist, erreicht ist. Wir Personen als die Verwender der Sprache i.e.S. müßten, um die Frage beantworten zu können, wieder zu Wesen ohne Sprache i.e.S. werden, doch wenn wir wieder Wesen ohne Sprache i.e.S. werden würden, würden wir die Frage nicht mehr beantworten können.

Ohne viel Gerede im Überblick:

Vorsprache => Vorsprache => Vorsprache => Vorsprache i.w.S. => Vorsprache i.e.S. (Sprache i.w.S.) => Sprache i.e.S. => Nachsprache (Sprache i.w.S.) => Nachsprache (Sprache i.w.S.) =>
(1a) Physik
==>
(1b) Chemie
==>
(2a) Biologie
==>
(2b) Ökonomie
==>
(3a) Semiotik
==>
(3b) Linguistik
==>
(4a) Philosophie
==>
(4b) Mathematik
==>
<== <== <== <== <== <== <== <==
Nachsprache <= Nachsprache <= Nachsprache <= Nachsprache i.w.S. <= Nachsprache i.e.S. (Sprache i.w.S.) <= Sprache i.e.S. <= Nachsprache (Sprache i.w.S.) <= Nachsprache (Sprache i.w.S.)

 

NACH OBEN 1654) Hubert Brune, 30.04.2023 (8870-8871)

8871

Zyklik von Genese und Metagenese
Genese im Aufbau verläuft wie Metagenese im Abbau.
Genese im Abbau verläuft wie Metagenese im Aufbau.
Die „Rückkopplung von oben durch die Sprachsysteme“ (**) ist kybernetisch gemeint, wie Sie wahrscheinlich wissen, Hans (**). Die im Rahmen dieser Kybernetik von mir entworfene Erkenntnistheorie heißt „Quadrialistische Erkenntnistheorie“, die einer jener vier Klein-Viertakter ist, die zu meinem Mittel-Viertakter namens Gesamttheorie bzw. 4 Einzeltheorien (hier als Summe verstanden) gehören (**), wie Sie bereits wissen. Gemäß meiner Quadrialistischen Erkenntnistheorie ist es so, daß dann, wenn der von der Natur (genauer: Physik) als Basis ausgehende, aber noch erkenntnislose Prozeß das Geistige - und wenn auch nur den ersten (niedrigsten, der Basis noch näheren) der Bereiche des Geistigen (je nach Möglichkeit des Erreichbaren) - erreicht, die Umkehr und mit ihr die Erkenntnis beginnt. Es gibt also zwei Wege. Von Walter E. Koch habe ich für diese zwei Wege die Namen „Genese“ und „Metagenese“ übernommen (**|**). Der Weg der Metagenese ist der umgekehrte Weg der Genese (**|**). So ergibt sich ein Regelkreis.
Meine Systeme
Erst die sprachlichen Systeme geben allen Systemen einen Sinn, eine Bedeutung.
Und dazu gehört eben auch eine Rückkopplung, wobei der Ausdruck „von oben durch die Sprachsysteme“ bedeutet, daß der Weg nicht mehr von unten nach oben zu den Sprachsystemen, sondern von oben nach unten zu den geschlossenen Systemen (**) und innerhalb dieser bis zu den anorganischen Systemen und innerhalb dieser bis zur Physik als unterste Basis verläuft.

Ein Regelkreis kann sich auch innerhalb der Sinnsysteme (**) allein abspielen, trotz der Tatsache, daß sie selbst einem größeren Regelkreis gehorchen. Zu den Sinnsystemen gehören die ökonomischen und die sprachlichen Systeme. Das, was ich „Ökonomie“ nenne (**|**), ist zwar auf genetischem Wege dem, was ich „Sprache“ nenne (**|**), vorgeordnet, führt also genetisch zur Sprache, doch metagenetsich ist es, wie gesagt, umgekehrt: die zu sprachlichen Systemen gewordene Sprache führt jetzt zur Ökonomie und macht sie dadurch zu ökonomischen Systemen, und zwar insofern, als hierdurch erst Sinn gestiftet wird, denn die Ökonomie hatte vorher, weil sie ja noch nicht aus eigenen Systemen bestand, auch noch keinen Sinn, keine Bedeutung, weil es noch nichts gab, was ihr einen Sinn, eine Bedeutung hätte geben können, denn die zur Vollendung der beiden Sinnsysteme unerläßlichen sprachlichen Systeme waren ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreicht, noch nicht „da“! Die ökonomischen Systeme entstanden erst durch die Sinngebung, und die geschah durch die sprachlichen Systeme. Diese bewirkten die Rückkopplung und setzen damit die eben auch Sinngebung bedeutende Metagenese in Gang. Vor dieser Sinngebung gab es zwar Ökonomie, aber nichts und niemanden, der sie verstand, ihre Bedeutung, ihren Sinn kannte. Die Ökonomie (Wirtschaft) wurde erst durch die sprachlichen Systeme in die Sinnhaftigkeit gehoben und besteht seitdem auch aus Systemen, den ökonomischen Systemen eben. Ohne Sprache keine Bedeutung, keinen Sinn.

Ähnlich der Aussage Schellings, daß die Natur im Menschen ihre Augen aufschlägt und bemekrt, daß sie da ist (**), so läßt sich für die Ökonomie sagen, daß sie in der Sprache bzw. mit Hilfe der sprachlichen Systeme ihre Augen aufschlägt und bemerkt, daß sie da ist, aus sinnhaften Systemen besteht. Beide Aussagen sind metaphorisch gemeint.

Speziell an Herrn Wagner:
Natur und Kultur
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  * Was hier links angezeigt ist, ist im Text mit
„unten“ bezeichnet. Was hier rechts
angezeigt ist, ist im Text mit „oben“ bezeichnet.
Hier, an dieser Stelle, beginnt die Natur-Kultur, nach der Sie oft gefragt haben. Aus der Natur wird Kultur durch die sprachlichen Systeme (z.B. durch nur eines oder mehrere der oder alle vier sprachlichen Systeme [**]) bewirkte Rückwirkung, technisch gesprochen: Rückkopplung. Entscheidend dabei ist also, daß die Rückkopplung und mit ihr die eben auch Sinngebung bedeutende Metagenese in Gang kommt, so daß auch die ökonomischen Systeme sinnhaft werden können, die Natur-Kultur als der Übergangsbereich von der Natur zur Kultur aus seinem vorherigen bloßen Möglichsein zur Verwirklichung kommt, nämlich durch Rückwirkung (Rückkopplung) von oben, und das heißt in diesem Fall: durch die Kultur, später auch durch die Kultur-Natur. Die weiter unten befindlichen Systeme - die lebendigen (organischen) Systeme, die wie die Sinnsysteme zu den autopoietischen Systemen (**) gehören, und die allopoietischen Systeme (**), die wie die autopoietischen Systeme zu den offenen Systemen (**) gehören, und die anorganischen Systeme, die geschlossene Systeme (**) sind - sind ja keine Sinnsysteme, aber sie werden durch die sprachlichen Systeme mit Sinn belegt, weil sie mittels Semantik (Bedeutung, Sinn) beherrscht werden sollen, was wiederum bedeutet, daß sie ausgebeutet werden sollen und auch werden. Um es nicht systemtheoretisch, sondern kulturtheoretisch (also mit meinem anderen Klein-Viertakter) zu sagen: Es ist die Kultur, ganz besonders während ihrer Zivilisationszeit (**|**), die auch der Natur (also dem, was ich systemtheoretisch die „geschlossenen Systeme“ und unter den „offenen Systemen“ die „lebendigen [organischen] Systeme“ nenne) einen Sinn gibt, den aber die Natur nicht hat, und dieser Sinn heißt Ausbeutung (zu der auch der Bau allopoietischer Systeme und mittlerweile sogar auch autopoietischer Systeme gehört). Wiederum erkenntnistheoretisch gesagt: Die Kultur verwendet dabei die sprachlichen Systeme, und zwar innerhalb dieser nicht nur die semiotisch-linguistischen Systeme, sondern auch und vor allem die logisch-mathematischen Systeme, die dann auf die entsprechenden „naturwissenschaftlichen“ und technischen Gebiete angewendet, d.h. diese jenen verfügbar gemacht werden (und nicht umgekehrt), so daß es vornehmlich die von dieser Kultur entwickelte Kultur-Natur (Logik[Philosophie]/Mathematik) ist, die die Ausbeutung hauptsächlich vorantreibt. Die empirischen Wissenschaften (oft nicht ganz zutreffend „Naturwissenschaften“ genannt) - alle Wissenschaften gehören zu den sprachlichen Systemen (Kultur [Sprache als Semiotik und Linguistik] und Kultur-Natur [Sprache als Logik [Philosophie] und Mathematik]) und zu sonst nichts - setzen das um, was die theoretischen Wissenschaften (oft auch „Geisteswissenschaften“ genannt) ihnen vorschreiben, wobei immer mehr das aus nichtwissenschaftlichen Bereichen kommende Geld, also die Macht - und das heißt für unser Thema hier: die Deutungsmacht -, sich durchsetzt, bevor alles Wissenschaftliche implodiert, d.h. die Komplexität der sprachlichen Systeme endlich schrumpft, um vielleicht später wieder zuzunehmen.

(1) N ==> (2) N-K ==> (3) K ==> (4) K-N ==>
(1a) Physik
==>
(1b) Chemie
==>
(2a) Biologie
==>
(2b) Ökonomie
==>
(3a) Semiotik
==>
(3b) Linguistik
==>
(4a) Philosophie
==>
(4b) Mathematik
==>
<== <== <== <== <== <== <== <==
(1) N <== (2) N-K <== (3) K <== (4) K-N <==
* Was hier links angezeigt ist, ist im Text mit „unten“ bezeichnet. Was hier rechts angezeigt ist, ist im Text mit „oben“ bezeichnet.
N = Natur (Physik, Chemie); N-K = Natur-Kultur (Biologie, Ökonomie); K = Kultur (Semiotik, Linguistik); K-N = Kultur-Natur (Philosophie [bes. Logik], Mathematik).

Meine Systeme
Physikalisch-chemische und biologische Phänomene sind aus Sicht der Sinnsysteme (sprachliche Systeme und die durch sie sinnhaft gewordenen ökonomischen Systeme) - anders gesagt: aus Sicht der Kultur und der Natur-Kultur und aus Sicht eines Teils der durch sie sinnhaft gewordenen Natur-Kultur - zu Gegenständen (wissenschaftlich, erkenntnistheoretisch: zu Objekten) geworden, weil sie ausbeutbar sind und folglich auch ausgebeutet werden. Das geht sogar so weit, daß nach und nach auch alle anderen Phänomene ebenfalls zu Gegenständen gemacht und folglich ausgebeutet werden. Man kann hier von Selbstausbeutung sprechen - durchaus auch so, wie auch Byung-Chul Han es angesprochen hat (**). Die Ausbeutung ist scheinbar grenzenlos, unendlich, aber eben nur scheinbar, denn man kann wissen, daß nichts auf der Erde bis in den Himmel wächst. Die Mathematik als der zweite Bereich der logisch-mathematischen Systeme innerhalb der sprachlichen Systeme innerhalb der Sinnsysteme leitet über zu den geschlossenen Systemen, den anorganischen Systemen. Denn die Mathematik als ideale Sphäre eignet sich vorzüglich, eben ideal, zur „Sprache der Natur“, und sie frißt sich weiter durch alle anderen Systeme, bis sie wieder bei sich selbst ankommt. Ähnlich ist es mit der Logik. Es ist so, daß die Linguistik, die Logik und die Mathematik diejenigen Bereiche der sprachlichen Systeme sind, mit denen der gesamte Rest und sie selbst beherrschbar werden. Das bekanntlich aus Gesetzen und also Text bestehende Recht gehört zur Linguistik, die Rechtsphilosophie bereits zur Philosophie, d.h. zur Logik, und wird dazu genutzt, die Ausbeutug des Planeten Erde zu rechtfertigen (z.B. dienen alle „Menschenrechte“ nur der Ausbeutung). Auch die Semiotik kann dabei helfen, aber erst dann, wenn sie über die besagte Rückkopplung durch die Linguistik dazu in die Lage gebracht worden ist. Zuletzt sind also alle sprachlichen Systeme an der Ausbeutung beteiligt. Zwar sind die sprachlichen Systeme auch für das genaue Gegenteil brauchbar - und die werden auch in diesem Sinne genutzt, doch wird diese Verwendung durch die Macht unterdrückt, auch mittlerweile dadurch, daß die Macht behauptet, selbst ein solcher Verwender zu sein, selbst z.B. ein „Naturschützer“ zu sein u.s.w. (vgl. dazu z.B. das mittlerweile heikel gewordene Thema „Klima“, das wie das, was „Virus“ genannt wird, oder das, was „Psyche“ genannt wird, oder das, was „Soziales“ genannt wird, in jede beliebige und gewünschte Richtung gebracht werden kann, das mit jedem und allem Inhalt gefüllt werden kann, also auch mit dem, der dem Machterhalt und der Machausdehnung, also wiederum der Ausbeutung dient). Die Wahrheit hat den Kampf gegen die Lüge verloren. Die Lüge ist heute sehr viel mächtiger, als sie es jemals zuvor gewesen ist.

8872

Strukturbaum
S —› NP + VP
VP —› V + NP
NP —› Det + N
Der Grund dafür, daß die ökonomischen Systeme als ein Subjekt bzw. „Nomen (N) in einer dem Satz (S) unmittelbar untergeordneten Nominalphrase (NP) zu finden (siehe Strukturbaum rechts)“ sind (**), ist einerseits schlicht der Vergleich, den ich Ihnen bieten wollte, Hans (**), und andererseits die Tatsache, daß die ökonomischen Systeme (**) erst durch die von den sprachlichen Systemen (**) ausgelöste Rückkoplung, d.h. durch die Rückwirkung der sprachlichen Systeme, die den ökonomischen Systemen gegenüber zwar auf dem Weg der Genese später, auf dem Weg der Metagenese jedoch früher sind, erst zu Sinnsystemen (**) werden (**), und diese Sinngebung ist nur durch Linguistik möglich, d.h.: daß eine Semiotik allein nicht ausreicht und die über der Linguistik rangierenden Bereiche - die philosophische Logik und die Mathematik, zusammen als logisch-mathematische Systeme (**), obwohl sie selbstverständlich ebenfalls zu den Sinnsystemen gehören - dafür bereits zu abstrakt sind. Beispielsweise besteht das Recht aus Texten, „Gesetze“ genannt, und diese sind rein linguistisch verfaßt, erst noch nur mündlich, später schriftlich. Es ist insbesondere der Rechtstext, der aus der ursprünglichen Ökonomie (Organisation u.s.w.) die ökonomischen Systeme macht, weil durch den Rechtstext z.B. die anfangs noch nur über mündliche Erzählungen über die Ahnen den Personen abverlangten Erwartungen und besonders Verpflichtungen und der Zusammenhalt der Gruppe funktionieren, später schriftlich ergänzt werden, besonders z.B. wegen der notwendig gewordenen Umwandlung der reinen, nämlich noch ursprünglichen Besitzverhältnisse in Eigentumsverhältnisse und deren, nun Schrift erfordernde Regelung. Dieser Text ist nicht nur an Semantik, sondern auch an Grammatik und somit auch an Syntax geknüpft. In der einfachsten Form besteht eine Syntax aus Subjekt und Prädikat (z.B. der Satz „Ich schreibe“). Müßte aber das Subjekt ohne Prädikat auskommen, dann wäre der Sinn des Satzes sehr stark reduziert („Ich“) sogar ohne Sinn dann, wenn alle anderen syntaktischen Formen nicht bekannt wären. Umgekehrt gesagt: „Ich“ wird erst dann gesagt, wenn auch andere syntaktische Formen möglich sind, ob passiv oder aktiv. Denn „ohne eine zweite syntaktische Form wäre das Subjekt als solches noch gar nicht erkennbar“ (**). Und wenn ich das mit den ökonomischen Systemen analogisiere, dann kann man verstehen, warum die ökonomischen Systeme allein keinen Sinn haben können (ich sie also in dem Fall auch nicht den Sinnsystemen zurordnen dürfte): sie brauchen die sprachlichen Systeme, um durch sie einen Sinn bekommen zu können, den sie dann bekommen, nachdem die sprachlichen Systeme die Rückkopplung bewirkt haben und dann auf die ökonomischen Systeme zurückwirken, indem sie ihnen Sinn verleihen.

 

NACH OBEN 1655) Hubert Brune, 09.05.2023 (8870-8877)

8873

WWW.HUBERT-BRUNE.DE :  Personen in der Gesamtwertung, Ränge 1 bis 20; 7. Mai 2022
  WWW.HUBERT-BRUNE.DE: Personen in der Gesamtwertung, Ränge 1 bis 20; Stand: 7. Mai 2023.
Aber, Herr Wagner (**), gerade Sie müßten doch wissen, daß ich Norbert Bolz kenne. Gegenwärtig rangiert er in meiner statistischen Gesamtwertung auf Rang 16. Er ist also sehr bedeutsam in meinem Webangebot. Ich habe auch bereits seit Beginn meines Webangebots (20.04.2001) viele Bolz-Zitate-Seiten erstellt (**|**|**|**|**). Die folgenden 97 Symbole fungieren als Verweise für eine Seite in meinem Webangebot. Klicken Sie auf eines, werden Sie mit einer Seite verbunden, auf der mindestens einmal der Name Bolz genannt ist: |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |2| |4| |4| |4| |4| |4| |4| |4| |4| |4| |4| |4| |4| |4| |4| |&|. Die nun folgenden 8 Symbole fungieren als Verweise für Seiten außerhalb meines Webangebots. Darum kann ich nicht dafür garantieren, daß sie noch aktuell sind: WWW . Außerdem habe ich Herrn Bolz die Ehre erwiesen und ihn mit ausgewählten Titeln als Verweisen zu seinen Texten in einem gesonderten Verzeichnis namens „Personen-und-Sachen-Verzeichnis“ (**) und darüber hinaus in der Leseempfehlung (**) sowie auf einer Danksagungsseite (**) berücksichtigt. Diese Ehre ist hier nur wenigen - dem „Adel“ sozusagen - beschert.

Am meisten habe ich mich in den Nuller Jahren des 21. Jahrhunderts, also in dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends, mit Bolz beschäftigt. Das heißt, daß ich mich mit ihm davor auch schon und danach auch wieder, aber tatsächlich noch nicht bzw. nicht mehr so sehr wie in den Nuller Jahren beschäftigt habe. Das hat aber nicht an Bolz selber gelegen. Ich wurde in den 1990er Jahren durch Fernsehsendungen (ich glaube, es war die ZDF-Fernsehsendung „Nachtstudio“) und Zeitungsberichte auf Bolz aufmerksam. Seit 1999/2000 beabsichtigte ich ein Buch von Bolz zu kaufen. 2002 kaufte ich das Buch mit dem Titel „Das konsumistische Manifest“ (2002); es folgten drei weitere Bücher: „Die Helden der Familie“ (2006), „Das Wissen der Religion“ (2008), „Diskurs über die Ungleichheit“ (2009). Eigentlich wollte ich noch mehr Bolz-Bücher kaufen, weil ich ja schon seit den 1990er Jahren aus den Fernsehsendungen und einigen Texten aus den Zeitungen sowie aus den Büchern, die ich in den Nuller Jahren gelesen hatte, von der Brillianz dieses couragierten Wissenschaftlers (**) wußte. Ich mag ihn und besonders seine Sprachform sehr. Er ist keiner dieser Sprachunfähigen, von denen es leider - auch unter den Intellektuellen (!) - immer mehr gibt, und kann seine Gedanken immer gleich auf den Punkt genau formulieren. Gedanken gehören der Sprache an. Bolz ist wirklich ein ausgezeichneter Sprachmeister!

Der Film, den Sie mitgeliefert haben, Herr Wagner, funktioniert nicht.

 

NACH OBEN 1656) Alf, 23.05.2023, 16:55; Kultur, 23.05.2023, 17:56, 17:56, 17:56 (8874-8877)

8874

I miss Kathrina, Great Again, Sleyor Wellhuxwell, Otto. They haven’t posted here for a long time. Well, I guess that goes for me too.

8875

Peter Sloterdijk stayed in the ashram of Bhagwan Shree Rajneesh (later: Osho) in Poona (today: Pune), India, from 1978 to 1980.

8876

Satyr worte:

Gadamer on the Inability for Conversation).

When reason is corrupted by emotion it cannot approach objectivity.“ **

That is absolutely right - as right as the fact that my username here is Kultur.

Hermann Schmitz said that animals and human sucklings (intrauterine and extrauterine) are each in an environment of only „subjective facts“.

„These subjective facts, however, do not consist in man somehow withdrawing into his subjectivity and building up a private inner world, as tradition probably means when it speaks of subjectivity, subjectivity as a private matter of the individual. That is not the point now, but on the contrary, these subjective facts are the ones in which one is actually confronted with reality, because they contain this, that something is close to one, actually affects me personally and is not merely in my mind, so that here the contact with the real takes place directly, while this contact is only mirrored by the objective facts. .... The subjectivity of a fact for me is therefore by no means a barrier to the world or to everything in my environment or to what else there is. Rather, it is precisely the access to being hit by it in contrast to standing outside as a mere observer. What remains when subjectivity is peeled away from subjective facts is only the objectivity of objective facts. The subjective facts are therefore in many respects richer than the objective facts.
....
This also leads to another important conclusion, namely that the subjective facts can in no way be built up from objective facts by any addition to them. This follows from the correspondence in content of the subjective facts with the corresponding objective ones, that is, in the realm of affective concern. The subjective fact that I am happy or sad naturally corresponds to the objective fact that Hermann Schmitz is happy or sad or something else. This is a fact which, in terms of content, is completely consistent with the fact that I myself am this person, as my immediate affective being affected shows me. From this correspondence of content it follows that no addition to the content of the objective facts can achieve a subjective fact. For the subjective fact has exactly the same content, so there can be no transition to reach the subjective fact from the objective facts. The only difference is that, with completely the same content of qualities and relations and so on, we are dealing with facts of quite a different kind. Facts of quite different kinds, subjective and objective facts, differ in their milieus as facts, but not in their content, which can even be completely the same. Therefore it is also impossible, for example, to reach the subjective facts by adding a causal function to the objective facts. Here is an absolute leap into another milieu, and not a change, an addition of content, of relations or properties. So while the subjective facts are unattainable from the objective facts, conversely it is of course quite possible to reach the objective facts from the subjective facts. For these objective facts are inside the subjective facts; one only needs to peel away the subjectivity. So one only has to go from myself, with all that I am as an affectively affected person, to Hermann Schmitz. The same content remains, but now in the form of objective facts. This descent from subjective to objective facts is a completely indispensable feature of the maturation of life experience, whereby the adult human being outgrows his childishness. The adult human being needs this distance, he needs the neutralisation of subjective facts, so that he can form a well-founded judgement, for example, to be independent as a judge between opposing opinions and parties and to be able to be just. He also needs, in order to find his way in life, first of all a neutral, objective picture of the environment, which can be gained with the help of objective facts. This transition is indeed indispensable for the maturation of the human being, but it is ambivalent. The original abundance of subjective facts partly falls victim to it.“ Translated by me (**).

To get a neutral, objective picture, to make a neutral, objective statement, you need objective facts. Here the subjective facts only hinder. Subjective and objective facts relate to each other like affective concern and non-affective concern.

8877

Satyr wrote:

„My metaphysical speculation is that all is Energy - just as Heraclitus used fire to allegorically represent what he had knowledge and understanding.“ **

Gadamer on Heraclitus (1989).

 

NACH OBEN 1657) Hubert Brune, 11.06.2023 (8878)

8878

Luhmann hat nicht „mehr Philosophisches ausgesagt als alle Philsophen nach dem 2. Weltkrieg zusammen“, wie Sie es Bolz in den Mund oder in die Hand (zum Schreiben) gelegt haben, Hans (**).

Aber wenn man Luhmann als einen Philosophen bezeichnet, wie ich es gelegentlich tue, dann muß man von drei statt von zwei größten Philosophen des 20. Jahrhunderts sprechen, d.h. Luhmann mit Heidegger und Schmitz zusammen nennen. (Für mich - wohlgemerkt: für mich [!] - ist Schmitz der größte unter den drei größten Philosophen des 20. Jahrhunderts [vielleicht sogar auch noch des 21. Jahrhunderts - um das beurteilen zu können, muß aber das 21. Jahrhundert erst einmal beendet sein ].) Luhmann selbst verstand sich aber nicht als einen Philosophen. Ich verstehe ihn durchaus als einen solchen.

Ich finde, daß das genug Lob für Luhmann ist. Er selbst hätte solche Klassifizierungen sogar dankend abgelehnt - wahrscheinlich in einer für ihn typsichen Art und Weise. „Er liebte nicht nur ironische Formulierungen, sondern er benutzte Ironie auch als Reflexionsform. Sie versetzt das Denken in eine Oszillation zwischen verschiedenen Beobachtungsperspektiven. Die moderne Gesellschaft ist kontingent, und deshalb braucht ihre Theorie Ironie.“ (Norbert Bolz, Niklas Luhmann: Das Genie der Gesellschaftstheorie (in: Neue Zürcher Zeitung, 08.12.2017 **).

Die Moderne ist ein ironistisches Zeitalter.

„Das naturwissenschaftlich-technische und singularistische Denken objektiviert und vereinzelt alles Erfahrbare, auch in der Erfahrung des Menschen von sich. Hume findet sich nur noch als ein Bündel von Perzeptionen. Ihnen ist nicht anzumerken, daß es sich um mich handelt. Wo bleibe ich in einer solchen Welt neutraler Elemente? Diese Frage stellt als Philosoph Johann Gottlieb Fichte. Er gelangt damit dicht in die Nähe der Entdeckung der subjektiven Tatsachen, versäumt sie aber und mauert das Ich in eine Tathandlung ein, die nur sich selber tut. Da er diese Isolierung nicht halten kann, opfert er sie dem Kompromiß der Einbildungskraft, die zwischen und über allen Tatsachen im Zwiespalt von Abhängigkeit und Unabhängigkeit schwebt. Daraus macht Friedrich Schlegel die romantische Ironie als das Vermögen, sich von jedem Standpunkt zurückziehen und deshalb auch jeden einnehmen zu können. Damit eröffnete er das ironistische Zeitalter, das bis heute anhält. Kehrseite der Ironie ist die Angst als Höhenschwindel des Schwebens über den eigenen Möglichkeiten (Kierkegaard). Im 19. Jahrhundert bedurfte das ironische Schweben noch aktiver Leistung; dadurch entwickelte sich der (gelebte und literarische) Typ des Dandys, verbunden mit dem Weltschmerz der Heimatlosigkeit. Der Dandy trägt Masken, unter denen er sich nicht finden läßt; er verharrt mit apathischer Starrheit und gekonnt vorgeführter Gleichgültigkeit am Randes des Treibens der Menschen, nicht mit der Festigkeit des Stoikers, sondern zur Absicherung gegen ein Verfallen, das ihn binden würde. Aus dieser Randlage stößt er in unvermittelter Provokation zu einer Stellungnahme vor, aus der er sich unberechenbar wieder zurückzieht. Diese Anstrengung des Durchhaltens der ironischen Schwebelage hat der Ironist des 20. Jahrhunderts und der Folgezeit nicht mehr nötig. Seine ironische Haltung ist passiv und volkstümlich geworden. Er ist cool. Während das Streben des Christen durch sein Glücks- und Heilsideal straff geschient war (erst recht als Kriegsdienst für Christus im Calvinismus) und diese Führung noch in der Aufklärung nachwirkte, steht der Mensch des ironistischen Zeitalters inzwischen ohne vorgezeichnete Bahn vor dem Angebot unzähliger technischer Möglichkeiten, die ihn vereinnahmen, wenn er sich auf sie einläßt. Sie sind untereinander konstellationistisch vernetzt, für sein Belieben aber isoliert und ausgestreut. Er bringt zur Steuerung durch das ausgestreute Angebot kein Rückgrat, keine Linie mit, da er ironistisch darauf eingestellt ist, sich von allem abwenden und allem zuwenden zu können. Sein Ironismus ist erschlafft zur Passivität der Selbstverstrickung in die Führung durch vernetzte Angebote mit Scheinsouveränität beliebigen Wählens aus ihnen.“ (Hermann F.-H. Schmitz, Die Freiheit, in: Kurze Einführung in die Neue Phänomenologie, 2009, S. 26-27 **).

„Wo bleibe eigentlich ich? Diese Frage stellte in der Philosophie zuerst Johann Gottlieb Fichte. Da aber er und seine Zeitgenossen alle Tatsachen für objektive oder neutrale Tatsachen hielten, in denen sie sich nicht wiederfinden konnten, gerieten sie selbst in ein eigentümliches Schweben (das Schweben der Einbildungskraft nach Fichte) über oder zwischen allen Tatsachen. Daraus machte Friedrich Schlegel die romantische Ironie als Wendigkeit, sich von allem abwenden und eben deshalb auch allem zuwenden, jeden Standpunkt wählen zu können. Damit läutete er das ironistische Zeitalter ein, das im 19. Jahrhundert in aristokratischer Zurückhaltung vom Dandy gelebt wurde, inzwischen aber zur Coolneß vor dem Fernseher und Computer vulgarisiert worden ist.“ (Hermann F.-H. Schmitz, Die Freiheit, in: Kurze Einführung in die Neue Phänomenologie, 2009, S. 131 **).

„Die Subjektivität ... hat im abendländischen Denken einen schwierigen Anfang. Den Griechen lag die Selbstbesinnung nicht so wie die Weltanschauung. Der griechische Denker reflektierte zwar auf sich selbst, aber nur als auf ein Stück der Welt, die vor ihm lag und der er sich eingeordnet fühlte, also auf »die Stellung des Menschen im Kosmos«, um Max Scheler zu zitieren. Das Christentum intensivierte zwar die Selbstbesinnung und Selbstsorge, hielt sich dabei aber an den griechischen Objektivismus, indem es den menschlichen Bewußthaber (das Subjekt, das seiner selbst bewußt ist) in einem separaten Stück der um eine transzendente Dimension erweiterten vorgegebenen Welt unterbrachte, in seiner jeweiligen Seele (alias Geist, Bewußtsein, mind usw.), mit der Aufgabe, als Vernunft und freier Wille Herr in diesem Haus zu sein. Er wurde in seiner privaten Innenwelt angesiedelt und im Zuge der naturwisenschaftlich-atomistischen Orientierung des neuzeitlichen Denkens geradezu in diese (in »Seelenatome«) aufgelöst (Hume, Mach). Wo man ihn bewahrte, blieb er eine Sache (Substanz) unter lauter im wesentlichen ähnlichen Sachen anderer Art, bloß durch eine für Vergewisserung oder Gegenstandskonstitution ausgezeichnete Position hervorgehoben (positionale Subjektivität, Descartes, Kant). Für das mit seiner seelischen Innenwelt vermengte Subjekt ergab sich die Rätselfrage, wie es aus ihr heraus zum Objekt kommt. Diese Nivellierung der Subjektivität auf einen bloßen Positionsunterschied (wenn nicht gar Auflösung in Atome) legte die Gegenfrage nahe: Wo bleibe ich selbst? Was kommt zu dem, was ich an mir finde, dadurch hinzu, daß ich selbst das bin (strikte Subjektivität). Diese Frage stellte sich zuerst Johann Gottlieb Fichte. (»Ich schreibe, es schreiben aber auch andere neben mir. Woher weiß ich, daß mein Schreiben nicht das Schreiben eines anderen ist?« »Mein Schmerz, nicht der deinige. Wo ist der Unterschied?« ) Er fand aber nicht die richtige Lösung, sondern flüchtete sich zuerst in die Konstruktion eines absoluten Ich, das keine Tatsache ist, sondern nur die Tathandlung, sich selbst zu setzen, und dann, als diese Konstruktion wegen der Begrenzung durch das Nicht-Ich unhaltbar wurde, in das Schweben der produktiven Einbildungskraft zwischen den unvereinbaren Gegensätzen von Begrenztheit und Unbegrenztheit, aufgeschraubt zum transzendentalen Zirkel. Dieses Schweben wurde zur Dominante des abendländischen Denkens und Lebensgefühls in der Folgezeit, in mehreren Dimensionen. Eine davon ist die Angst, die Kierkegaard als den Höhenschwindel des Schwebens über den eigenen Möglichkeiten deutete; sie ist das Leitmotiv der Existenzphilosophie, die die strikte Subjektivität hochhält, aber nicht zu verorten vermag. Einen geistreichen, aber so nicht haltbaren Vorschlag zu deren ontologischer Verortung machte Heidegger (Sein und Zeit: das Dasein, das bloß seine Möglichkeiten ist und zu sein hat). Eine zweite Dimension, heute die dominante, der unbeabsichtigten Fichte-Nachfolge, ist die ironistische: die absolute Wendigkeit des Schwebens, sich jedem Standpunkt entziehen und auf jeden versetzen zu können, beginnend als romantische Ironie (Friedrich Schlegel), fortgeführt im Dandytum des 19. Jahrhunderts, heute vulgarisiert zur Coolneß und trivialisiert durch elektronische und andere Maschinen mit unzählbaren Angeboten flüchtiger Wahlmöglichkeiten. Eine dritte Dimension ist der Positivismus, der sich dem Schweben der strikten Subjektivität durch deren Verleugnung entzieht und bloß noch Natur in Gestalt vernetzter Daten im Sinne eines Physikalismus gelten läßt. Alle diese Versuche, sich mit der strikten Subjektivität, nachdem sie einmal zur Sprache gekommen ist, abzufinden, scheitern an einem Mißverständnis der Tatsächlichkeit. Man läßt nur objektive oder neutrale Tatsachen gelten, d. h. solche, die jeder aussagen kann, sofern er genug weiß und gut genug sprechen kann, und übersieht die volleren subjektiven Tatsachen des affektiven Betroffenseins, die höchstens einer im eigenen Namen aussagen kann. Wenn man sich überzeugt hat, daß es nicht nur viele Tatsachen, sondern auch viele Tatsächlichkeiten gibt und die für jemand subjektiven Tatsachen der Sitz seiner Subjektivität sind, braucht man nicht mehr die Weltspaltung durch den scharfen Gegensatz von Subjekt und Objekt, Innenwelt und AußenweIt, sondern das Verhältnis gleicht eher dem elastisch (nicht automatisch) kommunizierender Röhren. Wittgenstein hat gesagt, die Welt sei alles, was der Fall ist, nämlich das Bestehen von Tatsachen. Er dachte aber nur an objektive Tatsachen. Wenn man die subjektiven hinzunimmt, ändert sich die Perspektive der Selbstbesinnung, und das Fichte’sche Ich mit allen seinen Nachfolgern (wie dem Dasein Heideggers) braucht nicht mehr zu schweben. An diesem Unterschied hängt auch die Lösung des Freiheitsproblems, woran alle Versuche seit Jahrtausenden unvermeidlich gescheitert sind, weil sie die Freiheit in objektiven Tatsachen suchten.“ (Hermann F.-H. Schmitz, Vorrede als Einleitung, in: Ausgrabungen zum wirklichen Leben, 2016, S. 9-11 **).

„Mit dem von der Übermacht ergreifender Gefühle geweckten Impuls auffangender philosophischer Besinnung ist es mir sonderbar ergangen. Seit etwa 1950, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ist das Brausen der unkontrollierbaren, aber von Könnern manipulierbaren Affekte kollektiv und individuell - abgesehen von einigen Harmlosigkeiten wie Woodstock und andere Rockfestivals - abgeebbt wie ein gewaltiger Sturm und einer entgegengesetzten Bedrohung des affektiven Betroffenseins gewichen, einer vielleicht noch gefährlicheren, die ebenso Grund genug ist, sich als Philosoph auf deren Quellen zu besinnen. Es handelt sich um eine eigentümliche Steifigkeit, die die Menschheit (zumindest die europäische, aber überall wird Europa) heimgesucht hat und sich immer weiter ausbreitet. Bis dahin konnten die Menschen aus der Fülle ungeformter Möglichkeiten schöpfen und schöpferisch (in diesem Sinn des Wortes) neue Wege ausprobieren; es genügte, aus der Stadt aufs Land zu gehen und in die weite Welt zu wandern wie der Wandervogel in der Jugendbewegung nach 1900. Fortan ist das fruchtbare Feld ungeformter Möglichkeiten verstellt durch eine von der modernen Maschinentechnik (neuerdings besonders Elektronik) ausgereizte Perfektion von Angeboten kurzfristiger Lebensführung, gleich einem durch fortschreitende Verdichtung undurchsichtig werdenden Schienensystem, in dem der Einzelne von Station zu Station die Weichen stellen kann, scheinbar souverän in der Auswahl, aber nicht mehr in der Gestaltung, also nicht mehr schöpferisch im angegebenen Sinn. Dem kommt die Kultur der coolen Wendigkeit in dem von Friedrich Schlegel im Anschluß an Fichte eingeleiteten ironistischen Zeitalter zugute; sie bricht den Menschen das Rückgrat konsequenten eigenen Wollens und versetzt sie auf das Niveau spielender Kinder, die ihren Launen nachgehen dürfen. Die Menschen sind wie Puppen in einem Maschinenpark, in dem sie einige Hebel stellen können, durch die sie kurzfristig Herren ihres Weges werden, indem sie sich langfristig der Herrschaft der Maschinen ausliefern und den Schein augenblicklicher Souveränität mit der Unterwerfung unter den übermächtigen Betrieb der vernetzten Angebote bezahlen. Die Lebendigkeit des affektiven Betroffenseins verliert auf diese Weise den großen Schwung, den langen Atem; das Pathos, auch das unaufgeregte, wird zur Laune. Unter dem Scheinleben puppig versteifter Menschen muß ihr wirkliches Leben, ihre Ergreifbarkeit und die daraus allein sich ergebende Möglichkeit schöpferischen Gestaltens noch ungeformter Möglichkeiten, geweckt und, da Propheten unter Ironisten keine Macht mehr haben, wenigstens durch begreifende Besinnung dem Bewußtsein der Menschen wieder nahegebracht werden. Deswegen konnte ich, wenn auch mit umgekehrter Frontstellung, mit demselben Impuls meiner Absicht treu bleiben, den Menschen ihr wirkliches Leben begreiflich zu machen.“ (Hermann F.-H. Schmitz, Vorrede als Einleitung, in: Ausgrabungen zum wirklichen Leben, 2016, S. 26-27 **).

Viele Grüße

 

NACH OBEN 1658) Alf, 14.05.2023, 21:40 (8879)

8879

Humanize wrote:

„Psychology is a lie for those who are spiritually ignorant.“ **

Yes.

Herr Schütze (translating Hermann Schmitz) wrote:

„Psychologism consists in the quartering of the whole experience of a human being in his inner world like in a house with walls and floors, in which he can be master as reason; this house has the name "soul" ("psyche") for thousands of years and serves the delimitation and centralization of experience in the interest of being able to dispose of one's own involuntary impulses. This advantage is opposed by a problem that is a disadvantage of psychologism: How does one get out of one's own inner world again, e.g. to reliable recognition?“ **

The psyche (a) either does not exist at all or (b) has a completely different meaning, and, if so, it would be outside the body, perhaps close to the body, but guaranteed not in the body.

 

NACH OBEN 1659) Kultur, 17.06.2023, 19:23, 21:14, 22:02 (8880-8882)

8880

EINAI.

Etymology:

From Ancient Greek einai (eînai), present infinitive of eimi (eimí, „I am“).

(For the noun): Semantic loan from German Sein.
(For the 3rd person of verb) According to Babiniotis[2], not from the infinitive einai (eînai), but from the Medieval Byzantine Greek enai (énai) < Ancient Greek eni (éni), a short form of enesti (énesti, „to be in“), and in unison with the forms eimai (eímai), eisai (eísai).

Zeno.org wrote:

„Truth is agreement of judgement with (changing) appearances: panta einai hosa pasi phainetai (Sextus Empiricus, pyrrhoneíai hypotypôseis [translated roughly: Outlines of Pyrrhonian Scepticism], I, 218).“ **
Translated by me.

Perhaps panta einai therefore means that everything is one in the sense of appearances.

8881

What is new and groundbreaking about Schopenhauer’s philosophy is - at least for me (!) - the detachment from the dualistic body-soul(psyche) schema of the world split: the soul (psyche) no longer appears, the bodily impulses manifest or objectify themselves in the body without its intervention.

8882

Kultur wrote:

„What is new and groundbreaking about Schopenhauer’s philosophy is - at least for me (!) - the detachment from the dualistic body-soul(psyche) schema of the world split: the soul (psyche) no longer appears, the bodily impulses manifest or objectify themselves in the body without its intervention.“ ** **

Nietzsche took the theme from Schopenhauer and developed it into an impressive appeal against Christian contempt for the body.

And Freud took the concept of will from Schopenhauer and made his drive model out of it. He also took over some things from Nietzsche, but most of all from Schopenhauer.


In German there is the distinction between „Körper“ and „Leib“ (both can only be translated as „body“ in English). The „Körper“ is the inanimate, the dead body, if you like, the corpse; and the „Leib“ is the animate on/at the body.

For this reason there are again very many misunderstandings in translation, because the other languages have only one word for it, e.g. in English „body“

DEUTSCH ENGLISCH
Leib
Körper
Body

 

NACH OBEN 1660) Hubert Brune, 20.06.2023 (8883-8884)

8883

Auch dann, wenn es „ein Ironierecht“ gibt und dieses „in der Regel dem höhergestellten Gesprächsteilnehmer“ zusteht, bin ich mir nicht sicher, ob Luhmann die Ironie verwendet hat, „um seine Macht anzuzeigen und auszuüben“ (**).

8884

Wenn Sie meinen, daß das „in der Regel dem höhergestellten Gesprächsteilnehmer zugestandene Ironierecht“ als „legitimes Recht“ (**) über die selektive Relationierung im System mehr Ereignisse, z.B. rechtliche Entscheidungen, als zuvor und dabei die Reduktion von Systemkomplexität und die Steigerung von Umweltkomplexität ermöglicht, dann könnte man wiederum den Eindruck haben, daß Sie sagen wollen, Luhmann selber habe mittels Ironierecht Systemkomplexität reduziert und Umweltkomplexität gesteigert.

Es ist zu unterscheiden zwischen Systemumwelten und Nicht-Systemumwelten, sinnhaften und nicht-sinnhaften Systemumwelten, der Beziehung eines Systems zu seiner Systemumwelt allgemein (als dem abstrahierten Anderen) und zu Systemen in seiner Umwelt (als dem sich selbst bestimmenden Anderen).

Die Gesellschaft und ihre Umwelten

 

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